FU Berlin, Lateinamerika-Institut Sprachkurs: K’iche’ I / II Wintersemester 2014/15 Sommersemester 2015 Dozent: Michael Dürr Einführung in das kolonialzeitliche K’iche’ (Quiché) –– anhand der Sprache des Popol Wuj –– [rev. Fassung Februar 2015] Jeweils aktuelle Fassung unter http://home.snafu.de/duerr/download.html Zusammengestellt von Michael Dürr Berlin 2015 INHALT VORWORT.................................................................................................................................................6 WARUM SICH MIT INDIGENEN SPRACHEN BESCHÄFTIGEN? .........................................7 EINLEITUNG 1. Das K’iche’: verwandte Sprachen und interne Gliederung der Dialekte ................................. 8 Exkurs: Mayasprachen und Historische Linguistik der Mayasprachen .................................. 9 2. Zur Geschichte der K’iche’ ............................................................................................................. 14 3. Kolonialzeitliche Texte in K’iche’ .................................................................................................. 15 4. Das Popol Wuj .................................................................................................................................. 16 LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................................................... 18 LEKTIONEN Lektion 1 ................................................................................................................................................. 23 Aussprache Lektion 2 ................................................................................................................................................ 27 2.1 – Vorbemerkung 2.2 – Intransitive Verben in der 3. Person der Vergangenheit 2.3 – Partikeln am Verb 2.4 – Satzeinleitende Partikeln 2.5 – Adverbiale Bestimmungen 2.6 – Subjekt intransitiver Verben: Nomen und Artikel Lektion 3 ................................................................................................................................................. 31 3.1 – Tempus/Aspekt-Präfixe intransitiver Verben 3.2 – Negation ma (wi) 3.3 – Nomina mit Plural -Vb’ 3.4 – Zahlwörter 3.5 – Fakultativer Charakter der Pluralmarkierung 3.6 – Personen- und Tierbezeichnungen mit aj- und x 3.7 – Ortsangaben: Nomina mit vorangestelltem chi oder pa Lektion 4 ................................................................................................................................................. 35 4.1 – Erweiterung des Nomens: Komposita und Adjektive 4.2 – Possessivpräfixe der 3. Person 4.3 – Das intransitive Verb ux 4.4 – Verblose Sätze 4.5 – Pronomina der 3. Person are und e 4.6 – Demonstrativpronomina wa’, la’ und ri’ Lektion 5 ................................................................................................................................................. 39 5.1 – Possessivkonstruktionen 5.2 – Die Partikel der Nichtexistenz jab’i 5.3 – Die Verbwurzel k’o(je’) »existieren« und der Ausdruck des Habens 5.4 – Verblose Sätze und der Ausdruck des Habens 5.5 – Ortsangaben mit chi und einer Körperteilbezeichnung 5.6 – Voranstellung von Ortsangaben 5.7 – Ordinalzahlen WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 3 Lektion 6 ................................................................................................................................................. 43 6.1 – Transitive Verben in der 3. Person 6.2 – Nomina als Subjekt und/oder Objekt transitiver Verben 6.3 – Passivformen 6.4 – Das Nomen -umal 6.5 – Adjektivische Pluralmarkierung taq und -aq 6.6 – Richtungsanzeigende Partikeln am Verb: uloq u. a. Lektion 7 ................................................................................................................................................. 47 7.1 – Antipassivformen 7.2 – Nomina als Subjekt und/oder Objekt im Satz: Fokusposition 7.3 – Fokus-Antipassiv 7.4 – Implizite Satzverknüpfung 7.5 – Das Nomen -uk’ 7.6 – Infinitivformen 7.7 – Parallelkonstruktionen Lektion 8 ................................................................................................................................................. 51 8.1 – Partizip Perfekt 8.2 – Das Nomen -ib’ »Reflexiv« 8.3 – chi zur Kennzeichnung indirekter Angaben 8.4 – Die Nomina -tukel und -onojel 8.5 – Stammbildung 8.6 – Positionalstämme und ihre Ableitungen: Partizip Stativ u. a. 8.7 – Abgeleitete Verbstämme: -Vr, -isa-j und -V-j Lektion 9 ................................................................................................................................................. 55 9.1 –Instrumentale Verben auf -b’e 9.2 –Instrumentale Nomina -Vb’al (und -Vb’) 9.3 –Das Nomen -e(ch) »Eigentum« 9.4 –Besondere Possessivbildungen (Endung -Vl) 9.5 –Abstrakta und Kollektiva mit -Vl 9.6 –Von Verben abgeleitete Nomina auf -Vl 9.7 –Lesestücke 1 und 2: (Lesestück 1: Die Insignien der Macht; Lesestück 2: Die Könige K’iq’ab’ und Kawisimaj) Lektion 10 ................................................................................................................................................ 59 10.1 –Futur 10.2 –Besondere Possessivkonstruktionen bei Subjekt und Objekt 10.3 –Zahlen und Zählwörter 10.4 –Infinitive und nominalisierte Verben mit direktem Objekt 10.5 –Abgeleitete Nomina mit -Vm 10.6 –Abgeleitete Verben mit -Vla’ und Nomina mit -Vlaj 10.7 –Zusammengesetzte Verben 10.8 –Lesestück 3: Die Sintflut Lektion 11 ................................................................................................................................................ 63 11.1 –Zitierte Rede 11.2 –Pronomina der 2. Person 11.3 –Pronomina der 1. Person WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 4 11.4 –Verkürzte und mehrdeutige Pronominalpräfixe 11.5 –Imperativ und Optativ 11.6 –Übersichtschemata für intransitive und transitive Verben 11.7 –Fragesätze (Ja/Nein-Fragen) 11.8 –Modalpartikeln der Bestätigung 11.9 –Lesestücke 4 und 5 (Lesestück 4: Gebet; Lesestück 5: Das Mädchen Xkik’) Lektion 12 ................................................................................................................................................ 69 12.1 –Gemeinsames Vorkommen von Subjekt- und Objektpräfixen bei transitiven Verben 12.2 –Fragesätze: Frage nach einem Satzteil 12.3 –Weitere satzeinleitende Partikeln 12.4 –Besondere Formen des Fokus-Antipassiv 12.5 –Besitzer in Fokusposition 12.6 –Verbkoppelungen 12.7 –Nebensätze als Satzteile (Relativsätze; Sätze in Objektfunktion) 12.8 –Satzverknüpfung: Konditional- und Kausalsätze 12.9 –Lesestück 6: Der Aufgang der Sonne Lektion 13 ................................................................................................................................................ 74 13.1 –Derivationssuffixe und Wortbildung 13.2 –Idiomatische Wendungen 13.3 –Reduplikation 13.4 –Höfliche Anrede 13.5 –Strukturierung von Information im Erzählgefüge 13.6 –Lesestück 7: Geschichte vom Tod Sipaknas ANHÄNGE Anhang 1: Affixe ..................................................................................................................................... 81 1.1 – Liste der Flexionsaffixe 1.2 – Derivationssuffixe Anhang 2: Phonologie und Orthographie ......................................................................................... 83 2.1 – Phoneminventar 2.2 – Orthographien des K’iche’ 2.3 – Orthographie des kolonialen K’iche’ im Popol Wuj 2.4 – Lesestücke in der Orthographie des Manuskripts des Popol Wuj 2.5 – Editionen des Popol Wuj Anhang 3: Das K’iche’ als Ergativsprache .......................................................................................... 94 WÖRTERVERZEICHNIS ................................................................................................................... 97 WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 5 VORWORT Diese Kursmaterialien wurden für den Sprachunterricht im Rahmen des zweisemestrigen Moduls Indigene Sprachen des BA-Studiengangs Sozial- und Kulturanthropologie und des MA-Studiengangs Interdisziplinäre Lateinamerikastudien an der Freien Universität Berlin entwickelt.1 Entsprechend den Anforderungen der Studienordnung soll neben einer konkreten indigenen Sprache Amerikas, in diesem Fall der im Hochland von Guatemala gesprochenen Mayasprache K’iche’, auch ein Grundverständnis für die grammatischen Strukturen außereuropäischer Sprachen sowie Grundlagen der linguistischen Sprachbeschreibung vermittelt werden. Daher entsprechen die Materialien weniger den üblichen Erwartungen an praxisorientierten Sprachlehr­materialien, sondern sind eher sprachwissenschaftlich ausgerichtet. Dies bedeutet, es wird vor allem Wert auf das Erlernen der Analysefähigkeit grammatischer und TextStrukturen fremder Sprachen gelegt und nicht so sehr auf den Erwerb einer rudimentären Sprechfähigkeit – was im Rahmen einer zweisemestrigen Veranstaltung zu zwei Semesterwochenstunden als Ziel in jedem Fall illusorisch wäre. Die für das Studium der Sozial- und Kulturanthropologie notwendigen sprachwissenschaftlichen Grundlagen lassen sich aus der Beschreibung einer einzelnen Sprache allein jedoch nicht erlernen, so dass als ergänzende Lektüre die Linguistik-Einführung »Deskriptive Linguistik: Grundlagen und Methoden« von Michael Dürr und Peter Schlobinski (2006) empfohlen wird. Dort findet sich wichtige Fachbegriffe erläutert, alternativ können auch Lexika zur Linguistik herangezogen werden.2 Eine weitere Besonderheit des Kurses besteht darin, dass das hier vermittelte K’iche’ keine der heute gesprochenen Varietäten der Sprache repräsentiert, sondern eine aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in lateinschriftlichen Quellen belegte. Die vermittelte ältere Sprachform kann allerdings auch gut als Einstieg in heutiges K’iche’ dienen, das mit ca. einer Million Sprechern eine der größten autochthonen Sprachen Amerikas ist. Diese Unter­richtsmaterialien werden in unregelmäßigen Abständen aktualisiert.3 Sie werden durch Grammatikübungen ergänzt, die an den Ablauf des jeweiligen Kurses angepasst werden und daher über die E-Learning-Plattform der FU4 online angeboten werden. Dort finden sich neben den Übungen auch ergänzende Materialien wie Tonaufnahmen mit verschrifteten Sprachproben für heutiges K’iche’ (einfache Sätze und Texte). 1 Der Kurs wechselt mit einem Kurs zum Ch’ol, einer anderen Maya-Sprache, die in Chiapas ge­­spro­ chen wird. Vorwort und allgemein einleitende Passagen (S. 6–11) sowie Passagen in den Lektionen 2.1, 5.5, 13.5 und im Anhang 2.1 sind in beiden Kursmaterialien in Teilen textidentisch. Die K’iche’-Materialien gehen ursprünglich auf Unterlagen zurück, die Hans-Jochen Thiel zu einer im Sommer­semester 1981 abgehaltenen Übung »Einführung ins Quiché« erarbeitet hat. Durch seinen frühen Tod im Herbst 1981 blieben sie ein Fragment, das von mir, teilweise unter Verwen­ dung von Passagen aus meiner Dissertation und anderen meiner Veröffentlichungen, mehrfach überarbeitet und erweitert wurde. Bei einer früheren Version von 1983/84 hat außerdem Berthold Riese mitgearbeitet. Sein Beitrag »Quellen und Hilfsmittel« wurde in der aktuellen Ausgabe aller­ dings nicht mehr aufgenommen, da sich die Quellenlage durch neue wichtige Editionen kolonialer Quellen und neuere sprachwissenschaftliche Arbeiten seit damals erheblich geändert hat. 2 Auch online zu finden, z. B. http://www.mediensprache.net/de/basix/lexikon/ 3jeweils aktuelle Fassung: http://home.snafu.de/duerr/PDF_Doku/Kichekurs.pdf 4 Zugang für registrierte Benutzer über https://lms.fu-berlin.de WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 6 WARUM SICH MIT INDIGENEN SPRACHEN BESCHÄFTIGEN? Fremdsprachenunterricht in Englisch und oft auch Spanisch oder Französisch ist im deutschen Schulsystem fest verankert. Aber trotz dieses Umstands, trotz Migration nach Deutschland aus vielen Ländern und trotz wirtschaftlicher Globalisierung wird die Wahrnehmung von Sprache hierzulande stark von der deutschen Schriftsprache als Norm geprägt. Große homogene Sprachgemeinschaften sind aber in der Menschheitsgeschichte eher die Ausnahme und bei näherer Betrachtung relativiert sich auch die vermeintliche Homogenität des Deutschen, die uns die in der Schule vermittelte Schriftsprache vorgaukelt, da die gesprochene Sprache verschiedene Dialekte und situationsabhängig gebrauchte Sprachregister umfasst. So gesehen bestimmt der Umgang mit sprachlicher Vielfalt den Alltag fast aller Menschen. Man schätzt, dass es heute etwa 6 000 verschiedene Sprachen gibt. Eine genaue Zahl lässt sich nicht angeben, da gerade bei wenig dokumentierten Sprachen ein Spielraum besteht, eng verwandte Varietäten entweder als Dialekte einer Sprache oder als verschiedene Sprachen zu klassifizieren. Während einige wenige Sprachen wie Chinesisch, Hindi, Spanisch, Englisch, Bengali, Portugiesisch, Russisch, Arabisch und Japanisch mehr als 100 Millionen Sprecher haben, werden viele Sprachen nur noch von wenigen älteren Personen gesprochen und sind in der natürlichen Tradierung an die nachfolgenden Generationen gefährdet. Der Erhalt sprachlicher und – noch umfassender – kultureller Diversität wurde angesichts dieser Situation, die oft mit der Gefährdung der Biodiversität verglichen wird, von der UNESCO zu einer wichtigen Aufgabe erklärt. In der Sozial- und Kulturanthropologie ist die Kenntnis der indigenen Sprachen eine notwendige Voraussetzung dafür, sich kulturellen Äußerungen einer Kultur angemessen zu nähern. In jeder Sprache manifestieren sich kulturspezifische Sichtweisen. Grammatik und Wortschatz lenken auf bestimmte Phänomene besondere Aufmerksamkeit, während Anderes in der Kommunikation tendenziell eher ausgeblendet wird. Die kommunikativen Praktiken stehen in Wechselwirkung zum präferierten Umgang einer Kultur mit ihrer Umwelt und mit kulturellen Situationen und Artefakten, determinieren aber keinesfalls diesen Umgang. Ebenso spielt das Aufbrechen eingefahrener Sichtweisen unserer eigenen Kultur auf Sprache(n) und Kommunikationssituationen eine Rolle, die vor allem von Schriftsprache und formeller Schulausbildung geprägt sind. Für das Verständnis einer unserem eigenen sprachlichen und kulturellen Hintergrund eher fernen indigenen Sprache sind sprachwissenschaftliche Grundkenntnisse erforderlich, die auf Begriffen der Schulgrammatik aufbauen, diese aber durch eine allgemeingültige Terminologie und Methodik erweitern. Sie bieten das Rüstzeug, sich später auch selbst in eine fremde Sprache einarbeiten zu können. Außerdem zeichnen sich bestimmte Ansätze der Sozial- und Kulturanthropologie durch ihre Nähe zu sprachwissen­schaftlichen Methoden aus, so z. B. der Strukturalismus, die Verwandtschaftsethnologie oder die Kognitive Anthropologie. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 7 EINLEITUNG 1. Das K’iche’: verwandte Sprachen und interne Gliederung der Dialekte Das K’iche’ gehört zu den Mayasprachen, einer Sprachfamilie, die im südlichen Mexiko, in Guatemala, Belize und dem westl. Honduras verbreitet ist und deren etwa dreißig Sprachen von mehr als 4 Millionen Menschen gesprochen werden (s. Karte 1 und Kasten S. 9).1 Im Hochland von Guatemala gibt es den östlichen Zweig, der sich aus den Mam-Sprachen (ca. 500 000) mit den Hauptsprachen Mam und Ixil sowie den Quiche-Sprachen (ca. 2 500 000) mit den Hauptsprachen K’iche’, Kaqchikel und Q’eqchi’ zusammensetzt. Anderen Zweigen der Mayasprachen gehören u. a. an: Yukatekisch (ca. 800 000) und die Tzotzil- (ca. 850 000 mit den Einzelsprachen Tzotzil und Tzeltal) und Ch’ol-Sprachen (ca. 260 000 mit Ch’ol, Chontal und Ch’orti’). Wie sich anhand der Mayaschrift belegen lässt, waren Sprecher früher Formen der Ch’ol-Sprachen und des Yukateki­schen Träger der klassischen Maya-Kultur. Huasteken N Golf von Mexiko Yucatán Quintana Roo Mexiko Stadt MEXIKO Campeche Tabasco Mayavölker BELIZE Chiapas GUATEMALA Pazifischer Ozean Guatemala Stadt HONDURAS EL SALVADOR Karte 1: Maya-Gebiet in Mesoamerika Yukatekisch Chontal Chol Tzotzil Itzaj Tzeltal Mopan Tojolabal Lacandon Q’eqchi’ Q’anjob’al Ixil Mam K’iche’ Poqom Kaqchikel Ch’orti’ Karte 2: Mayasprachen (nach England 1994) 1 Nach den offiziellen Statistiken für Mexiko (2012) und Guatemala (2002). Andere, geschätzte Angaben liegen z. T. erheblich höher. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 8 Mayasprachen (Nach Campbell and Kaufman 1985) Huastecan 1. Huastec 2. Chicomuceltec [extinct] Veracruz, San Luis Potosí Chiapas Yucatecan-Core Mayan A. Yucatecan 1.Yucatec-Lacandón 1.1. Yucatec 1.2. Lacandón 2.Mopán-ltzá 2.1. Mopán 2.2. Itzá (Itza’) [obsolescent] Yucatán, Campeche, Quintana Roo; Belize; Petén, Guatemala Chiapas Petén, Guatemala; Belize Petén, Guatemala B. Core Mayan 3. Cholan-Tzeltalan (Greater Tzeltalan, Greater Tzotzilan) 3.1.Cholan 3.1.1.Chol-Chontal 3.1.1.1.Chol (Ch’ol) Chiapas 3.1.1.2.Chontal Tabasco 3.1.2.Chortí-Choltí 3.1.2.1.Ch’orti’ (Chorti) Zacapa, Guatemala 3.1.2.2.Choltí [extinct] Guatemala 3.2. Tzeltalan (Tzotzilan) 3.2.1.Tzeltal Chiapas 3.2.2.Tzotzil Chiapas 4. Q’anjob’alan-Chujean (Greater Kanjobalan) 4.1.Q’anjob’alan 4.1.1.Q’anjob’al-Akateko-jakalteko 4.1.1.1.Q’anjob’al (Kanjobal) Guatemala 4.1.1.2.Akateko (Acatec) Guatemala 4.1.1.3.Jakalteko (Jacaltec) Guatemala 4.1.2.Motocintlec (with Tuzantec [obsolescent]) 4.2.Chujean 4.2.1. Chuj Guatemala 4.2.2.Tojolabal Chiapas 5. K’ichean-Mamean (Eastern Mayan) 5.1. K’ichean (Quichean) Guatemala 5.1.1.Q’eqchi’ (Kekchí) 5.1.2.Uspanteko (Uspantec) 5.1.3.Poqom-K’ichean 5.1.3.1.Poqom 5.1.3.1.1.Poqomchi’ (Pokomchí) 5.1.3.1.2.Poqomam (Pokomam) 5.1.3.2.Core K’ichean 5.1.3.2.1.K’iche’ (Quiché) 5.1.3.2.2.Kaqchikel-Tz’utujil 5.1.3.2.2.1.Kaqchikel (Cakchiquel) 5.1.3.2.2.2.Tz’utujil (Tzutujil) 5.1.3.2.3.Sakapulteko (Sacapultec) 5.1.3.2.4.Sipakapense (Sipacapa, Sipacapeño) 5.2.Mamean 5.2.1.Teco-Mam 5.2.1.1.Teco (Tektiteko) Chiapas; Guatemala 5.2.1.2.Mam Guatemala; Chiapas 5.2.2.Awakateko-Ixil 5.2.2.1.Awakateko (Aguacatec) Guatemala 5.2.2.2.Ixil Guatemala WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 9 HISTORISCHE LINGUISTIK DER MAYASPRACHEN Sprachen können sich im Laufe der Jahrhunderte in ihrem Lautbestand, ihrer Grammatik und ihrem Wortschatz mehr oder weniger stark verändern. Oft spielt dabei der Kontakt mit anderen Sprachen eine Rolle. Vor allem Sprachen, die politisch oder wirtschaftlich eine Region dominieren, hinterlassen deutliche Spuren in den anderen Sprachen der Region. Seit dem 16. Jahrhundert wirkte sich so im Maya-Gebiet das Spanische aus. Derartige Veränderungen erlauben es, Sprachen miteinander in Beziehung zu bringen. Wenn sich ausreichende Ähnlichkeiten nachweisen lassen, werden Sprachen als ›verwandt‹ bezeichnet. Wichtige Methoden, um eine Sprachverwandtschaft festzustellen, sind dabei v. a.: 1.Lautentsprechungen: Ergibt der Vergleich einer ausreichenden Anzahl von Wörtern regelmäßige Entsprechungen bei den Lauten (für Mayasprachen s. Tabelle), so kann von einer Sprachverwandtschaft ausgegangen werden. Mit Hilfe der Systematisierung solcher Regeln werden Sprachen innerhalb einer Sprachfamilie zu Untergruppen zusammen­gefasst, was oft in Form eines Stammbaums (für Mayasprachen s. Abbildung auf der nächsten Seite) dargestellt wird. In ähnlicher Weise lassen sich auch Elemente der Grammatik vergleichen. Eine Sprachverwandtschaft gilt als gesichert, wenn sich anhand der Entsprechungen ein plausibles Bild der den Sprachen gemeinsamen Vorläufersprache (bzw. -sprachstufen) rekonstruieren lässt, die sogenannte Proto-Sprache. 2. Entsprechungen bzw. signifikante Abweichungen im Wortschatz: Durch den Wortschatz, der sich z. B. auf Landwirtschaft oder bestimmte Tiere und Pflanzen bezieht, lassen sich Rückschlüsse über Merkmale der Kultur, Lebensweise und Umwelt der Vorläufer­ sprachen ziehen. So weist die fast allgemeine Verbreitung von Wörtern zum Maisanbau etc. deutlich auf eine entsprechende Lebensweise der frühesten Sprecher von Maya­ sprachen hin. In den indogermanischen Sprachen haben dagegen eher Begriffe aus der Viehzucht einen gemeinsamen Ursprung. 3. Entsprechungen im Wortschatz (2): Auf Grund einer definierten Liste von Begriffen kann ein Prozentsatz von Übereinstimmung zwischen zwei Sprachen errechnet werden, aus dem auf die zeitliche Tiefe der Trennung der beiden Sprachen geschlossen wird. Auch wenn mit Zahlen operiert wird, dürfen die Ergebnisse gerade der zuletzt genannten Methode nicht als exakt im naturwissenschaftlichen Sinn verstanden werden. Es liegt in der Natur der verwendeten Methoden, dass auch die sorgfältigsten Studien zwar zu einem plausiblen Bild der Vergangenheit beitragen können, aber nur Indiziencharakter haben und keine sicheren Beweise liefern. Ähnlichkeiten können durch längeren Kontakt auch zwischen nicht verwandten Sprachen entstehen. Die Ausbildung der (später ›klassischen‹) Maya-Tieflandkultur fand so in engem Kontakt mit frühen Formen der benachbarten Mixe-Zoque-Sprachen statt, von denen Kulturwortschatz übernommen wurde und die aus diesem Grund auch als Träger der frühesten mesoamerikanischen Hochkulturschicht (Olmeken) identifiert wurden. Es werden nicht nur Wörter entlehnt, sondern auch Artikulationsweisen von Lauten und grammatische Konstruktionsmuster. So haben die verschiedenen Mayasprachen eine Reihe von Merkmalen mit anderen Sprachen im Kulturraum Mesoamerika gemeinsam. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 10 Beispiele für Lautentsprechungen Als Beispiele sind neben dem K’iche’ mit Yukatekisch und Ch’ol zwei Sprachen aus anderen Zweigen der Mayasprachen gewählt worden. Für diese Zweige gibt es nicht nur heutige Vertreter, sondern auch fast 2000 Jahre alte Belege in Hieroglyphenschrift. Proto-Maya1 YukatekischCh’ol 1. *kar »Fisch« kay chäy 2.*q’ahq’»Feuer« k’aak’ k’ahk 3.*q’an »gelb« k’an k’an 4.*ra[’]x »(blau-)grün« yax yax 5.*kaq »rot« chak chak 6.*saq »weiß« sak sak 7. *ixi[’]m»Mais« ixim ixim 8.*juun »eins« jun jun 9.*oox »drei« ox ox 10.*utz »gut« utz utz 11.*ahq’ab’ »Nacht« ak’ab’ ak’äl(al) 12. *winaq »Person, Mann« winik winik 13. *ix-oq »Frau« ko’lel, ixch’up (x’)ixik 14.*iin »ich« t-een (jon)on 15.*at »du« t-eech (jon)et 16. *o’nh »wir« t-o’n (jon)on la, (jon)on lojon 17. *q’iinh »Sonne, Tag« k’iin k’in 18.*q’ab’ »Hand« k’ab’ k’äb’ 19. *atyooty»Haus« otoch otot 20.*tya »Präposition« ti ti K’iche’ kar q’aaq’ q’an rax kaq saq ixim jun ox utz aq’ab’ winaq ixoq in at oj q’iij q’ab’ ochoch chi Die Abweichungen zeigen weitgehende Regelmäßigkeit, z. B.: *k *k’ *q *q’ *r *nh k (bzw. ch) k’ (bzw. ch’) k k’ y n ch ch’ k k’ y n (ñ) k k’ q q’ r j Bei den Vokalen wird die Abfolge *ah (bei 2.) teilweise zu einem Langvokal, Kurzvokale (wie in 11. und 18.) werden nicht nur im Ch’ol, sondern auch in etlichen Dialekten des K’iche’, teilweise zu einem kurzen hohen zentralen Vokal (oft ä geschrieben). Daneben gibt es auch spezifische Veränderungen, z. B. wurde im Ch’ol das Pronomen der ersten Person Singular *iin durch das der ersten Person Plural *o’nh ersetzt, die Pluralform wird durch die zusätzlichen Elemente -la bzw. -lojon gebildet (Nr. 14. und 16.), die sich bezüglich »inklusiv« – »exklusiv« unterscheiden (Angesprochener wird ein- bzw. ausgeschlossen). In einigen Fällen werden andere Wörter verwendet. 1 Der Stern kennzeichnet in der Sprachwissenschaft u. a. für ältere Sprachstufen rekonstruierte Formen. Die Beispiele folgen, teilweise etwas vereinfacht, der Rekonstruktion von Kaufmann (2003). Zu den verwendeten Sonderzeichen vgl. Anhang 2 zu Phonologie und Orthographie. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 11 K’iche’1 bildet mit benachbarten Sprachen wie Q’eqchi’, Poqom, Kaqchikel u. a. zusammen die Poqom-K’ichean-Untergruppe der Ost-Maya-Sprachen. Die Sprachen Kaqchikel, Tz’utujil, Sipakapense und Sakapulteko werden mit K’iche’ zur K’ichean-Familie (Campbell 1977: 69–73) im engeren Sinne zusammengefasst.2 Ihr Verbreitungsgebiet war und ist vor allem das Hochland von Guatemala (s. Karte 2). Nach dem Zensus von 2002 hatte K’iche’ ca. 1 Million Sprecher (bei 1,4 Millionen ethnischer Selbstzuordnung) und machte somit etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung Guatemalas aus (11 237 196 Einwohner): „Muttersprache“ K’iche’ (im engeren Sinne) ethnische Selbstzuordnung 890 596 1 270 953 82 640 105 992 Sakapulteko 6 973 9 763 Sipakapense 5 687 10 652 Achi Der Anteil der K’iche’-Sprecher, die nur gebrochen oder so gut wie gar nicht Spanisch kön­ nen, ist in manchen Regionen hoch. Die heute gebräuchliche offizielle Sprachbezeich­nung ist K’iche’ oder K’ichee’. In älterer Literatur ist die Schreibung Quiché (seltener Qu’iche’) zu finden, bei der sich die Schreibung des K-Lauts vor i durch Qu noch an der Orthographie des Spanischen orientiert. Die interne Divergenz des K’iche’ ist relativ gering, es gibt eigentlich nur zwei Dialekt­ gruppen (Campbell 1977: 14–20). Dialekt- und Sprachgrenzen dürften nicht selten die historischen Verhältnisse der späten vorspanischen Zeit widerspiegeln (Campbell 1978: 27). Die Einteilung beruht auf einer überblickartigen Erfassung und ist daher provisorischer Natur. Die Einteilung der Südwestgruppe durch Fox (1968: 192) ist geographisch orientiert. Die mit einem Stern versehenen Orte Joyabaj und San Andrés Sajcabajá werden von Fox zur Südwestgruppe gerechnet, von Campbell zur Achí-Gruppe: 1. 2. Südwestgruppe (nach Fox 1968: 192): a) Nördliche Zone: Cunén b) Nordöstliche Zone: Santa Cruz Quiché, *San Andrés Sajcabajá, Chinique, u. a. c) Östliche Zone: Chichicastenango, *Joyabaj, u. a. d) Zentrales Hochland: Santa María Chiquimula, Momostenango, San Bartolo, u. a. e) Südwestliches Hochland: f ) Nahualá: Nahualá, Totonicapán, Santa Cruz Ixtahuacán, Santa Lucia Utatlán, u. a. g) Olintepeque: Cantel, San Cristobal, San Francisco el Alto, u. a. h) Küstenregion: Samayac, Cuyotenango, San Antonio Suchitepequez, Zunilito, u. a. Nordostgruppe, auch Achí genannt: a) Rabinal, San Miguel Chicaj, u. a. b) Cubulco, u. a. Die Einteilung durch das SIL ist weitgehend identisch (Quelle: www.ethnologue.org): 1.Quiché a. Quiché, Central: Central highlands. b. Quiché, Cunén: Quiché Department. Alternate names: Northern Quiché, Chuil Quiché, Cunenteco Quiché. c. Quiché, Eastern, Chichicastenango: Includes Chichicastenango and Chiché. Alternate names: East Central Quiché. 1 Von hier bis Ende des Abschnitt 2. auf S. 15 beruht der Text im Wesenltichen auf Dürr (1987: 1–6). 2 In der englischsprachigen Literatur gibt es die Bezeichnung K’ichean oder Quichean auf zwei Ebenen, einmal als eine der beiden Haupt-Untergruppen der Ost-Maya-Sprachen, und zum anderen im engeren Sinne als Bezeichnung für die angeführten Sprachen (z. T. als »Quichean Proper« oder »Core K’ichean« unterschieden). Die Sprachen Sipakapense und Sakapulteko wurden in der älteren Literatur unter K’iche’ mit eingeschlossen. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 12 d. Quiché, Joyabaj: Quiché Department. e. Quiché, San Andrés: Quiché Department. Alternate names: San Andrés Sajcabajá Quiché. f. Quiché, West Central: Southwest of Lake Atitlán, Quezaltenango, and Totonicapan departments. Alternate names: Southwestern Quiché, Cantel Quiché. Dialects: Coastal Quiché, Western Quiché. 2.Achí a. Achí, Cubulco: Central area west of Rabinal, Baja Verapaz Department. b. Achí, Rabinal: Central Rabinal area, Baja Verapaz Department. Alternate names: Rabinal Quiché. Karte 3: Verbreitung des K’iche’ in Guatemala (Stoll 1884) WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 13 Die Datenlage für die Varietäten des K’iche’ hat sich durch eine Veröffentlichung des OKMAProjekts (2000) verbessert, allerdings wird dort kein neuer Gruppierungsversuch unter­ nommen. Im Zusammenhang mit der Einteilung der Dialekte sei noch auf eine Arbeit von Richards (1985) hingewiesen, nach der die Region um den Atitlán­see eine Übergangszone zwischen verschiedenen Dialekten des K’iche’, Kaqchikel und Tz’utujil darstellt. Das K’iche’ ist seit der Mitte des 16. Jahrhunderts durch Dokumente in lateinischer Schrift belegt. Mit der Verschriftung durch die Missionare gingen Normierungstendenzen einher, so dass die verschrifteten Texte kein exaktes Abbild der damals gesprochenen Sprache sein müssen, selbst wenn sie auch Belege für dialektale Variation liefern. In den vergangenen mehr als 450 Jahren hat der Sprachwandel zu einer Reihe von Änderungen geführt, so dass die älteren Texte für heutige Sprecher nur noch bedingt verständlich sind. Die Sprache hat sich aber nicht so stark verändert, wie dies z. B. beim Deutschen seit der Zeit der Lutherschen Bibelübersetzung geschehen ist. 2. Zur Geschichte der K’iche’ Mesoamerika ist ein Kulturraum, der das zentrale und südliche Mexiko, Guatemala, Belize und angrenzende Gebiete in Zentralamerika umfasst. Seit dem zweiten Jahrtausend vor Chr. bildeten sich dort verschiedene Hochkulturen aus, die trotz beträchtlicher kultureller und sprachlicher Vielfalt zahlreiche Kulturmerkmale gemeinsam hatten. Die K’iche’ waren Träger einer lokalen Kultur des Postklassikums (ca. 1000 bis 1520 nach Chr.), die von Zentralmexiko beeinflusst war. Seit dem 13. Jahrhundert bis zur Eroberung durch die Spanier (1524) spielten sie der Geschichte des Hochlands von Guatemala eine entscheidende Rolle. Durch die allmähliche Unterwerfung anderer Lokalzentren gelang es um die Mitte des 15. Jahrhunderts dem Ort Q’umarkaj1 große Teile des Sprachraums der K’iche’ und der Kaqchikel sowie weitere angrenzende Gebiete unter seine Kontrolle zu bringen (s. Karte 3). Diese lose, mit militärischer Gewalt aufrechterhaltene Herrschaft von Q’umarkaj, die sich auf Tributleistungen und Wohlverhalten der unterworfenen Fürsten­ Karte 3: Grenzen des K’iche’-Staates um 1450 (nach Carmack 1968) 1 Die koloniale Schreibung εumarcaah wird von Tedlock (1985: 359) als Q’umar-aq aj »verrottete Schilfrohre« analysiert, was der Bedeutung des aztekischen Namens des Ortes Utatlán nahe käme. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 14 tümer beschränkte, war jedoch zur Zeit der Eroberung durch die Spanier bereits im Nieder­ gang befindlich. Durch Iximche’, dem Zentrum der Kaqchikel, war ihm ein ernster Rivale entstanden und auch der Einfluss der zentralmexikanischen Azteken wurde spürbar. Die überregionale Bedeutung der K’iche’ war begrenzt, der K’iche’-Staat war selbst auf dem Höhepunkt seiner Macht nur einer von vielen Fällen, in denen es in Meso­amerika einem Zentrum (bzw. einem Bündnis von Zentren) gelungen war, Nachbar­territo­rien zeitweilig unter einer Herrschaft zusammenzufassen (Carmack 1981, Sachse 2000). Die Eroberung durch die Spanier brachte zahlreiche Veränderungen. Vor allem die indigene Oberschicht wurde von der neuen Situation hart getroffen – sie verlor nach und nach an Bedeu­tung. Weniger stark wirkte sich die neue Situation auf die Lebensumstände der einfachen Bauernbevölkerung aus. Auch heute noch leben die K’iche’ in der Hauptsache von Subsistenzlandwirtschaft und betreiben zur Deckung des Bedarfs an Geld einem bescheidenen Kleinhandel und saisonale Lohn­arbeit. Die dörfliche Lebensweise ist in vieler Hinsicht noch traditionell, insbesondere Ritual und Religion zeigen synkretistische Züge. Viele mesoamerikanische Kulturmerkmale, so z. B. der alte 260-Tage-Wahrsagekalender, sind erhalten geblieben, obwohl die meisten K’iche’ nominell Katholiken sind. Seit den 1990er Jahren haben Mayasprachen und -kulturmerkmale auf dem Hintergrund einer politischen Maya-Bewegung besonders in Guatemala eine stärkere Präsenz bekommen (Grube 2000). 3. Kolonialzeitliche Texte in K’iche’ In den Jahrzehnten nach der Eroberung durch die Spanier entstand in Mexiko und Guate­ mala eine mit dem lateinischen Alphabet niedergeschriebene Literatur in indigenen Sprachen. Spanische Ordensgeistliche, im K’iche’-Gebiet v. a. Dominikaner, stellten Wörter­ bücher und Grammatiken zusammen und übersetzten oder verfassten zur Missionierung religiöse Literatur. Aber auch Angehörige der alten indigenen Elite, die in Missionsschulen christianisiert und alphabetisiert worden waren, waren als Autoren aktiv. Sie schrieben zahlreiche Chroniken, Briefe und Testamente, aber auch Dokumente mit bilderschriftlichen Elementen, deren Ziel vor allem war, Ansprüche auf Landbesitz und Privilegien zu belegen. Die Blüte dieser Literaturproduktion lag in der zweiten Hälfte des 16. und im frühen 17. Jahrhundert. Ihr plötzliches Einsetzen hängt sicherlich damit zusammen, dass es in Meso­ amerika bereits in vorspanischer Zeit eine Schrift- und Buchkultur gab, die zur Herrschafts­ legitimierung eingesetzt wurde. Die größte Anzahl derartiger Texte ist aus dem Hochland von Mexiko in aztekischer oder Nahuatl-Sprache überliefert. Aber auch für andere meso­ amerikanische Sprachen gibt es mehr oder weniger umfangreiche Textüber­lieferungen, unter denen die erhaltenen K’iche’-Dokumente quantitativ und qualitativ herausragen. Die größte Textgruppe bilden die sogenannten »Títulos«. Es handelt sich um Rechts­doku­ mente – die Gattungsbezeichnung »Título« ist so im Sinne von »Rechtstitel« zu verstehen. Sie enthalten die vorspanische Geschichte einzelner Abstammungsgruppen der K’iche’, um so in der kolonialen Gesellschaft Rechtsansprüche – auf Landbesitz und Privilegien – bestimmter Oberschichtfamilien zu legitimieren. Wie die Wiederauffindung des lange Zeit nur in spanischer Übersetzung bekannten »Título de Totonicapán«, des umfangreichsten und wichtigsten Dokuments dieser Gruppe, durch Robert Carmack in Totonicapán 1973 zeigte, werden solche Bücher in einigen indigenen Gemeinden bis heute aufbewahrt. Obzwar literarisch und umfangmäßig herausragend, fügt sich auch das »Popol Wuj« vom formalen Aufbau und vom Inhalt her in diese Textgruppe (siehe unten). Da für das WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 15 sprachlich eng verwandte Kaqchiquel mit den »Anales de los Cakchiqueles« u. a. Texten vergleichbare Dokumente existieren, lassen sich etliche Ereignisse auch aus Sicht eines mit den K’iche’ rivalisierenden Volkes darstellen. Eine weitere Textgruppe sind Tanzdramen, von denen vor allem das bis heute in Rabinal aufgeführte Stück Rabinal Achi erwähnenswert ist (Breton 1999, Tedlock 2003). An kleineren Texten sind Testamente und Briefe mit rechtlichen, administrativen, gelegentlich aber auch privaten Inhalten erhalten (Zimmermann 1956). Es sind auch einige Wahrsage­ handbücher erhalten, die den vorspanischen 260-Tage-Kalender behandeln (Edmonson 1997, Weeks, Sachse and Prager 2009). 4. Das Popol Wuj1 In diesem Kontext entstand nach 1550 das Popol Wuj. Es wurde in K’iche’-Sprache mit lateinischen Buchstaben niedergeschrieben und ist nur in einer Abschrift aus der Zeit um 1700 erhalten. Popol Wuj hat etwa die Bedeutung »Buch der Herrschaft«: pop »Matte (ein Symbol der Herrschaft, genauer der Ratsversammlung, deren Mitglieder auf geflochtenen Matten sitzen)« +ol »Abstraktum« und wuj »Buch«. Die Schreibung Popol Wuj (teilweise auch Poopol Wuuj oder Pop Wuj) folgt der offiziellen Orthographie für Mayasprachen in Guatemala, häufiger wird aber – nach der kolonialzeitlichen Schreibung im Manuskript selbst – Popol Vuh verwendet. Das Werk hat die mythische Geschichte des K’iche’-Volkes zum Thema; seine Bekanntheit dürfte auf die starke Betonung vorspanischer Mythen zurückzuführen sein, die mehr als die Hälfte des Popol Wuj ausmachen und es von anderen K’iche’-Texten unterscheiden. Entsprechend dem indigenen Geschichtsverständnis beginnt der Text mit der Schöpfung, um nach der Erschaffung der ersten wirklichen Menschen in die anfangs noch legendenhafte Geschichte des K’iche’-Volkes und seiner Fürsten überzugehen: 1. Zunächst scheitern die Versuche der Götter, Wesen zu schaffen, die sie verehren; weder die Tiere, noch die Wesen aus Schlamm und Holz beten zu den Göttern, weshalb sie von der Kultur ausgeschlossen oder vernichtet werden. 2. In einem langen Einschub ordnen die Kulturheroen Junajpu und Xb’alanke die Welt: sie töten den überheblichen Wuqub’ Kaqix und seine beiden Söhne Sipakna und Kab’raqan. Dann besiegen sie die Herrscher von Xib’alb’a, einer Art Unterwelt, um schließlich zu Sonne und Mond zu werden. 3. Nach diesem Einschub wird die Schöpfungsgeschichte mit der Erschaffung der ersten Menschen aus Mais und dem ersten Sonnenaufgang vollendet. Die ersten Menschen, die Ahnväter der K’iche’, verehren die Götter und machen die Schöpfung nunmehr zu einem Erfolg. Sie breiten sich aus und unterwerfen im Auftrag ihres Patronatsgottes Tojil die Nachbarvölker. 4. Nach dem Tod der Ahnväter wird die Wanderung der K’iche’ erzählt, die in ihrer letzten Hauptstadt Q’umarkaj endet, von der aus sie bis zur Eroberung durch Pedro de Alvarado im Jahre 1524 herrschen. Das Popol Wuj schließt mit der Aufzählung der einzelnen Fürstenfamilien. 1 Dieser Absatz ist eine aktualisierte deutsche Fassung eines kurzen Texts zum Popol Wuj, der in spanischer Fassung in Hoja al Viento, núm. 4 (1994): 27-30 erschienen ist. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 16 Anders als in verwandten kolonialzeitlichen Texten, wie z. B. dem Título de Totonicapán, distanziert sich der Autor des Popol Wuj nicht von den vorspanischen Traditionen. Im Gegenteil, er schreibt sie ausführlich nieder und macht die indigene Religiosität zu einem Leitmotiv des Werkes. Auf dieser Grundlage werden die vorspanischen Verhältnisse gerecht­ fertigt und die Herrschaft der K’iche’ legitimiert. Im Popol Wuj wird eine Heilsgeschichte mit den K’iche’ als auserwähltem Volk entworfen, die als eine bewusste Gegenposition zur christlichen Heilsgeschichte formuliert sein dürfte (Dürr 1989). Der Autor stellt der christlich-kolonialen Sicht seine eigene Argumentation entgegen. Der Text ist somit trotz vieler vorspanischer Elemente nicht authentisch vorspanisch, da er die koloniale Situation reflektiert. Andererseits ist er aber auch nicht synkretistisch, da christliche Glaubensinhalte und doktrinale Diskurse zwar einfließen, jedoch vor allem, um sich von ihnen abzugrenzen. Der Verfasser des Popol Wuj entschied sich aus der Kenntnis beider Kulturen heraus für einen Standpunkt, der im kolonialen Guatemala unbequem und für ihn persönlich nicht ungefährlich war. Das Popol Wuj erhält seinen besonderen literarischen Wert gerade aufgrund der kreativen Verarbeitung des kulturellen Kontaktes. Mit einer solchen Betrachtungsweise wird man dem Werk auch eher gerecht als mit der leider allzu verbreiteten ausschließlichen Nutzung als Steinbruch für indigen-vorspanisches Gedankengut. Die wichtigsten Editionen des Popol Wuj sind in englischer Sprache Christenson (2003) und Tedlock (21996) sowie in deutscher Sprache Schultze Jena (21972). Sowohl der K’iche’Linguist Sam Colop (1999 bzw. span. 2008) als auch Christenson (2004, 2007) bieten eine rekonstruierende Transkription des K’iche’-Texts in moderner Orthographie. 1973 erschien in Guatemala eine von Estrada Monroy herausgegebene Faksimile-Ausgabe des einzigen bekannten Manuskripts, das in der Newberry Library in Chicago aufbewahrt wird. Ein elektronisches Faksimile des Manuskripts findet sich online unter: http://library.osu.edu/ sites/popolwuj/. Es gibt eine Vielzahl weiterer Editionen des Popol Wuj, die alle mehr oder weniger proble­matisch sind.1 Aber selbst die besseren Übersetzungen können immer nur mehr oder weniger gute Annäherungen an den Wortlaut in der Originalsprache sein. Seit der Entstehung des Werks im 16. Jahrhundert hat sich das K’iche’ soweit verändert, dass für heutige K’iche’-Sprecher Grammatik und Wortschatz an einigen Stellen nicht mehr verständlich sind. Dies betrifft v. a. den aus der indigenen Elitekultur eingeflossenen Wortschatz, aber auch doktrinale Prägungen der Missionare. Es ist daher eine ständige Herausforderung, bei der Übersetzung des Popol Wuj das sprachliche und kulturelle Wissen heutiger K’iche’ mit dem dokumentierten, in vielerlei Hinsicht fragmentarischen Wissen über kolonialzeitliche Sprachformen auf angemessene Weise zu verbinden. Schwierig ist u. a. auch die Berücksichtigung der Informations- und poetischen Strukturen im Popol Wuj, für die weder Absätze in Blocksatz noch – den Lesefluss eher behindernde – Kurzzeilen mit Einrückungen als Präsentationsform durchgängig geeignet sind. 1 Beispielsweise stellt die in Mexiko und Guatemala verbreitete Ausgabe von Abreu Gómez die Abfolge der Passagen völlig um und schmückt den meist eher knappen Wortlaut der zitierten Reden romantisierend oder pathetisch aus. Von solchen schlechten Editionen ist die Rezeption des Popol Wuj leider nicht selten geprägt. So werden z. B. in der von Elisabeth Burgos herausgegebenen Lebensgeschichte der K’iche’-stämmigen guatemaltekischen Friedens­ Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchú einigen Kapiteln vermeintliche Zitate aus dem Popol Wuj vorangestellt, die nach Abreu Gómez zitiert werden, aber so im Originaltext nicht vorkommen. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 17 LITERATURVERZEICHNIS AKKEREN, RUUD van 2003 Authors of the Popol Vuh. 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Für die Behand­lung der Aussprache ergeben sich daraus eine Reihe von Schwierigkeiten, so dass die exakte Lautung jener K’iche’-Varietäten, die im Popol Wuj und anderen älteren Quellen vorliegen, nicht immer zweifelsfrei zu ermitteln ist. Dies gilt vor allem für heute nicht mehr gebräuchliche Wörter v. a. aus dem religiösen und mit Elite-Aktivitäten verbundenen Wortschatz. Hinzu kommt noch, dass sich eventuelle Schreibfehler von Schreibvarianten und Schreibermanieren kaum unter­scheiden lassen. Um durch eindeutige und konsistente Schreibung die Lautung der Wörter besser erlernbar zu machen und den Vergleich mit moderne Sprachmaterialien zu erleichtern, wird trotz gewisser interpretierender Unsicher­heiten die Schreibung im Folgenden an die in Guatemala gebräuchliche offizielle Schreibung heutiger Maya­sprachen angeglichen. Die Schreibung orientiert sich an den norma­lisierten Ausgaben des Popol Wuj von Sam Colop (1999) und Christenson (2004). Zu den kolonialzeitlichen Schreibungen sei auf die Darstellung und die Beispiele im Anhang 2 verwiesen. Dort sind auch die Lesestücke (ab Lektion 9) noch einmal in den jeweiligen Manuskripten verwendeten Orthographie wiedergegeben. 1.2 Aussprache Die nachfolgende tabellarische Übersicht erläutert die Verschriftung und die ungefähre Aussprache der Laute des K’iche’ ausgehend vom Deutschen: Beispiele: awie aam »Spinne« b’ besonderer Laut ähnlich wie b, kann hilfsweise wie deutsches b ausgesprochen werden (zur Ausprache der Buchstaben mit Apostroph siehe unten) b’alam »Jaguar«, ab’ »Hängematte« chwie tsch in Matsch chikop »Tier«, achij »Mann« ch’ wie voriger Laut, aber mit zusätzlichem Stimmabsatz (siehe unten) ewie eetal »(An-)Zeichen« iwie iixim »Mais« jwie ch in Dach (immer hinteres ch, nie vorne ausgesprochen wie in dich) jab’ »Regen«, xajoj »Tanz« kwie k in Kind oder Kette (immer vorderes k wie vor e und i, nie hinteres k wie in Kopf oder Kutte), im Anlaut unbehaucht wie im Spanischen oder Französischen kar »Fisch«, kej »Hirsch«, kuk »Eichhörnchen« k’ wie voriger Laut, aber mit zusätzlichem Stimmabsatz (siehe unten) lwie llej »Tortilla« mwie mmam »Großvater« nwie nnim »groß«, anim »schnell« WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 23 Beispiele: owie ooj »Avocado« pwie p, im Anlaut unbehaucht wie im Spanischen oder Französischen pop »Matte« qwie k in Kopf oder Kutte (immer hinteres k wie vor o und u, nie vorderes k wie in Kind oder Kette), im Anlaut unbehaucht wie im Spanischen oder Französischen (siehe unten) qas »tatsächlich«, ixoq »Frau«, winaq »Mann« q’ wie voriger Laut, aber mit zusätzlichem Stimmabsatz (siehe unten) r wie einfach gerolltes spanisches r in pero rax »(blau)grün«, iwir »gestern« swie s in essen (immer hart, d. h. stimmlos, nie stimmhaft ausgesprochen wie in äsen) sanik »Ameise«, jas »was« twie t, im Anlaut unbehaucht wie im Spanischen oder Französischen tap »Flusskrebs«, tat »Vater« t’ wie voriger Laut, aber mit zusätzlichem Stimmabsatz (siehe unten) tz wie Z in Zeit oder tz in Katzetzij »Wort«, utz »gut« tz’ wie voriger Laut, aber mit zusätzlichem Stimmabsatz (siehe unten) uwie uutz »gut«, utiw »Kojote« w wie englisches w (»double-u«) mit deutlicher Lippenrundung, nie wie deutsches w wuj »Buch«, ulew »Erde« xwie sch in Schule xan »Lehmziegel«, rax »(blau)grün« ywie j in jayak »Fuchs«, poy »Puppe, Vogelscheuche« ’ wie der harte Stimmein- bzw. -absatz in ’ein ’Ei oder in ver-’eisen (im Unterschied zu verreisen), wird wie im Deutschen vor Vokal nicht geschrieben (siehe unten) Langvokale können jeweils durch Doppelschreibung ausgedrückt werden. Hierauf wurde in diesem Kurs aber, wie von der Academia de Lenguas Mayas de Guatemala empfohlen, verzichtet, da die Vokallänge in den verschiedenen heutigen Dialekten variiert und somit besonders unsicher in der Rekonstruktion ist. Sie hat zudem auch meist keine bedeutungs­ unterscheidende Funktion. Die Betonung der Wörter liegt fast immer auf der letzten Silbe. 1. 3 Zu den mit ’ kombinierten Lauten b’, ch’, k’, q’, t’ und tz’ und zur Unterscheidung der Laute k / k’ und q / q’ Die mit ’ geschriebenen Konsonanten b’, ch’, k’, q’, t’ und tz’ verbinden die entsprechenden einfachen Verschlusslaute mit dem Stimmabsatz, dem sogenannten Kehlkopf- oder Glottis­ verschlusslaut (englisch »glottal stop«). Verschlusslaute werden gebildet, indem der Atemstrom mit dem Zungen­rücken zunächst unterbrochen wird. Dann wird dieser Verschluss plötzlich gelöst. Sie unterscheiden sich durch die jeweilige Position des Zungenrückens – bei t liegt der vordere Zungenrücken am Zahndamm, beim k der mittlere Zungenrücken am weichen Gaumen. Bei den sogenannten glottalisierten Verschlusslauten wird zusätzlich (annähernd) zeitgleich der Atemstrom auch im Kehlkopf unterbrochen, was gegenüber dem Grundlaut eine härter klingende oder »knallende« Lösung bewirkt. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 24 Im Deutschen wird der einfache Glottisverschlusslaut automatisch vor jedem vokalisch anlau­tenden Wort oder Wortbestandteil gesprochen, wenn auch nicht geschrieben: ein Ei = ’ein ’Ei, vereisen = ver-’eisen (im Unterschied zu verreisen), die Fischart = Fisch-’art (im Unterschied zu dem Familiennamen Fischart). Dieser Laut bereitet daher im Anlaut und zwischen Vokalen kein Problem bei der Aussprache. Um die die glottalisierten Laute richtig aussprechen zu lernen, kann man sich damit behelfen, vor dem folgenden Vokal zunächst eine kurze Pause zu machen. Durch mehrfache, immer schneller werdende Wiederholung dieser Wörter erreicht man dann allmählich die richtige Aussprache: k’ay k’aj ch’ab’ t’uy tz’in »verkaufen« »Pulver, pulvrig« »Pfeil« »Kochtopf, Kessel« »Yucca« als deutsches K + ’Ei als deutsches K + ’Ach als deutsches Tsch + ’ab als deutsches T + ’Ui als deutsches Z + ’in Etwas schwieriger ist die Aussprache des Glottisverschlusslauts im Auslaut oder vor Konsonanten: ja’ »Wasser« im Unterschied zu: ja»Gebäude« tz’i’»Hund« xa’n »(Stech-)Mücke« im Unterschied zu: xan »Lehmziegel« po’t »gewebte Bluse (Huipil)« t’u’y »Kochtopf, Kessel« (regionale Variante neben t’uy) Hier kann man sich wiederum über den harten Stimmeinsatz im Deutschen annähern, indem man zunächst jeweils ja-’ e, tz’i-’ i, xa-’ en, po-’ et, t’u-’ iy spricht und den hilfsweise mitgesprochenen Vokal immer mehr reduziert. Besondere Aufmerksamkeit verlangt die Unterscheidung der vier verschiedenen Laute k – k’ und q – q’, bei denen es sowohl ein vorn wie auch ein hinten im Mundraum gebildetes Paar aus einfachem und glottalisiertem Verschlusslaut gibt. Diese beiden k-Laute gibt es auch im Deutschen. Sie werden allerdings im Sprachsystem nicht als verschiedene Laute behandelt, sondern sind umgebungsbedingt verwendete Varianten, die als ein und derselbe Laut wahrgenommen werden: Bei Kind oder Kette wird der Verschlusslaut k mit dem mittleren Zungenrücken am Übergang vom harten zum weichen Gaumen gebildet, da der Zungenrücken sich auch bei Aussprache des folgenden i bzw. e im vorderen Teil des Mund­raums befindet. Bei Kopf oder Kutte dagegen hebt sich der hintere Zungenrücken beim k und dem nachfolgenden Vokal weit hinten im Mundraum, fast schon am Zäpfchen. Die beiden Positionen, sprachwissenschaftlich nach dem weichen Gaumen (lat. velum) ›velar‹ und dem Zäpfchen (lat. uvula) ›uvular‹ genannt, sind im K’iche’ jedoch bedeutungs­ unter­scheidend. Ihre Aussprache passt sich nicht an den nachfolgenden Vokal an. Als Possessivpräfix bedeutet so vor einem vokalisch anlautenden Wort velares k- die dritte Person Plural, uvulares q- dagegen die erste Person Plural: k-ij k-oj k-ib’ k-onojel k-umal »ihre Rücken« »ihre Avocado(s)« »sie selbst« »sie alle« »durch sie« WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ q-ij q-oj q-ib’ q-onojel q-umal »unsere Rücken« »unsere Avocado(s)« »wir selbst« »wir alle« »durch uns« 25 Die schlagendsten Beispiele für die Notwendigkeit, auf diese vier verschiedenen Lauten und ihre Kombinationen zu achten, bieten (nach Mondloch 1978: 9): kaq »rot« k’aq»Fliege« k’ak’»neu« kak’ »ihr(e) Hühnchen« qak’ »unser(e) Hühnchen« kaq »ihr(e) Schwein(e)« qaq »unser(e) Schwein(e)« kaq’ »ihre Zungen« qaq’ »unsere Zungen« q’aq’»Feuer« kuk»Eichhörnchen« kuk »ihre Hemden« kuk’ »mit ihnen« q’uq’ »Quetzalvogel« quk quk’ »unsere Hemden« »mit uns« b’ wird im Unterschied zu den anderen glottalisierten Lauten vor Vokalen meist präglotta­ lisiert und nach der ruckartigen Lösung mit leichtem Einsaugen der Luft – bei leichter Lippenrundung – ausgesprochen. Im Wortauslaut und vor Konsonanten kommt wie im Deutschen gesprochenes b der Aussprache des K’iche’ ausreichend nahe. Im Auslaut zeigen einige Konsonanten Aussprachevarianten. Dies betrifft l, r, w und y mit jeweils stimmlosen bzw. enttonten Varianten, worauf hier nicht näher eingegangen werden soll (s. Anhang 2). Außerdem haben die Verschlusslaute k, q, p und t behauchte Varianten; dies ist spiegelbildlich zur uns gewohnten Behauchung dieser Konsonanten im Anlaut, z. B. Deutsch die Tat, gesprochen als That, K’iche’ tat »Vater« aber gesprochen als tath. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 26 LEKTION 2 2.1 Vorbemerkung Der Aufbau der Lektionen wird sowohl von der Ausrichtung dieses Kurses auf kolonial­ zeitliche Texte bestimmt als auch von den gegeüber dem Deutschen (und anderen euro­ päischen Sprachen) abweichenden grammatischen Strukturen der unterrichteten Sprache. Verben bilden im K’iche’ wie in den meisten Sprachen der Welt den typischen Kern von Aussagen und anderen Satztypen. Der Kern dessen, was ausgesagt wird, wird auch als Prädikat bezeichnet, wobei diese Funktion im K’iche’ anders als im Deutschen nicht zwingend mit einem finiten Verb oder Hilfsverb besetzt sein muss (s. 4.4). Verbale Prädikate zeichnen sich in vielen Sprachen durch die Komplexität ihrer Bildungs­ muster gegenüber anderen Bereichen der Grammatik aus. Im Deutschen und anderen europäischen Sprachen enthalten Verbformen so Informationen zu Person und Numerus des Subjekts sowie zu Tempus (Präsens oder Präteritum) und Modus (Indikativ oder Kon­ junktiv), z. B. ich spreche, sie sprechen, ich sprach, sie sprachen, ich spräche, sie sprächen, ... Derart variierte (konjugierte) Verbformen werden als finite Verbformen bezeichnet – im Gegensatz zu Infinitiv- und Partizipialformen. In der Grammatik des K’iche’ hat bei Verben die Unterscheidung zwischen –intransitiven Verben (verlangen ein Subjekt, können aber kein direktes Objekt haben wie gehen, schlafen) –und transitiven Verben (verlangen sowohl ein Subjekt als auch ein direktes Objekt wie machen, schlagen) eine zentrale Bedeutung. Verben bezeichnen ausschließlich Vorgänge und Handlungen, anders als im Deutschen aber keine Zustände (z. B. sitzen oder liegen, die im K’iche’ nicht durch finite Verbformen ausge­drückt werden). Der andere Haupt­bestandteil eines Satzes ist der Satzgegenstand, der Subjekt genannt wird. Das Subjekt eines Satzes wird typischerweise durch ein Nomen oder Pronomen ausgedrückt, wobei Nomina im K’iche’ anders als im Deutschen keine Kasusmarkierung (Nominativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv) aufweisen. Plural spielt in der Grammatik nur eingeschränkt eine Rolle und die im Deutschen so wichtige Kategorie Geschlecht (Genus) gar keine. Der Kurs beginnt mit der Behand­lung von intransitiven Verben in der dritten Person, die in der Erzählzeit, also der Ver­gangen­heit, verwendet werden und im Popol Wuj am häufigsten vorkommen. Die Konjugation der verschiedenen Verbtypen wird im Folgenden schrittweise eingeführt, wobei Verbformen im K’iche’ nach einem klaren Baukastenprinzip zusammengesetzt und damit relativ leicht erlernbar sind. 2.2 Intransitive Verben in der 3. Person der Vergangenheit Kennzeichen der Vergangenheit ist das Präfix x-, das vor dem Verbstamm steht. In die Position zwischen x- und dem intransitiven Verbstamm tritt die Markierung des Subjekts, und zwar durch e- »3. Person Plural«, wogegen die »3. Person Singular« unbe­zeichnet bleibt. Für die »3. Person Singular« wird das Symbol Ø- (durch­strichene Null) ver­wen­det, da bei der 3. Person Singular das Fehlen eines Vokals oder Konsonanten zwischen x- und dem Verbstamm eindeutig die 3. Person Singular kennzeichnet. Bei allen ande­ren Personen tritt WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 27 an diese Position ein Lautelement wie e- »3. Person Plural« (1. und 2. Perso­nen werden in Lektion 11 behandelt). Es ergibt sich so für intransitive Verbformen das folgende Schema: Vergangenheit Subjekt Verbstamm Modalsuffix x- Øe- intransitiver Verbstamm -ik Die Prä- bzw. Suffixe der Verbflexion werden innerhalb eines Wortes normalerweise zusam­ men­geschrieben, hier jedoch zur besseren Verständlichkeit mit Bindestrichen abgetrennt: ik’ow »vorbeigehen« x-Ø-ik’ow(-ik) x-e-ik’ow(-ik) b’e »gehen« x-Ø-b’e(-k) x-e-b’e(-k) pe(t) »kommen (von)« x-Ø-pe / x-Ø-pe(t-ik) x-e-pe / x-e-pe(t-ik) ok »eintreten« x-Ø-ok / x-Ø-ok(-ik) x-e-ok / x-e-ok(-ik) kam »sterben« x-Ø-kam(-ik) x-e-kam(-ik) »er/sie ging vorbei« »sie gingen vorbei« »er/sie ging« »sie gingen« »er/sie kam« »sie kamen« »er/sie trat ein« »sie traten ein« »er/sie starb« »sie starben« Bei der 3. Person Singular wird nicht nach natürlichem (oder grammatischem) Geschlecht unterschieden. Sie muss im Deutschen aber jeweils abhängig vom Bezug mit »er«, »sie« oder »es« übersetzt werden. 2.2.1 Die An- bzw. Abwesenheit des in Klammern gesetzten intransitiven Modalsuffixes -ik ist nur im Satzgefüge verständlich und wirkt sich auf die Übersetzung der Form nicht aus. -ik steht, wenn die Verbform vor einer Sprechpause steht. Verbformen auf -ik können vollständige Sätze sein. 2.2.2 Die typische Gestalt eines intransitiven Verbstamms ist KVK (Konsonant–Vokal–Kon­­ sonant), z. B. kam »sterben« oder wa’ »essen (intransitiv)« in x-e-wa’-ik »sie aßen«. Daneben finden sich vokalisch anlautende einsilbige Stämme wie ok »eintreten« sowie mehrsilbige Stämme wie kikot »sich freuen«1 oder ik’ow »vorbeigehen«. Nur einige wenige, allerdings besonders häufig gebrauchte Verben weisen Unregel­mäßig­ keiten auf. Das Verb cha’ »sprechen« erscheint nie mit dem Modalsuffix -ik. Bei b’e(-k) »gehen« wird das Suffix -ik nach dem vokalisch aus­lautenden Stamm zu -k verkürzt. Bei pe/pet-ik »kommen« liegt einer der wenigen unregelmäßigen Verbstämme des K’iche’ vor; das auslautende t erscheint, wenn bestimmte Suffixe wie das Modalsuffix -ik folgen. 2.3 Modalpartikeln am Verb Der Verbform ohne -ik kann ein nachgestelltes Element wi unmittelbar nachfolgen. Es betont vor allem den Ort oder die Richtung bzw. Gerichtetheit einer Handlung bzw. eines Vorgangs (Näheres s. 5.6) und kann meist unübersetzt bleiben. Einige Beispiele: xb’e wi, xeb’e wi, xpe wi, xkam wi oder xeik’ow wi (Übersetzung wie oben unter 2.2). 1 Dieses Verb ist im K’iche’ intransitiv und nicht reflexiv wie in der deutschen Übersetzung. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 28 Neben wi gibt es eine Reihe anderer sogenannter Modalpartikeln, die ebenfalls un­mittel­ bar hinter das Verb (ohne -ik) treten. Die häufigsten sind chi(k) »schon, noch, wieder« k’u(t) »nun, (und) dann, folglich« und (nay) pu(ch) »und auch, sowohl als auch«. Unter (nicht näher fass­baren) Bedin­gungen, vor allem vor anderen Modalpartikeln, verlieren sie den auslautenden Konsonanten, der daher in Klammern gesetzt ist. Mehrere dieser Partikeln (einschließlich wi) können zusammen vorkommen, vor allem Zusammen­ziehungen mit chik wie chi wi, chi k’u(t) (verschmolzen aus chik + k’ut): x-Ø-pe k’ut x-e-kikot chik x-Ø-b’e puch x-e-ik’ow chi wi k’ut x-e-ok chi k’ut x-Ø-kam nay puch »dann kam er/sie« »sie freuten sich wieder« »und er/sie ging« »dann sie gingen noch (daran) vorbei« »da traten sie dann ein« »und so starb auch er/sie« Die Übersetzung der Modalpartikeln, die die jeweilige Satzaussage auf die eine oder andere Weise an Vorerwähntes anschließen, ist nur aus dem jeweiligen Kontext heraus möglich. Die Häufigkeit der Verwendung und die Vielschichtigkeit der Bedeutung macht sie mit den Abtönpartikeln des gesprochenen Deutschen vergleichbar: »Nun komm’ doch endlich – Ich komm’ ja schon, aber ich verquatsch’ mich halt mal gern ...« 2.4 Satzeinleitende Partikeln Vor dem Verb stehen oft satzeinleitende (und satzver­knüpfende) Partikeln. Es sind dies vor allem k’ate »(darauf ) dann«, das eine neue Sinneinheit einleitet, und das einfach weiter­ führende (zeitlich anknüpfende) ta »und (als), da«: k’ate k’ut x-e-b’e chik k’ate puch ta x-e-ul-ik ta x-Ø-pe k’ut ta x-Ø-b’e puch »darauf dann gingen sie« »und dann kamen sie (her)« »da kam er/sie« »da ging er/sie« Die unter 2.3 behandelten Modalpartikeln stehen in der Regel nach dem ersten Wort im Satz, d. h. sie können auch hinter k’ate treten und nicht hinter das Verb. Neben k’ate und ta können weitere Elemente den Satz einleiten wie das einschränkende xa »nur, aber« (und Ableitungen wie xa wi u. a.): xa x-e-cha’ xa wi x-e-ik’ow chik 2.5 »sagten sie nur (nach zitierter Rede gebraucht)« »aber dann gingen sie vorbei« Adverbiale Bestimmungen Vor das Verb können des Weiteren adverbiale Elemente treten. lib’ajchi’ x-e-qaj anim x-Ø-kikot chik nim k’ut x-e-kikot-ik »sie stiegen früh herab« »sogleich freute er/sie sich« »da freuten sie sich sehr« In Erstposition können sie, wie Verben oder satzeinleitende Partikeln, Modalpartikeln nach WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 29 sich nehmen. Die adverbialen Elemente treten allerdings wie im folgenden Beispiel jusu(k’) »sofort« meist zwischen satz­einleitende Partikel(n) und Verb: xa k’u jusu x-e-b’e-k »da aber gingen sie sofort weg« Derartige adverbiale Bestimmungen gehören keiner eigenen Wortart an, sondern erhalten jeweils durch die Stellung vor dem Verb eine adverbiale Funktion. 2.6 Subjekt intransitiver Verben: Nomen und Artikel Nomina (Substantive) haben im K’iche’ keine Kasusmarkierungen, um Subjekt und Objekt zu unterscheiden. Es gibt also keine Deklination wie im Deutschen oder Lateinischen (Nominativ bzw. Akkusativ vīnum »der Wein« und »den Wein«, Genitiv vīnī »des Weines«, Dativ vīnō »dem Wein(e)«). Ein Nomen wird im K’iche’ nur hinsichtlich der Kategorien Plural (s. 3.3) und Besitzstatus (s. 9.4) gekennzeichnet. Nomina können durch bestimmte bzw. unbestimmte Artikel (2.6), Adjektive (4.1) oder Possessivpräfixe (und ggf. der Spezifi­ kation eines Besitzers, 4.2 und 5.3) zu einer sogenannten Nominalgruppe erweitert werden. Zusätzlich zur pronominalen Markierung im Verb kann das Subjekt auch noch durch ein Nomen bezeichnet werden, das nach dem Verb (einschließlich Modalpartikeln) steht: ta x-Ø-opon k’ut Wuqub’ Kaqix »da kam dann Wuqub’ Kaqix (Eigenname)« Das Nomen schließt sich meist ohne Sprechpause an und wird häufig mit jun »ein(s)« oder ri »Demonstrativ: dieser, diese, dieses« erweitert, die dem unbestimm­ten Artikel »ein« bzw. dem bestimmten Artikel »der, die, das« des Deutschen vergleichbar sind: anim chi k’ut x-Ø-pe ri ati’t » dann kam die alte Frau schnell« Nomina ohne Artikel können je nach Kontext bestimmt (vorher bereits erwähnt) oder unbestimmt (neu eingeführt) sein. Das Subjekt kann aus einer Auf­zäh­lung mehrerer Nomina bestehen, die ohne verbindende Elemente durch einfache Aneinanderreihung mit oder ohne Artikel erfolgt, wobei der Artikel ri meist nur einmal verwendet wird: ta x-e-b’e-k »da brachen Eins Junajpu und Sieben Junajpu auf« Jun Junajpu, Wuqub’ Junajpu x-e-ok k’ut »Eins Junajpu und Sieben Junajpu gingen dann ri Jun Junajpu, Wuqub’ Junajpu (in das Haus) hinein« Finite Verben können auch ohne konkrete Benennung des Subjekts in Form eines Nomens vollständige Sätze sein. Vor allem im Erzähl- oder Gesprächskontext reicht das in der Verbform pronominal gekennzeichnete Subjekt meist aus, wenn das Pronomen der dritten Person auf Vorerwähntes verweist. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 30 LEKTION 3 3.1 Tempus/Aspekt-Präfixe intransitiver Verben Das K’iche’ unterscheidet bei der Bildung finiter Verben nicht nach Zeiten (Tempus) wie das Deutsche, sondern nach Merkmalen des Vorgangs oder der Handlung wie Abge­schlos­sen­­ heit, Andauern, Einsetzen oder Möglichkeit, die sogenannten Aspekte. Das Präfix xbezeich­net eigentlich Vor­gänge und Handlungen, die abgeschlos­sen sind. Anstelle von x- kön­nen auch andere Präfixe in der sogenannten Tempus/Aspekt-Position stehen: Tempus/Aspekt Subjekt VERBSTAMM Modalsuffix xk(a)ch(i)- -Ø-e- Intransitiver Verbstamm -ik 3.1.1 k(a)- bezeichnet, dass die Handlung nicht abgeschlossen ist. Dies bedeutet in einer Gesprächssituation in der Regel, dass sie gegenwärtig noch im Vorgang befindlich ist – was im Deutschen mit dem Präsens wiedergegeben wird. Im Erzählkontext des Popol Wuj kennzeichnet k(a)- allerdings meist Vorgänge und Handlungen in der Vergangenheit, die aus der Erzählperspektive noch nicht abgeschlossen sind. k(a)- hat verschiedene Gestalt, je nach dem, ob es vor einen Konsonanten oder vor einen Vokal tritt. Vor Konsonanten lautet es ka-, vor Vokalen dagegen k-: ka-Ø-b’e-k k-Ø-ul k-Ø-aq’an-ik k-Ø-ik’ow-ik »er/sie geht« »er/sie kommt (an/her)« »er/sie bewegt sich aufwärts (z. B.: steigt hinauf )« »er/sie geht vorbei« Vor dem e- der 3. Person Plural erscheint ebenfalls k-: k-e-ul k-e-b’e »sie kommen (an/her)« »sie gehen« 3.1.2 ch(i)- drückt aus, dass ein Vorgang bzw. eine Handlung noch nicht begonnen hat, aber ihr Beginn ent­weder erwartet, als möglich erachtet oder erwünscht wird bzw. zum Bezugszeitpunkt gerade im Begriff ist zu beginnen. Im Deutschen ist chi- oft nicht recht nachvollziehbar; Übersetzungen mit »müssen«, »sollen«, »können« oder futu­risch mit »werden« können die Bedeutung nur annähernd wiedergeben und sind oft zu stark. ch(i)hat ebenfalls verschiedene Gestalt, vor Konsonant chi-, vor Vokal ch-: chi-Ø-pe / chi-Ø-pet-ik ch-Ø-el ch-e-el »er/sie kann/soll kommen« »er/sie kann/soll hinausgehen« »sie können/sollen hinausgehen« 3.1.3 Als Kurzbezeichnung für die Bedeutung werden die sprachwissenschaft­lichen Fach­ begriffe für Abgeschlossenheit und Möglichkeit verwendet. Der aspektuelle Charakter der Präfixe und ihre Funktion werden jeweils erst im Gefüge der Erzählung deutlich. Einzelne Beispiele und Übungssätze sind aus dem Kontext herausgelöst und werden daher b. a. w. jeweils einheitlich übersetzt: x- k(a)- ch(i)- »Kompletiv« »Inkompletiv« »Potential« WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ als Vergangenheit übersetzt als Gegenwart übersetzt mit »können/sollen« umschrieben 31 3.2 Negation ma (wi) Die Negation eines Satzes erfolgt durch die satzeinleitende Partikel ma, meist als ma wi oder mit der Modalpartikel k’u(t) als ma k’u. Die Negation steht ganz am Anfang des Satzes und negiert die gesamte Satzaussage: ma wi chi-Ø-k’is-ik ma k’u k-e-war-ik ma wi atan x-Ø-winaqir-ik »es kann/soll nicht enden« »sie schlafen nicht« »es war nicht früh entstanden« Gelegentlich tritt bei der Negation noch die Modalpartikel ta(j) »den Tatsachen wider­ sprechend« hinter das Verb: ma k’u k-e-wa’ taj 3.3 »sie essen aber nicht« Nomina mit Plural -Vb’ Im K’iche’ spielt die Kennzeichnung der grammatischen Kategorie Plural nur eine unter­ geordnete Rolle. So können Nomina, die unbelebte Gegenstände bezeichnen, nicht in den Plural gesetzt werden. Aber bei Lebewesen ist die Markierung nicht zwingend und nur bei Nomina gebräuchlich, die sich auf Menschen oder Menschengruppen beziehen. Zur Pluralbildung wird das Suffix -Vb’ »Plural« an das Nomen angehängt. Das Symbol V steht für einen unbestimmten Vokal und gibt an, dass je nach Wortstamm ein anderer Vokal erscheint. Es überwiegt -ab’: ajaw k’ajol q’apoj K’iche’ ajaw-ab’ k’ajol-ab’ q’apoj-ib’ K’iche’-eb’ »Fürst(en)« »junge Männer (im Singular mit Poss: Sohn)« »junge Frau(en)« »K’iche’-Leute« Die Verteilung des Vokals kann nicht in einfache Regeln gefasst werden, die Pluralformen sind also Bestandteil des Wörterbuchs und müssen für jedes Nomen gelernt werden. 3.4Zahlwörter Die Zahlwörter von 2 bis 9 enden meist ebenfalls auf -Vb’, z. B. ka’ib’ »zwei«, wuqub’ »sieben« und »b’elejeb’ »neun«. Sie stehen vor dem Nomen, aber – falls ein solcher vorhanden ist – hinter dem bestimmten Artikel ri: b’elejeb’ chinamit ri ka’ib’ k’ajol-ab’ »neun Familien« »die beiden Jünglinge« Auch Eigennamen wie Wuqub’ Kaqix oder Wuqub’ Junajpu haben als ersten Bestandteil eine Zahl. Es handelt sich dabei teilweise um Kalendernamen wie z. B. Jun Ajpu »1 Ajpu (Jäger)«, Jun Kame »1 Kame«, Wuqub’ Kame »7 Kame« oder B’elejeb’ Tz’i’ »9 Tz’i’ (Hund)«. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 32 3.5 Fakultativer Charakter der Pluralmarkierung Im Verb ist die Pluralmarkierung nicht zwingend. Ähnlich wie -Vb’ bei Nomina wird e(fast) ausschließlich bezogen auf Lebewesen verwendet, v. a. Menschen oder mythologische Wesen. Sie beinhaltet die besondere Hervorhebung des Umstands, dass mehrere Personen (selten auch Tiere) als Subjekt handeln. Nicht selten wird auch bei pluralischem Subjekt Ø- »3. Person Singular« verwendet. Dies zeigt sich sowohl in Sätzen, bei denen Verb und Subjekt nicht übereinstimmen, als auch in Folgen von Sätzen, bei denen die Personenmarkierungen – trotz logisch gleichen Bezugs – nicht übereinstimmen:1 x-Ø-cha’ Jun Kame, Wuqub’ Kame ta x-e-b’e ri tukur ... x-Ø-b’e-k; x-e-opon ... 3.6 »sagten Jun Kame und Wuqub’ Kame« »da entfernten sich die Eulen ... sie (die erwähnten Eulen) brachen auf und kamen (schließlich) ... an« Personen- und Tierbezeichnungen mit aj- und x- Zur Bezeichnung von Personen (Namen oder Tätigkeiten) werden aj- und seltener und weniger produktiv x- verwendet. Aj- verbindet sich mit Nomina oder Verbstämmen zu »Mann, der durch ... gekenn­zeichnet ist«:2 ajpuwaq ajtukur ajkun ajuchan ajtz’ib’ »Edelmetall-Mann«, d. h. »Gold- und Silberschmied« »Eulen-Mann; Heuchler, Verräter« »Mann, der heilt«, d. h. »Arzt« »Mann, der redet«, d. h. »Redner, (offizieller) Sprecher« »Mann, der malt bzw. schreibt«, d. h. »Schreiber« x- findet sich bei Frauennamen3 und bei Bezeichnungen bestimmter meist kleiner Tiere: Xkik’ Xmukane xpeq xmukur »Frau Blut (Name)« »Name einer weiblichen Gottheit« »Kröte« »Taube« 1 In dem einen oder anderen Fall könnte es sich allerdings auch um Schreibfehler im Manuskript handeln. Insgesamt kommen solche Diskrepanzen allerdings zu häufig vor, als dass immer Schreibfehler angenommen werden könnten. Außerdem lässt sich das Phänomen auch im heute gesprochenen K’iche’ finden. 2 In den Beispielen werden die Ableitungspräfixe aj- und x- durch Fettdruck hervorgehoben. Entsprechend wird in den folgenden Lektionen auch bei den im jeweiligen Kapitel erläuterten ableitenden Suffixen verfahren. 3 Allerdings beginnen auch einige männliche Namen mit X- wie Xb’alanke, der Bruder Junajpus, oder Xpiyakok, der Ehemann Xmukanes. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 33 3.7 Ortsangaben: Nomina mit vorangestelltem chi oder pa Ortsangaben stehen normalerweise nach dem Verb bzw. nach dem durch ein Nomen vertretenen Subjekt. Nomina, die als Ortsangabe dienen, wird chi oder pa vorangestellt: ta x-e-ok k’ute pa ja ta x-e-ok chik k’ajol-ab’ pa chayim ja ta x-e-opon k’ut chi ja’ »da gingen sie dann in das Haus« »und da gingen die Jünglinge in das Messerhaus« »da kamen sie dann am Fluss an« Während die Bedeutung von chi sehr vielfältig ist, bezeichnet pa immer »im Innern von ...« bzw. bei Richtungsangaben »in (das Innere von ...) hinein« bzw. »aus (dem Inneren von ...) heraus«. Anders als im Deutschen sind Ortsangaben bezüglich ihrer Gerichtetheit neutral: »auf dem Maisfeld« (Ort), »auf das Maisfeld« (Zielort) und »vom Maisfeld« (Ausgangsort), im Deutschen durch verschiedene Kasus gekennzeichnet, entsprechen alle chi oder pa ab’ix. Die Interpretation der Ortsangabe als Ort, Ziel oder Ausgangspunkt ergibt sich ausschließlich aus der Bedeutung des Verbs. Bei der Übersetzung ist zu beachten, dass die Interpretation einer Ortsangabe als Ziel- oder Ausgangsort ausschließlich von der Bedeutung des jeweiligen (Bewegungs-)Verbs abhängt, z. B. b’e opon pe(t) »zu einem Ort gehen« »an einen Ort kommen« »von einem Ort kommen« k’ate puch ta x-Ø-b’e-k pa ab’ix ta x-Ø-opon chi Tulan ta x-Ø-pet-ik chi Tulan WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ Ortsangabe: Ortsangabe: Ortsangabe: Ziel Ziel Ausgangsort »und dann ging er auf das Maisfeld« »da kam er nach Tulan« »da kam er von Tulan« 34 LEKTION 4 4.1 Erweiterung des Nomens: Komposita und Adjektive Wie im Deutschen kann auch im K’iche’ ein Nomen durch eine unmittelbar voraus­gehende Erweiterung näher bestimmt (modifiziert) werden. Während das Deutsche hierzu zwei deutlich verschieden aussehende Möglichkeiten hat – die Konstruktion mit einem Adjektiv, z. B. frische Milch, und die Zusammensetzung von zwei Nomina, z. B. Frischmilch oder Ziegenmilch, – sind diese im K’iche’ kaum kaum voneinander zu unterscheiden. 4.1.1 Das näher bestimmende erste Element kann meist auch im Deutschen als erster Bestand­teil der Zusammensetzung wiedergegeben werden: K’iche’ tzij nawal winaq b’alam jolom »K’iche’-Sprache« »Nahual-Mann«1 »Jaguar-Kopf« Bei der Übersetzung ist die Abfolge von modifizierendem Element vor dem nominalem Kern zu beachten: Juraqan Tukur Kaqulja’ Juraqan »Juraqan-Eule (Einbein-Eule)« »Blitz-Juraqan (Blitz-Einbein)« 4.1.2 Treffen bei einer solchen Konstruktion zwei Konsonanten aufeinander, so nimmt das modifizierende erste Element häufig einen Bindevokal, meist -a, der (wie der Vokal von -Vb’ »Plural«) nicht vorhersagbar ist: b’alami ja tz’ikina ja »Jaguar-Haus« »Vogel-Haus« Der Bindevokal wird vor allem bei Adjektiven wie nim »groß«, rax »(blau-)grün« oder kaq »rot« gebraucht: q’eqa b’e, saqi b’e, raxa b’e, kaqa b’e nima sis »schwarzer und weißer, grüner und roter Weg« »großer Nasenbär« nicht aber vor Vokal: nim aq »großes Bisamschwein (Pekari)« Adjektive verhalten sich dabei genauso wie Nomina. Sie sind im K’iche’ auch eine Unter­ gruppe der Nomina. 4.1.3 Auch vor ein erweitertes Nomen kann ein Artikel wie ri oder jun oder eine zusätzliche Erweiterung treten: ri nima che’ jun nima kumatz saqi nima sis ri jun ajaw »der große Baum« »eine große Schlange« »weißer, großer Nasenbär« »der eine Fürst« Das letzte Beispiel zeigt, dass jun nicht nur als unbestimmter Artikel verwendet werden kann, sondern auch bestimmt als »der eine«, wobei ri nicht unbedingt stehen muss. 1 Nahual (auch Nagual) ist eine in Mesoamerika weit verbreitete Vorstellung, nach der Menschen von meist tierisch vorgestellten Wesen begleitet werden und ihnen besondere Kräfte verleihen, aber ggf. auch durch die enge wechselseitige Verbindung Krankheit oder Tod bringen können. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 35 4.1.4 Vor einem Subjekt in Form eines erweiterten Nomens zeigen intransitive Verben meist das Suffix -ik, was auf eine Sprechpause hindeutet. Dies gilt auch für andere längere Subjekte wie Aufzählungen von Nomina. 4.2 Possessivpräfixe der 3. Person Vor dem Nomen kann ein den Besitzer anzeigendes Possessivpräfixe stehen: urkik- vor Konsonant vor Vokal vor Konsonant vor Vokal »3. Person Singular« »3. Person Plural« Auch die Possessivpräfixe werden normalerweise mit dem Nomen zusam­men­geschrieben, jedoch zur besseren Verständlichkeit wieder mit Bindestrichen abgetrennt: r-ochoch u-chuch ki-k’ajol k-ochoch k-ixoqil »sein/ihr Haus (Zuhause)« »seine/ihre Mutter« »ihre Söhne (von Männern)« »ihre (verschiedenen) Häuser«, »ihr (gemeinsames) Zuhause« »ihre Ehefrauen« Die Verwendung eines Possessivpräfixes schließt die gleichzeitige Verwendung des Plural­ suffixes -Vb’ aus. Auch Nomina mit Possessivpräfix können mit dem bestimmten Artikel verbunden sein: ri u-xik’ 4.3 »sein/ihr Flügel« Das intransitive Verb ux Ein besonderer intransitiver Satztyp liegt bei dem Verb ux(-ik) »zu etwas werden« vor. Dieses Verb ist zwar intransitiv, verlangt jedoch neben dem Subjekt ein weiteres Nomen als Ergänzung. Dieses Nomen gibt an, zu was etwas wird, und steht in adverbialer Position vor dem Verb: ab’aj x-Ø-ux-ik ri Sipakna 4.4 »Sipakna wurde zu Stein« Verblose Sätze Ein besonderer Satztyp sind Sätze, mit denen die Gleichsetzung zweier Nomina ausgedrückt wird: »Nomen1 ist (ein) Nomen2«, sogenannte Äquationssätze. Anstelle eines Verbs steht vor dem Subjekt ein weiteres Nomen. Eine Entsprechung des deutschen Verbs »sein« ist im K’iche’ nicht erforderlich. Um diesen Satztyp mit zwei Nomina, aber ohne Verb, von Aufzählungen von Nomina oder erweiterten Nomina zu unter­scheiden, wird er im Folgenden durch einen Doppelpunkt angezeigt. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 36 ri chikop : ri xa’n ki-samajel : ri tukur »die Mücke ist das Tier(, das ...)« »die Eulen sind ihre Boten (aus dem Kontext pluralisch)« Die Unterscheidung von erweiterten Nomina ist meist durch Indizien wie den Artikel ri vor dem Subjekt möglich. Sätze, bei denen das Prädikat ohne ein finites Verb gebildet wird, spielen im K’iche’ eine große Rolle. Die Häufigkeit von Sätzen ohne finites Verb erklärt sich im K’iche’ dadurch, dass in dieser Sprache nur Handlungen und Vorgänge (sowie Zustandsveränderungen) durch finite Verben ausgedrückt werden, nicht aber Zustände. So kann u. a. ein Adjektiv unmittelbar – also ohne Hilfsverb »sein« wie im Deutschen – das Prädikat bilden, wobei das Adjektiv in prädikativem Gebrauch keinen Bindevokal nimmt: nim ki-b’is kaq r-ij 4.5 »ihr Kummer ist groß« »sein Rücken ist rot« Pronomina der 3. Person are und e Die frei stehenden Pronomina der 3. Person sind im K’iche’: are e »3. Person Singular er – sie – es; das, dies(es)« »3. Person Plural« Das für den Singular verwendete are ist eigentlich ein Demonstrativpronomen »dies (vorerwähnt oder kontextuell bekannt)«. Beide Pronomina werden fast immer an den Satzanfang gestellt und verweisen entweder auf etwas Vorerwähntes oder nehmen ein im Satz nachfolgendes Nomen vorweg: are k’ut k’a ch-Ø-aq’an-ik ri omuch k’ajol-ab’ »diese, die 400 Jünglinge, sollen dann emporsteigen« 4.5.1 Are verbindet sich gerne mit k’ut (etc.). Mit vorangehendem xa »nur« verschmilzt are zu xare oder xere, oft verstärkt als xa wi xere: xa wi xere x-Ø-pe wi Tam-ub’ are ta x-Ø-winaqir wi winaq »nur so aber kamen die Tam an« »so entstand(en) der Mensch / die Menschen« Dieser eher adverbiale, durch ein hinter das Verb gestellte wi gekennzeichnete Gebrauch be­inhal­tet allgemein Bezug auf Vorerwähntes. Daneben kann are besonders in verb­losen (Äquations-)Sätzen auch als vorangestelltes betontes Subjekt des Satzes fungieren: are k’u : ri Kab’raqan are k’ut k-Ø-oq’-ik »dies ist Kab’raqan« »diese/r weint dann« 4.5.2 Das Pronomen e kommt als betontes Subjekt des Satzes vor allem bei Äquations­sätzen oder Sätzen mit ux »werden zu« vor: e : ajsu’ e : nab’e winaq »sie sind Flötenspieler« »sie sind die ersten Menschen« Das Pronomen e »sie« bezieht sich meist auf zuvor Erwähntes, nimmt gelegentlich aber auch das unmittelbar nachfolgende eigentliche Subjekt vorweg: e : kajib’, ri samajel WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ »sie, die Boten, sind vier« 37 Diese Funktion, das Subjekt vorwegzunehmen, kann e auch vor einer vorangestellten adverbialen Ergänzung des Verbs ux »zu etwas werden« haben: e winaq x-e-ux-ik »sie wurden zu Menschen« 4.6Demonstrativpronomina wa’, la’ und ri’ Neben are »dies (vorerwähnt)« gibt es noch weitere Demonstrativpronomina, die auf den räumlichen Zusammenhang verweisen: wa’(e) la’ ri’ »dies hier (nah beim Sprecher)« »dies dort (entfernter vom Sprecher)« »dies dort (nicht sichtbar, u. a. auch im Gespräch Erwähntes)« Als Ortsangabe wird anstelle wa’ oft auch die Form waral »hier« verwendet: k-e-ul waral »sie kommen hierher« Im Popol Wuj werden la’ und ri’ häufig in Kombination mit chi »Ortsangabe« als Ortsan­ gaben chila’ »dort (entfernt)« und chiri’ »dort (nicht sichtbar)« verwendet, ohne dass ein Nomen folgen muss: ta x-e-ul chiri’ x-e-opon k’ut chila’ Tulan »da kamen sie dort an« »sie trafen also in Tulan ein« Wie are können chiri’ oder wa’(e) bzw. waral vor den Kernsatz gestellt werden, was am Verb immer durch wi gekennzeichnet wird: chiri’ k’ut x-e-kam wi WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ »dort nun starben sie« 38 LEKTION 5 5.1 Possessivkonstruktionen Während in der deutschen Schriftsprache die Angabe des Besitzers durch eine Genitiv­kon­ struktion erfolgt, verwendet das K’iche’ hierzu eine Konstruktion mit dem Possessivpräfix: r-eleb’al q’ij ri u-k’u’x kaj u-q’ab’ ri Junajpu »der Aufgang(sort) der Sonne« »das Herz des Himmels« »der Arm Junajpus« Vergleicht man die Konstruktionen im K’iche’ und im Deutschen, so ist zwar die grammatische Kennzeichnung unterschiedlich, aber die Abfolge der Elemente identisch: K’iche’: u-k’u’x sein Nomen1 = Besitz Deutsch: Herz Nomen1 kaj Nomen2 = Besitzer des Himmels desNomen2 im Genitiv Die gleiche Konstruktion wie im K’iche’ findet sich in deutschen Dialekten und dialektal beeinflusster Umgangssprache zur Um­schreibung des Genitivs, allerdings mit umgekehrter Abfolge der Bestandteile: dem Nomen1 = Besitzer dem Baum dem Vater sein(e) Nomen2 = Besitz seine Kirschen sein Haus Das zweite, den Besitzer bezeichnende Nomen kann durch einen Artikel und/oder ein Adjektiv erweitert sein: ki-na’ob’al e kajib’ winaq u-b’i’ nima ajaw u-ti’ojil ri achij »die Geisteskraft der vier Menschen« »der Name des großen Fürsten« »das Fleisch des Mannes« Er kann sogar selbst im Possessiv stehen: u-b’i’ ki-qajaw ri Junajpu, Xb’alanke »der Name des Vaters von Junajpu und Xb’alanke« Vergleichbar dem Gebrauch von Ø- »3. Person Singular« bei intransitiven Verben für ein pluralisches Subjekt (vgl. Lektion 3.5) wird manchmal auch auf eindeutig pluralische Besitzer (Endung -eb’ im Beispiel!) mit u- bzw. r- verwiesen: u-tinamit Rab’inaleb’ 5.2 »die Stadt der Rabinal« Die Partikel der Nichtexistenz jab’i Die Partikel jab’i fungiert mit der Negation ma zusammen als Prädikat »nicht vor­handen sein«: ma k’u jab’i q’aq’ »noch gab es kein Feuer« In zitierter Rede dient ma jab’i auch zum Ausdruck von »Nein«: »ma jab’i«, x-Ø-cha’ k’ut. »Nein!«, sagte er dann. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 39 5.3 Die Verbwurzel k’o(je’) »existieren« und der Ausdruck des Habens Die Verbwurzel k’o(je’) »(an einem Ort) existieren, leben« ist unregelmäßig. Neben dem intransitiven k’oje’-ik gibt es sie eine partikelartige Kurzform k’o, die – ohne Tempus/AspektPräfix oder -ik – das Prädikat eines Satzes bilden kann, Existieren zustandsartig beschreibt: x-Ø-k’oje’ jun ja’ k’o jul k’o nab’e kaj, ulew, ... are k’o chik pa ek’ »es gab einen Fluss (vorgangsartig)« »es gab eine Höhle (zustandsartig)« »es gab erstmals Himmel, Erde, ...« »es gab ihn noch in den Ek’-Pflanzen, d. h. er befand sich zwischen den Ek’-Pflanzen« Trägt das Subjekt eines Satzes mit k’o ein Possessivpräfix, so gibt diese Konstruktion das Konzept »Haben, Besitzen« wieder: k’o u-xik’ k’o ki-pom 5.4 »sie (die Eule) hat Flügel« (wörtl.: »es gibt ihre Flügel«) »sie haben Kopal« Verblose Sätze und der Ausdruck des Habens Ebenso können verblose Äquationssätze mit Possessivkonstruktionen das Konzept »Haben, Besitzen« ausdrücken: xa jun : r-aqan jun : u-nimja »sein Bein ist nur eines, d. h. er hat nur ein Bein« »sein Großhaus ist eines, d. h. er hat ein Großhaus« Daneben gibt es aber auch andere Lesarten wie z. B. »Bestehen aus ...«: tz’ite : u-ti’ojil 5.5 »sein Fleisch ist Tz’ite, d. h. sein Körper besteht aus Tz’ite« Ortsangaben mit chi und einer Körperteilbezeichnung Zur näheren Bestimmung einer Ortsangabe werden bestimmte Nomina, die Körperteile bezeichnen, in einer Possessivkonstruktion verwendet. Dabei wird die Possessiv­konstruktion u-wach ri Tojil »das Gesicht des Tojil« um das Ortsangaben einleitende ch(i) erweitert: ch-u-wach (ri) Tojil »im/beim Gesicht des Tojil«, d. h. »vor Tojil« (vgl. veraltetes Deutsch »im Antlitz von ...«) Dieser Konstruktionstyp hat ähnliche Funktionen wie die Präpositionen des Deutschen. Die Bedeutung der Körperteilbezeichnung wird bei dieser Verwendung metaphorisch erweitert: wa(ch) wi’ pa(m) ij xe’ chi’ eigenständig gebraucht: präpositional gebraucht: »Gesicht« »vor, (bei liegenden Objekten:) auf« »Kopf« »auf, über« «Inneres, Magen« »in, im Innern von« »Rücken«»hinter« »Wurzel« »unten bei, unter« »Mund, Lippe« »am Rand von« wach kann unter Ausfall des auslautenden Konsonanten auch als wa erscheinen, pam findet sich auch als pan oder pa. chi verschmilzt bei konsonantisch anlautenden Körperteil­be­zeich­ nungen mit u- »sein« zu ch-u-: WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 40 chi ki-wach ajaw-ab’ ch-u-wach ulew ch-u-wa ja chi r-ij ja chi k-ij Xtaj, Xpuch ch-u-wi’ jun juyub’ ch-u-pam q’aq’ ch-u-xe’ r-ochoch ajaw »vor den Fürsten« »auf der Erde« »vor dem Haus« »hinter dem Haus« »hinter (den Mädchen) Xtaj und Xpuch« »auf einem Berg« »in das Feuer« »unter dem Haus des Fürsten« Ein weiteres entsprechend verwendetes Wort ist xol »Abstand, Zwischenraum«, mit ch-u»zwischen«: ch-u-xol che’ »zwischen den Bäumen« Bei der Übersetzung mit deutschen Präpositionen ist zu beachten, dass die metapho­rische Übertragung der Körperteilbezeichnungen meist recht wörtlich zu nehmen sind. Beim Zuweisen der »Gesichtsseite« spielt die vertikale oder horizontale Ausrichtung eine Rolle, also bei einer stehenden Person (bzw. einem stehenden Objekt mit einer identifizierbaren »Vorder«-Seite) »vor«, bei einem liegend gedachten Objekt aber »auf«: ch-u-wach ajaw ch-u-wach b’ate ch-u-wach ulew ch-u-wach q’aq’ »vor dem Fürsten« »vor seinem Ballspielgerät« »auf der Erde« »auf, über dem Feuer« Es spielen auch kulturspezifische Besonderheiten eine Rolle: die Gesichtsseite eines Hause ist die (bei Palästen reich dekorierte) Seite zum Innenhof (Patio), auf dem sich auch meist das Leben abspielte. Die Rückenseite des Hauses ist entspre­chend die Außenseite des Gehöfts und analog auch die befestigte Außenseite einer Siedlung. chi rij ja, chuwa(ch) ja »vor dem Haus und auf dem Innenhof des Hauses« chi rij tinamit »an der Stadtmauer (wörtl.: am Rücken der Stadt)« Diese metapho­rische Übertragung der Körperteil­be­zeichnungen geht mit der Verwendung der sogenannten intrinsischen Perspektive bei Raumbeschreibungen einher, d. h. im K’iche’ wird die Beschreibung von räumlichen Verhältnissen immer vom Bezugsobjekt aufgebaut. Im Deutschen wird neben der intrinsischen auch die sogenannte deiktische Perspektive verwendet, bei der räumliche Verhältnisse vom Sprecher (genauer dessen Körper) ausgehend beschrieben werden. Der Unterschied lässt sich an der Zuweisung von rechts und links ver­ deutlichen, wenn man z. B. ein Foto betrachtet, auf dem Personen von vorne zu sehen sind: Foto mit Personen Foto mit Personen (rechts) (links) rechts links rechts Blickrichtung (links) (rechts) links Blickrichtung (links) (rechts) Beobachter Beobachter Deiktisch Intrinsisch WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 41 Im Falle der deiktischen Perspektive ist rechts (bzw. links) das, was vom Beobachter aus gesehen rechts (bzw. links) ist. Im Falle der intrinsischen Perspektive wird die Zuordnung allein vom zu beschreibenden Objekt aus definiert, bei den Beobachter anblickenden Perso­ nen oder deren Foto sind demnach rechts und links gegenüber der deiktischen Beschreibung vertauscht. Im Deutschen führen diese beiden konkurrierenden Beschreibungssysteme zur nicht immer eindeutigen Zuweisung von ›links‹ und ›rechts‹: Bei dem Beispiel mit dem Foto ist im Deutschen die deiktische Beschreibung die wahrscheinlichere (bei Gegenständen anstelle von Personen sogar zu annähernd 100 %), würde man realen Personen gegenüber­ stehen jedoch die intrinsische. Die deiktische Beschreibungsstrategie wird im K’iche’ ausschließlich bei Partikeln und Demonstrativ­pronomina (s. 4.5 und 4.6) verwendet. 5.6 Voranstellung von Ortsangaben Wie bereits für die Demonstrativpronomina in Lektion 4.5 dargestellt, können Ortsangaben zur Hervorhebung (bzw. Betonung) vor das Verb treten. Die Voranstellung einer Ortsangabe wird am Prädikat mit der Modalpartikel wi gekennzeichnet: chi kaj x-Ø-pe wi chiri’ pa K’iche’laj x-e-k’oje’ wi xa chi rij wub’ x-e-ik’ow wi »vom Himmel kam er« »dort, im Wald, lebten sie« »aber sie überquerten (ein Gewässer) auf dem Rücken von Blasrohren« Das letzte Beispiel zeigt, dass die Hervorhebung u. a. kontrastierenden Charakter (entgegen dem normalerweise zu Erwartenden) hat. Es zeigt ebenfalls, dass Ortsangaben wie chi r-ij neben der präpositionalen Verwendung gelegentlich auch eine wörtliche Lesart aufweisen können: »auf dem Rücken von Blasrohren« und nicht präpositional »hinter ....«. 5.7Ordinalzahlen Ein weiterer Sonderfall der Possessivkonstruktion sind die Ordinalzahlen (»zweite(r)«, »dritte(r)« ...), die aus Possessivpräfix + Zahl (ohne Suffix -Vb’) gebildet: r-ox chik : rax-a Kaqulja’ »der grüne Kaqulja’ (Blitz) war der dritte« Bei »eins« wird anstelle von jun das Wort nab’e »erster, (zu)erst« (teilweise auch ohne Possessivpräfix) verwendet: e : nab’e winaq u-nab’e chikop WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ »sie sind die ersten Menschen« »die ersten Tiere« 42 LEKTION 6 6.1 Transitive Verben in der 3. Person Bei transitiven Verben wird das Subjekt nicht durch die in Lektion 2.1 behandelten Präfixe der intransitiven Verben markiert, sondern durch Präfixe, die mit den Possessiv­präfixen identisch sind: Tempus/Aspekt Subjekt (transitiv) VERBSTAMM Modalsuffix xk(a)ch(i)- u- / r- transitiver Verbstamm -j (Klasse 2) -o / -u k(i)- Die Verwendung der Varianten der Subjektpräfixe entspricht derjenigen der in Lektion 4.2 behandel­ten Possessivpräfixe, also im Singular r- vor Vokal und u- vor Kon­­sonant, im Plural entsprechend k- und ki-. Die Tempus/Aspekt-Präfixe sind dieselben wie bei den intransitiven Verben. 6.1.1 Transitive Verbstämme der Gestalt (K)VKV (mehrsilbige, vokalisch auslautende, zu­ künftig kurz als Klasse 2 bezeichnet) nehmen immer ein Suffix -j:1 ka-r-etama-j ka-k-etama-j x-u-nik’o-j x-ki-na’oji-j »er/sie weiß es« »sie wissen es« »er/sie untersuchte es« »sie überlegten es« 6.1.2 Transitive Verbstämme der Gestalt (K)VK (einsilbige, fast immer konsonantisch aus­ lautende, zu­künftig Klasse 1) nehmen ein Modalsuffix -o bzw., bei Vokal u im Stamm, -u. Anders als das immer vorkommende -j bei mehrsilbigen Verbstämme verhält sich der aus­ lau­tende Vokal der einsilbigen Verbstämme wie -ik bei intransitiven Verben, d. h. er er­scheint nur, wenn das Verb vor einer Sprechpause steht. Folgt auf die Verbform eine Modalpartikel wie wi, k’ut oder chik, so fehlt das Suffix -o/-u: x-u-b’an-o x-k-il-o x-r-il k’ut x-ki-muq-u »er/sie machte es« »sie sahen es« »dann sah er/sie es« »sie begruben ihn« Es ist wichtig, dass bei transitiven Sätzen das direkte Objekt als »ihn«, »ihr« bzw. »es« immer mit übersetzt wird. Ansonsten könnten sich aufgrund der Struktur des Deutschen, das auf die Unter­scheidung Intransitiv – Transitiv weniger Wert legt, Übersetzungs­fehler ergeben! 1 Es gibt auch einige intransitive Verben, deren Stamm auf j endet. Durch die anderen Pronomina zur Subjektmarkierung ist die Eindeutigkeit jedoch sichergestellt. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 43 6.2 Nomina als Subjekt und/oder Objekt transitiver Verben Subjekt und/oder Objekt können nach der Verbform durch Nomina bezeichnet werden. Allerdings genügt die transitive Verbform allein ohne begleitende Nomina, um einen vollständigen transitiven Satz zu bilden. Die beiden Funktionen Subjekt und Objekt werden bei Nomina in transitiven Sätzen formal nicht unterschieden. Es gibt anders als im Deutschen oder Lateinischen keine Kasusmarkierung (Nominativ bzw. Akkusativ) und auch die Satzstellung kann anders als z. B. im Englischen nicht als eindeutiges Kriterium dienen.1 Das gemeinsame Vorkommen ist dabei selten und erfolgt meist in der Reihenfolge Subjekt vor Objekt: ta x-r-il k’ut Wuqub’ Kaqix »da sah Wuqub’ Kaqix den alten Mann und ri mama, ati’t die alte Frau« k’ate k’ut x-u-q’aq’at wi ch’oh ri kik’ »dann schnitt die Maus den Kautschukball los« Die meisten Sätze mit transitiven Verben enthalten allerdings nur ein oder gar kein Nomen, das Subjekt bzw. Objekt ist. Es gibt eine eindeutige Präferenz, nur ein Nomen (oder eine Nominal­gruppe) im Satz zu verwenden. Dieses Nomen ist je nach Kontext entweder Subjekt oder direktes Objekt: ta x-u-k’am-o Majukutaj ta x-ki-k’am k’ut k-ikaj »da nahm es Majukutaj« »da nahmen sie dann ihre Axt« Da das Subjekt transitiver Sätze belebt sein muss, kann ein nachstehendes unbelebtes Nomen nur das direkte Objekt sein. Dies sind auch die häufigsten transitiven Sätze, zumal viele Verben aufgrund ihrer Bedeutung nur ein unbelebtes direktes Objekt nehmen können. Eindeutig sind aber z. B. auch Formen, bei denen das Subjekt 3. Person Plural (ki- bzw. k-) gekenn­zeichnet ist, das ebenfalls belebte nachstehende Nomen dagegen Singular ist: ta x-ki-chap jun winaq »da ergriffen sie einen Mann« Die Anzahl der potenziell doppeldeutigen Sätze ist insgesamt relativ gering. Fast immer ergibt sich die Eindeutigkeit aus dem Zusammenhang des Textes (s. 13.3). Subjekt oder Objekt können durch Aufzählungen oder Possessivkon­struk­tionen vertreten sein, die nicht mit einer Folge Subjekt – Objekt verwechselt werden dürfen: ka-k-etama-j nay pu(ch) ri B’alamkitze’, B’alamaq’ab’ ta x-ki-noji-j chik u-chikopil juyub’, ... ri kej, tz’ikin, ... x-u-b’an lab’al ta x-u-xekeb’a’ 2 u-q’ab’ ri Junajpu »und auch B’alamkitze’ und B’alamaq’ab’ wissen es« »da erdachten sie auch die Tiere der Berge: ... Hirsche, Vögel, ... »er machte Krieg« »da hing er den Arm Junajpus auf« Ortsangaben sind im Unterschied zu Subjekt und Objekt durch die einleitende Partikel pa oder chi immer eindeutig als solche erkennbar. Sie stehen normalerweise nach dem Objekt, obwohl gelegentlich auch eine andere Reihenfolge zu finden ist: ta x-ki-sey k’ut pa q’u’l ri ch’oh »da fingen sie dann die Maus in einer Decke« 1 In verschiedenen heutigen Varietäten des K’iche’, und auch in vielen anderen Mayasprachen ist die präferierte Reihenfolge in solchen Fällen eher Objekt – Subjekt. 2 Zu xekeb’a’: Einige Verben der Klasse 2 wie solche auf -b’a’ haben die Besonderheit, bei transiti­vem Gebrauch nicht das Suffix -j zu nehmen. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 44 6.3 Passivformen Aufgrund der gerade erwähnten möglichen Mehrdeutigkeiten werden anstelle tran­si­tiver Konstruktionen häufig intransitive Bildungen verwendet, die von den entsprechenden transitiven Stämmen abgeleitet sind. So kann ein transitives Verb u. a. durch eine Passivumformung verändert werden. Die Passivkonstruktion bewirkt, dass das Objekt grammatisch zum Subjekt einer intransi­ tiven (passiven) Verbform wird – und daher auch mit den Präfixen intransitiver Verben markiert wird. Das ursprüngliche Subjekt der transitiven Ausgangsform fällt weg. 6.3.1 Die gebräuchlichere Passivbildung erfolgt bei Stämmen der Klasse 2 mit dem Suffix -x(-ik). Stämme der Klasse 1 weisen keine in der kolonialzeitlichen Ver­schriftung erkenn­bare Veränderung auf.1 Die passiven Verbformen der Klasse 1 unterscheiden sich daher nur durch die andere, intransitive pronominale Subjektmarkierung von den aktiv-transitiven: x-Ø-b’an(-ik) x-e-ya’-ik x-Ø-tikib’ax x-Ø-na’ojix(-ik) »es wurde getan« »sie wurden hingesetzt« »es wurde hingestellt« »es wurde überlegt« 6.3.2 Die andere Möglichkeit der Passivbildung erfolgt mit dem Suffix -V=taj(-ik). Es betont den Zustand, in den das Objekt durch die im Verb ausgedrückte Handlung gerät. Verben der Klasse 2 nehmen -taj(-ik), die Klasse 1 hat zwischen Stamm und -taj(-ik) meist einen eingefügten Vokal, der mit dem des Verbstamms identisch ist (symbolisiert als V=). x-Ø-chapataj x-Ø-ch’ijtaj-ik x-Ø-b’anataj-ik x-Ø-silib’ataj chi-Ø-tz’apitaj wi 6.4 »er wurde ergriffen« »es wurde ausgehalten, ertragen« »es wurde getan« »es wurde gerüttelt« »es kann/soll (ein)geschlossen sein« Das Nomen -umal Eine adverbiale Angabe des Grundes, der Ursache und des Urhebers/Täters erfolgt durch das Nomen -uma(l) »Ursache« mit Possessivpräfix der 3. Person. Es ist eines von meh­reren Nomina mit grammatischer Funktion. -uma(l) wird u. a. ver­wendet, um bei Passivkonstruktionen das getilgte Subjekt der transitiven Ausgangsform zu benennen: chi-Ø-tzijox chik »es kann/soll durch seinen Vater erzählt werden« r-umal u-qajaw ta x-Ø-winaqir k’u ri ulew »da entstand dann die Erde durch sie« k-umal Da bei transitiven Verben unbelebte Subjekte vermieden werden, wird in solchen Fällen eine Passivkonstruktion mit rumal verwendet: 1 Betrachtet man heutige K’iche’-Dialekte, kann man davon ausgehen, dass es auch einen lautlichen Unterschied gegeben hat, der im Schriftbild nicht wiedergegeben wurde. In einigen Dialekten haben Passivformen einen Langvokal anstelle des Kurzvokals des transitiven Verbstamms, z. B. b’an »etwas machen«, aber b’aan (d. h. mit langem a) »gemacht werden (passiv)«. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 45 ta x-Ø-chup k’ut ki-q’aq’ rumal saqb’och »da wurde ihr Feuer dann durch (den) Hagel ausgelöscht« In der Position vor dem Verb kann rumal konjunktionsartig zur Satzverknüpfung »deshalb, aus diesem Grund« dienen: xa rumal x-e-k’iyar-ik k-al, ki-k’ajol 6.5 »nur deshalb vermehrten sich ihre Kinder und Söhne« Adjektivische Pluralmarkierung taq und -aq Um den Plural – auch nicht belebter Dinge – besonders hervorzuheben, wird das Adjektiv taq »eine Menge, eine Anzahl von« verwendet: x-e-tzukux k’ut chi taq ja’ »sie wurden in (vielen) Gewässern gesucht« taq tritt auch zwischen andere Adjektive und das Nomen: ... ri’j-i taq winaq e : nawal taq winaq »die (vielen) alten Leute« »die (vielen) zauberkräftigen Menschen« bzw. »sie waren (viele) zauberkräftige Menschen« Einige wenige Adjektive können zur Bezeichnung des Plural auch das Suffix -aq nehmen: ... nimaq juyub’ 6.6 »die (vielen) großen Gebirge« Richtungsanzeigende Partikeln am Verb: uloq u. a. Bei Verben kann durch bestimmte adverbiale Elemente die Richtung näher gekenn­zeichnet werden. Am häufigsten ist ulo(q), gelegentlich ula »(hier)her«. Die Formen können ihre Ableitung von intransitiven Bewegungsverben – z. B. von ul »(nach Hause) gehen/kommen« oder aq’an »sich aufwärts oder hinauf bewegen« – nicht verleugnen: ta x-Ø-ok uloq ta x-Ø-el uloq k’ate k’ut x-Ø-qaj ulo(q) jun uk’ k’ate k’ut x-u-chap aq’anoq WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ »da ging er (hierher) hinein« »da kam er (hierher) hervor« »und dann fiel eine Laus (hierher) herab« »und dann hob er sie (die Laus) auf« 46 LEKTION 7 7.1 Antipassivformen Neben dem Passiv gibt es eine weitere, im Deutschen unbekannte Möglichkeit, einen transitiven Verbstamm intransitiv zu verwenden. Bei dem sogenannten Antipassiv wird nicht wie beim Passiv das Subjekt getilgt, sondern das Objekt oder es wird das Subjekt besonders hervorgehoben. Das ursprüngliche Subjekt des transitiven Satzes wird dabei zum Subjekt eines abgeleiteten intransitiven Satzes; dement­sprechend er­scheinen auch die Pronominalpräfixe der intransitiven Verben. Dass eine der­artige Ableitung sinnvoll sein kann, liegt daran, dass – im Unterschied zum Deutschen – das Subjekt bei transi­tiven Verben anders gekennzeichnet wird als das Subjekt bei intransitiven. 7.1.1 Antipassive Verben der Klasse 2 werden immer mit dem Suffix -n(-ik) gekennzeich­net. Verben der Klasse 1 zeigen sowohl Formen mit dem Suffix -ow(-ik) (nach Stamm mit -u -uw) als auch Formen mit -Vn(-ik) (meist mit o oder u, seltener a): x-e-b’anow-ik chi-Ø-b’anan ... x-Ø-na’ojin ... x-Ø-tikib’an ... x-Ø-tukuw-ik »sie machten es« »er/sie kann/soll etwas machen« »er/sie dachte etwas« »er/sie fing etwas an« »er/sie zerbrach es in Stücke« 7.1.2 Es liegen zwei verschiedene Antipassivkonstruktionen vor. Im Falle der Klasse 1 sind sie durch die Suffixe unterscheidbar, bei der Klasse 2 nur durch den Satzkontext. Die einfache Antipassivkonstruktion mit -Vn(-ik) bzw. -n(-ik) bewirkt, dass das direkte Objekt als eher unwichtig (also als »(irgend) etwas oder jemanden«) ausgeblendet wird: k’ate k’ut x-Ø-k’aton ri k-ati’t ma wi k-e-chapon chik »darauf verbrannte ihre Großmutter irgend etwas« »sie können nichts mehr festhalten« Der zweite Konstruktionstyp ist das sogenannte Fokus-Antipassiv (siehe 7.3). 7.2 Nomen als Subjekt und/oder Objekt im Satz: Fokusposition Das Subjekt eines intransitiven oder verblosen Satzes kann durch Voran­stellung besonders hervorgehoben werden. Die Voranstellung in die sogenannte Fokusposition entspricht in vieler Hinsicht der Betonung, durch die im Deutschen (fast) jeder Bestandteil eines Satzes hervorgehoben werden kann (z. B. du musst jetzt gehen, du musst jetzt gehen, du musst jetzt gehen, du musst jetzt gehen): are u-k’u’x kaj, Juraqan x-Ø-ul ... ri mak ek’, k’o pa taq K’iche’laj »das Herz des Himmels, Juraqan traf ein ...« »die Pflanze Mak-Ek’, es gibt sie in den Wäldern« Bei transitiven Sätzen kann nicht das Subjekt, sondern nur das direkte Objekt entsprechend vorangestellt werden: xa tap ch-u-tzuku-j chi taq ja’ »Nur Krebse pflegt er in den Flüssen zu suchen« Die von transitiven Verben abgeleiteten Passiv- und (einfachen) Antipassivkonstruktionen verhalten sich wie alle anderen intransitiven Verben. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 47 Die bereits in Lektion 4.5 behandelte Voranstellung der Pronomina are und e als Subjekt sind Sonderfälle dieses Konstruktionstyps, wobei manchmal ein Pronomen zur Betonung voran­ ge­stellt wird und in der Normalstellung nach dem Verb zusätzlich noch ein Nomen steht, auf das es sich bezieht: are ta x-Ø-b’an-ik b’utik are k’ut x-ki-riq-o ri echa’ »dies, eine Sintflut, wurde gemacht« »dies, Nahrung, fanden sie« 7.3Fokus-Antipassiv Die Voranstellung des Subjekt ist bei einem transitiven Satz nicht möglich, sondern es muss hierzu eine besondere Fokus-Anti­passiv­konstruktion verwendet werden: b’alam mi x-Ø-ti’ow-ik »der Jaguar hat ihn gerade eben gefressen« Anders als bei der grammatisch transparenteren einfachen Antipassivkonstruktion bleibt das direkte Objekt beim Fokus-Antipassiv definit (»ihn/sie/es«) und teilweise auch als hinter dem Verb stehendes Nomen erhalten: xa ajkun x-Ø-k’amow-ik ri k’uwal »aber der Arzt nahm den Edelstein« are k’ut x-Ø-worow u-wach q’eb’al »sie (are) durchbohrte die Seite des Kruges« 7.4 Implizite Satzverknüpfung Die Verknüpfung von Sätzen ist zumeist implizit, d. h. ohne besondere Kennzeich­nung und nur aus dem Kontext ersichtlich. Die Verknüpfung wird durch thematischen Be­zug sowie durch Modalpartikeln wie chik oder k’ut hergestellt. Der thematische Bezug auf den voraus­gehenden Satz folgt den gerade beschriebenen Prinzipien der Hervorhebung durch Voranstellung – etwas im ersten Satz Erwähntes wird im zweiten Satz in pronominaler Form entweder als Subjekt (intran­sitiv und Antipassiv), als direktes Objekt (transitiv) bzw. als Ortsangabe (mit wi) wieder aufgenommen: ta x-Ø-ul ri q’apoj, »da kam eine junge Frau, Xkik’ : u-b’i’ ihr Name ist Xkik’« wuqub’ siwan : u-b’i’ tinamit, »der Name der Stadt ist Sieben Schluchten, x-e-opon wi dorthin gingen sie« 7.5 Das Nomen -uk’ Neben der ungekennzeichneten Aufzählung von Nomina kann auch eine Kon­struktion mit dem Nomen -uk’ verwendet werden, das »(zusammen) mit« ausdrückt. Das Nomen -uk’ »Gemeinsamkeit« verbindet sich mit einem Possessiv­präfix zu ruk’: xa wi keje k-u-b’an-o »genauso macht es B’alamaq’ab’ (gemeinsam) mit seiner Frau« B’alamaq’ab’ ruk’ r-ixoqil Bei Bewegungsverben kann r-uk’ auch das Ziel »zu ....« ausdrücken, sofern es sich um eine Person handelt: k’ate k’ut x-e-b’e chik ruk’ k-ati’t chi ja’ »und dann gingen sie zu ihrer Großmutter an den Fluss« WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 48 Bei der Übersetzung ist zu beachten, dass »mit« im Deutschen auch Lesarten wie »mit(tels)« hat, die nicht mit -uk’ ausgedrückt werden, sondern eher mit -umal. 7.6 Infinitivformen Ein Verb kann im Satz die Position eines Nomens einnehmen und ist dann im Deut­schen als nominalisierter Infinitiv oder als adjektivisches Partizip zu über­setzen. 7.6.1 Der Infinitiv wird bei intransitiven, passiven und antipassiven Verben gebildet aus dem Verbstamm und einem Suffix -ik: elik kamik ch’akatajik wub’anik ch’akik »das Hervorkommen« »das Sterben« »das Besiegtwerden« »das Blasrohrschießen« »das Besiegtwerden« 7.6.2 Bei transitiven Verben erhält der Verbstamm das Suffix -j (Klasse 2) bzw. -oj (Klasse 1): b’anoj xajoj oq’ej »das (etwas) Machen« »das (etwas) Tanzen, der Tanz« »das (etwas) Beklagen« 7.6.3 Im infiniten Gebrauch nehmen Verbstämme weder Tempus/Aspekt-Präfixe noch die Pro­nominalpräfixe der Verben. Sie verhalten sich grammatisch wie normale unbelebte Nomina. So können Artikel und Adjektive vor die Form treten: ri eleq’ik nima b’utik »das Geraubtwerden« »große Überschwemmung« Ebenso können Infinitive ein Possessivpräfix nehmen, mit dem das Subjekt – sowohl intran­ si­tiver als auch transitiver Verben – bezeichnet wird: ki-kamik k-alaxik ki-b’anoj »ihr Sterben« »ihr Geborenwerden« »ihr Tun, ihre Taten« Der Besitzer kann dabei wie bei jeder Possessivkonstruktion als Nomen nachgestellt werden: u-kamik Sipakna ki-ch’akik Jun B’atz’, Jun Chowen ki-b’anoj k’ajol-ab’ u-k’atoj amaq’ »das Sterben Sipaknas« »das Besiegtwerden von Jun B’atz’ und Jun Chowen« »das Tun der Jünglinge« »das (etwas) Verbrennen der Volksgruppen (d. h. ihr Brandopfern)« 7.6.4 Infinitive werden nicht selten als Prädikat eines Äquationssatzes verwendet. Der infinite Charakter der Form wird aus ihrer Verbindung mit den Possessivpräfixen deutlich; sie bezeichnen in diesen Fällen das intransitive oder transitive Subjekt: k’ate k’ut : ki-petik samajel »dann (gab es) das Kommen der Boten« d. h. »dann sind/waren die Boten gekommen« keje k’ut : u-tzalijik chik q’apoj »so (gab es) das Zurückkehren des Mädchens«, d. h. »so ist/war das Mädchen zurückgekehrt« WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 49 Infinitive können auch als Subjekt eines intransitiven Verbs auftreten oder als direktes Objekt eines transitiven: nima b’ut-ik x-Ø-b’anik are ta x-Ø-winaqir ri eleq’ik chi-ki-tijtob’ela’ ki-wub’anik »eine große Überschwemmung wurde gemacht« »so fing die Räuberei an« »sie versuchten immer wieder, mit dem Blasrohr zu schießen« (wörtl.: versuchten ihr Blasrohrschießen) 7.7Parallelkonstruktionen Ein stilistisches Merkmal des K’iche’ (und von Mayasprachen allgemein) sind die soge­ nannten Parallelkonstruktionen, die aus Aufzählungen von zwei (gelegentlich auch mehr) gleichgeordneten Satzbestandteilen bestehen: xa kar, xa tap ch-u-tzuku-j chi taq ja’ u-ch’akatajik, u-kamik Sipakna »Nur Fische und Krebse pflegt er an den Flüssen zu suchen« »das Besiegtwerden und das Sterben Sipaknas« Neben Aufzählungen von Nomina können auch solche von finiten Verben vorkom­men: ta x-Ø-q’aq’ar-ik, ta x-Ø-tepewar-ik »da erglänzten und erstarkten u-nimal, r-alal K’iche’ Größe und Macht der K’iche’« Parallelkonstruktionen bestehen entweder aus Aufzählungen verwandter Begriffe (z. B. Tier­ arten wie Fische und Krebse), aus Wörtern mit ähnlicher Be­deutung (z. B. Größe und Macht) oder aber auch aus Wörtern mit entgegengesetzter Bedeutung (z. B. klein und groß). Letztere bilden bedeutungsmäßig nicht selten eine Einheit: x-Ø-kikot-ik ch’uti’ chikop, nima chikop x-Ø-ik’ow ki-wachib’al pa che’, pa ab’aj, pa cho, pa palo, pa juyub’, pa taq’aj »kleine und große Tiere (d. h. alle Tiere) freuten sich« »ihr Blickfeld reichte in Bäume und Felsen in Seen und Meere in Berge und Täler (d. h. überall hin)« Bei Parallelkonstruktionen kommen Bestandteile wie Besitzer, Adjektive oder gramma­tische Funktionswörter (Partikeln) oft nur einmal vor, beziehen sich aber auf alle parallelisierten Nomina oder Prädikate: e k’u : nimaq ajsu’, ajb’ix ri Jun B’atz’, Jun Chowen ma pu k-e-jilow-ik, k-e-polow taj »Jun B’atz’ und Jun Chowen sind große Flötenspieler und Sänger« »sie stöhnten nicht und atmeten nicht schwer« Parallelkonstruktionen sind bis heute vor allem für förmliche Rede kennzeichnend, wie sie u. a. in Ritualen verwendet wird. Besonders Gebetstexte bestehen überwiegend aus Parallelkonstruktionen und zeigen das großes Variationsspektrum, das dieses Stilmittel auszeichnet. Bei der Variation spielen auch Pausen und der Intonationsverlauf, der durch einen lauteren Beginn und allmähliches Leiserwerden innerhalb der jeweiligen Sprecheinheit gekennzeichnet wird, eine wichtige Rolle (Tedlock 2003: 233ff.). WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 50 LEKTION 8 8.1 Partizip Perfekt Neben Infinitiven können von Verbstämmen auch Partizipien abgeleitet werden. 8.1.1 Intransitive (und passive) Verben haben das Suffix -inaq bzw., sofern der Verbstamm ein e enthält, -enaq, mit dem das Partizip Perfekt gekennzeichnet wird: okinaq elenaq kaminaq chupinaq ch’akatajinaq »hineingegangen« »herausgekommen« »gestorben« »ausgelöscht (Passiv; z. B. von Feuer gesagt)« »besiegt (Passiv auf -Vtaj)« Das Partizip Perfekt drückt das Resultat des Vorgangs aus und wird meist als Prädikat eines Satzes (ohne finites, durch Tempus/Aspekt-Präfixe markiertes Verb) verwendet: kaminaq chi k’ut Jun Kame »dann ist/war Jun Kame gestorben« 8.1.2 Transitive Verben zeigen beim Partizip Perfekt das Suffix -m (Klasse 2) bzw. -om (Klasse 1, bei Stammvokal u -um): tz’ib’am chojim ilom q’utum »gemalt« »erhitzt« »gesehen« »gerieben« Das Partizip Perfekt drückt das Resultat der Verbhandlung aus und kann das Prädikat eines Satzes bilden: tz’ib’am ki-wachib’al »ihre Gestalt ist/war gemalt« Es kann auch ein Possessivpräfix nehmen, das das ursprüngliche Subjekt des transitiven Verbs ausdrückt – es ist dann mit dem deutschen passivischen Partizip Perfekt und »... von ihm etc.« zu übersetzen: ki-tik’em sel »die Schale ist/war von ihnen (ki-) getragen« Das Partizip Perfekt kann wie im Deutschen auch adjektivisch gebraucht werden: chojim ab’aj q’utum ik »erhitzter Stein« »geriebener Chili« 8.1.3 Des Weiteren gibt es noch eine zweite Form des Partizips auf -y, das sogenannte Partizip Progressiv, die nur bei transitiven Stämmen der Klasse 2 vorkommt (bzw. nur dort belegt ist) und die Handlung als im Vorgang befindlich beschreibt: tzonoy »bittend« kamisay »tötend« WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 51 8.2 Das Nomen -ib’ »Reflexiv« Das Nomen -ib’ »Selbst« mit Possessivpräfix dient zur Bezeichnung des Refle­xiv­­verhält­ nisses. Es ist direktes Objekt des transitiven Verbs: k’ate k’ut k-u-xib’i-j r-ib’ »darauf dann fürchtete er sich« xma x-u-tzoqopi-j wi r-ib’ »niemals trennten sie sich« -ib’ kommt gelegentlich auch in Verbindung mit fokus-antipassiven Verben vor: ta x-e-kuch-uw k’u k-ib’ »da versammelten sie sich« Die Reziprozität (Wechselseitigkeit) einer Handlung wird teils durch -ib’, teils durch die Folge chi + POSS-ib’il (eine Ableitung von -ib’) + POSS-ib’ ausgedrückt: k’ate puch x-ki-pus k-ib’ ta x-ki-k’am ki-na’oj chi k-ib’il k-ib’ 8.3 »darauf schlachteten sie sich gegenseitig ab« »da nahmen sie ihre Gedanken gegenseitig, d. h. tauschten ihre Gedanken aus« chi zur Kennzeichnung indirekter Angaben Mit chi werden nicht nur Ortsangaben eingeleitet, sondern auch alle anderen indirekten Angaben, die aus einem einfachen oder erweiterten Nomen bestehen – oder anders formuliert alle nominalen Ergänzungen außer Subjekt und direktem Objekt. Derartige Angaben (Empfänger, Nutznießer, Instrument etc.) werden im K’iche’ als adverbiale Erweiterungen des Satzes aufgefasst: ka-k-ik’owisa-j q’ij chi nimal, chi alal xa pu k-u-k’ux uloq r-ixk’aq chi r-e’ »sie überbieten die Sonne an Größe und Gewicht« »er zerbeißt aber seine Nägel mit den Zähnen« Die Funktion von Infinitiven als indirekte Angabe ist in solchen Fällen manchmal nicht leicht nachvollziehbar: ma wi x-u-ya’ r-ib’ chi ch’ak-ik »sie (er)gaben sich nicht selbst ins Besiegtwerden« 8.3.1 chi kann auch Zeitangaben einleiten, die aus einem Nomen (oder Infinitiv) gebildet werden: ch-aq’ab’ k’ut chi-r-eqa-j juyub’ »nachts pflegt er Berge (auf dem Rücken) zu tragen« Mit einer präpositional verwendeten Körperteilbezeichnung (s. 5.5) wird die zugrunde liegende metaphorische räumliche Inter­pretation verdeutlicht: ta x-e-kam chi r-ij B’alamkitze’ »sie starben nach (wörtl.: hinter) B’alamkitze’« 8.3.2 Ein besonderer Gebrauch des – jede Art von indirekte(re)n Bezug kennzeichnenden – chi ist die Abfolge von einem Nomen + chi + einem weiteren Nomen, die »... bestehend aus...« bedeutet: jun ja chi q’aq’ »ein Haus aus Feuer« In Verbindung mit einer Zahl (bzw. Mengenangabe) als erstem Element ergibt sich die Bedeutung »... aus einer Gruppe von ...«: oxib’ chi k’ajol-ab’ WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ »drei der Jünglinge« 52 8.3.3 Bei vorangestellten indirekten Angaben wie Zeitangaben, indirekten Objekten oder Infinitiven wird die Modalpartikel wi anders als bei Ortsangaben meist nicht verwendet. Allerdings findet sich wi auch bei vorangestellten Partikeln wie are, xa, xma, keje und gelegentlich auch adverbial vorangestellten Elementen, die in Verbindung mit dem Verb eine räumliche Interpretation zulassen (s. Beispiel 8.6.3). 8.4 Weitere Nomina -tukel und -onojel Weitere Nomina, die sich mit Possessivpräfixen verbinden, sind -onojel »alle zusammen, ingesamt« und -tukel »allein, nur«: ta x-Ø-na’oji-n k’ut ajaw-ab’ konojel ta x-Ø-na’oji-n chi k’ut ronojel amaq’ xa utukel kaj k’olik »da berieten nun die Fürsten ingesamt« »da nun berieten alle Volksgruppen« »nur allein der Himmel existierte« 8.5Stammbildung Eine Eigenheit des K’iche’, die es mit den anderen Mayasprachen gemeinsam hat, besteht darin, dass sich sein Wortschatz aus einem eher bescheidenen Grundinventar an einsilbigen Wortstämmen in Verbindung mit reichlich verwendeten ableitenden, sogenannten deriva­ tiven Suffixen aufbaut. Die Bildung solcher Ableitungen ist meist relativ gut nachvoll­ziehbar, die jeweils konkrete Bedeutung der einzelnen Bildungen jedoch nicht selten idiomatisch. Einige häufiger vorkommende Suffixe werden in den folgenden Lektionen vorgestellt; eine Liste der produktiveren Suffixe findet sich im Anhang 1. 8.6 Positionalstämme und ihre Ableitungen: Partizip Stativ u. a. Eine besondere Klasse von einsilbigen Wortstämmen, die mit unterschiedlichen Deri­va­ tionssuffixen zu verschiedenen Wortarten abgeleitet werden kann, sind die sogenannten Positionalstämme. Sie be­zeich­nen abstrakte Raumlagen wie z. B. ku’b’ »in sitzender Posi­tion« oder paq »in Position mit Öffnung (u. a. auch dem Mund) nach oben befindlich«. 8.6.1 Am gebräuchlichsten sind Stativ-Partizipien, das das Suffix -V=l(-ik) zeigt: ku’b’ul(-ik)»sitzend« paqal(-ik) »mit der Öffnung nach oben befindlich, in Rückenlage« Stämme mit auslautendem Konsonanten l haben eine Variante -V=n(-ik): telen»geschultert« Die Partizipien können sowohl prädikativ als auch adverbial gebraucht werden, wobei sie prädikativ den Zustand bezeichnen, in denen sich das Subjekt raumlagemäßig befindet: ku’b’ul k’u ri k’ajol pa b’e xa paqalik k-Ø-aq’an-ik »der Junge sitzt auf dem Weg« »er bewegt sich in Rückenlage (wörtl.: mit dem Mund nach oben) aufwärts« 8.6.2 Aber auch finite Verbformen können von Positionalstämmen abgeleitet werden. Am häufigsten sind das intransitive Verbsuffix -e’(-ik) »Raumlage einnehmen« wie bei ku’b’e’ WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 53 »sich setzen« oder paqe’-ik »sich in Rückenlage begeben« und das transitive Suffix -V=b’a’ »etwas in Raumlage bringen« wie bei teleb’a’ »etwas schultern«: ta x-Ø-ku’b’e’ puch ri k-ati’t »und da setzte sich auch ihre Großmutter« x-Ø-paqe’-ik1 »er begab sich in Rückenlage« x-u-teleb’a’ »er schulterte es (einen Baumstamm)« 8.6.3 Als unregelmäßige Form gehört auch das partikelartige k’o »räumlich existieren(d)« mit dem Partizip Stativ k’olik und der intransitiven Verbform k’oje’(-ik) zu den Positional­ wurzeln. Das folgende Beispiel mit der intransitiven Verbform zeigt den adverbialen Gebrauch eines Partizip Stativ mit der Modalpartikel wi sowie der in Verbformen äußerst seltenen plurali­schen Referierung auf etwas Unbelebtes mit e-: xa ch’ob’ol chik x-e-k’oje’ wi ja’ »die Gewässer begaben sich in eine geordnete Lage (aus der Schöpfungsgeschichte)« 8.7 Abgeleitete Verbstämme: -Vr, -isa-j und -V-j Nicht nur von Positionalstämmen, sondern auch von (fast) allen anderen Stämmen – Nomina, Adjektiven und intransitiven Verben – können Verbstämme abgeleitet werden. 8.7.1 Mit dem Suffix -Vr(-ik) können vor allem aus Nomina und Adjektiven intransitive Verbstämme gebildet werden. Der Vokal in -Vr ist nicht vorhersagbar und meist a oder i, seltener e oder u. Die Bedeutung ist »zu ... werden«: ab’ajir nimar winaqir »zu Stein werden« (zu ab’aj »Stein«) »groß werden« (zu nim »groß«) »zum Menschen werden«, (zu winaq »Mensch, Mann«) idiomatisch für: »entstehen, vermehren (auch von Tieren)« 8.7.2 Transitive Verben (der Klasse 2) werden von intransitiven Verben durch Anhängen von -isa-j (nach Stämmen mit e -esa-j) »... machen«, sogenannte Kausative, abgeleitet: kamisa-j ik’owisa-j nimarisa-j el-esa-j »sterben (kam) machen«, d. h. »etwas oder jemanden töten« »vorbeigehen (ik’ow) machen«, d. h. »etwas überbieten, übertreffen« »groß (nim) machen, stolz machen« »hervorkommen (el) machen«, d. h. »etwas hervorholen« 8.7.3 Seltener ist die transitive Ableitung durch -V-j, die sowohl bei Nominal- und Adjektiv(Bedeutung: »zu ... machen, mit ... machen«) als auch bei Verbstämmen auftritt: ajawa-j su’a-j nima-j wara-j »fürstlich machen, zum Fürsten bestimmen« (zu ajaw »Fürst«) »Flöte (su’) machen«, d. h. »flöten, etwas auf der Flöte spielen« »groß (nim) machen, verehren« »bewachen, Nachtwache halten« (zu war »schlafen«) Der Gebrauch von -V-j ist allerdings beschränkt und viele Formen zeigen eine Einengung oder Veränderung der Bedeutung. Es spricht einiges dafür, dass letztlich alle transitiven Verben der Klasse 2 zu dieser Gruppe gehören. 1 Normiert, im Manuskript des Popol Wuj steht <xpacaic>, es findet sich aber auch die Form <quipaqueic> »ich begebe mich in Rückenlage«. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 54 LEKTION 9 9.1 Instrumentale Verben mit -b’e- Bei Verben wird durch das Suffix -(o)b’e-j eine Form gebildet, die das Mittel der Hand­lung bzw. die mit der Handlung verbundene Absicht hervorhebt. Diese sogenannte InstrumentalAbleitung führt dazu, dass bei einem transitiven Verb ein indirektes Objekt oder die Angabe des Mittels ähnlich wie ein direktes Objekt (oder beim Fokus-Antipassiv das Subjekt) ohne chi in die hervorgehobene Position vor das Verb gestellt wird: xa tz’alam, xa ch’ut x-ki-kejb’e-j »nur mit Brettern und spitzen Pfählen befestigten r-ij ki-tinamit sie die Außenseite (wörtl.: Rücken) ihrer Stadt« xa wi xere chi-ki-ch’ab’e-j ri ki-b’ix »so kann/soll sie mit ihrer(/n) Stimme(n) sprechen« ta x-ki-tzonob’e-j k-ib’ »da befragten sie einander« Im Popol Wuj findet sich zusammen mit Verben auf -(o)b’e-j nur selten ein zusätzliches Nomen; das hervorgehobene Mittel oder das indirekte Objekt (bzw. der Nutznießer der Handlung) ergeben sich oft nur aus dem größeren Erzählzusammenhang. 9.1.1 Gelegentlich findet sich bei intransitiven Verben eine dem Instrumental transitiver Verben ähnliche Ableitung mit -ib’e-j, bei der eine indirekte Angabe zum direkten Objekt einer transitiven Konstruktion wird: jusuk’ x-u-kamib’e-j ri jun ajaw chi-k-oq’ib’e-j 9.2 »sofort starb der eine Herrscher daran« »sie können damit brüllen« Instrumentale Nomina -Vb’al (und -Vb’) Den für das Suffix instrumentaler Verbstämme kennzeichnenden Lautbestandteil -b’zeigt auch das Nominalsuffix -(V)b’al. Es macht aus einem Verb ein Nomen, das das Mittel oder den Ort der Verbhandlung ausdrückt: eleb’al kunab’al warab’al tab’al »Mittel oder Ort des Hervorkommens« »Heilmittel, Ort der Heilung« »Schlafmittel, Schlafstätte« »Mittel zum Hören« Auch Possessivkonstruktionen sind möglich: r-eleb’al q’ij r-oq’ib’al b’alam u-tijob’al Xib’alb’a u-k’utb’al r-ib’ »Aufgangsort der Sonne, d. h. Osten« »das Schreimittel, d. h. Gebrüll des Jaguars« »der Ort der Prüfung durch die Xib’alb’aner« »das Mittel bzw. der Ort, sich zu zeigen« Die beiden letzten Formen zeigen, dass sich das Possessivpronomen auch bei transitiven Verben immer auf das Subjekt bezieht (anders als im Deutschen, bei dem die vergleichbaren Genitivbildungen nicht immer eindeutig sind, in der Übersetzung »Prüfungsort der Xib’al­ baner« – könnten die Xib’alb’aner auch die Prüflinge sein). 9.2.1 Bei Positionalstämmen hat das abgeleitete instrumentale Nomen das Suffix -Vb’ : tz’apib’ teleb’ WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ »Tür (wörtl.: Mittel zum, Ort des Schließen(s))« »Schulter (wörtl.: Mittel zum, Ort des Schultern(s))« 55 9.3 Das Nomen -e(ch) »Eigentum« Das Nomen -e(ch) »Eigentum« hat in Verbindung mit Possessivpräfixen die Funktion deutscher Possessiv- oder Personalpronomina, z. B. rech »sein Eigentum, das Seinige«, oder: ma jab’i kech »es gab ihr Eigentum nicht«, d. h. »sie hatten nichts« Mit voran­gestelltem chi dient es zur pronominalen Bezeichnung eines menschlich-belebten indirekten Objekts (Dativ-Objekt, Empfänger, Nutznießer der Handlung): x-Ø-cha’ k’ut K’iq’ab’ chi k-ech ta x-Ø-ya’ k’ut jun tz’ikin chi re Kab’raqan x-e-cha’ ri k’ajol-ab’ chi ke »dann sagte K’iq’ab’ zu ihnen« »da wurde Kab’raqan ein Vogel gegeben« »sagten die Jünglinge zu Ihnen« Die letzten beiden Beispiele zeigen die mögliche Verkürzung von -ech zu -e (Wegfall des aus­ lautenden Konsonanten). Wie generell bei Possessivkonstruktionen (s. Lektion 5.1) kann auch bei pluralischem Bezug r- anstelle des zu erwartenden k- verwendet werden: x-e-cha’ chi rech k-ixoqil »sagten sie zu ihren Frauen« Gelegentlich wird -e(ch) mit transitiven Verben oder Verben, die im Fokus-Antipassiv stehen, zur Kennzeichnung eines menschlich-belebten direkten Objekts verwendet (vgl. auch Lektion 10.4) : xa wi k’u xere Junajpu, Xb’alanke x-Ø-ch’akow re Kab’raqan 9.4 »aber Junajpu und Xb’alanke besiegten Kab’raqan« Besondere Possessivbildungen (Endung -Vl) Das K’iche’ unterscheidet zwischen Nomina, • die immer einen Besitzer haben (und immer mit Possessivpräfix verwendet werden), • solchen, die normalerweise keinen Besitzer haben, • und solchen, die einen Besitzer haben können, aber nicht notwendigerweise haben müssen. 9.4.1 In die erste Kategorie fallen alle Körperteilbezeichnungen und Verwandtschafts­ begriffe sowie einige Wörter wie -ochoch »Haus (als Heim)« u. a. k-aqan, ki-q’ab’ u-k’ajol r-ochoch »ihre Beine und Arme« »sein Sohn« »sein Haus« Soll ein solches Nomen allgemein verwendet werden, so muss dies durch ein besonderes Suffix gekennzeichnet werden, z. B. bei Verwandtschaftsbezeichnungen -(V)xel: k’ajol-axel »Sohn, Söhne allgemein« Eine ähnliche Wirkung hat das mit Possessivpräfixen nicht kombinierbare Pluralsuffix -Vb’, z. B. k’ajol-ab’ »Söhne, junge Männer«. In nicht-possessivem Gebrauch nehmen Körperteil­ bezeichnungen ein Suffix -aj, z. B. jolom-aj »Kopf«, im Popol Wuj allerdings nicht belegt, vs. u-jolom »sein Kopf«. Zu -ochoch »Haus, Heim« gibt es eine nicht possessiv verwendetes Entsprechung, das Wort ja »Gebäude«. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 56 9.4.2 Durch Anhängen von -Vl werden Nomina als unveräußerlicher Besitz gekenn­ zeichnet, die einen ansonsten nicht notwen­diger­weise unveräußerlichen Besitz bezeichnen. Es handeln sich dabei meist um eine Teil-Ganzes-Beziehung (partitiv), v.a. bezogen auf den eigenen Körper, aber auch auf soziale Zugehörigkeit wie im Falle von ixoq »Frau«: kik’ u-kik’-el ki-tz’um u-tz’um-al chikop ki-b’aq-il k-ixoq-il »Blut (allgemein)« »sein (eigenes) Blut« »ihr Leder (zum Ballspielen)« »das Fell der Tiere« »ihre eigenen Knochen (des eigenen Körpers)« »ihre (Ehe-)Frauen« Das letzte Beispiel ist nur bedingt von Fällen zu unterscheiden, bei denen Nomina, die etwas bezeichnen, das normalerweise keinen Besitzer hat, possessivisch gebraucht ebenfalls das Suffix -Vl nehmen: ki-juyub’-al »ihre Berge (als beherrschtes Territorium)« 1 -Vl scheint auch zur Kennzeichnung eines unbelebten Besitzers dienen zu können: u-chikop-il juyub’ »die Tiere der Berge (Besitzer nicht belebt)« Sofern nicht verschiedene Suffixe zugrunde gelegt werden, kann die Bedeutung von -Vl am ehesten als Kennzeichnung einer »besonderen Art« von Verwendung des Nomens im Hinblick auf Possessivität beschrieben werden. Die Daten aus dem Popol Wuj (und anderen kolonialzeitlichen indigenen Quellen) reichen für eine genauere Analyse allerdings nicht aus. 9.5 Abstrakta und Kollektiva mit -Vl Es existieren noch andere Suffixe der Gestalt -Vl, die sich sowohl in ihrer Lautgestalt als auch in ihrem Gebrauch manchmal nur schwer voneinander unter­scheiden lassen. Bei Nomina und Adjektiven dient -Vl dazu, Abstrakta oder Kollektiva zu bilden: nimal saqil tepewal ajawal munil »Größe« »Helligkeit, Glanz, ...« »Erhabenheit« »Herrscheramt; Herrschaft« »Sklaverei« Einige dieser Ableitungen nehmen Possessivpräfixe, wobei gelegentlich auch das unter 9.4 beschriebene Suffix -Vl »besonderes Possessiv­verhältnis« vorzuliegen scheint: u-nimal u-saqil q’ij u-saqil-al r-achijil-al »seine Größe« »der Glanz der Sonne« »sein Glanz, Ruhm« »seine Männlichkeit, sein Kriegertum« Die Ableitungen können auch adjektivisch gebraucht werden: k’ajolal wach juyub’al winaq »jugendliches Aussehen (wörtl.: jungenhaftes Gesicht)« »aus dem Gebirge stammender Mensch« 1 Daneben findet sich im Popol Wuj aber auch einmal ujuyub’ »sein Berg«. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 57 9.6 Von Verben abgeleitete Nomina auf -Vl Durch -(V)l können auch Nomina von Verben abgeleitet werden, mit denen die handelnde Person bezeichnet wird. 9.6.1 Bei intransitiven Verben findet sich das Suffix -el: kay kam »zusehen« »sterben« kayel kamel »Zuschauer« »Sterbende« Von passiven Verben werden mit -(V)l Nomina abgeleitet, die den passiven Empfänger (Passiv auf -taj, der zu -ta-l wird) oder aber das Resultat der Handlung ausdrücken: muq xowa-j »begraben« »ehren« muqutal xowatal »der/das Begrabene« »der/das Geehrte« 9.6.2 Von transitiven Verben wird die Form durch Anhängen von -l (Klasse 2; gelegentlich mit Vokalwechsel), -ol (Klasse 1) bzw. als Antipassiv auf -(V)n-el gebildet: b’an k’ex chaji-j na’o-j etama-j kamisa-j »machen« »tauschen« »bewachen« »denken« »wissen« »töten« b’anol »Macher, Schöpfer« k’exel »Stellvertreter« chajal »Wächter, Hüter« na’ol »Denker« etamanel »Kundiger, Wissender« kamisanel»Mörder« 9.7Lesestücke Lesestück 1: Die Insignien der Macht 1. 2. 3. 4. 5. 6. Are k’u ub’i’ ajaw wa’: »Rajawal Aj Releb’al Q’ij,« xeopon wi. Ta xeopon k’ut chuwach ajaw, Nakxit ub’i’ nima ajaw. xa jun q’atol tzij, tzatz rajawarem. Are k’ut xya’ow uloq retal ajawarem, ronojel uwachinel. Ta xpetik retal Ajpopol, Ajpop K’amjail, ta xpe k’ut retal uq’aq’al, rajawarem puch Ajpop, Ajpop K’amja. Lesestück 2: Die Könige K’iq’ab’ und Kawisimaj 1. E ka’ib’ chi nimaq ajawab’: [...] K’iq’ab’ jun ajaw, Kawisimaj ub’i’ jun chik. 2. Are k’ut tzatz chik xub’an ri K’iq’ab’, Kawisimaj. 3. Are chi xnimarisan K’iche’ rumal qitzij nawal uk’oje’ik. 4. Are xq’ajowik, are puch xpaxinik usiwan, utinamit ch’uti’ amaq’, nima amaq’. 5. Naqaj taq uxol, k’o wi tinamit ojer: 6. Are ujuyub’al Kaqchekeleb’ ri Chuwi’la wakamik. 7. Ujuyub’al chi nay pu Rab’inaleb’ ri Pamak’a’. [...] 8. Utinamit chi k’ut Saqulewab’ Chuwi’ Miq’ina’, Xe’laju, Chuwa Tz’aq ruk’ Tz’olojche’. 9. Are xrixowaj K’iq’ab’, xub’an lab’al. 10. Qitzij wi xq’ajik, xpaxik usiwan, utinamit Rab’inaleb’, Kaqchekeleb’, Saqulewab’. 11. xxule’ik, xpaqe’ik ronojel amaq’. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 58 LEKTION 10 10.1Futur Für das Futur gibt es die speziellen Tempus/Aspekt-Präfixe xch(i)- und xk(a)-. xch(i)erscheint überwiegend bei transitiven, xk(a)- dagegen bei intransi­tiven (und entsprechend auch bei antipassiven und passiven) Verben:1 xch-u-rayi-j xch-Ø-ok ... xk-e-ul-ik »er wird es wünschen« »er wird hineinkommen« »sie werden kommen« 10.2 Besondere Possessivkonstruktionen bei Subjekt und Objekt In bestimmten Fällen wird das Subjekt eines transitiven Satzes als Teil einer Possessiv­kon­ struktion ausgedrückt, bei der es als Besitzer des direkten Objekts gekennzeichnet ist: mawi x-u-tzono-j u-q’aq’ ri Kaqchikel-eb’ »die Kaqchikel erbaten nicht (ihr) Feuer«,2 wörtl.: »man erfragte nicht das Feuer der Kaqchikel« Dieser Konstruktionstyp ist nur möglich, wenn das Subjekt durch die im Verb ausge­drück­te Handlung Kontrolle über das direkte Objekt erlangt: ta x-u-k’am r-echa’ ri xik aber: k’ate puch x-r-il ri ati’t ri echa’ »da nahm der Sperber seine Nahrung«, wörtl.: »er (= der Sperber) nahm die Nahrung des Sperbers« »und dann sah die alte Frau die Nahrung« Die Konstruktion liegt auch bei allen Reflexivkonstruktionen vor, bei denen das Subjekt durch ein Nomen vertreten ist: ta x-u-k’ut k’u r-ib’ jun winaq »da zeigte sich ein Mann« 10.2.1 Eine Possessivkonstruktion kann als direktes Objekt auch zum Ausdruck des indirekten Objekts (Dativ, Nutznießer) dienen, das – wenn möglich – grammatisch als Besitzer des direkten Objekts behandelt wird: ta x-ki-ya’ k’ut r-echa’ ch’oh »da gaben sie dann der Maus Nahrung«, wörtl.: »sie gaben die Nahrung der Maus« Voraussetzung für diese Bildung ist, dass das Pronominalpräfix im transi­tiven Verb und das Possessivpräfix nicht die gleichen sind. Bei Vorliegen identischer Formen wären Subjekt und Besitzer des direkten Objekts identisch. Lässt sich das indirekte Objekt nicht als Besitzer des direkten Objekts ausdrücken, so wird die in Lektion 9.3 beschriebene Konstruktion mit chi POSS-ech verwendet. 1 Diese Verteilung findet sich auch bei den Tempus/Aspekt-Präfixen ch(i)- und k(a)- in Imperativ­ formen (s. Lektion 11.7). Das Futur ist nur in kolonialzeitlichen Texten belegt, im heutigen K’iche’ jedoch nicht mehr gebräuchlich. Es ist durchaus möglich, dass es sich um eine missionars­lingui­ sti­sche Neuschöpfung handelt, die nur im geschriebenen K’iche’ verwendet wurde. 2 Hier fällt die bei transitiven ansonsten selten anzutreffende Diskrepanz zwischen pluralischem Subjekt (bzw. Besitzer des direkten Objekts) und dem sowohl im Verb als auch als Possessivpräfix vorkommenden u- auf. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 59 10.2.2 Besondere Possessivkonstruktionen für das Subjekt werden schließlich bei Verben ver­wen­det, die emotionale oder mentale Vorgänge oder Handlungen ausdrücken. Als gram­ matisches Subjekt finden sich nicht selten Körperteilbezeichnungen, besonders k’u’x »Herz«: are x-Ø-kikot u-k’u’x k-ati’t x-u-raqu-j k’u u-chi’ ajaw »das Herz ihrer Großmutter freute sich« »der Mund des Fürsten brüllte es« Gelegentlich ist die Kombination idiomatisch, wie z. B. ku’b’ »sitzend« und k’u’x »Herz« im Sinne von »beruhigt bzw. getröstet sein, ...«: k’ate k’ut x-Ø-ku’b’e’ ki-k’u’x »und dann beruhigten sie sich (wörtl.: setzten sich ihre Herzen) 10.3 Zahlen und Zählwörter Zahlen sind im Popol Wuj nicht umfassend belegt1 und werden deshalb hier nur kurz behandelt. Höhere Zahlen sind Zusammensetzungen: ju-lajuj »11 (1+10)«, wuq-lajuj »17 (7+10)«. Die Grundeinheit für höhere Zahlen bilden Zwanzig und seine Vielfache: ju-winaq »20«, wörtl. »ein Mensch (d. h. wohl Zahl der Finger + Zehen)«, ju-winaq kajib’ »24«. An höheren Zahlen kommen noch vor: omuch »400«, d. h. o-much »5 Haufen (à 80)«, ka-chuwi »16 000«, d. h. »2 Säcke Kakao zu je 8 000 Bohnen«. 10.3.1 Ebenfalls selten finden sich im Popol Wuj Beispiele mit Zähl­wörtern, die ansonsten für Mayasprachen typisch sind. Mit Zählwörtern wie wi, chob’ oder b’usaj werden gezählte Gegenstände aufgrund von Eigenschaften wie Materialbeschaffen­heit und Form zu Objekt­ klassen zusammengeführt:2 ju-wi ab’ix »eine Maispflanze«, ju-chob’ tinamit »eine Stadt«, ox-chob’ chi chinamit »drei der Familien­verbände« oder ox-b’usaj »drei Stück (Tuch)«. In Verbindung mit einem Zählwort zeigen Zahlen – anders als bei Konstruktionen wie oxib’ k’ajolab’ »drei Jünglinge« – das Pluralsuffix -Vb’ nicht. 10.3.2 Für Zahlen gibt es spezielle Möglichkeiten, Adjektive und Nomina zu bilden: Mit -ichal zusammen bezeichnen sie »Gruppe von ...«: kab’ichal »Zweier­gruppe«, kajichal »Vierergruppe«, possessivisch verwendet ki-kajichal »ihre Vierergruppe, sie Vier«. Mit -mul zusammen bezeichnen sie »... mal«: jumul (jun »1« verliert in Verbin­dungen meist den Auslaut n), »einmal«, kajmul »viermal«, als adverbiale Erweiterung: ch-u-kamul »zum zweiten Mal«. Besonders zu ju(n) »eins« finden sich weitere Ableitungen, so z. B. jusu(k’) »sofort«, jutaq »jeder«, jutaq’ij »immerzu« aus jutaq »jeder« + q’ij »Tag« und andere. Spezielle Suffixe wie -ix bzw. -ij und -ir bezeichnen Zeiträume: wuqub’ix »in sieben Tagen«, r-ob’ix »am fünften Tag«, kab’ij »in zwei Tagen«, kab’ijir »vor zwei Tagen«, z. B. in: ch-u-kab’ij puch ta x-Ø-t’ub’ukij sanik »und am zweiten Tag häuften sich Ameisen« 1 Dies gilt auch für die anderen kolonialzeitlichen Primärquellen. Genauere Informationen finden sich nur in den von Missionarslinguisten verfassten Grammatiken (und Wörterbüchern). Hinzu kommt, dass im heutigen Sprach­gebrauch für höhere Zahlen meist die spanischen Bezeichnungen verwendet werden. 2 Deshalb bezeichnet man derartige Zählwörter auch als Numeralklassifikatoren. Sie ähneln den im Deutschen bei nicht zählbaren Stoffbezeichnungen wie »Wasser« gebräuchlichen Wörtern wie »ein Glas Wasser« oder »eine Flasche Wasser«. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 60 10.4 Infinitive und nominalisierte Verben mit direktem Objekt Bei Nomina und Infinitiven, die von transitiven Verben abgeleitet sind, erscheint gelegentlich auch das direkte Objekt. Sofern es unbelebt und damit ein­deutig als Objekt identifizierbar ist, wird es einfach nachgestellt: b’anol ulew k’amb’al q’aq’ ri chajal kotz’i’j »Schöpfer der Erde« »Mittel (im Sinne von Preis) zum Nehmen des Feuers« »der Wächter der Blumen« Auch in diesen Fällen kann das Subjekt durch ein Possessivpräfix ausgedrückt werden: ki-q’atoj che’ »ihr Fällen (Abhacken) der Bäume« Ein menschlich-belebtes Objekt ist selten und wird jeweils mit -e(ch) eingeleitet: b’anol k-e k’amol r-e k’ab’awil ch’akb’al k-ech Xib’alb’a chaja-l r-e »Macher (d. h. Schöpfer) von ihnen« »Nehmer des Götterbildes« »Mittel zur Besiegung der Xib’alb’aner« »Wächter von ihnen (den Lebewesen der Wildnis)« Das letzte Beispiel ist eines der wenigen, bei denen -e(ch) eindeutig auf nicht-menschliche Lebewesen bezogen verwendet wird, vgl. zum Kontrast das oben zitierte ri chajal kotz’i’j. 10.5 Abgeleitete Nomina mit -Vm Das Suffix -Vm dient zur Bildung abgeleiteter Nomina: 10.5.1 Von intransitiven Verbstämmen können mit dem Suffix -Vm (meist -em, aber auch -am oder -om) Nomina abgeleitet werden: winaqirem waram wa’im q’oxom »Entstehung« »Schlaf« »Essen, Mahlzeit« »Schmerz« 10.5.2 Von Nominalstämmen leitet das Suffix -om1 Nomina ab, das den Hersteller, Benutzer oder Ausführenden der mit dem Nomen assoziierten Tätigkeit bezeichnet, z. B. wub’om »Blas­rohrschütze«, ab’ixom »Maisfeldbearbeiter«, k’ajolom »Söhne(er)zeuger« oder alom »Gebärerin«. 10.6 Abgeleitete Verben mit -Vla’ und Nomina/Adjektive mit -Vlaj Hier folgen noch zwei Suffixe zur Bildung abgeleiteter Verben bzw. Nomina/Adjektive: 10.6.1 Mit dem Suffix -V=la’, dessen Vokal mit dem Stammvokal identisch ist, werden transitive Verben abgeleitet, bei denen die Intensität der Handlung betont wird: jusu x-ki-chapala’ ki-yachwach ch-u-b’aqala’ ulew pu-q’ab’ »sofort tasteten sie nach ihrem Kopfschmuck« »er kann/soll sich Erde auf seine Hand reiben« 1 Vgl. Lektion 8.1.2 -om »Partizip Perfekt (von transitiven Verben der Klasse 1)« WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 61 10.6.2 Das Suffix -Vlaj hebt gleichfalls die Intensität hervor. Es leitet von Nomina oder Verben Nomina ab, die überwiegend als Adjektive gebraucht werden: loq’olaj »sehr geliebt, sehr begehrt«, utzilaj »sehr gut«, nimalaj »sehr groß« oder k’iyalaj »(besonders) viel«. -Vlaj kommt auch in Bildungen vor wie k’iche’laj »bewaldet«; »Wald« (wohl aus k’i »viel« und che’ »Baum, Holz«). 10.7 Zusammengesetzte Verben Das K’iche’ kennt zusammengesetzte Verben, die allerdings nur mit wenigen Verbstämmen belegt und oft nicht eindeutig analysierbar sind. Hierzu gehören insbesondere Ableitungen von dem bedeutungsmäßig schwer fassbaren, von wach »Gesicht« abgeleiteten Verbstamm wachi-j »etwas oder jemanden ein Gesicht geben«, das u. a. »Frucht oder Blüten tragen (von Pflanzen)« bedeuten kann. Ein voran­ge­stelltes Nomen oder Adjektiv bestimmt das Verb adverbial, d. h. es gibt die Art und Weise der Handlung an: moywachi-j »blind machen, d. h. betrügen« oder winaqwachi-j »etwas men­schen­gestaltig machen«. Einige Zusammensetzungen sind idiomatisch: q’aq’wachi-j »eifersüchtig (wörtl. feuer­gesichtig) machen« oder moxwachi-j »neidisch (wörtl. linksgesichtig) machen«. 10.8 Lesestück 3: Die Sintflut 1. Jusuk’ xb’anik poy, ajam che’: 2. xewinaqwachinik, xewinaqtzijonik puch [...] 3. xepoq’ik, xeme’alanik, xek’ajolanik ri poy, ajam che’. 4. Ma k’u jab’i kik’u’x, ma pu jab’i kina’oj. 5. Mawi na’tal kajtz’aq, kajb’it. 6. xaloq’ xeb’inik, xechakanik. [...] 7. K’ate k’ut kik’isik chik, kima’ixik, kiq’utuxik puch; 8. xekamisax chik poy, ajam che’. 9. Ta xna’ojix kib’utik rumal Uk’u’x Kaj; 10. nima b’utik xb’anik: xpe pa kiwi’ ri e poy, e ajam che’. 11. Tz’ite uti’ojil ri achij, ta xajaxik rumal Tz’aqol, B’itol. 12. Ixoq, sib’ak k’ut uti’ojil ixoq [...] 13. Mawi xena’wik, ma pu xech’awik chuwach kajtz’aq, kajb’it, 14. b’anol ke, winaqirisay kech. 15. Keje k’ut kikamisaxik, xeb’utik: 16. xpe nima q’ol chila’ chi kaj; [...] 17. xpe Kotzb’alam, xti’ow kiti’ojil; 18. xpe Tuqumb’alam, xtuquwik, xq’ichowik kib’aqil, kib’och’il. 19. xq’ajixik, xmuchulixik kib’aqil, k’ajisab’al kiwach. Aufgaben 1. Kennzeichnen Sie im Lesestück 3 alle Nomina und Pronominalpräfixe (an Verben und Nomina), die auf die Holzmenschen referieren. 2. Kennzeichnen Sie im Lesestück 3 alle durch Nomina ausgedrückte Subjekte. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 62 LEKTION 11 11.1 Zitierte Rede Im Popol Wuj kommt häufig zitierte direkte Rede vor. Sie wird meist durch einen Satz mit einem Verb des Sagens, v. a. dem intransiven cha’, eingeleitet oder abgeschlossen. Der Sprecher kann als Subjekt angeschlossen werden, gelegent­lich mittels einer Konstruktion mit chi re(ch) »zu ihm / ihr (indirektes Objekt)« zusätzlich der Angesprochene: »›Utz b’a la‹, x-e-cha’ k’ut. »›Aji!‹ x-Ø-cha’ Jun Kame »›Kala, Jun Kame‹ x-e-cha’ chi re ri poy »›Gut!‹ sagten sie dann« »›Aua!‹ sagte Jun Kame« »›Sei gegrüßt, Jun Kame‹ sagten sie zu der Puppe« Es finden sich auch Passivformen x-Ø-uchax(-ik) bzw. x-e-uchax(-ik) mit dem Angespro­che­ nen als Subjekt, bei denen der Sprecher fakultativ mit -umal genannt werden kann:1 »›...‹ x-e-uchax chik kumal ki-chaq’ »›...‹ wurde ihnen von ihren jüngeren Brüdern gesagt« Die folgenden Beispiele für neue grammatische Formen der ersten und zweiten Person sowie des Imperativs stammen fast ausschließlich aus zitierter Rede (was im Folgenden nicht besonders kennzeichnet wird). 11.2 Pronomina der 2. Person Die freistehenden Pronomina der zweiten Person stehen immer betont voran: at ix »2. Person Singular« »2. Person Plural« at : u-k’u’x kaj ix : samajel »du bist das Herz des Himmels« »ihr seid Boten« 11.2.1 Die Subjektpronomina intransitiver Verben entsprechen – wie bei e und e- für die 3. Person Plural (Lektion 4.5) – den Formen dieser isolierten Pronomina, d. h. sie lauten at- bzw. ix-: k-at-b’e x-at-ul-ik k-ix-ta’on-ik »du gehst« »du bist gekommen« »ihr hört (irgendetwas)« 11.2.2 Possessiv- und Subjektpronomina transitiver Verben lauten identisch: aawiiw- vor Konsonant vor Vokal vor Konsonant vor Vokal »2. Person Singular« »2. Person Plural« 1 Die Verben des Sagens hängen offensichtlich zusammen, sind aber bezüglich ihrer Bildung und Lautgestalt nicht ein­heitlich: cha’ »sagen« und ein transitives Verb »etwas sagen«, das im Popol Wuj nur als Passiv (u)chax und Antipassiv ch’aw bzw. (u)chan sowie im Instrumental ch’ab’e-j »jemanden etwas sagen« belegt ist. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 63 Possessiv: a-b’i’ ch-aw-ech i-k’u’x iw-ochoch »dein Name« »zu dir« »eure Herzen« »euer Haus bzw. eure Häuser« Subjekt transitiver Verben: x-a-b’an-o k-iw-aj x-i-b’an ... 11.3 »du machtest es« »ihr wünscht es« »ihr tatet es« Pronomina der 1. Person Die freistehenden Pronomina der ersten Person stehen immer betont voran: in oj »1. Person Singular« »1. Person Plural« in : b’anol ulew oj : xajol »ich bin der Erschaffer der Erde« »wir sind Tänzer« 11.3.1 Die Subjektpronomina intransitiver Verben entsprechen den Formen der isolierten Pronomina, d. h. in- und oj-: xk-in-opon k-oj-b’e(-k) »ich werde hineinkommen« »wir gehen« 11.3.2 Possessiv- und Subjektpronomina transitiver Verben lauten identisch:1 nuwqaq- vor Konsonant vor Vokal vor Konsonant vor Vokal »1. Person Singular« »1. Person Plural« Possessiv: nu-wach w-echa’ qa-b’i’ q-ochoch »mein Gesicht« »meine Nahrung« »unsere Namen bzw. unser (gemeinsamer) Name« »unsere Häuser bzw. unser Haus« Subjekt transitiver Verben: x-nu-k’am chi-w-il xchi-qa-tz’ib’a-j x-q-il »ich nahm es« »ich kann es sehen« »wir werden es aufschreiben« »wir sahen es« Die 1. Person Singular transitiver Verben lautet allerdings nach ch(i)- und xch(i)- unregel­ mäßig in-: xch-in-k’am »ich werde es nehmen« 1 Bedingt durch die defektive Schreibung des Lautes q im Popol Wuj (meist genauso wie der Laut k mit <c> oder <qu>) ist vor vokalisch anlautenden Nomina q- »l. Person Plural« nicht von k- »3. Person Plural« zu unterscheiden. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 64 11.4 Verkürzte und mehrdeutige Pronominalpräfixe Einige transitive Verbformen der ersten und zweiten Person sind im Potential und Inkompletiv formal doppeldeutig: chi-w-il ka-w-il »ich kann es sehen« oder ch-iw-il »ich sehe es« oder k-aw-il »ihr könnt es sehen« »du siehst es« Manchmal fällt bei intransitiven Verben vor konsonantisch anlautenden Verb­stäm­men das n von in- »1. Person Singular« oder das x von ix- »2. Person Plural« weg: k-i-paqa’-ik »ich (in-) bringe mich in Rückenlage« bzw. »ihr (ix-) bringt euch in Rückenlage« Der Wegfall des Konsonanten findet sich gelegentlich auch bei at- »2. Person Singular«: k-a-kam-ik »du stirbst« bzw. ka-Ø-kam-ik »er/sie stirbt« Über den Kontext ist fast immer eine eindeutige Interpretation möglich. 11.5 Imperativ und Optativ In zitierter Rede kommen im Popol Wuj Aufforderungen vor. Diese Im­pe­rative werden mit anderen Modalsuffixen als den bisher beschreibenden (sogenannten indikativen) gebildet. Sie können mit einem der Tempus/Aspekt-Präfixe k(a)- oder ch(i)- kombiniert oder ohne ein Tempus/Aspekt-Präfix (d. h. also formal mit Ø- gekenn­zeichnet) ge­braucht werden. Diese Bildungen werden nicht nur mit der 2. Person Singular oder Plural als Imperative verwendet, sondern auch mit einer 1. oder 3. Person im Sinne eines Wunsches (als sogenannter Optativ). 11.5.1 Bei intransitiven (und passiven bzw. antipassiven) Verben lauten die Modalsuffixe -oq bzw. -a. Die Form -oq wird verwendet, wenn im Indikativ -ik erscheinen würde, die Form -a in den Fällen, in denen die Indikativform kein Modalsuffix nehmen würde. Das häufigste Präfix ist k(a)-: k-at-tzijon-oq»Sprich!« k-ix-pet-oq»Kommt!« k-oj-q’at-oq »Wir sollen/wollen verbrannt werden!« k-e-pet-oq »Sie sollen kommen!« ch-Ø-ux-oq »Es soll (zu ...) werden!« Ø-pet-oq »Er/sie soll kommen!« Ø-pet-a qa-wub’ »Unsere Blasrohre sollen kommen!« 11.5.2 Transitive Verben der Klasse 1 zeigen im Imperativ -a, das bei Verbstämmen mit Stammvokal o als -o, mit Stammvokal u als -u erscheint. Verben der Klasse 2 haben wie im Indikativ -j. Dementsprechend unterscheiden sich also nur die Modalsuffixe von Verben der Klasse 1 mit einem Stammvokal a, e oder i von denen des Indikativs, die Suffixe stehen allerdings auch dann, wenn das transitive Verben im Indikativ kein Suffix aufweisen würde. Das häufigste Präfix ist ch(i)-: ch-a-ya’-a ch-aw-il-a ch-iw-il-a »Gib es!« »Sieh es (an)!« »Seht es (an)!« WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 65 ch-i-kamisa-j Ø-i-ch’aj-a Ø-qa-b’an-a Ø-w-il-a »Tötet ihn!« oder »ihr sollt ihn töten« »Wascht es!« »Lasst es uns machen!« »Ich will es (an)sehen!« 11.5.3 Negative Aufforderungen (Warnungen, Verbote) zeigen die indikativen Modalsuffixe, nicht die des Imperativs. Anstelle des Tempus/Aspekt-Präfixes ch(i)- oder k(a)- steht das Präfix m- (vgl. ma »Negation«): m-ix-oq’-ik m-e-qaj-ik m-i-ya’ m-a-k’ajisa-j »Ihr sollt nicht weinen!« »Sie sollen nicht fallen!« »Ihr sollt es nicht geben!« »Du sollst ihn/sie nicht täuschen!« 11.6 Übersichtschemata für intransitive und transitive Verben Das vollständige Schema mit allen Personen, allen Tempus/Aspekt-Präfixen und den Imperativ/Optativ-Formen lautet für intransitive bzw. transitive Verben also: Tempus/Aspekt Subjekt (intransitiv) VERBSTAMM Modalsuffix xk(a)ch(i)xch(i)-/xk(a)k(a)ch(i)- inatØojixe- intransitiver Verbstamm -ik Tempus/Aspekt Subjekt (transitiv) VERBSTAMM Modalsuffix xk(a)ch(i)xch(i)-/xk(a)k(a)ch(i)- nu- (in-) / wa(w)u- / rq(a)i(w)k(i)- transitiver Verbstamm -j (Klasse 2) -o / -u -oq -a -j (Klasse 2) -a / -o / -u 11.7 Fragesätze (Ja/Nein-Fragen) Bei Fragesätzen gibt es zwei grundlegend unterschiedliche Bildungen, je nach dem, ob es sich um eine Satzfrage (oder Ja/Nein-Frage) oder um eine Frage nach einem Satzteil (s. Lektion 12.2) handelt. Satzfragen werden mit der Partikel ma eingeleitet: ma k-ix-ta’on-ik? ma xa ma wi k-oj-k’ixb’-ik? »Hört ihr irgendetwas?« »Müssen wir uns aber nicht schämen?« Dieses ma »Frage« ist von dem gleichlautenden ma »Negation« zu unterscheiden. Bei negativen Fragen wird die Negation ma durch ein nachgestelltes pa zur Frage: ma pa x-e-kam ri Jun Junajpu, Wuqub’ Junajpu? WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ »Sind Jun Junajpu und Wuqub’ Junajpu nicht gestorben?« 66 11.8 Modalpartikeln der Einschätzung In gesprochener Sprache kommen neben den in Lektion 2.3 behandelten noch weitere Modal­partikeln vor. Sie stehen nach dem Verb oder nach einer Partikel bzw. einer adver­ bialen Angabe in Erstposition und kennzeichnen, wie der Sprecher den Wahrheits­gehalt oder die Wahrscheinlich­keit einer Aussage einschätzt: b’a lo na on ta(j) »befürwortend, bejahend« »wohl eher nicht (zweifelnd)« »wahrscheinlich, in fester Erwartung« »möglicherweise (offene Einschätzung)« »den Tatsachen widersprechend« ch-i-poro-j na b’a w-ochoch xa sakb’al tzij lo ch-Ø-opon na kik’ awuk’ k’o b’a nu-tzij chi nupam ma xa on mi x-Ø-b’e-k Junajpu? »brennt doch mein Haus nieder!« »aber es ist wohl nur ein Wortspiel« »der Kautschukball soll dann zu dir kommen (d. h. dir zugespielt werden)« »meine Botschaft befindet sich tatsächlich in mir« (gesagt von einem Boten, der ein Tier verschluckt hat, das eine Nachricht überbringen soll) »Ist Junajpu etwa nur vielleicht gerade eben weggegangen?« Gerade das letzte Beispiel zeigt die Komplexität der Abfolge mehrerer Partikeln. 11.9Lesestücke Lesestück 4: Gebet 1. Akaroq, at tz’aqol, at b’itol! [....] 4. at k’ab’awil chi kaj, chi ulew, 5. uk’u’x kaj, uk’u’x ulew! 6. chaya’ taj qetal, qatzijel, 7. chi b’e q’ij, chi b’e saq, 8. ta chawaxoq, ta saqiroq! 9. k’i ta raxal b’e, raxal jok kojaya’ wi! [...] 10. utzilaj k’aslem, winaqirem ta puch kojaya’ wi! 11. at Juraqan, Ch’i’pa Kaqulja’, Raxa Kaqulja’, 12. Ch’i’pi Nanawak, Raxa Nanawak, 13. Wok, Junajpu, Tepew, Q’ukumatz, 14. alom, k’ajolom, Xpiyakok, Xmukane, 15. rati’t q’ij, rati’t saq, 16. ta chawaxoq, ta saqiroq! WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 67 Lesestück 5: Das Mädchen Xkik’ 1. Are k’ut ta xuta jun q’apoj, ume’al jun ajaw. 2. Kuchumakik’ ub’i’ uqajaw, Xkik’ k’ut ub’i’ ri q’apoj. 3. Ta xuta k’ut utzijoxik ri uwach che’, ta chitzijox chik rumal uqajaw. 4. Chumayijaj k’ut, ta chitzijoxik. 5. »Ma [...] wila ri che’ [...]? Qitzij kus uwach, kacha’, kanuta’o.« xcha’ k’ut. 6. K’ate xb’ek, xa utukel, xopon k’ut chuxe’ che’. [...] 7. »Ma kikam taj, ma kisach taj, la qi ta xchinch’up junoq.« xcha’ k’u ri q’apoj. 8. Ta xch’aw k’ut ri b’aq,1 k’o ula xol che’: 9. »Naki pa karayij chi re ri xa b’aq ri k’olok’oxinaq chuq’ab’ taq che’?« 10. xcha’ ri ujolom Jun Junajpu, ta xch’awik chi re ri q’apoj. 11. »Ma karayij?« xuchaxik. 12. »Kanurayij!« xcha’ k’ut ri q’apoj. 13. »Utz b’a la, chalik’ib’a’ uloq ri awikiq’ab’, Wila na!« xcha’ ri b’aq. 14. »We’!« xcha’ k’u q’apoj, xulik’ib’a’ aq’anoq uwikiq’ab’ chuwach b’aq. [...] 15. Tak’al k’ut puq’ab’ q’apoj, ta xril k’ut puq’ab’. 16. Jusuk’ xunik’oj, ma k’u jab’i uchub’ b’aq puq’ab’. 17. »xa retal, mi xnuya’ chawe ri nuchub’, nuk’axaj. [...] 18. Kataq’an k’ut chila’ chuwach ulew. 19. Mawi kakamik, katok pa tzij. Ta chuxoq!« 20. xcha’ ri ujolom Jun Junajpu, Wuqub’ Junajpu. 21. xa wi kina’oj ta xkib’ano, 22. are utzij Jun Raqan, Ch’i’pi Kaqulja’, Raxa Kaqulja’ chi kech. 23. Keje k’u utzalijik chik q’apoj chi rochoch, k’iya pixab’ xb’ix chi rech. 24. Jusu k’u xwinaqir ral chi upam rumal ri xa chub’. 25. Are k’ut kiwinaqirik Junajpu, Xb’alanke. 26. Ta xopon k’ut chi rochoch ri q’apoj, xtz’aqat k’ut waqib’ ik’. 27. Ta xnawachil rumal uqajaw, ri Kuchumakik’ ub’i’ uqajaw. [...] 1 In diesen Sätzen liegt wahrscheinlich ein Wortspiel zwischen b’aq »Knochen« (dem im Baum befindlichen Schädel Jun Junajpus) und b’aq’ »Frucht« vor. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 68 LEKTION 12 12.1 Gemeinsames Vorkommen von Subjekt- und Objektpräfixen bei transitiven Verben Bei den bisher behandelten transitiven Verbformen war nur das Subjekt pronominal mar­ kiert. Dies sind zwar die am häufigsten anzutreffenden Formen transitiver finiter Verben, sie stellen jedoch eigentlich nur einen Sonderfall der pronomina­len Markierung von Subjekt und direktem Objekt dar: Bei transitiven Verben tritt zwischen das Tempus/Aspekt-Präfix und den Stamm eine zweifache pronominale Markierung, das Objekt wird so vor den bereits bekannten Subjektpronomina des transitiven Verbs mit denselben Pro­nominal­präfixen bezeichnet, die bei intransitiven Verben das Subjekt markieren: k-ix-qa-sach x-oj-i-k’am x-e-qa-ch’ak-o k-in-ki-q’alu-j »wir vernichten euch« »ihr habt uns genommen (d. h. geholt)« »wir haben sie überwunden« »sie umarmen mich« Es zeigt sich, dass bei den bisher behandelten transitiven Verben ebenfalls eine Objekt­mar­ kierung vorgelegen hat, nämlich Ø- »3. Person Singular«: x-Ø-qa-riq-o »wir fanden ihn/sie/es« Die Objektpräfixe transitiver Verben sind also identisch mit den Subjektpräfixen der intransitiven – die Charakteristik einer sogenannten Ergativsprache (s. Anhang 4). Das voll­ ständige Schema für transitive Verben im Indikativ (Imperativ/Optativ analog) lautet also: Tempus/Aspekt Objekt Subjekt VERBSTAMM Modalsuffix xk(a)ch(i)- inatØojixe- nu- (in-) / wa(w)u- / rq(a)i(w)k(i)- transitiver Verbstamm -j -o / -u 12.2 Fragesätze: Frage nach einem Satzteil Nach Satzteilen wird im K’iche’ mit Fragewörtern gefragt, die hervorgehoben am Satz­anfang stehen. Sie sind meist komplexe Bildungen, die schwer aufzulösen sind; teil­weise enthalten sie die fragenden Modalpartikeln pa oder la.1 Nach Subjekt oder Objekt wird gefragt mit a(pa)chinaq »Wer?« oder naki »Was?«: achinaq x-e-k’ajolan-ik, x-e-alan-ik?»Wer zeugte sie und brachte sie zur Welt?« apachinaq : tzuqul, k’o’ol? »Wer ist der Ernährer (und) Betreuer?« naki pa : aw-echa’? »Was ist deine Nahrung?« naki pa k-i-b’an-o? »Was macht ihr?« 1 Die Bedeutung dieser beiden Partikeln ist für das K’iche’ des 16. Jahrhunderts nicht wirklich klar, zumal la auch in anderen, nicht-fragenden Kontexten vorkommt, ev. im Sinne einer rhetorischen Frage »nicht wahr?«. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 69 naki la k’ut chi-qa-ch’akb’e-j kech? »Womit sollen wir sie überwältigen?« (aufgrund des Instrumentalsuffixs -b’e- erhält das Frage­wort naki die Bedeutung »Womit?«) Die Funktion als Frage nach Subjekt oder Objekt wird durch das Prädikat (Verb) und die Systema­tik der hervorhebenden Voranstellung (vgl. Lektion 7.2 und 7.3) bestimmt. Weitere Fragewörter sind: a pa »Wo, wohin, woher?«, naki rumal »Weshalb, warum?«, jupacha »Wie?«: a pa x-oj-k’axtok’ax wi? »Wo sind wir irregeleitet worden?« naki r-umal mawi ch-i-ya’ qa-wa’? »Warum wollt/könnt ihr (uns) nicht unsere Nahrung geben?« jupacha x-qa-b’an-o? »Wie haben wir es gemacht?« 12.3 Weitere satzeinleitende Partikeln Die Partikel keje »so, auf diese Weise« kann dazu dienen, einen Vergleich auszudrücken: are k’u ri k’oy, keje ri winaq chi-Ø-wachin-ik »dies sind die Affen (generisch), die wie Menschen aussehen« Die Partikel mi »gerade, schon« kommt nur in Verbindung mit Verben im abgeschlossenen Aspekt vor und betont den Abschluss der Handlung bzw. des Vorgangs. Sie kann allein am Satzanfang stehend Modalpartikeln nach sich haben, steht in Verbindung mit anderen satzein­leitenden Partikeln oder vorangestellten Adverbien jedoch unmittelbar vor dem Verb: mi pa x-e-kam-ik utz mi x-at-ul-ik »Sind sie gerade schon gestorben?« »gut bist du gerade angekommen« 12.4 Besondere Formen des Fokus-Antipassiv Die Kontrastfunktion des Fokus-Antipassiv kann dazu führen, dass das ursprüngliche direkte Objekt das Thema der Satzaussage bleibt: mana ixoq x-e-alan-ik »keine Frau hat sie (die ersten Vorfahren der K’iche’; Plural, mit e- im Verb markiert) geboren« Bei dieser Verbform bezieht sich das Pronominalpräfix e- nicht auf das eindeutig singula­ rische Subjekt, sondern auf das direkte Objekt. Dies ist der Fall, wenn das Subjekt einer Verbform im Fokus-Antipassiv ›nur‹ eine unmarkierte 3. Person Singular ist, das direkte Objekt dagegen 3. Person Plural (e-) oder eines der Pronominalpräfix der 1. (in-, oj-) oder 2. Person (at-, ix-): naki la mi x-i(n)-ti’ow-ik?1 a’onchinaq mi x-oj-mich’ow-ik? »Was hat mich gerade gebissen?« »Wer hat uns gerade Haare ausgerissen?« 1 Die Form der ersten Person Singular ist bei diesem Beispiel zu i- verkürzt. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 70 12.5 Besitzer in Fokusposition Gelegentlich kann der mit einem Possessivpräfix der 3. Person bezeichnete Besitzer einer indirekten Angabe, wie z. B. einer mit chi eingeleiteten Ortsangabe, in die hervor­gehobene Position vor das Verb treten: jun k’ut tz’ikin x-ki-q’ul sajkab’ chi rij »sie strichen weiße Erde auf den Rücken eines Vogels« Auch bei anderen indirekten Angaben – bis hin zu den schon selbst vorangestellten adverbialen Ergänzungen des intransitiven Verbs ux »werden zu« – kann die Voranstellung vorkommen: b’alam u-wachib’al x-Ø-ux-ik »es (die Malerei) wurde zum Ebenbild eines Jaguars« 12.6 Verbkoppelungen Einige wenige Verben können neben der Verwendung als Vollverb auch als Hilfsverb dienen, mit denen ein weiteres Verb – mit gemeinsamem Subjekt – eng verbunden wird: k’is b’e ul raj »aufhören zu tun« »gehen zu tun« »kommen zu tun« »wünschen zu tun«1 In Verbindung mit einem intransitiven Verb erhält nur das Hilfsverb das Tempus/Aspektund das Pronominal­präfix: x-Ø-k’isel-ik k-e-raj aq’an-ik »es hörte auf herauszukommen« »sie wollen hinaufsteigen« Bei den Bewegungsverben b’e und ul wird das Hauptverb mit den entsprechenden Suffixen des Imperativs gekennzeichnet:2 x-e-b’e kam-oq x-Ø-ul ewax-o ... »sie gingen (um zu) sterben« »er/sie kam um versteckt zu werden« In Verbindung mit einem transitiven Verb zeigt das Hauptverb das transitive Pronominal­ präfix, das Hilfsverb ggf. das Präfix für das direkte Objekt. Das Hilfsverb tritt zwischen Objekt- und Subjektposition der Pronominalpräfixe, wobei die Formen auseinander geschrieben werden: x-Ø-k’isk-il-o x-Ø-b’e u-k’am-a x-e-b’ek-il-a k-Ø-ul ki-tzono-j x-Ø-raj qa-chap-o x-Ø-raj ki-tijtob’e-j »sie hörten auf, es zu sehen« »er/sie ging es nehmen (d. h. holte es)« »sie gingen sie (Plural) zu sehen« »sie kommen (um zu) fragen« »wir wollen es ergreifen« »sie wollten es versuchen« 1 Zum Hilfsverb raj gibt es zwei transitive Verben -aj »etwas wollen, wünschen« und rayi-j »etwas wünschen«. 2 Das Modalsuffix -oq findet sich außerdem noch bei den in Lektion 6.6 behandelten, von intransitiven Bewegungs­verben abgeleiteten Richtungsadverbien wie uloq, aq’anoq etc. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 71 12.7 Nebensätze als Satzteile 12.7.1 Relativsätze Relativsätze werden mit ri eingeleitet. Der grammatische Bezug zwischen Hauptsatz und dem Relativ­satz folgt den gleichen Prinzipien wie die Hervorhebung (Lektionen 4.5, 5.6, 7.2 und 7.3), d. h. etwas im ersten Satz Erwähntes wird im zweiten Satz in pronomi­naler Form entweder als Subjekt (intran­sitiv, passiv und antipassiv), als direktes Objekt (transitiv) bzw. als Ortsangabe (mit wi) wieder aufgenommen: mana qitzij xa’n, ri x-e-ti’ow-ik are nab’e u-tijob’al Xib’alb’a, ri x-e-ok wi »es war nicht wirklich eine Stechmücke, die sie gebissen hat« »dies ist der erste Ort der Prüfung durch die Xib’alb’aner, in den sie eintraten« Anstelle von ri können auch Fragewörter (s. 12.2) wie naki relativisch gebraucht werden: ma k’u jab’i chik, naki la x-u-b’an chik chi re »Es gab nichts, was er noch für ihn hätte tun können.« 12.7.2 Sätze in Objektfunktion Transitive Verben der Wahrnehmung, des Sagens oder des Wünschens können einen Satz als direktes Objekt nehmen, der entweder wie ein Relativsatz mit ri eingeleitet wird oder ohne besondere Kennzeichnung angeschlossen wird: are x-k-il, ri ajaw-ab’ x-e-kam-ik »sie sahen, dass die Fürsten starben« are ta x-k-aj Jun B’atz’, Jun Chowen, »Jun B’atz’ und Jun Chowen wollten, x-e-kam ta chiri’ pa sanik dass sie dort im Ameisenhaufen gestorben wären« (nicht realisierter Wunsch mit ta(j)) 12.8Satzverknüpfung: Konditional- und Kausalsätze Generell ist die Unter- und Nebenordnung von Sätzen im K’iche’ weitaus seltener durch eine Konjunktion gekennzeichnet als im Deutschen. Meist ergibt sich die Ver­knüp­fung und Gewichtung von Information aus dem komplexen Zusammenspiel der Tempus/Aspekt-Prä­ fixe, der Partikeln und der inhärenten thematischen Relevanz der ver­wendeten Pro­nomina und/oder Nomina. Die einzigen Verknüpfungen zwischen Sätzen, die explizit als unter­ geordnete Sätzen gekenn­zeichnet werden, sind Bedingung und Grund. 12.8.1 Die Partikel we »wenn, falls« leitet den Teil eines sogenannten Konditionalsatzes ein, in dem die Bedingung enthalten ist. Dieser Teil steht meist vor dem Hauptsatz, kann aber auch nachgestellt werden: we k’o tz’ikin, chi-qa-wub’a-j are r-etal ka-kamik, we chi-Ø-chaqi’j-ik WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ »Wenn es Vögel gibt, können/werden wir sie schießen« »Es ist das Zeichen unseres Todes, wenn es vertrocknet« 72 12.8.2 Kausalsätze stehen meist nach dem Hauptsatz. Der Nebensatz, der den Grund angibt, wird mit rumal eingeleitet: e k’oy x-e-ux-ik, rumal xa x-ki-nimarisa-j k-ib’ »sie wurden zu Spinnenaffen, weil sie überheblich waren« (wörtl.: sich selbst groß machten) 12.9Lesestücke Nachtrag zu Lesestück 4: Gebet 1. 2. 3. 4. 5. Akaroq, at tz’aqol, at b’itol! kojawila, kojata’a! mojatzaqo, mojapitzkalij, at k’ab’awil chi kaj, chi ulew, uk’u’x kaj, uk’u’x ulew! Lesestück 6: Der Aufgang der Sonne1 1. Wa’e k’ute usaqirik, uwachinik puch q’ij, ik’, ch’umil. 2. Nim k’ut xekikotik B’alamkitze’, B’alamaq’ab’, Majukutaj, Ik’ib’alam, ta xril ri Ik’oq’ij. 3. Nab’e xel uloq, chitiltotik uwach, ta xel uloq, nab’e k’ut chuwach q’ij. 4. K’ate k’ut ta xkikir kipom chila’, petenaq wi releb’al q’ij. 5. K’ate uch’ak chi kik’u’x, ta xkikiro koxichal, kik’amowab’al chi kik’u’x: 6. Mixtam Pom ub’i’ pom ruk’am B’alamkitze’. 7. Kawistan Pom chik ub’i’ pom ruk’am B’alamaq’ab’. 8. K’ab’awil Pom, chuchaxik chik ruk’am Majukutaj. 9. E oxib’, k’o kipom. 10. Are k’ut xkik’ato, ta xesaqb’isanik aponoq chila’ releb’al q’ij. 11. Kus keoq’ik, ta xesaqb’isanik, 12. xkik’at kipom, loq’olaj pom. 13. K’ate k’ut xkoq’ej, ri mawi xkilo, ma pu xkiwachij ralaxik q’ij. 14. K’ate puch ta xel ulo q’ij. 15. xkikotik ch’uti’ chikop, nima chikop, [...] 16. K’ate ta xeoq’ik koj, b’alam; 17. nab’e k’ut xoq’ ri tz’ikin, K’eletzu ub’i’. 18. Qitzij chi xkikot ronojel chikop. 19. xkirip kixik’ kot, saq k’uch, ch’uti’ tz’ikin, nima tz’ikin. 20. E k’u xukuxinaq ri ajk’ixb’, ajk’ajb’; 21. nim kekikotik ruk’ rajk’ixb’, rajk’ajb’ Tamub’, Ilokab’; ruk’ Rab’inaleb’, Kaqchekeleb’, [...] 1 Diese Textprobe (ebenso wie die in der folgenden Lektion) zeigt deutlich die Über­setzungs­ probleme, die beim Popol Wuj auftreten. Eine Reihe von Wörtern sind in ihrer Bedeutung unklar und die Analysen weichen bei den verschiedenen Über­setzern voneinander ab. Hier wurde eine grammatisch möglichst konsistente Lesart gewählt. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 73 LEKTION 13 13.1 Derivationssuffixe und Wortbildung Die Bedeutung der Derivation für die Bildung des Wortschatzes in Maya-Sprachen wurde bereits in Lektion 8.5 erwähnt. Die folgende Typisierung beschreibt dies recht gut (Kaufman 1973: 477): »So, for example, while a dictionary of a typical Mayan language may contain thousands of lexical entries, there may be no more than 1500 to 2000 roots plus 50 to 75 derivational morphemes.« Häufig sind abgeleitete Nomina auf -b’al »Instrument, Mittel zum ...«, z. B. q’eb’al »(großer) Tonkrug (v. a. für Wasser)« zu q’ej »etwas (Flüssigkeit) eingießen«, warab’al »Bett« zu war »schlafen« oder das bedeutungsmäßig vielschichtige ilb’al »Sehmittel« zu il »etwas sehen«, womit »Spiegel« – im modernen K’iche’ auch »Brille, Fernglas« –, aber auch zur Wahr­sagerei verwendete Quarz­kristalle (u. a. Objekte) bezeichnet werden. Gerade dieser Begriff ist für die Interpretation des Popol Wuj wichtig, da es am Schluss des Textes heißt: rumal ma jab’i chi ilb’al re »weil es das Sehmittel nicht mehr gibt«. Einige Übersetzer interpretieren diese Stelle als Hinweis auf eine ältere Vorlage in Form einer vorspanischen Bilderhandschrift. Das Derivationssystem erlaubt eine große Vielzahl von Bildungen, was besonders bei Posi­tionalwurzeln auffällt. So sind z. B. allein im Popol Wuj folgende Formen zu tel »in geschulterter Position befindlich« belegt: 1. abgeleitete Partizipien und Nomina: telen »geschultert (Partizip Stativ)« teleb’»Schulter« 2. abgeleitete transitive Verben: tele-j »etwas auf der Schulter tragen« teleb’a’ »etwas schultern, auf die Schulter nehmen« telela’ »etwas immer wieder, ständig schultern« 3. abgeleitete Nomina: telela’on »(immer wieder bzw. ständig) Geschultertes« teleche’»(Kriegs-)Gefangener«1 4. von einem abgeleiteten Nomen abgeleitetes transitives (hier: passives) Verb: x-e-teleche’e-x-ik »sie wurden gefangen genommen« Besonders das letzte Beispiel zeigt, dass mehrfache Ableitun­gen möglich sind. Obwohl die meisten Wör­ter im K’iche’ eine einfache Struktur haben, können einige abgeleitete Wörter einen komplexen Aufbau aufweisen, wie an den Beispielen zu nim(a) »groß« deutlich wird: 1. abgeleitetes Nomen: nimal »Größe (auch mit Possessivpräfix)« 2. abgeleitetes intransitives Verb: nimar »groß werden« 3. vom intransitiven Verb abgeleitetes transitives Verb: nimarisa-j »etwas groß machen« nimarisa-j r-ib’ »sich selbst groß machen, überheblich tun« 1 Es ist es eine in Mesoamerika gebräuchliche Konvention, Gefangene mit an einem hölzernen Joch hoch­ge­ bundenen Armen bildlich darzustellen, daher wohl im Sinne von »geschultertes Holz« (ev. aus tele(n)+ che’). WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 74 4. Infinitive, Partizipien und Nomina von den abgeleiteten Verben: nimarik »das Großwerden« nimarisa-y r-ib’ »der sich selbst groß Machende, Überhebliche« nimarisa-b’al r-ib’ »Instrument, um sich selbst groß zu machen, um überheblich zu tun (nimarisab’al auch mit Possessivpräfix u- »sein, ihr«)« 13.2 Idiomatische Wendungen Neben den bisher behandelten Ableitungen auf Wortebene gibt es im K’iche’ auch idioma­ tische Wendungen, die aus mehreren Wörtern bestehen, aber bedeutungsmäßig eine Einheit bilden. So können aus zwei Teilbegriffen in Form einer Parallelkonstruktion allgemeinere Begriffe gebildet werden, die manchmal sowohl nominal als auch verbal verwendet werden. Die beiden Verben tz’aq »etwas aus festem Material bauen« und b’it »etwas aus weichem Material formen« werden jeweils zusammen gebraucht, nominalisiert als Bezeichnung für die Schöpfergottheit(en) oder verbal für den Akt der Schöpfung: tz’aqol, b’itol x-oj-u-tz’aq-o, x-oj-u-b’it-o »Schöpfergottheiten (in doktrinalen Texten auch christl. Gott) wörtl.: Erbauer(in) und Gestalter(in)« »er (Gott) erschuf uns, wörtl.: erbaute und gestaltete uns« (doktrinal, das Beispiel stammt aus der Domingo de Vicos Theologia Indorum) Ein weiteres Beispiel für eine solche Parallelkonstruktion ist ronojel k-al, ki-k’ajol »alle ihre Nach­kommen, wörtl.: alle ihre Kinder (einer Frau) und ihre Söhne (eines Mannes)«. Auch eine Reihe von Possessivkonstruktionen werden idiomatisch gebraucht: u-b’aq’ nu-wach u-wach che’ u-q’ab’ taq che’ »mein Auge, wörtl.: der (Frucht-)Kern meines Gesichtes« »Frucht, wörtl.: Gesicht des Baumes« »(viele) Äste, wörtl.: (viele) Arme des Baumes / der Bäume« Schließlich haben auch Wendungen aus Verben mit bestimmtem Subjekt oder direktem Objekt eine besondere Bedeutung wie Verbindungen mit dem Wort k’u’x »Herz«: xa wi k’u ku’b’ul »dann waren sie beruhigt, wörtl.: dann saßen ihre Herzen« ki-k’u’x k’ate k’ut x-Ø-ku’b’e’ »darauf dann beruhigten sie sich, wörtl.: setzten sich ihre Herzen« ki-k’u’x ma wi chi-Ø-tzak »Sei nicht besorgt, wörtl.: dein Herz koche nicht a-k’u’x (gerate nicht in Wallung)« Aus dem transitiven Verb q’at »etwas abbrechen, abschneiden, unterbrechen« wird mit dem direkten Objekt tzij »Wort« die Bezeichnung q’atol tzij »Richter, (höherer) Regierungs­ beamter« gebildet. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 75 13.3Reduplikation Neben den bisher behandelten Suffixen kennt das K’iche’ weitere Mög­lich­keiten der Ableitung, nämlich die teilweise bzw. vollständige Wiederholung des Stamms. Alle diese sogenannten reduplizierten Bildungen intensivieren die Bedeutung des Grundwortes. 13.2.1 Teilweise Reduplikationen können sowohl voran- wie auch nachgestellt werden. Die Voranstellung des ersten Konsonanten und des Vokals des Stamms (also die Redupli­ka­ tion der Form K1V=-) findet sich selten, z. B. beim Verb x-u-q’aq’at »er schnitt es ganz los« und bei Zahlen, wo es »je ...« bedeutet, z. B. jujun »(ein) jeder, je einer« und kakab’ »je zwei«. 13.2.2 Das Anhängen des reduplizierten Stammvokals und des zweiten Konsonanten (-V=K2) findet sich bei einigen intransitiven Verben, z. B. chamam »ganz ruhig sein«, k’atat »heftig brennen«. 13.2.3 Das Anhängen des reduplizierten Stammvokals und des ersten Konsonanten (-V=K1) bildet die Grundlage für mehrere Ableitungen mit zusätzlichen Suffixen. Besonders Posi­tio­ nalstämme nehmen hinter diese Reduplizierung ein Suffix -ob’ (nach Stammvokal u -ub’): tanatob’ »hängen bleiben« oder jumujub’ »vor Lachen kreischen«, die Bildung bedeutet in diesen Fällen »eine Position mehrfach einnehmen«. Daneben gibt es transitive Ableitungen mit -V=K1o-j, die meist passivisch mit -x gebraucht werden können: jujunal k’u x-Ø-perepox-ik r-aqan, u-q’ab’ e : ch’akach’ax-inaq e : tzalatzox-el »seine Beine und Arme wurden zerstückelt« »sie waren ganz und gar besiegt« »sie waren ganz und gar Schwankende« 13.4 Höfliche Anrede Das K’iche’ kennt höfliche Formen der zweiten Person la(l), im Plural alaq, die als Anrede gegenüber Höher­­gestellten verwendet werden. Sie fügen sich nicht in die Systematik der Prono­mina, da sie als einzige Possessivpronomina und als einzige Pronominalaffixe am Verb nachgestellt werden: in : alib’ la »Ich bin Ihre Schwiegertochter!« Als freistehende Pronomina dienen vorangestellt lal, im Plural alaq: lal : nu-qajaw utz b’a la, alaq ajawab’ »Sie sind mein Vater!« »Gut, Ihr Fürsten!« Der verbale Gebrauch ist im Popol Wuj nur durch ein einziges, nicht eindeutig interpretier­ bares Beispiel belegt: Naki pa mi x-Ø-k’amow chi la? »Was hat Sie gerade genommen? (d. h. so übel zugerichtet)« Als weitere höfliche Anrede ist außerdem die Verwendung der 2. Person Plural anstelle der 2. Person Singular anzutreffen: ix : q-ati’t WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ »Ihr seid unsere Großmutter!« 76 13.5 Strukturierung von Information im Erzählgefüge Abschließend soll noch ein für das Verständnis des Popol Wuj wesent­licher Aspekt angesprochen werden, nämlich die Strukturierung, Abfolge und Gewichtung der Information im Erzählzusammenhang. 13.5.1 Episoden und Abschnitte Das Popol Wuj gliedert sich in Episoden, die durch Ein- und Überleitungen zu einem Gesamtwerk verbunden sind. Es enthält Erzählungen wie die »Geschichte vom Tod Sipak­nas«, die zum Mythenzyklus um das Zwillingspaar Junajpu und Xb’alanke gehört. Diese in 13.6 als Lesestück wiedergegebene Erzählung besteht aus Einheiten oberhalb des Satzes: Anfang und Ende werden in den Sätzen 1–3 und 62–65 durch fast gleich lautende Einleitungs- und Schluss­formeln gekennzeichnet, in denen Thema und Haupt­fi­gu­ren benannt werden. Dann folgen Sätze, die der Orientierung dienen: Satz 4 liefert die Begrün­dung für die Geschichte, die Sätze 5–8 beschreiben die Ausgangssituation. Dann beginnt der Haupt­teil, der in Sinnabschnitte gegliedert wird. In ihm wird teilweise auch direkte Rede verwendet, die inhaltlich für den Verlauf der Handlung oder für die Bewertung der Akteure ebenfalls wichtig ist. Abschnitte bestehen aus inhaltlich zusammengehörenden Sätzen, die durch satzein­leitende Partikeln wie k’ate k’ut eingeleitet werden können. Sie sind thema­tischen Absätzen in einem Buch vergleichbar oder – wegen der Einheit von Ort, Zeit und beteiligten Personen (wie in der klassischen Dramaturgie gefordert) – besser noch Szenen in einem Theaterstück.1 Es gibt unterschiedliche Typen von Abschnitten. So werden in der Orientierung eher zustands­ beschreibende Abschnitte verwendet, in denen Sätze ohne finites Verb einen relativ hohen Anteil haben. Dagegen finden sich im eher handlungsorientierten Komplikationsteil v. a. narrative Abschnitte, in denen finite Verben überwiegen. Redundanzen haben textstruktu­rierende oder stilistische Funktion. Nicht selten werden Sätze in nur minimal variierter Form innerhalb einer Erzählung wieder­holt und Parallel­ konstruktionen verwendet, in denen ein beliebiger Satzteil doppelt oder dreifach vertreten ist (s. Lektion 7.7). Abschnitte und Erzählungen werden sowohl von einem thematischen Strang wie auch einem Handlungs­strang durchzogen. 13.5.2 Thematischer Strang Der thematische Strang wird von den Hauptfiguren der Erzählungen bestimmt, hier Sipakna, Junajpu und Xb’alanke. Sie werden in der Einleitung explizit genannt und anschließend in vielen Fällen nur pronominal – entweder durch ein Absolutiv- oder ein Ergativpräfix der 3. Person – fortgeführt, manchmal sogar unterbrochen von Sätzen mit einem anderen Subjekt (z. B. Sätze 9 bis 12). 1 Im Popol Wuj wurden Versionen mündlicher Erzählungen in einen neu geschaffenen schrift­ sprachlichen Rahmen transponiert. Im heute gesprochenen K’iche’ zeichnen sich Abschnitte von Erzählungen neben der thematischen Einheit durch Modulierung der Sprechgeschwindigkeit und Lautstärke aus sowie durch bestimmte Intonations­muster und Sprechpausen, eine Ebene, die im Zuge der Verschriftung verloren gegangen ist. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 77 Wann ausschließlich pronominale Referierung möglich ist und wann Subjekt, Objekt oder Besitzer explizit als Nomen genannt werden, wird durch Faktoren wie bekannte vs. neue Information und Thematizität gesteuert. Neue Akteure oder andere neue Informationen müssen in Form eines Nomens bzw. einer Nominalgruppe benannt werden. Neue Informa­ tion wird dabei über das Subjekt in einwertigen Sätzen (intransitive bzw. Sätze ohne finites Verb) eingeführt, in transitiven Sätzen ggf. über das direkte Objekt, nicht jedoch über das Subjekt. Auf bekannte Information (v. a. Bezug auf vorerwähnte Akteure) wird dagegen bevorzugt nur pronominal verwiesen. Bei transitiven Sätzen ist das Subjekt in Erzählungen dabei fast immer bekannte Information und wird oft nur am Verb durch ein Pronominalpräfix der dritten Person bezeichnet, das rückverweisend auf Vorerwähntes Bezug nimmt. Deshalb findet sich bei transitiven Sätzen meist nur ein einziges Nomen (bzw. eine einzige Nominal­gruppe), zwei Nomina sind selten. Beim direkten Objekt besteht dagegen eine höhere Wahr­scheinlichkeit, durch ein Nomen spezifiziert zu werden. Bei transitiven Verben, die ein belebtes Objekt zulassen, ist das nach dem Verb stehende belebte Nomen daher auch meist Objekt und nicht Subjekt. Zusätzlich kommt die Themastruktur der Sätze ins Spiel: Steht ein Nomen am Ende eines Satzes, so kann es im Folgesatz allein durch ein Pronominalpräfix in der Verb­form als Thema fortgeführt werden. Im Erzähl­zusammenhang kann prinzipiell jedes in Satz-Endstellung stehende Nomen auf diese Weise im Folgesatz wieder aufgenom­men werden – sei es das Subjekt, das direkte Objekt oder der Besitzer des direkten Objekts. Dabei können Haupt­ akteure in Subjekt- oder Besitzerfunktion aufgrund ihrer besonders hohen inhärenten Thematizität über mehrere Sätze hinweg allein durch Pronomina referiert als Thema haltbar sein, ein unbelebtes direktes Objekt in Themaposition aber bestenfalls kurz im unmittelbaren Folgesatz. Wird das Subjekt eines transitiven Satzes durch ein Nomen expliziert, so wird die voreinge­ stellte pronominale Fortführung des bisherigen Themas unterbrochen. Steht das betreffende Nomen am Ende des Satzes, so ›überschreibt‹ es das vorherige pronominal referierte Thema und kann dann in den Folgesätzen zum neuen, seinerseits nur pronominal referierten Subjekt werden. Durch explizite Benennung des Subjekts wird Mehrdeutigkeit vermieden. Lässt sich das Subjekt als das direkte Objekt kon­trol­lierend interpretieren, so wird es bevor­ zugt als Besitzer des direkten Objekts und als Teil der Objekt-Nominalgruppe behandelt. Das Subjekt wird in solchen Fällen doppelt markiert: am Verb mit dem Pronominalpräfix u-/r- und außerdem am direkten Objekt als Besitzer mit gleichlautendem Possessivpräfix. Diese aus Perspektive des Deutschen ungewöhnliche Konstruktion bringt das Subjekt auch bei transitiven Sätzen in die Themaposition am Ende des Satzes. Eine gewisse Mehrdeutigkeit scheint allerdings zuweilen intendiert zu sein. So kennzeichnen kurze, fast kryptische Sätze, bei denen die Akteure nur pronominal referiert werden, vielfach den Handlungshöhepunkt einer Erzählung. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 78 13.5.3 Handlungsstrang Der Handlungsstrang wird aus dem Zusammenspiel von statischen und dynamischen Prädi­ katen und Partikeln gebildet. Kennzeichen für die Abfolge der Haupthandlung ist vor allem das Tempus/Aspekt-Präfix x- »(abgeschlossene) Vergangenheit«. Andere Sätze geben eher ergänzende Details wie vor- bzw. nachzeitiges Geschehen, Begründungen oder Resultate der Handlung. Auch zitierte Rede und Dialoge können – eingeleitet oder abgeschlossen durch ein Verb des Sagens mit x- – Teil des Handlungsstrangs sein. Informationsgewichtung und Satz­ver­knüpfung sind im K’iche’ zwar nicht immer explizit gekenn­zeich­net, bei genauerem Hinsehen aber meist klar ersichtlich. Sie werden in Über­setzungen nicht selten falsch wiedergegeben, was deren Verständlichkeit erschwert. Ergänzende Informationen würden im Deutschen z. B. häufig eher nebensatz­artig gewichtet. Bei genauerer Analyse der Textstruktur zeigt sich die stilistische Eleganz des Popol Wuj. Da viele Übersetzer mit diesen Stilmittel des kolonialzeitlichen K’iche’ nicht oder nur unzureichend vertraut waren, haben sie dies oft nicht erkannt, so dass einige mehr oder weniger weitreichend in den Text eingriffen. 13.6 Lesestück 7 – Geschichte vom Tod Sipaknas1 1. Are chi k’ut chiqab’ij uch’akatajik chik Sipakna rumal ri e ka’ib’ k’ajolab’ Junajpu, Xb’alanke. 2. Are chik uch’akatajik, ukamik Sipakna, 3. ta xch’ak chik kumal ri e ka’ib’ k’ajolab’ Junajpu, Xb’alanke. 4. Are chik uyoq’ kik’u’x k’ajolab’, ri omuch chi k’ajolab’ xekamik rumal Sipakna. 5. xa kar, xa tap chutzukuj chi taq ja’.2 6. xere chirecha’j juta q’ij. 7. Pa q’ij chiwa’katik, ta chutzukuj recha’. 8. Chaq’ab’ k’ut chireqaj juyub’. 9. K’ate k’ut ujalwachixik jun nima tap kumal Junajpu, Xb’alanke: 10. are k’ut xkikoj ri uwach ek’, ri mak ek’ k’o pa taq k’eche’laj, 11. are uxul tap xuxik, pajak chi k’ut ukok q’ab’ xkikojo; 12. tzel ab’aj k’u ri uwa rachaq tap ri jowojik. 13. K’ate k’ut ta xkikoj ukok chuxe’ pek, chuxe’ nima juyub’. 14. Me’awan ub’i’ juyub’ xch’akataj wi. 15. K’ate k’ut ta xpe ri k’ajolab’, xkik’ul ri Sipakna chi ja’: 16. »Apa katb’e wi, at k’ajol?« xuchax k’u ri Sipakna. 17. »Ma jab’i kinb’e wi, xa wecha’ kanutzukuj, ix k’ajolab’.« xcha’ k’u ri Sipakna. 18. »Naki pa awecha’?« 19. »xa kar, xa tap, xma k’o chi wi kanuriqo. 20. kab’ijir chinkanaj recha’xik, mawi kanuch’ij chik wa’ij.« 21. xcha’ Sipakna chi kech Junajpu, Xb’alanke. 22. »Jun are la tap k’o ula (u)xe’ siwan, qitzij chi nima tap! 23. qaq’ij ta la, chawecha’j lo! 1 Diese Textprobe findet sich im Anhang 3 auch im Faksimile des Manuskripts sowie nach verschiedenen Ausgaben. 2 Im Manuskript des Popol Wuj steht nur <a>; daneben kommt in Satz 15 auch die Schreibung <ya> für ja’ vor. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 79 24. xa kojuti’o, mi xraj qachapo, 25. kaqaxib’ij qib’ rumal. 26. Ma chib’e on qachapa.« xecha’ ri Junajpu, Xb’alanke. 27. »Kitoq’ob’a’ nuwach, kib’e ta iwab’a, ix k’ajolab’?« xcha’ ri Sipakna. 28. »Ma b’a chiqaj, xa ta katb’ek, ma sachib’al taj, 29. xa raqan ja’ katb’ek. 30. At k’u ta katel apanoq uxe’1 nima juyub’, 31. jowol ula chuxe’ siwan, xa katel apanoq!« 32. xecha’ Junajpu, Xb’alanke. 33. »La qi b’a, toq’ob’ nuwach! Ma b’a xuk’ulu, ix k’ajolab’. 34. Kixb’e na k’u nuwab’a, k’o k’i xo wi ri tz’ikin! 35. chib’e taj iwub’aj, weta’m k’o wi!« xcha’ chi k’ut Sipakna. 36. xelajik, xok na chi kiwach k’ajolab’. 37. »La ma qi k’u xchachap lo, ta xa keje xkojtzalij awumal. 38. Ma xa mawi xqatijo. 39. xa jusuk’ chiti’onik ri’, oj jupulik kojok ub’ik. 40. K’ate k’ut kuxib’ij rib’ ri’, oj paqalik kojok ub’ik. 41. xa k’u sqaqi’n chik, mawi chiqariqo. 42. K’ate k’u utz at paqalik katok ub’ik.« xuchax k’ut. 43. »Utz b’a la!« xcha’ k’u ri Sipakna. 44. Ta xb’e k’ut, achb’ilan chi k’ut ri Sipakna, 45. xb’ek, xeopon chuxe’ siwan. 46.Tzalan2 k’u la ri tap, kaqwak’awoj ula rij chuxe’ siwan,3 ri k’ute kikumatzij. 47. »Utz b’a la!« Chikikot k’u ri Sipakna. 48. Karaj taj, xkok ta puchi’ rumal qitzij kutzin chi wa’ij; 49. xraj k’u utij ri’, xa xraj jupunik, xraj okik. 50. Paqal k’u ri tap xaq’anik. 51. K’ate k’ut xel chu4 uloq. 52. »Mawi xariqo?« xuchax k’ut. 53. »Ma jab’i, xa paqalik kaq’anik, 54. xa nab’e sqaqi’n chik, mawi mi xnuriqo. 55. K’ate utz lo kinpaqe’ik, kinok ub’ik.« xcha’ chi k’ut. 56. K’ate k’ut paqal chik, ta xok ub’ik, 57. xk’is k’u ok ub’ik, 58. xa uwi’ uch’ek chik xk’utun uloq. 59. xk’is b’iq’itajik, 60. xlilob’ k’u qajoq nima juyub’ chi uk’u’x. 61. Mawi xtzolq’opij chik, ab’aj k’ut xuxik ri Sipakna. 62. Keje uch’akatajik chik Sipakna kumal k’ajolab’ Junajpu, Xb’alanke. 63. Ri b’anol juyub’ xcha’ utzijoxik ojer, unab’e k’ajol Wuqub’ Kaqix. 64. Chuxe’ juyub’, Me’awan ub’i, xch’akataj wi. 65. xa nawal xch’akataj wi uka’ib’ nimarisay rib’. 1 Im Manuskript fehlt das Possessivpräfix u2 Im Manuskript steht <tzalam>, das hier wahrscheinlich als Partizip Stativ, d. h. tzalan, zu lesen ist. 3 Im Manuskript wurde vor xe’ das chu- ausgelassen. 4Für chi, eventuell mit dem nachfolgenden uloq lautlich verschmolzen zu chu’loq WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 80 ANHANG 1: AFFIXE1 1.1 LISTE DER FLEXIONSAFFIXE a- -a 2. Person Singular ERG (Subjekt und Possessiv) vor Konsonant Modalsuffix transitiver Verbstämme (Klasse 1) beim Imperativ und bei Verbkoppelungen mit Bewegungsverben -aj Suffix nicht possessiv flektierter Körperteilbezeichnungen at- 2. Person Singular ABS aw- 2. Person Singular ERG (Subjekt und Possessiv) vor Vokal ch- 1) Potential vor Vokal 2) Imperativ vor Vokal chi- 1) Potential vor Konsonant 2) Imperativ vor Konsonant e- 3. Person Plural ABS -j Modalsuffix transitiver Verbstämme (Klasse 2) i- 2. Person Plural ERG (Subjekt und Possessiv) vor Konsonant -ik Modalsuffix intransitiver Verben in Endstellung in- 1. Person Singular ABS, nach Potential und Futur auch 1. Person Singular ERG iw- 2. Person Plural ERG (Subjekt und Possessiv) vor Vokal ix- 2. Person Plural ABS k- 1) Inkompletiv vor Vokal 2) Imperativ vor Vokal k- 3. Person Plural ERG (Subjekt und Possessiv) vor Vokal ka- 1) Inkompletiv vor Konsonant 2) Imperativ vor Konsonant ki- 3. Person Plural ERG (Subjekt und Possessiv) vor Konsonant nu- 1. Person Singular ERG (Subjekt und Possessiv) vor Konsonant -o Modalsuffix transitiver transitiver Verbstämme (Klasse 1) in Endstellung -o Modalsuffix transitiver transitiver Verbstämme (Klasse 1) mit o beim Imperativ und bei Verbkoppelungen mit Bewegungsverben oj- 1. Person Plural ABS -oq Modalsuffix intransitiver Verben beim Imperativ und bei Verbkoppelungen mit Bewegungsverben q- 1. Person Plural ERG (Subjekt und Possessiv) vor Vokal qa- 1. Person Plural ERG (Subjekt und Possessiv) vor Konsonant r- 3. Person Singular ERG (Subjekt und Possessiv) vor Vokal u- 3. Person Singular ERG (Subjekt und Possessiv) vor Konsonant -u Variante von -o bei transitiven Verbstämmen (Klasse 1) mit u w- 1. Person Singular ERG (Subjekt und Possessiv) vor Vokal -Vb’ Plural von Nomina -Vl Suffix von Nomina bei der Possessivflexion -Vxel Suffix nicht possessiv flektierter Verwandtschaftsbezeichnungen x-Kompletiv xchi- Futur (vor ERG-Präfixen) xka- Futur (vor ABS-Präfixen) 1 Anhang 1 leicht überarbeitet nach Dürr (1987: 426–429) WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 81 1.2 DERIVATIONSSUFFIXE 1) -ow Fokus-Antipassiv transitiver Verbstämme (Klasse 1) 2) -on Absolutiv-Antipassiv transitiver Verbstämme (Klasse 1) 3) -n (Fokus- oder Absolutiv-)Antipassiv transitiver Verbstämme (Klasse 2) 4) -:- Passiv transitiver Verbstämme (Klasse 1) (-:- ist ein Infix, das in modernen Dialekten meist als Längung des vorausgehenden Vokals realisiert wird) 5) -x Passiv transitiver Verbstämme (Klasse 2) 6) -V=tajKompletiv-Passiv 7) -Vn stammbildendes Suffix intransitiver Verben 8) -Vr Inchoativ 9) -ob’ Inchoativ von Positionalstämmen 10)-e’ eine Position einnehmen, von Positionalstämmen 11)-ije’ Distributiv-Plural 12)-V=K2Intensiv 13)-V=K1ob’Frequentativ-Repetitiv-Inchoativ 14)-K1ot ein Geräusch bzw. eine Bewegung mehrfach ausführen 15)-V=laj ein Geräusch machen 16)-Vj stammbildendes Suffix intransitiver Verben 21)-V-j stammbildendes Suffix transitiver Verben 22)-isa-jKausativ 23)-V=b’a’ etwas in Position bringen, von Positionalstämmen 24)-V=la’ Distributiv-Frequentativ 25)-V=K1a’ vollständig, gründlich etwas machen 26)-ib’e-j Instrumental von intransitiven Verben 27)-ob’e-j Instrumental von transitiven Verben 31)-Vb’al Nomen: Instrument 32)-Vb’ Nomen: Instrument von Positionalstämmen 33)-ol Nomen: Person, die ... von transitiven Verben 34)-el Nomen: Person, die ... von intransitiven Verben 35)-oj Nomen (Infinitiv) von transitiven Verben 36)-on Nomen (Infinitiv) von transitiven Verben 37)-ik Nomen (Infinitiv) von intransitiven Verben 38)-em Nomen von intransitiven Verben 39)-om Nomen Benutzer von ... von Nomina 40)-Vl Abstraktum, Kollektivum 51)-inaq Partizip Perfekt intransitiver Verben 52)-om Partizip Perfekt transitiver Verben 53)-y Partizip Progressiv transitiver Verbstämme 54)-V=l Partizip Stativ von Positionalstämmen 55)-V=K1oj Partizip Distributiv 61)-V attributiv gebrauchtes Adjektiv 62)-Vl (abstrakt-)attributiv gebrauchtes Adjektiv 63)-VlajIntensiv-Adjektiv 64)-aqPlural-Adjektiv 65)-ichal Gruppe von ... 66)-mul ...-mal 67)-ix Zeitangabe in der Zukunft 68)-ij-ir Zeitangabe in der Vergangenheit WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 82 ANHANG 2: PHONOLOGIE UND ORTHOGRAPHIE 2.1 PHONEMINVENTAR Das in Lektion 1 beschriebene Lautsystem des K’iche’ soll hier für sprachwissen­schaftlich Interessierte etwas technischer präsentiert werden. Das Phoneminventar hat für die Mehrzahl der Dialekte Gültigkeit (OKMA 2000). In der Tabelle werden die Phoneme des K’iche’ – sowie in spitzen Klammern einschlossen die jeweilige Schreibung in moderner Orthographie – nach Artikulationsweise und -ort systematisiert: 1. Konsonanten1 bilabial alveolar Verschlusslaute p <p> -- glottalisiert Affrikaten -- glottalisiert Frikative Nasale Laterale Vibranten Halbvokale b’ <b’> m <m> w <w> alveopalatal velar uvular glottal t <t> k <k> q <q> t’ <t’> c <tz> c’ <tz’> s <s> n <n> l <l> r <r> k’ <k’> q’ <q’> ʔ <’> č <ch> č’ <ch’> š <x> x <j> h <h/j> j <y> 2. Vokale i <i> e <e> i: <ii> e: <ee> a <a> a: <aa> u <u> o <o> u: <uu> o: <oo> Das Phonem /b’/ unterscheidet sich von den anderen glottalisierten Konsonanten dadurch dass es präglottalisiert implosiv und zumindest teilweise – im Anlaut und zwischen Vokalen – stimmhaft, ist (phonetisch [ˀɓ]). Das Phonem /h/ ist selten und auf wenige Umgebungen, z. B. den Auslaut, beschränkt. Es ist nur in einigen Dialekten erhalten, in den anderen ist es mit /x/ zu­sammengefallen und wird daher in modernen Verschriftungen oft ebenfalls mit <j> wiedergegeben. Einige Dialekte haben eine palatalisierte Variante von /k/ und /k’/– also [kj] und [kjˀ], z. B. in Santa María Chiquimula [kjeɓ] »zwei« oder [kjex] »Hirsch, Pferd«. Regional wird /q’/ als glottaler oder pharyngaler Verschlusslaut – [ʔ] bzw. [ʕ] realisiert, z. B. in Rabinal [ʔaʕ] für q’aq’ »Feuer«. Bei den Vokalen findet sich der Kontrast kurz vs. lang in manchen Dialekten weitgehend aufgehoben und durch den Kontrast ungespannt vs. gespannt ersetzt. Im Extrem sind nur noch die Entsprechungen von /a:/ und /a/ klar unterschieden, und zwar als gespanntes /a/ vs. unge­spanntes Schwa /ǝ/. In einigen Dialekten werden unbetonte Vokale teilweise getilgt, kinaq’ »Bohne« wird z. B. in Chichicastenango als [knaqˀ] ausgesprochen. 1Hier stehen nach amerikanistischem Gebrauch c, č und š für die Zeichen des Internationalen Phonetischen Alphabets [ʦ], [ʧ] bzw. [ʃ]. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 83 Die Liquiden /l/ und /r/ und die Halbvokale /w/ und /y/ haben im Auslaut und vor Kon­ sonant stimmlose Allophone, z. B. poy »menschengestaltige Figur, Puppe, Vogelscheuche« oder umul »Kaninchen«, die phonetisch als [poːç] bzw. [umuɬ] realisiert ist. Die einfachen Verschlusslaute /p/, /t/, /k/ und /q/ haben im Auslaut und vor Konsonant aspirierte Allophone, z. B. tap »Krebs«, phonetisch [taph], oder ixoq »Frau« [išoqh]. In heutigen Dialekten des K’iche’ hat die Betonung keinen Phonemstatus; sie fällt regelmäßig auf die letzte Silbe eines Wortes, nur einsilbige Partikeln sind normalerweise unbetont. 2.2 ORTHOGRAPHIEN DES K’ICHE’ Erst seit 1988 gilt die von der Academia de Lenguas Mayas in Guatemala festgelegte Ortho­ graphie, die auch hier verwendet wird. Aber bereits seit der Kolonialzeit wird K’iche’ in lateinischen Buchstaben geschrieben. Wie besonders die Schreibung des Phonems /k/ mit <qu> vor e und i und, in allen anderen Fällen, <c> zeigt, wurde die Orthographie von der zeitgenössischen des Spanischen abgeleitet. Ebenso beruht die Schreibung des Phonems /š/ mit <x> auf der spanischen Lautung dieses Graphems im frühen 16. Jahrhundert. In einigen Ortho­graphien wird der Schwa-ähnliche Kurzvokal, der in einigen K’iche’-Dialekten dem kurzen /a/ entspricht, als <ä> geschrieben. Für den Glottisverschlusslaut wird meist das Apostroph und für glottalisierte Laute die Kombination aus einfachem Laut und Apostroph verwendet. Die Unterscheidung von velarem /k/ bzw. /k’/ und uvularem /q/ bzw. /q’/ wurde durch <c>/<qu>/<c’>/<q’u> vs. <k>/<k’> wiedergegeben. Neben der mehr oder weniger offiziellen Orthographie gibt es wissenschaftliche Verschrif­ tungssysteme, die zur möglichst genauen Wiedergabe Sonderzeichen ver­wenden. Vor allem die in der Tabelle (S. 101) verwendeten Sonderzeichen sind weit verbreitet, die in Zeiten der Schreibmaschinen teilweise durch auf diesen verfügbare Zeichen wie z. B. <7> für den Glottisverschlusslaut /ʔ/ ersetzt wurden. Auch die Verschriftung nach dem Internationalen Phonetischen Alphabet ist anzutreffen. Ein zentrales Problem der verschiedenen Verschriftungssysteme ist die Mehrdeutigkeit der Zeichen <k> und <k’>, die je nach Konvention für /k/ und /k’/ oder für /q/ und /q’/ stehen können. Einige Beispiele: phonem. ALM älter (u. a. SIL) »neu«/k’ak’/ k’ak’ c’ac’ »Feuer« /q’aq’/ q’aq’k’ak’ »Sonne, Tag« /q’ij/ q’ijk’ij »Dorn« /k’is/ k’isq’uis In manchen Fällen werden die Unterschiede zwischen einfachen und glottalisierten Konsonanten sowie zwischen velar vs. uvular auch nicht richtig wiedergegeben oder sogar ignoriert, was sowohl praktische wie auch – meist ältere – wissenschaftliche Verschriftungssysteme betreffen kann. Bei Edmonson ist sowohl im K’iche’-Wörterbuch (1965) als auch in seinen Texteditionen die Wiedergabe dieser Konsonanten nicht immer korrekt. Für Schultze Jena (1933, 1944) existiert das Phonem /q/ nicht, so dass er es wie /k/ mit <k> schreibt, z. B. <išok> »Frau« (anstelle ixoq) und <winak> »Mann« (anstelle winaq). WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 84 2.3 ORTHOGRAPHIE DES KOLONIALZEITLICHEN K’ICHE’1 Im Popol Wuj und anderen älteren Quellen findet die folgende Orthographie Verwendung: Graphem modern p t tz ch k q ’ b’ t’ tz’ ch’ k’ q’ s x j h; j m n l r w y i (ii) e (ee) a (aa) o (oo) u (uu) Graphem kolonial Phonem p/p/ t/t/ tz; z /c/ ch/č/ qu (vor e und i), ansonsten c /k/ k; qu, c/q/ meist unbezeichnet /ʔ/ b /b’/ t /t’/ g,; tz; z /c’/ gh; ch /č’/ g; qu, c /k’/ ε; qu, c /q’/ z; ç; tz /s/ x /š/ h /x/ meist unbezeichnet /h/ m/m/ n/n/ l/l/ r/r/ v; u; uh /w/ y; i/j/ i; y; j /i/ (/i:/) e/e/ (/e:/) a/a/ (/a:/) o/o/ (/o:/) u; v /u/ (/u:/) Die Orthographie, die für die Nieder­schrift des koloniales K’iche’ verwendet wurde, weist von Schreiber(-schule) zu Schreiber(-schule) Unterschiede auf. Im Manuskript des Popol Wuj von ca. 1700 aus der Hand von Francisco Ximénez kommt das Sonder­zeichen <k> für /q/ nur einmal vor und die Sonderzeichen für glottalisierte Laute werden relativ selten verwendet. Die Grapheme <v>, <y> bzw. <u>, <i> für die Halb­vokale /w/, /j/ und die verwandten Vokale /u/, /i/ sind entsprechend dem ortho­graphi­schen Usus der Zeit austauschbar, auf­grund der Struktur des K’iche’ jedoch meist eindeutig analysierbar, so für <yaqui> »Yaqui (ethnische Gruppe)« einmal <iaqui>. Im Wortanfang wird sowohl für /u/ als auch /w/ das Graphem <v> vorgezogen, im Auslaut das Graphem <u>, z. B. <vleu> für ulew »Erde«, oder das FokusAntipassiv-Suffix -ow in <xebanou> »sie machten etwas« für xeb’anow. 1 Der Anhang 2.3 wurde weitgehend unverändert aus Dürr (1987: 29–34) übernommen. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 85 Die Folge <Halbvokal> <homorganer Vokal> bzw. <Vokal> <homorganer Halbvokal> wird gelegentlich mit einem einzigen Graphem wiedergegeben: <chui> neben <chuvi> für chuwi’ »auf ihm«, <chua(ch)> neben <chuva(ch)> für chuwa(ch) »vor ihm«, auch in Fokus-Anti­ passiv-Formen wie <xtio> für xti’ow »es (ein Tier) biss etwas« oder <xyau> für xya’ow »er gab etwas«. Auslautend findet sich gelegentlich auch <uh> für /w/, wobei die Schreibung mit <h> auf das stimmlose Allophon [W] von /w/ im Auslaut zurückzuführen sein dürfte (Campbell 1977: 121), z. B. <vleuh> »Erde« (neben <vleu> bzw. <vlev>). Meist steht die Abfolge <uh> jedoch für /ux/, z. B. <vuh> für wuj »Buch«. Rein orthographischer Natur ist die Variante <ç> des Graphems <z> für /s/: <çaquiric>, neben ansonsten gebrauchtem <zaquiric> für saqirik »Hellwerden, auch als Morgengruß«. Die Schreibung <ç> für /s/ war in frühen Dokumenten die übliche und wurde im Laufe des 17. Jahrhunderts immer seltener. Das Phonem /h/ wird meist nicht geschrieben. Das einzige Morphem, in dem /h/ möglicherweise mit <h> wiedergegeben sein könnte, nämlich <achih> für achih »Mann«, hat in manchen heutigen Dialekten die Lautung achij. Das Phonem /ʔ/ wird normalerweise nicht wiedergegeben und ist nur in der Folge VokalVokal erkennbar, da es in dieser Position automatisch zwischen den Vokalen stehen muss: <g,uum>, <tzuum> für tz’u’um »Fell, Haut«; <ghaoh> für ch’a’oj »Kampf, Streit«. Die Folge / KVʔK/ scheint nur als KVK wiedergegeben zu werden. Gelegentlich findet sich aus­lautender /ʔ/ durch Doppelschreibung des Vokals wiedergegeben: <haa> für ja’ »Wasser« und <caa> (auch <εaa>) für ka’ »Mahlstein für Maismehl«; diese Formen kommen jedoch nur vereinzelt anstelle der häufigeren Formen <ha> und <ca> vor. Nicht eindeutig ist die Folge <ij>; sie kann a) für /iʔ/ stehen wie in <tzij> (neben <tzi>) für tz’i’ »Hund«, sie kann b) für die Folge /iʔi/ stehen wie in <xetijc> »sie wurden gebissen« für xeti’ik, sie kann c) für die Folge /i(ʔ)j/ stehen wie in <zamij> für tzami’y »Fäden, Bart des Mais­kolbens« oder <chamij> für ch’ami’y »Stab« stehen. In der Orthographie werden die Phoneme /s/, /c/ und /c’/ vermengt; <tz> für /s/ findet sich in <tzotz> anstelle <zotz> für sotz’ »Fledermaus« oder in <tzuu> anstelle <zu(u)> für su’ »Flöte«; <z> für /c/ findet sich in <zamij> für tzami’y »Fäden des Maiskolbens«; <z> für /c’/ in <ziquin> anstelle <g,iquin>, <tziquin> für tz’ikin »Vogel«. Im Popol Wuj wird der Kontrast velar vs. uvular der einfachen Verschlusslaute nicht wiedergegeben, die Phoneme /k/ und /q/ werden beide mit den Graphemen <qu> (vor e und i) bzw. <c> wiedergegeben. Dies führt zu einer Reihe von Doppeldeutigkeiten, von denen wohl die wichtigste die der beiden Pronominalpräfixe /k-/ »3pERG (vor Vokal)« gegen /q-/ »1pERG (vor Vokal)« ist, die beide als <c/qu> geschrieben werden, z. B. <cahaual> für qajawal »unsere Fürsten« oder kajawal »ihre Fürsten«. Nur einmal erscheint, möglicher­weise als Relikt einer älteren Vorlage in einer anderen Orthographie, im Popol Wuj das Graphem <k>: <tzuk> für tzuq »etwas oder jemanden mit Nahrung versorgen«. Bei den Verschlusslauten und Affrikaten wird die glottalisierte Reihe nicht selten mit den Graphe­men des entsprechenden nicht glottalisierten Konsonanten wiedergegeben: WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 86 p t č c k q Phonem p t tz ch c/qu c/qu/k b t g,/tz gh/ch g/c/qu ε/c/qu Graphem b’ t’ č’ c’ q’ k’ Phonem Dies führt zu Doppeldeutigkeiten wie <cam> 1) kam »(sterben«, 2) k’am »etwas nehmen«. Eindeutig unterschieden wird nur der Kontrast /b’/ vs. /p/. Während das seltene /t’/ immer mit dem Graphem <t> wiedergegeben wird, haben die übrigen glottalisierten Konsonanten eigene Sonderzeichen, die auch im Popol Wuj Verwendung finden. Diese Sonderzeichen entstammen dem Transkriptionssystem, das Mitte des 16. Jahrhunderts von F. de la Parra entwickelt wurde. Sie sind, wie auch die Namen zeigen, von Zahlzeichen abgeleitet:1 ε tresillo (umgedrehte Zahl 3) g cuatrillo (abgeleitet von der Zahl 4) kombinierte Zeichen mit cuatrillo: g, cuatrillo mit Komma gh cuatrillo mit h für /q’/ für /k’/ für /c’/ für /č’/ Während in anderen Dokumenten diese Zeichen recht konsequent verwendet wurden, beschränkte sich der Gebrauch im Popol Wuj auf wenige, häufig vorkommende Wörter, die fast durchgängig mit diesen Zeichen geschrieben sind wie <εaε> q’aq’ »Feuer« und Ableitungen, <gahol> k’ajol »Sohn«, <go> k’o »existieren(d)«, <gux> k’u’x »Herz« und <ug> uk’ »mit, gemein­sam«, <g,iquin> tz’ikin »Vogel« und <gha> fälschlich für cha’ »sprechen«. In anderen Fällen sind sie nur selten und unsystematisch, gelegentlich auch fehlerhaft verwendet. Einige häufig vorkommende Morpheme sind im Popol Wuj fast durchgängig defektiv wiedergegeben, so z. B. mehr als tausendmal <cu(t)> für k’u(t) »und, dann«, aber nur dreimal richtig <gu>. In manchen Dokumenten werden die Sonderzeichen falsch generalisiert, z. B. <ε> auch für den nicht glottalisierten Verschlusslaut /q/ verwendet wie in <al(l)aε> alaq »Sie (höfliche Variante der zweiten Person Plural)«. Daneben finden sich auch Falschschreibungen wie <goh> für kox »Puma«, <ahgun> für ajkun »Arzt« sowie vereinzelt selbst bei grammatischen Partikeln wie <ghi(c)> für chi(k) »schon, wieder« oder Verbpräfixen wie in <gohcamic> für kojkamik »wir sterben« und in <ghughax> für chuchax »es kann gesagt werden«. In manchen Fällen dürften diese Falschschreibungen auf eine (falsche) Etymologisierung zurückzuführen sein, wie etwa bei <εaεate> für kakate’ »Unter­kiefer«, bei dem die Form irrtümlich mit q’aq’ »Feuer« in Zusammenhang gebracht wurde. In die gleiche Gruppe gehört auch die häufige Schreibung <gha> für cha’ »sprechen«, vermutlich aufgrund der Gleichsetzung mit ch’ab’al »Sprache«. 1 Der »cuatrillo« wird hier vereinfacht durch g wiedergegeben; dies ist für das Popol Wuj gerecht­ fertigt, da der Schreiber das Sonderzeichen vom fehlenden Unterbogen abgesehen in fast der gleichen Weise wie das Graphem g des Spanischen schreibt und dieses Graphem im K’iche’ nicht benötigt wird. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 87 2.4 LESESTÜCKE IN DER ORTHOGRAPHIE DES MANUSKRIPTS DES POPOL WUJ Die Schreibung entspricht der des Manuskripts. Die inkonsistente Worttrennung wurde vereinheitlicht und es wurde auf die nur sporadisch verwendeten Satzzeichen verzichtet. Lektion 9 – Lesestücke 1 und 2 Lesestück 1: Die Insignien der Macht (Ms. fol. 48 verso, Schultze Jena 144.21) 1. are cu vbi ahau va rahaual ahrelebal quih xeopon vi 2. Ta xeopon cut chuvach ahau nacxit vbi nima ahau 3. xa hu catoltzih tzatz rahauarem 4. are cut xyau vloc retal ahauarem ronohel vvachinel 5. ta xpetic retal ahpopol ahpop camhail 6. ta xpe cut retal vεaεal rahauarem puch ahpop ahpop camha Lesestück 2: Die Könige K’iq’ab’ und Kawisimaj (Ms. fol. 52 recto, Schultze Jena 154.25) 1. e caib chi nimac ahauab [...] quicab vbi hun ahau cavizimah vbi hun chic 2. are cut tzatz chic xuban ri quicab cauizimah 3. are chi xnimarizan quiche rumal quitzih naual vgoheic 4. are cahouic are puch xpaxinic vzivan vtinamit chuti amac nima amac 5. nacah tac vxol go vi tinamit oher 6. are vhuyubal εaεchequeleb ri chuuila vacamic 7. vhuyubal chi nai pu rabinaleb ri pamaca [...] 8. vtinamit chicut zaculeuab chuvi miquina xelahu chuva tzac rug tzolohche 9. are xrixouah quiεab xuban labal 10. quitzih vi xcahic xpaxic vzivan vtinamit rabinaleb εaεchequeleb zaculeuab 11. xuleic xpacaic ronohel amac Lektion 10 – Lesestück 3: Die Sintflut (Ms. fol. 4 recto, Schultze Jena 12.18) 1. huzuc xbanic poy aham che 2. xevinacvachinic xevinactzihonic puch [...] 3. xepoquic xemealanic xegaholanic ri poy aham che 4. ma cu habi quigux ma pu habi quinaoh 5. maui natal cahtzac cahbit 6. xaloc xebinic xechacanic [...] 7. cate cut quiquijzic chic quimayxic quicutuxic puch 8. xecamizax chic poy aham che 9. ta xnohix quibutic rumal vgux cah 10. nima butic xbanic xpe pa quivi ri e poy e aham che 11. g,ite vtiohil ri achih ta xahaxic rumal tzacol bitol 12. ixoc zibac cut vtiohil ixoc [...] 13. maui xenauic ma pu xeghauic chuvach cahtzac cahbit 14. banol que vinaquirizay quech 15. quehe cut quicamizaxic xebutic 16. xpe nima εol chila chi cah [...] 17. xpe cotzbalam xtio quitiohil 18. xpe tucumbalam xtucuuic xquichouic quibaquil quibochil 19. xcahixic xmuchulixic quibaquil cahizabal quivach WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 88 Lektion 11 – Lesestücke 4 und 5 Lesestück 4: Gebet (Ms. fol. 35 recto, Schultze Jena 106.16) 1. acaroc at tzacol at bitol 2. cohauila cohata 3. mohazaco mohapizcalih 4. at cabauil chi cah chi vleuh 5. vgux cah vgux vleu 6. chaya tah quetal catzihel 7. chibe quih chibe zac 8. ta chauaxoc ta zaquiroc 9. quita raxal be raxal hoc cohaya vi [...] 10. vtzilah gazlem vinaquirem ta puch cohaia vi 11. at huracan chipa caculha raxa caculha 12. chipi nanavac raxa nanavac 13. voc hunahpu tepeu cucumatz 14. alom gaholom xpiyacoc xmucane 15. ratit quih ratit zac 16. ta chauaxoc ta zaquiroc Lesestück 5: Das Mädchen Xkik’ (Ms. fol. 15 verso, Schultze Jena 46.12) 1. are cut ta xuta hun capoh vmeal hun ahau cuchumaquic vbi vcahau 2. xquic cut vbi ri capoh 3. ta xuta cut vtzihoxic ri vvach che ta chitzihox chic rumal vcahau 4. chumaihah cut ta chitzihoxic 5. ma [...] vila ri che [...] quitzih gux vvach cacha canutao xgha cut 6. cate xbec xa vtuquel xapon cut chuxe che [...] 7. ma quicam tah ma quizach tah laquita xchinchup hunoc xgha cu ri capoh 8. ta xghau cut ri bac go vla xol che 9. naquipa caraih chire ri xa bac ri colocoxinac chucab tac che 10. xgha ri vholom hun ahpu ta xghavic chire ri capoh 11. ma caraih xughaxic 12. canuraih xgha cut ri capoh 13. vtzbala chaliquiba vloc ri auiquicab vila na xgha ri bac 14. ve xgha cu capoh xuliquiba acanoc vviquicab chuvach bac 15. cate cut chi pitz caban vchub bac ta xpetic 16. tacal cut pucab capoh ta xril cut vpucab 17. huzuc xunicoh ma cu habi vchub bac pucab 18. xa retal mi xnuya chaue ri nuchub nucaxah [...] 19. catacan cut chila chuvach vleu 20. maui cacamic catoc pa tzih ta chuxoc 21. xgha ri vholom hun hunahpu vvcub hunahpu 22. xaui quinaoh ta xquibano 23. are vtzih huracan chipi caculha raxa caculha chiquech 24. quehe cu vtzalihic chic capoh chi rochoch quia pixab xbijx chirech 25. huzu cu xvinaquir ral chupam rumal ri xa chub 26. are cut quivinaquiric hunahpu xbalanque 27. ta xopon cut chi rochoch ri capoh xzacat cut vacaquib ic 28. ta xnauachil rumal vcahau ri cuchumaquic vbi vcahau [...] WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 89 Lektion 12 – Lesestück 6: Der Aufgang der Sonne (Ms. fol. 40 recto, Schultze Jena 120.5) 1. vae cute vzaquiric vvachinic puch quih ic ghumil 2. nim cut xequicotic balamquitze balamacab mahucutah iquibalam ta xril ri icoquih 3. nabe xel vloc chitiltotic vvach ta xel vloc nabe cut chuvach quih 4. cate cut ta xquiquir quipom chila petenac vi relebal quih 5. cate vchac chi quigux ta xquiquiro coxichal quicamovabal chi quigux 6. mixtam pom vbi pom rucaam balamquitze 7. caviztan pom chic vbi pom rucaam balamacab 8. cabauil pom chughaxic chic rucam mahucutah 9. e oxib go quipom 10. are cut xquicato ta xezacbizani aponoc chila relebal quih 11. guz queoquic ta xezacbizanic 12. xquicat quipom loεolah pom 13. cate cut xcoqueh ri maui xquilo ma pu xquivachih ralaxic quih 14. cate puch ta xel vlo quih 15. xquicotic chuti chicop nima chicop 16. xquiz yacatah vloc pa be ya pa zivan xegoheic tzam tac huyub 17. xa hun xquixe vi quivach chila xel vi vloc quih 18. cate ta xeoquic coh balam 19. nabe cut xoc ri g,iquin queletzu vbi 20. quitzih chi xquicot ronohel chicop 21. xquirip quixic cot zaccuch chuti g,iquin nima g,iquin 22. e cu xucuxuxinac ri ahquixb ahcahb 23. nim quequicotic rug rahquixb rahcahb tamub ilocab 24. rug rabinaleb εaεchequeleb [...] Lektion 13 – Lesestück 7: Geschichte vom Tod Sipaknas (Ms. fol. 9 verso, Schultze Jena 28.14) 1. are chicut chicabijh vchacatahic chic zipacna rumal ri e caib gaholab hunahpu xbalanque 2. are chic vchacatahic vcamic zipacna 3. ta xchac chic cumal ri e caib gaholab hunahpu xbalanque 4. are chic vyoε quigux caholab ri omuch chi gaholab xecamic rumal zipacna 5. xa car xa tap chutzucuh chi tac a 6. xere chirechaah hutaquih 7. pa quih chivacatic ta chutzucuh recha 8. chacab cut chirecah huyub 9. cate cut vhalvachixic hun nima tap cumal hunahpu xbalanque 10. are cut xquicoh ri vvach ec ri mac ec go pa tac quechelah 11. are vxul tap xuxic pahac chicut vcoc εab xquicoho 12. zel abah curi vva rachac tap rihouohic 13. cate cut ta xquicoh vcoc chuxe pec chuxe nima huyub 14. meauan vbi huyub xchacatah vi 15. cate cut ta xpe ri gaholab xquicu ri zipacna chi ya 16. apa catbe vi at gahol xchax curi zipacna 17. ma habi quinbe vi xa vecha canutzucuh ix gaholab xgha curi zipacna 18. naquipa au echa 19. xa car xa tap xma go chi vi canurico WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 90 20. cabihir chincanah rechaxic maui canuchih chic vaih 21. xgha zipacna chiquech hunahpu xbalanque 22. hun are la tap go vla xe zivan quitzih chi nima tap 23. caquih ta la chavechaah lo 24. xa cohvtio mi xrah cachapo 25. cacaxibih quib rumal 26. ma chibe on cachapa xegha ri hunahpu xbalanque 27. quitocoba nuvach quibe ta ivaba ix gaholab xgha ri zipacna 28. maba chicah xa ta catbec ma zachibal tah 29. xa racan ha catbec 30. at cu taεal aponoc xe nima huyub 31. houol vla chuxe ziuan xa catel apanoc 32. xegha hunahpu xbalanque 33. la qui ba tocob nuvach maba xuculu ix gaholab 34. quixbe na cu nuvaba go quixo viri g,iquin 35. chibe tah ivvbah vetaam go vi xgha chicut zipacna 36. xelahic xoc na chi quivach gaholab 37. la ma qui cu xchachap lo ta xa quehe xcohtzalih avvmal 38. ma xa maui xcatiho 39. xa huzuc chitionic ri oh hupulic cohoc vbic 40. cate cut cuxibih rib ri oh pacalic 41. cohoc vbic xa cu zcaquin chic maui chicarico 42. cate cu vtz at pacalic catoc vbic xuchax cut 43. vtzbala xgha cu ri zipacna 44. ta xbe cut achbilan chicut ri zipacna 45. xbec xeopon chuxe zivan 46. zalam cula ri tap cacvacavoh vla rih xe zivan ri cute quicumatzih 47. vtzbala chiquicot curi zipacna 48. carah tah xcoc ta puchi rumal quitzih cutzin chi vaih 49. xrah cutih ri xa xrah hupunic xrah oquic 50. pacal curi tap xacanic 51. cate cut xel chuvloc 52. maui xarico xughax cut 53. ma habi xa pacalic cacanic 54. xa nabe zcaquin chic maui mi xnurico 55. cate vtz lo quipaqueic quinoc vbic xgha chicut 56. cate cut pacal chic ta xoc vbic 57. xquiz cu oc vbic 58. xa vvi vchec chic xcutun vloc 59. xquiz biquitahic 60. xlilob cu cahoc nima huiub chi vgux 61. maui xzolcopih chic abah cut xuxic ri zipacna 62. quehe vchacatahic chic zipacna cumal gaholab hunahpu xbalanque 63. ri banol huyub xgha vtzihoxic oher vnabe gahol vvcub caquix 64. chuxe huyub meauan vbi xchacatah-vi 65. xa naual xchacatah vi vcab nimarizairib WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 91 2.5 EDITIONEN DES POPOL VUH (Anfang des Lesestücks 7: Geschichte vom Tod Sipaknas aus Lektion 13) Manuskript des Popol Wuj, fol. 9 verso (unten) und 10 recto (oben) Schultze Jena (1944: 28–29) WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 92 Sam Colop (1999), Seiten 49–50 Sam Colop (2011: 32) Christenson (2004: 53–54) WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 93 ANHANG 3: DAS K’ICHE’ ALS ERGATIVSPRACHE Eine für uns ungewohnte Eigenschaft des K’iche’ ist es, dass sich die grammatische Behand­ lung des Subjekts transitiver Sätze von der des Subjekts intransitiver Sätze unter­scheidet: x-u- k’am-o »er (u-) nahm es« x-Ø-opon-ik »er/sie (Ø-) kam« x-ki-k’am-o »sie (ki-) nahmen es« x-e- opon-ik»sie (e-) kamen« Andererseits wird das direkte Objekt transitiver Sätze in gleicher Weise wie das Subjekt intransi­tiver gekennzeichnet: x- oj- i-k’am uloq x-oj-opon »ihr nahmt (holtet) uns (oj-) her« »wir (oj-) kamen« Derartige Zuordnungssysteme finden sich weltweit in Sprachen, die unter sprach­typo­lo­ gischer Sicht als sogenannte Ergativsprachen zusammengefasst wer­den. Die – bei näherer Betrachtung allerdings oft recht unterschiedlichen – Zuord­nungssysteme von Ergativ­ sprachen laufen vielen aus den europäischen Sprachen (außer dem Baskischen) ge­wohn­ten grammatischen Mecha­nis­men zuwider, bei denen den grammatischen Funktionen Subjekt und direktes Objekt die Kasuskennzeichnungen Nominativ und Akku­sativ zuge­ordnet wer­ den. Die beiden unterschied­lichen Zuordnungssysteme lassen sich wie folgt verdeutlichen: Subjektintransitiv Intrans. Satz: Subjekttransitiv Trans. Satz: Objekttransitiv Nominativ Akkusativ Bei Ergativsprachen können die gewohnten Kasusbezeichnungen nicht verwendet werden, sondern man unterscheidet zwischen dem sogenannten absoluten Kasus (Absolutiv), der beim intransitiven Subjet und beim transitiven Objekt verwendet wird, und dem ergativen Kasus (Ergativ, von griechisch »Handelnder«), der das handelnde transitive Subjekt kennzeichnet: Subjektintransitiv Intrans. Satz: Subjekttransitiv Trans. Satz: Objekttransitiv Ergativ Absolutiv Gegenüberstellung der unterschiedlichen Kennzeichnungsschemata: entspricht ABS NOM kk- inix- kk- inix- inu- ABS ERG b’e ul ich ihr gehe kommt kamisaj taq ihr ich tötet beauftrage NOM mich euch AKK entspricht entspricht WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 94 Durch beide Systeme wird sichergestellt, dass im transitiven Satz, in dem es zwei Mit­spieler gibt, Handelnder und Behandeltes eindeutig grammatisch unterscheidbar sind. Für das K’iche’, in denen es keine expliziten Kasusmarkierungen an Nomina gibt, wird die Ergativ­struktur durch zwei Eigen­schaften der Sprache bestimmt: 1. Grammatische Beziehungen werden ausschließlich am Kern der Konstruk­tionen gekennzeichnet, d. h. an finiten Verben das Subjekt, bei transitiven Verben auch das (direkte) Objekt und an Nomina ein möglicher Besitzer. Interpretation und Anzahl dieser Kennzeichnungen sind eine Eigenschaft der jeweiligen Wortstämme: Verben sind inhärent intransitiv (nur Subjekt) oder transitiv (Subjekt und Objekt); einige Nomina erfordern einen belebten Besitzer, andere nicht. Nur durch Ab­lei­tungen können Verben und Nomina diese Eigenschaften ändern. 2. Die Kennzeichnung grammatischer Beziehungen erfolgt durch zwei verschiedene Reihen von Pronomina, die auf Subjekt, Objekt oder Besitzer verweisen: Reihe 1 (Absolutiv): frei stehend am Verb: Subjektintransitiv Reihe 2 (Ergativ): am Nomen: Possessiv Objekttransitiv am Verb: Subjekttransitiv Die Verwendung der Pronominalreihen – und damit die Ergativstruktur der MayaSprachen – wird durch Belebtheit bestimmt. Die Absolutiv-Pronominal­präfixe sind in dieser Hinsicht neutral: sie kommen als Subjekt intransitiver Sätze vor, die belebt oder unbelebt sein können, sowie bei transitiven Sätzen als direktes Objekt, das häufiger unbelebt als belebt sind. Ergativ-Pro­nomi­nalpräfixe haben dagegen sowohl als Subjekt-Pronominalpräfix als auch als Possessivpräfix immer einen ausschließlich oder zu­mindest typischerweise belebten Bezug. Hierzu passt auch, dass das ebenfalls fast immer belebte indirekte Objekt (Nutznießer) als Besitzer des Nomens -ech in chi POSS-ech oder als Besitzer des direkten Objekts ausge­drückt wird und gelegent­lich ein belebtes direktes Objekt als Besitzer von POSS-ech. WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 95 WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 96 WÖRTERVERZEICHNIS a’onchinaq ab’aj ab’ajir ab’ix achaq achb’ila-n achij achijil(al) aj aja-j ajaw(-ab’) ajawa-j (N) (N) (Vi) (N) (N) (Vi) (N) (N) (Vt) (Vt) (N) (Vt) ajawal ajawar ajawarem ajb’it ajb’ix ajkun ajk’aj(-b’) ajk’ix(-b’) (N) (Vi) (N) (N) (N) (N) (N) (N) ajpu ajpop(ol) ajsu’ ajtz’aq akaroq al ala-j alal amaq’ anim a pa a(pa)chinaq aponoq aq aqan aq’ab’ aq’an aq’anoq are at (N) (N) (N) (N) (Part) (N) (Vt) (N) (N) (Adv) (N) (N) (Adv) (N) (N) (N) (Vi) (Adv) (Pro) (Pro) Fragwort: wer? Stein versteinern, zu Stein werden (zu ab’aj) Maispflanze, Maisfeld Hintern, Hinterteil (mit POSS) begleiten (Antipassiv) Mann, Kriegsheld Männlichkeit, Kriegertum (zu achij) etwas wünschen, wollen etwas schnitzen, Holz bearbeiten; aham »Holzschnitzer« Fürst, Herr, Herrscher jemanden fürstlich machen, zum Fürsten bestimmen; auch: etwas befehlen (zu ajaw) Herrscheramt; Herrschaft (zu ajaw) Herrscher werden, herrschen (zu ajaw) Fürstenwerdung (zu ajaw) Gestalter, mit ajtz’aq Bezeichung für Schöpfergottheit(en) Sänger; zu b’ix »Gesang« Arzt; zu kun »Medizin« der sich Kasteiende (zu k’aj) der Ehrfürchtige, als ajk’ixb’ ajk’ajb’ Bezeichnung für oberste Priester Jäger; Tagesname im 260-Tage-Kalender (mit Zahl von 1–13) Herr der Matte(n); zu pop »Matte« Flötenspieler; zu su’ »Flöte« Erbauer, mit ajb’it Bezeichung für Schöpfergottheit(en) Ausruf (der Bewunderung?) Kind (von Mutter Geborenes; mit POSS) jemanden gebären (zu al); alom »Gebärerin« Gewicht ethnische Gruppe, Volk(sgruppe) schnell, eilig Fragwort: wo, wohin, woher? Fragwort: wer? dort (draußen) in der Nähe befindlich (auch apanoq) Bisamschwein (Pekari); im heutigen K’iche’ »(Haus-)Schwein« Fuß, Bein (mit POSS) Nacht (an einen Ort) hinaufsteigen, hinaufklettern hinauf dies (Demonstrativpronomen); er, sie, es (3. Person Singular) du (2. Person Singular) WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 97 atan atin ati’t awa-j Awilix b’a b’alam B’alamaq’ab’ B’alamkitze’ b’an b’aq(il) b’aq’ b’aq’ b’ate b’atz’ b’e b’e b’elej(eb’) b’i’ b’i’(i)-j b’in b’iq b’is b’it b’ix(ik) b’ol b’usaj b’ut cha’ chaji-j chakan cham Chamalqan chap chaqi’j chaq’ chay che’ chi chi(k) chi’ (Adj) (Vi) (N) (Vt) (N) (Part) (N) (N) (N) (Vt) (N) (Vt) (N) (auch Adv) früh, vorzeitig baden Großmutter, Greisin etwas aussäen Name einer Patronatsgottheit befürwortend, bejahend Jaguar Eigenname eines der mythischen ersten Ahnen der K’iche’ Eigenname eines der mythischen ersten Ahnen der K’iche’ etwas machen Knochen (mit POSS) etwas mit den Händen drehen; hier: »Feuer erbohren« Frucht, Kern (mit POSS); b’aq’ wach »Auge« (wörtl.: »Kern des Gesichts«) (N) ein nicht näher identifiziertes, beim Ballspiel verwendetes Gerät (N) Faden, Seil; Tagesname im 260-Tage-Kalender (mit Zahl von 1–13) (Vi) (zu einem Ort) (los)gehen, aufbrechen (N) Weg (Num) neun (N) Name (mit POSS) (Vt) etwas benennen, berichten (Vi) (an einem Ort) umhergehen, spazieren gehen (Vt) etwas verschlucken, verschlingen (N) Kummer, Leid (Vt) etwas aus weichem Material herstellen; b’itol »Gestalter«, mit tz’aqol Bezeichung für Schöpfergottheiten (N) Gesang (Vt) etwas braten, rösten (Num) Stück Tuch (Zählwort) (Vt) etwas oder jemanden ertränken (Vi) sprechen (Vt) etwas bewachen, um etwas kümmern; chaja-l »Wächter« (Vi) krabbeln, sich auf allen vieren bewegen (Pos) in ruhiger Raumlage befindlich (N) Eigenname (Vt) etwas ergreifen, aufnehmen; chapala’ »etwas ertasten« (Vi) austrocknen, verrtrocknen (N) jüngerer Bruder (eines Mannes), jüngere Schwester (einer Frau) (N) Obsidian- oder Feuersteinklinge (in chayim ja »Messerhaus«) (N) Baum, Holz (Part) leitet Ortsangaben ein (Part) darüber hinaus; als chi k’ut nochmals, erneut (N) Mund, Öffnung, Rand (mit POSS); nach chi »am Rand von, ....« WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 98 chikop(-il) chikopir chila’ Chimalmat chinamit chiri’ choj choji-j Chowen chub’ chuch Chulimal chup Chuwa Tz’aq Chuwi’la Chuwi’ Miq’ina’ ch’a’aj ch’aw (N) (Vi) (Pro) (N) (N) (Pro) (N) (Vt) (N) (N) (N) (N) (Vt) (N) (N) (N) (N) (Vi) ch’aj ch’ak ch’ek ch’i’pi ch’ij ch’oh ch’ob’ ch’umil ch’up ch’ut ch’uti’ e e’ e(ch) (Vt) (Vt) (N) (Adj) (Vt) (N) (Pos) (N) (Vt) (N) (Adj) (Pro) (N) (N) echa’ echa’-j ek’ el (N) (Vt) (N) (Vi) elaj eleb’al eleq’a-j eqa-j etal (Vi) (N) (Vt) (Vt) (N) Tier zum Tier werden dort (entfernter vom Sprecher; chi + la’) Eigenname Familienverband, Abstammungsverband (lineage) dort (für den Sprecher nicht sichtbar; chi + ri’) Erdofen etwas erhitzen Teil des Eigennamens Jun Chowen, des Bruders von Jun B’atz’ Speichel, Spucke Mutter (mit POSS) Ortsname etwas entfernen, wegnehmen, auslöschen Ortsname (das heutige Momostenango) Ortsname (das heutige Chichicastenango) Ortsname (das heutige Totonicapán) Ballspiel (wohl für ch’a’oj, unklar) unregelmäßiges Antipassiv zu »etwas sagen«, vgl. Instrumental ch’ab’e-j und Passiv uchax etwas waschen jemanden besiegen, etwas gewinnen; ch’ak k’u’x »Herz gewinnen« Knie, Armgelenk (mit POSS) jüngster, kleinster (von Kindern); auch ch’i’pa etwas aushalten, ertragen Maus in richtig geordneter Raumlage befindlich (?); Stativ ch’ob’ol Stern etwas pflücken, ernten angespitzer Gegenstand, Stachel (von Pflanzen) klein sie (3. Person Plural) Zahn (mit POSS) Eigentum, zugehörig zu, das Seinige (mit POSS); nach chi indirektes Objekt (Rezipiens oder Nutznießer) Nahrung etwas als Nahrung zu sich nehmen, essen bestimmte Pflanze (Bromelienart ?) (aus einem Ort) herausgehen, hervortreten; elesa-j »etwas hervorholen, hervorkommen machen« demütig sein, sich erniedrigen Auftauchen, Hervorkommen, Aufgang(sort), z. B. der Sonne etwas stehlen; unregelmäßiges Verbalnomen eleq’ik etwas auf dem Rücken tragen Zeichen WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 99 etama-j etz’ab’al ewa-j ib’ ib’och’ ib’oy ij ikaj ik’ Ik’ib’alam Ik’oq’ij ik’ow ik’owisa-j il Ilok(-ab’) in ix ixim ixk’aq ixoq ixoqil ixowa-j ja ja’ jab’ jab’i Jakawitz jal jala-j jalwachi-j je jilow jok jolom jow jujun jul jun Junajpu junoq jup (Vt) (N) (Vt) (N) etwas wissen, lernen; Partizip Perfekt eta’m »gewusst« Spielmittel, Spielgerät (für Ballspiel) etwas verstecken Selbst (mit POSS; auch mit -ib’il, dass aber nur in der Verbindung Poss-ib’ Poss-ib’il erscheint) (N) Venen, Nerven (mit POSS) (N) Gürteltier (N) Rücken (mit POSS); nach chi »hinter, ....« (N) Axt, Beil (N) Mond, Monat (zu 30 Tagen) (N) Eigenname eines der mythischen ersten Ahnen der K’iche’ (N) Morgenstern, Venus (Vi) (an einem Ort) vorbei-, entlanggehen, herankommen (Vt) etwas vorbeigehen machen, herankommen machen, übertreffen (Vt) etwas sehen; abgeleitet u. a. ilb’al »Sehmittel« (N) Name einer Volksgruppe (Pro) ich (1. Person Singular) (Pro) ihr (2. Person Plural) (N) Mais (N) Fingernagel, -nägel, Klaue(n) (mit POSS) (N) Frau (N) Ehefrau (mit POSS) (Vt) etwas oder jemanden verabscheuen (N) Gebäude, Haus (N) Gewässer, Fluss (N) Regen(guss), Platzregen (Part) Partikel des Nicht-Vorhandenseins (N) Ortsname (N) Maiskolben (Vt) etwas auswechseln, austauschen (Vt) etwas ersetzen, umwandeln (N) Schwanz (mit POSS) (Vi) stöhnen, ächzen (nicht mehr transparente Antipassivform) (N) (gerodeter) Weg (N) Kopf (mit POSS) (Pos) in flach ausgestreckt liegender Position befindlich; Stativ jowol und verbal jowojik (Adj) jeder, jede (zu jun) (N) Grube (Num) ein, eins (in engeren Verbindungen ju-) (N) Eigenname; Zwillingsbruder von Xb’alanke; auch in den Namen Jun Junajpu und Wuqub’ Junajpu (N) ein einzelnes Stück (N) in auf dem Bauch liegender Position; Stativ jupulik WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 100 jupacha jupu-j Juraqan juru-j jusu(k’) juta(q) jutaq’ij juwuq juyub’ kab’ kab’lajuj kab’ij kab’ijir Kab’raqan ka’(-ib’) kaj kaj(-ib’) kam Kamalotz Kame kamisa-j kana-j kanoq kaq(a) Kaqchikel Kaqix Kaqulja’ kar Kawisimaj Kawistan Pom kawu-j kay kej (Part) (Vt) (N) (Vt) (Adv) (Num) (Adv) (Num) (N) (Num) (Num) (Adv) (Adv) (N) (Num) (N) (Num) (Vi) (N) (N) (Vt) (Vt) (Adv) (Adj) (N) (N) (N) (N) (N) (N) (Vt) (N) (N) Fragwort: wie? etwas auf den Bauch legen Name einer Gottheit etwas schleppen, Schweres tragen mit einem Mal ein jeder von vielen (aus jun + taq) immerzu (zu jun) je sieben (ju(n) + wuq) Berg, Gebirge, Wildnis, Land, Wohnsitz zwei (neben ka’ib’) zwölf (mit ka(i)b’ zwei) in zwei Tagen seit bzw. vor zwei Tagen Eigenname; einer der Söhne von Wuqub’ Kaqix zwei (auch kab’) Himmel vier sterben Eigenname (Gruppe von Wesen) Kalendername, mit vorangestellter Zahl jemanden töten etwas zurücklassen zurückbleibend rot Name eines Volkes (auch Kaqchekel und mit Pluralendung -eb’) Arara; Teil des Eigennamens Wuqub’ Kaqix Blitz; Eigenname einer Gottheit Fisch Name eines Königs der K’iche’ Name einer Kopalart etwas schmücken betrachten, zusehen Hirsch kejb’e-j keje kik’ kik’(-el) kikot kir koj koj kok kot (Vt) (Part) (N) (N) (N) (Vt) (Vt) (N) (N) (N) etwas oben auf einem anderen Objekt platzieren (Instrumental) so, auf die genannte Weise, auf gleiche Weise (1) Blut; (2) Kautschukball Blut (mit POSS) sich freuen, Freude empfinden etwas losbinden etwas platzieren Puma, Berglöwe Schildkröte; (Schutz-)Panzer (?) Adler WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 101 kotz’i’j Kotzb’alam ku’b’ ku’b’e’ kuch Kuchumakik’ kumatz kunab’al kus kux kuy k’a(te) k’ab’awil k’ajisa-j k’ajol(-ab’) k’ajola-j k’am k’amja(il) (N) (N) (Pos) (Vi) (Vt) (N) (N) (N) (Adj) (N) (Vt) (Part) (N) (Vt) (N) (Vt) (Vt) (N) k’aslem k’at k’ate k’axaj k’axtok’a-j K’eletzu k’ex(-el) k’i K’iche’(-eb’) k’iche’laj K’iq’ab’ k’is k’ix k’iya k’iyar k’o k’o-l k’oje’ k’ol (N) (Vt) (Part) (N) (Vt) (N) (N) (Adj) (N) (N) (N) (Vi) (Vi) (Adj) (Vi) (Part) (Pos) (Vi) (Vt) k’olok’o-j k’oqo-j k’ot k’oy (Vt) (Vt) (Vt) (N) Blume(n) Eigenname in sitzender Position befindlich; Stativ ku’b’ul sich setzen etwas sammeln, jemanden in Gruppe treffen Eigenname eines Fürsten der Unterwelt (mit kik’ »Blut«) Schlange; kumatzij »Zauberwerkzeug« Heilmittel lecker, wohlschmeckend, wohlduftend, leckere Speise Wiesel etwas erlauben, verzeihen, ertragen und dann; meist k’ate Patronatsgott, Götterfigur jemanden bestrafen, täuschen; k’ajisab’al »Mittel der Bestrafung« Sohn (von Vater gesagt; mit POSS); junger Mann Söhne zeugen; k’ajolom »der Söhnezeuger« etwas (an)nehmen, erhalten Teil eines Adelstitels aj-pop k’amja; dürfte sich auf die Empfangs­halle des Regierungspalastes beziehen, im Sinne von: »Aufseher der Empfangs­halle« (nach Tedlock) Leben etwas anzünden, verbrennen und dann Geifer jemanden irreführen; zu k’axtok’ »böser Geist« Eigenname Ersatz, Stellvertreter, Platzhalter viel Name eines Volkes Wald; auch k’eche’laj Name eines Königs der K’iche’ aufhören, enden Scham, Scheu, Ehrfurcht haben, empfinden; auch als k’ixb’ viel (vgl. k’i) viel, mehr werden, sich vermehren existierend (unregelmäßige Kurzform zu k’oje’) existierend (unregelmäßiger Stativ zu k’o / k’oje’) (an einem Ort) existieren, leben etwas oder jemanden retten, in Sicherheit bringen, aufbewahren, verwahren etwas rund machen jemanden (auf übernatürliche Weise) strafen etwas graben Klammeraffe WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 102 k’u k’u(t) k’uch k’ul k’ulel k’utun k’uwal k’ux k’u’x la’ lab’al laj la la(l) laq’el la qi b’a la qi ta le’ lib’ajchi’ lik’ib’a’ lil lo loq’olaj ma ma ma’i-j Majukutaj mak mam(a) mayija-j me’al me’alan Me’awan meb’a mi mi’al mich’ miq’ Mixtam Pom muchuli-j munil (Vt) (Part) (N) (Vt) (N) (Vi) etwas oder jemanden verbergen, verstecken nun, dann (auch erweitert als k’ute, k’uri) Geier etwas oder jemanden treffen, gegenübertreten Gegenüber (auch im Sinne von Ehefrau) erscheinen, sichtbar werden (Antipassiv); k’utb’al »Ort des Erscheinens, Sichtbarwerdens« (N) Edelstein (Vt) etwas kauen, zerbeißen (N) Herz (Pro) dies dort (entfernter vom Sprecher) (N) Krieg (Vt) etwas Festes bearbeiten (Part) Fragepartikel (Pro) höfliche Anrede (N) Junggeselle (Part) hier wohl im Sinne von: bitte (?) (Part) sofern (?) (Num) Generation (Zählwort) (Adj) schnell, sofort (Vt) etwas flach ausbreiten; hier: (Hand nach etwas) ausstrecken (Pos) eine flach liegende Position einnehmen; verbal lilob’ (N) wohl eher nicht (zweifelnd) (Adj) sehr geliebt, hoch verehrt (Part) Negation; meist als ma wi oder ma na (Part) leitet Ja-/Nein-Fragen ein (Vt) etwas wegnehmen, ruinieren (N) Eigenname eines der mythischen ersten Ahnen der K’iche’ (N) Pflanzenname (mit ek’: mak ek’) (N) Greis, Großvater (mit POSS); Urvater, Ahnherr (Vt) etwas bewundern (N) Tochter (eines Mannes; mit POSS) (auch mi’al) (Vi) Töchter zeugen (Antipassiv; zu me’al bzw. mi’al »Tochter«) (N) Ortsname (Adj) arm, verwaist, verwitwet (Part) gerade eben (N) Tochter (eines Mannes; mit POSS) (auch me’al) (Vt) jemanden betrügen, überlisten, die Haare ausreißen; mich’b’al »Betrug, List« (Vi) warm werden, sich erhitzen (N) Name einer Kopalart (Vt) etwas zerkleinern und zerstreuen (N) Sklaverei (zu mun Sklave, Sklavin) WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 103 muq na na’ na’ob’al na’oj na’oji-j na’tal nab’e naj naki (la)/(pa) Nakxit Nanawak naqaj nawachil nawal nay nik’o-j nim(a) nimaq nima-j nimal nimar nimarisa-j nimja noj num o’(ob’) ochoch oj ojer ok omuch on onojel opon oq’ oq’e-j ox(ib’) pa pa pajak pa(m) (Vt) (Part) (Vt) (N) (N) (Vt) (N) (Adj) (Adj) (N) (N) (N) (Adv) (Vi) (N) (Part) (Vt) (Adj) (Adj) (Vt) (N) (Vi) (Vt) (N) (Vi) (Vi) (Num) (N) (Pro) (Adj) (Vi) (Num) (Part) (N) (Vi) (Vi) (Vt) (Num) (Part) (Part) (N) (N) palo (N) etwas eingraben, jemanden begraben wahrscheinlich, in fester Erwartung etwas empfinden, wahrnehmen Geistes-, Verstandeskraft, Denkvermögen Gedanke, Idee, Plan etwas denken, überlegen Wahrnehmung erster, zuerst fern, entfernt Fragwort: was?; häufig als naki la oder naki pa Eigenname eines Herrschers Eigenname einer Gottheit nahe bemerken (ev. für passives nawachix ?) übernatürliche Macht auch (in Verbindung mit puch) etwas untersuchen groß, bedeutend; adverbial gebraucht: sehr Pluralform zu nim groß etwas vergrößern Größe groß werden etwas oder jemanden groß machen; groß tun, überheblich tun Großhaus, Residenz eines Familienverbandes (aus nim + ja) voll werden, sich füllen Hunger haben, hungern fünf Haus, Heim, Zuhause wir (1. Person Plural) früher, einst (in einen Ort) eintreten, eindringen vierhundert (metaphorisch: unzählige) möglicherweise (offene Einschätzung) Gesamtheit, alle (mit POSS) (an einen Ort (nicht zu Hause)) kommen, gelangen weinen, klagen, brüllen (von Tieren) etwas oder jemanden beklagen drei leitet Ortsangaben ein Partikel der Frage nach Negation ma und Fragewörtern wie naki Bezeichnung für eine Pflanzenart (unklar) Inneres, Innenseite (mit POSS; auch pan); nach chi »im Innern von, ....« Meer WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 104 Pamak’a’ paq (N) (Pos) patan pax paxi-j pe(t) pek perepo-j pitz pitzkali-j pixab’ pixab’a-j polow pom pop poq’ poro-j poy pu(ch) pujuy puna-j pus puwaq qaj qajoq qajaw Qamuku qi qitzij q’ab’ q’aj q’aji-j q’alu-j q’an(a) q’apoj(-ib’) q’aq’ q’aq’al q’aq’ar q’aq’at q’at q’aq’-wachi-j q’eb’al q’ej (N) (Vt) (Vt) (Vi) (N) (Vt) (Vt) (Vt) (N) (Vt) (Vi) (N) (N) (Vi) (Vt) (N) (Part) (N) (Vt) (Vt) (N) (Vi) (Adv) (N) (N) (Part) (Adj) (N) (Vt) (Vt) (Vt) (Adj) (N) (N) (N) (N) (Vt) (Vt) (Vt) (N) (Vt) Ortsname in Position mit Öffnung nach oben befindlich; Stativ paqal(ik), verbal paqe’(ik) bzw. paqa’(ik) Dienst, Arbeit, Arbeitspflicht etwas zerbrechen etwas spalten, teilen (von einem Ort) (her-)kommen Höhle (im Fels) etwas zerstückeln; Passiv perepoxik etwas einwickeln, einpacken (auch pis) jemanden alleine gehen lassen (unklar, ev. zu pitz?) Ratschlag, Vorschrift jemanden warnen, beraten schwer atmen (nicht mehr transparente Antipassivform) Kopal Matte sich vermehren etwas anzünden Puppe, Vogelscheuche und auch Nachtschwalbe, Ziegenmelker etwas aufblasen, anschwellen lassen; auch im Sinne von: prahlen etwas oder jemanden zerschneiden, zerstückeln, opfern Edelmetall sich (an einen Ort) hinabbewegen, fallen, hinabsteigen abwärts Vater, Herr Eigenname sicherlich wirklich, wahrhaftig Hand, Arm etwas (aus Knochen oder Holz) zerbrechen etwas zerbrechen, zermahlen jemanden oder etwas umarmen, mit den Armen umfassen gelb Mädchen, (noch unverheiratete) junge Frau Feuer Macht, innere Kraft (eines Gottes oder Herrschers) sich erhitzen, Fieber haben; hier im Sinne von: sich aufregen etwas losschneiden (auch q’at) etwas schneiden; q’at tzij »Worte schneiden, d. h. verurteilen« jemanden eifersüchtig (wörtl. feuer­gesichtig) machen Krug etwas (Flüssigkeit) eingießen WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 105 q’eq(a) q’eqal q’equmar q’ich q’ij q’ob’isa-j (Adj) (N) (Vi) (Vt) (N) (Vt) q’ol q’oxom Q’ukumatz q’ul (N) (N) (N) (Vt) q’u’l q’uq’ q’utu-j Rab’inal(-eb’) raj raqu-j rax(a) rayi-j ri ri’ ri’j-i rip riq sach sachib’al sajkab’ sakb’al samajel sanik saq(i) saqb’isan (N) (N) (Vt) (N) (Vi) (Vt) (Adj) (Vt) (Part) (Pro) (Adj) (Vt) (Vt) (Vt) (N) (N) (N) (N) (N) (Adj) (Vi) saqb’och saqir Saqulew(-ab’) sey (N) (Vi) (N) (Vt) sel sib’ sib’ak sik’i-j silib’a’ (N) (N) (N) (Vt) (Vt) schwarz, dunkel, finster Dunkelheit, Finsternis sich verfinstern etwas zerlegen Sonne, Tag (und des damit verbundenen Schicksals) etwas reifen lassen, jemanden erwachsen werden lassen, zum Erwachsenen machen Harz, Gummi, Leim Schmerz Eigenname eines Gottes und eines Fürsten (aus q’uq’ + kumatz) die Haut eines Tieres zubereiten (als Leder oder zum Essen?); hier wohl im Sinne von »etwas einbeizen« Tuch, Decke Quetzalvogel, Federn des Quetzalvogels etwas mit der Hand zerreiben, zermahlen Name einer Volksgruppe wünschen, wollen (als Hilfsverb; vgl. aj »etwas wünschen«) etwas schreien, brüllen (blau-)grün etwas wünschen, haben wollen der, die, das ; diese(r/s) dies dort (für den Sprecher nicht sichtbar) alt etwas ausbreiten, bes. Flügel oder Arme ausstrecken etwas oder jemanden finden etwas verlieren Mittel, Instrument der Irreführung weiße Farbe (aus Erde), Kreide Würfel, Würfelspiel Bote, Späher Ameise weiß, hell weiß besänftigen, weiß beruhigen (Bedeutung unklar; wohl Antipassiv); hier im Sinne von »Kopal opfern« Hagel weiß werden, hell werden Name einer Volksgruppe der K’iche’ etwas schaukeln, hin und her bewegen; auch im Sinne von »etwas (im Tuch) einfangen« Schale Rauch Riedgras jemanden rufen etwas schütteln, rütteln WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 106 Sipakna sis siwan sqaqi’n su’ su’a-j sutz’ ta ta ta(j) tab’al tak’ Tam(-ub’) tan (N) (N) (N) (Adj) (N) (Vt) (N) (Vt) (Part) (Part) (N) (Pos) (N) (Pos) tap taq tel teleb’ teleb’a’ tem tepew tepewal tepewar ti’ ti’ob’al ti’ojil tij tik’e-j tikar tikib’a’ tiltot (N) (Part) (Pos) (N) (Vt) (N) (N) (N) (V) (Vt) (N) (N) (Vt) (Vt) (Vi) (Vt) (Vi) tinamit Tojil tok’ toq’ob’ toq’ob’a’ (N) (N) (N) (N) (Vt) tuk tukel tukur Tulan (Vt) (N) (N) (N) Eigenname; einer der Söhne von Wuqub’ Kaqix (Weißrüssel-)Nasenbär Schlucht, dünn besiedeltes Land wenig Flöte etwas mit der Flöte spielen Wolke, Sturm(wolke), Nebel etwas hören, verstehen, erfragen (auch ta’, Passiv tayik) zeitlich anknüpfend, da, wenn, als den Tatsachen widersprechend Mittel zum Hören in ruhender, angehaltener Position befindlich; Stativ tak’al Name einer Volksgruppe in gestoppter Raumlage befindlich; verbal tanatob’ »stecken oder hängen bleiben« Flusskrebs viele (Pluralisierung) in geschulterter Position; Stativ telen Schulter (wörtl.: Mittel zum Schultern) etwas schultern Schemel, Hocker Fürst, Herr Erhabenheit, Herrschaftlichkeit fürstlich, erhaben werden etwas beißen Biss, Insektenstich (wörtl.: Beißmittel) Fleisch, Leib etwas essen etwas in der Hand tragen beginnen, anfangen, Anfang nehmen etwas beginnen, hinstellen Geräusch oder Bewegung des Fallens von reifen Früchten mehrfach aus­führen (Bedeutung unklar); hier wohl im Sinne von: aufgehen (Gestirne) Stadt, Gemeinwesen Name einer Patronatsgottheit Feuerstein, Messer Gefallen, Gunstbeweis, Mitleidsbezeugung etwas in eine mitleidende Position bringen; mit wach »Mitleid haben« etwas in kleine Stücke zerteilen allein, ausschließlich Eule Ortsname WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 107 tuq Tuqumb’alam t’ub’ukij tza’m tzak tzal (Vt) (N) (Vi) (N) (Vi) (Pos) tzalij tzaq tzapib’ tzatz tzel tzij tzijo-j tzilo-j tzono-j tzolole-j (Vi) (Vt) (N) (N) (N) (N) (Vt) (Vt) (Vt) (Vt) tzolq’opij tzoqopi-j tzuku-j tzuq tz’alam tz’api-j tz’aq (Vi) (Vt) (Vt) (Vt) (N) (Vt) (Vt) tz’aqat tz’i’ tz’ib’a-j tz’ib’al tz’ikin tz’ite (Vi) (N) (Vt) (N) (N) (N) Tz’olojche’ tz’um(al) ucha-x (N) (N) (Vi) ub’ik uk’ uk’ uk’a-j uk’am ul ulew ulo(q) (Adv) (N) (N) (Vt) (Vt) (Vi) (N) (Adv) etwas gewaltsam wegnehmen Eigenname sich anhäufen, ansammeln Nase, Spitze kochen, brodeln in einer seitlich geneigten Position befindlich; Stativ tzalan, nominalisiert tzalatzoxel »seitlich hin und her Schwankende« zurückkehren etwas oder jemanden zurücklassen Tür (wörtl.: Mittel zum Schließen) Masse, Menge, zahlreich Schale; (Adj) rund, schalenförmig Wort, Überlieferung, Befehl etwas erzählen etwas beschmutzen etwas fragen etwas hin- und herdrehen, ev. auch im Sinne von »etwas genau untersuchen« sich umdrehen (?) etwas loslassen, freimachen etwas suchen jemanden ernähren, füttern Holzbrett etwas einschließen, verschließen etwas aus festem Material herstellen; tz’aqol »Erbauer«, mit b’itol Bezeichung für Schöpfergottheiten vollenden, beenden Hund; Tagesname im 260-Tage-Kalender (mit Zahl von 1–13) etwas schreiben, bemalen Gemaltes, Geschriebenes Vogel; Tagesname im 260-Tage-Kalender (mit Zahl von 1–13) Pito-Baum, bzw. dessen Holz oder Frucht (u. a. zur Wahrsagerei verwendet) Ortsname Haut, Leder gesagt werden; unregelmäßiges Passiv zu »etwas sagen«, vgl. Antipassiv ch’aw weg (von) (in) Gemeinschaft, mit, und (mit POSS) Laus etwas mit den Händen tragen mit den Händen getragene Last (Partizip Perfekt zu uk’a-j) (an einen Ort) kommen, ans Ziel kommen, nach Hause gelangen Erde, Land (hier) her, hin zu; auch ula WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 108 uma(l) umul utiw utz utzin ux wa(ch) wa’ wa’ wa’(al) wa’ij wa’im wa’kat wab’ wab’a-j wach wachib’al wachi-j wachi-n wachinel wakamik wak’ wak’awoj waq(ib’) war warab’al wara-j waral we we’ wi wi’ wikiq’ab’ winaq winaqir winaqtzijo-n winaqwachi-n wok wor wub’ wub’a-j wuj wuqub’ wuqub’ix (N) (N) (N) (Adj) (Vi) (Vi) (N) (Pro) (Vi) (N) (N) (N) (Vi) (Vt) (Vt) (N) (N) (Vt) Grund, Ursache (mit POSS) Kaninchen Koyote gut; intensiviert utzilaj »sehr gut« gut werden werden zu Gesicht, Gesichtsseite (mit POSS) dies hier (nah beim Sprecher); auch wa’e essen Essen, Nahrung, Speise; hier: »Saft« Essen Essen, Mahlzeit (an einem Ort) umhergehen, umherwandern jemanden führen, leiten etwas anhauchen Gesicht (mit POSS); nach chi »vor, auf, ....« Erscheinung, Gestalt etwas gesichtig machen, angesichtig machen, z. B. Früchte tragen; hier im Sinne von »etwas zu Gesicht bekommen« (Vi) aussehen, Gestalt haben; hier (bei Gestirnen): scheinen (N) Abzeichen (Adv) jetzt, heute (N) Falke(nart) (Pos) in krebs- oder insektenartiger (sechsbeiniger ?) Position befindlich (Num) sechs (Vi) schlafen (N) Schlafmittel, Schlafstätte (Vt) etwas bewachen (Adv) hier, hierher (Part) wenn, falls (konditional satzverknüpfend) (Part) einverstanden (Partikel der Zustimmung) (Part) zeigt die Voranstellung indirekter Angaben an (N) Kopf, Oberseite; nach chi »über, oben auf, ....« (N) rechte Hand, rechter Arm (mit POSS) (N) Mann, Mensch, Person (Vi) entstehen, erscheinen (Vi) menschenartig sprechen (Vi) menschenartig aussehen (N) Falke (Vt) etwas durchbohren (N) Blasrohr (Vt) etwas mit dem Blasrohr schießen (N) Buch (auch wuj-il (besonderes) Buch) (Num) sieben (Adv) nach sieben Tagen WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 109 xa xa’n xaj xaloq’ xaq Xb’alanke xe xe’ Xe’k’a’maq xekeb’a’ Xe’laju(j) xere Xib’alb’a xib’i-j xik xik’ Xkik’ (Part) (N) (Vt) (Adv) (N) (N) (Vt) (N) (N) (Vt) (N) (Part) (N) (Vt) (N) (N) (N) xma Xmukane xmukur xo xol xowa-j xpeq Xpiyakok Xpuch Xtaj xuk xul xul (Part) (N) (N) (N) (N) (Vt) (N) (N) (N) (N) (Pos) (N) (Pos) ya’ ya’ yachwach yak yak yak yamanik yoq’ (Vt) (N) (N) (N) (Pos) (Vt) (N) (Vt) allein, nur, gar (mit wi: xa wi) Stechmücke etwas tanzen ohne Ziel, sinnlos Asche Eigenname; Zwillingsbruder von Junajpu etwas fürchten, etwas ehrfürchtig verehren (?) Wurzel, Unterseite, Grundlage; nach chi »unter, unten, ....« Ortsname etwas aufhängen Ortsname (das heutige Quetzaltenango) nur, wahrlich (auch xare aus xa + are) Name der Unterwelt und ihrer Bewohner etwas fürchten Sperber Flügel, Feder Eigenname der Tochter eines Unterweltsfürsten und Mutter von Junajpu und Xb’alanke (mit kik’ »Blut«) nie(mals) Eigenname einer Gottheit; Ehefrau von Xpiyakok Taube Anzahl, Menge (als k’i xo, unklar) Zwischenraum, Abstand (mit POSS) etwas oder jemanden ehren Kröte Eigenname einer Gottheit; Ehemann von Xmukane Eigenname Eigenname in kniender Position befindlich; verbal xukux (Passiv) Schere(n) eines Krebses (?) eine nach unten gerichtete, z. B. hängende Position einnehmen; verbal xule’ etwas geben Gewässer (Nebenform zu ja’) Kopfschmuck Fuchs in aufrecht stehender Position befindlich etwas aufrichten Kostbarkeit etwas oder jemanden kritisieren, beleidigen WS 2014/15 – Einführung in das K’iche’ 110