Leben und Werk des japanischen Komponisten Toru Takemitsu

Werbung
Yoshinao KIHARA
Leben und Werk des japanischen
Komponisten Toru Takemitsu
Wissenschaftlicher Teil der Künstlerischen Masterarbeit eingereicht bei:
Ao.Univ. Prof. Dr. Phil. Renate Bozic
Künstlerische Masterarbeit eingereicht bei: Univ. Prof. Martin Sieghart
Universität für Musik darstellende Kunst Graz
Institut 1 Komposition, Musiktheorie, Musikgeschichte und Dirigieren
Studienrichtung Orchesterdirigieren
Graz 2013
1
Inhaltsverzeichnis
Seite
1. Introduktion
3
2. Seine Kindheit und Familie
3
3. Warum entschied er sich, ein Komponist zu werden?
4
4. Wo und wie studierte er Musik, Komposition?
4
5. Ausgewählte Werke
5.1. Debüt als Komponist und Lento in Due Movimenti für Klavier
5
5
5.2. Jikken Kōbō (experimental workshop) und Distance de fee für
Geige und Klavier
6
5.3. Treffen mit Igor Stravinsky und Requiem pour orchestre à cordes
7
5.4. Eclipse, November Steps und Komposition für japanische
Instrumente und Orchester
9
6. Als Komponist für Filmmusik
7. Seine guten musikalische Kollegen
12
13
8. Sein Plan der Komposition für die Oper, sein Tod und seine
Leistung
14
2
1. Introduktion
Toru Takemitsu war ein bedeutender japanischer Komponist des 20. Jahrhunderts. Er
komponierte viele schöne Stücke, die jetzt noch in der ganzen Welt geliebt und gespielt
werden.
Er war ein kleiner, schlanker und schweigsamer Mann, aber ein passionierter Musiker.
In dieser Masterarbeit möchte ich über sein Leben und seine Werke schreiben.
2. Seine Kindheit und Familie
Er wurde am 8. Oktober 1930 in Tokio geboren. Er verbrachte seine Kindheit in Dalian,
China, wo sein Vater arbeitete. Bevor er die Grundschule begann, kehrte er nach Japan
zurück, weil sein Vater Tuberkulose hatte. Als er 8 Jahre alt war, starb sein Vater.
Sein Vater arbeitete als Angestellter bei einer Versicherungsfirma. Seine Hobbys waren
Shakuhachi¹ spielen sowie Jazz und Blues hören Er ging auch gern mit seiner Ehefrau
zum Gesellschaftstanz. Er war sehr naturverbunden und ging mit dem jungen Toru sehr
oft hinaus ins Freie, um Vogelstimmen anzuhören. Sein Vater hatte ein sehr gutes Gehör
und gewann einen Wettbewerb über die Unterscheidung von Vogelstimmen. Toru sagte:
„Durch das Anhören von Vogelstimmen mit meinem Vater in meiner Kindheit wurden
die Sinne meiner Ohren geschärft."²
Seine Mutter liebte Filme, besonders die mit James Dean oder Elvis Presley. Sie ging
sehr oft mit Toru ins Kino. So wurde Toru von ihrer Begeisterung für Filme angesteckt.
In seiner professionellen Laufbahn komponierte er auch viel Filmmusik.
Als Toru ein Grundschüler war, wohnte er mit seiner Tante und seinem Cousin
zusammen. Seine Tante konnte Koto³spielen und Toru genoss es, die Klänge der Koto
seiner Tante anzuhören. Sein Cousin liebte es, sich Schallplatten anzuhören. Ganz
besonders begeistert war er vom Violinkonzert e-Moll op.64 von Mendelssohn.
1→Shakuhachi ist eine japanische Bambuslängsflöte.
2→T.Takemitsu: Können wir hören? S.104
3→Koto ist eine mit Seide bespannte Wölbbrett-Zither; sie ist ein japanisches Musikinstrument, das auf
der chinesischen Guzheng basiert.
3
Als Toru 24 Jahre alt war, heiratete er die Schauerspielerin Asaka Wakayama. Sie
bekamen eine Tochter, Maki Takemitsu. Sie ist Englisch-Übersetzerin und arbeitet auch
für das Saito Kinen Festival Matsumoto (GMD: Seiji Ozawa) in Japan.
3. Warum entschied er sich, ein Komponist zu werden?
Als Toru an die Mittelschule ging, wurde die Heftigkeit des zweiten Weltkrieges
deutlich. Deswegen wurde der Unterricht eingestellt und alle Schüler mussten dem
Krieg dienen. Mit dem Fortgang des Krieges wurde in Japan nach und nach verboten,
feindliche Musik anzuhören und feindliche Sprachen zu benutzen. Daher hatte man
weniger Gelegenheiten, europäische und amerikanische Musik zu hören. Er sagte: "Als
ich den Arbeitsdienst für den Krieg verrichten musste, durfte ich jeden Tag nur
Kriegslieder mit lauter Stimme singen. Diese Lieder liessen mein Herz traurig werden.
Ausserdem war dieser Dienst sehr entwürdigend. Wenn ich Fehler in der Arbeit machte,
wurde ich von einem Soldaten geschlagen."⁴ Während dieser mühsamen Arbeit hatte er
ein bedeutendes, unerwartetes Treffen. "Eines Tages rief uns ein junger Offizier
zusammen. Er spielte eine Schallplatte ab. Die von der Schallplatte ertönende Musik
war das Chanson Parlez-moi d'amour von Jean Bernard Daniel Neuburger."⁵ Es war
seine erste Erfahrung mit dieser Art von Musik und sie beeindruckte ihn tief. " Ich war
sehr begeistert und kann diese Erfahrung und Ergriffenheit auf Lebenszeit nicht
vergessen."⁶ Gleichzeitig entschied er: "Wenn der Krieg endet, werde ich Komponist."
⁷
4.Wo und wie studierte er Musik, Komposition?
Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde Japan von Amerika besetzt. In den
Wirren der Nachkriegszeit fing er an, Komposition zu studieren. Da er lungenkrank war,
konnte er nicht an die Musikhochschule gehen, um zu studieren, Als er ans Bett
gefesselt war, hörte er immer die Rundfunksendung der amerikanischen Besatzung und
viele Musikstücke gingen ihm sehr nahe. "Als ich Prelude,chorale et fugue von César
Franck anhörte, war ich so ergriffen, wie damals, als ich Parlez-moi d'amour hörte. Ich
fand instrumentale Musik. "⁸
4→T.Takemitsu: Können wir hören? S.10
6→Ebenso, S.22
5→Ebenso, S.11
7→Ebenso, S.22 und 23
8→T.Takemitsu: Können wir hören? S.11
4
Da er nicht zur Musikhochschule gehen konnte, studierte er Komposition autodidaktisch.
Für sein Studium wollte er Klavier spielen, doch er konnte sich kein Klavier leisten.
Deswegen zeichnete er die Tasten eines Klavieres auf ein Stück Papier. So übte und
komponierte er immer mit dem Papierklavier. „Für mich klangen Töne von meinem
Papierklavier."⁹ Weil er auch ein echtes Klavier spielen wollte, besuchte er immer
Wohnungen, aus denen er auf der Straße Klavierklang hören konnte. Dann fragte er die
Bewohner der Wohnung, ob er auf dem Klavier spielen durfte. Natürlich kannten sie
einander nicht. Aber er wurde nie abgelehnt und hatte so die Möglichkeit, auf einem
richtigen Klavier zu spielen. Um Klavier zu spielen, jobbte er auch in einer Bar der
amerikanischen Armee.
Damals hatte er sehr gute kompositorische Kollegen, Yasushi Akutagawa und Toshiro
Mayuzumi. Sie waren auch grosse japanische Komponisten des 20 Jhds. Toshiro hörte
von Yasushi, dass Toru kein Klavier hatte. Toshiro wollte ihm helfen und stellte Toru ein
Klavier unentgeltlich zur Verfügung. Toru war sehr überrascht und empfand sein ganzes
Leben lang tiefe Dankbarkeit für Toshiro. Durch dieses Klavier konnte Toru ein
besseres Gespür für seine Kompositionen bekommen.
5. Ausgewählte Werke
5.1.Debüt als Komponist und Lento in Due Movimenti
für Klavier
Als er selbst Komposition studierte, traf er einen japanischen Komponisten, Yasuji
Kiyose. Er lernte zwar nicht Komposition bei Yasuji, aber dieser gab ihm Ratschläge
zu seinen Werken. Er komponierte bei Yasuji ein Klavierstück: Lento in Due Movimenti.
Er debütierte als Komponist mit Lento in Due Movimenti für Klavier. Dieses Stück
wurde in Tokio 1950 uraufgeführt. Es hat zwei Sätze und setzt sich wie folgt zusammen.
1. Adagio
2. Lento misteriosamente
9→T.Takemitsu: Können wir hören? S.12
5
Als er Lento in Due Movimenti komponierte, lernte er mehr über Pentatonik. Er wollte
Pentatonik musikalisch neu gestalten, weil er nicht nur japanische traditionelle
Pentatonik in seinem Stück benutzen wollte. Deswegen findet sich verschiedene
Pentatonik in seinem ersten Stück. Er sagte: „Wenn man die Stelle mit der neuer
Pentatonik anhört, kann man einen anderen Klang erkennen. Der Klang neuer
Pentatonik und japanischer traditioneller Pentatonik ist ganz unterschiedlich."10 Er
brauchte ein halbes Jahr für die Komposition seines ersten Stückes (mit nur 3 Seiten!!).
Nachdem er das Stück vollendete, hörte er die Musik von Olivier Messiaen. Bevor er
sein zweites Stück komponierte, las er die Noten von Messiaens erstem Werk Prelude.
Er war sehr beeindruckt und man kann die Einflüsse von Messiaen in seinem zweiten
Stück gut erkennen. Er sagte: „Das erste und das zweite Stück in Lento in Due
Movimenti sind ganz unterschiedlich."11
Nachdem Lento in Due Movimenti uraufgeführt wurde, schrieb ein grosser japanischer
Musikkritiker in der Zeitung: „Lento in Due Movimenti war unter aller Kritik".12 Toru
war durch diese niederschmetternde Kritik sehr entmutigt. Als er danach ins Kino ging
weinte er verzweifelt in einer Ecke. Durch Lento in Due Movimenti lernte er aber viele
künstlerische Kollegen (Jyoji Yuasa, Kuniharu Akiyama u.s.w.) kennen, die die
japanische Kunst nach dem Krieg in die Welt trugen.
In späteren Jahren gingen die Noten von Lento in Due Movimenti verloren und es gab
keine Möglichkeit dieses Stück aufzuführen. Aber seine Skizze des Stückes blieb
erhalten und so rekomponierte er dieses Stück aufgrund dieser Skizze und es wurde als
Litany in memory of Michel Vyner13 in 1990 in London aufgeführt.
5.2.Jikken
Kōbō
(experimental
workshop)
und
Distance de fee für Geige und Klavier
Jikken Kōbō war eine Gesellschaft der Künstler; nicht nur für Musiker, sondern auch
für Architekten, Maler, Poeten usw. Jikken Kōbō wurde 1951 gegründet und war bis
1957 aktiv. Die Tätigkeit der Gesellschaft war sehr avantgardistisch. Die ersten
Vorstellungen
10 →Complete-Takemitsu-Edition, Band 2, S.22 und 23
11 →Ebenso, S.23
12→Ebenso, S.24
13→Michel Vyner (1943-1989) war ein britischer Musiker, künstlerischer Leiter der London Sinfonietta.
6
von Musique Concrète, elektronischer Musik und Uraufführungen der Werke von
Messiaen, Schönberg und anderen zeitgenössischer Komponisten in Japan wurden von
Jikken Kōbō organisiert.
Toru wurde 1951 Mitglied von Jikken Kōbō. Er traf dessen Leiter, Shuso Takiguchi, der
ein japanischer Lyriker, Literaturkritiker und Maler war. Shuso gilt als wichtigster
Vertreter des Surrealismus in Japan und hat Toru sehr beeinflusst. Aufgrund Shusos
Gedicht Distance de fee komponierte Toru ein Stück für Geige und Klavier. Dieses
Stück wurde 1951 in Tokio uraufgeführt.
Über das Gedicht sagte er: „Ich fühlte die Durchsichtigkeit von seinem Gedicht
Distance de fee. Dieses Gefühl war sehr nah an meiner Musik. Ich mag dieses Gedicht
sehr."14
In diesem Stück kann man auch die Einflüsse von Debussy und Messiaen erkennen. Die
Eigentümlichkeit des Stückes ist die schwebende Melodie der Geige und die strahlend
schönen Akkorde des Klavieres.
5.3.Treffen mit Igor Stravinsky und Requiem pour
orchestre à cordes
1957 wurde er vom Tokyo Symphony Orchestra für eine Komposition beauftragt. Er
komponierte ein Stück für Streicher, das Requiem pour orchestre à cordes. Das Stück
wurde im Juni 1957 in Tokio uraufgeführt (Leitung von Jin Ueda). Dieses Requiem
gehört mittlerweile zum Standardrepertoire für Streichorchester.
Als er diesen Auftrag bekam, hatte er Tuberkulose. Er war jeden Tag ans Bett gefesselt.
Da er nicht genug Körperkraft hatte, konnte er nur ein oder zwei Takte pro Tag
komponieren. Er stand sozusagen mit einem Bein im Grab und komponierte daher das
Requiem für sich selbst, obwohl er erst 27 Jahre alt war.
14→http://d.hatena.ne.jp/LukasHochfeld/20110624/1308864642
7
Dieses Stück besteht aus drei Teilen wie folgt.
1.Teil - Lent Takt 1-36
2.Teil - Modéré Takt 37-60
3.Teil - Lent Takt 61-Ende
Der ausdrucksvolle 1. und 3. Teil sind gegenüber dem 2. Teil aggressiver und drohender.
Die Lautstärke des Stückes ist zum grössten Teil sehr zurückhaltend, die Streicher
spielen bei ff Stellen sehr oft mit Sordino. Daher ist auch der Höhepunkt des Stückes
sehr beherrscht. Obwohl die oberflächliche Dynamik leise ist, hat es grosse innere,
musikalische Energie.
Das Thema des Stückes wird am Anfang des 1.Teils gezeigt. Es ist sehr ruhig und wird
mit innerem Ausdruck gespielt, wie der Monolog von ihm. Der Charakter des Themas
ist die Unklarheit des Schlages. Er sagte: „Der Begriff des Schlages in diesem Stück ist
ganz anders als bei westeuropäischer Musik." 15
Wenn man dieses Stück zum ersten Mal anhört, kann man folgende Dinge nicht deutlich
verstehen.
1.Welchen Takt hat die Musik?
2.Wo kommt der Schlag?
3.Wo ist die Kadenza?
Als er dieses Stück komponierte, interessierte er sich nicht besonders für japanische,
traditionelle Musik. Aber kann man die Einflüsse dieser Musik in diesem Stück fühlen?
Dass die oben genannten drei Punkte nicht klar definiert sind, ist nicht nur eine
Eigentümlichkeit der japanisch traditionellen Musik, sondern auch dieses Stückes.
Als dieses Stück in Japan uraufgeführt wurde, war die Kritik nicht gut. Damals war
zeitgenössische Musik in Japan noch nicht sehr populär und es gab wenig Möglichkei15→Complete-Takemitsu-Edition, Band 1,S.20
8
-ten moderne Stücke aufzuführen. Das Gefühl dieses Stückes war zu neu für das
Publikum, daher hatte es kein Verständnis dafür.
Zwei Jahre nach der Uraufführung dieses Stückes (1959) kam Igor Stravinsky nach
Japan. Er dirigierte seine Stücke mit dem NHK Symphonie Orchester Tokyo. Es war ein
sehr grosser historischer Moment in der musikalischen Welt Japans.
Während seines Besuches hörte er Aufnahmen von Stücken japanischer Komponisten,
natürlich auch das Requiem pour orchestre à cordes. Als er dieses Requiem hörte, war
er sehr begeistert.
Danach ergab es sich, dass Toru Stravinsky traf. Dieser sagt über ihn: „Ich war sehr
überrascht, dass dieser kleine Mann diese kräftige Musik komponierte. Die Musik ist
sehr intensiv."16 Stravinsky konnte verstehen, dass die Energie des Stückes in der Stille
liegt. Deswegen nannte er dieses Requiem "kräftige Musik". Toru freute sich sehr und
meinte auch: „Ich war sehr überrascht, dass dieser kleine Mann Le sacre du printemps
komponierte." 17 (Stravinsky war auch ein kleiner Mann)
Auch Aram Chatschaturjan schätzte dieses Requiem sehr und sagte: „Die Musik dieses
Requiems gleicht dem Wasserfluss am Boden eines tiefen Sees."18
Weil Toru gute Kritik von zwei der berühmtesten internationalen Komponisten
bekommen hatte, wurde sein Ruf als Komponist in Japan besser. Ausserdem stellte
Stravinsky Toru der Welt vor. Er bekam nun die Gelegenheit auf eine internationale
Karriere.
5.4.Eclipse, November Steps und Komposition für
japanische Instrumente und Orchester
Der GMD der New Yorker Philharmoniker, Leonard Bernstein, hörte über Toru von
Stravinsky und beauftragte ihn 1967, ein Stück für das 125. Jubiläum seines Orchesters
zu komponieren.
16&17→Complete-Takemitsu-Edition, Band 1, Anhang
18→Ebenso, S.23
9
Bevor Toru das Stück für die New Yorker Philharmoniker komponierte, vollendete er
19
1966 ein Stück für zwei japanische traditionelle Instrumente, Biwa und Shakuhachi.
Der Titel des Stückes lautet Eclipse. Im Laufe der Vorbereitungen zu dieser
Komposition dieses Stückes erfuhr er direkt von den Spielern mehr über die Spielweise
und den Klang der beiden Instrumente.
Eclipse wurde 1966 in Tokyo von Kinshi Tsuruta (Biwa) und Katsuya Yokoyama
(Shakuhachi) uraufgeführt. Zu dieser Uraufführung kam auch Seiji Ozawa, der zu dieser
Zeit als Assistenzdirigent unter Leonard Bernstein bei den New Yorker Philharmonikern
arbeitete, und er war begeistert. Danach kehrte Ozawa mit der Aufnahme dieses Stückes
nach New York zurück und spielte sie Bernstein vor, dem sie auch sehr gefiel.
Deswegen bat ihn Bernstein, zuerst ein Concerto für Biwa und Shakuhachi zu
komponieren. Toru freute sich über diesen Auftrag, denn er interessierte sich sehr für die
Kombination der Instrumente.
Als er seine Arbeit anfing, hatte er Schwierigkeiten diese instrumentale Kombination zu
komponieren, da die Klangfarbe der japanischen Instrumente und die der
westeuropäischen, sowie die japanische und die westeuropäische Musik ganz anders
sind. Die Mischung war sehr schwer und er sagte: „Ich dachte daran, diese Komposition
aufzugeben."20 Nachher änderte er seine Meinung. "Ich mische die beiden typischen
Instrumente nicht, sondern stelle beide einander gegenüber."21
Als Titel des Concertos für die zwei japanischen traditionellen Instrumente wählte er
November Steps. Die Wahl des Titels hat zwei Gründe: der Monat der Uraufführung
dieses Stückes war der November und dieses Stückes hat 11 Teile.
Als er November Steps zu komponieren begann, studierte er zwei Partituren von
Debussy, die Prélude à "L'après-midi d'un faune" und Jeux, poème dansé. Er
respektierte und bewunderte Debussy und seine Musik, deren Klang ihm sehr gefiel und
deren spezieller Klangstruktur er sich immer bewusst war.
19→Die Biwa ist ein klassisches japanisches Musikinstrument, eine vier- oder fünfsaitige, birnenförmige
Kurzhalslaute, die mit einem großen Plektrum (bati) angeschlagen wird.
20&21→Toru Takemitsu: For calls, Coming, far!, S.18
10
Der Sitzplan der Musiker dieses Stückes wurde von ihm bestimmt. An den beiden
Seiten der Bühne wurden Streicher, Harfe und Schlagzeuge gegenübergesetzt. Die
hintere Seite wurde mit Holz- und Blasinstrumenten besetzt. In der Mitte war der
Dirigent. Shakuhachi- und Biwaspieler saßen hinter dem Dirigenten.
Dieses Stück hat eine sehr lange Kadenza für Shakuhachi und Biwa. Weil er zu dieser
Zeit von der damaligen amerikanischen, experimentellen Musik, der Aleatorik,
beeinflusst war, komponierte er die Kadenza mit graphischer Notation. In der Kadenza
probierte er zwei Dinge zu verbinden, die japanischen traditionellen Instrumente und die
Aleatorik. Deswegen ist für die zwei Spieler die Spielweise der Kadenza sehr frei.
Obwohl die Notation für Shakuhachi und Biwa vorgegeben wird, erfolgt die
Überlieferung der Spielweise für diese zwei Instrumente in November Steps mündlich,
weil die Ausbildung in japanischer traditioneller Kunst ebenfalls auf mündlicher
Überlieferung basiert.
Die Aufführung des Concerto mit den beiden japanischen traditionellen Instrumenten
war die erste Erfahrung dieser Art für die Musiker der New Yorker Philharmoniker. Sie
kannten natürlich den Klang der zwei japanischen Instrumente nicht. Daher wollten
manche Musiker des Orchesters dieses Stück zuerst nicht akzeptieren. Seiji Ozawa, der
als Dirigent November Steps uraufführte, sagte: „In der ersten Probe, als die Musiker
des Orchesters den Klang der zwei japanischen Instrumente hörten, fingen sie zu lachen
an. Ihr Benehmen, das mich und die japanische traditionelle Kunst zum Narren hielt,
war mir sehr zuwider. Ich warf ihnen böse Blicke zu."22 Nachdem Seiji mit dem
Orchester viele Proben absolviert hatte, verstand auch das Orchester dieses Stück.
Am 9. November 1967 wurde November Steps von den New Yorker Philharmonikern
mit Seiji Ozawa als Dirigenten, Kinshi Tsuruta (Biwa) und Katsuya Yokoyama
(Shakuhachi) im Lincoln Center in New York uraufgeführt.
Danach führten die Spieler der japanischen Instrumente und Seiji Ozawa dieses Stück
auf der ganzen Welt über 100mal auf. Deswegen wurde November Steps ein
Konzert-Standardstück.
22→Complete-Takemitsu-Edition, Band 1, S.206
11
Die Uraufführung brachte viel Erfolg und wurde von drei berühmten Komponisten,
Leonard Bernstein, Krzysztof Penderecki und Aaron Copland, sehr gelobt.
6. Als Komponist für Filmmusik
Einerseits komponierte Toru viele schöne klassische Stücke, andererseits komponierte
er Filmmusik für ungefähr 200 Filme. Er arbeitete mit vielen berühmten
Filmregisseuren, wie Akira Kurosawa, Kon Ichikawa, Philip Kaufman und Donald
Richie.
Er bekam auch viele Auszeichnungen als Komponist für Filmmusik.
Er liebte es, Filme zu sehen. Als er jung war, sah er über 200 Filme pro Jahr. Er sagte:
„Normalerweise komponiere ich allein zu Hause. Wenn ich Filmmusik komponiere,
kann ich mit Personen aus verschiedenen Bereichen arbeiten, nicht nur mit Musikern,
sondern auch mit Filmregisseuren, Schauerspielern, Dramatikern, Dichtern usw. Ich
kann hinausgehen und mit ihnen alles besprechen. Sie geben mir viele Ideen und
beeinflussen mich."23
Bevor er ein neues klassisches Stück probierte, machte er den Test dafür in seiner
Filmmusik. Bevor er Eclipse und November Steps komponierte, benutzte er Shakuhachi
und Biwa für die Filmmusik für Seppuku (1962) und The Assassin (1964). Auch das
präparierte Klavier verwendete er zuerst in seiner Filmmusik für Kwaidan (1965). Er
sagte "Filmmusik zu komponieren ist für mich wie ein Experiment." 24
Der berühmte amerikanische Komponist John Williams wurde von ihm beeinflusst und
benutzte Shakuhachi in seiner Filmmusik für Jurassic Park.
In der Filmmusik experimentierte er auch mit Musik anderer Bereiche wie mit Jazz,
hawaiianischer Musik, japanischen populärem Gesang und Chanson und liess sie in
seine Musik einfließen.
23→Complete-Takemitsu-Edition, Band 3, Anhang
24→http://ja.wikipedia.org/wiki/%E6%AD%A6%E6%BA%80%E5%BE%B9
12
Weil er den Film sehr mochte und bessere Filmmusik komponieren wollte, führte er
viele Diskussionen mit Filmregisseuren und hielt auch dabei mit seiner Meinung nicht
zurück. Deswegen hatte er sehr oft Streit mit Filmregisseuren.
1985 arbeitete Kurosawa an dem Film Ran und beauftragte Toru, die Filmmusik zu
komponieren. Für diesen Film schrieb Kurosawa auch das Drehbuch. Ran war
Kurosawas letztes großes Epos. Mit einem Budget von 12 Millionen Dollar war er der
bis dahin teuerste japanische Film.
Ran (= ‚Aufruhr‘, ‚Krieg‘) ist ein japanischer Jidai-geki (Historienfilm). Die Geschichte
basiert auf der Legende von Daimyō (Fürst) Mori Motonari und verwendet Elemente
von Shakespeares King Lear. Es war die zweite große Shakespeare-Adaptation von
Kurosawa.
Als Kurosawa an die Konzeption des Filmes dachte, hörte er immer wieder Musik, um
Ideen zu bekommen. Bevor er Ran produzierte, hörte er die 1. Symphonie und Das Lied
von der Erde von G. Mahler. Deswegen sagte er zu Toru: „Bitte komponieren Sie Musik
wie Mahler für Ran." Toru war bezüglich dieser Forderung sehr ratlos und sagte:
„Meine Musik und Mahlers Musik sind ganz unterschiedlich."25
Toru stritt mit Kurosawa und bat sogar einmal, aussteigen zu dürfen. Die beiden hatten
ganz unterschiedliche Meinungen über die Filmmusik für Ran und ihr Streit dauerte bis
zur Vollendung des Filmes. Schliesslich komponierte Toru die Filmusik für Ran und
benutzte, weil er Musik wie die von Mahler komponieren musste, zum ersten Mal
Pauke in seiner Komposition, (Normalerweise benutzte Toru in seinen Kompositionen
die Pauke nicht.) Danach arbeitete er nie wieder mit Kurosawa.
Er wurde aber auch von vielen Filmregisseuren gemocht. Er wusste sehr gut über Filme
Bescheid, daher konnte er gut Filmmusik komponieren.
7. Seine guten musikalischen Kollegen
Glücklicherweise hatte Toru gute musikalische Kollegen, wie Seiji Ozawa, Sir Simon
Rattle, Peter Serkin, Hiroyuki Iwaki, Richard Stolzman und Oliver Knussen usw. Sie
mochten Toru und seine Musik sehr. Deswegen beauftragten sie ihn mit vielen Stücken
25→http://ja.wikipedia.org/wiki/%E6%AD%A6%E6%BA%80%E5%BE%B9
13
die sie dann auch uraufführten. Seiji sagte: „Er konnte die starken Seiten der Musiker
sehr gut erkennen. Deswegen mochten sie ihn und seine Stücke."26 Im Gegenzug dazu
sagte Toru: „Wenn ich komponiere, erinnere ich mich an meine guten musikalischen
Kollegen. Sie können meine Musik besser verstehen als ich."27
8. Sein Plan der Komposition für die Oper, sein Tod
und seine Leistung
In seinen späteren Jahren hatte er den Plan, eine Oper zu komponieren. Der Titel dieser
Oper war La Madrugata. Das Libretto dieser Oper wurde von Barry Gifford verfasst. Er
wollte diese Oper nicht normal komponieren, sie sollte Neues enthalten.
Sollte er diese Oper komponieren, würde sie in der Opéra de Lyon (Leitung: Kento
Nagano) uraufgeführt werden. Leider konnte er die Komposition dieser Oper nicht
realisieren, weil er an Krebs erkrankte.
1996 wurde er zum künstlerischen Direktor des neuen Konzertsaals in der Tokyo Opera
City, die im August 1996 eröffnet wurde, bestimmt. Am 20. Februar 1996 starb er in
Tokio im Alter von 65 Jahren.
Deswegen nannte man diesen Konzertsaal "Takemitsu Memorial". Ausserdem findet in
diesem Konzertsaal jedes Jahr ein internationaler Kompositionswettbewerb für junge
Komponisten, der "Toru Takemitsu Komposition Preis", statt.
Seine grosse Leistung war, das Gefühl der japanischen Musik und der japanischen
traditionellen Instrumente in westeuropäische Musik einfliessen zu lassen.
Viele Komponisten wurden von ihm geprägt, besonders asiatische Komponisten (Tan
Dun28, Toshio Hosokawa u.s.w.).
26→Complete-Takemitsu-Edition, Band 1, S.211
27→Toru Takemitsu: Toki no Entei, S.113
28→Tan Dun (18. August 1957) ist ein in New York lebender chinesischer Komponist und Dirigent.
14
Literaturverzeichnis
Bücher
1. Toru Takemitsu: Toki no Entei, Shincho-sha-Verlag, Tokyo 2000
2. Toru Takemitsu: For calls, Coming, far!, Shincho-sha-Verlag, Tokyo
1992
3. Toru Takemitsu: Können wir hören?, Nippon-Tosho-Center-Verlag,
Tokyo 2000
4. Complete-Takemitsu-Edition, Band 1-3, Schogakukan-Verlag, Tokyo
2002
Internet
1. http://ja.wikipedia.org/wiki/%E6%AD%A6%E6%BA%80%E5%BE%
B9 (23 April, 2013)
2. http://en.wikipedia.org/wiki/Toru_Takemitsu
(23 April 2013)
3. http://fr.wikipedia.org/wiki/Parlez-moi_d%27amour_(chanson,_1930)
(24 April 2013)
4. http://ja.wikipedia.org/wiki/%E5%BC%A6%E6%A5%BD%E3%81%
AE%E3%81%9F%E3%82%81%E3%81%AE%E3%83%AC%E3%82
%AF%E3%82%A4%E3%82%A8%E3%83%A0 (22 April 2013)
5. http://ja.wikipedia.org/wiki/%E4%B9%B1_(%E6%98%A0%E7%94%
BB) (22 April 2013)
6. http://ja.wikipedia.org/wiki/%E4%B9%B1_(%E6%98%A0%E7%94%
BB) (24 April 2013)
7. http://de.wikipedia.org/wiki/Ran_(Film) (25 April 2013)
8. http://ja.wikipedia.org/wiki/%E9%BB%92%E6%BE%A4%E6%98%8
E (25 April 2013)
9. https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Vyner (31.Mai 2013)
10.http://d.hatena.ne.jp/LukasHochfeld/20110624/1308864642 (26.April
2013)
15
11.http://de.wikipedia.org/wiki/Tan_Dun (31.Mai 2013)
16
Herunterladen