Welt der Wissenschaft: Gamma-Astronomie 100 Jahre kosmische Strahlung Am 7. August 1912 fand der österreichische Physiker Victor Hess bei Ballonfahrten heraus, dass die Ionisierung der Atmosphäre in größeren Höhen deutlich zunimmt. Damit läutete er den Beginn der Astroteilchenphysik und der Gammaastronomie ein. Heutzutage sind die Wissenschaftler mit modernen Teleskopen wie etwa H.E.S.S. dem Ursprung der hochenergetischen Strahlung aus dem All auf der Spur. Von Bernold Feuerstein und Konrad Bernlöhr In Kürze ó Die hochenergetische Strahlung, die Victor F. Hess bei seinen Messungen vom Ballon aus ent- O b Victor Franz Hess vor 100 für die Entladung sei. Er fand, dass sich die Jahren wohl ahnte, welch Entladung eines Elektroskops mit abneh- neues Fenster zum All er mit mendem Druck verlang­samt und schließ- seiner Entdeckung der kos- lich bei einem Millionstel des atmosphä- mischen Strahlung da aufstieß? – Doch rischen Drucks vernach­lässig­bar wird. wie jeder bahnbrechenden Erkenntnis Schließlich wurden Ende des 19. Jahr- deckte, stammt aus den Tiefen des gingen auch dieser wichtige wissenschaft- hunderts eine ganze Reihe großer Entde- Kosmos. liche Fortschritte voraus. So stammt etwa ckungen gemacht, welche zum Verständ- ó Sie besteht sowohl aus geladenen die wohl früheste Beschreibung einer der nis der Ionisation von Luft beitrugen. So Teilchen als auch aus Gamma- Wirkungen der kosmischen Strahlung von entdeckte etwa Wilhelm Conrad Röntgen strahlung. keinem Geringeren als Charles Augustin 1895 die »X-Strahlung«, im darauf fol- de Coulomb: Bei seinen Experimenten zu genden Jahr Antoine Henri Becquerel Strahlung kommen Objekte wie den Kräften zwischen elektrisch gela- die Radio­aktivität und 1897 Joseph John Supernova-Überreste, Neutronen- denen Körpern im Jahr 1785 fand er he- Thomson das Elektron. Im Jahr 1898 sterne oder Kerne aktiver Galaxien raus, dass sich die verwendeten Metallku- gelang Marie und Pierre Curie die Ent- in Frage. geln auch bei bestmöglicher Isolierung an deckung neuer radioaktiver Elemente, Luft langsam entluden. Freilich dachte er und im Jahr 1900 schließlich fand Paul dabei nicht an einen kosmischen Ur- Ulrich Villard die von Ernest Rutherford sprung dieses Effekts. Auch warteten Io- später als Gammastrahlung bezeichnete, nen wie Elektronen, die, wie wir heute neutrale und am tiefsten durchdrin- wissen, in der Luft zur Entladung beitra- gende dritte Komponente radioaktiver gen, noch auf ihre Entdeckung. Strahlung. Die elektromagnetische Natur ó Als Quelle der kosmischen 46 Oktober 2012 Den Effekt der Entladung an Luft konn- dieser Strahlung wurde allerdings erst te der britische Experimentalphysiker 1914 durch Ernest Rutherford und seinen Michael Faraday 1835 bei Experimenten Kollegen Edward Andrade anhand von mit verbesserter Isolation bestätigen. Und Beugung an Kristallen identifiziert. im Jahr 1879 schloss dessen Landsmann So setzte sich zu Beginn des 20. Jahr- William Crookes, seinerseits Chemiker hunderts die Überzeugung durch, dass und Physiker, aus Untersuchungen zur der Ursprung der Luftleitfähigkeit in der elektrischen Isolation im Hochvakuum, Radioaktivität aus der Erdkruste zu su- dass die ionisierte Luft selbst das Agens chen sei. Folglich müsste die Ionisierung Sterne und Weltraum 100 Jahre nach der Entdeckung der kosmischen Strahlung mit einfachen Mitteln stehen moderne Instrumente wie das H.E.S.S.-Teleskop (High Energy Stereoscopic System) in Namibia zur Verfügung, um ihre Entstehungsmechanismen aufzuklären. H.E.S.S. Collaboration der Luft mit zunehmendem Abstand vom nur auf eine Absorption in den darüber- Erdboden auf Grund der Absorption der liegenden Wasserschichten zurückgeführt Strahlung abnehmen. Auch zeigten etwa werden konnte. Damit war ein weiteres Messungen über der Oberfläche tiefer und starkes Indiz für den nicht-terrestrischen ausgedehnter Gewässer eine Abnahme Ursprung der Strahlung gewonnen. lich schwächer als erwartet aus. Unbekannter »Ionisator« Das Problem der zu geringen Abnahme der Ionisation mit der Höhe fand zu dieser Zeit die Aufmerksamkeit von Victor Franz Hess, erster Assistent am neuen Wiener Dasselbe Bild ergab sich bei ersten höhen- Institut für Radiumforschung. Wie er auf abhängigen Messungen: Der Jesuit Theo- der 83. Naturforscherversammlung in dor Wulf setzte 1910 auf dem Eiffelturm Karlsruhe erläuterte, blieben noch zwei einen von ihm konstruierten, verbes- Möglichkeiten, um den unerwarteten Be- serten Apparat ein, eine Kombination aus fund zu erklären: Entweder sei ein »noch Ionisationskammer und Zweifadenelek- unbekannter Ionisator in der Atmosphäre trometer. Aus den Ergebnissen schloss er: wirksam« oder es könne »die Absorption »Die bisher gemachten Versuche verlan- von Gammastrahlen in Luft vielleicht gen daher außer der Erdrinde noch eine viel langsamer erfolgen als bisher ange- andere Quelle für die Gammastrahlung in nommen wurde«. Um Letzteres näher den höheren Luftschichten oder eine we- zu untersuchen, vermaß er zunächst den sentlich schwächere Absorption durch die Absorptionskoeffizienten Luft, als bisher angenommen.« Parallel Gammastrahlung in Luft. Seine Ergeb- dazu unternahm der Schweizer Physiker nisse bestätigten die bisherigen Resultate. Albert Gockel zwischen 1909 und 1911 die 500 Meter über dem Grund sollten dem- ersten Ballon­aufstiege. nach Gammastrahlen aus der Erdkruste Ein weiteres Schlüsselexperiment, das für Radium- weit gehend absorbiert sein. Archiv Victor-F.-Hess-Gesellschaft der Entladungsrate. Jedoch fiel diese deut- Bei einer Reihe von Ballonfahrten entdeckte Victor F. Hess – hier in der Ballon- später leider nur noch wenig Beachtung Nachdem also eine schwächere Absorp­ fand, gelang Domenico Pacini im Sommer tion von terrestrischer Gammastrahlung gondel –, dass von außen eine ionisierende 1911. Bei einer Messung in drei Meter Was- als Grund für die beobachtete Ionisierung Strahlung in die Erdatmosphäre eindringt. sertiefe fand er eine signifikante Abschwä- in der Atmosphäre praktisch ausgeschlos- Die abschließende Fahrt zu den Messungen chung der Strahlung um 20 Prozent, die sen werden konnte, unternahm Victor unternahm er am 7. August 1912. www.sterne-und-weltraum.de Oktober 2012 47 10000 lung«, während Hess den Namen »Ultra- 9000 Gammastrahlung« bevorzugte. Letzteres 8000 meinen Überzeugung, es handele sich um entsprach auch mehr der bis dahin allgeäußerst durchdringende Gammastrahlung. 6000 Gammastrahlen oder Partikel 5000 Der holländische Naturforscher Jacob Clay V. Hess: 4000 1912 3000 W. Kolhörster: 1913 beobachtete aber auf Fahrten zwischen Java und den Niederlanden anhand einer mitgeführten Ionisationskammer einen neuen Effekt, nämlich eine signifikante 1914 2000 MPIK / SuW-Grafik Höhe in Metern 7000 1000 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Relative Ionisierung Änderung der Höhenstrahlung mit der geografischen Breite. Führt man dies auf einen Einfluss des Erdmagnetfelds zurück, so muss zumindest ein gewisser Anteil der Strahlung aus geladenen Teilchen bestehen, die praktisch isotrop aus allen Richtungen auf die Erde treffen. Die Messergebnisse von Victor F. Hess aus dem Jahr 1912 und von Werner In den darauf folgenden Jahren ging Kohlhörster in den Jahren 1913 und 1914 zeigen eindrücklich, dass die Kolhörster zusammen mit Walther Bothe Ionisierung der Atmosphäre aufsteigend vom Erdboden zunächst leicht ab-, dem »Wesen der Höhenstrahlung« (Titel in größeren Höhen jedoch wieder deutlich zunimmt. ihrer Publikation 1929) mit einer neuartigen Messmethode nach: Das inzwischen von Hans Geiger und Walther Müller Hess 1912 zielgerichtet sieben Ballon- Atmosphäre eindringt und auch noch in erfundene Zählrohr, das den Nachweis fahrten, um die Aufladung der Luft in deren untersten Schichten einen Teil der einzelner Ionisationsereignisse erlaubte, Abhängigkeit von der atmosphärischen in geschlossenen Gefäßen beobachteten wurde durch die von Bothe eingeführte Höhe zu untersuchen. Die abschließende Ionisation hervorruft. […] Da ich im Ballon Technik der Koinzidenzmessung ergänzt. Hochfahrt am 7. August 1912 sollte den weder bei Nacht noch bei einer Sonnenfin- Von der Gammastrahlung war bekannt, Durchbruch bringen (siehe Bild S. 47). Zur sternis eine Verringerung der Strahlung dass sie beim Durchgang durch Materie besseren Kontrolle von systematischen fand, so kann man wohl kaum die Sonne relativ energiearme, geladene Sekundär- Fehlern nahm Hess auf dieser Mission als Ursache dieser hypothetischen Strah- teilchen (Korpuskeln) erzeugt, die sich in drei Wulfsche Strahlungsapparate mit. lung ansehen, wenigstens solange man Zählrohren nachweisen lassen. In zwei nur an eine direkte Gammastrahlung mit übereinander angeordneten Zählrohren geradliniger Fortpflanzung denkt.« sollten demnach Sekundärteilchen, die Auf der sechsstündigen Fahrt der dreiköpfigen Besatzung von Aussig in Böhmen nach Pieskow in Brandenburg Die Ergebnisse dieser Pionierfahrt bei ein und demselben Ereignis erzeugt erreichten die Wissenschaftler eine Höhe konnte der Physiker Werner Kolhörster wurden, unmittelbar nacheinander be- von 5350 Metern. Trotz Sauerstoffin- 1913 und 1914 bei weiteren Ballonfahrten obachtbar sein. Bothe und Kolhörster halation misslang Hess schließlich die mit Wulf-Elektrometern brachten nun absorbierendes Material Ablesung des dritten Elektrometers, und eindrucksvoll bestätigen: Auf 9300 Meter zwischen die beiden Zählrohre, um zu er gab das Signal zum Abstieg. Doch die Höhe stellte er eine gegenüber dem Bo- überprüfen, ob die Teilchen tatsächlich Strapazen hatten sich gelohnt – war beim denwert sechsfach erhöhte Ionisation fest so niederenergetisch waren wie vermutet. Aufstieg bis in etwa 1000 Meter Höhe über (siehe Grafik oben). Auch gelang es ihm, Denn dann sollten sie in dem Material dem Erdboden eine leichte Abnahme der die Absorptionslänge der neuen Strah- abgefangen werden und in dem zweiten Ionisierung, die sich auf die Absorption lung zu 1300 Meter abzuschätzen – etwa unteren Zählrohr nicht mehr messbar von Strahlung terrestrischen Ursprungs eine Größenordnung über den bekannten sein. Entgegen ihrer Erwartung fanden die zurückführen ließ, zu bemerken, so war Werten von radioaktiven Gammaquellen. beiden Forscher aber praktisch keine Ab- bis 2000 Meter der Bodenwert wieder er- Damit erwies sich die von Kolhörster als nahme der Koinzidenzen, woraus sie auf reicht, um dann in 4000 Metern um die solche bezeichnete Höhenstrahlung als die korpuskulare Natur der Höhenstrah- Hälfte und in 5000 Meter Höhe schließlich äußerst durchdringend und zudem prak- lung schlossen. auf das Doppelte anzusteigen (siehe Gra- tisch konstant ohne größere Variationen In der Schlussbemerkung ihrer Arbeit fik oben). Hess schloss daraus folgerichtig: gegenüber Tagesgang oder Wetterverhält- gehen Bothe und Kolhörster auf den »Die Ergebnisse der vorliegenden Be­ nissen. möglichen Ursprung der kosmischen obachtungen scheinen am ehesten durch verbesserten Nach anfänglichen Zweifeln an der Strahlung ein: »Solange man nämlich die Annahme erklärt werden zu können, Exis­tenz etablierte an dem Gamma-Charakter der Höhen- dass eine Strahlung von sehr hoher Durch- Robert Andrews Millikan die bis heute strahlung festhielt, musste man fast dringungskraft von oben her in unsere übliche Bezeichnung »kosmische Strah- zwangsläufig 48 Oktober 2012 dieser Strahlung an Entstehungsprozesse Sterne und Weltraum von atomaren Ausmaßen denken. Eine Nobelpreis für Physik. Im gleichen Jahr mer noch über der zufälligen Rate lagen. Korpuskularstrahlung könnte dagegen gelang ihm der Nachweis des Myons. Er deutete dies als Hinweis darauf, dass ihre Energie in sehr schwachen, dafür aber ungeheuer ausgedehnten Parallel dazu hatte Hess 1931 auf dem bei der Wechselwirkung der kosmischen Kraftfeldern Hafelekar bei Innsbruck auf 2300 Meter Strahlung mit der Atmosphäre erlangen, rechnet doch beispielsweise die Höhe eine »Station für Ultrastrahlen- Teilchenschauer entstehen, die sich auffä- Entfernung der ›nichtgalaktischen Nebel‹ forschung« errichtet, wo neben Ionisati- chern und beim Auftreffen auf den Boden nach heutigen Vorstellungen nach Millio­ onskammern auch bald Zählrohre und eine größere Fläche überdecken (siehe nen von Lichtjahren.« Zwar wurde hier Nebelkammern eingesetzt wurden. Auf Grafik unten). Nur drei Jahre später fand aus heutiger Sicht die Größenordnung Kernspurplatten fanden etwa die beiden der französische Physiker Pierre Auger der relevanten Längen überschätzt, aber österreichischen Physikerinnen Marietta bei ähnlichen Messungen eine Ausdeh- dennoch ging der Gedanke in Richtung Blau und Herta Wambacher in Gestalt nung am Boden von mehr als 300 Metern. kosmischer Teilchenbeschleuniger. Dage- sternförmiger Spuren den ersten direkten Zusammen mit der dabei ebenfalls ermit- gen mussten atomare Prozesse, bei denen Nachweis einer Kernzertrümmerung, ver- telten Teilchendichte schätzte er daraus solch hohe Energien freigesetzt würden, ursacht durch kosmische Strahlen. Wei- die Zahl sekundärer Teilchen in einem damals erst recht als äußerst exotisch an- tere Experimente mit gestapelten Foto­ einzelnen Schauer auf eine Million und gesehen werden. emulsionsplatten Nebelkammern damit die Energie des auslösenden pri- führten ab 1947 zur Entdeckung weiterer mären Teilchens auf bis zu einer Größenordnung von 1015 Elektronvolt. Grundlage der Teilchen- und Hochenergiephysik und neuer Teilchen, wie zum Beispiel Pionen, Kaonen und Lambda-Hyperonen. Dieser ganze Weitere Untersuchungen in den Fol- In den folgenden Jahren entwickelte sich wachsende Teilchenzoo markiert den gejahren die Erforschung der kosmischen Strah- Aufstieg der Elementarteilchenphysik zu Ballon­aufstiege – im Jahr 1947 sogar bis lung zur Grundlage der Teilchen- und einer neuen Disziplin. 30 Kilometer Höhe – enthüllten schließ- Hochenergiephysik. Die ers­ten Teilchen- einschließlich unbemannter bereits lich die Zusammensetzung der primären beschleuniger reichten jedoch bei Weitem 1934, dass Koinzidenzen in zwei Zähl- Strahlung: Den überwiegenden Anteil noch nicht aus, um Hochenergiephysik rohren auch bei größeren Abständen im- nehmen dabei Protonen ein, etwa zehn Außerdem bemerkte Rossi im Labormaßstab zu betreiben. So nutzte man die kosmische Strahlung und ihre Wechselwirkungen mit den Molekülen der Erdatmosphäre als natürliches Labor. Supernova-Überrest Im Jahr 1930 schlug der italienische Elementarteilchen- und Astrophysiker Bruno Rossi vor, aus einer beobachteten Ost-West-Asymmetrie entsprechend der Gammaquant Ablenkung im Erdmagnetfeld auf das Vorzeichen der Ladung kosmischer Partikel zu schließen. Aus Messungen dieses OstWest-Effekts unter anderem durch Arthur Teilchenschauer Compton folgte wenige Jahre später, dass es sich bei der Primärstrahlung überwiegend um positiv geladene Teilchen handelt. Zudem ermöglichten neue Detek­ tionstechniken wie die Wilsonsche Nebelkammer den Nachweis neuer Teilchen: Im Jahr 1932 wurde durch den US-amerika- Tscherenkowlicht (kegelförmige Ausbreitung) nischen Physiker Carl David Anderson das Positron entdeckt und damit das Tor zur Welt der Antiteilchen aufgestoßen. Ander- Reinhold Henkel/Spektrum der Wissenschaft son erhielt 1936 gemeinsam mit Hess den Die kosmische Strahlung, bestehend aus ionisierten Teilchen und Gammaquanten, erzeugt bei der Wechselwirkung mit der Atmosphäre Teilchenschauer, die sich weit auffächern. Dabei entsteht auch so genannte Tscherenkowstrahlung, die sich kegelförmig ausbreitet und mit bodengebundenen Teleskopen beobachten lässt. www.sterne-und-weltraum.de Teleskope mit extrem schnellen Kameras ursprüngliche Flugrichtung des Gammaquants Oktober 2012 49 Prozent entfallen auf Alphateilchen, also Heliumkerne, sowie etwa ein Prozent auf 1 pro m2 und Sekunde schwerere Kerne wie Kohlenstoff, Eisen und Blei. Wie also Rossi richtig vermutet Luftschauer-Messungen hatte, handelt es sich dabei vornehmlich um positiv geladene Komponenten. Die Myonen und Gammaquanten. Wie wir aber inzwischen wissen, besteht die hochenergetische Strahlung aus dem Kosmos neben der Teilchenkomponente »Knie« Direkte Messungen 1 pro m2 und Jahr aber »2. Knie« ebenfalls, wenn auch zu einem geringeren Anteil, aus primärer Gammastrahlung. Da die Wechselwirkungen sowohl der »Knöchel« energiereichen Teilchen als auch der 1 pro m2 und Jahr Gammaquanten in der Atmosphäre zur Ausbildung einer Kaskade neuer Teilchen führen kann, lässt sich die Atmosphäre in 1012 1011 mehrfacher Weise als Teil eines Detektors 1013 1014 1015 1016 1017 1018 1019 Simon Swardy / Konrad Bernlöhr / SuW-Grafik sentlichen aus Elektronen, Positronen, Teilchenfluss sekundäre Strahlung besteht im We- 1020 Energie in Elektronvolt zum Nachweis der beiden Komponenten nutzen, auch wenn sie sich schwer voneinander unterscheiden lassen. Dabei Das Spektrum der kosmischen Strahlung kommt einerseits der Nachweis der Se- folgt einem recht einfachen Potenzgesetz kundärteilchen selbst in Frage, andererseits die Messung von Licht, welches die mit einem leichten Knick zu einem etwas steileren Abfall bei einigen 1015 Elektron- Teilchen schon in großer Höhe emittieren, volt. Je energiereicher die Strahlung ist, Verglichen mit einer Klaviatur überdeckt das so genannte Tscherenkowlicht. umso weniger Ereignisse pro Fläche und das optische Spektrum von 1,5 bis 3 Elek- Die Messung der Kaskaden oder Schau- Zeit werden gezählt. tronvolt etwa eine Oktave. Gammastrah- rung der Experimente von Auger und sei- lung von 1013 Elektronvolt liegt etwa 42 Oktaven darüber. Die vier über den Erdball nen Kollegen schon seit Ende der 1940er verteilten Tscherenkowobservatorien Jahre betrieben, meist mittels Szintillati- messen in einem Bereich von 1010 bis 1015 onszählern. Da nur wenige der Sekundär- Elektronvolt. er von Sekundärteilchen wird, in Fortfüh- teilchen bis zum Boden vordringen, ist die untere Energieschwelle der Primärteilchen, die mit solchen Anordnungen mess- 500 bare Kaskaden auslösen, recht hoch. Sie liegt typischerweise bei 1014 Elektronvolt. Schon in den 1950er und frühen 1960er kosmischen Strahlung nach oben hin bis zu Energien von 10­19 Elektronvolt vermessen; bis heute sind einzelne Ereignisse mit mehr als 10­20 Elektronvolt bekannt (siehe Grafik oben). Diese geradezu unglaublich hohen Energien übertreffen selbst die Möglichkeiten der größten heutigen Beschleunigeranlagen um Größenordnungen. Höhe in Kilometern Jahren wurde damit das Spektrum der 100 10 Noch rätselhafter als die Strahlung selbst erschien daher die Frage nach ihrem Ursprung. Dies weckte das Interesse an den Mechanismen, welche in kosmischen Beschleunigern den geladenen Teilchen derart hohe Energien verleihen. Radiowellen Mikrowellen Infrarot Ultraviol Erstmals stellten 1934 die Astrophysiker Walter Baade und Fritz Zwicky 10-6 10-3 1 Überlegungen an, ob etwa Supernovae 50 Oktober 2012 Sterne und Weltraum Beschleunigungstheorie publizierte En- Dagegen ist die ebenfalls sehr hochener- Strahlungsfeldern) der Quelle entstehen. rico Fermi im Jahr 1949. Er betrachtete getische Gammastrahlung Dies wiederum eröffnet die Möglichkeit, die Wechselwirkung von geladenen Teil- unempfindlich gegenüber einer Ablen- anhand der sich geradlinig ausbreitenden chen mit magnetisierten Plasmawolken kung in Magnetfeldern. Dies erlaubt eine Gammaquanten ebendiese Quellen zu und fand, dass bei Reflexion an solchen detaillierte Ortung der Strahlungsquellen, identifizieren und ihre räumliche Struk- Wolken die Teilchen im Mittel Energie also überhaupt erst eine Astronomie von tur abzubilden. (siehe Grafik S. 49) gewinnen. Dieser Mechanismus erwies Strahlung kosmischen Ursprungs im ei- sich zwar als wenig effizient, lieferte aber gentlichen Sinn. kosmische benden Medium (interstellarem Gas oder Bereits am 27. April 1961 startete der Satellit Explorer 11 von Cape Canaveral, die Grundidee zur Beschleunigung an ex- Wie groß die Energie dieser Komponen- der eigens für den Zweck gebaut wurde, pandierenden Stoßwellen, wie sie in Über- te des elektromagnetischen Spektrums kosmische Gammastrahlen nachzuwei- resten von Sternexplosionen auftreten. gegenüber den Photonen des sichtbaren sen. Insgesamt registrierte er in seinem Allerdings steht die Natur der kos- Lichts ist, lässt sich am Beispiel einer Orbit im Abstand zur Erde von etwa 500 mischen Teilchenstrahlung der Identifi- Klaviatur veranschaulichen: Das optische bis 1800 Kilometern innerhalb von vier zierung ihrer Quellen grundsätzlich im Spektrum überdeckt etwa eine Oktave Monaten 22 Gammaereignisse. In den Weg. Denn geladene Teilchen werden bei 1970er Jahren bevölkerte sich der Gam- ihrem Weg zur Erde durch interstellare mit Energien von 1,5 bis 3 Elektronvolt, die Gammastrahlung von 1013 Elektron- Magnetfelder derart abgelenkt, dass jegli- volt liegt etwa 42 Oktaven darüber – dies dener Satellitenprogramme wie SAS-2 che Richtungsinformation der ursprüng- entspräche einem sieben Meter breiten und COS-B mit hochenergetischen Quel- lichen Quelle praktisch verloren geht. Klavier (siehe Grafik unten). len. Aber das Fenster zu den interessanten mahimmel dank der Ergebnisse verschie- Ein zuverlässiger Nachweis einer Quelle Im Gegensatz zur elektromagnetischen der kosmischen Teilchenstrahlung ist Strahlung in den meisten anderen Wel- damit bis heute nicht gelungen – bis auf lenlängenbereichen die Entdeckung eines Überschusses an der in len-Teleskop Fermi ist seit 2008 in der Schauern aus einer Richtung im Sternbild nichtthermischen Prozessen zu suchen. Umlaufbahn. Zwar haben die Gamma­ Schwan in den 1980er Jahren, die sich of- Denn eine Wärmestrahlung solch ho- satelliten Zugang zu dieser Komponente fenbar dem Doppelsternsystem mit der her Energien würde eine Temperatur der kosmischen Strahlung, sind jedoch Röntgenquelle Cygnus X-3 zuordnen lässt. der Quelle voraussetzen, die jegliches wegen ihrer geringen Größe auf den Die Signifikanz dieser Entdeckung bleibt Vorstellungsvermögen sprengt und al- niederenergetischen Teil des Spektrums umstritten, befeuerte aber den Bau vieler lenfalls unmittelbar nach dem Urknall beschränkt. Denn nur hier ist der Fluss neuer Detektoren, mit denen sich eine herrschte. Vielmehr geht man heute da- von Gammaquanten ausreichend hoch. Emission aus der Richtung von Cygnus von aus, dass solche hochenergetischen Für die wesentlich selteneren, besonders X-3 jedoch nicht wirklich bestätigen ließ. Gammaquanten durch Wechselwirkung hochenergetischen Quanten ist die Fläche kosmischen ist der Quellen höchster Energie sollte noch gut zwei Jahrzehnte verschlossen bleiben. Ursprung Gammaquanten Das derzeit modernste Gammastrah- Fermi Der größte Teil der Strahlung wird von der Atmosphäre absorbiert (bis auf das »optische Fenster« und das »Radiofenster«) CTA Röntgenstrahlung 103 Gammastrahlung: 106 hochenergetisch 109 H.E.S.S. Magic Veritas CTA MPIK / SuW-Grafik lett Auf dem Weg zur Gammaastronomie beschleunigter Teilchen mit dem umge- sein könnten. Einen ersten Ansatz einer die Quellen der kosmischen Strahlung sehr hochenergetisch 1012 Wellenlänge in Elektronvolt www.sterne-und-weltraum.de Oktober 2012 51 VERITAS Collaboration Robert Wagner / MPI für Physik MAGIC, La Palma H.E.S.S., Namibia CANGAROO, Australien H.E.S.S Collaboration Y. Adachi der Gammateleskope auf Satelliten zu Im Jahr 1948 hatte Patrick Blackett abge- Die vier modernsten Tscherenkow-Observa- klein. schätzt, dass Tscherenkowlicht der Hö- torien sind über den gesamten Globus Für bodengebundene Beobachtungen henstrahlung etwa 0,01 Prozent des Lichts verteilt: VERITAS auf dem Mount Hopkins wurde eine weitere Technik zum Nach- vom Nachthimmel ausmachen sollte. Ein mit vier 12-Meter-Teleskopen, MAGIC auf weis atmosphärischer Schauer entwickelt, erster Nachweis von kurzen Tscherenkow- La Palma mit zwei 17-Meter-Teleskopen, die sich das von schnellen, geladenen blitzen mittels eines Spiegels, einer Foto- H.E.S.S. im Khomas-Hochland von Namibia Teilchen emittierte Tscherenkowlicht zu vervielfacherröhre und eines Oszilloskops mit vier 12-Meter-Teleskopen und CANGA- Nutze macht. Dieses Licht war bereits um gelang den Physikern William Galbraith ROO in Woomera, Australien, mit vier 1910 erstmals von Marie Curie als bläu- und John Jelley im Jahr 1953, später auch 10-Meter-Teleskopen. liches Leuchten in hochkonzentrierten in Koinzidenzmessungen mit einer An- Lösungen radioaktiver Stoffe beobachtet ordnung von Geigerzählern. worden. Detaillierte Dank der modernen Tscherenkow-Teleskope sowie Gammasatelliten wurden viele neue Untersuchungen In den späten 1950er und frühen unternahm der Namensgeber Pawel A. 1960er Jahren wurde von mehreren Gammaquellen am Himmel entdeckt. Zu Tscherenkow in den 1930er Jahren. Eine Gruppen mittels der Tscherenkowtechnik den Quellen innerhalb der Milchstraße theoretische Erklärung gaben 1937 Ilya nach Gammaquellen am Nachthimmel zählen Supernova-Überreste (SNR) und Frank und Igor Tamm anhand der Pola- gesucht, wobei meist Spiegel aus ausge- Doppelsternsysteme etwa mit einer risation eines Mediums durch geladene dienten Neutronensternkomponente. Gammastrah- Teilchen, die sich darin schneller bewe- wurden. Der Erfolg blieb bescheiden – es lung extragalaktischen Ursprungs wird in gen, als sich Licht dort ausbreiten kann. konnten lediglich Obergrenzen angege- aktiven galaktischen Kernen (AGN) erzeugt. Mkn 1ES 101 Mkn SNR Binärsystem Sonstiges oder unklar oder Quelle nicht identifiziert 52 Oktober 2012 180 96 eingesetzt 1ES 421 H1 121 8 M 8 +304 7 426 +42 3C 8 279 1ES 32 1-2 110 PG 1 Mkn 553 08 50 +11 5 01 9+6 S 506+52 5 9 071 4 1ES 1 6+7 006 14 SN 1 7 2 6 3 1 9+ -47 137 +02 -63 03 J201 634 857 J1825- +0.1 303 1 613 1 ior 1 O J J J + I R S S S Jun S G 0.9 LS MG HES HES HES HES Vela C G Tev yg X-1 RX J MG MSH PSR B Cas J203 Vela 171 RO J LS 503 C 1 A 175 3.72+4 9 190 X -52 259-63 1 8 3 31 +06 946 BL L 1ES ac 234 4+5 3C 6 14 6A PKS PKS 054 200 8-3 5-4 22 8 9 7 1ES 1 0 + 2 022 5 PKS J01 9+2 215 1ES 00 RGB 5-3 034 7-1 04 21 1ES AGN Plerion (PWN) 1+4 Flak-Scheinwerfern H2 356 43 IC 4 Kreb sneb el -30 9 Sterne und Weltraum Konrad Bernlöhr / SuW-Grafik TerraForma / SuW-Grafik VERITAS, USA ben werden. Das größte Hindernis war der Anfang der 1990er Jahre startete mit Untergrund von Schauern aus kosmischer der Einführung der Stereoskopie die dritte Teilchenstrahlung, die um einen Faktor Generation erdgebundener Tscherenkow- 1000 bis 10 000 zahlreicher sind als die ge- teleskope: Analog zur Bestimmung von suchten Gammaereignisse und zu deren Meteorspuren aus mehreren Beobach- Unterscheidung noch keine geeigneten tungsstandorten erlauben Anordnungen technischen Möglichkeiten vorlagen. Um mehrerer solcher Teleskope die Aufnah- die Empfindlichkeit für schwächere Teil- me genauerer Bilder der Schauer aus ver- chenschauer zu steigern, begannen 1966 schiedenen Blickwinkeln und damit eine Planungen für ein größeres Tscherenkow- direkte Rekonstruktion der Ursprungs- teleskop von zehn Metern Durchmesser, richtung von einzelnen Ereignissen. Ne- das 1968 auf dem Mount Hopkins in Ari- ben Vorläufern auf dem Mount Hopkins zona aufgebaut wurde, bekannt geworden und am Krim-Observatorium wurde ab unter dem Namen Whipple-Teleskop. 1992 auf dem Gelände des HEGRA-Ex­ Der entscheidende eine stereoskopische Anordnung aus mit fünf Teleskopen von je 8,5 Quadratmeter Whipple gelang endlich 1989 mit der Spiegelfläche realisiert. Zuvor wurden Identifizierung M 1. dort seit 1987 mit Spurdetektoren die Der Schlüssel zum Erfolg lag in der Ein- Bahnen sekundärer Teilchen vermessen. führung abbildender Systeme mit einer Schon während der Bauphase der Tele- ganzen Anordnung von Fotovervielfa- skope detektierte HEGRA den Krebsnebel chern als Lichtdetektor – bei Whipple mit hoher Signifikanz und registrierte waren es 37, bei heutigen Tscherenkow- Ausbrüche der aktiven Galaxien Marka- teleskopen sind es typischerweise 1000 rian 421 und 501. Mit Beginn des neuen Elemente. Unterstützt von Monte-Carlo- Jahrtausends entstanden schließlich vier Simulationen wurde mit diesen Systemen neue Observatorien auf beiden Hemi- der zweiten Generation anhand der Form sphären (siehe Grafik links oben): CAN- der Teilchenschauer eine Unterscheidung GAROO in Woomera, Australien, mit vier der Gammaereignisse vom Untergrund 10-Meter-Teleskopen, H.E.S.S. im Khomas- aus kosmischer Strahlung möglich. M 1 Hochland von Namibia mit vier 12-Meter- wurde als fundamentales Studienobjekt Teleskopen, MAGIC auf La Palma mit zwei so zur Standardkerze der sehr hochener- 17-Meter-Teleskopen und VERITAS auf getischen Gammastrahlung. Dank der dem Mount Hopkins mit vier 12-Meter- neu gewonnenen Erfahrungen ließ sich Teleskopen. des Durchbruch periments auf der Kanareninsel La Palma Krebsnebels wenige Jahre später mit dem Whipple-Ob- 82° Okulare: Brennw.: Art.Nr.: Steck Ø: Preis: 4,7mm 0218804 1¼" 159,- €* 6,7mm 0218806 1¼" 159,- €* 8,8mm 0218808 1¼" 179,- €* 11mm 0218811 1¼" 179,- €* Brennw.: Art.Nr.: Steck Ø: Preis: 14mm 0218814 1¼" 179,- €* 18mm 0218818 2" 199,- €* 24mm 0218824 2" 298,- €* 30mm 0218830 2" 329,- €* Features der 100° und 82° Okulare: Wasserdicht und schutzgasgefüllt! Vergütung: EMD™ (Enhanced Multilayer Deposition) Gehäuse: schwarz eloxiertes Aluminium; Abgedichtet; Stickstoffgefüllt; Edelstahl, konische Sicherungsnut Sonstiges: Laserbeschriftung mit Seriennummer; Gummiarmierte Grifffläche; Gummiaugenmuschel umklappbar; Gewinde für Standard 2" Filter 100° Okulare: Brennweite: Art.Nr.: Augenabstand: Scheinb. Gesichtsf.: Feldblende (virtuell): Optische Elemente: Gewicht: Höhe: Durchmesser: Steck Ø: Preis: 9mm 0218409 12,5mm 100° 15,7mm 9 680g 120mm 59mm 2" 399,- €* 14mm 0218414 14,5mm 100° 24,4mm 9 890g 123,5mm 69mm 2" 499,- €* 20mm 0218420 14,4mm 100° 34,8mm 9 990g 122,5mm 69mm 2" 579,- €* Die Tscherenkowteleskope der dritten servatorium eine aktive Galaxie als erste Generation extragalaktische Quelle nachweisen: der telliten wie Fermi haben den Himmel Blazar Markarian 421. mit vielen und moderne neuen Gammasa- hochenergetischen Kosmische Strahlung in der Erdatmosphäre D ie hochenergetische Strahlung aus dem All ist zweierlei Natur. Zum großen Teil besteht sie aus ionisierten Teilchen, hauptsächlich Protonen, aber auch aus Atomkernen schwererer Elemente. Einen kleineren Anteil macht die hochenergetische Gammastrahlung aus. Die Gammastrahlung erzeugt bei der Wechselwirkung mit der Atmosphäre Elektron-Positron-Paare sowie sekundäre, energieärmere Gammaquanten. Treffen dagegen die hochenergetischen Ionen auf die Erdatmosphäre, so erzeugen sie dort zunächst Kaskaden von exotischen Sekundärteilchen wie Pionen und Kaonen, die auf dem Weg zum Erdboden dann ebenfalls meist in Elektronen und Positronen sowie sekundäre Lichtquanten zerfallen. In beiden Fällen entsteht zudem durch Teilchen, die sich schneller als Licht im Medium Atmosphäre bewegen, so genannte Tscherenkow- strahlung, die sich mit bodengebundenen Detektoren beobachten lässt. 120° Okulare: Brennweite: Art.Nr.: Augenabstand: Scheinb. Gesichtsfeld.: Feldblende: Optische Elemente: Gewicht: Höhe: Durchmesser: Steck Ø: Preis: NEU !!! 9mm 0218909 13mm 120° 24mm 12 in 8 Gruppen 1.270g 150mm 79mm 2" 1.299,- €* Auf Grund der Impulsverteilung sind die durch Protonen und schwere Kerne verursachten Kaskaden im Mittel unregelmäßiger und breiter aufgefächert als jene, die durch Gammastrahlung verursacht werden. www.sterne-und-weltraum.de MEADE Instruments Europe GmbH & Co. KG Gutenbergstraße 2 • 46414 Rhede/Westf. Oktober 2012 53 Tel.: (0 28 72) 80 74 - 300 • FAX: (0 28 72) 80 74 - 333 Internet: www.meade.de • E-Mail: [email protected] © 2012 Meade Instruments Europe GmbH &Co. KG. Alle Rechte vorbehalten. Änderungen und Irrtümer vorbehalten. *Unverbindliche Preisempfehlung in Euro (D). Durchbruch in der Beobachtung Star Power! Pulsar Stoßfront NASA NASA 1 Lichtjahr Im Zentrum des Krebsnebels (oben links) Windbeschleunigungszone 20000 - 50000 km relativistischer Geschwindigkeit. Werden diese Teilchen relativ zum Magnetfeld auf Magnetosphäre dem Weg in das interstellare Medium mit der vom Pulsar emittierten Röntgen- g e+e– 1000 km beschleunigt, kommt es in Wechselwirkung g X Pulsar strahlung (X) zu einem Streuprozess e+e– e+e– (inverse Compton-Strahlung), bei dem Gammaphotonen (g) erzeugt werden. X e+e– Inverse Compton-Streuung g g 0,3 Lichtjahre Gammaquellen bevölkert (siehe Grafik Neben den Überresten von Supernovae der Magnetosphäre des Krebspulsars S. 52 unten). Allein H.E.S.S. hat seit 2004 sind dies Pulsarwindnebel, kompakte Ob- entweicht und im interstellaren Medium im Rahmen einer Durchmus­terung der jekte (Neutronensterne, Schwarze Löcher) endet (siehe Bilder und Grafik oben). Als galaktischen Ebene mehr als 100 neue in Doppelsternsystemen, das galaktische Gammaquellen strahlen der Pulsar im Quellen entdeckt. Zur Ikone der Astro- Zentrum oder junge Sternhaufen inner- hohen und der Nebel vorwiegend im sehr nomie sehr hochenergetischer Gamma- halb unserer Galaxis; dazu treten noch hohen Energiebereich. Auf den ersten strahlung wurde der Supernova-Überrest extragalaktische Quellen wie Blazare, Blick erscheint der Wind, der die Energie RX J1713.7–3946 im Sternbild Skorpion, Radiogalaxien und Starburst-Galaxien. vom Pulsar zum Nebel transportiert, der von H.E.S.S. erstmals mit bis dahin Unter Einbeziehung der Daten aus ande- als unsichtbare Substanz. Denn obwohl unerreichter Auflösung von einigen Bo- ren Wellenlängenbereichen lassen sich der Wind selbst relativistisch ist, sind genminuten vermessen wurde. Nachdem verschiedene Theorien zu kosmischen im mitbewegten System die Elektronen schon mit HEGRA der Nachweis einer sol- Teilchenbeschleunigern testen. »kalt«: Sie weisen keine Relativbewegung chen Quelle in dem Supernova-Überrest Der Pulsar im Krebsnebel M 1 ist eine zum Magnetfeld auf und emittieren da- Cassiopeia A gelang, wurden nun Details der hellsten Hochenergie-Gammastrah- her keine Strahlung. Allerdings kann der aus der Explosionswolke einer Supernova lenquellen am Himmel. Es handelt sich Wind im Gammalicht sichtbar werden, sichtbar und es zeigte sich, dass die Gam- um einen schnell rotierenden Neutro- wenn Röntgenphotonen aus der Magne- maemission – wie erwartet – auf deren nenstern von fast zwei Sonnenmassen tosphäre beziehungsweise der Oberfläche äußere Schale konzentriert ist. und einem Durchmesser von nur 28 bis des Neutronensterns durch die schnellen rätselhaften 30 Kilometern, der ein starkes Magnetfeld Elektronen und Positronen des Winds zu dunklen Quellen, die nur im Gammalicht aufweist. Astrophysiker gehen von der höheren Energien gestreut werden. Mit leuchten, lassen sich die meis­ten Entde- Existenz eines relativistischen Winds aus dieser inversen Compton-Streuung lässt ckungen bekannten Objekten zuordnen: Elektronen und Positronen aus, welcher sich die mit VERITAS und MAGIC ent- Abgesehen 54 von Oktober 2012 noch Sterne und Weltraum MPIK / SuW-Grafik (oben rechts). Ein Wind aus Elektron-Positron-Paaren (e–e+) verlässt den Pulsar mit Nichtthermischer Nebel befindet sich ein rasch rotierender Pulsar deckte, gepulste, sehr hochenergetische Haufenzentrums. Das eigentliche Quell- und bringt sie zum Leuchten. Dieser Wind Gammastrahlung am besten erklären. Aus objekt – in Frage kommen die genannten entsteht durch die seit den Anfängen der diesen Beobachtungen folgt eine nahezu Millisekundenpulsare oder Supernova- Milchstraße in ihrem galaktischen Zen- plötzliche Beschleunigung des Winds auf Überreste – könnte als Folge von nahen trum anhaltende Sternentstehung. Die ultrarelativistische Geschwindigkeiten im Sternbegegnungen in die Außenbereiche Fermi-Blasen hätten somit die Aktivität engen zylindrischen Abstandsbereich von geschleudert worden sein. Es ist aber nach im Zentrum der Milchstraße über ihre Ge- 20 000 bis 50 000 Kilometern um die Rota- wie vor ein Rätsel, warum HESS J1747-248 schichte hinweg aufgezeichnet. tionsachse des Pulsars. eine dunkle Quelle ist, also in den anderen Zu den extragalaktischen Gamma- Bereichen des elektromagnetischen Spek- quellen gehört die gigantische elliptische trums bisher nicht nachweisbar leuchtet. Radiogalaxie M 87 in etwa 55 Millionen Mit dem H.E.S.S.-Teleskopsystem wurde eine neue Quelle sehr hochenergetischer Gammastrahlung, HESS J1747-248, Lichtjahren Entfernung, die in ihrem ak- Terzan 5 entdeckt (siehe Bild unten). Mit Aus der Vergangenheit der Milchstraße hoher Wahrscheinlichkeit befindet sie Im Jahr 2010 gelang mit dem Fermi- Dort werden in Jets Elektronen und Pro- sich in dessen Außenbereichen. Etwa 150 Observatorium die überraschende Ent- tonen auf relativistische Geschwindig- bekannte Kugelsternhaufen umkreisen deckung zweier riesiger, ballonförmiger, keiten beschleunigt und erzeugen bei der als Teil des galaktischen Halos wie ein im Gebiete Wechselwirkung mit ihrer Umgebung riesiger Schwarm das Zentrum unserer oberhalb und unterhalb des Zentrums hochenergetische Gammastrahlung, de- Galaxis und gehören zu deren ältesten der Milchstraße (siehe Bild S. 56). Diese ren erste Anzeichen bereits 1998 HEGRA­ Objekten. An Sterndichte übertrifft Ter- so genannten Fermi-Blasen erstrecken registrierte. H.E.S.S. bestätigte dies im Jahr zan 5 die übrigen Kugelsternhaufen deut- sich über erstaunliche 25 000 Lichtjahre 2006 und beobachtete zudem eine rasche lich und enthält zudem die größte Anzahl von der Milchstraßen­ebene in den Raum Variation der Gammastrahlenintensität von Millisekunden-Pulsaren, also rasch hinaus. Eine mögliche Erklärung basiert innerhalb weniger Tage, was auf eine sehr rotierenden Neutronensternen, die ver- auf der Streuung von Photonen der kos- kompakte Quellregion in unmittelbarer mutlich Teil enger Doppelsternsysteme mischen Hintergrundstrahlung an sehr Umgebung des Schwarzen Lochs hinweist. sind. Besondere Aufmerksamkeit erhielt energiereichen Elektronen. Diese Elek- In einer bis dahin einzigartigen Messkam- Terzan 5, als nachgewiesen wurde, dass tronen müssten allerdings ungewöhnlich pagne beobachteten 2008 H.E.S.S., MAGIC er zwei verschieden alte Populationen schnell nach außen transportiert oder und VERITAS gemeinsam mit dem Radio- von Sternen umfasst. Es wird vermutet, innerhalb der Blasen ständig wieder be- teleskop-Netzwerk VLBA die niedrigsten dass er der Überrest einer Zwerggalaxie schleunigt werden. Vielversprechender und höchsten Bereiche des elektroma- ist, die von unserer Galaxis eingefangen erscheint daher ein alternatives Szenario: gnetischen Spektrums von M 87 und wurde. Wie viele neue Entdeckungen wirft Ein Wind aus Protonen der kosmischen registrierten dabei auch zwei große hoch- auch diese eine Reihe von Fragen auf, die Strahlung und extrem heißem Plasma, energetische Gammaausbrüche. Dank der noch nicht abschließend geklärt sind. Be- der seit beinahe zehn Milliarden Jahren hohen Auflösung des VLBA gelang es, die merkenswert sind zunächst die längliche aus dem Zentrum der Milchstraße weht, parallel zur Gammastrahlung registrier- Form der Quelle und ihre Lage abseits des hat die Blasen nach und nach aufgebläht ten Radiowellen aus der unmittelbaren aus der Richtung des Kugelsternhaufens Gammalicht leuchtender tiven Kern ein Schwarzes Loch von sechs Milliarden Sonnenmassen beherbergt. ESO / Digitized Survey 2 / ESO F. Feraro / H.E.S.S. Collaboration / SuW-Grafik Außenbereich von Terzan 5 Gammaquelle 10 Bogensekunden Das H.E.S.S.-Teleskop entdeckte in den äußeren Regionen des Kugelsternhaufens Terzan 5 eine starke Gammaquelle. Ihr 5 Bogenminuten Ursprung ist noch nicht endgültig geklärt. www.sterne-und-weltraum.de Oktober 2012 55 Gammastrahlenemission Milchstraße Mit dem Fermi-Satelliten wurden zwei Sonne blasenförmige Gebiete oberhalb und unterhalb der Milchstraße entdeckt, die im Gammalicht leuchten. Möglicherweise handelt es sich dabei um den Wind aus Protonen der kosmischen Strahlung und extrem heißem Plasma, der seit beinahe zehn Milliarden Jahren aus dem 10 000 Lichtjahre Zentrum der Milchstraße weht. Nähe des extrem massereichen schwarzen verfügbaren Spiegelflächen (MAGIC: 240 Bernold Feuerstein ist Lochs zu lokalisieren und damit auch den Quadratmeter) nachgewiesen zu werden. als Pressesprecher in der Ort der Teilchenbeschleunigung in M 87. Darüber werden die Gammaereignisse in Öffentlichkeitsarbeit des Zur Familie der aktiven Galaxien zäh- der von den Teleskopen erfassten Fläche MPI für Kernphysik tätig. In len die Blazare, bei denen einer der Jets zu selten, um ausreichende Datenmengen seiner wissenschaftlichen direkt zur Erde gerichtet ist. Ein Beispiel in vertretbarer Zeit zu gewinnen. Einen hierfür ist das Objekt PKS 2155–304 in sowohl experimentell als auch theoretisch mit einer Entfernung von 1,5 Milliarden wesentlichen Schritt hin zu niedrigeren Energien herunter bis etwa 3 × 109 Elek- Lichtjahren in Richtung des Sternbilds tronvolt und damit einen Lückenschluss Systeme. Der Schwerpunkt lag dabei auf Elek- Südlicher Fisch. Normalerweise ist die beziehungsweise Überlapp zu Satelli- tronenstoßprozessen und der Wechselwirkung hiervon ausgehende Gammastrahlung tendaten bringt das nunmehr fertig ge- mit ultrakurzen hochintensiven Laserimpul- recht schwach. Zuweilen kommt es aber stellte, weltgrößte Tscherenkowteleskop sen. Daneben lehrt er als Privatdozent an der zu Strahlungsausbrüchen, H.E.S.S. II, welches über eine Spiegelfläche Universität Heidelberg. und der Blazar wird zur hellsten Quelle von 600 Quadratmetern verfügt und am am Himmel im hochenergetischen Gam- 26. Juli 2012 erstmals Bilder von Teilchen- Konrad Bernlöhr arbei- malicht, wie zum Beispiel im Juli 2006 schauern aufgenommen hat. Es befindet tet am MPI für Kernphysik in geschehen. Im Spätsommer 2008 wurde sich inmitten der vier bereits früher ge- Heidelberg. Nach früheren PKS 2155–304 während einer eher ru- bauten H.E.S.S.-Teleskope (siehe Bild S. 47 Arbeiten zur Herkunft higen Phase von H.E.S.S., Fermi und zwei oben). und Zusammensetzung gewaltigen Laufbahn befasste er sich Quantendynamik atomarer und molekularer von kosmischer Strahlung Röntgensatelliten sowie einem optischen In eine etwas andere Richtung zielt das Teleskop bei H.E.S.S. über einen möglichst ehrgeizige Projekt »Cherenkov Telescope befasst er sich seit 15 Jahren mit Tscherenkow- großen Wellenlängenbereich beobach­tet, Array« (CTA), welches die Sensitivität um Teleskopen, derzeit mit den H.E.S.S.-Teleskopen mit überraschenden Ergebnissen: Wäh- den Faktor zehn verbessern soll. Nach der in Namibia und mit Planungen und Simula- rend in aktiven Phasen die Emission von Designstudie sind zwei Observatorien ge- tionen für das künftige Cherenkov Telescope Röntgen- und Gammastrahlung gemein- plant. Die Anordnung auf der südlichen Array (CTA). sam steigt und fällt, war dies im ruhigen Hemisphäre soll drei Teleskoptypen von Zustand nicht der Fall. Dagegen folgte die rund 6, 12 und 24 Meter Durchmesser Emission sichtbaren Lichts der hochener- enthalten, die Anordnung auf der nörd- getischen Gammastrahlung – ein äußerst lichen Hemisphäre zwei größere Typen. rätselhaftes, bisher nicht geklärtes Verhal- Mit etwa 50 bis 100 kleineren Teleskopen ten. Offenbar wirken die verschiedenen des südlichen Observatoriums, die eine Bestandteile der Jets in Blazaren auf kom- effektive Detektorfläche von etwa sieben plizierte Weise zusammen. Quadratkilometern abdecken, erwarten Gammaobservatorien die Forscher den Nachweis von sehr hoch- haben bislang Spektren von Quellen in einem Energiebereich von rund 1011 Elek- energetischen Gammaquanten jenseits von 1014 Elektronvolt. Diese Erweiterung tronvolt bis einigen 1013 Elektronvolt be- des Beobachtungsfensters lässt die Gam- stimmt. Darunter sind die Lichtsignale in maastronomie einer spannenden Zukunft der Atmosphäre zu schwach, um mit den entgegensehen. Erdgebundene 56 Oktober 2012 Literaturhinweise Hess, V. F.: Über Beobachtungen der durchdringenden Strahlung bei sieben Freiballonfahrten. In: Physikalische Zeitschrift 13, S. 1084-1091, 1912 Hofmann, W., van Eldik, C.: Ein neues Fenster zum Kosmos. In: Sterne und Weltraum 3/2009, S. 38-47 Völk, H. J.: Neue Ergebnisse der Gammaastronomie. In: Sterne und Weltraum 8/2006, S. 36-45 Sterne und Weltraum NASA‹s Goddard Space Flight Center, künsterische Darstellung Röntgenstrahlenemission www.sterne-und-weltraum.de Oktober 2012 57