3.2 Islamismus – Salafistische Bestrebungen

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Beitrag aus: „Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2012“
3.2
Islamismus – Salafistische Bestrebungen
Ideologie
Der Salafismus ist eine Strömung innerhalb des islamischen Extremismus. Er hat sich in den
letzten Jahren weltweit spürbar zu einer religiösen Bewegung mit politischem Anspruch
entwickelt. Davon zeugen nicht zuletzt die Machtambitionen verschiedener Gruppen in
Tunesien und Ägypten. Auch in Deutschland sind verschiedene salafistische Vereine und
Personenzusammenschlüsse mit steigender Tendenz in der Öffentlichkeit präsent. Der
Verfassungsschutz in der Bundesrepublik beobachtet von einzelnen Moscheen, Vereinen und
Personenzusammenschlüssen ausgehende salafistische Bestrebungen, weil sie Elemente
der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik ablehnen. Auch
begünstigen sie die Radikalisierung von Personen sowie das Begehen von
Gewalthandlungen vor allem im Rahmen des Jihad.
Beim Salafismus handelt es sich um eine islamisch-extremistische Strömung, die sich am
Koran, am Leben des Propheten Muhammad (Sunna), seiner Gefährten und deren
Nachfolger ausrichtet. Aus diesen Quellen werden die zentralen salafistischen
Glaubensinhalte abgeleitet. In den Predigten salafistischer Imame und Multiplikatoren wird –
ebenso wie in salafistischen Publikationen – jegliche historische Kontextualisierung oder
kritische Auseinandersetzung mit den zitierten Rechtsquellen und islamrechtlichen
Bestimmungen vermieden.
Der Kern salafistischer Ideologie besteht in der Auffassung der Einheit und Einzigartigkeit
Gottes sowie in der Überzeugung, dass Gott der einzige legitime Souverän und Gesetzgeber
ist. Für Salafisten bildet nicht die Selbstbestimmung des Volkes die Grundlage staatlicher
Herrschaftsordnung, sondern ausschließlich der Wille Gottes. Die Ergebnisse demokratischer
Prozesse werden als illegitim angesehen, da sie als Verletzung der Souveränität Gottes
begriffen werden. Salafisten sind bestrebt, in Anlehnung an die islamische Frühzeit eine
vermeintlich ideale islamische Gesellschaft, eine Theokratie, zu schaffen, in der Staat und
Religion eine Einheit bilden. Sämtliche religiöse Neuerungen oder gar eine Fortentwicklung
der Religion im Sinne einer Anpassung an bestehende Verhältnisse werden kategorisch
abgelehnt.
Salafisten orientieren sich nicht nur inhaltlich an einem fiktiven Urislam, sondern auch an der
Werteordnung jener Zeit. Sie streben eine Rechtsordnung an, die sich an Koran und Sunna
orientiert und beabsichtigen, diese auch anzuwenden. Perspektivisch ist die Einführung einer
solchen Ordnung auch in westlichen Ländern beabsichtigt. Dies wäre dann der Fall, sobald
Muslime in der Gesellschaft in der Überzahl sind. In einer Schrift im Internet heißt es:
„Daher schließt ein wichtiger Teil des Tauhid al-Ibadah die Realisierung der Scharia mit
ein, insbesondere in Ländern, wo Muslime die Mehrheit der Bevölkerung darstellen. Das
göttliche Gesetz muss wieder in den sogenannten muslimischen Ländern eingeführt
werden (…).
Ähnlich ist es in muslimischen Ländern, wo zwar islamisches Gesetz in den Büchern steht,
aber säkulare Gesetze in Kraft sind. Auch diese sind auf die Linie der Scharia
zurückzubringen, welches alle Aspekte des Lebens betrifft.“1
1
„Was jeder Muslim wissen sollte“, S. 18, www.salaf.de.
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Salafisten greifen auf Regeln und Rechtsnormen zurück, die in etwa den gesellschaftlichen
Verhältnissen der Arabischen Halbinsel des 7. Jahrhunderts entsprechen und mit einem
modernen demokratischen Rechtsstaat unvereinbar sind. Insofern liegt auch eine politische
Bestimmtheit vor, die über eine reine Glaubensfreiheit hinausgeht. Erkennbar wird dies in
verschiedenen Meinungsäußerungen und Schriften in salafistischen Foren, in denen
Demokratie und die hiesige Gesellschaft deutlich abgelehnt wird:
„Demokratie ist eine neue falsche Religion des 21. Jahrhunderts
die die Heiligkeit des Allmächtigen Gottes (Allah) bedroht. Sie gesellt Gott andere bei,
indem sie sein ausschließliches Recht der Gesetzgebung den Menschen zuschreibt (…)“.
„Demokratie untergräbt die Ehre der Frau
Demokratie tut wenig, um die Ehre der Frauen in der Gesellschaft zu schützen. (…)
Gleiche Rechte und Pflichten sind hohle Phrasen.“
„Demokratie zerstört Leben
Das Leben in der Demokratie hat eine sehr geringe Wertschätzung (…)“
„Demokratie vermehrt die Armut und Korruption
Demokratie macht keinen Unterschied zwischen erlaubtem und verbotenem Besitz (…).“
„Demokratie verdirbt den Geist
Der Verstand der Menschen, die unter der Demokratie leben, ist moduliert worden.“2
Der Islam nach salafistischer Auslegung wird demgegenüber als allumfassender
Gegenentwurf zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung dargestellt und öffentlich
propagiert. Dies zeigt sich in der Broschüre „Der Schlüssel zum besseren Verständnis des
Islam“. Dort heißt es:
„Der Qur`an ist eine Verfassung, die ein komplettes Programm im politischen,
wirtschaftlichen, sozialen, moralischen und pädagogischen Bereich bietet, welche das
Leben der Muslime und ihre Beziehungen zu anderen Geschöpfen, die in diesem
Universum leben, regelt.“3
„Er [der Koran] enthält alle Gesetze für eine anständige Gesellschaft und sichert alle
Rechte für jeden Menschen“4
„Also diese vollkommenste Religion [Islam] hat eine Ordnung und eine Gesetzgebung in
unterschiedlichen Bereichen, wie Handel, Wirtschaft, Politik, Eheschließung, Gottesdienst
usw. für eine friedliche Gesellschaft gebracht, die wenn sie wirklich in die Tat umgesetzt
wird, der vollkommenste Staat aller Zeiten ist, denn es handelt sich dabei um die
Gesetzgebung Allahs.“ 5
Diese salafistische Broschüre kursiert zum Herunterladen im Internet und wurde
beispielsweise auch zum „Tag der offenen Moschee“ am 3. Oktober 2012 in der Leipziger AlRahman Moschee verteilt. Aussagen wie diese verdeutlichen, dass es Salafisten nicht nur um
die reine Religionsausübung geht. Vielmehr haben sie die islamische Religion als politische
2
3
4
5
http:// ansarulhaqq.wordpress.com/2010/11/24/islam-vs-demokratie, Ausdruck.
Abdul-Rahman AL-SHEHA, Der Schlüssel zum besseren Verständnis des Islam“, S. 1.
Abdul-Rahman AL-SHEHA, Der Schlüssel zum besseren Verständnis des Islam“, S. 14.
Abdul-Rahman AL-SHEHA, Der Schlüssel zum besseren Verständnis des Islam“, S. 43.
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und rechtliche Ordnung konzipiert und wollen diese durchsetzen. Damit würde die Trennung
von Staat und Religion aufgehoben werden. Ein demokratischer Meinungs- und
Willensbildungsprozess ist somit ausgeschlossen, da einzig und allein der Wille Gottes
Gültigkeit besäße.
Salafisten betrachten sich als Kenner und Verfechter der absoluten göttlichen Wahrheit.
Daraus leiten sie eine Deutungshoheit über den Islam ab, die Andersdenkende, selbst
Muslime mit anderen Glaubensüberzeugungen, ausgrenzt, als Ungläubige ablehnt und zu
Feinden erklärt. Damit ebnet der Salafismus der Isolation seiner Anhänger den Weg und
begünstigt die Herausbildung von integrationsfeindlichen Parallelgesellschaften.
Diese Entwicklung beginnt bereits in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, indem
den Eltern empfohlen wird, die Kinder zum Schutz vor der vermeintlich
feindlichen/ungläubigen Mehrheitsgesellschaft frühzeitig eng an die salafistische Moschee zu
binden und andere Kontakte zu meiden.
Seine Breitenwirkung entfaltet der Salafismus durch das Internet; salafistische
Ideologieinhalte werden durch eine Vielzahl von deutschsprachigen Webseiten, Internetforen
sowie durch zahlreiche Kurzvideos, z.B. im Internetportal YouTube, vermittelt. Salafistische
Propaganda geschieht auch über Vorträge von salafistischen Predigern zu Dogma und
salafistischer Religionsauffassung (sog. „Islamseminare“), bundesweit organisierte „IslamInfostände“, die Verteilung von Broschüren und Flugblättern sowie Publikationen und
Übersetzungen salafistischer Grundlagenwerke.
Den „Islamseminaren“ kommt hierbei eine zentrale Rolle zu, da die Äußerungen des
salafistischen Imams maßgeblich zur Meinungsbildung der Zuhörer beitragen. Die
Vortragenden fungieren als wichtige Multiplikatoren des von ihnen erläuterten
Islamverständnisses.
Die Inhalte salafistischer Predigten und Vorträge enthalten neben religiösen Aussagen auch
politische Botschaften, sind also nicht nur als bekenntnisorientierter Islamunterricht, sondern
als politisch motiverte Propaganda und indirekte Aufforderung zum Handeln aufzufassen.
Die salafistische Szene in Deutschland ist durch formelle und informelle Strukturen geprägt.
Zurzeit ist sie überwiegend in lokale Vereine gegliedert; nur teilweise sind salafistische
Personenzusammenschlüsse nicht in juristischen Personen organisiert, sondern allein durch
informelle Lehrer-Schüler-Beziehungen strukturiert. Entsprechendes gilt auch für die
transnationale Vernetzung salafistischer Gruppierungen.
In Deutschland sind zahlreiche salafistische Vereine wechselseitig vernetzt, wobei diese
Verbindungen zum Teil verschleiert werden. Die tiefen ideologischen Gemeinsamkeiten
befördern in bestimmten Bereichen des Salafismus eine weitergehende organisatorische
Verdichtung.
Strategie
Die Verfassungsschutzbehörden unterscheiden zwischen zwei Varianten, dem politischen
Salafismus und dem gewaltorientierten jihadistischen Salafismus. Auch wenn salafistische
Bestrebungen insgesamt verschiedene Schattierungen aufweisen, haben sie letztlich gleiche
Ziele. Sie unterscheiden sich jedoch in der Wahl ihrer Mittel, um diese zu erreichen.
Jihadistische Salafisten zielen mittels Gewaltanwendung darauf ab, eine religiöse
Gesellschafts- und Staatsordnung zu installieren. Dafür begeben sie sich in terroristische
Ausbildungslager z.B. in Afghanistan und Pakistan, sie unterstützen aktiv islamistisch-
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terroristische Aktivitäten oder planen und verüben eigene Anschläge. Im Juni 2012 wurde die
salafistische Vereinigung MILLATU IBRAHIM durch den Bundesinnenminister verboten.
Anhänger dieser Organisation riefen in aggressiv-kämpferischer Grundhaltung Muslime in
Deutschland zum aktiven Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung auf. Der Einsatz von
Gewalt wurde dabei als probates Mittel zur Überwindung der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung in Deutschland erachtet. Nach dem Verbot reisten zahlreiche Anhänger von
MILLATU IBRAHIM nach Ägypten aus. Sie versuchen von dort aus ihren Kampf gegen die
hiesige Gesellschaftsordnung fortzusetzen, indem sie Hasspropaganda über Internet
verbreiten und Glaubensgeschwister zum Verlassen von Deutschland auffordern.
Politische Salafisten sind vorrangig missionarisch in Moscheenvereinen aktiv, sie verteilen
Informationsmaterial und organisieren Veranstaltungen wie Islamseminare und
Vortragsveranstaltungen
in
Moscheevereinen.
Die
deutschlandweite
KoranVerteilungskampagne „LIES“, bei der in Fußgängerzonen größerer Städte – so auch in
Dresden - Koranexemplare in deutscher Sprache kostenlos verteilt wurden, ging auf die
Initiierung durch salafistische Muslime zurück.
Dennoch ist auch bei diesen grundsätzlich friedlich agierenden Gruppen anlassbezogen mit
Gewaltanwendung zu rechnen. So kam es im Mai 2012 in Solingen und Bonn im Rahmen
zweier Kundgebungen rechtsgerichteter Gruppierungen, auf denen Karikaturen des
islamischen Propheten Muhammad gezeigt wurden, zu Gegendemonstrationen salafistischer
Muslime. Aus ganz Deutschland angereiste Salafisten nahmen das Zeigen dieser Karikaturen
zum Anlass für schwere Ausschreitungen und Straßenschlachten mit der Polizei. Dabei
wurden u. a. zwei Polizeibeamte schwer verletzt. Auch Anhänger von MILLATU IBRAHIM waren
unter den Demonstranten. Da der Prophet durch die Karikaturen schwer beleidigt worden sei,
hielten sie die Gewalttaten für legitimiert. Darüber hinaus wurde zu weiterer
Gewaltanwendung aufgerufen. Beispiele wie diese zeigen, dass die Grenzen zwischen
grundsätzlich friedlich agierenden politischen Salafistengruppen und jenen mit
Gewaltbereitschaft fließend sind.
Zur Lage in Sachsen
Dem gesamten Phänomen salafistischer Bestrebungen werden deutschlandweit etwa 4.500
Personen zugeordnet, davon lassen sich ca. 100 Anhänger in Sachsen ausmachen.
Die meisten Salafisten in Sachsen, sind im Umfeld der Al-Rahman-Moschee Leipzig
anzutreffen.
Imam dieser Einrichtung ist Hassan DABBAGH. Sein Wirken ist seit Jahren eingebettet in
missionarisch orientierte Netzwerkaktivitäten von Salafisten in Deutschland. Wie in den
Vorjahren referierte DABBAGH auch im Jahr 2012 bundesweit im Rahmen seiner so
genannten „Mobilen Islamischen Akademie" in einschlägig bekannten Moscheen, so zum
Beispiel in der As-Sahaba-Moschee Berlin, im Islamischen Kulturzentrum Bremen e.V.6 oder
in der El-Salam-Moschee München. Diese Moscheen, die DABBAGH regelmäßig
frequentiert, sind Veranstaltungsorte für Vorträge und Seminare, bei denen salafistischideologische Inhalte propagiert werden.
6
Der Bremer Verein war neben dem in Mönchengladbach ansässigen Verein EINLADUNG ZUM PARADIES E.V. (EZP) 2010 /
2011 Bestandteil vereinsrechtlicher Ermittlungen des Bundesinnenministeriums wegen bundesweiter salafistischer
Netzwerkbestrebungen zur Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung in Deutschland und der Errichtung eines
islamischen Gottesstaates. Durch die Selbstauflösung von EZP im Sommer 2011 ruht das Verfahren.
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Beitrag aus: „Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2012“
Auf in der Regel an Wochenenden stattfindenden Seminaren trifft DABBAGH immer wieder
mit Multiplikatoren der salafistischen Szene in Deutschland zusammen. In der Vergangenheit
trat er dabei u. a. mit den einer breiteren Öffentlichkeit bekannten Protagonisten Pierre
VOGEL und Seyfudin CIFTCI, einstiger Leiter des EINLADUNG ZUM PARADIES e.V. (EZP)7,
gemeinsam auf. In der Leipziger Moschee veranstaltet der Imam ebenfalls regelmäßig
Islamseminare mit zum Teil überregionaler Beteiligung.
Die dem Imam zuzuordnenden Internetseiten sind direkt mit verschiedenen salafistischen
Homepages verlinkt.8 Auf weiteren derartigen Seiten ist Hassan DABBAGH mit anderen
Protagonisten der salafistischen Szene als Ansprechpartner für religiöse Fragen benannt,
was seine Vernetzung innerhalb der salafistischen Szene in Deutschland unterstreicht.9 Seine
zahlreichen Aktivitäten und Aussagen lassen sich im Internet über Soziale Netzwerke sowie
Internetportale bzw. -seiten verfolgen. Die Präsentation und Vermarktung seiner Vorträge und
Veröffentlichungen übernimmt der einschlägig bekannte salafistische AS-SUNNA-VERLAG in
Berlin.
In der Leipziger Innenstadt initiieren der Imam und seine Anhänger wie in den Vorjahren
regelmäßig Informationsstände. In der Vergangenheit wurden dabei Schriften mit zum Teil
verfassungsfeindlichen Inhalten ausgegeben. Einzelne dieser Texte sind auf der
Indizierungsliste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien aufgeführt.10
7
8
9
10
Siehe vorhergehende Fußnote.
Z. B. www.salaf.de, www.fataawa.de.
Z. B. www.muslimtube.de und www.diewahrheitimherzen.net.
Z. B. Abd ar-Rahman ASCH-SCHIHA: „Frauen im Schutz des Islam“ oder Abdul Rahman AL-SHEHA:
„Missverständnisse über Menschenrechte im Islam“.
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