BRESLAUER

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Die Breslauer ärztliche Zeitschrift erscheint jeden
zweiten und vierten Sonnabend im Monat. Preis
pro Jahrgang 12 Mark, halbjährlich 6 Mark. Be­
stellungen nehmen alle Buchhandlungen und PostAnstalten an.
BRESLAUER
-----Redacteur: Prof. Dr. Gscheidlen.
Fünfter Jahrgang.
1883.
JS@. X.
Beiträge sind an die Redaction, Klosterstrasse 76
in Breslau, Inserate an die Verlags-Buchhandlung
Leopold Voss in Hamburg, oder die Buchdruckerei
von Grass, Barth & Co. (W. Friedrich) in Breslau
einzusenden.
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Sonnabend, den 13. Januar.
Inhalt: I. Ueber Laparomyotomie. Vortrag, gehalten am 24. November 1882 in der medicinischen Section der Schles. Gesellschaft für
vaterl. Cultur zu Breslau von Prof. Heinrich Fritsch. —• II. Ein Beitrag zur Lehre von der Innervation des Herzens. Von Prof.
Dr. J. Sommerbrodt. — III. Vergiftung durch Kali chloricum. Von Dr. Goldschmidt in Breslau. — IV. Von der 55. Ver­
sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Eisenach. — V. 30. Sitzung des schlesischen irrenärztlichen Vereins zu Breslau am
26. November 1882. — VI. Referate und Kritiken. — VII. Tagesgeschichtliche Notizen. — VIII. Personalien. — IX. Inserate.
I. Ueber Laparomyotomie.
Vortrag, gehalten am 24. November 1882 in der medicinischen
Section der Schles. Gesellschaft für vateri. Cultur zu Breslau
von
Prof. Heinrich Fritsch.
Die Uterusmyome sind im Allgemeinen gutartige Ge­
schwülste. Dies beweist vor Allem eine Art von Naturheilung,
welche fast die Regel ist. Sei es nun, dass die Geschwulst
aufhört zu wachsen, dass neerohiotische Vorgänge zur Ver­
kleinerung führen, oder dass ein Myom völlig schwindet. Auch
das Letztere ist namentlich im Puerperium sicher constatirt.
Wenn deshalb der Arzt sich entschliesst, ein Myom durch
den lebensgefährlichen Eingriff der Laparotomie zu entfernen,
so müssen ganz besondere, schwer wiegende Gründe vorliegen.
Es müssen also Symptome vorhanden sein oder Ereignisse
ein treten, welche ein Abwarten gefährlicher erscheinen lassen
als einen Eingriff. Man denkt bei diesen Erwägungen zuerst
an die Blutungen. Wenn auch ein Fall von director Ver­
blutung bei einem Myome, abgesehen von den Post-partumBlutungen, wohl nicht beobachtet ist, so können die Blutungen
doch so heftig, andauernd und wiederkehrend sein, dass sie
die Gesundheit untergraben. Schliesslich macht zwar nicht
die Blutung, aber doch die in solchen Fällen häufige fortgesetzte
Thrombenbildung oder eine andere ungünstige Complication
dem Leben ein Ende. Trotzdessen würde ich mich kaum zu
einer Laparomyotomie wegen Blutungen entschliessen. Bei sorg­
fältiger, allezeit prompter Behandlung gelingt es durch Heiss­
wasser-Irrigationen, subcutane Ergotin-Inj eetionen, Bor-GlyeerinTamponade, Liquor ferri- oder Jodtinctur-Injection in den Uterus
oder durch Ausschabungen Besserung zu erzielen. Zudem
haben die Blutungen in der Mehrzahl der Fälle den menorrhagischen Charakter, d. h. die Menstruation ist sehr stark
und dauert lange Zeit. Tritt auch unter dem Einflüsse des
Blutreichthums die Menopause oft ungewönlich spät ein, so
wird doch mit ihr die Naturheilung selbstverständlich sein.
Und bei Ausnutzung aller unserer Mittel gelingt es, bis zur
Menopause den Zustand erträglich zu erhalten. Es kommt
hier sehr auf die Individualität des Arztes und der Patientin
an: von beiden Seiten ist Geduld und Sorgfalt nöthig. In
manchem Falle ist es grade die Patientin, die zur Operation
drängt. Bei sehr starker Anämie dürfte aber die Operation
ein grosses Risiko sein. Ich habe noch nie in solchen Fällen
eine Indication gefunden, resp. geglaubt, die Laparotomie ver­
antworten zu können. Noch viel weniger werden andere Er­
scheinungen Dysmenorrhoe, Schmerzen oder Drucksymptome
die Operation rechtfertigen.
Ein Umstand aber ist es, der ein Myom lebensgefährlich
macht, bei dem man mit Sicherheit den baldigen, schädlichen Ein­
fluss auf das Allgemeinbefinden voraussehen kann: ich meine
das Wachst hum. Hat ein Myom die Tendenz zu wachsen,
dann ist es noch gefährlicher als ein Ovarientumor, weil die
Operation schwerer ist.
Gerade schnell wachsende Myome finden sich häufig bei
jungen Individuen. Es ist das ungefähr dasselbe, wie wenn
ich sage: alle Myome entstehen zeitig, die allermeisten aber
wachsen nur minimal oder hören bald vollkommen auf zu
wachsen, eine kleine Anzahl nur hat die immanente Tendenz
zum unbegrenzten Wachsthum.
Ohne darauf näher einzugehen, ist es wohl richtig anzu­
nehmen, dass eine homöoplastische Geschwulst leicht zu einer
Zeit entsteht, wo Wachsthumsvorgänge in auf- und absteigender
Linie am Uterus physiologisch sind.
Natürlich sind die schnell wachsenden Myome meist inter­
stitielle, das heisst überall von normalem Uterusparenchym
umgeben und ernährt. Wenn auch zunächst ein Segment und
schliesslich der grösste Th eil frei in den Peritonäalraum hinein­
ragt, so ist doch die Basis meist sehr gross. Am Ende freilich
ist das über der Geschwulst befindliche Uterusparenchym so
verdünnt, dass es kaum noch zwischen Geschwulst und Peritonäum nachweisbar ist. Die Geschwulst wächst, wie alle
derartigen Geschwülste, nach der Gegend des geringsten Wider­
standes, sie drängt nicht den Uterus auseinander, sondern
dehnt sich in dem Abdominalraum aus. Damit hängt dann
zusammen, dass oft bei diesen Geschwülsten jede Erscheinung
von Seiten der Uterushöhle fehlt. Sind viele kleine Myome
vorhanden, oder sitzt das Myom exquisit submucös in einer
Seite, so vergrössert sich die Höhle, dann natürlich die Ober­
fläche der Schleimhaut und damit die blutende Fläche. Bei
gleichzeitiger Hyperämie kommt es zu Schleimhauthypertrophie
resp. Erkrankung und zu enormen Blutungen. Ja, ich sah
einen Fall von multiplen Myomen, wo durch Wachsthum
mehrerer Myome die Uterushöhle auseinandergezerrt und weit
war; wie in einem freien, leeren Raume bewegte sich Sonde
resp. die Curette frei hin und her. Alles das kann bei den
grössten Myomen fehlen. Wächst es z. B. im Fundus, so kann
die Höhle und mit ihr die Schleimhaut ganz normal bleiben.
In zwei Fällen, welche ich operirte, war die Menstruation
trotz grosser Myome ganz normal.
1
2
BRESLAUER AERZTLICHE ZEITSCHRIFT.
Es können also alle beängstigenden Symptome
fehlen und doch besteht eine strenge Indication zur
Operation: das Wachsthum! Ist es nun auch selbst­
verständlich, dass ein schon in den Jahren zwischen 20
und 30 gefundenes grosses Myom auch ein schnell­
wachsendes ist, so muss man doch eine jede Geschwulst
regelmässig messen, circa alle 4 Wochen untersuchen und erst
dann die Operation als unumgänglich nöthig hinstellen, wenn
ein deutliches Wachsthum constatirt ist. Aber dann darf nicht
gewartet werden, denn je kleiner der Tumor, um so leichter
im Allgemeinen die Operation. Eine mannskopfgrosse Ge­
schwulst ist leicht zu operiren, wird sie grösser, so werden
die Verhältnisse schon ungünstiger. Irgend ein Zufall,'ein
Stoss gegen den Leib, eine starke Anstrengung kann zu circumscripten Peritonitiden führen, welche durch Adhäsionenbildung
die Operation sehr erschweren. Ich behandelte ein Myom,
bei dem ich operiren wollte. Patientin fiel auf der Strasse.
Sie wurde ohnmächtig und bekam peritonitische Erscheinungen.
Nach Ablauf der acuten Peritonitis fand ich den vorher frei
beweglichen Tumor irreponibel, felsenfest im Douglasischen
Raume angelöthet. Eine Function oberhalb des Tumors wegen
zunehmender Dyspnoe gemacht, entleerte blutigen Ascites.
Derselbe sammelte sich nicht wieder an und die Geschwulst
wuchs langsam weiter.
Wird das Myom als ein cystisches nachgewiesen, so
besteht jedenfalls auch eine Indication, wegen der ausge­
sprochenen Wachsthumstendenz dieser Geschwülste. Freilich
irrt man sich hier oft, sobald die Geschwulst die Grösse eines
schwangeren Uterus erreicht, weil dann die Stielverhältnisse
undeutlich werden und man vor der Function die Differentialdiagnose zwischen ovarieller und uteriner Provenienz schwer
stellen kann.
Noch möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass Alter und
sociale Stellung den Entschluss zur Operation beeinflussen.
W ächst auch ein Myom bei einer Frau über 60 Jahre in jedem Jahre
um wenige Centimeter, so fragt es sich doch, was gefähr­
licher ist: dass die Patientin ihr Jahrzehnte altes Myom für
den Rest ihres Lebens noch bei sich beherbergt, oder dass man
nehme, dass die Myome schon in sehr jungen Lebensjahren viel­
leicht während der Pubertätsentwickelung entstehen, so ist
ja ein Myom, das im 60. Lebensjahre gefunden wird, eo ipso
ein langsam wachsendes. Sind nun ausserdem die Verhältnisse
der Patientin so günstige, dass sie sich alle Pflege, vor allem
die sorgfältige, ärztliche Pflege angedeihen lassen kann, dann
ist selbst bei grossem Tumor der Zustand erträglich. Schwerer
ist dagegen das Für und Wider bei einer armen Frau abzu­
wägen, bei der oft die Begriffe Leben und Arbeiten sich decken,
bei einer armen Frau, welche bis zum Verhungern unglücklich
wird, wenn Arbeitsunfähigkeit eintritt. In solchen Fällen entschliesst man sich vielleicht leichter, weil hier die Arbeits­
fähigkeit wichtiger ist, weil der Einsatz: ein elendes Leben
und Sterben, geringer erscheint gegenüber der Möglichkeit
völliger Gesundheit. Es lässt sich natürlich über solche Dinge
streiten. Dass aber auch derartige Erwägungen beim Entschlüsse
zu lebensgefährlichen Operationen eine Rolle spielen, ist nicht
wegzuleugnen. Humanität und Exactität liegen manchmal im
Widerstreit, ich erinnere nur an die Uterus - CarcinomOperationen.
Zuletzt ist noch Eins zu berücksichtigen: ob die Operation
voraussichtlich leicht oder schwer sein wird. Es existiren
No. 1.
ganz verschiedene anatomische Verhältnisse, die jedoch nicht
unberechenbar sind. Wuchs das Myom in dem vom Peritonäum
bedeckten Theile des Uterus, so ist auch die Geschwulst vom
Peritonäum bedeckt und ebenso beweglich, wie der Uterus
in der Gegend des inneren Muttermundes beweglich ist. Im
schlimmsten Falle, wenn das Myom nicht dem Uterus auf sitzt,
bildet der verdickte Uterus den Stiel. Ist aber das Myom
in dem Theil des Uterus entstanden, welcher mit der Blase
verbunden ist, so wird auch der Tumor mit der Blase Zu­
sammenhängen. Wächst also das Myom im vorderen Theil
des Cervix, so kann es die Verbindung der Blase mit dem
Uterus colossal aus dehnen, die Blase befindet sich ebenso über
dem vergrösserten Cervix als über dem normalen, sie ist bis
zur Nabelhöhe nach oben ausgezogen, man muss sie vom Tumor
ablösen. Dies ist • weder leicht noch ungefährlich. Die Wund­
fläche ist enorm gross. Oder wächst der Tumor in der Seiten­
wand des Cervix, so schiebt er sich, wachsend, in das seitliche
Subserosium zwischen die Platten des Ligamentum latum und
hebt letzteres hoch über sich in die Höhe. Es ist die vergrösserte seitliche Partie geradeso überall mit dem subserösen
Zellgewebe verbunden, als vorher die Seitenwand des normalen
Uterus. Auch hier ist eine Lösung schwer und gefährlich.
Unsere heutige diagnostische Technik ist durch He gar,
Olshausen, Schultze u. a. im Stande diese Verhältnisse
aufzufinden. Namentlich Schroder’s Vorschrift, alle Tumoren
genau in Narcose zu untersuchen ist zu beherzigen.
Natürlich wird man sich bei voraussichtlich sehr schwierigen
Operationen schwerer entschliessen, und doch muss man bei
schnell wachsenden Geschwülsten operiren, da eine andere
Rettung nicht existirt. Zum Glück sind die fundalen Myome
viel häufiger als die cervicalen.
Um nochmals die Indication zur Laparomyotomie zu
resümiren, so ist es also allein das Wachsthum der Geschwulst,
das zur Operation zwingt.
Gehe ich nun zur Operation selbst über, so kann ich
wenig Neues berichten, denn bei der auseinandergesetzten Ein­
schränkung der Indication können die Fälle nicht nach
Dutzenden zählen.
Die antiseptischen Cautelen sind dieselben als anderswo,
höchstens ist zu bemerken, dass ich die Patientinnen sehr
oft (6—8 mal) vor der Operation baden lasse. Ich operire
ohne Spray, der aber Abends vor der Operation und früh
stundenlang in dem Zimmer in Action ist. Der Bauchschnitt
wird möglichst gross angelegt, ob er 5 cm mehr oder weniger
misst, ist für die Heilung gleichgültig, erschwert höchstens
die Assistenz. Wird nach Madelung’s Vorgänge sofort nach
Herausbeförderung des Tumor der Schnitt wieder vernäht, so
ist auch die Gefahr des Herausfallens der Därme, die aus
einem so grossen Schnitt bei der geringsten Anstrengung des
Zwerchfells prolabiren, nicht vorhanden.
Ein kleiner Tumor ist nicht selten schwerer herauszube­
fördern als ein grosser. Der kleine Tumor dehnt die Bauchdecken
wenig, sodass die Distance zwischen Nabel und Symphyse sehr
eng ist. Ausserdem kann man den Tumor schwer anfassen, und
natürlich ist jede, auch die geringste Verletzung mit einer
Zange zu vermeiden. Ein einziger Nadelstich, selbst mit der
Pöan’schen Nadel liefert während der Dauer der Operation
mehrere Esslöffel Blut. In solchen Fällen von kugelrunden
festen Tumoren habe ich nicht den Tumor herausgehoben,
sondern die Bauchdecken an ihm nach unten geschoben, wie
man etwa den zu engen Muttermund über den nachfolgenden Kopf
13. Januar 1883.
BRESLAUER AERZTLICHE ZEITSCHRIFT.
hinüberschiebt. Ein allseitiger, kräftiger, langsamer Druck
führt zu allmählicher Erweiterung der Bauchwunde durch
Dehnung und lässt einen Tumor hervorgleiten, der zu Anfang
fast zu gross erschien.
Sind die Tumoren grösser, so sind erstens die Bauch­
decken auch gedehnter, zweitens aber ist der Tumor abge­
plattet, so dass man ihn umfassen, die schmale Seite nach vorn
drehen und ihn so herausbefördern kann. He gar war der
Erste, der diese Verhältnisse beschrieb.
Ist der Tumor entwickelt und der obere Theil der grossen
Bauchwunde provisorisch zugenäht, so hält ein Assistent den
Tumor und man klärt sich über die Stielverhältnisse auf.
Fast alle Operateure wählen ein zweizeitiges Verfahren, d. h.
der Tumor wird provisorisch ligirt und abgetragen, erst danach
wird der Stumpf so zurechtgeschnitten, wie es zur definitiven
Versorgung nothwendig erscheint.
Das Zurechtschneiden muss recht vorsichtig, schonend
und zweckentsprechend geschehen. Die Wundränder müssen
so gleichmässig glatt sein, dass sie bei der Naht wie die
Ränder einer glatten Schnittwunde aneinanderliegen. Aufs
sorgfältigste vermeidet man eine Lockerung des Peritonäum
von der Unterlage. Jedes Zerren, Quetschen und Zupfen einer
so zarten Membran lässt es fraglich erscheinen, ob das Peri­
tonäum mit ganz erhaltener Vitalität aneinanderheilt, und nicht
etwa als — allerdings unschädlicher — Fremdkörper der all­
mählichen Resorption anheim fällt. Ist die Uterushöhle eröffnet,
so wird die Schleimhaut trichterförmig ausgeschnitten. Weshalb
von der Scheide oder der Uterushöhle eine Infection besonders
gefürchtet wird, ist mir bei der Möglichkeit der Desinfection
nicht recht verständlich. Hierauf wird 1—1 */2 g fein ge­
pulvertes Jodoform in die ganze Wundflüehe stark eingeriebon.
Zur Naht wählt man starke Seide und führt die Nadel
überall circa 1 cm unter der Wundoberfläche hindurch.
Namentlich an dem Trichter, welcher der Stelle der aus­
geschnittenen Uterusschleimhaut entspricht, näht man möglichst
tief, bis dicht über der provisorischen Ligatur. Ich habe schon
14 derartige, ca. 7,5 mm von einander entfernte tiefe und
mehrere oberflächliche Nähte gelegt. Beim Knüpfen zeigt es
sich, ob das Zurechtschneiden gut gemacht ist. Sollte sich
stellenweise Parenchym vordrängen, so ist es noch mit der
Cooper’schen Scheere zu entfernen. Jedenfalls muss ganz
tadellos, wie bei einer plastischen Operation, Wundrand an
Wundrand liegen. Auch bei Ovariotomien habe ich stets
nach Jodoformirung den Stiel in der beschriebenen Weise vernäht.
Meist, da hier Kraft nicht nöthig war, durch eine fortlaufende
Katgutnaht. Einigemale nähte ich, wie beim Schluss der Leibes­
höhlen nach der Obduction, so dass etwas auswärts von den
Wundrändern eingestochen, diese selbst nach innen gekrempelt
wurden. Dadurch aber muss ein kleiner todter Raum ent­
stehen. Ist dieser auch bei Jodoformirung ungefährlich, so ist
doch die Vermeidung eines todten Raumes vorzuziehen.
Bei starren Seidenfäden, festem Anziehen und dichten
Nähten ist gewiss der Verschluss sämmtlicher Gefässe ge­
nügend. Und es fragt sich deshalb, soll man die provi­
sorische Ligatur liegen lassen oder nicht?
Als Ligaturmaterial bei dicken Stielen werden neuerdings
Gummischnüre gebraucht. Sie haben den Vortheil andauernder
Wirkung. Jeder Operateur wird die Beobachtung machen,
dass eine Seidenligatur, die ganz beim Beginn der Operation
um dicke Stieltheile gelegt ist, am Ende der Operation —
und war auch der Faden mit aller Kraft zusammengeschnürt
3
— doch locker ist. Das zusammengeschnürte Gewebe wird
trockener, verdrängt: kurz, die Ligatur wird lose, wie die
Ligatur am sulzreichen Nabelstrange. Dann kann bei zu­
nehmender Herzkraft nach der Narcose eine resistentere
Arterie durchgängig werden, sodass Nachblutung entsteht.
In früherer Zeit sind bei Ovariotomien oft auf diese Weise
Nachblutungen entstanden, und Olshausen hatte auch ein
besonderes Verfahren zur Vermeidung angegeben: das provi­
sorische Zusammenschnüren mittelst Drahtecraseur und das
Anlegen der Ligatur in die nun vorhandene Schnürrinne.
Diesen Gefahren entgeht man bei der elastischen Ligatur.
Ausserdem ist das Volumen des versenkten Ligaturmaterials
bei der Gummischnur gegenüber der Seide geringer, und was
ebenfalls vortheilhaft ist, nicht imbibitionsfähig. Einen dicken
Stiel umschnürt ein Stück Gummischnur von — im unge­
spannten Zustande — 1—2 cm Länge. Man darf die Schnur
nicht knoten, sondern muss sie, nach Thiersch, mit einem
Bleiring schliessen. Diese einfache Methode ist sehr leicht
und schnell auszuführen, da man die Knotenbildung und die
Sicherung des Knotens erspart.
Durch die elastische Ligatur wird jedenfalls die Er­
nährung des Stumpfes sistirt. Gewiss ist es der Resorptions­
oder, wie es auch genannt ist, Verdauungskraft des Peritonäum etwas viel zugemuthet, wenn ein faustgrosser Stumpf
oberhalb der elastischen Ligatur zurückbleibt.
Dass ein unterbundener Stumpf gangränös werden und
ohne allgemeine Peritonitis durch die perforirte Scheide ab­
gehen kann, ist beobachtet. Andererseits hat schon Stilling
beschrieben, dass der ligirte Stumpf nicht völlig ausser Er­
nährung gesetzt wird. Ich habe deshalb, aus Furcht vor
Nachblutungen, die, wenn auch nicht durch acute Anaemic,
so doch durch Schaffung einer zersetzungsfähigen Masse ge­
fährlich sind, den Stiel principiell stets doppelt versorgt.
Und zwar wurde die elastische Ligatur dann am Stiel be­
lassen, wenn es die Verhältnisse gestatteten, fiber der Ligatur
wenig Gewebe zurückzulassen. Musste aber eine breite
Wundfläche mit vielem Parenchym Zurückbleiben, so dass
z. B. 14 Nähte dieselbe vereinigten, dann habe ich nur einen
starken doppelten Seidenfaden als Massenligatur darunter um
den Cervix gelegt. Jedenfalls aber spielen die direct ver­
einigenden Nähte die Hauptrolle.
Eine Frage ist auch die, ob man die Ovarien mit ent­
fernen soll oder nicht, oder, was oft dasselbe ist, ob man
zuerst seitlich die Ligamenta lata abbinden und abtrennen
soll. Natürlich sind bei jugendlichen Individuen, deren Uterus
so amputirt wird, dass ein grosses Stück desselben oder so­
gar der ganze Fundus mit einem Theil der Höhle verloren
geht, die Ovarien principiell zu entfernen. Ist aber die Uterus­
höhle nicht eröffnet, so können die Ovarien Zurückbleiben.
Nur ist es oft viel einfacher, die erste grosse provisorische
Ligatur so anzulegen, dass die am Fundus der Geschwulst
sitzenden Ovarien oberhalb liegen.
Sitzen die Ovarien oder eines derselben tiefer, so mögen
beide oder das eine Zurückbleiben. Hier kommt es mehr
auf Anlegung einer gut zu vereinigenden Wunde, als auf das
Ovarium an. Ebenso ist es wohl dann unnöthig, die Liga­
menta lata schrittweise zu unterbinden, wenn sie tief unten
beginnen oder ganz dicht dem Tumor anliegen.
Natürlich wird zuletzt die Beckenhöhle gut ausgetupft.
Ist die Laparotomie eine Operatic sicca, was jede Operation
1*
4
BRESLAUER AERZTLICHE ZEITSCHRIFT.
im Abdominalraum sein muss, so fehlt der Boden, auf dem
sich ubiquistische Spaltpilze ansiedeln könnten.
Auch nach Anlegung der Nähte und Anziehen derselben
nach oben muss noch einigemale der gestielte Schwamm nach
unten gehen. Der Druck auf die Gedärme bei der Naht be­
fördert noch Serummassen nach unten, sodass sich wieder
einige Flüssigkeit ansammelt. Auch zeigt ein Blick auf den
Schwamm, ob man Blut vom Stiel abtupft oder nicht. Oft blutet
bei gezerrtem Stiel der Stumpf nicht, während am versenkten
sofort Blut aussickert. Dass noch einige Nähte die Blutung
völlig heben müssen, ist selbstverständlich.
Wenn man die Indication so einschränkt, wie oben be­
schrieben, dann werden die Fälle nicht häufig sein. Ich habe
4 operirt. Der erste war ein höchst ungünstiges, colossal
grosses Myom bei einer Frau von 45 Jahren. Die Blase reichte
fast bis zum Fundus der Geschwulst, bis über den Nabel.
Die Blase musste unter starker Blutung losgelöst werden.
Noch schwieriger als diese Procedur, war die Entwickelung
aus dem rechten Subserosium. Man gewann schon während
der Operation die Ueberzeugung, dass der Eingriff kaum ver­
tragen werden könnte. Patientin starb noch an demselben Tage.
Der zweite Fall betraf ein cystisches mannskopfgrosses
Myom bei einer Nullipara von 38 Jahren. Da der Tumor trotz
grossen Bauchschnittes nicht zu entwickeln war, wurde er nach
Fixation in der Bauchwunde mehrfach pungirt. Floss auch
überall nur wenig von der klebrigen, gelblichen Flüssigkeit ab, so
gelang es doch nunmehr den Tumor herauszudrücken. Nach pro­
visorischer Ligatur, Abtragung des Tumor, ohne Eröffnung der
Uterushöhle. Die Wunde wird zu einem Keil präparirt, mit
Jodoform eingerieben und vereinigt. Ein Ovarium mit dem
Tumor entfernt. Die provicorioclio Ligatur — doppelter
Seiden-
faden — bleibt liegen: also doppelte Stielversorgung.
Nach 14 Tagen wurde Patientin gesund entlassen.
Im dritten Fall handelte es sich um einen soliden Uterus­
tumor bei einer Nullipara von 29 Jahren. Ich selbst hatte
das rapide Waöhsthum constatirt. Obwohl alle Symptome,
ausser etwas Schmerz fehlten, entschloss ich mich wegen des
Wachsthums zur Operation. Der Tumor war so fest von den
straffen Bauchdecken nach unten gepresst, dass er ohne Narcose
vom vorderen Scheidengewölbe nicht abzuheben war. Doch
constatirte ich in der Narcose einen genügend langen Uterus­
rest zur Stielbildung. In diesem Falle hatte sich in 4 Wochen
auf dem Fundus der Geschwulst ein kinderfaustgrosser secundärer Tumor entwickelt.
Es wurden die Ligamenta lata unten am seitlichen Rande des
Uterus durchstossen behufs Anlegung der provisorischen Ligatur.
Beim Zurechtschneiden des Stiels, Eröffnung der Uterushöhle.
Deshalb doppelte Castration. Tiefe Naht des jodoformirten
Stumpfes mit 12 starken Seidensut'uren und einer Anzahl ober­
flächlicher Nähte zur möglichst genauen Vereinigung.
Auch diese Patientin wurde am 14. Tage gesund entlassen,
erholte sich aber langsam und hatte nach Bericht des Arztes
später ein kleines Exsudat. Dasselbe brach nicht durch.
Im letzten Falle war der Leib von einer enormen stein­
harten, gleichmässig, ovalen bis zum Scrobiculus cordis reichenden
Geschwulst ausgefüllt. Mädchen von 23 Jahren. Sehr schnelles
Wachsthum.
Es schien fast unmöglich den unzerkleinerten Tumor durch
einen Bauchschnitt zu entfernen. Ich hatte deshalb den Plan
gefasst eine Gummischnur über den Fundus des Tumor auf
der hinteren Seite herabzuführen, möglichst unten provisorisch
No. 1.
zu ligiren und dann in der Seitenlage der Patientin einen
grossen Schnitt in den Tumor zu machen. Verkleinerte er
sich durch Ausbluten nicht, so sollten Scheiben ausgeschnitten
werden. Dies war bei Seitenlagerung natürlich möglich, ohne
dass ein Tropfen Blut in die Bauchhöhle floss. (Die Er­
öffnung der Cysten durch weites Aufschlitzen in der Seiten­
lage kürzt die Operation oft sehr ab. Auch die grosse
Sicherheit, ja die physikalische Unmöglichkeit des Einfliessens
von Cysteninhalt in die Bauchhöhle ist in vielen Fällen vortheilhaft. So Hess ich nach weitem Aufschlitzen bei einer
sehr grossen Dermoidcyste den gefährlichen, dickflüssigen, mit
Haaren vermischten Inhalt in der Seitenlage ausfliessen. Sehr
gute Assistenz wegen des Zurückhaltens der Därme ist bei
der schnellen Entleerung dringend nöthig.)
Als ich in unserm Falle mit der flachen Hand hinter
den Tumor gegangen war und ihn mit der schmalen Seite
nach vorn drehte, gelang es vereinten Handgriffen den
Tumor zu entwickeln. Er sass kurzgestielt am Uterus und
wurde nach Schluss des oberen Theils der Bauchwunde mit
elastischer Schnur abgebunden. Da der Stumpf klein war,
wurde er jodoformirt zusammengenäht und mit der elastischen
Ligatur versenkt. Die Geschwulst war mikroskopisch ein reines
Myom.
Das Anlegen der vielen Seidensuturen, die ja an sich
ungefährlich sind, muss möglichst schonend geschehen. Wird
das Peritonäum durch vieles Anfassen und Zerren insullirt, so
raubt man ihm gewiss seine Resorptionsfähigkeit. Befindet
sich gerade auf dem Beckenboden eine grosse Wund­
fläche, so ist gewiss auch Seitenlagerung mit er­
höhtem Becken anzuempfehlen. Dann fliessen die
Secrete nach resorptions fähigen, normalen Pcritonälpartien.
In einem Falle habe ich abwechselnd mit Herrn Doctor
Kroner, Beide bis zur Ermüdung, eine enorme, fest adhärente
Cyste von der Bauchwand aufwärts vom Nabel abgeschält,
ohne dass eine Spur Fieber eintrat.
Einfach deshalb,
weil alles Blut und Serum, das die mindestens 20 cm im
Durchmesser grosse Wundfläche reichlich secernirte, auf seinem
Wege nach unten von der normalen Darmserosa sofort resorbirt
wurde.
In der Discussion fragt Herr Dr. Frankel, ob es nicht
gelinge, die Heraufzerrung der Blase auf den Tumor zu diagnosticiren. Auch er habe sich von den grossen Schwierigkeiten
überzeugt, welche daraus erwachsen.
Fritsch antwortet, dass ihn die Möglichkeit dieser
Diagnose vielfach beschäftigt habe. Er werde in einem ein­
schlägigen Falle einen männlichen Catheter in die Blase ein­
führen und nun sehen, ob er hinter ihm zwischen Tumor und
Blase die in der Vagina liegenden Finger erreichen könne.
Auch eine gewaltsame Ausdehnung der Blase mit Flüssigkeit
und die Art und Weise, wie die Blase sich bei Füllung und
Entleerung verhielte, gebe vielleicht Aufschlüsse. Freilich sei
ja die Blase so dünnwandig, dass es fraglich sei, ob auf die
geschilderte Art sich Etwas erreichen lasse.
Dr. Wiener hält die Beschränkung der Indication für
nicht richtig. Auch in Fällen von Blutungen bei Myomen
könne man unter Umständen operiren, da den Frauen jeder
Lebensgenuss verkürzt sei, und sich eine Kachexie entwickele.
Die Operation sei gewiss in solchen Fällen gestattet, zumal
sie nicht so gefährlich sei. W. glaubt, dass die Jodoformirung
des Stumpfes und die sorgfältige Naht, wie er sie von Fritsch
13. Januar 1883.
BRESLAUER AERZTLICHE ZEITSCHRIFT.
gesehen, den Erfolg sichere. Denn nach seiner Ueberzeugung
seien die ungünstigen Fälle durch Jauchung des Stumpfes zu
Grunde gegangen, sei es nun, dass er extra- oder intraperitonäal
behandelt wurde.
Fritsch giebt Wiener zu, dass er die Gefahren der
Blutung vielleicht als zu gering geschildert habe. Indessen
sei durch sorgfältige Behandlung hier viel zu erreichen. Es
müsse in jedem Falle das Für und Wider abgewogen werden.
Er selbst hoffe sehr, dass gute Erfolge die Indicationen er­
weitern würden.
II. Ein Beitrag zur Lehre von der Innervation des Herzens
von
Prof. Dr. J. Sommerbrodt.
Vor drei Monaten stellte sich mir ein 33jähriger Mann
vor, welcher seit 1 '/2 Jahren durch eigenthümliche Beschwerden,
die er auf ein Herzleiden bezog, beängstigt wurde. Derselbe
überstand vor 1'/, Jahren einen ziemlich schweren Abdominal­
typhus. Schon in der Reconvalescenz fing er an zu bemerken,
dass unmittelbar nach Miesen, Schneuzen oder Husten ein
eigentümliches Beklemmungsgefühl in der Herzgegend auf­
trat und eine kurze Zeit anhielt, wie wenn das Herz in seiner
Bewegung stocke. Dasselbe fand sich später auch beim
Treppensteigen. Im fiebrigen, und besonders bei ruhigem,
gleichmässigem Verhalten, erfreute sich der Mann einer guten
Gesundheit. In letzter Zeit hatte derselbe an sich selbst die Be­
obachtung gemacht,
dass dieselben Ur­
sachen, durch welche
bei ihm die Herzbe­
klemmung bewirkt
wurde,auch eine ganz
auffällige Verlang­
samung des Pulses
zur Folge hätten, und
dass dieser manchmal dabei bis beinahe um die Hälfte der
Schläge für die Dauer einer halben bis ganzen Minute ver­
mindert werde. Eine Mitteilung, die mich um so mehr be­
fremdete, als ja bekanntlich Husten, Schneuzen, Niesen gerade
im Gegenteil eine Pulsbeschleunigung bei allen Gesunden
hervorrufen.
Die Untersuchung der Brustorgane ergab auch nicht die
mindesten Abweichungen von der Norm, insbesondere war
das Herz nach keiner Richtung vergrössert, die Töne voll­
kommen rein und die Zahl der Herzschläge betrug 80 — 84,
ebenso die der Radialpulse. Die Verdauungsorgane functionirten ganz in Ordnung. Als Einziges, was sonst noch zu
ermitteln war, fand sich, dass der Patient seit jenem Typhus
leicht erregbar, leicht zum Erschrecken geneigt geworden ist.
Als ich den Kranken nun veranlasste, während ich das
Herz auscultirte, einmal zu husten, beschleunigte sich die Zahl
der Herzschläge etwas, während am Pulse eine ganz erheb­
liche Verlangsamung eintrat, so zwar — und ich gebe hier
das Mittel vieler zu verschiedenen Zeiten und verschiedenen
Tagen angestellter Versuche — dass die gewöhnliche Zahl
der Herzschläge von 80—84 in der Minute durch einen
Hustenstoss auf 100—104 stieg, während in derselben Zeit
nur 50—54 Pulse zu zählen waren.
Die vorstehende Curve giebt ein Bild und zugleich die
Aufklärung dieser Thatsachen, sowie darin auch eine Erklärung
dir die Beschwerden des Kranken liegt. Von a—b Hess ich
5
die gewöhnlichen Pulse des Patienten sich registriren, bei b
wurde das Täfelchen angehalten; jetzt Hess ich den Patienten
einen einzigen mittelkräftigen Hustenstoss ausführen und un­
mittelbar danach die Tafel des Sphygmographen weiter abrollen. Von b—c sieht man nun 11 hohe Elevationen, welche
sämmtlich grösser sind, als die normalen Pulse bei a—b;
zwischen diesen hohen Elevationen, unmittelbar hinter den
dazu gehörigen Rückstoss-Elevationen, bemerkt man eben so
viel theils kleine, die Höhe der Rückstoss-Elevationen nicht
(m) oder nur wenig (r) überschreitende, theils rudimentäre
(n. n.) oder wenigstens noch nicht so stark wie die RückstossElevationen ausgeprägte (o) Erhebungen. Dass nur jene hohen
Elevationen dem tastenden Finger einen Eindruck machen
konnten, ist leicht verständlich, und damit ersichtlich, dass
die Meinung, es liege hier eine Pulsverlangsamung vor, er­
weckt werden konnte. Aus der Ablaufszeit des Täfelchens
berechnet, gehen solcher Pulswellen, wie sie von a—b ver­
zeichnet sind, 84 auf die Minute, von den hohen zwischen b
und c 52, und von den hohen und niederen Elevationen
zwischen b und c 104! Diese letztere Zahl entspricht der
Zahl der Herzschläge, welche bei der Auscultation am Herzen
nach dem Hustenstoss beobachtet werden konnte, und die
zwar nicht gleich bei der ersten Untersuchung, aber später
stets deutlich von alternirender Stärke für mich hörbar waren.
Ganz dieselben Curven Hessen sich erzielen durch ein­
maliges Schneuzen, kurze Valsalva’sche Luftcompression im
Bronchialbaum und
durch einige vertiefte
und
beschleunigte
Athemzüge — kurz,
durch alle die Mo­
mente, mit denen eine
Dehnung der Lungen­
alveolenwände durch
intrabronchiale
Drucksteigerung verbunden ist. Die so erzeugten experimen­
tellen Bigemini hielten jedesmal ‘/2—1 Minute an und gingen
dann allermeist allmählich, in einzelnen Fällen plötzlich in den
normalen Rhythmus zurück.
Zur Zeit, als noch nicht durch RiegeUs ebenso er­
schöpfende, als beweisende Forschungen die Bigeminie des
Herzens aufgedeckt war, hätte die vorliegende Beobachtung
einen verführerischen Anhaltspunkt dargeboten für die An­
nahme einer Hemisystolie des Herzens; 104 Herzcontractionen
und gleichzeitig nur 52 Radialpulse sind ja früher wiederholt
die Hauptstützen von Hemisystolie gewesen. Nur die exacteren
Untersuchungsmethoden gewähren hierbei die volle Auf­
klärung, so wie z. B. schon in diesem Falle die Sphygmographie die Existenz der scheinbar fehlenden Contractionen
des linken Ventrikels nachweist; vielmehr aber noch hat das
von Riegel experimentell an Thieren geprüfte Verhalten des
rechten und linken Ventrikels die Haltlosigkeit der Annahme
erwiesen, dass sich in solchen Fällen der linke Ventrikel
anders verhalte, wie der rechte, der linke sich alternirend
normal und gar nicht, oder doch nur rudimentär, der rechte
dagegen sich constant normal contrahire. Sie arbeiten viel­
mehr beide gleichzeitig in einem anderen Rhythmus, d. h.
in beiden folgt einer kräftigen Contraction eine zweite vor­
zeitige und weniger kräftige, ein Vorgang, der nach Riegel
kurzweg als Herzbigeminie bezeichnet werden muss.
So sehr ich nun auch in der Hauptsache ganz durch
2
6
BRESLAUER AERZTLICHE ZEITSCHRIFT.
Riegel’s Untersuchungen überzeugt bin und seinen Aus­
einandersetzungen beipflichte, so kann ich doch in Beziehung
auf einen Punkt eine Bemerkung nicht unterdrücken. Er
schreibt1): „In voller Uebereinstimmung mit diesen klinischen
Beobachtungen haben unsere Thierversuche ergeben, dass die
Bigeminie stets mit einer hochgradigen Verlangsamung der
Herzthätigkeit zusammenfällt.“
Ich will hier nicht darauf eingehen, ob die Deutung der
zu Grunde liegenden klinischen Beobachtungen die einzig
mögliche ist, und auch nicht auf den Punkt, den Riegel als
Stütze jenes Satzes in einer Anmerkung zu dem Worte „Herz­
thätigkeit“ unten hinzufügt: „Der Bigeminus ist hierbei als
eine Action gerechnet.“ Indess halte ich es mindestens für
noting, darauf aufmerksam zu machen, dass jener Satz: „die
Bigeminie fällt stets mit einer hochgradigen Verlangsamung
der Herzthätigkeit zusammen“, eine allgemeine Gültig­
keit entschieden nicht hat.
Ich habe bereits früher2) nachgewiesen, dass Bigeminie
mit Beschleunigung der Herzthätigkeit zusammenfallen kann
und ganz ebenso giebt der oben mitgetheilte Krankheitsfall
ein ausgeprägtes neues Beispiel dieser Thatsache.
In der Strecke a—b der mitgetheilten Curve mit normal
rhythmischer Herzbewegung macht das Herz 80—84 Contractionen per Minute, in der Strecke b—c, welche lauter
Bigemini enthält, contrahirt sich das Herz, wenige Secunden
nach Registrirung der Strecke a—b, 100—104 Mal per Minute,
d. h. Beschleunigung! Denn es Messe doch den Thatsachen
Gewalt anthun, wenn Jemand hier von hochgradiger Verlang­
samung der Herzthätigkeit reden wollte, weil diese 104
Herzcontractionen zwar 104 durch graphische Methode
nachweisbare, aber nur 54 fühlbare Pulse zur Folge
haben.
Demnach kann man meiner Meinung nach nur sagen: In
allenden Zuständen, welche durchhohen arteriellen
Blutdruck eine Verlangsamung der Herzthätigkeit
bewirken, findet sich sehr häufig dabei Bigeminie
des Herzens, es giebt aber ebenfalls Bigeminie
unter Umständen, welche Erniedrigung des ar­
teriellen Blutdrucks und Beschleunigung der Herz»action bewirken.
Dass in jenen ersten Fällen der hohe arterielle Blut­
druck die einzige und directe Ursache für die Bigeminie ist,
hat Knoll bewiesen. Den Grund für die Bigeminie der
zweiten Gruppe habe ich dargethan.
Ich habe nachgewiesen, dass jede intrabronchiale Druck­
steigerung die sensiblen Nerven der Lunge reizt, und dass von
hier aus bei allen gesunden Menschen zwei Reflexwirkungen
ausgelöst werden, nämlich auf das Herz in Form von Be­
schleunigung, und zweitens eine auf die Gefässe in Form von
Verminderung des Tonus der Vasomotoren.
Eine dritte Reflexwirkung von den durch intrabronchialen
Druck gereizten Lungennerven, und zwar auf den Rhythmus
der Herzbewegung — bis dahin eben so wenig gekannt, wie
die auf die Vasomotoren — konnte ich3) bei einzelnen Ge­
sunden und bei einer Anzahl Kranker nachweisen, bei denen
es sich um eine abnorme Erregbarkeit des Nervensystems
x) Deutsches Archiv für klin. Medicin, B. 27, S. 438.
2) Zeitschrift für klin. Medicin, B. II, Heft III; auch im SeparatAbdruck bei Hirschwald, Berlin, erschienen: Die reflectorisehen
Beziehungen zwischen Lunge, Herz und Befassen.
8) 1. c. S. 639 u. ff.
No. 1.
überhaupt und des Herzens insbesondere zu handeln schien;
diese Reflexwirkung bestand in Veränderung des Rhythmus,
entweder aus dem normalen in einen allorhythmischen, oderumgekehrt.
Der Eingangs berichtete Krankheitsfall ist nun offenbar
eine neue Stütze für meine Behauptung, dass unter gewissen
Umständen — auch hier wieder eine gesteigerte nervöse Er­
regbarkeit, und zwar anscheinend als Folge eines schweren
Abdominaltyphus — durch Reizung der sensiblen Lungen­
nerven eine reflectorische Beeinflussung der dem Herzrhythmus
vorstehenden Nerven-Apparate des Herzens vorkomme.
Das Experiment ist hier so rein wie möglich. Ein
einziger Hustenstoss verwandelt die normale Schlagfolge des
materiell durchausnicht veränderten Herzens eines im Uebrigen
gesunden Mannes in Bigeminie, und zwar für */,—1 Minute
Dauer. Ausser einer momentanen intrabronchialen kräftigen
Drucksteigerung mit momentaner Dehnung der Alveolen-Wände
bewirkt ein Hustenstoss nichts Erhebliches, vor allen Dingen
nicht eine mechanische Beeinflussung der Blutcirculation,
welche gross genug wäre, um für */2—1 Minute Bestand zu
halten. Am allerwenigsten aber bewirkt ein Hustenstoss eine
arterielle Blutdrucksteigerung, sondern, wie schon Lando is
nachgewiesen hat, das Gegentheil, und damit ist die einzige
sonst bekannte Ursache für Bigeminie hier ausgeschlossen.
Es bleibt uns demnach auch hier nichts Anderes
übrig, als eine durch das Nervensystem vermittelte,
eine reflectorische, den Herzrhythmus ändernde
Wirkung von den Lungennerven auf das Herz an­
zunehmen, welche neben den beiden anderen bekannten
reflectorischen Consequenzen des Hustenstosses, der Be­
schleunigung der Herzthätigkeit und der Entspannung der
Gefässwände in Erscheinung getreten ist.
Schliesslich will ich nicht unterlassen zu erwähnen, dass
die interessante Reaction des Herzens auf den Hustenstoss,
welche vom Kranken selbst mehr oder minder gut seit
1 '/2 Jahren, von mir 3 Wochen beobachtet wurde, nach zwei­
monatlichem Gebrauch von Bromkalium geschwunden ist. Es
ist hierdurch die Möglichkeit wenigstens nahe gelegt, dass
das Bromkalium eine Herabsetzung der Reflexerregbarkeit
gewisser Herznervenapparate bewirkt hat.
III.
Vergiftung durch Kali chloricum.
Mitgetlieilt von
Dr. Goldschmidt
in Breslau.
In einer der letzten Sitzungen der Berliner medicinischen
Gesellschaft hat Herr Baginsky über eine schwere Intoxi­
cation mit Kali chlor, referirt, hervorgerufen bei einem vier­
wöchigen Kinde durch eine ganz unbedeutende Menge dieses
Salzes (1 gr in 36 Stunden verbraucht).
Ich bin in der Lage, über einen dem ganz ähnlichen
Fall berichten zu können und veröffentliche ihn hauptsächlich
in der Absicht, dadurch vor der noch allgemein von Aerzten
und Laien geübten Sorglosigkeit in der Anwendung dieses
höchst differenten Salzes, zumal bei kleinen Kindern, zu
warnen und es womöglich zu veranlassen, dass Kali chloricum
gänzlich aus der Reihe der ohne Recept vom Apotheker im
Handverkauf abzügebenden Mittel gestrichen werde.
13. Januar 1883.
BRESLAUER AERZTL1CHE ZEITSCHRIFT.
7
Der Fall selbst ist kurz folgender: Anfang November d. J.
Wohl Jedem ist die Erscheinung bekannt, dass ein
wurde mir der ungefähr drei Wochen alte Knabe P. zuge­ Sonnenstrahl, welcher in ein dunkles Zimmer fällt, die sonst
bracht, weil er sein Aussehen in kurzer Zeit so verändert scheinbar reine Luft mit Millionen kleiner und kleinster
hätte, dass seine Pflegerin das Ableben desselben für un­ Körperchen bevölkert zeigt; diese Körperchen schweben in
mittelbar bevorstehend hielt. Das Kind zeigte eine tiefdunkel­ der Luft auf- und abwärts, scheinbar dem Gesetze der Schwere
schwarzblaue Verfärbung der allgemeinen Hautdecken und entrückt; die geringste Bewegung der Luft erregt ein wildes
sichtbaren Schleimhäute, etwa wie die Oberfläche einer reifen Durcheinander, ein tolles Jagen und Fliehen, Steigen und
Pflaume, die Skleren waren schmutziggelb tingirt. Zunächst Fallen der Sonnenstäubchen. Wir unterscheiden leicht grössere
dachte ich an das Vorhandensein eines nicht compensirten, fadenförmige, vieleckige, kleinere rundliche Körperchen; bei
angebornen Herzfehlers, aber dis Athmung war nicht dyspnoiseh, genauem Zusehen finden wir noch überall zwischen diesen
die Herztöne absolut rein, kräftig, von normaler Frequenz, grösseren feinste Stäubchen, fast nur einem mathematischen
ebensowenig bot der kräftige Puls irgend eine Abnormität Punkte vergleichbar, welche gleichfalls trotz ihrer Kleinheit
dar. — Zufällig urinirte das Kind während der Untersuchung, das auf sie fallende Sonnenlicht zurückstrahlen und dadurch
und diesem Zufälle verdankte ich die sofortige Erklärung gegen den dunklen Hintergrund sichtbar werden. Das
des sonst räthselhaften Zustandes. Der Urin kam in starkem, Mikroskop aber würde uns lehren, dass auch diese Stäubchen
tintenschwarzem Strahle aus der Harnröhre, sah, wo er sich noch mächtige Massen sind gegenüber den erst bei stärksten
in dünnerer Schicht auf der Haut ausbreitete, schwärzlichgrau Vergrösserungen wahrnehmbaren Staub-Partikelchen. Unsere
aus und hinterliess, wo er in grösserer Menge hingefallen Atmosphäre enthält ausser dem in ihr aufgelösten Wasser­
war, Häufchen eines schwarzgrauen, feinen Pulvers, welches dampf eine andere constante Beimengung, welche in fester
die mikroskopische Untersuchung als reines Hämoglobin er­ Form sich überall, wenn auch in ausserordentlich wechseln­
wies. Die Pflegerin deponirte nunmehr, dass das Kind, ohne der Menge vorfindet. Man fasst diese in der Luft schweben­
Brust künstlich ernährt, seit einigen Tagen an Verdauungs­ den Körperchen unter den allgemeinen Namen „atmo­
störungen erkrankt sei. Wegen Soorbildung hätte sie sphärischer Staub“ zusammen, ohne damit einen Unter­
den Mund mit in gepulvertes Kali chloricum ge­ schied in Bezug auf die Eigenschaften und die Entstehungs­
tauchten, feuchten Läppchen mehrfach ausge­ ursachen desselben auszudrücken. Ueber den Einfluss dieses
wischt. Der Rest des Salzes, den sie mir producirte, betrug atmosphärischen Staubes, sowohl in meteorologischer, als in
8 gr, die Frau hatte, wie ich in der betreffenden Apotheke morphologischer Beziehung, über seine Wirkung auf die
erfahren, für 10 Pf. 12 gr erhalten, 4 gr waren also auf die organische Welt war bis vor einigen Decennien wenig
erwähnte Weise in 24 bis 36 Stunden verbraucht worden. bekannt. Trotzdem die hervorragendsten Forscher diesem
Es dürfte wohl noch zu hoch gegriffen sein, wenn ich an­ Gegenstände die eingehendste Aufmerksamkeit zugewendet
nehme, dass bei der beschriebenen Procedur kaum 1 gr, wahr­ haben, sind wir noch weit davon entfernt, den Einfluss des
scheinlich noch viel weniger, verschluckt worden sein mag, Staubes in allen seinen Modificationen auch nur annähernd zu
und diese nach unseren bisherigen Erfahrungen völlig wirkungs­ ! durchschauen, und allem Anscheine nach gebührt dem Staube
lose Menge hatte hingereicht, um bei einem Kinde so deletäre eine weit höhere Dignität in der Natur, als man bis jetzt
Wirkungen auf das Blut hervorzubringen. Denn dass ich es anzunehmen geneigt war.
lediglich mit einer Intoxication durch Kali chloricum zu thun
Unter atmosphärischem Staube verstehen wir, wie er­
hatte, durfte mir nach der jetzt durch die Untersuchungen wähnt, ganz allgemein alle geformten, in der Luft längere
von Marchand und durch zahlreiche klinische Beobachtungen oder kürzere Zeit schwebend erhaltenen Bestandteile, welche
bekannten Wirkungsweise grösserer Gaben dieses Giftes nicht aus Wasserdampf bestehen. Denn auch der Schnee und
keinen Augenblick zweifelhaft bleiben.
die feinen Eiskrystalle, welche die höchsten Wolken, den
An den folgenden beiden Tagen nahm der Hämoglobin­ Cirrus, bilden, sind feste Körper, welche in der Luft schweben,
gehalt des Urins allmählich ab, dieser wurde heller und entstammen jedoch dem Wasserdampf.
Die allgemeinen
näherte sich mehr der Färbung icterischen Harns, auch die Eigenschaften des Staubes sind sowohl in Grösse und Gestalt,
Oberhaut hellte sich auf, sie wurde erst aschgrau, dann etwas wie auch an Schwere bedeutend verschieden. Die Grösse
gelblich, fast broncefarbig. Das Kind jedoch wurde immer der Staub-Partikel schwankt zwischen dem mehrere Millimeter
schwächer und starb am dritten Tage meiner Beobachtung grossen Busskörper unserer Fabrikschornsteine oder den beim
im Zustande äusserster Erschöpfung. Die Section konnte Moorbrennen mit in die Höhe gerissenen verkohlten Pflanzen­
nicht gemacht werden, doch dürfte, trotz der mangelnden resten und den nahezu unmessbar kleinen, als kosmischer
Autopsie, ein erheblicher Einwand gegen meine Annahme, Staub bezeichneten, wahrscheinlich aus dem Verbrennen von
dass das Kind durch eine, nach der gewöhnlichen Anschauung Meteoriten hervorgegangenen Körperchen, deren Flächen noch
minimal zu nennende Dosis von Kali chloricum eine tödtliche nicht den lOOOOsten Theil von derjenigen eines kleinen SchneeVergiftung erlitten habe, kaum zu machen sein.
krystalles einnimmt. Untersucht man mit dem Mikroskop das
abgedampfte Schmelzwasser eines frischen Schneefalles, oder
ein dem Luftzuge ausgesetztes Tröpfchen reinsten Glycerins,
IV. Von der 55. Versammlung deutscher Naturforscher
so
findet man Staubkörperchen, welche aus allen Kategorien
und Aerzte zu Eisenach.
der drei Naturreiche stammen. Flögel fand z. B. in einem
Sitzung vom 21. September 1 882.
Den 3. Gegenstand der Tagesordnung bildete ein Vor­ solchen Falle: Infusorien und Algen lebend, Bacillen und'
Micrococcen, Milben, Diatomeen, Pilzsporen in grosser Menge,
trag von Dr. A s s m an n -Magdeburg
Ueber die Staubbestandtheile der Atmosphäre und Pilzfäden; ferner Wollfäden, Mäusehaare, Stücke von Schmetter­
lingsflügeln, Inseetenlarvenhäute, Baumwollfäden, Stücke von
ihre Beziehungen zur Gesundheit,
Grasgrannen, Epidermisstücke von Gräsern, Pollenkörner,
den wir anbei folgen lassen.
8
BRESLAUER AERZTLICHE ZEITSCHRIFT.
Kartoffel- und Koggenmehl, Holzzellen; ferner Quarzkörner,
feinste Stückchen von Dachziegeln, undurchsichtige, viel­
gestaltige schwarze Massen, wahrscheinlich Eisen, feinsten
undurchsichtigen schwarzen Staub, wahrscheinlich Kohle.
Mannigfaltig im höchsten Grade ist die Gestalt der StaubPartikel, da dieselbe vollständig von den Form-Eigenthümlichkeiten der Körper abhängt: wir finden runde Formen in den
Pflanzensamen und den Micrococcen, vieleckige in den Quarzund Mineralstückchen und den Kristallen, stäbchenförmige in
den Bacillen. Die Schwere derselben findet ihre Grenze in
der Möglichkeit, durch Luftströmungen, wenn auch nur kurze
Zeit, schwebend erhalten zu werden; selbstredend dürfen wir
hierbei nicht die äussersten Windstärken mit einrechnen, da
man sonst auch die von einem Orkane entwurzelten und auf­
gehobenen Bäume, umgestürzte Schornsteine und weggeführte
Dachziegeln mit unter den Begriff des atmosphärischen Staubes
stellen müsste. Im Allgemeinen wird ein Körper von grosser
Oberfläche und geringem Gewicht besser und länger in der
Luft schwebend erhalten bleiben, als ein solcher von kleiner
Oberfläche, z. B. eine Kugel, und schwerem Gewicht. Unter
allen Umständen aber werden es Körper sein, welche an und
für sich ein grösseres specifisches Gewicht besitzen, als die
Luft, welche daher stets das Bestreben haben, dem Gesetze
der Schwere folgend, auf die Erdoberfläche herabzusinken.
Welchen Kräften verdanken nun aber diese
Körper die Fähigkeit, kürzere oder längere Zeit
in der Luft schwebend erhalten zu werden?
Das Emporheben des Staubes von der Erdoberfläche
kann nur durch eine mechanische Kraft geschehen, und diese
Kraft ist die bewegte Luft. Luft, welche in horizontaler
Richtung über eine vollkommene, mit Staub bedeckte Ebene
strömt, wird vermöge ihrer Reibung an der Erdoberfläche
die Staubtheilchen dann mit sich vorwärts bewegen, sobald
ihre motorische Kraft grösser ist, als die Schwere der ein­
zelnen Staubpartikeln. Ein Emporheben könnte hierbei theo­
retisch an sich nicht stattfinden. Die geringste Unebenheit
des Bodens aber, oder die in Folge eines stärkeren Wider­
standes des Staubes an einer Stelle stattfindende Anhäufung
desselben, wird die horizontale Luftströmung in eine local
nach oben abgelenkte, aufsteigende verwandeln müssen. Der
dann darüber hinwegbewegte Staub wird demnach die Erd­
oberfläche verlassen und eine Strecke weit schwebend er­
halten werden. In viel stärkerem Grade ist dies natürlich
der Fall, wenn der Wind gegen eine steile, hohe Wand,
etwa einen Bergrücken, anweht: hier wird eine grosse Luft­
masse zu einer sehr steilen, eventuell fast senkrechten Er­
hebung gezwungen ; in Folge dessen werden mitgeführte Staubtheile bis zu erheblichen Höhen emporgetrieben werden können.
In noch viel grösserem Massstabe kommt aber dieses Erheben
von Staubmassen vor, wenn die horizontale Bewegung der
Luft in Folge eines Luftwirbels in eine aufsteigende umge­
wandelt wird. Die Meteorologie lehrt bekanntlich, dass an
einem Orte, an welchem der Luftdruck, ausgedrückt durch
den Barometerstand, geringer, das Barometer also niedriger
ist, als ringsum in dessen Umgebung, die Luftmassen eine
aufsteigende Bewegung annehmen. Hierbei strömt die Luft
an der Erdoberfläche von allen Seiten in horizontaler Rich­
tung hinzu, wird vermöge der ablenkenden Kraft der Erd­
rotation auf der nördlichen Halbkugel nach rechts, auf der
südlichen nach links ablenkt, nähert sich dem Orte niedrigsten
Luftdrucks auf dem Wege einer Spirale und steigt dort in
No. 1.
derselben Curve in die Höhe. Durch dieses Erheben der
Luft in grössere Höhen geräth dieselbe unter niederen Luft­
druck, da dann eine geringere Luftsäule auf ihr lastet, als
vorher, wodurch eine Auflockerung und Abkühlung derselben
hervorgerufen wird. Diese aber bewirkt, dass der mitgeführte
Wasserdampf sich zu Wolken und Niederschlag verdichtet,
wodurch die bei der vorhergegangenen Verdunstung latent
gewordene Wärme wieder frei wird. Diese Wärme aber
bewirkt wiederum eine Ausdehnung der Luft, welche nun,
wegen des nachdrängenden aufsteigenden Luftstromes, wesent­
lich zur Vermehrung des Auftriebes der Luftmassen dienen
kann. In den oberen Schichten der Atmosphäre strömt dann
die gehobene Luft nach allen Seiten nach Aussen ab, um oft
weit entfernt, in einem anderen Gebiete als schwere Luft
niederzusinken. Alle diejenigen Bestandtheile der Atmosphäre,
welche leicht genug sind, um von dem Luftstrome mit in die
Höhe gehoben und weiter fortgeführt werden zu können,
müssen selbstverständlich diesen ganzen Weg mit zurück­
legen und sinken dann erst an anderen Stellen, an welchen
die Stromgeschwindigkeit geringer wird, als die Schwerkraft,
nieder, oft gewiss bei ihrem Niedersinken von dem Aspi­
rationsgebiete aufs Neue angezogen und in die Höhe gewirbelt.
Leichtere Körper werden indess durch die lebhafte obere
Luftströmung oft weit fortgeführt und sinken erst in den
Gebieten hohen Luftdrucks, wo die Luftmassen selbst nieder­
steigen, zu Boden. Ganz besonders disponirt zur Entstehung
solcher aufsteigender Luftströme sind nun aber alle diejenigen
Gegenden, an welchen der Erdboden wenig oder gar nicht
von Pflanzen bedeckt ist, und die in Folge dessen durch die
Sonnenstrahlen stark erwärmt werden können. Diese Gegen­
den aber sind vorzugsweise mit einem feinkörnigen, leicht
aufhebbaren Boden versehen, so dass wir in den Wüsten
unseres Erdballes die Hauptquellen des atmosphärischen
Staubes zu erblicken haben.
Was nun den Ursprungsort des atmosphärischen Staubes
betrifft, so ist der einfachste Fall der schon oben beleuchtete,
in welchem Staub an irgend einer Stelle von der Erdober­
fläche selbst aufgehoben und anderswo an disponirten Stellen
niedergelegt wird.
Den Seefahrern war es längst bekannt, dass an den
Westküsten des tropischen Afrika überaus häufig eine eigenthümliehe, durch zimmetfarbigen Staub veranlasste Trübung
der Atmosphäre angetroffen wurde, welche so dicht ist, dass
man häufig die Küste in einer Meile Entfernung nicht zu sehen
vermag. Wegen des Vorkommens in der Region der Passat­
winde wurde diese Erscheinung allgemein als Passatstaub
bezeichnet; jene Gegenden selbst belegte man aber mit dem
bezeichnenden Namen der Nebelküste, des Dunkelmeeres,
auch wohl des Meeres der Finsternisse. Ueber die Herkunft
dieses feinen, meist röthlichen Staubes, welcher das ganze
Schiff bis in alle Spalten hinein überdeckt, war man lange
Zeit im Unklaren. Die Erforschung dieses Phänomens wurde
ganz besonders durch Ehrenberg gefördert, welcher durch
mikroskopische Untersuchungen nachwies, dass die Hauptbestandtheile des Staubes feiner Quarzsand, ein noch viel
feinerer gelblicher Detritus und überaus zahlreiche organische
Formen, deren 320 unterschieden wurden, waren. Den Ur­
sprung dieser Massen suchte Ehrenberg wunderbarer Weise
in Südamerika, stellte dann aber später die Hypothese auf,
die Erde sei von einem Staubgürtel in den höheren Luft­
schichten umgeben, dessen Theile sich zuweilen in Gestalt
13. Januar 1883.
BRESLAUER AERZTLICHE ZEITSCHRIFT.
schwerer Wolken senken sollten, während sonst diese Zone
durchsichtig sei. Neuerdings hat Hellmann in überzeugender
Weise dargethan, dass zweifellos das westliche Afrika als
der Herd des Passatstaubes zu betrachten ist. Er constatirte,
dass das Gebiet der Staubfälle nicht über 3° nördlicher Breite
nach Süden, über den Parallel der capverdischen Inseln nach
Norden und über 99° westlich hinausreicht. Die Entfernung
der westlichsten, sicher constatirten Staub fälle von der nächsten
Festlandsküste, dem Cabo Verde, beträgt 300 Meilen. Diese
Staub fälle halten nicht selten längere Zeit, zuweilen 10 Tage
lang ununterbrochen an; die betroffenen Flächen sind oft
ungeheuer, und es sind Staubfälle constatirt, welche gleich­
zeitig einen Flächenraum von 100 000 Quadratmeilen bedeckten.
Am häufigsten tritt diese Erscheinung in den Monaten
December bis Februar, halb so oft im März bis Mai, am
seltensten vom Juli bis November auf. Die während dieser
Staubfälle vornehmlich beobachteten Windrichtungen waren
nordöstliche, der Richtung des Nordostpassates entsprechend.
Die Häufigkeit der Staubfälle ist durchaus nicht in allen
Jahren die gleiche; es giebt Jahre, in welchen durchaus
dieses Phänomen fehlt. In einzelnen Fällen war der Staub­
fall ein so dichter, dass die See durch denselben eine deutlich
gelbliche Färbung annahm. Ausser den Staub fällen selbst
kommen in jenen Gegenden noch häufig trockene Nebel vor,
welche ebenfalls auf Staubbeimischung zur Atmosphäre zurück­
zuführen sind; doch ist dieser Staub alsdann so feinkörnig,
dass er dem unbewaffneten Auge unsichtbar bleibt. Darwin,
welcher sich ebenfalls für die westliche Sahara als Ursprungs­
ort des Passatstaubes ausspricht, betont mit Recht, dass, je
näher der afrikanischen Küste, desto grobkörniger der Staub
zu sein pflegt. Nach alledem darf nicht mehr bezweifelt
werden, dass es Wüstensand und Wüstenstaub ist, welcher
durch gewaltige Wirbelstürme in der westlichen Sahara in die
Höhe gehoben, dem herrschenden Nordostpassat in höheren
Regionen zugeführt und von diesem bis auf 300 Meilen
transportirt wird. '
(Fortsetzung folgt.)
V.
9
lang täglich 1 */2 gr Morph, mur. (früher 5,0) injicirt hatte,
wiederum, wie bei früheren Kurversuchen, durch schnelle
Entziehung (am ersten Tage y30, am zweiten Tage yeo der
Tagesdosis, dann noch einige Tage 1,0 Chloral) unter hef­
tigen aber nicht bedenklichen Abstinenzerscheinungen geheilt
wurde. Referent empfiehlt diese Methode für alle nicht durch
sonstige körperliche Krankheit complicirte Fälle bei der Be­
handlung in Anstalten, welche eine genaue Ueberwachung
ermöglichen. Bei leichteren, ambulant zu behandelnden Fällen
ist er mehr für allmähliche Entziehung resp. für Substituirung durch andere Narcotiea, und empfiehlt zu diesem
Zwecke besonders die Verbindung von Codein (0,02—0,05)
mit Camphor, monobrom., letzteres aber in höheren Dosen
als gewöhnlich (0,5 pro Dosi).
Die darauf folgende Debatte betont die leider immer
noch zu laxe Handhabung der Gesetzesvorschriften bei Ab­
gabe narcotischer Mittel in Apotheken und Droguerien und
die als einzige Möglichkeit zur Abstellung solcher Uebelstände zu machende Anzeige jedes zur Cognition kommenden
Falles bei der betreffenden Behörde.
III.
Prof. Berger, welcher das Bromaethyl ausser
bei mannigfachen Neurosen bereits auch bei 6 Fällen psychi­
scher Exaltationszustände mit gutem Erfolg angewandt hat,
empfiehlt dasselbe zu ausgedehnteren Versuchen, namentlich
den Leitern von Anstalten. Er betont, dass, wie aus einer
kürzlich erschienenen Pariser Dissertation hervorgeht, auch in
Bicetre (Bourneville) günstig Erfolge damit erzielt wurden.
Was die Methode der Anwendung anbetrifft, so hält er es
für zweckmässig, täglich 5—10 gr inhaliren zu lassen, worauf
unmittelbar eine, einer oberflächlichen Chloroform-Narkose
ähnliche Betäubung eintritt, welche zwar nur kurze Zeit an­
hält, aber von einer dauernden grösseren Ruhe gefolgt ist.
Die Anwesenden versprechen, in der nächsten Sitzung
über die Resultate eventueller Versuche zu berichten.
An den Debatten betheiligen sich von den Anwesenden:
Neumann, Berger, Kohn, Leppmann, BruntzelBreslau, Eicke - Pöpelwitz, Alter - Brieg, KahlbaumGörlitz und K1 e u d g e n - Obernigk.
30. Sitzung des schlesischen irrenärztlichen Vereins zu
Breslau am 26. November 1882.
I. Prof. Dr. Neumann referirt über neue Arbeiten von
Vereinsmitgliedern, nämlich: 1) über den Jahresbericht
der Provinzial-Irren-Anstalt Brieg von Director Dr.
Alter, aus welchem er besonders die grosse Billigkeit der
Beköstigung in genannter Anstalt hervorhebt und den oft zu
weit gefassten Begriff der erblichen Belastung kritisch be­
leuchtet; 2) über einen Fall von Paralyse, veröffentlicht
von Prof. Berger (Mendel’s Centralblatt, 1882, Nr. 22),
worauf sich eine lebhafte Debatte über Häufigkeit und
Symptomatologie der Dem. paralytica beim weiblichen Ge­
schlecht entspinnt, deren Resumć folgendes ist: Die Paralyse
der Frauen ist wesentlich seltener, als die der Männer. Nur
in einzelnen Fällen bietet sie in ihrer Erscheinungsweise das
genaue Bild der „klassischen“ Form, meist weicht sie in
Bezug auf Art, Dauer und Verlauf von demselben ab. Die
erkrankten Frauen haben, wie besonders aus den im Aller­
heiligen-Hospital behandelten Fällen resultirt, oft Beschäf­
tigungen gepflegt, welche sonst Männern anheimfallen.
II. Dr. Leppmann berichtet über einen Fall von
Morphinismus, welcher einen 30jährigen, bereits mehr­
lach recidivirten Kranken betraf, der, nachdem er Monate
VI. Referate und Kritiken.
Zur B eur th eilung des Werthes stielloser
Hauttransplantationen für die Blepharoplastik.
Von Dr. B. Wicherkiewicz.
Bei gewissen Fällen von Ectropium, für deren Hebung die
Transplantation eines gestielten Lappens aus der Umgebung wegen
Mangel an entsprechendem Material nicht gemacht werden kann, hat
man in neuerer Zeit die Reverdin’sche Uebertragung eines Haut­
stückes von entfernteren Stellen mit mehr oder weniger günstigem
Erfolge angewandt.
Verf. veröffentlicht nun drei Fälle, bei denen er mit dieser sog.
Operationsmethode nach Wolfe, der dieselbe zuerst eingehender er­
örterte, befriedigende Resultate erzielte.
In dem ersten Falle, wo sich nach der Zerstörung einer aus­
gedehnten Teleangiektasie des Oberlids mit dem Paquelinschen
Thermocautor ein bedeutendes Ectropium ausbildete, entnahm er das
Hautstück dem Entropium eines anderen Auges, in den beiden letzten
Fällen benutzte er die Haut des Oberarms.
In allen Fällen heilten die Hautstücke gut an, behielten dauernd
ihre Verbindung mit dem neuen Boden und büssten an Grösse fast
nichts ein.
Als Hauptursache eines guten Resultates betrachtet Verf. die
genaue Coaptation der Ränder und das Ausblutenlassen der zu be­
deckenden Wund flächen, und wohl mit Recht. Denn soll der Iransportirte Lappen gut und ohne Verlust an Umfang anheilen, dann muss
er in eine innige Verbindung mit der Wundfläche, d. li. seiner Unter­
lage und deren Rändern treten. Dies wird zum Theil, entgegen der
Ansicht Wolfes, durch genau angelegte Käthe bewerkstelligt, ander-
BRESLAUER AERZTLICHE ZEITSCHRIFT.
VII. Tagesgeschichtliche Notizen.
— Der von der deutschen Kaiserin ausgesetzte Preis von 3000 M.
für die beste Lösung der Aufgabe: „Ausarbeitung eines Handbuchs
zur Anleitung für die vorbereitende Thätigkeit der deutschen Vereine
vom rothen Kreuze im Frieden und im Kriege“ ist dem sächsischen
Geheimrath v. Criegern-Thumitz in Dresden zuerkannt worden.
— Von dem Präsidenten des Organisationsausschusses des inter­
nationalen medicinischen Congresses, Professor Panum geht uns die
Nachricht zu, dass die 8te Sitzung des internationalen medicinischen
Congresses zu Kopenhagen in den Tagen vom 10. bis zum 16 ten
August 1884 stattfinden wird.
— In der 49. Jahreswoche vom 3. bis 9. December wurden
in Breslau 195 lebende Kinder geboren. Es starben 129 Personen, so
dass die Zahl der Geburten die der Todesfälle um 64 überragt.
Wichtigere Todesursachen waren: Diphtherit. 7, Tuss. convuls.,1,
Typh. abdom. 1, Enterit, 2, Apoplex. 4, Convuls. 4, Croup. 5, Phthis.
pulm. 14, Pneum. 18, Cas. fort. 2, Suicid. 1.
Die Sterblichkeitsverhältnisse in der 49. Jahreswoche
in den über 15000 Einwohner zählenden Städten Schle­
siens und Posens ergeben sich nach den „Veröffentlichungen des
Gesundheitsamtes“ aus nachfolgender Tabelle:
34
8
4
16
7
6
1
1
2
3
2
3
3
15
7
1
2
2
10
1
—
—
—
1
1
61 und
darüber
129
28
17
34
13
19
8
8
7
10
6
7
9
4L —60.
272 390
64 547
50306
37168
33 618
27 520
23 558
22136
22 812
20 516
18 629
18 233
17 232
21.-40.
Breslau...........
Posen..............
Görlitz...........
Liegnitz .....
Bromberg . . .
Königshütte . .
Landsberg a/VV.
Schweidnitz . .
Beuthen O/S. .
Neisse...........
Gross-Glogau .
Ratibor ....
Brieg..............
Gestorbene
excl.
rn\ in
Todtwohner.
1
gcborene.
i- (N
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6.—20.
N amen
der
Städte.
Lebensalter
der Gestorbenen.
5
1
1
2
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1
1
1
1
1
—
—
17
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5
5
2
—
—
2
2
2
1
31
1
27
6
6
4
2
1
2
2
1
2
1
1
4
—
1
—
5
—
1
3
2
1
2
1
2
1
Die Verhältnisszahl der Gestorbenen ist auf das Jahr
und 1000 Einwohner berechnet für Breslau 24,0, für Posen 22,1,
für Görlitz 17,1 und die übrigen Städte im Durchschnitt 25,2.
143
44
20
22
15
7
15
3
7
5
4
6
9
42 27
11
8
7
4
8 . 4
2
3
2
3
1
3
—
1
3
1
1 —
—
1
3 —
1
2
61 und
darüber
272 390
64 547
50 306
37168
33 618
27 520
23 558
22136
22 812
20 516
18 629
18 233
17 232
Lebensalter
der Gestorbenen.
in
1
oi
41.-60.
Während in Warschau gleichzeitig Scharlach und Pocken epi­
demisch herrschten, wurden 3 Geschwister im Prodromalstadium des
Scharlachs in das Hinder-Hospital gebracht. In dem dortigen Isolirzimmer kamen zwei davon (das dritte war schon vorher entlassen)
mit einem Pockenkranken in Berührung, welcher das Eine inficirte
und zwar dasjenige, bei welchem Impfnarben nicht zu sehen waren,
während das Andere, welches deutlich die Spuren der Vaccination
zeigte, gesund blieb.
Das inficirte Kind, ein 5jähriges Mädchen, zeigte am 10. Sep­
tember 1881 bei der Aufnahme schon ein ausgebildetes Scharlach­
exanthem; dazu gesellte sich am 13. eine leichte Rachendiphtherie,
die aber abheilte. Am 20. kommt auf denselben Saal ein an Variola
erkranktes Kind, und nach 14tägiger Incubation sehen wir das mit
leichter Nephritis behaftete und in der Desquamation begriffene erste
Kind an Pocken erkranken (am 5. October) und dieser Krankheit
nach 10 Tagen erliegen.
Toeplitz.
Breslau...........
Posen..............
Görlitz...........
Liegnitz...........
Bromberg. . . .
Königshütte . .
Landsberg a/W.
Schweidnitz . .
Beuthen O/S. . .
Heisse..............
Gross-Glogau .
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Brieg..............
Gestorbene
excl.
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Todtwohner. geborene.
1
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21.-40.
Variola.
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der
Städte.
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2
32
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1
4
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1
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—
1
—
—
16
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1
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1
1
2
1
3
—
1
1
—
1
—
1
—
—
1
3
1
—
Die Verhältnisszahl der Gestorbenen ist auf das Jahr und 1000
Einwohner berechnet für Breslau 26,7, für Posen 34,7, für Görlitz
20,2 und die übrigen Städte im Durchschnitt 19,4.
— In der 51. Jahreswoche vom 17. bis 23. December v. J.
wurden in Breslau 213 lebende Kinder geboren. Es starben 140 Per­
sonen, so dass die Zahl der Geburten die der Todesfälle um 73 über­
ragt. Wichtigere Todesursachen waren: Variol. 1, Diphtherit 3,
Tuss. convuls. 1, Typh. abdom. 2, Typh. exanth. 1, Enterit. 3, Choler,
nostr. 1, Apoplex. 2, Convuls. 10, Croup 1, Phthis. pulm. 16, Cas. fort. 2.
Die Sterblichkeitsverhältnisse in der 51. Jahreswoche
in den über 15 000 Einwohner zählenden Städten Schle­
siens und Posens ergeben sich nach den „Veröffentlichungen des
Gesundheitsamtes“ aus nachfolgender Tabelle:
Lebensalter
Gestorbene
N amen
der Gestorbenen.
Ein­
exci.
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der
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8
Todtwohner.
1
geborene.
1
Städte.
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Breslau...........
Görlitz...........
Liegnitz ....
Bromberg . . .
Königshütte . .
Landsberga/W.
Schweidnitz . .
Beuthen O/S. .
Heisse...........
Gross-Glogau .
Ratibor ....
Brieg..............
272 390
64 547
50 306
37 168
33618
27 520
23 558
22 136
22812
20 516
18629
18 233
17 232
140
32
24
20
15
12
14
8
11
5
4
8
15
40
7
7
9
2
2
3
3
2
2
2
1
6
17
5
2
2
1
4
1
2
2
2
—
2
1
21.-40.
Wolberg. Ein Fall von Scarlatina.
Beri. klin. W. 1882. No. 37, p. 567 f.
— In der 50. Jahreswoche vom 10. bis 16. Decbr. v. J.
wurden in Breslau 209 lebende Kinder geboren; es starben 143 Per­
sonen, so dass die Zahl der Geburten die der Todesfälle um 66 über­
ragt. Wichtigere Todesursachen waren: Variol. 1, Scarlat. 1,
Diphtherit. 4, Tuss. convuls. 3, Typh. abdom. 1, Enterit. 2, Choler,
nostr. 3, Apoplex. 5, Convuls. 10, Croup 2, Phthis. pulm. 17, Pneum. 8,
"Cas. fort. 5.
Die Sterblichkeitsverhältnisse in der 50. Jahres wo che
in den über 15000 Einwohner zählenden Städten Schlesiens
und Posens ergeben sich nach den „Veröffentlichungen des Ge­
sundheitsamtes“ aus nachfolgender Tabelle:
6.-20.
seits dadurch, dass man den Lappen in möglichst günstige Ernährungs­
verhältnisse bringt, oder mit anderen Worten, ihn möglichst ohne
Zeitverlust auf eine Fläche auflegt, mit der er schnell eine Verbindung
eingehen kann; also am besten auf eine gesunde Granulationsfläche.
Verf. empfiehlt demgemäss folgende — modificirte Wolfesche —
Methode: Das ektropionirte Lid wird aus seiner narbigen Verbindung
vollständig gelöst, starke narbige Stränge werden ganz herausgeschnitten,
die Lidränder in geringer Breite (l/4 des Lidrandes) zusammengenäht
und antiseptisch verbunden. Sobald dann gesunde Granulationen die
Defectfläche bedeckt haben und der Vernarbungsprocess an den Rändern
angefangen hat, wird ein Lappen mit der ganzen Dicke der Haut aus
einer geeigneten Stelle fettlos, genau nach Mass entnommen, auf die
Granulationsfläche, die vorher mit
pCt. Carbolwasser besprengt und
von anhaftendem Gerinnsel befreit worden ist, aufgelegt und durch
einen geeigneten Verband fixirt. Zu lezterem empfiehlt sich ein Stück
Leinwand, welches mit 8 pCt. Borsalbe oder 3 pCt. Carboivaseline
bestrichen ist.
Ist die definitive Anheilung des Lappens erfolgt, so nimmt man
die Tarsolysis (Trennung der Lidspalte) vor, um damit das ganze
Operationsverfahren abzuschliessen.
Trompetter-Cleve.
No. 1.
6.-20.
10
5
2
2
20
4
6
—
5
1
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1
2
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—
i
3
23
6
2
8
1
2
3
—
1
—
1
—
3
Die Verhi ltnisszahl der Gestorbenen ist auf das Jahr und
1000 Einwohner berechnet für Breslau 26,0, für Posen 25,2, für
Görlitz 24,2 und die übrigen Städte im Durchschnitt 23,3.
+ München. Der hiesige ärztliche Verein hat nachfolgende
Petition an den Bundesrath, betreffend die Verlängerung des medici­
nischen Studiums, gerichtet:
Hoher Bundesrath!
Dem Vernehmen nach soll in nächster Zeit der Entwurf einer
Bekanntmachung, betreffend die ärztliche Prüfung, welche die im
Jahre 1879 von dem Herrn Reichskanzler berufene Commission von
Sachverständigen ausgearbeitet hat, innerhalb des Bundesrathes zur
endgültigen Feststellung gelangen.
Dieser Entwurf enthält in § 4, Alinea 4 Ziffer 2 die Bestimmung,
dass bei der Meldung zur Prüfung der Nachweis eines medicinischen
Studiums von mindestens neun Halbjahren auf Universitäten des
deutschen Reiches geführt werde.
Wie aus der Zusammenstellung und Beleuchtung der seitens der
deutschen Bundesbehörden und der von denselben ressoi'tirenden
medicinischen Facultäten gemachten Abänderungsvorschläge zu dem
ursprünglich preussischen Entwürfe zu ersehen ist, haben bereits
früher die königh bayerische' Staatsregierung und die Facultäten zu
Breslau, Bonn, Greifswald, Marburg und Königsberg es für nothwendig
13. Januar 1883.
BRESLAUER AERZTLICHE ZEITSCHRIFT.
erachtet, eine Studienzeit von 10 Semestern als obligatorische Minimal­
zeit anzuordnen oder wenigstens das halbe Jahr der Militairdienstzeit
bei der Studienzeit in Abrechnung zu bringen.
Die königl. preussische Staatsregierung widerstrebt einer Ver­
längerung der bisherigen, auf acht Halbjahre bemessenen Minimalzeit
des medicinischen Studiums, erkennt zwar — wie aus der Beilage zu
dem ursprünglich preussischen Entwürfe einer ärztlichen Prüfungs­
ordnung vom Jahre 1879 hervorgeht — ausdrücklich an, dass die
Minimalzeit von acht Halbjahren eine sehr kurz bemessene ist; macht
aber gegen die Verlängerung geltend, einmal, dass durch die damit
gesetzte Erschwerung des Studiums die Gefahr einer Abnahme der
Mediciner gegeben wäre und ein ein tretend er Mangel an Aerzten der
Ausdehnung des Pfuscherthums Vorschub leisten würde, und weiter­
hin, dass aus den Resultaten der Approbationsprüfungen sich bis 1879
nicht die Erfahrung ergeben habe, die gegenwärtige Minimalzeit sei
zur Erlangung ausreichender Kenntnisse ungenügend.
Der Unterzeichnete ärztliche Verein kann diesen Gründen gegen
die Verlängerung des medicinischen Studiums nicht beitreten.
Den ersten Grund anlangend, so dürfte derselbe in einer Zeit,
wie die gegenwärtige, hinfällig erscheinen, wo der Zudrang zum
medicinischen Studium an sämmtliclien deutschen Universitäten in
einer Progression wächst, dass weit eher ein bedenklicher Ueberschuss an Aerzten als ein Mangel zu befürchten steht. Gesetzt aber
auch, es hätte eine Verlängerung der Minimalzeit zunächst die Wirkung,
den Zugang zum Studium zu beschränken, so könnte es doch nicht
gebilligt werden, aus Besorgniss vor einer Abnahme der Zahl der
Aerzte, von einer Einrichtung abzustehen, die im Interesse einer
gediegenen Ausbildung gefordert wird. Die Rücksicht auf die
Qualität des Arztes muss doch vor Allem hier entscheiden.
Ein Hinweis aber auf die bis zum Jahre 1879 vorliegenden
Prüfungsresultate, wie sie sich in den Schlussurtheilen der Prüfungs­
commissionen aussprechen, erscheint keineswegs massgebend um der
Beibehaltung der gegenwärtigen Minimalzeit des Studiums das Wort
zu reden, da nicht gleichzeitig der Nachweis erbracht ist, in welchem
Verliältnisse diese Resultate zur factischen Dauer des Studiums stehen;
denn erfahrungsgemäss dehnt ein nicht geringer Procentsatz der
Studirenden aus eigener Einsicht das Studium über acht Halbjahre aus.
Es wäre indessen noch festzustellen, ob in neuerer Zeit, seit der
Einführung der Militairdienstleistung mit der Waffe, die Ergebnisse
der Prüfungen auf gleicher Höhe geblieben sind. Gutem Vernehmen
nach wären dieselben durchaus nicht allerorts befriedigende.
Indem d er Unterzeichnete Verein den Entwurf derSachverständigenCommission in seiner Gesammtheit und die daselbst vorgeschlagene
Verlängerung der Minimalzeit um ein Halbjahr als eine Verbesserung
der bisher geltenden Prüfungsordnung dankend begrüsst, kann der­
selbe doch nicht umhin, seinerseits die hier vorgeschlagene Ver­
längerung als unzureichend zu bezeichnen, da ohnehin ein halbes Jahr
durch den Dienst mit der Waffe an vielen Orten für das Studium
vollständig verloren wird.
Der Unterzeichnete Verein hält sich für competent, in dieser
Angelegenheit seine Meinung zu äussern, da die eigenen Erfahrungen
der Aerzte eine gewichtige Unterlage des Urtheils bieten dürften.
Diese Erfahrungen gehen aber dahin, dass zwar bei unausgeseztem
Fleisse und besorgender Begabung innerhalb der bisher feststehenden
Frist die Kenntnisse erworben werden können, um den Anforderungen
der Prüfung zu genügen, dass aber die Reife des Urtheils, die Sicher­
heit des Handelns innerhalb der auf vier Halbjahre normirten, den
pathologischen und klinischen Studien gewidmeten zweiten Hälfte
der Studienzeit nicht erlangt werden kann.
Nur wenige sind in der Lage und finden Gelegenheit, als
Assistenten klinischer Institute und Hospitäler in dieser Beziehung
aas Fehlende zu ergänzen, die Mehrzahl tritt in die Praxis mit einem
Urth^U C*ler"^en Gesichtskreise klinischer Erfahrung und selbständigen
Eine Abhülfe in dieser Beziehung kann nur erreicht werden durch
^asgiebigere Benutzung und Verwerthung der poliklinischen
fiinftJ1 t ,nac^ aUen Seiten der Praxis, und diesen Studien sollte das
r i
, T T°U und ganz gewidmet werden, damit der Studirende
„ .• gC". p finde, das weite Gebiet alltäglicher Erkrankungen
Grades, die, nach der Natur der Sache, auf den stationären
zu lernen *^aUm begegnen, in mehr selbstthätiger Weise kennen
t”.®,
Ausserhalb Deutschlands hat man sich der Einsicht nicht ver­
schlossen dass den Ansprüchen, die das medicinische Studium an die
Leistungsiahigkeit des Einzelnen stellt, eine Zeit von acht Halbjahren
mcht genüge. In Russland und Oesterreich ist die Minimalzeit auf
zehn Halbjahre, in Holland auf zwölf Halbjahre normirt, während,
wie bekannt, in den skandinavischen Ländern, Schweden, Norwegen,
Dänemark und Finnland bereits seit längerer Zeit sogar eine sieben­
jährige Studienzeit für noth wendig erachtet wird.
Der Unterzeichnete Verein gestattet sich demnach an den hohen
Bundesrath das ergebene Gesuch zu richten:
„Hochderselbe wolle den Nachweis eines medi­
cinischen Studiums von mindestens zehn Halbjahren
als Bedingung der Zulassung zur ärztlichen Prüfung
festsetzen.“
München, 20. December 1882.
Der ärztliche Verein zu München.
n
Prof. Kupffer, Vorstand,
i. Schnitzlein, Gassier.
Dr. F. Beetz, Schriftführer.
11
Die vorstehende Petition ist dem bayerischen Gesandten in Berlin,
Grafen v. Lerchenfeld, mit der Bitte um Uebermittelung derselben
an den Bundesrath überreicht worden.
Die bayerischen ärztlichen Vereine werden ersucht, falls sich
dieselben der Petition anzuschliessen beabsichtigen, ihre Erklärungen
in kürzester Frist an die nämliche Adresse gelangen lassen zu wollen.
— Den übrigen deutschen Vereinen stellt es der Verein anheim,
betreffende Anschlusserklärungen anderweit zur Kenntniss des Bundesrathes zu bringen.
— Im Verlage von Theodor Fischer in Kassel erscheint seit
1. Januar d. J. eine neue periodische Zeitschrift, die sich „Fort­
schritte der Medicin“ betitelt, von Dr. Carl Friedländer,
Privatdocent der pathologischen Anatomie in Berlin. Der eben aus­
gegebene Prospect lautet:
„Das Bedürfniss nach sachgemässen Referaten über die Fort­
schritte der Medicin ist für den praktischen Arzt wie für den Forscher
ganz unabweisbar.
Die Fülle der Production auf den verschiedenen Gebieten der
Medicin ist schon sein längerer Zeit so gross geworden, dass es voll­
ständig unmöglich ist, den Fortschritten der Medicin durch das Studium
der sämmtlichen Originalarbeiten zu folgen.
Aus dieser Sachlage ist die grosse Zahl von Zeitschriften ent­
standen, welche das Referiren theils als Haupt-, theils als Neben­
zweck betreiben, und in den letzten Jahren hat fast jede Special!tat
ihr eigenes „Centralblatt“ erhalten.
Wenn auch fast jedes dieser Blättter für den bestimmten Kreis
seinen grossen Werth besitzt, so wird es doch in weiten Kreisen
schmerzlich empfunden, dass unsere referirenden Journale nicht immer
den notliwendigen Anforderungen genügen.
Während gleichgültige Dinge, selbst unzweifelhaft schlechte
Arbeiten höchst ausführlich referirt werden, finden wir wesentliche
Errungenschaften der Wissenschaft oft ganz mit Stillschweigen über­
gangen oder auch entstellt und missverständlich wiedergegeben.
Der Grund dieser bedauerlichen Erscheinung liegt zum Theil
darin, dass das Referiren vielfach Persönlichkeiten überlassen wird,
denen ein eigenes Urtheil und die historische Kenntniss des bisher
Geleisteten mehr oder minder vollständig abgeht. In diesem Falle
ist es dann lediglich dem Zufalle überlassen, ob der Referent das
wesentlich Neue und Wichtige aufzufassen und wiederzugeben im
Stande ist oder nicht.
Die grosse Menge von werthlosen Arbeiten, an denen die medicinische Literatur so schwer zu tragen hat, werden von einem
ungenügend informirten Referenten für haare Münze genommen und
die angeblichen „Resultate“ dem wissenschaftlichen Publikum eben so
getreu mitgetheilt, wie die Ergebnisse einer wirklichen ernsten Arbeit;
während ein sachverständiger Referent in den meisten Fällen sofort
in der Lage ist, die unreifen Producte der Oberflächlichkeit und
Unkenntniss trotz des schillernden Mäntelchens, das ihnen häufig
umgehängt wird, in ihrem wahren Werthe zu durchschauen und von
den reifen Früchten redlicher Arbeit auszusondern.
Andererseits sind manche Referate deswegen unbrauchbar, weil
der Referent derjenigen Richtung, in welcher die Fortschritte der
betreffenden Disciplin geschehen, ablehnend gegenübersteht.
Was die grossen Jahresberichte anbetrifft, so erscheinen sie
gewöhnlich zu spät und bringen ausserdem eine so grosse Fülle von
Stoff in compacter Masse, dass sie, wie die Erfahrung lehrt, nur wenig
gelesen werden, sondern hauptsächlich als Repertorien zum Nach­
schlagen etc. dienen.
Aus diesen Gründen sind eine Anzahl von Fachmänner zu­
sammengetreten, um dem wissenschaftlichen Publikum in geeigneter
Form sachgemässe und kritische Referate über die Fortschritte der
verschiedenen Zweige der Medicin zu liefern.
Unsere Hauptmitarbeiter sind: für Anatomie: Herr Prof. Dr.
Eberth (Halle a. S.), für Physiologie: Herr Prof. Dr. Zuntz, für
experim. Pharmakologie: Herr Prof. Dr. Luchsinger (Bern), für
pathologische Anatomie: Herr Doc. Dr. C. Friedländer, für innere
Medicin: Herr Prof. Dr. Lichtheim (Bern), für Nerven-Kranklieiten
und Psychiatrie: Herr Doc. Dr. Wernicke, für Chirurgie: Herr Prof.
Dr. Maas (Freiburg), für Geburtshilfe uud Gynäkologie: Herr Prof.
Dr. Schnitze (Jena), für Aetiologie der Infectionskrankheiten und
Microorganismen: Herr Geh. Reg.-Rath Dr. R. Koch, für Hygiene:
Herr Reg.-Rath Dr. Wolffhügel, für Thierarzneikunde: Herr Prof.
Dr. Schütz.
Ausserdem haben uns noch eine Reihe anderer hochgeschätzter
Kräfte ihre Mitwirkung in Aussicht gestellt.
Die angeführten Namen geben genügend die Richtung an, welche
unsere Zeitschrift vertreten wird.
Auch für Original-Mittheilungen haben wir einen gewissen
Raum disponibel; indessen werden wir bei diesen, wie bei den
Referaten alles rein Specialistische streng ausschliessen und nur solche
Mittheilungen und Referate aufnehmen, welche allgemein ver­
ständlich sind und ein allgemein medicinisches Interesse
darbieten.
Wir wenden uns an das Verständniss jedes Arztes und der
sämmtlichen Fachkreise; wir werden es als unsere Hauptaufgabe be­
trachten, den Zusammenhang und die Einheit der verschiedenen
medicinischen Disciplinen zu pflegen und der durch die zunehmende
Specialistik drohenden Zersplitterung der medicinischen Wissenschaft
entgegen zu arbeiten.
12
BRESLAUER AERZTLICHE ZEITSCHRIFT.
Jede persönliche Polemik wird aus den Spalten unseres Blattes
principiell ausgeschlossen sein; indessen werden unsere Referenten
überall da, wo es nöthig ist, mit ihrer sachlichen Kritik
nicht zurückhalten. Der Referent tritt mit seinem Namen und
seiner wissenschaftlichen Stellung für das Referat ein.
Auf diese Weise hoffen wir unsern Lesern in gedrängter Kürze
ein vollständiges, getreues und anschauliches Bild der Fortschritte der
Medicin zu entwerfen.
Wir haben uns eine hohe Aufgabe gestellt; wir gehen mit Zu­
versicht an die Erfüllung derselben heran, in dem Bewusstsein, der
Wahrheit und der Wissenschaft dienen zu wollen.
Unsere Tendenzen sind von den hervorragendsten Fachmännern
mit warmer Sympathie begrüsst worden: mögen unsere Leistungen
eine freundliche Beurtheilung finden.“
Wir wünschen der Redaction der „Fortschritte der Medicin“ zu
dem Unternehmen alles Glück und zweifeln keinen Augenblick, dass
dasselbe bei seinem überaus tüchtigen und durch gediegene Leistungen
bekannten Redacteur, sowie den hochachtungsvollen Namen, welche
die Mitarbeiter führen, trefflich gedeihen -wird.
No. 1.
Oesterr.-Schlesien.
In herrlichster Gebirgslage unmittelbar am Walde gelegen; sorg­
fältigste Verpflegung. Nächste Bahnstation Ziegenhals 1 Meile
entfernt. Das ganze Jahr geöffnet.
[349]
alkalischer
— In Wien erscheint seit Januar d. J. eine neue Zeitschrift, die
sich „Centralblatt für die gesammte Therapie“ betitelt und von
Dr. Heitler, Privatdocent an der Universität in Wien, redigirt wird.
SMEiVBmm
bestes Tisch- und Erfrischungsgetränk,
erprobt bei Husten, Halskrankheiten, Magen- und Blasenkatarrh.
VIII. Personalien.
Auszeichnungen: Se. Majestät der Kaiser und König haben
Allergnädigst geruht, den ordentlichen Professoren an der Universität
Berlin, Dr. Gusserow, Dr. Schröder und Dr. Westphal, den
Charakter als Geheimer Medicinal-Rath, dem San.-Rath Dr. Gustav
Meyer in Berlin den Charakter als Geh. San.-Rath und den prakt.
Aerzten: Dr. Wehmer in Frankfurt a. 0., Dr. Reinhold Nitzsch
zu Gross-Ottersleben, im Kreise Wanzleben, Dr. Schöneberg und
Dr. Zober, beide in Berlin, und Dr. med. Carl Funcke zu Boppard
den Charakter als Sanitäts-Rath zu verleihen.
Anstellungen: Der bisherige Kreis-Wundarzt Dr. Mau in
Callies ist zum Kreis-Physikus des Kreises Schivelbein, der praktische
Arzt Dr. Geister zum Ober-Amtswundarzt des Oberamts-Bezirks
Bedungen, der Ober-Stabsarzt 1 CI. und Garnisonarzt von Magdeburg,
Dr. med. Gähde ist zum chirurgischen Assessor bei dem MedicinalCollegium der Provinz Sachsen ernannt und der Kreis-Physikus
Dr. med. Hildebrand zu Triebsees aus dem Kreise Grimmen in den
Kreis Homberg versetzt worden.
Niederlassungen: Arzt Drweski in Inowrazlaw, Dr. Weddigen in Obernkirchen, Dr. Eickhoff in Grenzhausen, Dr. Gross­
mann in Frankfurt a. M., Dr. Jesner in Stolpmünde, Arzt Jägers
in Herdt und Arzt Dämmer in Oedt.
Verzogen sind: Arzt Mütze von Marburg nach Rauischholz­
hausen, Dr. Matthias von Grenzhausen nach Geldern, Dr. Wothe
von Cösliu nach Rügenwalde, Dr. Auerbach von Elberfeld nach
Bonn, Dr.Sternberg von Elberfeld nach Berlin, Dr. Rumpf von
Düsseldorf nach Bonn.
Todesfall: Kreis-Physikus Dr. Flitner in Lippstadt.
Vacante Kreis-M edicinal-Beamten-Stelle: Kreis-Wund­
arztstelle des Kreises Warendorf.
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(Verdauungszeltchen).
73
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Heinrich Mattoni, Karlsbad (Böhmen).
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SOWIE FÜR GREISE
ENTBINDUNG
Da es keine ürastica, wie Alo8s, Podophyllin u. s. w. enthält
eignet es sich bestens zum täglichen Gebrauch.
In Frankreich von allen medizinischen Autoritäten verordnet,
besonders von Dr. Tardieu, welcher dieselbe seit 1867 zuerst
verordnet und dadurch ihren Ruf begründet — in Deutschland
meines Wissens seit lange empfohlen durch Geh. Rath
Dr. Friedreich; Ober-Mea.-Rath Dr. Battlehner, und viele
andre prakt. Aerzte.
Paris, E. GRILLON, Apoth., rue Rambuteau, 27, Paris
Das ursprüngliche Produkt trägt auf grünem Umschlag
die rothe Unterschrift : E. GRILLON.
In allen Apotheken. Schachtel mit 12 Bonbons.
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- Bitterquelle, ausgezeichnet durch die
mild auflösende, kräftig abführende
Wirkung.
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Vorräthig in den Min.-Depöts.
Dp. ScSmee
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Wintersaison: iVizza, Sommersaison: Carlsbad.
Commissionsverlag von Leopold Voss in Hamburg und Leipzig. — Druck von Grass, Barth & Comp. (W. Friedrich) in Breslau.
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