522 B 17 Molekulare Onkologie 17 Molekulare Onkologie 17 Molekulare Onkologie 17.1 Einführung 17.1 Einführung Dieses Kapitel beschreibt die molekularen Ereignisse, die zur Entstehung und Ausbreitung eines malignen Tumors führen. E Definition Die Onkologie (¹Geschwulstlehreª) beschäftigt sich mit der Entstehung, Entwicklung und der Therapie vor allem maligner Tumoren. Dieses Kapitel beschreibt in erster Linie die Vorgänge auf molekularer Ebene, die zur Entstehung und Ausbreitung eines malignen Tumors führen. E Definition. Unter Tumor im weiteren Sinne versteht man jede Schwellung. Im engeren Sinn beruht ein Tumor auf einer Wucherung von Zellen, die der normalen Wachstumskontrolle entzogen sind. n n Benigne Tumoren sind von den umliegenden Geweben gut abgegrenzt und bilden keine Absiedlungen. Maligne Tumoren (¹Krebsª) wachsen in das umgebende Gewebe ein (= wachsen infiltrierend) und können Metastasen bilden. Diese Tochtertumoren sind aus einzelnen Zellen des ursprünglichen Tumors entstanden, die sich aus dem Tumorzellverband gelöst und an anderer Stelle im Körper angesiedelt haben. Maligne Tumorzellen (Krebszellen) umgehen die normalen Kontrollmechanismen des Zellwachstums und der Zellvermehrung. Maligne Tumorzellen (Krebszellen) unterscheiden sich in vielen Aspekten von normalen Zellen: Krebszellen n proliferieren unkontrolliert, auch in Abwesenheit von Wachstumsfaktoren, n sind immortalisiert, d. h. sie können eine unbegrenzte Anzahl von Zellteilungen durchführen, n zeigen keine Kontakthemmung durch benachbarte Zellen und sind unempfindlich gegenüber antiproliferativen Signalen, n sind unempfindlich gegenüber Apoptose, n wachsen invasiv, n dedifferenzieren, n exprimieren Faktoren zur Stimulation der Angiogenese im Tumor, n werden beweglich und gelangen über das Blut- und Lymphsystem in andere Organe/Gewebe, um dort Metastasen zu bilden. Wie wichtig die Erforschung der Umgehungsmechanismen ist, zeigt die Tatsache, dass maligne Tumoren in Deutschland die zweithäufigste Todesursache sind. Die Mechanismen, die zu dieser ungehemmten Zellproliferation führen, sind nicht nur von rein wissenschaftlichem Interesse, sondern auch von wirtschaftlicher Bedeutung. Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Deutschland (an erster Stelle stehen die Herz-Kreislauf-Erkrankungen). Jährlich erkranken in Deutschland 350.000 Menschen neu an Krebs und im Jahr 2001 starben rund 210.000 an den Folgen einer Krebserkrankung. Weltweit wurden im Jahr 2000 zehn Millionen neue Fälle von Krebserkrankungen diagnostiziert. In den letzten 20 Jahren gab es groûe Fortschritte im Verständnis der Tumorbiologie. Diese Erkenntnisse werden praktisch umgesetzt, um die Methoden der Krebsdiagnostik und -therapie zu verbessern (S. 532). 17.2 Tumorentstehung (Kanzerogenese) 17.2 Tumorentstehung (Kanzerogenese) Die unkontrollierte Zellproliferation maligner Tumoren beruht auf somatischen Mutationen oder der Infektion mit Tumorviren. Diese Viren induzieren die Expression von Virusproteinen, die die Proliferations-Kontrollmechanismen der Zelle oder die Apoptose stören. Die für maligne Tumoren charakteristische unkontrollierte Zellproliferation beruht auf n Mutationen des Erbgutes somatischer Zellen, d. h. somatischen Mutationen, oder n der Infektion mit Tumorviren. Diese Viren induzieren die Expression von Virusproteinen, die die normalen Wachstums- und Vermehrungs-Kontrollmechanismen der Zelle oder die Apoptose stören. Zu Mutationsursachen s. S. 503. Zu den Ursachen von Mutationen s. S. 503. Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG 523 17.2 Tumorentstehung (Kanzerogenese) B E Definition. Die Umwandlung einer normalen Zelle in eine Tumorzelle bezeichnet man als Transformation. Die Entstehung von Tumorzellen ist ein Prozess, der viele Schritte erfordert und sich deshalb in der Regel über einen langen Zeitraum erstreckt. So entsteht eine Tumorzelle nicht infolge einer somatischen Mutation, sondern als Ergebnis einer Serie von Mutationen unterschiedlicher Gene, die über mehrere Jahre hinweg akkumulieren. Dabei kommt es nicht auf die Reihenfolge der Mutationen an. Durch jede dieser diskreten zellulären Veränderungen kann eine Zelle weitere Wachstumsvorteile gegenüber ihren Nachbarn erlangen. Im Allgemeinen sind 4 ± 7 somatische Mutationen zur Transformation notwendig. Betreffen die Mutationen Zellen, deren Erbgut bereits Veränderungen aufweist (genetische Prädisposition), ist die Zahl der notwendigen Mutationen geringer. Auch vom Zeitpunkt der Infektion mit einem Tumorvirus bis zum Auftreten eines Tumors vergehen viele Jahre. E Merke. Die Kanzerogenese ist ein Vielschrittprozess, der durch F Definition Die Entstehung von Tumorzellen ist ein Mehrschrittprozess. So entsteht eine Tumorzelle als Ergebnis einer Serie von Mutationen unterschiedlicher Gene, die über mehrere Jahre hinweg akkumulieren. Die Reihenfolge der Mutationen ist irrelevant. Auch vom Zeitpunkt der Infektion mit einem Tumorvirus bis zum Auftreten eines Tumors vergehen viele Jahre. F Merke somatische Mutationen, genetische Prädisposition, n Tumorviren verursacht werden kann. n n 17.2.1 Somatische Mutationen als Auslöser der Transformation 17.2.1 Somatische Mutationen als Auslöser der Transformation Solche Mutationen betreffen vor allem Gene, die zuständig sind für die n Regulation des Zellwachstums und der Zellproliferation: Hierzu zählen Gene, die den Zellzyklus regulieren oder die Apoptose auslösen. n DNA-Reparatur: Defekte der DNA-Reparatur können die Häufigkeit somatischer Mutationen drastisch heraufsetzen und dadurch das Krebsrisiko erheblich steigern (S. 509). Solche Mutationen betreffen v.a. Gene, die nötig sind zur n Regulation von Zellwachstum und -proliferation, n DNA-Reparatur (S. 505). Zwei Gen-Gruppen kontrollieren Zellwachstum und Zellproliferation: Protoonkogene und n Tumorsuppressorgene (auch Anti-Onkogene genannt). Zellwachstum und -proliferation werden kontrolliert von n Protoonkogenen, n Tumorsuppressorgenen. n E Definition. n n F Definition Protoonkogene sind Gene, die die Wachstums- und Differenzierungsprozesse der Zelle stimulieren. Tumorsuppressorgene (Anti-Onkogene) sind Gene, die die Wachstums- und Differenzierungsprozesse der Zelle hemmen, deren Inaktivierung also die Entstehung von Tumorzellen fördern kann. Protoonkogene Protoonkogene Die Genprodukte der meisten Protoonkogene sind Bestandteile mitogener (die Zellteilung stimulierender) Signaltransduktionswege (Tab. B-17.1). Ein besonders wichtiger Signaltransduktionsweg ist die Ras-Raf-MAP-Kinase-Signalkaskade (s. Abb. B-17.1 und S. 561). Zu Beginn einer solchen Signalkaskade wird der Wachstumsfaktor (z. B. ein Peptidhormon) an einen Rezeptor gebunden. Das dadurch ausgelöste Signal wird in das Innere der Zelle weitergeleitet, bis schlieûlich im Zellkern Transkriptionsfaktoren an regulatorische Elemente der DNA binden. Hierdurch wird die Transkription von Genen stimuliert, deren Genprodukte für die Zellteilung erforderlich sind. Die Genprodukte von Protoonkogenen vermitteln also die Wirkung von Wachstumsfaktoren auf die Expression spezifischer für die Proliferation notwendiger Gene. Die Genprodukte der meisten Protoonkogene sind Bestandteil mitogener Signaltransduktionswege (Tab. B-17.1). Am Ende solcher Signalkaskaden steht die Stimulation der Transkription von Genen, deren Genprodukte für die Zellteilung erforderlich sind. Eine besonders wichtige solche Signalkaskade ist die Ras-Raf-MAP-Kinase-Kaskade (s. Abb. B-17.1 und S. 561). Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG 524 B 17 Molekulare Onkologie B-17.1 B-17.1 Genprodukte wichtiger Protoonkogene und ihre Funktion Protoonkogen Genprodukt des Protoonkogens Funktion des Genprodukts sis int-2 PDGF-B-Kette FGF-related growth factor Wachstumsfaktor (Ligand) erbB fms flg neu (her2) Rezeptortyrosinkinase met EGF-Rezeptor MCSF-Rezeptor FGF-Rezeptor EGFR-ähnlicher Wachstumsfaktor-Rezeptor NGF-ähnlicher WachstumsfaktorRezeptor HGF-Rezeptor erbA Schilddrüsenhormonrezeptor nukleärer Hormonrezeptor src abl pp60src Abl rezeptorassoziierte Tyrosinkinase mas Angiotensin-Rezeptor G-Protein-gekoppelter Rezeptor N-ras H-ras K-ras N-Ras H-Ras K-Ras monomeres (kleines) G-Protein fes Fes zytoplasmatische Tyrosinkinase raf Raf zytoplasmatische Serin/Threoninkinase myc myb rel jun fos â-Catenin Myc Myb Rel Jun Fos â-Catenin Transkriptionsfaktor bcl-2 Bcl-2 Apoptosefaktor trk Mutation von Protoonkogenen zu Onkogenen Mutation von Protoonkogenen zu Onkogenen Somatische Mutationen können die Aktivität oder die Expressionsrate der Genprodukte von Protoonkogenen steigern. Somatische Mutationen können dazu führen, dass die Genprodukte von Protoonkogenen eine ständige Aktivitätssteigerung erfahren oder ihre Expressionsrate zunimmt, d. h. dass die Protoonkogene zu Onkogenen werden. E Definition E Definition. Onkogene sind Protoonkogene, deren Genprodukte (Onkoprotei- ne) aufgrund somatischer Mutationen ständig erhöhte Aktivität zeigen oder übermäûig exprimiert werden, wodurch die Kontrolle normaler Wachstumsund Differenzierungsprozesse gestört wird und Tumorzellen entstehen. Onkogene können überall im mitogenen Signaltransduktionsweg ¹angesiedeltª sein (Abb. B-17.1). Sie täuschen ein nicht vorhandenes Wachstumssignal vor und bringen auf diese Weise die Zelle zur Proliferation. E Merke Die Mutation von Protoonkogenen zu Onkogenen kann an nahezu jeder Stelle des oben skizzierten mitogenen Signaltransduktionsweges zu Fehlfunktionen führen (Abb. B-17.1). Onkogene können aktivierte Komponenten der mitogenen Signalkette vortäuschen, ohne dass tatsächlich ein Wachstumssignal vorliegt. Damit entsteht eine Unabhängigkeit der Zellen gegenüber externen Wachstumssignalen. Auf diese Weise kommt es zu einer ständigen Stimulation der Zellteilung. E Merke. Onkogene sind dominant, d. h. bereits ein Allel ist ausreichend für die Stimulation der Zellteilung. Mutationsmechanismen Mutationsmechanismen Ein Onkogen entsteht durch n Punktmutation, Deletion oder Insertion, n chromosomale Translokation ? Bildung eines Fusionsproteins oder Assoziation mit starkem Promotor, Folgende Mutationsformen führen zur Umwandlung eines Protoonkogens in ein Onkogen: n Punktmutationen, Deletionen oder Insertionen, wobei ständig aktive Genprodukte entstehen, n chromosomale Translokation unter Bildung eines Fusionsproteins, Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG B 525 17.2 Tumorentstehung (Kanzerogenese) B-17.1 Onkogen-Kandidaten in der Ras-Raf-MAP-Kinase-Signalkaskade Wachstumsfaktor B-17.1 mögliche Onkogene Rezeptortyrosinkinase Ras Serin/ Threoninkinase Raf G-Protein MEK MAPK Transkriptionsfaktoren n n chromosomale Translokation des Gens in die Nähe eines starken Promotors, Genamplifikation (selektive Vervielfachung eines Gens). n Genamplifikation (selektive Vervielfachung eines Gens). Punktmutation: Eine Deletion oder Insertion verändert die Aminosäuresequenz und damit die Eigenschaften des kodierten Proteins. Punktmutationen des Codons 12, 59 oder 61 des ras-Gens führen zur Inaktivierung der GTPase-Aktivität von Ras, einem monomeren G-Protein, das Wachstumsprozesse vermittelt (S. 560) und S. 561). Fehlt die GTPase-Aktivität, wird Ras zu einem konstitutiven Signalgeber, der ständig eigentlich nicht vorhandene Wachstumssignale weitergibt. Punktmutation: Eine Deletion oder Insertion verändert die Eigenschaften des kodierten Proteins. So führen Punktmutationen bestimmter Codons des ras-Gens zum Verlust der GTPase-Aktivität des G-Proteins Ras. Ras sendet dann ständig Wachstumssignale. Translokation unter Bildung eines Fusionsproteins: Charakteristisch für die chronische myeloische Leukämie ist das Philadelphia-Chromosom t(9, 22), das durch eine Translokation von Teilen der Chromosomen 9 und 22 entsteht. Dabei bildet sich ein Hybrid-Gen aus bcr (breakpoint cluster region) und dem Protoonkogen abl, das eine rezeptorassoziierte Tyrosinkinase kodiert. Das durch dieses Gen kodierte Fusionsprotein Bcr-Abl hat eine höhere Tyrosinkinase-Aktivität als die ursprüngliche Abl-Tyrosinkinase. Die Kinaseaktivität des Fusionsproteins lässt sich nicht regulieren. Translokation ? Bildung eines Fusionsproteins: Durch Translokation entsteht z. B. das Fusionsprotein Bcr-Abl. Die nicht regelbare gesteigerte TyrosinkinaseAktivität dieses Proteins ist ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung der chronischen myeloischen Leukämie. Translokation in die Nähe eines starken Promotors: Beim Burkitt-Lymphom werden Teile des Chromosoms 8 auf Chromosom 14 transloziert. Dabei gerät das c-myc-Gen unter die Kontrolle eines Promotors der schweren Immunglobulinkette, was die Expression erheblich steigert. Ein ähnlicher Vorgang findet bei der Entstehung von ca. 85 % aller B-Zell-Lymphome statt. Durch eine Translokation wird das bcl-2-Gen von Chromosom 18 in den IgH-Locus des Chromosoms 14 übertragen, was zu einer Überproduktion des antiapoptotischen Proteins Bcl-2 führt (S. 520). Damit wird die Apoptose unterdrückt und eine Vermehrung der Zellen kann stattfinden. Translokation ? Assoziation mit starkem Promotor: Beim Burkitt-Lymphom gerät das c-myc-Gen durch Translokation unter die Kontrolle eines Immunglobulin-Promotors und wird daher sehr stark exprimiert. In ähnlicher Weise wird bei ca. 85 % der B-Zell-Lymphome die Expression von Bcl-2 gesteigert ? Hemmung der Apoptose ? Zellvermehrung. Genamplifikation: Gene der myc-Familie (c-myc, N-myc, L-myc) kodieren Transkriptionsfaktoren, die es der Zelle ermöglichen, die Zellteilung einzuleiten. Die Zykline D1, D2, E, die CDK4 und die cdc25-Phosphatase (S. 514) werden c-mycabhängig exprimiert. Beim Neuroblastom finden sich nicht eine, sondern 200 Kopien des N-myc-Gens, beim kleinzelligen Bronchialkarzinom 50 Kopien des c-myc-, L-myc- oder N-myc-Gens, was zu einer entsprechend höheren Transkriptionsrate führt. Genamplifikation: U.a. beim Neuroblastom liegen mehrfache identische Kopien von Genen der myc-Familie vor. Das vermehrt transkribierte Genprodukt stimuliert die Transkription von Genen, die für die Einleitung der Mitose nötig sind. E Merke. Bei Genamplifikation beruht die Onkogenwirkung also nicht auf veränderten Eigenschaften der Onkoproteine, sondern auf deren Überexpression. Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG F Merke 526 B Tumorsuppressorgene Tumorsuppressorgene Tumorsuppressoren wirken als Teil von Signalkaskaden oder Regulatoren von Zellzyklus und Apoptose wachstumsverhindernd. Die Genprodukte von Tumorsuppressorgenen, Tumorsuppressoren, sind Bestandteile von Signaltransduktionsketten oder sind direkt an der Regulation von Zellzyklus und Apoptose beteiligt. Sie wirken wachstumsverhindernd. E Merke 17 Molekulare Onkologie E Merke. Tumorsuppressoren sind rezessiv. Es müssen also beide Allele aus- fallen, damit die Wachstumshemmung der Zelle aufgehoben wird. Wichtige Tumorsuppressoren sind: Einige wichtige Tumorsuppressoren werden im Folgenden beschrieben. Retinoblastomprotein Rb Retinoblastomprotein Rb Dieses Protein ist ein zentraler Regulator des Zellzyklus. Ist es defekt, werden für die S-Phase notwendige Proteine verstärkt produziert. Dieses Protein war der erste Tumorsuppressor, der entdeckt wurde. Es spielt eine zentrale Rolle im Zellzykus bei der Kontrolle des Eintritts der Zelle in die S-Phase. Ist Rb defekt, so werden Proteine, die für die S-Phase notwendig sind, verstärkt produziert. der durch Entartung unreifer Netzhautzellen (unterschiedlicher Reifungsstufen) entsteht. Es ist der häufigste Augentumor bei Säuglingen und Kleinkindern (Häufigkeit 1:15.000 ± 1:20.000). Ursache der Entartung ist die Mutation beider Allele des Retinoblastom-Gens. Man unterscheidet eine hereditäre und eine sporadische (nicht erbliche) Form. n Bei der hereditären Form (ca. 40 % aller Fälle) wird eine Mutation ererbt (Keimbahnmutation) und die zweite Mutation tritt in einer Körperzelle auf (somatische Mutation). In der Regel sind beide Augen (evtl. an mehreren Netzhautstellen) von dem Tumor betroffen, und weitere Familienangehörige können ebenfalls an dem Tumor erkranken (familiäres Retinoblastom). Es besteht auch ein erhöhtes Risiko, bestimmte Tumoren auûerhalb des Auges zu entwickeln, insbesondere Sarkome und maligne Melanome. n Bei der sporadischen Form (ca. 60 % aller Fälle) sind beide Mutationen somatischer Herkunft. Hier ist nur ein Auge (an einer Netzhautstelle) betroffen. p53, der ¹Wächter des Genomsª E Merke Der Tumor breitet sich zunächst innerhalb des Augapfels, später in der Augenhöhle aus und kann über die Sehnerven ins Gehirn einwachsen. Da er bei Kleinkindern auftritt, wird er meist erst bemerkt, wenn das betroffene Auge plötzlich nach innen schielt oder eine Leukokorie (s. Abb.) auffällt. Wird der Tumor rechtzeitig erkannt und behandelt, können nahezu 95 % der Patienten geheilt werden. K43 E klinik. Das Retinoblastom ist ein maligner Netzhauttumor, Leukokorie bei Retinoblastom: Helle Pupille mit Gefäûzeichnung aufgrund eines den Glaskörperraum ausfüllenden Retinoblastoms. p53, der ¹Wächter des Genomsª E Merke. Das Protein p53 ist der wahrscheinlich bedeutendste Tumorsuppressor. An etwa 50 % aller Tumorerkrankungen ist ein Defekt des p53 beteiligt. Funktion: p53 überwacht die Intaktheit der DNA. Bei gravierenden DNA-Schäden blockiert p53 den Zellzyklus, bis die Schäden repariert sind. Bei irreparablen Schäden wird die Apoptose eingeleitet. Funktion: p53 überwacht die Intaktheit der DNA. Treten gravierende DNA-Schäden auf, blockiert p53 den Zellzyklus. Haben die DNA-Reparatursysteme die Schäden repariert, wird der Zellzyklus fortgesetzt. Sind die Schäden so schwerwiegend, dass keine Reparatur mehr möglich ist, wird die Apoptose eingeleitet. Damit wird die Gefahr abgewendet, dass sich geschädigte Zellen vermehren und entarten. Wirkungsmechanismus: Die Menge an p53 in der Zelle wird durch Ubiquitinylierung und proteolytischen Abbau niedrig gehalten. Bei DNA-Schäden werden Proteinkinasen aktiviert, die p53 phosphorylieren (Abb. B-17.2). Phosphoryliertes p53 wird Wirkungsmechanismus: p53 ist in jeder wachsenden Zelle in geringen Mengen vorhanden. Der p53-Spiegel wird durch die Mdm2-Ubiquitin-Ligase niedrig gehalten: Neusynthetisiertes p53 wird ständig ubiquitinyliert (S. 380) und damit für den Abbau durch das 26S-Proteasom markiert. DNA-Schäden (genotoxischer Stress) führen über verschiedene Sensormechanismen zu einer Aktivierung der Proteinkinase ATM (Ataxia telangiectasia mutated), ATR (ATM- and Rad3-relaRassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG