Porositätsbestimmung aus Bohrlochmessungen – Beispiele für die Anwendung von Standardverfahren in ozeanischer und kontinentaler Kruste D. Frese1 , A. Bartetzko und J. Wohlenberg, Lehr- und Forschungsgebiet für Angewandte Geophysik, RWTH Aachen, Lochnerstr. 4-20, 52056 Aachen .1aktuelle Adresse: Baker Atlas, P.O. Box 8786, Abu Dhabi, United Arab Emirates. Geophysikalische Bohrlochmessungen erfassen eine Vielzahl physikalischer und chemischer Parameter, die quasi-kontinuierlich und unter in-situ Bedingungen ermittelt werden. Ein wichtiger Parameter ist die Porosität, deren Kenntnis für viele Fragestellungen entscheidend ist. Die exakte Bestimmung der in-situ Porosität aus geophysikalischen Messungen ist nicht direkt möglich. Sie muß aus anderen Parametern abgeleitet werden. Im Laufe der Zeit wurden hierfür eine Vielzahl von Verfahren entwickelt. In dieser Studie werden einige dieser Standardverfahren zur Porositätsberechnung auf mehrere Bohrungen in unterschiedliche Lithologien angewendet. Es wird geprüft, welchen Einfluß die Lithologie und Struktur auf die Nutzbarkeit der einzelnen Verfahren haben. Ziel ist nicht die exakte Modellierung der Porosität, sondern ein Test der Anwendbarkeit dieser Methoden für einen Überblick. Zu bedenken ist, daß die zugrundeliegenden Bohrlochmeßverfahren je nach Meßmethode auf unterschiedliche Eigenschaften sensibilisiert und unterschiedlichen Störeffekten unterworfen sind. Bestimmung der Porosität Zur Porositätsbestimmung im Bohrloch kann die Messung der Neutronenporosität herangezogen werden. Der Neutronenporositätsindex, kurz als Neutronenporosität bezeichnet, charakterisiert die Reaktion einer Formation auf eine Bestrahlung mit Neutronen. Die Logantwort ist eine Funktion des Gesamtwasserstoffgehaltes einer Formation. Dieser steht unter idealen Bedingungen in direktem Zusammenhang mit der Porosität. Die Messung reagiert nicht nur auf im Porenraum und in Klüften vorhandenen Wasserstoff, sondern z. B. auch auf das Vorhandensein von Tonmineralen, die Wasser an- und einlagern. Zudem können die Meßwerte durch das Vorhandensein starker Neutronenabsorber beeinträchtigt werden. Die Neutronenporosität ist somit in vielen Fällen als scheinbare Porosität zu betrachten. Die Dichtemessung erfaßt sowohl die Gesteinsmatrix als auch den Porenraum mit seinen Füllungen. Daher kann bei bekannter Matrixdichte und Porenfüllung aus den Dichtedaten die Porosität ermittelt werden: φ = (ρmatrix - ρLog)/( ρmatrix - ρfluid ), mit φ= Porosität, ρLog = Gesamtdichte (Logantwort), ρmatrix= Matrixdichte und ρfluid = Fluiddichte. Der Porositätsbestimmung aus dem spezifischen elektrischen Formationswiderstand liegt ein empirischer Zusammenhang zugrunde, der erstmals von Archie (1942) anhand von Labordaten ermittelt wurde: φ = m RLog a mit φ = Porosität, RLog = Formationswiderstand / R fluid 30 (Logantwort), Rfluid = Fluidwiderstand, m = Zementationsfaktor, a = Koeffizient. Standardmäßig werden die Werte a = 2 und m = 1 eingesetzt. Ebenso ist das time-average Verhältnis (Wyllie et al., 1962) ein empirischer Zusammenhang, der Kompressionswellengeschwindigkeit und Porosität in Beziehung setzt. t SonicLog − t matrix 1 1 1 1 φ=( − )/( − )= mit φ = Porosität, v SonicLog = gemesv SonicLog v matrix v fluid v matrix t fluid − t matrix sene Geschwindigkeit der P-Welle (Logantwort), v matrix = Geschwindigkeit der P-Welle in der Matrix, v fluid = Geschwindigkeit der P-Welle im Fluid, t SonicLog = gemessene Laufzeit der PWelle (Logantwort), t matrix = Laufzeit der P-Welle in der Matrix und t fluid = Laufzeit der PWelle im Fluid. Beispielhaft werden hier Porositätsberechnungen für vier verschiedene Bohrungen in unterschiedliche geologischen Umgebungen diskutiert. Es handelt sich um die ODP (Ocean Drilling Program) Bohrung 866A (zentraler Pazifik), die Flachwasserkarbonate durchteuft. Weiterhin um die ODP Bohrung 642E (Nordatlantik), in der subaerische basaltische Lavaströme angetroffen werden und die ODP Bohrung 395A (Mittelatlantik), die submarin ausgeflossene Pillowbasalte durchörtert. Die kontinentale Bohrung GPK1 (Soultz-sous-Forêts, Nordelsaß) wurde in Granite abgeteuft. Für alle Bohrungen erfolgte die Porositätsberechnung mit den genannten Standardverfahren. Abbildung 1 zeigt die berechneten Porositäten im Vergleich zur Neutronenporosität. Ergebnisse und Interpretation In den Flachwasserkarbonaten der Bohrung 866A liefern alle Verfahren sinnvolle Ergebnisse. Dies zeigt sich in den Crossplots in Abb. 1 in der sehr guten Übereinstimmung der Neutronenporosität mit der aus Dichte- und Widerstandsmessungen berechneten Porosität. Einzige Ausnahme stellt die aus der P-Wellengeschwindigkeit berechnete Porosität dar, die aufgrund von Qualitätsproblemen mit dem Sonic-Log Abweichungen zeigt. In der Bohrung 642E sind insgesamt sehr gute Korrelationen zwischen den verschiedenen Verfahren zu beobachten. Es tritt aber ein systematischer Versatz der Neutronenporosität zu höheren Werten auf. Dies ist zum einen auf die Anwesenheit von Neutronenabsorbern im Basalt zurückzuführen (Lysne, 1989), zum anderen auf die Anwesenheit großer Mengen von Hydroxylgruppen-führenden Alterationsmineralen (Broglia & Ellis, 1990) in diesen Gesteinen. Die verschiedenen Verfahren zeigen in den submarinen Pillowbasalten der Bohrung 395A zwar Korrelationen, liefern aber je nach Auflösungsvermögen des verwendeten Tools unterschiedliche Wertebereiche. Auch hier beeinflußt die Anwesenheit von Neutronenabsorbern und vor allem ein hoher Anteil an Alterationsmineralen die Neutronenporosität. Die Ergebnisse sind eher qualitativ verwendbar. In den kontinentalen Graniten der Bohrung GPK1 liefern zwar alle Verfahren ähnliche Werte und zeigen auch gute Korrelationen miteinander, die Ergebnisse sind aber auch hier eher qualitative Indikationen für Kluftzonen. Folgende Einschränkungen werden für die diskutierten Bohrungen sichtbar: Die Neutronenporosität wurde an Kalksteinen kalibriert. Dies erklärt die gute Übereinstimmung aller Verfahren in den Flachwasserkarbonaten der Bohrung 866A. In magmatischen Gesteinen können durch den wesentlich höheren Neutroneneinfangsquerschnitt (Lysne, 1989) sowie 31 durch Hydroxylgruppen-führende Alterationsminerale erhebliche Abweichungen entstehen. Eine Porositätsberechnung aus der Dichte und der Schallwellengeschwindigkeit kann nur bei einheitlichem Bohrlochkaliber und relativ konstanten Matrixparametern durchgeführt werden. Je geringer die Porosität eines Gesteins, desto wichtiger ist der Einsatz korrekter Matrixparameter. Die Berechnung der Porosität aus dem spezifischen elektrischen Widerstand erweist sich als ein gut geeignetes Verfahren. Der Einfluß von Tonmineralen ist bei niedrigen Temperaturen nicht hinderlich. Die Verwendung der Standardparameter a=1 und m=2 gibt einen ersten Eindruck. Die Anwendbarkeit der Verfahren ist auch von der Größe und der Struktur des Porenraums abhängig. Grundsätzlich sind die Verfahren um so erfolgreicher, je größer der Anteil des Porenraums ist, und je homogener dieser aufgebaut ist. Da alle Verfahren für Sedimentgesteine entwickelt wurden, ist ein Porenraum der vor allem durch intergranulare Porosität aufgebaut wird, der günstigste Fall. Hier können alle Verfahren problemlos angewendet werden. Dies gilt für die Bohrung 866A. Strukturelle Ähnlichkeiten mit Sedimentgesteinen liegen im Aufbau des Porenraums der subaerischen Basalte (Bohrung 642E) vor, hier wird Porenraum vor allem durch verbundene Vesikel gebildet. Auch in diesem Gestein kann die Porositätsberechnung aus Dichte- Widerstands- und Laufzeitdaten angewendet werden. Junge ozeanische Kruste, wie sie in den Bohrungen 395A durchteuft wird, ist für die Porositätsbestimmung aufgrund ihrer Inhomogenität der schwierigste Fall. Eine geringe Matrixporosität ist verbunden mit einer größeren Interpillowporosität und einer sehr großen Kluftporosität. Die Verfahren sind geeignet, eine qualitative Beurteilung vorzunehmen. Kristalline Gesteine, wie die Granite der Bohrung GPK-1 besitzen eine sehr geringe Matrixporosität. Diese steht im Kontrast zu großen Porositäten aufgrund von Kluft- und Störungszonen. Im ungestörten Gestein ist eine Porositätsabschätzung aus den verschiedenen Verfahren schwierig, da die Unterschiede zwischen den einzelnen Verfahren teilweise in der Größenordnung der Gesamtporosität liegen. Zudem ist bei geringen Porositäten der Einfluß von Matrixdichte und -geschwindigkeit sehr groß. Insgesamt bieten die Standardverfahren zur Porositätsberechnung auch in kristallinen Gesteinen eine gute Möglichkeit, Aussagen über Größe und Struktur des Porenraums sowie das Vorhandensein von Kluftzonen zu treffen. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn alle Verfahren vergleichend angewendet werden. Eine kritische Betrachtung der Ergebnisse vor dem geologischen Hintergrund ist unerläßlich, um die Verwendbarkeit der Verfahren sowie die Güte der Berechnung beurteilen zu können. Literaturverzeichnis Archie, G.E. (1942). The electrical resistivity log as an aid in determining some reservoir characteristics. Pet. Tech.,5, pp. 18. Broglia, C. & Ellis, D. (1990). Effect of alteration, formation absorption, and stand-off on the response of the thermal neutron porosity log in gabbros and basalts: examples from Deep Sea Drilling Project-Ocean Drilling Program Sites. J. Geophys. Res., 95, pp. 9171-9188. Lysne, P. (1989). Investigation of neutron-porosity log uncertainties: Ocean Drilling Program Hole 642E. In: Eldholm, O., Thiede, J., Taylor, E., et al. Proc. ODP. Sci. Res. College Station, TX (Ocean Drilling Program), 104, pp. 973-977. Wyllie, M.R.J., Gregory, A.R. & Gardner, G.H.F. (1956). Elastic wave velocities in heterogeneous and porous media. Geophysics, 21, pp. 41-70. 32 Abb. 1: Vergleich von Porositäten, die für verschiedene Umgebungen mit unterschiedlichen Methoden aus Bohrlochmessungen ermittelt wurden. In Flachwasserkarbonaten liegen gute Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen berechneten Porositäten vor, da die Randbedingungen für die Anwendung der Verfahren eingehalten werden. Im Kristallingestein herrschen abweichende Bedingungen vor und die mit verschiedenen Verfahren ermittelten Porositäten zeigen Abweichungen voneinander. 33