Ludwik Fleck - BIOspektrum

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Erinnerungsbild
Ludwik Fleck
(11. Juli 1896 – 5. Juni 1961)
LOTHAR JAENICKE, KÖLN
Eine Tatsache ist tatsächlich keine
Tatsache, sondern eine Gruppentat
„Über mancherlei besondere Kennzeichen medizinischer Vorstellungen“
ó Der honorige Epistemologe Thomas S.
Kuhn (1927–1996) macht im Vorwort zu seinem Buch The Structure of Scientific Revolutions darauf aufmerksam, dass er im Nachhinein des Schreibens viele seiner Gedankengänge vorweggenommen fand in dem fast
vergessenen Buch des polnischen Mediziners,
Hygienikers und (in der Nebenberufung) Wissenschaftssoziologen Ludwik Fleck aus Lwów
(Lemberg) Entstehung und Entwicklung einer
wissenschaftlichen Tatsache – Einführung in
die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Es
ist 1935 in Basel bei Benno Schwabe erschienen und war, mit Deutsch als Wissenschaftssprache, in den Unbildungen der Hitlerzeit fast untergegangen.
Ludwik Fleck und der Typhus erythematodes (Flecktyphus)
Vieles ist aus der Zeit zu verstehen. Dazu zählen die bakteriologisch-wissenschaftlichen
Vorstellungen, die die Gedankengänge des
Serologen Ludwik Fleck in der Erforschung,
Diagnose und Therapie des Flecktyphus
beherrschten, die letzten Endes auch zu seinen Überlegungen zur konzertierten und kollektiven Entstehung von „Tatsachen“ außerhalb des engeren Metiers führten. Sie sind
nichts Selbstverständliches, kein Formelkonstrukt, sondern ein Forscherkonstrukt,
eine Veranstaltung aus dem Zusammenwirken von Personen mit unterschiedlicher Herangehensweise in Stil oder (Nicht-)Methode.
Während der Bauchtyphus (engl.: typhoid
fever), nach Robert-Koch’scher Routine der
Bakteriologen als Infektion mit Salmonellaoder Shigella-Enterobakterien erkannt, in aller
Welt eine durch Wasserhygienemaßnahmen
beherrschbare Seuche wurde, blieb der
Fleck(Exanthem)-typhus (engl.: typhus, spotted fever), das „Nervenfieber“ mit seinen
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hämorrhagischen Flecken und der Benommenheit (griech.: typhòs), eine viel rätselhaftere, unheimliche Massen-Dauerseuche der
gemäßigten Zonen. Sie war tödlich besonders
mit steigendem Alter und nur relativ rares
Überstehen bewirkte eine volle Immunität.
Zu Anfang der 1920er-Jahre nach den Schrecken der Schützengräben und Heimathospitäler und der aus Amerika herübergekommenen Großen Spanischen Grippe war sie
noch ein Debattierfeld. Es waren Millionen
ungeschützt daran erkrankt und Hunderttausende gestorben, wie in Urzeiten. Die perikleische „Pest“ des Thukydides, die Seuchen
des Mittelalters und die ungeheuren Verluste der hin- und herwogenden Kriege der Neuzeit unter Soldaten und Zivilisten bis zum
Amerikanischen und Europäischen Bürgerkrieg blieben Menetekel der Medizinischen
Hilflosigkeit.
Diagnose und Serotherapie des Flecktyphus
Als Ludwik Fleck seine Dissertation bei dem
Flecktyphus-Experten Rudolf Weigl begann
und durch diesen liberalen Lehrer zu seinen
weiteren Forschungen angeregt wurde, war
weder der Infektionserreger, ob Protist oder
Bakterium, noch der Infektionsweg, ob direkt
oder durch Überträger, sicher erwiesen. Es
gab nur die Tatsache und eine Diagnose durch
die serologische Weil-Felix-Reaktion. Von ihr
war erkannt, dass sie auf das Antigen OX19
von Proteus-Enterobakterien anspricht. Aber
das Bakterium konnte nicht der Erreger sein,
denn dieser war nicht nach den Regeln der
Kunst zu züchten, sehr klein und einem Virus
ähnlicher, wie sie damals gerade in die Perspektive der Forschung kamen. Schließlich
erkannte man in einem Sondertyp sich nur
intrazellulär vermehrender Prokaryoten den
Erreger – einer den von Stanislaus von Prowazek (1975–1915; Jaenicke, J., Protist 152
Ludwik Fleck
(2001) 157–166) entdeckten Chlamydien nahe
verwandten Rickettsie. Diesem, der am Fleckfieber starb, zur ominösen Ehre heißt er
Rickettsia prowazekii. Er hat in seiner Zellwand ein Polysaccharid-Agglutinin, das mit
Proteus-OX19 identisch ist. Daher kam, wie
man heute weiß, die Verwirrung; damals aber
musste sie erst entwirrt werden. Der Erreger
kann sich nur im Darm der Kleiderlaus bei
Körpertemperatur vermehren und wird mit
deren Kot ausgeschieden, trocknet und wird
dann im Staub weitergegeben. Ohne Laus und
ohne Körperwärme gibt es kein Fleckfieber.
Vom erkaltenden Toten kriecht die Laus zwar
nicht weit, aber zum nächsten Infektionsopfer reicht es in den engen Verhältnissen von
Armeleutewohnungen und Gefangenenlagern
(wo sich Prowazek angesteckt hatte). Rudolf
Weigl arbeitete in Lemberg um 1930 eine
Schutzimpfung mit abgetöteten Erregern aus,
die durch Passage in Immunen moduliert
waren. Ludwik Fleck arbeitete, zum Teil mit
und bei Rudolf Weigl, an einem anderen Konzept, durch das er das im Fleckfieber-Harn
ausgeschiedene OX19-Antigen über Tierpassage nicht nur zu einem in der „ExanthinReaktion“ der Haut verwendbaren Diagnostikum für, sondern auch zu einem Impfserum
gegen Fleckfieber machen wollte. Das sah
aussichtsreich aus und führte zum Kontakt
mit der Lemberger Pharma-Firma Laokoon,
mit der auch der Biochemiker der Universität,
Jakob Parnas, zusammenarbeitete (BIOspektrum 6 (2008) 664–666).
Was hat es mit der „Leukergie“ auf
sich?
Ludwik Flecks wesentliches wissenschaftliches Interesse galt einem Problem, das mit
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dem Ganzheitskonzept von Kräfterichtungen
zusammenhängt: Er hatte beobachtet, dass
Leukozyten bei Stress- und Entzündungsreaktionen (Schwangerschaft, Blutungen, Infektionen) nicht statistisch, sondern geordnet
klumpen, indem offenbar bestimmte Affinitäten zwischen definierten Spezies bestehen und dabei auch biochemische und physiologische Eigentümlichkeiten segregiert werden. Eine Beobachtung, die man sich heute
mit genauerer Kenntnis von Zelloberflächen,
Signalketten und ihren spezifischen Wechselwirkungen durchaus molekular und nicht
gestaltlich erklären würde. Er versuchte diese „Leukergie“, in Zusammenarbeit mit Statistikern, als Netzwerk und Integral von Kräften im Sinne der Adsorptions-Kolloidchemie
zu klären, die seinerzeit die Vorstellung der
Biologen noch unangefochten beherrschte –
und heute grundlagenwissenschaftlich viel
zu sehr vernachlässigt wird.
Auf seine Ergebnisse gründete er einen
frühdiagnostischen „Fleck-Test“ für StressSituationen und eine Hoffnung auf krankheitsspezifische Phagozytosen. Beide haben
sich nicht durchgesetzt, seien es Selbstgenügsamkeit und monokularer Reduktionismus „westlicher“ Medizin, sei es auch nur
mangelnde Sprachbeherrschung anderer
Sprachen als der englischen. Ludwik Fleck
war kein analytischer „Reduktionist“, sondern ein synthetischer Interaktivist und Netzwerker, wie sie heute in Zeiten der CompartOmics und Symbiotik stärker gefragt sind;
eine Richtung, die in russischer Gedankentradition jeher stärker gepflegt wurde.
Das „Gestalt“-Kollektiv der Johannes
Casimira Lembergensis und die
Syphilis
Die Wirkung der wechselseitigen Einflüsse
auf das Gedankengut und Tatverhalten in
einer Vergesellschaftung prägte die Überlegungen des Mediziner-Philosophen und richtete sie in die Soziologie der Wissenschaftsgeschichte. Er suchte die Zusammenarbeit,
doch scheute nicht die Reibung in Philosophie und Fach mit seinen Monopol-logischen
Lemberger Kollegen an der kleinen, aber in
den Disziplinen eng kollegial vernetzten Jan
Kasimierz-Universität der polnischen Diaspora. Er betonte, dass gerade die von ihm
vertretene Medizin keine „Normen“ kennt,
sondern nur von der Norm abweichende „Fälle“. Die Norm ist statistisch, nicht statisch.
Deshalb wird eine Tatsache nicht allmächtig
definiert, sondern ergibt sich aus der Übereinkunft der beteiligten Beobachter, abhän-
gig von deren Denkstil, Vorgeschichte und
Voreingenommenheiten (Prägungen), veränderlich, je nachdem – in der Medizin wie in
den Naturwissenschaften. Wahrheit und Wissen sind alles andere als deckungsgleich,
nicht absolut, sondern relativ zum Erkennensvorgang. Es ist eine stete Folge von Abtasten und dadurch verursachtem Umformen
eines (Denk-)Gegenstands. Eine nachvollziehbare und realistische, wenn auch unsichere interaktive Grundlage. Das wird in seinem Opus magnum am eigenen bakterio-serologischen Forschungsthema, der Syphilis und
der diese immunologisch diagnostizierenden
überaus voraussetzungskomplexen Wassermann(Komplementbindungs)-Reaktion aus
der Medizingeschichte, sowie der „Gestalt“
aus der Psychologie, Betrachtungs- und Kunstgeschichte (Wolfgang Köhler, 1887–1967;
Ernst H. Gombrich, 1901–2001) exemplifiziert, und es gehen auch die Vorgaben der
Verhaltensbetrachtungen Uexküll’scher Schule (J. Jakob von Uexküll, 1864–1940; Urbilder,
Sinnbilder, Suchbilder) in sie ein. Diskussion
verstärkt und verfestigt rückkoppelnd die
Denkgebilde des Kollektivs, wobei für Erlernung und Training des Hand- und Hirnwerks
der Wechselwirk-Gemeinschaft selbstverständlich auf das (berufene) Netzwerk der
Lehrer/Schüler-Tradition nicht verzichtet werden kann – womit wir bei den in der Bremsspur der Zeit erstarrenden „Paradigmen“
angelangt sind. Das alles macht Ludwik
Flecks Diskussion außerordentlich aktuell
und nicht nur historisch anregend.
Ludwik Flecks fast unglaubliches
Leben
Ludwik Fleck wurde am 11. Juli 1896 in Lemberg geboren, also als Galizien noch kaiserlich-königliches Kronland war. Man erkannte es bis in die kurzvergangenen Wendezeiten
am immer erdfarbener werdenden Ocker der
öffentlichen Gebäude mit den ex-weißen Fenstersimsen, so auch der polnisch/deutschsprachigen (Jan Kazimierz-) Universität, die
enge Kontakte zum Wiener Universitätsleben
pflegte. Die dritte und vierte Sprache waren
Ruthenisch (Ukrainisch) und Jiddisch. Vater
Maurycy Fleck hatte ein Anstreichergeschäft
und gehörte zum gehobeneren jüdischen
Mittelstand, der sich großteils dem Polnischen
affin fühlte. Daher wurde der Sohn auf das
polnische Gymnasium geschickt, wo er 1914
die Matura machte. Das gerade begonnene
Medizinstudium musste er unterbrechen, weil
er zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Nach
der Wiedergründung Polens als Republik war
Ostpolen der Curzon-Zone zunächst Kampfgebiet verschiedener beanspruchender Parteiungen, bis sich Marschall Pilsudski mit
französischer Hilfe durchsetzen konnte. Galizien kam seitdem nie zu stabilisierender Ruhe
zwischen den Nationalitäten, als welche auch
die Juden gezählt wurden, unabhängig von
ihrer Loyalität. Aber die Kultur blühte relativ in dieser Reibungswärme.
So konnte Ludwik Fleck erst 1920 bei dem
im nahe gelegenen Przemysl arbeitenden
Flecktyphus-Spezialisten Rudolf Weigl promovieren. Als dieser 1921 nach Lwów berufen wurde, übertrug er seinem forschungsbegabten Schüler eine Assistentenstelle und
polte ihn dadurch gleichzeitig zum Bakteriologen und Serologen. (Er heiratete die Kollegin Ernestine Waldmann; der Sohn Ryszard (Aryeh) lebt heute in Israel.) Allerdings
konnte er nur zwei Jahre am Institut bleiben
und kam seitdem nie wieder in eine Universitätsposition. Stattdessen übernahm er
1923 das Untersuchungslabor des Allgemeinen Krankenhauses und gründete gleichzeitig ein privates Untersuchungsinstitut.
Ab 1925 war er der Bakteriologe der venerologisch/dermatologischen Abteilung des
Krankenhauses, wo er es vor allem mit
Syphilis-, Tuberkulose- und Lupusfällen zu
tun hatte. Das spiegelt sich erkennbar in den
Beispielen seiner späteren Wissenschaftssoziologie. Für diese interessierte er sich
schon sehr früh und bildete sich darin durch
Lektüre und Diskussionen im Lwówer Naturhistorischen Verein, im Fach der Serotherapie durch einen Studienaufenthalt in Wien,
1927/1928. Zurückgekehrt, wurde er Leiter
des Hygienelabors der Lwówer Krankenkasse, allerdings auch nur bis 1935. Von da
an arbeitete er nur noch in seinem Privatinstitut.
Ludwik Fleck saß zwischen mehreren Stühlen: als Jude unter Antisemiten, als Nicht-Kliniker unter Klinikern, als Forscher unter Geldmachern, als zugleich des Polnischen und des
Deutschen mächtiger, unsicherer Kantonist;
überall ein Illoyaler im Ideen-Kollektiv.
Neben den Routinearbeiten im Fach betrieb
Ludwik Fleck eigene Forschung über die Serodiagnose und Serotherapie von Fleckfieber
und die von ihm entdeckte „Leukergie“, die
auf Stress-Situationen des Körpers hinwies.
Darüber veröffentlichte er fleißig, besonders
in den renommiertesten deutschen Fachzeitschriften, aber, da sie nicht aus einem anerkannten „Zentrum der Medizin-Wissenschaft“, sondern aus der „Provinz“ stammten, blieben seine nicht ins „digitale“ ScheBIOspektrum | 07.08 | 14. Jahrgang
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ma passenden Ergebnisse ohne starke Resonanz – bis heute.
Er schloss aus seinen Studien, dass Krankheiten keine „wirklichen“ Wesenheiten sind,
sondern fiktive Abbilder, die sich Mediziner
machen, um eine wissenschaftliche Methode
zu ihrer Heilung zu entwickeln. Ein Arzt
kuriert also den Patienten aufgrund von fiktiven Fakten! Er trieb die Ketzerei so weit,
auch zu argumentieren, dass die eine Infektion verursachenden Bakterien (also sein eigenes Substrat!) weitgehend Kunst-Konstrukte
seien, die sich mit den Milieubedingungen
ändern, weshalb er die damals übliche Klassifizierung in Zweifel zog. Daraus folgte die in
seinem Buch gestellte, damals (ungehört)
erregende Frage, ob Wissenschaft es nur mit
Fakten (der Wiener Logik) zu tun hat oder
sich auch der Sozialkritik zu stellen habe. Die
Wiener als Physiker hatten es mit dieser
(nicht Einstein’schen) Relativierung schwerer, denn Mediziner wie Juristen gehen vom
jeweiligen „Fall“ aus und formen ihn nach
dem menschlichen Gesetz, das nie absolut
sein kann – jeder Fall ist etwas Besonderes;
Auslegung (und Urteil) offen.
1940 besetzte die Sowjetunion nach dem
Hitler/Stalin-Teilungsplan Lwów, das zu Lwiw
wurde, und säuberte es von ihren potenziellen Gegnern. Zu denen gehörten die Wissenschaftler nicht; im Gegenteil, es wurde eine
Ukrainische Akademie der Wissenschaften
gegründet, zu der auch Ludwik Fleck (und
Jakob Parnas, s. o.) gewählt wurde. Er konnte seine Forschungen und Überlegungen
weiterführen.
1941, kurz nach Beginn von „Barbarossa“,
wurde (nun wieder) Lemberg von den Deutschen besetzt, die sofort ihr antisemitischantipolnisches Schreckensregiment einführten. Ludwik Fleck und seine Familie wurden,
wie die über 100.000 Juden insgesamt, in das
Ghetto gepfercht. Natürlich brach unter diesen
unhygienischen Verhältnissen binnen kurzer
Zeit Flecktyphus aus. Ludwik Fleck war auf
dem Posten und konnte mit seiner Vaccine
aus Patientenharn Erfolge verbuchen. Aber
die nötigen Harnmengen waren nicht zu
beschaffen. Er nutzte seinen Kontakt zu der
inzwischen von den Deutschen enteigneten
(ehemals jüdischen) Pharmafabrik Laokoon
mit dem Angebot, ihr sein Patent zu übertragen, wenn er es mit seiner Mannschaft zur
Vaccine-Herstellung benutzen könne. Die dem
Flecktyphus bei den Truppen gegenüber
höchst besorgte Gegenseite ging darauf ein.
Unter SS-Aufsicht wurde nun für die Deutschen das Serum produziert. Die Flecks mit
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einem Dutzend Mitarbeitern (und einige hundert Patienten) wurden für diese Arbeit kaserniert, später nach Auschwitz, Block 10,
schließlich nach Buchenwald in die SS-Quarantänestation transportiert, und mit Utensilien versorgt, um weiter zu arbeiten und zu
produzieren. Es gibt fast Anekdotisches: Fleck
redete den Oberen ein, dass nur Serum aus
Arierurin bei Ariern (die meist keinen Flecktyphus hatten) wirksam ist, benutzte aber
den antigenhaltigen von Kranken zur Rettung
Gefangener und rettete Mitarbeiter (einer von
diesen war Eugen Kogon, der spätere Autor
von Der SS-Staat) durch seine eindrucksvolle
Überredungslist. Es ist schwer, sich das alles
vorzustellen, soll aber bezeugt und im Jerusalemer Yad Waschem dokumentiert sein.
Jedenfalls überlebten die Flecks auch
Buchenwald und trafen sich 1945 im Sammelpunkt Lublin im befreiten Polen. Der Sohn
ging sofort nach Israel. Die Eltern hofften auf
ein Wiederanknüpfen im Heimatland.
Zunächst wurde Ludwik Fleck tatsächlich Professor für Mikrobiologie an der Universität
Wrocl⁄ aw, Mitglied der Polnischen Akademie
der Wissenschaften und Direktor des Polnischen Instituts für Mutter und Kind. Er litt
unter der Vergangenheit und der Gegenwart,
wie viele Überlebende, arbeitete unter diesem Handicap immer melancholischer, wurde auch krank und entschloss sich 1959, nach
den neupolnischen Pogromen, zur Auswanderung mit seiner Frau zum Sohn in Israel,
wo man ihm eine Gastprofessur für Serologie/Immunologie an der Jerusalemer Hebrew
University angeboten hatte. Auch das war keine gute Lösung. Er war sprach- und kontaktlos, krank und starb am 5. Juni 1961 bei seinem kinderlosen Sohn in Ness-Ziona.
Zu hoffen, dass Ludwik Flecks posthumer
Impaktfaktor höher ist als zu Lebzeiten. ó
(Vergleiche auch die sehr positive Würdigung
von Flecks wissenschaftstheoretischen Ideen
im Buch von Cremer, T. (1985): Von der Zellenlehre zur Chromosomentheorie. Springer
Verlag, Heidelberg.)
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Lothar Jaenicke
Institut für Biochemie
Universität zu Köln
Zülpicher Straße 47
D-50674 Köln
Tel.: 0221-4706425
Fax: 0221-4706431
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