Komplikationen erkennen & behandeln J.A. Steffens, J. Kranz, P. Anheuser Klinik für Urologie und Kinderurologie, St.Antonius-Hospital, Eschweiler Problemstellung „Niemand von uns hat jemals eine Komplikation,mit welch einer Operation auch immer…Und wenn wir dann doch Komplikationen haben, dann treten diese viel seltener auf als bei anderen, und sie sind niemals schwerwiegend…Falls sie doch schwerwiegend sind, sind sie nicht lebensbedrohlich… David Ligtenstein, niederländischer Chirurg Problemstellung …sollten sie doch lebensbedrohlich sein, dann ist uns nie ein Patient gestorben…Wenn dann doch mal ein Patient gestorben ist, dann ist es stets der Fehler eines anderen…“ David Ligtenstein, niederländischer Chirurg Problembewußtsein „Der schlimmste aller Fehler ist, sich keines solchen bewusst zu sein!“ Thomas Carlyle Erfahrungsschatz „Good decisions come from experience, And experience comes from bad decisions.“ Unbekannter Autor Fehlerkultur: Offener Umgang mit der Problematik Wer aus Fehlern nicht lernt, verurteilt sich selbst, diese zu wiederholen. Human factor: der Mensch als unverzichtbarer Unsicherheitsfaktor Verurteilen Sie keinen Kollegen! Fehlervermeidung bedeutet Teamwork, denn Komplikationen sind meist das Ergebnis einer Fehlerkette, selten das Resultat des Fehlverhaltens eines Einzelnen Ziele Sensibilität für das tägliche klinische und operative Geschehen Grenzen eigenen Handelns erkennen Frühes Erkennen von Fehlern und Komplikationen Ergebnisentscheidend und möglicherweise lebensrettend früh eingeleitete, konsequente Gegenmaßnahme Erfolgreiches Komplikationsmanagement Erkennung von Problemen oder gefährlichen Konstellationen (z.B. Harnleiter-/Darmanastomose) Kontrolle über die Situation erlangen Postoperative offene Besprechung der Probleme mit Patient/Angehörigen Komplikationsmanagement Komplikationsdokumentation Kritische Fehleranalyse Erarbeitung und Umsetzung einer Optimierungsstrategie Eliminierung von Schwachstellen, Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen Zukünftige Managementverbesserungen mit zeitnaher Realisierung Chirurgische Risikofaktoren für eine Komplikation Gewebetraumatisierung Gefäß- und Nervenläsionen Dauer des Eingriffes Bluttransfusion Implantation von Fremdkörpern Präoperative Hospitalisation (MRSA) Risikofaktoren Klinik Qualifikation der Mitarbeiter Bauliche Verhältnisse (Klimatechnik, Funktionsräume) Verfügbarkeit von Einrichtungen (z.B. Blutbank, Transportzeiten,Lagerhaltung, Radiologie) Klinikstruktur Informationsfluss Risikofaktor Patient Schlechter EZ Maligne Grunderkrankung Chronische Basiserkrankung Adipositas Drogen-/Alkoholabusus Kortikosteroide Chemo-/Strahlentherapie Immunschwäche Typische Ausbildungseingriffe Zirkumzision Zystostomie Prostatabiopsie Hydrozelenresektion TUR-Blase Ureteroskopie Perkutane Nephrostomie Nephrektomie Komplikationen nach Zirkumzision Nachblutung: 0,08% Lokale Infektion, nekrotisierende Entzündung: 0,06% Iatrogene Verletzung: 0,2% Pippi Salle et al. J Ped Urol (2012) 8:1 Meatusstenose nach neonataler OP: 20% Joudi et al. J Ped Urol (2011) 7: 526 Hämatom nach Zirkumzision Größere Hämatome sollten operativ ausgeräumt werden Ödem nach Zirkumzision Bei guter Durchblutung der Glans penis kann abgewartet werden Wunddehiszenz nach Zirkumzision Bei kleinen Wunddefekten kann abgewartet werden Penisphlegmone nach Zirkumzision Bei guter Durchblutung und fehlendem Abszess primär konservativ 6 Wochen später Denudierter Penis nach Resektion einer Schafthautnekrose Bei reizlosen Wunden Rekonstruktion: Mesh graft oder skrotale Einbettung Skrotale Einbettung des Penis Penis Denudierter Penis, Bildung eines subkutanen Skrotaltunnels Zucchi et al. J Urol (2010) 183: 1060 Skrotal eingebetteter Penis Nach 3 Mon. Deskrotalisierung und Schafthautrekonstruktion Glansamputation nach Klemm-Zirkumzision Pippi Salle et al. J Ped Urol (2012) 8:167 Verletzungsmechanismus der Glansamputation bei Klemm-Technik Pippi Salle et al. J Ped Urol (2012) 8:167 Rekonstruierte Glans nach Amputation Pippi Salle et al. J Ped Urol (2012) 8:167 Komplikationen bei Zystostomie Darmverletzung, Peritonitis: bis 3% Blutung, Blasentamponade: bis 4% Katheterdislokation: bis 8% Urinom: 0,3% Katheterobstruktion: bis 12% Fistelkanalinfektion: bis 5%, Sepsis selten Fehlpunktion der Zystostomie Blase Paravesikales Extravasat, keine Darmverletzung Sectio alta zur sicheren Zystofix-Anlage bei einem Kind nach Hypospadiekorrektur Komplikationen nach transrektaler Prostatabiopsie (12 Stanzen) Blutung aus Stichkanälen: häufig, harmlos Blutung aus Hämorrhoidalvenen: 0,7% Harnwegsinfektion: 3-11% Sepsis: bis 5%, Abszess selten Ciprofloxacin resistente Darmflora! Nam et al. J Urol (2013) 183: 963 Pinkhasov et al. BJUI (2012) 110: 369 Keine Risikoreduktion durch rektale Povidon-Iodin-Säuberung AbuGhosh et al. J Urol (2013) 189: 1326 Komplikationen nach transperinealer Prostatabiopsie (12 Stanzen) Gesamt: 31,5%, Hospitalvorstellung:7% Hämaturie: 8,1% Harnverhalt: 4,1% Harnwegsinfekt: 3%, Epididymitis:0,4% Fieber 0,4%, keine Sepsis Pepe & Aragona Urology (2013) 81: 1142 915 Fälle, Gesamtkomplikationen bei 18 und 24 Stanzen 41,8% vs 57,4% Prostataabszess nach transrektaler Prostatabiopsie TRUS - Befund Prostataabszess nach Biopsie MRT - Befund Prostataabszess-Punktion nach Biopsie TRUS - Befund Senkungsabszess nach Prostatabiopsie MRT – Befund, vor Punktionsdrainage Komplikationen bei Hydrozelen-OP Nachblutung/Hämatom: 2% Infektion: <1% Komplikationen bei TUR-Blase Blutung/Tamponade: 5% Blasenperforation: 3% Extraperitoneal Seitenwand N.ObturatoriusReizung Intraperitoneal Akutes Abdomen! Ostium-/Harnleiterverletzung Knallgasexplosion: 1% Harnwegsinfektion, Epididymitis Blasentamponade nach TUR-B Resektion adhärenter Koagel Extraperitoneale Blasenperforation Spontane Blasenperforation bei Blasenfüllung vor Zystofix-Anlage Intraperitoneale Blasenperforation Perforation der Hinterwand bei TUR-Blase Intraoperative Harnleiterverletzung Bei TUR-B intramuraler Ureter verletzt, keine retrograde Schienung möglich Perkutane transrenale antegrade Harnleiterschienung Komplikationen bei Ureteroskopie Blutung Perforation: 1,7% Geavlete et al. J Urol (2012) 188: 687 Einriss, Abriss Sepsis: 1,1% Geavlete et al. J Urol (2012) 188:687 Harnstauungsniere Stenose: bis 4% Sutherland et al. J Urol (2013) 189: 2136 Harnleiterlithotripsie ohne Draht Ohne Draht bei Perforation keine sichere Schienung mehr möglich! Ureterwandläsion bei Lithotripsie Lithoklast in situ, Wandläsion nach Steinsanierung Transrenale Harnleiterschienung nach URS mit Perforation Nach dreistd.(!) Lihtotripsie mit Perforation keine retrograde Schienung möglich Harnleiterstenose nach ureteroskopischer Perforation Nicht passierbare Stenose nach mehrfacher URS Korrektur: Harnleiterstenosen-Rekonstruktion mit Darmsegment Tubularisiertes Dünndarmsegment zum komplettem Ureterersatz Kocot et al. Urologe (2012) 51: 928 Rekonfigurierte Dünndarmsegmente zum Harnleiterersatz Ghoneim et al. BJUI (2005) 95: 455, Steffens et al. Urologe (2010) 49: 262 Komplikationen bei perkutaner Nephrostomie Fehlpunktion (Niere, Gefäße, Darm, Pleura) Perforation des Nierenhohlsystems Blutung Dislokation Arteriovenöse Fistel, Pseudoaneurysma Komplikationen nach perkutaner Nephrostomie Geringgradige (Clavien 1, Makrohämaturie): 9,9% Schwergradige (Clavien 2-5): 9,6% Bluttransfusion: 1,2%,Hämatomausräumung: 0,6%, Nephrektomie:0,6%, Urosepsis 0,6%, Tod: 0,3% Degirmenci et al. Urology (2013) 81:1161 Retrospektive Studie, 2008: 322 Pat. Hämatom nach Nephrostomie Metastasiertes PCA, sept. Stauungsnieren, Iscover: konservativ Komplikationen bei offener Nephrektomie Verletzung von Nachbarorganen Infektion: <1% Blutung/Hämatom: 2-5% Relaxation (Verletzung der Interkostalnerven) bei Flankenschnitt: bis 50% Hämatom nach Nephrektomie Postop. Hb-Abfall auf 7g% am 5 postop. Tag: operative Ausräumung Relaxation nach lumbaler Nephrektomie Verletzung der Interkostalnerven, DD: Bauchwandhernie Komplikationen nach offener Nierenteilresektion Nachblutung: 2% Hämatom: 1% Infektion: 1% Urinfistel 2% Pseudoaneurysma:1% Jain J Urol (2013)189:1643 Postop. Niereninsuffizienz (imper./elekt. Indik.) Konsekutive Dialyse: bei warmer Ischämiezeit > 25 Min. erhöhtes Risiko Khalifeh et al. J Urol (2013) 189: 1236 Ischämiezeit und Nierenatrophie nach Nierenteilresektion Nierenvolumen-Minderung signifikant erhöht bei einer Ischämiezeit > 40 Min. Nephrometrie-Score korreliert mit GFR Simmons et al. J Urol (2013) 189:1638 (Cleveland) Vergleich zw. offener, laparoskop. und robotischer OP Komplikationen nach laparoskopischer und robotischer Nierenteilresektion Intraoperativ: 2,6% (rob) vs 5,6%, p<0,001 Postoperativ: 24,5% (rob) vs 32% p=0,004 Kein signifikanter Unterschied bezüglich Nierenfunktion R1-Rate: 2,9% (rob) vs 5,6%, p<0,001 Ischämiezeit: 17,9 (rob) vs 25,2 Min. Trifecta = Ischämie< 25 Min, R0, keine Komplikationen: 58,7% (rob) vs 31,6% Retrospektiv 500 Fälle,1 Operateur, Khalifeh J Urol 2013 (Cleveland) Kleiner peripherer Nierentumor Urinom nach Nierenteilresektion Beherrschung durch postop. DJ-Einlage Clavien et al. Ann Surg (2009) 250:187 Franklin P. Jones (1853-1935) „Erfahrung ist die großartige Sache, die es dir ermöglicht, Fehler zu erkennen, wenn du sie gerade zum zweiten Mal machst.“ Fundierte Hilfen für den Alltag Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! J.A. Steffens, J. Kranz, P. Anheuser Klinik für Urologie und Kinderurologie, St.Antonius-Hospital, Eschweiler