Realisierungswettbewerb Umbau des Reichstagsgebäudes zum Deutschen Bundestag Dokumentation des Architekturwettbewerbs 130 129 128 130 Überarbeitung Überarbeitung Das Preisgericht des Realisierungswettbewerbes Umbau Reichstagsgebäude zum Deutschen Bundestag beschloß die Gleichrangigkeit der ersten drei Arbeiten. Das Preisgericht empfahl dem Auslober einstimmig, die Verfasser der in der 1. Preisgruppe ausgezeichneten Entwürfe mit der Überarbeitung zu beauftragen. Den Preisträgern wurden Vorgaben für die Überarbeitung gegeben, wonach der Umbau des Reichstagsgebäudes mit geringer Eingriffstiefe erfolgen soll. Die Ergebnisse dieser Überarbeitungen sind auf den folgenden Seiten abgebildet. Die drei Arbeiten sind auf jeweils vier Seiten dargestellt. Am 29. 01.1993 beschloß das Preisgericht des Realisierungswettbewerbes Umbau Reichstagsgebäude zum Deutschen Bundestag die Gleichrangigkeit der ersten drei Arbeiten. Das Preisgericht empfahl dem Auslober einstimmig, die Verfasser der in der ersten Preisgruppe ausgezeichneten Entwürfe mit der Überarbeitung zu beauftragen. Den Preisträgern wurden Vorgaben für die Überarbeitung gegeben, wonach der Umbau des Reichstagsgebäudes mit geringer Eingriffstiefe erfolgen soll. Vorgegeben wurde ein Raumprogramm, das für die Durchführung von Plenarsitzungen unerläßlich ist, mit einer Hauptnutzfläche von 9.198 m². Für noch verfügbare Flächen im Reichstagsgebäude wurden weitere Funktionsbereiche benannt, die jedoch nicht zwingend nachgewiesen werden müssen. Diese Vorgaben einschließlich Raumprogramm sind auf den Seiten 126/127 wiedergegeben. Die Überarbeitungen wurden am 11. 06. 1993 überreicht. Die Vorprüfung der drei überarbeiteten Entwürfe wurde vom 12. bis 16 . 06. 1993 durchgeführt. Die Vorprüfung erfolgte analog dem Realisierungswettbewerb anhand der vorliegenden Unterlagen. Der Vorprüfung standen im wesentlichen die Grundrisse und Schnitte zur Verfügung. Die geforderten quantitativen Programmnachweise (Raumprogramm) wurden geprüft. Die Prüfung der qualitativen Daten erfolgte auf der Grundlage der in der Ausschreibung genannten Beurteilungskriterien. 130 132 131 132 Vorgaben für die Überarbeitung Der Umbau des Reichstagsgebäudes soll mit geringer Eingriffstiefe erfolgen. Die Außenwände und die unmittelbar dahinterliegenden Bau- und Raumstrukturen des Bauwerks von Wallot sollen soweit wie möglich erhalten bleiben. Der Erschließung des Gebäudes ist besondere Beachtung zu schenken. Die Vorgaben des Wettbewerbsprogramms zum Denkmalschutz und zum Technikkonzept haben weiterhin Gültigkeit. Es soll ein bürgerfreundliches Parlamentsgebäude entstehen. Das dem Realisierungswettbewerb zugrunde gelegte Raumprogramm soll zugunsten eines höheren Flächenanteils für Besucher, Presse und Medien in Gestalt von Wandelgängen und Begegnungsbereichen auf die Programmteile reduziert werden, die für eine unmittelbar parlamentsbezogene Arbeit erforderlich sind. Rückzugsbereiche sowie Besprechungs- und Aufenthaltszonen für Abgeordnete sind in ausreichendem Maße um den Plenarsaal anzuordnen. Der neue Plenarsaal soll innerhalb der Umfassungswände des jetzigen Plenarsaals angeordnet werden. Zugangsebene und Wandelhallen sollen nicht im Sockelgeschoß liegen. Innerhalb der konstruktiven Festpunkte ist für diesen Bereich eine Neukonzeption vom Keller bis zum Dach zur funktionalen Verbesserung für den Plenarsaal selbst und zur Verbesserung der Erschließung für Abgeordnete und Besucher zu entwickeln. Im Hinblick auf den gewünschten Zugang für die Abgeordneten zum Plenarsaal über die Westhalle ist der Sitzungsvorstand auf die Ostseite zu verlegen. Die Sitzanordnung ist noch nicht festgelegt. Vorschläge hierzu werden begrüßt. Überarbeitung Bei der Abstimmung von Raumform, Bestuhlung und Lage des Rednerpultes – und später auch bei der Gestaltung der Wand-, Boden- und Deckenoberflächen – müssen die Zusammenhänge und Erfordernisse von Bau-, Raum- und Elektroakustik frühzeitig beachtet werden. Sollten bei Zugrundelegung des angegebenen Raumprogramms noch verfügbare Flächen im Reichstagsgebäude vorhanden sein, so ist in der Priorität der Reihenfolge zu prüfen, ob die Bausteine Präsidialbereich und Leitungsbereich Verwaltung = Baustein 2 + 10 2.171 m² und/oder Parlamentsdienste mit Stenographen = Baustein 11 2.497 m² l Die derzeitigen Fraktionssäle für die großen Fraktionen im Reichstagsgebäude sollen in ihrer Größe nicht verändert werden. Die Fraktionssäle sollen geschlossen in der im Raumprogramm vorgesehenen Größe in dem östlich anschließenden Dorotheen-Block untergebracht werden. l zusätzlich eingeplant werden können. Bausteine des im Wettbewerb zugrunde gelegten Raumprogramms, die aufgrund des begrenzten Raumangebotes nicht im Reichstagsgebäude untergebracht werden sollen oder können, sind in Gebäuden (einschließlich Reichstagspräsidentenpalais) unmittelbar östlich des Reichstagsgebäudes vorzusehen. Zur Beurteilung der städtebaulichen Einbindung wird hierzu lediglich eine Darstellung von Baukörpern (Baumassenstudie) erwartet. Der witterungsgeschützten Anbindung dieses Bereiches an das Reichstagsgebäude ist jedoch besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Raumprogramm Für die Überarbeitung der Wettbewerbsergebnisse ist das nachfolgende Raumprogramm, das für die Durchführung von Plenarsitzungen unerläßlich ist, zugrunde zu legen. l l l l l l l Bausteine*) 1 Plenarbereich Sitzungs-, Protokoll und Repräsentationsräume/ Sitzungssäle Presse/Medien Parlamentstechnische und andere Dienste Besucherdienst Restaurant Verfügungsräume für Bundesregierung und Bundesrat Flächen in m² ca. 3.500 8 9 1.350 186 12 13 14 ca. 1.500 ca. 1.000 ca. 1.500 15 162 Summe *) Die Bausteine und deren Bezifferung beziehen sich auf den Auslobungstext (siehe auch Seite 38-39) des Wettbewerbs, wobei der Überarbeitung ein reduziertes Raumprogramm zugrunde gelegt wurde. 9.198... Sollte sich bei der Überarbeitung der Wettbewerbsergebnisse ergeben, daß weitere repräsentative Nutzflächen planerisch noch zur Verfügung stehen, ist das Raumprogramm um einen oder zwei Sitzungssäle (je 350 bis 400 m²) für öffentliche Ausschußsitzungen/Anhörungen zuzüglich entsprechender Foyers zu erweitern. Ergebnis der Überarbeitungsphase Konzept- und Baukommission des Ältestenrates haben sich in ihrer Sitzung am 21. 06. 1993 mit den Ergebnissen der Überarbeitungsphase befaßt und folgende Empfehlung beschlossen: Konzept- und Baukommission empfehlen den Fraktionen und dem Ältestenrat, den Architekten Sir Norman Foster & Partners auf der Grundlage seines überarbeiteten Wettbewerbsvorschlages mit weiteren planerischen Leistungen (Vorentwurf mit Kostenschätzung) zu beauftragen. Der Ältestenrat hat sich am 01. 07. 1993 für den Entwurf von Sir Norman Foster & Partners ausgesprochen. Sir Norman Foster & Partners, London/Großbritannien Haustechnik und Energiekonzept: Kaiser Bautechnik Statik und Bauablauf: Ove Arup und Partners Akustik: Arup Acoustics Kostenberatung: Davis Langdon und Everest Modell von Westen Auszug aus dem Erläuterungsbericht Seit dem ersten Wettbewerb hat sich vieles verändert. Diese Veränderungen kommen in dem neuen Ausschreibungstext zum Ausdruck. Wir sind nicht der Ansicht, daß es angemessen wäre, unseren ursprünglichen Entwurf einfach abzuändern. Es ist vielmehr notwendig, noch einmal von vorne anzufangen – bei neuen Ausgangspunkten. Die Punkte, von denen wir ausgehen, sind die internen Arbeitsabläufe im deutschen Parlament und die historische Struktur des Reichstages. Wir haben diese Punkte in vertiefter Weise untersucht und dabei für beide ein besseres Gespür und ein genaueres Verständnis gewonnen. Auch die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Zusammenhänge hat sich verändert. Unser neuer Entwurf ist freilich erst möglich geworden durch unsere früheren Arbeiten für die erste Stufe des Wettbewerbs. Die Themen von Energie und Ökologie wurden ebenfalls weiterentwickelt. 132 134 133 134 Der Dialog zwischen der Bauherrenseite und den Architekten ist eine wesentliche Bedingung dafür, den bestmöglichen Reichstag zu bekommen. In diesem Bewußtsein gelangten wir zu der Überzeugung, daß es nützlicher ist, vier Variationen über ein Thema zu zeigen, als eine singuläre Lösung vorzuführen. Mit diesem Ansatz wollen wir eine konstruktive Diskussion auslösen, die neue Wege aufweist. Wir sind der Meinung, daß speziell eine der Lösungen . sinnvollste ist, nämlich die Lösung, die gleichzeitig die weder die billigste noch die teuerste ist. Es ist bei alledem wichtig zu sehen, daß jede Option für sich alleine innerhalb ihres eigenen Bezugsrahmens, hervorragende Architektur innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne ermöglicht. Das Kernstück des Entwurfes siedelt jedermann auf einem einzigen demokratischen Niveau an - auf dem historischen ersten Stockwerk. Die parlamentarische Arbeit dabei als offen und zugänglich verstanden. Licht, freie Sicht und frische Luft haben einen hohen, besonders zu würdigenden Wert - ihm wird in unseren Entwürfen neue Bedeutung Überarbeitung Sir Norman Foster & Partners Historisch gesehen war das dritte Stockwerk sehr wichtig mit seinen großzügigen Räumen, die durch Tageslicht von oben beleuchtet waren - in krassem Gegensatz zu den gegenwärtigen eingeengten Räumlichkeiten, die vor über dreißig Jahren hineingezwängt wurden. Unserer Überzeugung nach gibt es starke Gründe dafür, dieser historischen Ebene mit ihren großzügigenRäumen in einer heute sinnvollen Form ihren alten Stellenwert zurückzugeben. Die Dachebenen können außerdem teilweise als öffentlich zugängliche, teilweise für die Parlamentarier reservierte Terrassen genutzt werden, von denen aus sich Berlin im Panorama darbietet. Modellausschnitte mit Dachoption 1, Dachoption 2 verliehen.Die historische Struktur wird respektiert. Die Innenhöfe werden wieder hergestellt. Die Eingangsräume werden geöffnet. Daruch wird die vertikale und horizontale Bewegungsfreiheit zum ersten Mal seit dem letzten Jahrhundert frei von Hindernissen, der Zugang wird direkt und wo nötig auch sicher. Die alten, verbrauchten und „gefräßigen“ Systeme werden durch saubere, kleinere und leistungsfähigere ersetzt. Im Kernentwurf werden die Räume oberhalb dieses wichtigen Niveaus im wesentlichen so belassen, wie sie jetzt sind. In weiteren Schritten untersuchen wir Variationen des Plenarsaalbereiches. Auch hier beginnen wir mit einem Kernentwurf, der sich innerhalb der existierenden Struktur entfaltet. Wir bemühen uns dann darum, wie man das überalterte Dach durch mehr Glas ersetzen kann. Schließlich zeigen wir eine Version, in der das alte durch ein völlig neues und angemessenes Dach ersetzt wird, zu entsprechenden Kosten natürlich. Plenarsall Innenhof Lageplan 1. Obergeschoß mit Plenarsaal Wir empfehlen damit keineswegs, das Niveau dieses Daches künstlich über dasjenige des jetzigen Gebäudes anzuheben - weder in Form einer neuen Kuppel noch in Gestalt eines Schirms ähnlich unserem ursprünglichen Entwurfes. Mit dieser Empfehlung sind keine technischen Probleme verbunden, aber zusätzliche Kosten; wir bieten sie der Vollständigkeit halber an. Auf der philosophischen, kritischen Ebene stellen wir jedoch die Notwensigkeit in Frage, aus rein symbolischen Gründen höher zu bauen als nötig und sogar noch mehr Geld in dieser Richtung auszugeben. 136 135 134 136 Die von uns empfohlene Lösung basiert auf unseren detaillierten Untersuchungen und bringt die Vorgaben des Ausschusses wieder genau an dem Ort zur Geltung, wo sie hingehören, im Reichstag selbst. Wir erweitern die der Öffentlichkeit dienenden Einrichtungen; dazu gehören ein Museum der deutschen Geschichte, die Aussichtsterrassen auf dem Dach und ein Café. Innerhalb der Bandbreite an möglichen neuen Räumen, die nach unserem Entwurf im Reichstag gewonnen werden können, sind ohne Zweifel weitere Alternativen auf der Basis der vier vorgeführten Optionen denkbar. Wir freuen uns darauf, das große und spannende Potential dieser Alternativen bei der Präsentation, im Zuge der zweiten Stufe des Entwurfsprozesses, eingehend zu erläutern. Überarbeitung Sir Norman Foster & Partners Sir Norman Foster Lebenslauf 1935 in Manchester geboren; 1961 Diploma of Architecture und Certificate of Town Planning; zweijähriges Stipendium an der Yale University in New Haven, Connecticut, USA; Master of Architecture 1962; Gründung der Projektgruppe„Team 4“ mit späterer Frau Wendy, Su und Richard Rogers 1963; seit 1967 Foster Associates zusammen mit acht Teilhabern. Associate of the Royal Academy London, Honorary Fellow of the American Institute of Architects, Royal Designer for Industry, Mitglied der Académie Royale de Belgique. Lageplan Zahlreiche Auszeichnungen. Projekte (Auswahl): Seebahnhof der Fred Olsen Linie London, 1971; Hauptverwaltung von Willis Faber & Dumas in Ipswich, 1975; Sainsbury Centre for Visual Arts in Norwich, 1978; Hongkong & Shanghai Bank in Hongkong, 1986; Dritter Londoner Flughafen in Stansted, 1990; 1. Obergeschoß mit Plenarsaal Schnitt Nord-Süd Modell von Westen Pi de Bruijn, de Architekten Cie, Amsterdam/Niederlande Mitarbeiter: Don Murphy, Jan Richard Kikkert Auszüge aus dem Erläuterungsbericht Um das Reichstagsgebäude im Rahmen dieser neuen Aufgabe wesentlich zu revitalisieren, stehen für uns in architektonischer Hinsicht drei Themen im Mittelpunkt: Der Zugang zum Gebäude von außen für Abgeordnete und Besucher einladend zu gestalten. Das Innere des Gebäudes zu einer räumlich transparenten und übersichtlichen Einheit zu transformieren mit interessanten Verbindungen und Überschneidungen zwischen den Bereichen der Abgeordneten und Besucher. Dem neuen Plenarsaal eine so starke Formidentität zu geben, daß er zum Symbol der Erneuerung der deutschen Demokratie werden kann. l l l Diese drei Themen bilden unserer Meinung nach das Minimalprogramm, damit der Reichstagsumbau erfolgreich wird. Dieser Überarbeitungsentwurf ist denn auch die grundlegende Variante unseres ersten Wettbewerbsentwurfs. Kellergeschoß mit östlich anschließendem Reichstagspräsidentenpalais und Dorotheenblock Eckstein am Stadtrand, Pavillon im Park In der städtebaulichen Ausarbeitung wird die Situierung des Reichstagsgebäudes auf der Grenze zwischen Stadt und Park so stark wie möglich ausgenutzt. Die vier Fassadenflächen erhalten sehr unterschiedliche Grundflächengestaltungen, so daß ganz verschiedene Eingangsmöglichkeiten entstehen. An der Südseite ist vom Tiergarten aus ein Besuchereingang von städtebaulicher Bedeutung situiert. Die Nähe zum Brandenburger Tor macht diesen Eingang noch plausibeler, wenn man an die zu erwartenden großen besucherzahlen denkt, die diese beiden bekanntesten Gebäude von Berlin zusammen anziehen. Das große Tiergartenpodium muß als Pendant zur westlichen Vorfahrt aufgefaßt werden. Die Funktion des Podiums ist es, einen Vorhof zum eigentlichen Gebäude zu bilden. Ein großzügiges Gebiet, das als Platz eingerichtet werden kann und am Tag wie auch am Abend eine hohe Aufenthaltsqualität hat, was noch durch die Orientierung nach Süden verstärkt wird. Die Form als breite Eingangsböschung zum ersten Geschoß macht dieses architektonische Element zu einer Metapher der Gastfreiheit, die zum Volumen des Gebäudes und zur Stadt paßt. Der Dorotheenblock ist Teil des alten Stadtgebiets. Der östliche Reichstagseingang erhält dadurch den am meisten städtischen Charakter. Um eine visuell störende Brücken- oder Vordachkonstruktion zu vermeiden, wurde die verlangte Verbindung in das Kellergeschoß des Reichstagsgebäudes verlegt. Das Flußufer, par excellence 136 138 137 138 Überarbeitung Pi de Bruijn, de Architekten Cie Modell von Westen mit Blick in den PlenarsaalModell von Westen Erdgeschoß ein traditioneller Bereich für Spaziergänge der Stadtbewohner, erhält mit der großzügigen Spree-Terrasse mit Café und Restauranteinrichtungen eine willkommene, neue Verbindung zum Reichstagsgebäude. Auch an der Nordfassade wird das Kellergeschoß für den Zutritt von Licht und Luft frei gemacht. Die Räume im Erdgeschoß erhalten dadurch eine größere Privatsphäre gegen den Einfluß von außen. Der Bestimmungsverkehr kann weiterhin vorfahren. Die Westseite ist qua Oberfläche die einzige Seite, für die keine Veränderung vorgeschlagen wird. Die Vorfahrt bleibt erhalten, wenn auch die Zufahrtswege sehr viel schmäler sein und mehr Grünanalgen angelegt werden könnten. Die südliche Eingangshalle wird unter dem großen Podium die Funktion als Autovorfahrt behalten. Auch hier sind wir dafür, ausschließlich Bestimmungsverkehr über die Scheidemannstraße zuzulassen. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der Plan auf drei Manieren neue Verbindungen mit der Umgebung realisiert: Für die Besucher als Tiergartenpodium mit der Möglichkeit einer vielfarbigen, städtischen Nutzung. Für die Abgeordneten die Verbindung mit dem Dorotheenblock, leicht und luftig mit aussicht auf Bäume und die Spree. Für die Berliner die Spreeufer-Terrasse, ein Ruhepunkt beim Spaziergang zu einem gastfreien Reichstags gebäude. l l l Klarheit durch Raum und Licht Die heutige Kellerebene wird im Plan weitgehend offen gestaltet, und zwar im Grundriß wie auch in der Höhe. Da ein großer Teil des Erdgeschosses wegfällt, kann dieser Raum mit einer Höhe von 9 m ein hochwertiges Ambiente erhalten. Beabsichtigt wird der Charakter eines „Councourse“, eines mehr oder weniger öffentlichen Bereichs mit einer Reihe interessanter Nutzungen. In diesem Fall handelt es sich um das Café und Restaraunt an der Nordseite und die Ausstellung „Fragen an die Deutsche Geschichte“ an der Südseite. Hier befindet sich auch ein Teil des besucherempfangszentrums mit Vortragssälen. Das mittlere Gebiet dieses „Concourse“ wird von den runden Formen des Plenarsaals überwölbt und zum „Salle des pas perdus“ bestimmt, nämlich für den informellen Kontakt zwischen Wählern und Gewählten. Die Transparenz des Gebäudes wird noch auf eine andere Weise vergrößert, nämlich durch die Einbeziehung der Lichthöfe in den oben genannten allgemeinen Verbindungsraum. Der Plenarsaal Grundidee ist, den neuen Plenarsaal in der eckigen Architektur des Reichstagsgebäudes als ablesbare Entität sichtbar zu machen. Die gewölbten runden Formen des Grundrisses und des Querschnittes können auch dann noch überzeugend im Innenbereich wie auch im Außenbereich des Saals sichtbar gemacht werden, wenn die Betonschächte von Baumgarten beibehalten werden. Diese Formeigenschaften sind wichtig, weil sie ungefähr die einzigen Mittel sind, um dem Plenarsaal eine erkennbare Identität im Reichstagsgebäude zu geben. Die taktile Qualität dieser gewölbten Oberflächen kann durch adäquate Materialien noch verstärkt werden und damit der Einzigartigkeit dieses besonderen Saals eine zusätzliche Bedeutung als das neue, klopfende Herz des alten Reichstagsgebäudes geben. Modell von Südwesten Modell von Nordwesten 140 139 138 140 1. Obergeschoß mit Plenarsaal Obwohl der Saal den ausgesprochen intimen Charakter unserem ersten Wettbewerbsentwurfes behalten hat, gibt es doch wichtige Unterschiede. Zuerst wurden die Fensteröffnungenin den Seitenwänden im vollen Umfang für den Tageslichteintritt und den Kontakt mit der Außenwelt genutzt. Die Tribüne für die Öffentlichkeit, die Presse und die Diplomaten wird auf einen einzigen Balkon auf der Präsidialebene des Gebäudes beschränkt. Die Fensteröffnungen im Saal bleiben auf diese Weise über die volle Höhe frei. Die Sitz- und Schreibtischaufstellung kann befriedigend eingepaßt werden, ebenso wie die Einrichtungen für das Präsidium, die Regierung und den Ältestenrat. Vier Eingänge führen über Seitenwege entlang den Atria bis zur Saalmitte. Ab dieser Mitte steigen die rückwärtigen Reihen stufenweise an, während die vorderen Reihen nach unten verlaufen. Eine großzügige Anzahl von Plätzen ist für Behinderte leicht erreichbar. Der mittlere Teil des Balkons ist für die Besucher bestimmt, im Anschluß daran befinden sich links und rechts Abteilungen für Diplomaten und die Presse. Die runde Saalform wird an der oberen Seite durch eine schüsselförnige akustische Decke aus hochwertigem, absorbieremdem Material begrenzt. Der Rand dieser Decke aus einem speziell entworfenen, durchbrochenen Filigranmuster ist lichtdurchlässig. Damit kann in diesem Vorschlag die gesamte technische Dachkonstruktion des großen Saals erhalten bleiben, einschließlich der Glasstreifen des Oberlichtes, die auch in diesem Entwurf die Tageslichtfunktion behalten. Im Kunstlichtplan für den Saal werden diese Deke und die Atria eine wichtige Rolle spielen müssen. Für die Verarbeitung der Inneneinrichtung wird an natürliche Materialien gedacht. Überarbeitung Pi de Bruijn, de Architekten Cie Pi de Bruijn Lebenslauf „De Architekten Cie“ setzt sich aus vier Architekten zusammen: Pi de Bruijn, Frits van Dongen, Jan Dirk Peeraboom Voller und Carel Weeber. In dieser Kombination besteht das Büro seit 1987. Das Büro kann auf eine 30-jährige Erfahrung zurückblicken. Die gute Zusammenarbeit in einem gut ausgerüsteten Architeketenbüro dient neben der Architektur auch dem Umgang mit den Auftraggebern und darüber hinaus der Realisierung von Bauvorhaben. „De Architekten Cie“ betrachten Entwurfsaufgaben nicht nur als ästhetische Problemstellungen, sondern nähern sich der Zusammensetzung von Wünschen und Vorgaben mit einer analytischen und rationellen Herangehensweise. Schnitt West-Ost Schnitt Süd-Nord Projekte (Auswahl): Modehaus Amsterdam; Gesundheitszentrum Noordhove, Zoetermeer; Yachthafen Ijsselmonde, Rotterdam; Metro-Station Spijkenisse; Niederländischer Pavillon Weltausstellung Osaka; Neues Parlamentsgebäude Den Haag; Office Centre Kantoor Amsterdam; ,Olympiapark‘, Alpen; Peperklip 549 Apartements, Rotterdam; Pullman Hotel, Den Haag; Universität von Amsterdam, Amsterdam; Schule En Wijkebowlaanweg, Amsterdam Rathaus Amersfoort Modell von Westen Santiago Calatrava und Frau Robertina, Zürich/Schweiz; Mitarbeiter: Prof. Dr. Klaus Daniels Prof. Dr. Stefan Polonyi Prof. Dr. Ludwig Deiters Dipl. Ing. Gert-Uwe Liebelt Volker Ruhl Martin Bechtold Auszüge aus dem Erläuterungsbericht Die besonderheit dieses Wettbewerks liegt in der Auseinandersetzung mit dem bestehenden Reichstagsgebäude, insbesondere in der Frage, wie sich die Forderung nach einem modernen, transparenten, parlamentarischen Arbeitsbereich mit den Gegebenheiten des historischen Gebäudes vereinbaren läßt. Unsere Haltung gegenüber dem Reichstagsgebäude während der zwei Bearbeitungsphasen war unverändert gekennzeichnet durch: den Respekt gegenüber dem historischen Bau und der Geschichte des Ortes den Wunsch nach Wiederherstellung der architektonischen und historischen Bedeutung des Gebäudes die Weiterentwicklung der vorhandenen Strukturen zu einem zeitgenössischem und repräsentativen Gebäude l l l Die respektvolle Haltung des Entwurfes gegenüber dem Altbau läßt sich an den nachfolgenden Punkten ablesen. 142 141 140 142 Überarbeitung Santiago Calatrava Modell von Norden Alt- und Neubau Der Reichstag erhält seine historische bestimmung zurück. Ausdruck findet dies in der Neuinterpretation des historischen Zentralbaues durch eine zeitgenössische Kuppelkonstruktion. Diese gibt dem Gebäude sein Wesen zurück. sie signalisiert, daß das Innere wieder mit Leben erfüllt ist. Der Plenarsaal liegt im Zentrum, eingefaßt von den der Öffentlichkeit zugänglichen Flächen. Anregungen der Bau- und Konzeptkommission Die Anregungen der Bau- und Konzeptkommissionen wurden in die vorliegende Überarbeitung des Reichstagsentwurfs mit aufgenommen. der Plenarsaal wurde oberhalb des Sockelgeschosses angeordnet durch räumliche Überlagerung der für Parlamentarier und Besucher vorgesehenen Bereiche werden weitere Begegnungsstätten geschaffen durch Vereinfachungen und Reduzierungen kann eine noch ökonomischere Lösung vorgeschlagen werden l l l Das wilhelminische Gebäude wird durch die neue Architektur nicht negiert, nicht verfremdet und nicht in Frage gestellt. Es entsteht kein totes Architekturexponat. Die Kompositionsregeln des klassischen Baues werden auf die neuen Bauteile übertragen. die Symmetrie die vertikale klassische Dreiteilung der Fassafe die Fassadenteilung die Lage, Form und Geometrie des zentralen Baukörpers der Kuppel die Proportionalität zu seiner Umgebung. Der Reichstag bleibt ein Solitär, Proportionalität zum Brandenburger Tor und Prasidentenpalais bleibt gewahrt. l l l l l An den grundsätzlichen Entwurfsgedanken und Leitmotiven wird festgehalten der Plenarsaal bleibt weiterhin im Zentrum des Gebäudes Neuinterpretation eines solitären Zentralbaues symbolisiert durch eine moderne Kuppel der Dorotheenblock wird funktional mit einbezogen. l l l Der Reichstag behält seine Identität. Es entsteht ein Dialog zwischen Alt und Neu. Durch Öffnung und Neuordnung des Inneren erfährt er eine substantielle Aufwertung. 1. Obergeschoß mit Plenarsaal Modellausschnitt Plenarsaalebene Die großzügige Parlamentsebene bleibt überwiegend den Politikern und Diplomaten vorbehalten. Mit der Öffentlichkeit ist sie über das Peristyl und den Lichthöfen verbunden. Bei besonderen Anlässen gestattet ein großes Tor direkten Zugang von Peristyl in den Plenarsaal. Die Wandelhallen, zehn Meter hohe Räume, schließen sich direkt an den Plenarsaal an. Sechs moderne Sitzungssäle von insgesamt 1000 qm Fläche stehen zur Verfügung. Dorotheenblock Der Dorotheenblock wurde konzeptionell in seiner bereits vorgeschlagenen Form belassen. Die 5-geschossige Anlage orientiert sich an der Trauhöhe der Umgebungsbebauung. Mit einer Bruttogeschoßfläche von ca. 35.000 qm können die Flächen der Parlamentsdienste, Stenographen, Ausschußbereiche, Verfügungsräume der Fraktionen, alternativ die Fraktionssitzungssäle und die Geschäftsführungsbereiche der Fraktionen mit einem Raumbedarf von cirka 21.000 qm leicht untergebracht werden. Nach wie vor stellt eine großzügige Halle die Verbindung zwischen Reichstagsgebäude und Dorotheenblock her. Von dieser gelangt man auf direktem Wege auf die Glasgalerie. Die Galerie hat Zugang zu den begrünten Innenhöfen und dient den ihr angeschlossenen (alternativ abgebotenen) Fraktionssitzungssälen als offener, großzügiger Lobbybereich. Die Vorführungsbereiche können ebenfalls der Glasgalerie problemlos zugeordnet werden. Sicherheitsdienste, Post, Küche, Polizei, Sanitätsbereiche, Archive etc. werden über eine Zufahrt von der Otto-Grotewohl-Straße aus einfach und schnell erschlossen. Zugehörige Dienste sind indirekt am Plenarsaal oder in unmittelbarer Nähe in einem Zwischengeschoß (-2.80m) untergebracht. Alle Büros sowie alle Sitzungssäle verfügen über Tageslicht. 144 143 142 144 Lageplan Lebenslauf 28. 07.1951 Santiago Calatrava wurde in Benimamet Valencia (Spanien) geboren 1956-1961 Primarschule in Valencia 1959-1960 Besuch von Abendkursen der Kunstgewerbeschule in Burgasot, Spanien 1961-1968 Gymnasium in Valencia 1968-1969 Kunstschule in Valencia 1969-1973 Architekturstudium mit Diplom an der „Escuela Technica Superior de Arquitectura de Valencia“ 1973 Nachdiplomstudium in Urbanistik in Valencia 1975-1979 Bauingenieurstudium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH), Zürich 1979-1981 Doktorat der Technischen Wissenschaften an der Architekturabteilung der ETH mit dem Thema „Zur Faltbarkeit von Fachwerken“ Assistent am Institut für Baustatik und Konstruktion sowie am Institut für Flugzeugstatik und Leichtbau der ETH Zürich Überarbeitung Santiago Calatrava 1981 Architektur- und Bauingenieurbüro in Zürich 1987 BSA-Mitglied (Bund Schweizer Architekten) Preis „Auguste Perret UIA“ Mitglied der „International Academy of Architecture“ 1988 Kunstpreis der Stadt Barcelona für die Bach-de-Roda-Brücke in Barcelona (Preis der Pressevereiningung) IVHB-Preis (Internationale Vereinigung für Brückenbau und Hochbau) FAD-Preis (Fomenta de las Artes y el Disenol, Spanien, Auszeichnung für „Kritik, Raum, Architektur“ Fritz-Schumacher-Preis, Deutschland, für „Städtebau, Architektur, Ingenieurwesen“ Faziur Rahman Khan International 1989 Ehrenmitglied BDA (Bund Deutscher Architekten) Eröffnung eines Büros in Paris 1990 „Medaile d’Argent de la Recherche et de la Technique“ (Fondation Académie d’Architecture1970, Paris 1991 Europäischer Holzleimbau-Preis, München „Auszeichnung für gute Bauten“ der Stadt Zürich für den Bahnhof Stadelhofen 1992 Mitglied der „Real Academia de Bellas Artes de San Carlos“, Valencia Perspektive von Südwesten