Sprechstunde: Eltern fragen – Ärzte antworten

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Sprechstunde:
Eltern fragen – Ärzte antworten
Fallot’sche Tetralogie
Mein Enkel (4 Wochen alt) leidet an Fallot’scher Tetralogie. Die Sauerstoffsättigung der Lunge beträgt 97 %. Meine Frage: Kann diese Krankheit von selbst heilen? Wenn nicht, welche Krankenhäuser
sind auf die Operation spezialisiert? Ist
eine minimal-invasive Operation möglich? Vielen Dank im voraus. Ein besorgter Opa.
Helmut L., Passau
Dieser relativ häufige Herzfehler führt zu
einer Untersättigung des Blutes mit Sauerstoff und
bedarf immer einer chirurgischen Therapie. Eine
Selbstheilung gibt es nicht, im Gegenteil: die Sauerstoffsättigung, die ja bei Ihrem Enkel mit 97 %
fast normal hoch ist, nimmt durch Umbauprozesse des rechten Herzens im Laufe der Zeit ab. Diese Entwicklung bestimmt letztlich den Zeitpunkt
der Operation. Praktisch alle Kinder werden innerhalb des ersten Lebensjahres operiert.
Das Operationsverfahren ist relativ standardisiert
und besteht aus einem Verschluss des Kammerscheidewanddefektes (VSD) und der Erweiterung
des verengten Ausflusses aus dem rechten Herzen.
Eine minimal-invasive Behandlung – wenn Sie damit die berühmten „kleinen Schnitte“ oder den Verzicht auf die Herz-Lungen-Maschine meinen – gibt
es für die Fallot’sche Tetralogie nicht und wird es
auch nicht geben. In allen Kliniken, in denen die
Operation von Kindern mit angeborenen Herzfehlern ein Schwerpunkt ist, wird die Korrektur der
Fallot’schen Tetralogie heute mit großer Sicherheit
für die kleinen Patienten durchgeführt. Die Lebensqualität und auch die Lebenserwartung nach erfolgreicher Fallot-Korrektur sind bei fast allen Patienten ausgezeichnet.
Ich hoffe, dass ich Ihnen einen Teil Ihrer Sorgen habe
nehmen können und wünsche Ihrem Enkel alles Gute.
Prof. Dr. med. Markus Heinemann, Mainz
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Zahnspange
Mein Sohn ist mit neun Monaten aufgrund
einer Fallot’schen Tetralogie operiert worden und ihm ist zehn Jahre später ein Homograft als Pulmonalklappenersatz eingesetzt worden. Er ist jetzt 13 Jahre alt und
soll eine Zahnspange bekommen. Ist im Hinblick auf das Endokarditis-Risiko eher eine
herausnehmbare oder eine festsitzende
Zahnspange zu empfehlen? Muss unser Sohn
vor einer Sitzung im Rahmen der anstehenden kieferorthopädischen Behandlung (Anpassen und Einstellen der Klammer) ein Antibiotikum zu sich nehmen?
Erich H., Altenkirchen
Beide Zahnspangen haben unterschiedliche Indikationen, so dass die Frage, welche Zahnspange zu
bevorzugen ist, vom Zahnarzt beantwortet werden
muss.
In Bezug auf das Endokarditis-Risiko sind beide
gleich zu bewerten. Natürlich sollten die Zahnspangen so angepasst werden, dass es nicht zu blutenden Wunden kommt. Denn nur, wenn im Rahmen
eines instrumentellen Eingriffs blutende Wunden zu
erwarten sind, ist eine Endokarditis-Prophylaxe
entsprechend dem Endokarditis-Ausweis erforderlich.
Dr. med. Elmo Feil, Darmstadt
Eine oder mehrere Operationen?
Bei unserem Sohn Yannis (6) wurde eine Transposition der großen Gefäße diagnostiziert. Im August 2000 wurde er nach Mustard operiert. Das
Ergebnis der Operation war gut. Hämodynamisch
gibt es keine Auffälligkeiten. Im EKG zeigt sich ein
stabiler Herzrhythmus (Sinusrhythmus). Die Zeit
nach der Operation war schwierig, aber Yannis
hat sich gut entwickelt. Unser Eindruck: Diese komplikationslose Entwicklung entspricht der gleichaltriger Kinder.
Unser Sohn muss sich aufgrund eines beidseitigen
Hodenhochstandes sowie einer Vorhautverengung
einer Operation mit anschließendem Klinikaufenthalt unterziehen. Gleichzeitig sollen ihm
vom Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten Paukenröhrchen eingesetzt werden.
Frage: Für uns ist von Interesse, ob aus Ihrer Sicht
vor dem Hintergrund des kardiologischen Befundes eine einmalige Operation mit Krankenhausaufenthalt sinnvoll ist, in der sämtliche Korrekturen gleichzeitig durchgeführt werden (Dauer etwa
drei Stunden). Oder sollten die Korrekturen in
mehreren Operationen erfolgen? Außerdem interessiert uns, ob die Gefahr von Komplikationen
während der Narkose bei ihm deutlich
erhöht ist, so dass gegebenenfalls auf einen Teil der Eingriffe gänzlich verzichtet werden sollte, obwohl er dann weiter schlecht hört.
Familie M., Goslar
Vielen Dank für die Frage, die Ihren
sechsjährigen Sohn Yannis betrifft. Um
das Ende Ihrer Frage vorwegzunehmen:
Keinesfalls sollte bei Ihrem Kind mit angeborenem Herzfehler auf ein normales
Hören verzichtet werden! Gerade Kinder, die eine Herzoperation hinter sich
gebracht und möglicherweise dadurch
schon körperlich oder seelisch belastet
sind, sollten von den Kinderärzten und Eltern hinsichtlich der allumfassenden medizinischen Versorgung bestmöglich betreut werden. Dazu gehört sowohl die Einlage von Paukenröhrchen, um ein optimales Hören zu gewährleisten, als auch die
Korrektur eines Hodenhochstandes und einer Vorhautverengung (Phimose). Sowohl
bei dem Eingriff an Hoden und Phimose,
als auch beim Einlegen der Paukenröhrchen sollten die Sicherheitsvorkehrungen
noch sorgfältiger als bei nicht herzerkrankten Kindern eingehalten werden. Dazu gehört ein erfahrener Anästhesist, der sich
mit dem Herzfehler und mit der Hämodynamik bei Vorhofumkehr nach Mustard
auskennt und Komplikationen durch Vorbeugung
und sorgfältiges Handeln gar nicht erst entstehen
lässt.
Obwohl mehr und mehr Spezialisten ambulante
Operationen auch im Kindesalter anbieten und das
abendliche „Mit-nach-Hause-nehmen“ des Kindes
zunächst sehr verlockend klingt, würde ich Ihnen
von einer ambulanten Operation dringend abraten, da die Kreislaufüberwachung nach der Operation und die Schmerztherapie besser gewährleistet sind, wenn das Kind im Krankenhaus schläft.
Die Dauer der Narkose spielt eine geringere Rolle
als die Qualität der Kreislaufüberwachung. Sie sollten sich also ein Zentrum suchen, in dem herzkranke Kinder betreut werden, die Anatomie
den Ärzten bekannt ist und ferner erfahrene Kinderchirurgen oder Kinderurologen zur Operation des Hodenhochstandes
und der Phimose tätig sind. Es gibt in
Deutschland einige große Kinderkliniken,
die das gesamte Spektrum abdecken. Ob
dann in der gleichen Narkose die Paukenröhrchen eingesetzt werden oder ob einige Tage früher oder später noch mal eine
Kurznarkose zur Einlegung von Paukenröhrchen durchgeführt wird, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass auch hierbei der Eingriff von Spezialisten, in diesem Falle nämlich den Ärzten der Hals-Nasen-Ohren-Klinik, durchgeführt wird, die diesen Eingriff
häufig in ihrem Routinebetrieb durchführen
und dass gleichzeitig ein Anästhesist die Sedierung oder Narkose übernimmt, der sich
mit der Herzerkrankung und dem Blutfluss
Ihres Kindes auskennt. Bei uns hat es sich bewährt, dass der Anästhesist sich in den Tagen
vor der Operation mit den betreuenden Kinderkardiologen in Verbindung setzt und die aktuellen Befunde und zu erwartenden Besonderheiten mit diesen bespricht. Auf die Notwendigkeit der Endokarditis-Prophylaxe sollten die behandelnden Ärzte bei beiden
Eingriffen noch einmal hingewiesen werden.
Ich wünsche Ihrem Sohn alles Gute und ein
Gelingen der kleinen Eingriffe.
PD Dr. med. Brigitte Stiller, Berlin
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