Trägheit - Didaktik der Physik!

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Universität Bayreuth
28.11.2005
Physik Didaktik
Angewandte Fachdidaktik II
Leitung: Dr. S. Weber
Referent: P.Suter
Trägheit
1. Bei der Behandlung der Themen lineare und kreisförmige Bewegungen müssen Sie
mit Alltagsvorstellungen (Präkonzepten) der Schüler rechnen, die nicht im Einklang
sind mit den physikalischen Konzepten zur Trägheit.
Erläutern Sie drei unterschiedliche Alltagsvorstellungen von Schülern im
Zusammenhang mit Bewegungen!
2. Begründen Sie, weshalb im Physikunterricht das Eingehen auf Alltagsvorstellungen
von Schülern zu physikalischen Sachverhalten wichtig ist!
3. Skizzieren Sie eine Unterrichtseinheit zum Thema "Trägheitssatz" (1. Newtonsches
Axiom)! Gehen Sie hierbei besonders auf Lernvoraussetzungen, Feinziele und
Experimente ein! Formulieren Sie schülergemäß wichtige Ergebnisse der
Unterrichtseinheit!
4. a) Geben Sie zeichnerisch die Kräfte an, die auf einen Körper wirken, der sich mit
konstanter Geschwindigkeit einen Hang hinauf bewegt!
b) Ein Skifahrer (m = 70 kg) wird von einem Schlepplift gleichförmig einen Skihang
Neigung 30 Grad hinaufgezogen. Welche Kraft übt der Bügel auf den Skifahrer
aus? (Hinweise: Gleitreibungskoeffizient Ski - Schnee = 0,1. Es wird
angenommen, dass die durch den Schleppliftbügel ausgeübte Kraft parallel zum
Hang wirkt.)
1. Bei der Behandlung der Themen lineare und kreisförmige Bewegungen müssen Sie mit
Alltagsvorstellungen (Präkonzepten) der Schüler rechnen, die nicht im Einklang sind
mit den physikalischen Konzepten zur Trägheit.
Erläutern Sie drei unterschiedliche Alltagsvorstellungen von Schülern im
Zusammenhang mit Bewegungen!
Um Aufgabe 1 ohne Missverstände zu beantworten, möchte ich den Begriff des Präkonzepts
(Alltagsvorstellung) nochmals erläutern. Hierunter versteht man im didaktischen Sinne
inkomplette Kenntnisse und Vorerfahrungen eines bestimmten Gebietes. Ein Präkonzept muss
nicht unbedingt falsch sein. Viel mehr besteht das Problem darin, dass sie als allgemeingültig
angesehen werden. Das es sich aber oft um Spezialfälle handelt wird selten wahrgenommen
und das Wissen ohne Nachzudenken auf neue Sachverhalte angewandt. Eine Aufgabe des
Lehrers besteht darin, diese Präkonzepte herauszufinden und bestenfalls mit ihnen zu arbeiten.
Präkonzepte aus dem Gebiet der Bewegungen :
1)
Das wohl häufigste Präkonzept : Bewegungsrichtung entspricht der Kraftrichtung
Ein Test von D. Nachtigall macht dieses Präkonzept sehr schön deutlich.
Zeichnen Sie jeweils an den Punkten A – D die wirkende/n Kraft/e ein.
A
C
B
D
Es wurden verschiedene Gruppen von 11.Klasse GK Physik bis hin zu Physik im Nebenfach
studierender befragt. Im Mittel hatten über 80% falsche Aussagen getroffen.
Diese Fehlvorstellung führt im Gebiet der Kreisbewegungen dazu, das die Zentripetalkraft oft
schwer verstanden wird. Der Drang die Kraft entlang der Kreisbahn wirken zu lassen ist groß.
2)
„Ein sich bewegender Körper benötigt eine Antriebskraft.“
Aus der Alltagserfahrung heraus weiß der Schüler, dass für die Bewegung z.B. eines Autos
immer eine Kraft benötigt wird. Dass es sich hierbei um die Kompensation von
Reibungsverlusten verschiedenster Art handelt, versteht er jedoch nicht. Wird dieses Wissen
in die Schulphysik mit eingebracht, so wird es dem Schüler in der idealisierten Schulphysik,
in der Reibung sehr lange vernachlässigt wird sehr schwer fallen logische Vorraussagen über
Bewegungen zu treffen.
Beispiel:
Auf einen Körper wirkt eine konstante Kraft von 1 N. Die Reibung ist zu vernachlässigen.
Beschreiben sie qualitativ seine Bewegung .
Eisblock
F1
v
=?
Eis
3)
„Ein Körper auf den keine resultierende Kraft wirkt ist in Ruhe.“
Dieses Präkonzept entsteht aus dem Vorangegangenen. Im Umkehrschluss wird nicht
verstanden, das ein Körper der in Bewegung ist, keine Kraft benötig um diese weiter zu
führen. Es besteht die Meinung das ein sich bewegender Körper der keine Kraft erfährt,
irgendwann zum Stillstand kommen muß.
Beispiel:
Konstante Geschwindigkeit
Eine Kugel wird von 3 Kräften beeinflusst. Zwei davon sind bereits eingezeichnet. Tragen sie
die dritte Kraft ein, sodass sich die Kugel mit konstanter Geschwindigkeit weiterbewegt.
F1
F2
v = const
2.
Begründen Sie, weshalb im Physikunterricht das Eingehen auf Alltagsvorstellungen
von Schülern zu physikalischen Sachverhalten wichtig ist!
Präkonzepte bestimmen das Lernen von Physik in der Schule. Sie bestehen aus selbst
erstellten Theorien und Vorstellungen. Sieht oder erfährt man etwas neues, werden diese
Dinge in alte bekannte Vorstellungen bzw. Denkmuster integriert.
Wo aber liegt die Problematik, ist das doch die normale Denkweise des Menschen ? Das
Problem liegt darin, wie ungern solche selbstentwickelten Vorstellungen und Denkmuster
abgelegt werden. So sieht der Schüler bei Experimenten nur das was er erwartet bzw. was er
ohnehin schon weiß. Die vom Lehrer für wichtig gehaltenen Aspekte also das eigentliche Ziel
des Versuch wird übersehen. Das Lernziel ist nicht erreicht worden.. Schlimmstenfalls sehen
die Schüler sogar ihre falschen Vorstellungen bestätigt und stärken deren vermeintliche
Richtigkeit. Deshalb ist es enorm wichtig das der Lehrer den Stand (Lernvoraussetzungen)
und die kognitiven Konflikte der Schüler erkennt. Dies passiert am besten im Dialog in dem
der Lehrer die Lernschwierigkeiten erkennen kann und geeignete Maßnahmen zur Lösung
ergreift. Im Dialog ist es wichtig die fachliche Richtigkeit zu wahren auch wenn dies oft nur
mit dem Verweiß auf den späteren Unterricht realisiert werden kann. Deutlich werden muss
aber, das die vom Schüler gegebene falsche Vorstellung so nicht stehen bleiben kann. Im
späteren Unterricht muß der Sachverhalt dann so reduziert werden, das der Schüler weder
verunsichert noch überfordert wird. Hier liegt die große Kunst des guten Unterrichts. Wird
das Vorwissen hier nicht beachtet und einbezogen, kann sehr leicht die Motivation, das
Interesse am Fach und somit die Grundlage der Wissensvermittlung zerstört werden.
Daher muss die Devise lauten: Erst herausfinden wo die Fehlvorstellungen des Schülers
liegen, ihn von eben diesen lösen um abschließend ein Verständnis für den Sachverhalt zu
schaffen.
Der Weg hin zum Verständnis sowie dieses selbst, ist deshalb so enorm wichtig, da nur durch
Verstehen des Prozesses der Schüler in der Lage ist eigenständig, richtige Vorhersagen zu
treffen. Versteht der Schüler nicht, wird er auf seine alten, oft falschen Vorstellungen
zurückgreifen. Die Präkonzepte konnten nicht ausgeräumt werden. An diesem Punkt passiert
etwas Elementares. Da der Physikstoff in der Schule aufeinander aufbaut wird dem Schüler
keine Basis vermittelt, d.h. das neuer Stoff nur sehr schwer verstanden wird. Hier entstehen
die o.g. Lernschwierigkeiten. Es bildet sich ein Kette bestehend aus Misskonzepten,
Lustlosigkeit und dem Verlust des Interesses am Fach.
3. Skizzieren Sie eine Unterrichtseinheit zum Thema "Trägheitssatz" (1. Newtonsches
Axiom)! Gehen Sie hierbei besonders auf
Lernvoraussetzungen, Feinziele und Experimente ein!
Formulieren Sie schülergemäß wichtige Ergebnisse der Unterrichtseinheit!
Lernvoraussetzungen
Das Kraft eine Richtung und eine Größe hat muss klar sein.
Der Begriff der Beschleunigung muss bekannt sein.
Rechengesetze auf dem Gebiet der konstanten Beschleunigungen sollten vorhanden sein.
Die Formel F = m*a ist verstanden.
Feinziele
Die Schüler sollen
FZ 1 : Beispiele der Trägheit nennen können
FZ 2 : die Bedeutung des Begriffs Trägheit anschaulich beschreiben können.
FZ 3 : einsehen , dass Trägheit nur Massenabhängig ist.
FZ 4 : einsehen, dass Trägheit Geschwindigkeitstunabhängig ist.
FZ 5 : fähig sein Tabellen auswerten zu können.
FZ 6 : die Trägheit als Eigenschaft eines Körpers verstehen.
Artikulation
Ausgangssachverhalt
Problemfrage
Lehrerverh.
Ein Tischtuch mit Teller und
Tasse und unter diesen
schnell weggezogen. Teller
und Tasse bleiben stehen
Der Versuch mit Hängendem
Buch wird vorgeführt (siehe
Anhang). "Was wird
passieren ?"
Lehrer fragt nach
Beobachtungen
Schülerver.
Überleitung
zuhörend, verfolgend
spekulieren : "dünnes Seil
reißt ". "Dickes Seil reißt".
Verfolgend
Die Gegenstände wollen
der Bewegung nicht
folgen. Wenn zu schnell
gezogen wird, bewegt sich
das Buch nicht mit
Meinungsbildung
Notieren der genannten
Größen an der Tafel
Versuchsplanung
Lehrerexperi
ment
Frage
unterricht,
erarbeitend
Unterrichtsge
spräch,
erarbeitend
Unterrichtsge
"Suppe schwappt aus dem
spräch
Teller". Wenn Auto stark
beschleunigt wird ich in
FZ1
den Sitz gedrückt
Die genaue Erklärung des
Tuch und Buchversuchs
wollen wir mal zurückstellen
und erst mal untersuchen
was Trägheit genau ist und
wovon sie abhängt
Wovon könnte dieses
Verhalten der Körper
abhängen ?
Feinziel
Lehrerdemo/d
arbietend
Wiederholt richtige Antworten
und ergänzt : "Anscheinend
lassen sich Gegenstände
ungern beschleunigen. Diese
Eigenschaft heißt Trägheit."
Kennt ihr ähnliche
Beobachtungen aus eurem
Alltag ?
Lehrform
Von der Masse","Von der Frage
Größe","Von der Kraft die unterricht,
auf den Körper wirkt". Von erarbeitend
der Geschwindigkeit
darbietend
Lasst uns einen Versuch
machen um zu sehen welche
Größen wirklich relevant sind
Lehrer zeichnet den Versuch
an die Tafel (TA1). Er fragt
einen Schüler was passieren
wird und welche Größen man
verändern könnte. Dann bittet "Der Wagen wird schneller
werden", "Man könnte
er jemanden den Versuch
mehr Gewichte auflegen"
aufzubauen.
Unterrichtsge
spräch,
erarbeitend
Unterrichtsge
spräch,
erarbeitend,
Sicherung
Artikulation
Lehrerverh.
Versuchsdurch
führung
Schüler führen den Versuch
durch. Der Wagen wird
schrittweis erschwert und bei
gleicher zurückgelegter
Strecke, die Zeit gemessen Schülerexperiment
Versuchsauswertung
Gesetzt
2. Experiment
Versuchsauswertung
Motivation
Versuch
Was heißt das in euren
eigenen Worten ?
Schülerver.
"Ein schwere Körper
ändert unwilliger seine
Bewegung" , Ein schwerer
Körper zeigt weniger
Wirkung als ein leichterer
bei gleicher Kraft.
Weiterführen der (TA1).
Durch Auswertug der Größen
a =2*s/t² und a= F/m soll klar
Übernehmen der
werden, dass die Trägheit
nur von der Masse abhängt Tafelanschrift ins Heft
Lehrer erklärt kurz die
Modifikation (Siehe Anhang)
des zweiten Versuch.Wieder
wird die Zeit gemessen und
eine Tabelle erstellt
Durch Vergleichen der
Endgeschw. Und der Beschl.
Soll deutlich werden das
Trägheit Geschw.
Unabhängig ist.
Zusammenfassen der
Eigenschaften der Trägheit
Was passiert wenn ich auf
einen sich Bewegenden
Körper keine Kraft mehr
auswirke ? Abstimmen.
Lehrer führt Versuch mit
Luftkissenbahn durch
Was beobachtet ihr ? Hatte
euer Mitschüler recht ?
Kann mir das jemand
physikalisch korrekt
ausdrücken ?
Warum hält dann ein Auto in
der Realität an, wenn man
vom Gas geht ?
Lehrform
Feinziel
moderierend
Sicherung,
Unterrichts
gespräch
FZ 2
TA
Erarbeitung
und
Sicherung
FZ 3
FZ 5
TA
Erarbeitung
und
Sicherung
Weiterführen des
Hefteintrages
TA
Sicherung,
Unterrichts
gespräch
Hefteintrag 1 zu ende
schreiben
FZ 4
FZ 5
fragend,
impuls
gebend
"Er wird langsamer"
Nein, hatte er nicht. Er
bleibt gleich schnell
Ein Körper auf den keine
Kraft wirkt, ändert auch
nicht seine Bewegung !
fragend,
(Überprüfen
ob
Fehlvorstell.
Ausgeräumt
ist)
Artikulation
Gesetzt
Rückkehr zur
Erlebniswirklichkeit
Rückkehr zum
Ausgangsversuchen
Hausaufgaben
Lehrerverh.
Schülerver.
Lehrform
Folie mit
Axiom
Sicherung,
Unterrichts
1. Newtonsches Axiom wird
Ergänzen des Hefteintrags gespräch
angeschrieben.
Frage
Kann mir jemand erklären
unterricht,
warum ihr euch beim
Sichernd
Autofahren deshalb
unbedingt anschnallen sollt ?
Evtl. Vorführen wie Gewichte
auf dem Waagen auf der
Luftkissenbahn
runtergeschleudert werden
Diskussion
Jetzt wissen wir was Trägheit
(prüfen ob
ist. Kann jemand eine
Trägheit
Erklärung für das Verhalten
verstanden
der Gegenstände in unseren
ist)
Anfangsversuchen geben ?
Lehrer teilt dann Ausführliche
Erklärung aus
Lehrer teilt Blatt mit
darbietend
Kontrollfragen aus
Feinziel
FZ 6
Die Trägheit
TA1
Versuchsaufbau 1:
Skizze
Kraftmesser
m
S = 100cm
S0
SE
Motor mit konst. Kraft
1. Experiment
Wertetabelle:
Messung
Masse in g
Zeit in sec
1
2
350
3
450
4
550
5
650
750
Auswertung :
Fg = 0,1 N , s = 100cm
Mit
v = a*t ; a =
1
2*s
( wegen s = * a * t ² ) folgende Tabelle ausgefüllt werden.
2
t²
Tabelle:
Messung
a in cm/s²
v in cm/s
1
2
3
4
5
Experiment 1a)
Wir wiederholen den 1. Versuch. Machen aber eine Änderung. Wir beginnen unsere
Zeitmessung nicht beim Startpunkt wo der Wagen noch in Ruhe ist sondern starten unsere
Messungen immer dann wenn unser Auto eine Geschwindigkeit von 10 cm/sec hat. Also hat
jeder Wagen die gleiche Geschwindigkeit. Ansonsten bleibt alles gleich. Diese Startpunkte
habe ich für euch daheim schon ausgerechnet und sind:
Messung
Masse in g
s0 in cm
Zeit t in sec
a in cm/s²
v in cm/s
v =
1
2 * a * s + v 02
2
3
350
7
; a=
450
9
4
550
11
5
650
13
v − v0
t
Ergebnisse des 1. und 2. Versuchs in Worten :
•
•
•
Der Wagen beschleunigt langsamer je schwerer er ist.
Der Wagen hat eine geringere Endgeschwindigkeit je schwerer er ist.
Trotz Anfangsgeschwindigkeit ändert sich die Beschleunigung und somit die
Geschwindigkeit am Ort SE nicht.
Folgerungen:
1. Die Trägheit hängt nur von der Masse des Körpers ab.
2. Die Trägheit hängt nicht von der Geschwindigkeit des Körpers ab
Versuch 2
Skizze:
Gewicht
Gummi
v = const.
Schlitten
Gummi
Luftkissenbahn
750
15
Ergebnis aus Versuch 2:
1. Newtonsche Axiom
Ein Körper, auf den keine Kraft wirkt, verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen
Bewegung auf geradliniger Bahn.
In Abwesenheit äußerer Kräfte setzt ein Objekt, das sich in Bewegung befindet diese ewig
fort
Das bedeutet, dass ein Körper der in Bewegung ist, keine Kraft benötigt damit er in
Bewegung bleibt.
Man braucht aber sehr wohl eine Kraft um seine Geschwindigkeit oder seine Richtung zu
ändern.
Kontrollfragen :
•
Wie groß ist die Trägheit einer 2 kg Masse die sich mit 5m/s bewegt im Vergleich zu
einer 1 kg Masse, die sich mit 10m/s bewegt?
•
Ein 4.0-kg schwerer Körper bewegt sich über eine reibungslose ebene Fläche mit einer
konstanten Geschwindigkeit von 2 m/s. Welche der folgende horizontalen Kräfte ist
notwendig , damit der Körper in Bewegung bleibt?
a) 0 N b)0.5 N c) 2.0 N d) 8.0 N e) hängt von der Geschwindigkeit ab.
•
Die Trägheit hängt von der Geschwindigkeit des Körpers ab; je schneller, umso größer
die Trägheit. Richtig oder falsch?
•
Überprüft ob ich die Startpunkte der Messungen aus Experiment 1a) richtig berechnet
habe.
Modifikation für Experiment 2
F in N
Masse Wagen in g
zusatzgewicht in g
Masse in g
0,1
300
50
350
0,1
300
150
450
0,1
300
250
550
0,1
300
350
650
0,1
300
450
750
a in cm/sec²
28,57
22,22
18,18
15,38
13,33
v ende in cm/s
75,59
66,67
60,30
55,47
51,64
2,65
3,00
3,32
3,61
3,87
7
9
11
13
15
t in sec
wenn Vo=20cm/s dann S =....cm
20
Literatur :
-
Dr. S.M. Weber - Didaktik der Physik
Umfrage zum Kraftbegriff Testblatt zu Fachdidaktik I
-
H. Joachim Schlichting - Unterrichtspraxis
Die List der Trägheit
-
Nachtigall, Dieter 1987, 8. Skizze in : Skizzen zur Physikdidaktik S.144ff.
Anhang
~
~
Die List der Trägheit
von H. }oachim Schlichting
Phänomene
Beim Gießen der Topfblumen entdecken
wir zuweilen vergilbte Blätter. Wir
möchten sie am liebsten mit der noch
freien Hand entfernen. leider sitzen sie
häufig so fest, dass man die ganze Blume
auseinanderreißen oder den Topf
umkippen würde. Da hilft nur ein Trick:
Das Blatt wird mit einem kräftigen Ruck
abgerissen. Bevor die Pflanze "merkt" ,
dass an ihr gezogen Wird, ist es auch
schon um ihr Blatt geschehen.
Beim Jäten des Löwenzahn wollen wir
jedoch das Gegenteil erreichen: Die
Pflanze mit der gesamten langen Wurzel
aus dem Erdreich herausziehen: "Ein
Löwenzahn klammert sich mit einem
Fächer dicht aufeinanderliegender
Zackenblätter fest an der Erde: wenn man
am Stängel zieht, behält man ihn in der
Hand, während die Wurzeln fest in der
Erde haften. Man muss mit einer
kreisenden Handbewegung das ganze
Gewächs erfassen und behutsam die
Wurzelfasern aus dem Erdreich ziehen"
(1. Calvino: Herr Palomar).
Versuch
Ein schweres Buch wird an einem verhältnismäßig kräftigen Faden aufgehängt.
An das Buch wird ein dünner, deutlich
schwächerer Faden gehängt (Abb. 1). Was
passiert, wenn man am dünnen Faden
zieht? Wie in den eingangs genannten
"botanischen" Beispielen hängt das ganz
davon ab, wie man zieht. Wenn man
langsam und behutsam zieht, reißt
schließlich nicht
wie man vielleicht erwarten würde der dünne
Faden, sondern der dicke. Der dünne Faden
reißt jedoch, wenn man mit einem kräftigen
Ruck zieht.
Abschließend noch einige Tipps zur
Präparation des Freihandversuchs. Der
Erfolg des Versuchs hängt wesentlich
davon ab, dass die unterschiedliche
Reißfestigkeit .des oberen und unteren
Fadens für die Schüler auf überzeugende
Weise erkennbar ist. Ansonsten riskiert
man eine unerfreuliche Diskussion über
die Reißfestigkeit der Fäden. Als unteren
dünnen Faden benutzten wir normales
Nähgarn (0 0,15 mm). Doppelt genommen
und verdrillt dient dasselbe Garn als
oberer dicker Faden. WW man auf
Nummer Sicher gehen, so demonstriert
mim in einem entsprechenden
Vorversuch, dass die benutzten Fäden bei
verschiedenen Belastungen (mit
geeigneten Gewichtstücken) reißen. In der
Regel reicht es jedoch aus, einen dicken
und.' dünnen Faden desselben Materials
zu verwenden, wobei man sich den
dickeren Faden notfalls durch Verdrillung
zweier dünner Fäden herstellen kann.
Im Unterricht bieten sich vor allem
zwei Möglichkeiten an, das Experiment zu
demonstrieren:
1. Der Versuchsaufbau ist in doppelter
Ausfertigung vorhanden. Der Lehrer lässt
ohne Kommentar einmal den dickeren und
ein andermal den dünneren Faden reißen.
(Dabei ist es wichtig, dass die
(unterschiedliche) Versuchsdemonstration
Erklärung
Normalerweise reißt ein Faden, wenn die
Zugkraft eine Dehnung über die
Elastizitätsgrenze hinaus zur Folge hat.
Das ist beim langsamen Ziehen (bei
geeigneter Wahl der verwendeten Fäden)
deshalb oberhalb des Buches am dicken
Faden der Fall, weil zur Zugkraft die
Gewichtskraft des schweren Buches
hinzukommt. Beim ruckartigen Reißen'
verhindert jedoch die Trägheit des Buches,
dass es zu einer merklichen Dehnung des
oberen Fadens kommt. Denn bei
gegebener Zugkraft kommt ein
Gegenstand um so langsamer in
Bewegung (ist seine Beschleunigung um
so kleiner), je größer seine Trägheit (bzw.
Masse) ist. Die Trägheit "bremst"
gewissermaßen die Übertragung der Kraft.
Die Reißfestigkeit des unteren Fadens
wird dagegen überschritten.
Anmerkung zur Methodik
Im folgenden wird unterstellt, dass die
Schüler den physikalischen Begriff der
Kraft bereits kennen gelernt haben. Durch
den vorliegenden Freihandversuch können
sie die Trägheit als fundamentale
Eigenschaft der Masse eines
Gegenstandes kennen lernen.
Abb. 1: Wo reißt der Faden ab?
NiU-Physik 2 (1991) Nr.10
16 (180)
als gleich erscheint. Dies ist z. B. dadurch
zu erreichen, dass man auch im Fall des
langsamen Ziehens ein ruckartiges Reißen
vortäuscht. Die Schüler werden
aufgefordert, eine Erklärung für das nicht
nur der physikalischen Intuition
(Reproduzierbarkeit), sondern auch dem
gesunden Menschenverstand
wiedersprechende Phänomen zu geben.
2. Der Lehrer zeigt den Versuchsaufbau
vor, indem er insbesondere auf die
Abb. 2: Wie befördert man die Münze in die Flasche?
unterschiedlichen Fadendicken hinweist.
Er bittet die Schüler sodann,
vorherzusagen, welcher der Fäden reißen
wird, wenn man am unteren Faden mit
hinreichender Kraft zieht
Obwohl die naive Erwartung, dass der
dünnere Faden reißen wird, auf der Hand
liegt, wird es fast immer einige Schüler
geben, die das Gegenteil voraussagen.
Meiner Erfahrung nach lassen sich diese
Schüler in der Regel nicht durch
physikalische, sondern durch
psychologische Motive der folgenden Art
leiten: "Wenn Er so fragt, will Er sich
sicher keine Selbstverständlichkeiten
bestätigen lassen. Es muss daher
NiU-Physik 2 (1991) Nr.1O
gerade das Unerwartete richtig sein!"
Diese Schüler haben aber meist keine auch
nur halbwegs zutreffende Idee einer
Erklärung. Aber selbst wenn der
unwahrscheinliche Fall eintritt, dass die
Mehrzahl der Schüler das Reißen des
dicken Fadens prognostiziert, hat der
Lehrer es immer noch im wörtlichen Sinne
"in der Hand", durch ruckartiges Ziehen
den dünnen Faden zum Reißen
.
zu bringen.
Wie dem auch sei. Es kommt darauf an,
wenigstens das Gros der Schüler in
Erstaunen zu versetzen, um sie auf diese
Weise zu motivieren, nach einer
physikalischen "Antwort" auf die in Form
des Freihandversuchs gestellte "Frage" zu
suchen.
Nachdem eine solche Motivation nach der
1. oder 2. Versuchsalternative gelungen ist
(oder auch nicht), wird man auf die
"Technik" des Ziehens zu sprechen
kommen, in der ja das physikalische
Prinzip enthalten ist. Dieses kann etwa in
der folgenden vorläufigen Form zum
Ausdruck gebracht werden: Offenbar wird
eine um so größere Kraft auf das ruhende
Buch ausgeübt, je schneller (Schnelligkeit
des Ziehens) man es in Bewegung setzen,
bzw. beschleunigen will. Dann übersteigt
diese Kraft die Grenze der Reißfestigkeit
des dünnen Fadens, bevor das Buch und
damit der dickere Faden merklich
ausgedehnt wird: man erreicht die Grenze
der Reißfestigkeit des dicken Fadens gar
nicht erst.
Um die Bedeutung dieses "Trägheitsprinzips". zu erweisen, sollten
anschließend möglichst viele Alltagserfahrungen diskutiert werden, in denen
das Trägheitsprinzip eine ähnliche Rolle
spielt wie in dem vorliegenden Versuch.
Zum Beispiel:
Ähnlich wie beim eingangs erwähnten
Blätterzupfen macht man beim Kirschenoder Apfelpflücken von Trägheit
Gebrauch, wenn man etwa auf der Leiter
stehend nur eine Hand zum Pflücken
freihat.
Erinnert sei hier auch an das Kunststück,
die Tischdecke eines gedeckten Tisches so
unter den Gedecken wegzuziehen, dass
diese unter nur leichten Erschütterungen
auf ihrem Platz bleiben.
Aber auch folgende unangenehme - weil
das Trägheitsprinzip missachtende Erfahrungen gehören hierher:
Jemand läuft mit hoher Geschwindigkeit
gegen eine halb geöffnete Tür und holt
sich dabei eine Beule: Trotz großer
Krafteinwirkung wird die Tür dadurch
kaum aus der Ruhe gebracht. Die Tür
lässt sich andererseits mit nur geringer
Kraftanstrengung öffnen, wenn man
weniger hektisch vorgeht.
Im Winter beobachtet man zuweilen, wie
ein Auto durch ein anderes angeschoben
wird: Das schiebende Auto drückt
behutsam die vordere Stoßstange gegen
die hintere Stoßstange
des anzuschiebenden Autos. Die
Schubkraft wird hier der Trägheit des
Autos entsprechend "dosiert". Würde
man die Stoßstangen mit großer Kraft
aufeinanderprallen lassen, so hätte man
es nicht mehr mit einem Anschieben,
sondern mit einem Auffahrunfall zu tun.
Dass nicht nur feste Körper träge sind,
sondern auch ansonsten leicht
bewegliche Flüssigkeiten, erfährt man
beispielsweise durch die. schmerzhafte
Wirkung eines "Bauchklatschers" beim
missglückten Kopfsprung ins
Schwimmbecken.
Solche Beispiele eignen sich, auf einen
weiteren Aspekt der Trägheit aufmerksam zu machen. Bislang wurde das
Augenmerk auf den "Widerstand" eines
ruhenden Körpers gerichtet, in
Bewegung gesetzt zu werden. Interessiert man sich hingegen für den bewegten Körper, der sich anschickt, den
Ruhezustand eines anderen zu stören, so
erfährt man einen anderen Aspekt der
Trägheit: Bewegte Körper "möchten" in
Bewegung bleiben. Daher die Beulen bei
den obigen Zusammenstößen. Dieser
Aspekt lässt sich aber leichter an
Beispielen der folgenden Art erkennen:
auf dem Beifahrersitz eines Autos liegt
ein Stapel Schulbücher. Das Auto
bremst, die Schulbücher "fahren" weiter
und landen auf der Fußmatte des
Beifahrersitzes.
Der Unterricht könnte etwa mit der
folgenden Aufgabe (ggf. Hausaufgabe)
abgeschlossen werden: Eine Münze liegt
auf einem Blatt Papier, das seinerseits
auf der Öffnung einer Milchflasche liegt
(Abb. 2). Die Aufgabe besteht darin, die
Münze in die Flasche
hineinzutransportieren. Dabei darf nur
das Papier angefasst werden.
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