Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Sozialpsychologie 3! Unterscheidung:! Eigengruppe (in-group): Gruppe, zu der man gehört.! Fremdgruppe (out-group): Gruppe, zu der man nicht gehört.! Verhalten zwischen Gruppen! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Relative Deprivation (Walker & Smith 2002)! Das Gefühl, weniger zu besitzen als einem (vermeintlich) zusteht.! J-Kurve nach Davies (1969): Erwartungen an die Zukunft werden aus vergangenen und aktuellen Umständen abgeleitet. Wenn diese nicht erfüllt werden, kommt es zur relativen Deprivation und zu kollektiven Unruhen.! Beispiele:! Französische und Russische ! Revolution! Antisemitismus in Polen! Black Power in den USA! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Runciman (1966): 2 Formen der relativen Deprivation, die unabhängig voneinander sind:! 1.! 2.! Egoistische relative Deprivation: Individuelles Gefühl der Deprivation relativ zu anderen Personen.! Fraternalistische relative Deprivation: Gefühl, das durch Vergleich mit anderen, die nicht der selben Gruppe angehören, entsteht.! Soziale Unruhen entstehen durch fraternalistische relative Deprivation (Vanneman & Pettigrew, 1972; Abeles, 1976; Guimond & Dube-Simard, 1983; Tripathi & Srivasta, 1981).! Um sich jedoch an sozialen Reformaktivitäten zu beteiligen, benötigt man eine starke Identifikation mit seiner eigenen Gruppe (z.B. Feministinnen mit der Gruppe der Frauen; Kelley & Breinlinger, 1996). ! ! !! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Ob man sich an kollektiven Aktionen beteiligt, hängt auch von der Erwartung einer Veränderung durch diese Aktionen ab. Personen, die glauben, dass solche Aktionen keine Veränderung bewirken, nehmen nicht an kollektiven Aktionen teil (Martin, Brickman & Murray, 1984).! Die Wahrnehmung von Gerechtigkeit spielt ebenfalls eine Rolle:! •! Distributive Gerechtigkeit: Verteilungsgerechtigkeit! •! Prozedurale Gerechtigkeit: Gerechte Behandlung! ! ! ! ! !(Tyler & Lind, 1992; Tyler & Smith, 1998).! Ein weiterer Faktor: Mit wem vergleicht man sich?! „Paradox of the contended female worker“: Frauen vergleichen sich eher mit anderen Frauen und nehmen daher die Geschlechtsunterschiede in der Bezahlung nicht wahr (Crosby, 1982; Major, 1994).! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Sozialer Protest und kollektives Verhalten:! Klandermans (1997): Prozess muss durchlaufen werden, bis ein Individuum an einem sozialen Protest teilnimmt:! 1.! Zuerst muss man mit der sozialen Bewegung sympathisieren. Man muss eine fraternalistische relative Deprivation wahrnehmen, eine Gruppe für die Ungerechtigkeit identifizieren und einen sozialen Wandel durch kollektiven Protest für möglich halten.! 2.! Man muss informiert sein, was man tun kann und was getan wird (z.B. Demonstration, Besetzung, Lobbying). Wird über die soziale Bewegung schon medial berichtet, ist es leichter an diese Informationen zu kommen.! 3.! Die Motivation, an sozialem Protest teilzunehmen, hängt von der Wertigkeit des Ergebnisses, der Anerkennung der eigenen Leistung durch andere und der persönlichen Vorteilhaftigkeit ab.! 4.! Überwindung von Hindernissen (z.B. wie kommt man zur Demo?)! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Realistischer Konflikt:! Sherif (1966): Summercamps für weiße US-amerikanische männliche Adoleszente:! Phase 1: Ankunft im Camp, Kennenlernen der anderen Teilnehmer, Aufbau von Freundschaften.! Phase 2: Aufteilung der Jugendlichen in zwei separate Gruppen; wurden physisch getrennt, bildeten eigene Gruppennormen und Regeln.! Phase 3: Organisierte Wettbewerbe zwischen den beiden Gruppen (Sportaktivitäten). Entwicklung von Feindseligkeiten auch abseits der Wettbewerbe. Beim gemeinsamen Essen wurde mit Nahrungsmitteln aufeinander geworfen.! Phase 4: Gruppen mussten gemeinsam Probleme lösen (z.B. Wasserversorgung musste wiederhergestellt werden.). Definition von superordinate goals führte zum Abbau der Aggression und Wiederherstellung der Freundschaften.! Interpersonelle Beziehungen! Intergruppen Beziehungen! Gemeinsame Ziele! Interdependenz! Wettbewerbsziele! Interpersonelle Kooperation! !! Gruppenbildung! Solidarität! Interpersoneller Wettbewerb! !! Interpersoneller Konflikt, reduzierte Gruppensolidarität, Zerwürfnis der Gruppe! Intergruppenkooperation! !! Intergruppenharmonie! Intergruppenwettbewerb! !! Konflikt zwischen den Gruppen! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Spieltheorie:! Payoff-Matrix:! Neumann & Morgenstern (1944), Luce & Raiffa (1957), Rapoport (1976). ! Einfachstes Spiel: Das Prisoner‘s Dilemma! Zwei Gangster werden wegen eines schweren Verbrechens verhaftet, die bisher gefundenen Beweise reichen aber nicht aus, sie deshalb zu verurteilen, (Man kann ihnen nur ein kleineres Verbrechen nachweisen). Um ein Geständnis zu erzwingen, werden die beiden Männer separiert und einzeln verhört. Ihnen wird (einzeln) folgendes Angebot vom Richter gemacht:! 1.! Gesteht einer die Tat, und der andere nicht, geht ersterer frei, der andere bekommt 10 Jahre Haft.! 2.! Gestehen beide, bekommt jeder 5 Jahre Haft.! 3.! Gesteht keiner, bekommt jeder 1 Jahr Haft.! Gefangener A! Gefangener B! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Im Prisoner‘s Dilemma ist Leugnen das kooperative Verhalten und Gestehen das egoistische.! !! Kooperation setzt Vertrauen voraus.! Das PD ist eine Situation mit gemischten Motiven: Jeder Teilnehmer hat einerseits das egoistische Motiv, die beste verfügbare Alternative zu wählen, andererseits das soziale, kooperative Motiv, den Nutzen für alle Beteiligten zu optimieren.! Minas et al. (1960): Die Häufigkeit der kooperativen Züge (Leugnen) ist sehr gering. ! Rund 62 % der Züge waren nicht-kooperativ (Gestehen).! gesteht! Gesteht nicht! gesteht! A: 5 Jahre! B: 5 Jahre! A: 10 Jahre! B: 0 Jahre! Gesteht nicht! A : 0 Jahre! B: 10 Jahre! A: 1 Jahr! B: 1 Jahr! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Zehn mögliche Motive bei Interaktionen (Deutsch, 1973):! 1.! 2.! 3.! 4.! 5.! 6.! 7.! 8.! 9.! 10.! Individualistisch = max (a); der eigene Nutzen soll maximiert werden! Masochistisch = min (a); der eignen Nutzen soll minimiert werden! Altruistisch = max (b); der Gewinn des Partners soll maximiert werden! Aggressiv = min (b); der Gewinn des Partners soll minimiert werden! Kooperativ (kollektivistisch) = max (a+b); der gemeinsame Gewinn soll maximiert werden.! Destruktiv (nihilistisch) = min (a+b); der Nutzen für beide soll möglichst gering sein.! Konkurrenzorientiert = max (a-b); man will einen größeren Gewinn erzielen als der Partner.! Egalitär = min (a-b); der andere soll nach Möglichkeit nicht schlechter abschneiden als man selbst.! Selbsterniedrigend = max (b-a); der Partner soll einen größeren Gewinn erzielen als man selbst; man ist bereit zu verzichten! Defensiv = min(b-a); man will nicht weniger gewinnen als der andere.! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Das Lastwagen-Spiel (The trucking game, Deutsch & Krauss, 1960) :! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Ergebnisse:! Keine Drohung! Einseitige Drohung ! (1 Schranken)! Ergebnis für ACME! Ergebnis für BOLT! Gemeinsames Ergebnis! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Soziale Dilemmata:! Das Commons-Dilemma (Hardin, 1968): Wenn alle kooperieren, gewinnen alle; bei gegenseitigem Wettbewerb verlieren alle.! Public Goods-Games (Kerr, 1983, 1992; De Cremer, 2002): ! Es entsteht ein Schaden, wenn zu wenige Individuen ein (für den einzelnen) aversives Verhalten durchführen (z.B. Rundfunkgebühren zahlen, Fahrscheine kaufen etc.). -> Free-Rider-Phänomen! Soziale Dilemmata können nur durch ! •! Erhöhte Gruppenidentifikation (de Cremer, 2000; Foddy, Smithson, Schneider & Hogg, 1999)! •! Charismatische Führer (de Cremer, 2002)! •! Erhöhte Kommunikation (Bouas & Komorita, 1996)! •! Wahrnehmung von distibutiver und prozeduraler Gerechtigkeit (Tyler & Smith, 1998)! •! Wahrnehmung von Effektivität (Kerr, 1992)! ! ! ! ! ! !Gelöst werden.! 122,44! 80,88! 203,31! -118,56! -287,31! -405,88! Zweiseitige Drohung! (2 Schranken)! -406,56! -468,56! -875,12! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Soziale Dilemmata können nicht gelöst werden durch! •! Privatisierung (van Vugt, 1997)! •! Appell an altruistisches Verhalten (an das Gewissen) (Kerr, 1992)! •! Aufteilung einer Gruppe in zwei Gruppen (Sherif, 1960)! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Das Minimal Group Paradigma ! ! ! ! ! !(Tajfel, Billig, Bundy & Flament, 1971)! Dieses zeichnet sich aus durch: ! (a)! das Fehlen jeglicher Kommunikation zwischen den Gruppenmitgliedern, ! (b)! die Anonymität der Versuchspersonen (nur die Gruppenmitgliedschaft war bekannt), ! (c)! das Fehlen jeder rationalen bzw. logischen Verknüpfung zwischen Gruppenmitgliedschaft und Verhalten der Vpn, ! (d)! das Fehlen eines persönlichen Nutzens für die Vpn und ! (e)! reale und bedeutsame Entscheidungen.! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Eigengruppenfavorisierung und soziale Diskriminierung tritt nicht auf, wenn negative Ressourcen (Bestrafungen) verteilt werden sollen (Mummendey et al. 1992; Otten, Mummendey & Blanz, 1996; Peeters & Czapinski, 1990).! In realen Gehaltsverhandlungen wird tatsächlich die eigene Gruppe favorisiert (Shop stewards: Brown, 1978; Pflegepersonal: Oaker & Brown, 1986; Skevington, 1981; van Knippenberg & van Oers, 1984). ! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Bei Distributionsaufgaben versuchen die Vpn die Unterschiede zwischen der eigenen Gruppe und der Fremdgruppe zu maximieren und die eigene Gruppe zu bevorteilen (In-group favouritism) ! ! ! ! !(Tajfel, Billig, Bundy & Flament, 1971).! Dieses Phänomen tritt auch auf, wenn die Gruppenzugehörigkeit gelost oder willkürlich bestimmt wird (Billig & Tajfel, 1973).! Die Eigengruppenfavorisierung tritt nicht auf, wenn den Vpn die Auszahlungsmatrizen genau erklärt werden (Grieve & Hogg, 1999)!! Erklärung: ! Soziale Kategorisierung wird dann als Hinweisreiz von Personen benutzt, wenn keine andere Möglichkeit besteht, die Situation zu erklären und Probleme zu lösen, bzw. subjektive Unsicherheit abzubauen (Hogg, 2000).! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Soziale Identitätstheorie! Die Mitgliedschaft in einer Gruppe bestimmt die soziale Identität einer Person. Diese soziale Identität beinhaltet die Evaluation, wie man ist und was man zu tun hat (geeignete Handlungen und Taktiken der Gruppenmitglieder).! Die persönliche Identität ist von der Beziehung zu anderen Gruppen nicht betroffen (Turner, 1982).! Jeder Mensch hat ein Repertoire von verschiedenen sozialen Identitäten, da man mehreren Gruppen angehört. ! Jede soziale Kategorie ist als Prototyp gespeichert und wird von anderen Kategorien abgegrenzt. Es wird versucht, die Differenz zwischen der eigenen Gruppe und der Gruppe der anderen zu maximieren. ! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Prototypen unterliegen Kontext-Effekten: Schotten sehen sich anders als Engländer, aber ähnlich im Vergleich zu Deutschen (Hopkins & Moore, 2001; Rutland & Cinnirella, 2000).! Es kommt zur Depersonalisation: Die einzelnen Individuen einer Gruppe werden als zusammengehörend erlebt. D.h. interindividuelle Differenzen werden nicht wahrgenommen und die Mitglieder als homogen erlebt.! Salienz der sozialen Kategorie hängt von der chronischen und situativen Zugänglichkeit, der Strukturiertheit und der wahrgenommenen (behavioralen) Normen ab.! 2 motivationale Prozesse liegen der sozialen Identität zugrunde: ! (1)! Selbstwertsteigerung und ! (2)! Unsicherheitsreduktion! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Soziale Mobilität und sozialer Wandel:! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Gruppen stehen miteinander im Wettbewerb um Status und Prestige (Tajfel & Turner, 1979; Hogg & Abrams, 1988).! Gruppen sind bestrebt, die Differenz zu maximieren (Ellemers, Spears & Doosje, 1999).! Delinquenz: männliche Adoleszente erreichen durch delinquentes Verhalten einen höheren Status und Anerkennung in der eigenen Gruppe (Emler & Hopkins, 1990; Emler & Reicher, 1995).! Soziale Identität hat auch Auswirkungen auf den Selbstwert (und umgekehrt):! •! Positive Intergruppen-Vergleiche erhöhen den (kollektiven) Selbstwert! •! Niedriger Selbstwert führt zu keinem Intergruppenvergleich! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Akzentuierungseffekt: Gruppenmitglieder der Fremdgruppe werden als einander ähnlicher wahrgenommen als Mitglieder der eigenen Gruppe und unterscheiden sich mehr von den Mitgliedern der eigenen Gruppe.! Personen haben Schwierigkeiten, Gesichter anderer Kulturen (oder Minoritäten) voneinander zu unterscheiden z.B.: ! •! Schwarze vs. Weiße (Bothwell, Brigham & Malpass, 1989)! •! Hispanics (Platz & Hosch, 1988)! •! Japaner (Chance, 1985)! Relativer Homogenitätseffekt: In Wettbewerbssituationen werden die Gruppenmitglieder der Fremdgruppe ähnlicher empfunden als Mitglieder der eigenen Gruppe.! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Der relative Homogenitätseffekt hängt von der Gruppengröße ab: ! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Gedächtniseffekte:! Man erinnert sich, welche Gruppe was gesagt hat, aber nicht welches Gruppenmitglied (Taylor, Fiske, Etcoff & Ruderman, 1978). ! Unerwünschtes Verhalten von Mitgliedern der Fremdgruppe wird besser erinnert; von Mitgliedern der eigenen Gruppe eher „verdrängt“ (Howard & Rothbart, 1980):! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Massenpsychologie! LeBon (1896): Erste Theorie zu (gewalttätigen) Massenphänomenen:! Deindividuierung (Festinger, Pepitone & Newcomb, 1952; Zimbardo, 1970):! Prozess, bei dem Individuen ihr Gefühl für soziale Verantwortung verlieren und unsoziale Verhaltensweisen zeigen.! Festinger, Pepitone & Newcomb (1952): Personen, die in schlecht beleuchteten Räumen saßen und graue Labormäntel trugen, sprachen schlechter über ihre eigenen Eltern in einer Gruppendiskussion.! Singer, Brush & Lublin (1965): Personen verwendeten bei einer Diskussion über erotische Literatur obszönere Begriffe, wenn sie alle gleich gekleidet waren.! Zimbardo (1970): weibliche Studentinnen gaben ihren Kommilitoninnen doppelt so lange Elektroschocks, wenn die Bestrafenden als Ku Klux Klan- Mitglieder verkleidet wurden. ! Sozialpsychologie 3! Verhalten zwischen Gruppen! Johnson & Downing (1979): Aggressives Verhalten ist nicht automatisch, Normative Erwartungen spielen eine große Rolle. -> Es hängt auch von der deindividuierten Rolle ab!!