Hessischer Rundfunk Hörfunk – Bildungsprogramm Redaktion: Dr. Regina Oehler WISSENSWERT Fleck weg Chemie beim Waschen Von Christian Remenyi Sendung: 10.05.2007, 8:30 bis 8:45 Uhr, hr2 07-034 COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/ der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks. Fleck weg 1 O-Ton 1 Wagner: Jeder von uns weiß eigentlich, wie der Fleck auf das Gewebe kommt. Eine klassische Quelle dafür ist die Küche, das Essen, die Ernährung, kleckern im Restaurant. Und das Trinken – Rotwein – der Fleck ist schnell produziert, aber häufig schwer beseitigt. Sprecher: ...erzählt Günter Wagner. Seit über 20 Jahren beschäftigt sich der Kasseler Chemiker und Lehrer mit Waschmitteln und mit den vielen Möglichkeiten, Schmutz zu entfernen. Mehrere Bücher hat er zu diesem Thema geschrieben. Denn Waschmittel gehören zu den wichtigsten Alltagsprodukten – etwa 1,2 Milliarden Euro haben die Deutschen im Jahr 2006 für Waschmittel ausgegeben. Für die meisten Menschen sind Flecken allerdings nicht von wissenschaftlichem Interesse, sondern einfach nur lästig – wer einen Fleck hat, trachtet danach, ihn so schnell als möglich wieder loszuwerden. Aber um Flecken erfolgreich zu entfernen, hilft es durchaus, zu wissen, was das eigentlich ist: ein Fleck. O-Ton 2 Wagner: Die meisten Flecken, die uns sichtbar erscheinen, bestehen aus kohlenstoffhaltigen Verbindungen, sind also organisch-chemischer Art. Dazu zählt Fett, Eiweiß, Stärke und anderes – dazu zählt aber auch sehr stark Buntes: Schokolade, Farbstoffe, Lippenstift und Ähnliches. Sprecher: Es gibt allerdings Tausende Varianten solcher organisch-chemischer Verbindungen. Und damit noch nicht genug: Die chemische Struktur des Flecks verändert sich auch noch mit der Zeit. O-Ton 3 Wagner: Diese Kohlenstoff-Verbindungen reagieren an der Luft und verändern sich – sie altern, und werden in der Regel praktisch so Fleck weg 2 verändert, dass sie miteinander vernetzen und zu einem immer größerem Molekül zusammen wachsen. Und solche Alterungserscheinungen laufen bevorzugt ab mit Eiweißen, mit Stärkeverbindungen, also mit Kohlehydraten und mit Fetten. Dazu kommt, dass der Schmutz im Verlaufe seines Lebens (lacht) – was möglichst kurz sein sollte – immer tiefer in das Gewebe eindringt und eine immer größere Haftung mit dem Gewebe eingeht. Sprecher: Wie aber werden wird die Flecken wieder los? Letztendlich lassen sich alle Bemühungen doch auf relativ wenige chemische Grundprinzipien zurückführen: Das Lösen, das Bleichen und die Behandlung mit Enzymen. Die einfachste und naheliegendste Möglichkeit ist es zu versuchen, den Fleck einfach aus dem Gewebe zu lösen. Günter Degenhart ist Geschäftsführer des Reinigungsunternehmens Röver Systems Textilpflege. In der Waschzentrale erklärt er, worauf es beim Lösen von Flecken ankommt: O-Ton 4 Degenhardt: Ein wichtiger Grundsatz ist: „Gleiches löst sich mit gleichem“. Das heißt alles was mit Wasser in das Gewebe hineingelangt ist, geht auch mit Wasser wieder hinaus. Und alles was trocken hineindringt, sprich Öle, Fette, Talge das geht auch nur durch die so genannte Trockenreinigung wieder hinaus – ganz wichtiger Grundsatz. Sprecher: Das Wort „Trockenreinigung“ ist allerdings etwas irreführend. Denn trocken ist die Reinigung nicht – statt Wasser wird ein anderes ebenfalls flüssiges Lösungsmittel verwendet. Und zwar ein organisches Lösungsmittel. In Textilreinigungen wird dafür heutzutage ein Stoff mit dem Namen KWL eingesetzt – die Abkürzung KWL steht für Kohlenwasserstoff-Lösemittel. Das KWL besteht aus relativ einfach gebauten Molekülen, aus Ketten von rund zehn Fleck weg 3 Kohlenwasserstoff-Einheiten. Ähnliche Kohlenwasserstoffmoleküle sind übrigens auch im Benzin vorhanden, dort sind allerdings die Ketten etwas kürzer. Im Haushalt werden Flecken meistens mit dem Lösungsmittel Wasser behandelt. Es kann alle wasserlöslichen Stoffe aus dem Gewebe herauswaschen. Aber was ist mit wasserunlöslichem Schmutz oder mit hartnäckigen Flecken, die sich bereits fest mit dem Gewebe verbunden haben? Für solche Verschmutzungen benötigt man ein Waschmittel. Günter Wagner: O-Ton 5 Wagner: Wir haben in einem durchschnittlichen Waschmittel heute etwa 20 Substanzen, aber wenn Sie genau hingucken, dann sind da auch Stoffgemische drin. ... Aber in Wirklichkeit sind es doch relativ wenige Funktionsbausteine, die ein modernes Waschmittel ausmachen. Das interessante ist, dass die sich seit 100 Jahren überhaupt nicht verändert haben. Wir finden heute noch als Arbeitstiere eines jeden Waschmittels die Tenside. Sprecher: ... Tenside sind dafür zuständig, auch fettartigen Schmutz abzulösen. Sie haben zwei Besonderheiten. Sie sorgen dafür, dass das Wasser die Textilfaser besser benetzt, also an den Schmutz herankommen kann. Und Tenside wirken als Emulgatoren. Sie können wasserunlösliche Stoffe wie z.B. Fett „emulgieren“. Denn Tenside ordnen sich im Wasser als kleine Tröpfchen an. Und im Inneren dieser Tröpfchen können die Tenside die Schmutzpartikel in Lösung halten. O-Ton 6 Wagner: Ein weiterer extrem wichtiger Bestandteil sind die Enthärter. Ohne Enthärterbaustein kann ein modernes Waschmittel nicht waschen. Im Gegenteil es würde Rückstände von Kalk auf dem Gewebe geben Fleck weg 4 und letztendlich würden sie das Gewebe dadurch auf Dauer zerstören. Der Enthärter ist, wenn man es von der Menge her sieht, der weitaus größte Anteil an einem Waschmittel. Er macht über ein Drittel des Waschmittelpaketes aus. Sprecher: Enthärter tragen aber eher indirekt zur Fleckentfernung bei. Im Wasser sind nämlich Calcium und Magnesium-Ionen gelöst. Diese Stoffe stören die Waschwirkung, Enthärter machen sie unschädlich. Außerdem verhindern sie Kalkablagerungen, die sonst beim heißen Waschen entstehen würden. Der wohl wichtigste Bestandteil eines modernen Waschmittels sind die Enzyme, natürliche Verbindungen, die chemische Reaktionen beschleunigen oder überhaupt erst ermöglichen können. Enzyme im Waschmittel spalten die Schmutzpartikel auf und lösen sie dadurch vom Textilgewebe ab. O-Ton 7 Wagner: Ein modernes Waschmittel ohne Enzyme wäre nicht vorstellbar und Sie würden erschrecken, wie wenig wirksam das Waschmittel dann wäre. Weil nämlich Eiweißflecken, die sie eigentlich immer auf dem Gewebe finden, die können sie überhaupt nicht vermeiden und stärkehaltige Verschmutzungen, die sehr stark zum Vernetzen und Verklumpen neigen, diese beiden Problemkandidaten –Proteine und Stärke – würden sie ohne Enzyme überhaupt nicht beseitigen können. Sprecher: Vier Klassen von Enzymen leisten in Waschmitteln ihre Dienste: Das wohl wichtigste von ihnen ist die Amylase – sie spaltet stärkehaltigen Schmutz. Die Protease spaltet Eiweiße und sollte deshalb natürlich nicht für Wolle eingesetzt werden – Wolle ist schließlich eine Proteinfaser. Deshalb enthalten Wollwaschmittel keine Enzyme. Die Lipase zerkleinert Lipide, dazu gehören Fette und Wachse. Fleck weg 5 Paradox erscheint die vierte Klasse von Enzymen, die Waschmitteln zugesetzt werden: die Cellulase. Denn die Cellulase spaltet Cellulose, also die chemische Verbindung, aus der die meisten Kleidungsstücke bestehen. Doch das ist nur scheinbar ein Widerspruch: Die Aufgabe der Cellulase ist es nämlich, die CelluloseFasern nur leicht „anzuknabbern“ – also nur oberflächlich anzugreifen. Das hat den Effekt, dass die Farbe von angegrauten Kleidungsstücken wieder aufgefrischt wird. Das Besondere an all diesen Enzymen ist, dass sie bereits in ganz geringen Mengen wirken und während des Waschens nicht verbraucht werden – typisch für einen Katalysator. Deshalb besteht weniger als ein Prozent des gesamten Waschmittelinhalts aus Enzymen. O-Ton 8 Wagner: Die Enzyme haben eine erstaunlich lange Geschichte in Waschmitteln. Schon 1913 sind Enzyme in Waschmitteln eingesetzt worden. Es zeigte sich aber, dass unter den Bedingungen des Waschens – hoher pH-Wert, Wärme – die Enzyme voll ihre Arbeit einstellen. Das heißt: das ist damals eine ganz spannende Idee gewesen, dass Enzyme die Waschwirkung verbessern. Es ist aber nicht gelungen, es zu realisieren unter Waschbedingungen. Das hat sich geändert mit der modernen Biotechnologie. <Stimme oben!> Sprecher: Seit den 60er-Jahren lassen sich waschstabile Enzyme gewinnen – produziert werden sie von speziell gezüchteten Bakterienstämmen. Und seit Anfang der 90er-Jahre werden solche Bakterienstämme gentechnisch verändert, damit die Bakterien noch effektivere Enzyme herstellen können. Diese Enzyme sind dann maßgeschneidert für ihre spezielle Aufgabe im Waschmittel. Fleck weg 6 Die Enzyme selbst sind übrigens Proteine, die aus 200-300 Aminosäuren bestehen. Und wie alle Proteine werden sie über kurz oder lang abgebaut – egal ob sie natürlichen oder künstlichen Ursprungs sind. Die Enzyme sind die Arbeitspferde eines modernen Waschmittels. Weil sie so wirksam sind, konnte die Menge an benötigten Waschmittel in den letzten Jahren stetig gesenkt werden. Doch wenn auch die Enzyme nicht weiterkommen, hilft oftmals nur noch eines: das Bleichen. O-Ton 9 Wagner: Es gibt aber sogenannte Problemflecken, die sind hartnäckig. Dazu zählen zum Beispiel Farbstoffe, Rotwein, Lippenstift und ähnliches. Diese Farbstoffe lassen sich häufig nur beseitigen durch ein zusätzliches Bleichmittel. Diese Bleichmittel sind im Moment auch sehr stark in den Supermärkten zu finden. Bleichbooster werden sie genannt, Fleckensalze, auch flüssige Fleckentferner, die im Prinzip immer auf dem gleichen chemischen Grundlage beruhen, das ist Wasserstoffperoxid oder andere peroxidhaltige Verbindungen. Sprecher: Peroxide sind sehr reaktionsfreudige Sauerstoffverbindungen, die während des Waschens den chemischen Aufbau des farbigen Schmutzes zerstören. Das Schmutzmolekül wird aufgebrochen, dadurch immer kleiner und schließlich wasserlöslich. Im Prinzip erledigen Peroxide auf die harte Tour, was die Enzyme sanft und schonend leisten. Die handelsüblichen Fleckensalze bestehen zu einem großen Teil aus Bleichmitteln. Ein weitere Möglichkeit um Flecken anzulösen, sind Säuren oder Lauge. Ein typisches Hausmittel ist zum Beispiel die Zitronensäure, die Rostflecken entfernt, indem sie den Rost wasserlöslich macht. Fleck weg 7 O-Ton 10 Wagner: Häufig führt die Säure dazu – das kann sein Zitronensäure – das kann auch eine andere Säure sein, zum Beispiel der schwach saure Wein! Essigsäure – Essig ist ja auch ein bekanntes Haushaltsmittel. Es ist immer das gleiche Prinzip – die Säure löst den Schmutz auf, löst ihn an, oder verhindert eine Faserhaftung. Sprecher: Flecken können aber nicht nur auf Textilien sitzen. Alte Bücher und Karten sind oft übersät mit Flecken: mit Tintenklecksen, Lebensmittelresten, Stockflecken oder Wachsflecken von heruntergetropftem Lampenöl. Anna Haberditzel ist Konservatorin am Ludwigsburger Institut für Erhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut. Sie berichtet, wie man solche Flecken entfernen kann, denn Bücher kann man ja nicht waschen, oder etwa doch? O-Ton 11 Haberditzl: Selbstverständlich können sie Bücher waschen. Also natürlich nicht im Ganzen. Aber wir in unserer Restaurierungswerkstatt waschen sehr viel Papier und zwar richtig im Bad. Sofern das Papier durch einfache Nassbehandlung nicht sauber wird, kann man dann andere Methoden anwenden, andere Substanzen, vor allem eben organische Lösungsmittel, die dann solche Substanzen lösen, die mit Wasser allein nicht rausgehen. Sprecher: Restauratoren haben es mit besonders empfindlichen Gegenständen zu tun – mit wertvollen Bücher und manchmal jahrhundertealten Dokumenten. Dementsprechend vorsichtig müssen die Restauratoren sein, wenn sie Flecken entfernen wollen. O-Ton 12 Haberditzl: In der Restaurierung hat man auch Hilfsmittel wie zum Beispiel einen Saugtisch. Man legt das Papier auf eine Platte an die man einen Unterdruck anlegen kann und zwar lokal. Das hat den Vorteil, dass dieses Lösungsmittel sich nicht in dem Papier noch Fleck weg 8 ausbreiten kann und eventuell Ränder entstehen. Einfacher ist es dann mit organischen Lösungsmitteln. Dort muss man eher dafür sorgen, dass die überhaupt Zeit haben einzuwirken. Man benutzt also sehr, sehr poröse Pulver mit sehr hoher Oberfläche, Adsorbentien. Die verrührt man dann mit dem Lösungsmittel zu so einer Art Paste und die trägt man dann auf den Fleck auf, und dann kann sich das sozusagen voll saugen. Und dann nimmt man die Paste ab und im günstigen Fall ist es so, dass praktisch der Fleck dann mit der Paste aufgesogen wird. Sprecher: Adsorption ist auch das Grundprinzip für die Entfernung eines echten Fleckenklassikers: Rotwein. Der klassische Tipp, Salz auf den Rotweinfleck zu geben, hat folgenden Hintergrund: Der Rotwein wird von dem Salz aufgesogen und so vom Gewebe entfernt. Salz eignet sich deshalb so gut, weil es ein körniges und poröses Material ist und dadurch eine große Oberfläche hat. Aber auch bei Rotweinflecken gilt: Schnell aktiv werden. Wartet man zu lange, so bilden sich aus den Farbstoffen des Rotweins und Sauerstoff Oxidationsprodukte, die sich fest an das Textilgewebe binden. Und dann hilft wohl nur noch ein Bleichmittel.