1 Sprachwissenschaftliche Vorlesung: Germanistische Sprachwissenschaften Gehalten von Franz Patocka im Wintersemester 2011/12 Mitschrift von Philipp Brenner 2 Inhaltsverzeichnis: 1. 2. 3. 4. 5. Wichtige Begriffe aus der Germanistischen Sprachwissenschaft………………………….3 Sprachbeschreibung………………………………………………………………………..4 Sprachliches Zeichen………………………………………………………………………7 Kommunikationsmodell……………………………………………………………………8 Phonetik…………………………………………………………………………………..10 5.1. Sprechorgane…………………………………………………………………………10 5.2. Vokale………………………………………………………………………………..11 5.3. Konsonanten…………………………………………………………………………11 5.4. Tabelle: Parameter und Beispiele……………………………………………………12 6. Phonologie………………………………………………………………………………..14 6.1. Allgemeines / Begriffe………………………………………………………………14 6.2. Kontaktphänomene…………………………………………………………………..16 7. Morphologie………………………………………………………………………………17 7.1. Allgemeines / Begriffe……………………………………………………………….17 7.2. Arten der Wortbildung……………………………………………………………….18 8. Syntax……………………………………………………………………………………..21 8.1. Das Wort……………………………………………………………………………..21 8.2. Allgemeines / verschiedene Definitionsansätze……………………………………...21 8.3. Intonationseinheit…………………………………………………………………….22 8.4. Formeinheit…………………………………………………………………………..22 8.5. Konstituentenstrukturgrammatik…………………………………………………….23 8.6. Dependenzgrammatik………………………………………………………………..24 9. Text……………………………………………………………………………………….25 9.1. Prozedurale Textlinguistik…………………………………………………………...26 9.2. Textvertretungen……………………………………………………………………..27 10. Semantik…………………………………………………………………………………..27 11. Pragmatik…………………………………………………………………………………29 12. Sprachliche Variation – Varietäten……………………………………………………….29 Inhalt In dieser Lehrveranstaltung sollen sprachwissenschaftliche Grundlagen vermittelt werden, die für die weitere Beschäftigung mit linguistischen Thematiken unerlässlich sind. Dazu gehört unter anderem: Einblicke in den Strukturalismus, Phonetik und Phonologie, Morphologie (Flexion, Wortbildung), Syntax, Text, Pragmatik - und einiges mehr. Art der Leistungskontrolle: schriftliche Prüfung Empfohlene Literatur Ernst, Peter: Germanistische Sprachwissenschaft Detaillierte Unterlagen zu folgenden Themen werden von Prof. Patocka verschickt: o Patocka, Franz: Traditionelle und dependenzielle Syntax (1997) o Patocka, Franz: Morphologie 3 1. Wichtige Begriffe aus der Germanistischen Sprachwissenschaft Ein Zeichen ist etwas, das für etwas anderes steht (zum Beispiel eine Anweisung, ein Verkehrszeichen, …) Kommunikationsmodell: wissenschaftlicher Erklärungsversuch zur Beschreibung von Kommunikation. (Was passiert, wenn Kommunikation stattfindet?) Aussendung von Lautkörpern sprechen + hören. Ein Sender (S) schickt eine Nachricht (N) in einem Medium (M) an einen Empfänger (E). (Der Empfänger kann anschließend zum Sender werden.) Sprachlicher Kode: Erweiterung des Kommunikationssystem. Der Sender schickt eine verschlüsselte Nachricht in einem Medium an einen Empfänger, der die Verschlüsselung dekodiert. Die Semantik ist die Bedeutungslehre sprachlicher Zeichen. Sie ist ein Teilgebiet der Semiotik, der Lehre von den Zeichen im Allgemeinen, also nicht nur die Lehre der verbalen, sondern auch der nonverbalen Zeichen, wie zum Beispiel Gesten. Unter Phonetik versteht man die Bildung der Sprachtechnik. Sie untersucht also die Erzeugung von Sprechlauten. Es gibt drei Arten von Phonetik. Artikulatorische Phonetik: Sprachbildung; Lauterzeugung Akustische Phonetik: Übertragung der Sprache von Lauten Auditive Phonetik: Wahrnehmung / Verarbeitung der Sprache durch den Hörer Die Phonologie baut auf der Phonetik auf; sie untersucht die Funktion der Sprachlaute. Das Phonem-System (phonetische Transkriptionssystem) gewährleistet, dass für jeden Laut nur ein Zeichen und für jedes Zeichen nur ein Laut verwendet wird. Die Morphologie beschäftigt sich mit Morphemen, also mit Zeichen, die nicht mehr in kleinere Einheiten mit bestimmter Lautung und Deutung zerlegt werden können. (Beispiele: Haus, rot, auf, …). In der Morphologie geht es also um die kleinste, sprachliche Einheit. Die Wortbildungslehre versucht neue, komplexe Wörter zu bilden. (Dabei geht es auch um die Gesetzmäßigkeiten bei der Bildung neuer Wörter und den dabei eingesetzten sprachlichen Mitteln.) Die Syntax (Satzlehre) befasst sich mit der Struktur von Sätzen. Man unterscheidet: Konstituente Grammatik: Wie ist die Grammatik festgesetzt? Strukturalistische Grammatik: In welche Struktur zerfällt der Satz? Dependenzgrammatik (Abhängigkeitsgrammatik): Was hängt in einem Satz wovon ab? Generative Grammatik (Beschreibungsapparat): Wie ist sprachliches Wissen im Gehirn organisiert? Was ist kompetent für den Spracherwerb? Die Textlinguistik beschäftigt sich mit sprachlichen Strukturen, also mit den Textkriterien. Sie hilft uns bei der Konstruktion und Analyse von Texten. 4 Die Pragmatik ist die Sprache des Handelns: Welchen Gebrauch macht der Sprechende von sprachlichen Zeichen? Unter Soziolinguistik versteht man die angewandte Linguistik. In unterschiedlichen Sprachschichten, egal ob sozial, regional/geographisch, soziologisch u.a., trifft man auf sprachliche Variationen, wie auf Dialekte. (Aber auch: Man spricht mit dem Vorgesetzten anders als mit den Freunden.) Sprache ist kurzgesagt ein Kommunikationsmittel; sie dient in erster Linie zum Informationsaustausch. Auch eine Zugehörigkeit zu einer Sprachgemeinschaft ist erkennbar. Hadumod Bußmann beschreibt Sprache (in etwa) wie folgt: „Sprache ist ein auf mentalen Prozessen1 basierendes, gesellschaftlich bedingtes2, der historischen Entwicklung3 unterworfenes Mittel zum Ausdruck4 beziehungsweise Austausch der Gedanken und Vorstellungen sowie zur Fixierung und Datierung5 von Erkenntnissen und Informationen sowie Erfahrung und Wissen6; Sie ist eine artspezifische Ausdrucksform nur für den Menschen, die sich zu allen anderen Sprachen und Phänomenen wie zum Beispiel der Tierwelt aus folgenden Gründen unterscheidet: Kreativität, Fähigkeit für Abstraktion7 und metasprachlicher Reflexion8.“ Die strukturalistische Sprachwissenschaft ist ein geschlossenes System und betrachtet ein zusammenhängendes Ganzes. Die Struktur ist a) die Art und Weise der Verknüpfungen von Elementen einer Menge, b) das Gefüge der Teile eines Systems, c) die Relationen der Teile zueinander und zum Ganzen.9 2. Sprachbeschreibung Der Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure hat etliche Grundsätze der sprachlichen Linguistik festgelegt. De Saussure hat die Begriffe als Dichotomien, als Gegensatzpaare, festgelegt.10 1 Gehirn Zugehörigkeit: Das Zusammenleben von Menschen ist eine Notwendigkeit für die Sprache (Beispiel: Ehe neue Struktur) 3 Veränderung der Sprache (auch schon bei Altersunterschieden bemerkbar) 4 Sprache ist ein Mittel zur Ermöglichung, Inhalte anderen mitteilen zu können 5 Bibliothek dient zum Festhalten von Wissen (auch für die Zukunft) 6 Material und Regeln dienen dazu, um einen Sachverhalt auf verschiedene Weisen ausdrücken zu können 7 abstrahieren meint das Loslösen vom Hier und Jetzt / vom Dasein 8 Metasprache ist das Sprechen über die Sprache (das Gegenteil davon ist die Objektsprache, also das „normale“ Sprechen Beispiel: Buch – 4 Buchstaben, 3 Konsonanten) 9 Als Beispiel: das Schachspiel: das Inventar ist noch keine Struktur; die Struktur im Schach ist: die Funktion der Figuren; die Relationen der einzelnen Steine; die Relation zum gesamten System (der Zug einer Figur führt zur Systemänderung) 10 Beispiel: alt – jung 2 5 Begriffsdefinitionen: Langage: Sprachfähigkeit des Menschen (Voraussetzung!) Langue: das abstrakte Einzelsprachensystem Parole: die reale sprachliche Äußerung Langue Parole Verknüpfungsregeln, System Konkrete Art der Sprachverwendung bzw. die Aussage selbst (siehe oben) Nicht untersuchbar (existiert nur im Kopf des Individuelle Art des Sprechens Menschen) auf Parole angewiesen Gruppe eigener Zeichenvorrat kurzes / langes A (Bsp.: Ratte / rate) Unterschiede Richtiges Verstehen von Fehlerhaftem Sprachbeschreibung Synchronie Beobachtung der Sprache zu bestimmten Zeitpunkt (muss Gegenwart sein) Diachronie einem Veränderung der Sprache (unter historischen nicht Faktoren) sprachliche Dynamik, sprachgeschichtlich Synchronie Diachronie Näherung der Sprache deskriptiv präskriptiv / normativ beschreibend, beobachtet Erscheinungen schreibt vor / nach Regeln, führt hin auf (ohne Beachtung der Normen) richtigen, guten Sprachgebrauch wichtig für die Spracherlernung (Wie gehört es? relevant redundant beziehen sich auf sprachliche Merkmale die sprachlichen Merkmale sind wichtig auf der lautlichen Ebene (stimmhaft / stimmlos) Ein sprachliches Merkmal ist relevant, wenn Ein sprachliches Merkmal ist redundant, es zur Inspizierung bzw. zur Unterscheidung wenn es zur Unterscheidung primär nicht von sprachlichen Einheiten dient. verantwortlich ist, sondern zusätzlich vorhanden ist. Ein redundantes Merkmal darf nicht fehlen, da sonst keine sprachliche 6 Einheit definiert ist. Im weiteren Sinn: Information ist mehrfach gegeben, um Sprachsystem funktionierend zu erhalten. Bsp.: /p/ (p-Phonem): muss bilabial sein Bsp.: Behauchung ist wichtig, um den Laut (relevantes Merkmal) ansonsten keine zu beschreiben (Aspiration) Behauchung Unterscheidung zwischen p und t möglich kann aber auch fehlen Bsp.: Redundanz im weiteren Sinn: Das Buch liegt auf dem Tisch. Die Bücher liegen auf dem Tisch. 1. Artikeländerung 2. ü und –cher statt u und -ch 3. Verb im Plural 4 Veränderungen (notwendiger Informationsüberfluss) syntagmatisch (Syntagma) Paradigmatisch (Paradigma) beziehen sich auf sprachliche Relationen Strukturalismus ist von großer Bedeutung zur Beschreibung von Sprache Horizontale Sprachbetrachtung Vertikale Sprachbetrachtung Syntagmatische Relation: Beziehung eines Paradigmatische Relation: Beziehung eines Elements zu Elementen in seiner Umgebung Elements zu solchen, die seine Stelle einnehmen / ersetzen können. Bsp.: Der Mann baut ein Haus. Bsp.: Der Mann baut ein Haus. Satz besteht aus Subjekt, Prädikat, Objekt ersetzen von Wortteilen: statt „der Mann“ z.B. er / ein Mann / die Frau / niemand / Syntagmatische Relation jeder / kein Mann / So mancher / … --statt „baut“ z.B. errichtet / kauft / baute / baue / … jedoch nicht richtig: dem Mann Die horizontale Beziehung (Verb zu Die Austauschbarkeit von Zeichen auf der Prädikat) der sprachlichen Zeichen auf vertikalen Achse wird als paradigmatische derselben Ebene wird syntagmatische Beziehung oder Paradigma oder Opposition Beziehung oder Syntagma oder Kontrast bezeichnet. genannt. Bsp.: Ring [rin] Ding [din] gesprochene Sprache geschriebene Sprache werden nicht immer auseinandergehalten! Als Untersuchungsobjekt hat geschriebene Sprache eine längere Tradition; sie war früher ein Untersuchungsobjekt. Ferdinand de Saussure: Man muss zwischen gesprochener und geschriebener Sprache unterscheiden; auch die gesprochene Sprache muss endlich untersucht werden. Primäres System Sekundäres System11 Schrift erst relativ spät in Geschichte; baut auf in der gesprochenen Sprache / geht von der gesprochenen Sprache aus; geschriebene Sprache hat Eigenheiten (Bsp.: bieten / bitten Bedeutungsänderung; eines durch anderes ersetzt Opposition) 11 Tertiäres System: Morsesprache Buchstaben werden umgesetzt in andere Laute, Lichtzeichen, etc. 7 Beispiele: ie – Siege ih – ihr ieh – Vieh i – Ritus ea – Team ee – Beefsteak wird immer als „i“ ausgesprochen, trotz unterschiedlicher Schreibweisen 3. Sprachliches Zeichen Ein Zeichen ist etwas, das für etwas anderes steht (zum Beispiel eine Anweisung, ein Verkehrszeichen, …). Mit den sprachlichen Zeichen beschäftigt sich die Semiotik. Beispiel: Das Zeichen B A U M steht stellvertretend für einen Baum. Es gibt allerdings Grenzen. Das Zeichen muss auch aussehen wie ein Baum! Jedes Zeichen ist abstrakt arbiträr konventionell linear (Gehörgang an Ablauf der Zeit gebunden) unveränderlich: synchron gesehen veränderlich: diachron gesehen (Bsp. mittelhochdeutsch: wip = Weib; nit = Neid) Mit Zeichen meint man aber vor allem die sprachlichen Zeichen. Die Zeichen stehen in Verbindung mit anderen Zeichen in einem System. ( Zeichen sind in ein System eingebettet!) Jedes Zeichen in einem Zeichensystem ist genau das, was die anderen Zeichen nicht sind / nicht ausdrücken. (Opposition!) Ein Ikon ist ein Zeichen, das einen Ähnlichkeitsbezug hat zu dem, was es bedeutet. Ein Zeichen im engeren Sinne steht aber nicht im engeren Zusammenhang zu dem, was es bedeutet. 8 Beispiel für ein Ikon: Beispiel im engeren Sinne: Ferdinand de Saussure legt in seinem Zeichenmodell fest, dass sprachliche Zeichen aus zwei Komponenten bestehen, nämlich aus Ausdruck (signifiant) und Inhalt (signifiè). <Sonne> Inhalt (signifiè) reziproke Evokation Ausdruck (signifiant) Inhalt: Ausdruck: [zonə] reziproke Evokation: wechselseitiges Einander-ins-Gedächtnis rufen! 4. Kommunikationsmodell Dabei handelt es sich um einen wissenschaftlichen Erklärungsversuch zur Beschreibung von Kommunikation. (Was passiert, wenn Kommunikation stattfindet?) Aussendung von Lautkörpern sprechen + hören. Ein Sender (S) schickt eine Nachricht (N) in einem Medium (M) an einen Empfänger (E). (Der Empfänger kann anschließend zum Sender werden.) Medium Sender Hörer Kode Medium = Schallwellen (Transport der Information) Kode = Sprachwortschatz Sprachlicher Kode: Erweiterung des Kommunikationssystem. Der Sender schickt eine verschlüsselte Nachricht in einem Medium an einen Empfänger, der die Verschlüsselung dekodiert. (Was kann dabei aber schief gehen? Bsp.: man wird in einer Fremdsprache angesprochen; es kann keine Dekodierung erfolgen!) 9 Medium Vorstellung Kodierung Sender Dekodierung Kode Vorstellung` Hörer Bei der Dekodierung werden vom Hörer die Zeichen herausgesucht, die den eigenen, definierten Vorstellungen entsprechen. Der Hörer empfängt die Lautkette und entnimmt seinem Kode die Bedeutung. Wenn alles funktioniert, entsteht beim Hörer die Vorstellung. Arten der Kodierung: Semantische Kodierung (Zeichen mit Bedeutung) Syntaktische Kodierung (Regeln zwischen den Zeichen Fragesatz/Aussagesatz etc.) Phonologische Kodierung (muss als Lautkette vorbereitet werden) Arten der Dekodierung: Phonologische Dekodierung: Lautäußerung – Hörer empfängt Lautkette (möglich: Lärm etc.) Syntaktische Dekodierung: Fragesatz/Aussagesatz Semantische Dekodierung: Hörer findet sprachliche Zeichen in seinem Kode – Probleme: man kann sich verhören, man hat Zeichen nicht in seinem Kode Störfaktor möglich! V Kodierung – Übertragung – Dekodierung V‘ S Kode H Sprecherseite: Die Nervenbahnen kommen ins Spiel, die Energie kommt als ein Impuls vom Gehirn, sodass die Artikulationsorgane angewiesen werden, Laute zu erzeugen. Die Artikulationsorgane werden so trainiert, dass Sprachlaute erzeugt werden. Akustische Übertragung (Ausbreitung der produzierten Schallwellen von Sprecher zu Hörer) Hörerseite: Empfang der Laute: Im Ohr des Hörers werden die Schallwellen umgesetzt in mechanische Schwingungen. Diese gehen zum Gehirn des Hörers auf die Nervenbahnen, sodass die Lautkette dekodierbar wird. (siehe oben) Emotionen Erfahrung 1 / Erfahrung 212 Emotionen‘ V Kodierung – Übertragung – Dekodierung V‘ S Kode 1 Kode 2 H Kode 1 = Sprecher; Kode 2 = Hörer die Kodes decken sich nicht zu 100%. Die Übertragung funktioniert nur, wenn beide Kodes aus dem überlappenden Bereich stammen, 12 „Erfahrung 1“ und „Erfahrung 2“ gehören in die beiden leeren Felder zwischen Emotionen 10 da ansonsten die Übertragung nur teilweise möglich ist. Es gibt Unterschiede zwischen den Kodes sowie den Emotionen. (Bsp.: Bitte leise sein; Halten Sie die Klappe.) Auch in der Erfahrung gibt es Unterschiede. (Bsp.: Reden über ein Buch: Falls der Hörer das Buch nicht gelesen hat, sind die Erfahrungen nicht völlig im Überschneidungsbereich.) Die Kodes sind ausbaubar beziehungsweise veränderbar, anfangs schnell, wie etwa beim Spracherlern, später langsamer. Man vergisst auch wieder etwas. Bei jedem Schritt kann etwas schiefgehen, sowohl bei der Übertragung als auch bei der Kodierung etc. 5. Phonetik13 5.1 Sprechorgane Die artikulatorische Phonetik untersucht die Bildung der Sprachlaute, also deren Produktion. Der Stimmapparat wird Glottis (glottal) genannt. Folgende Sprechorgane tragen zur Artikulation bei: unterhalb des Kehlkopfes: (Zwerchfell) Lunge Stimmbänder / Stimmlippen erzeugt Luftstrom sie sind beweglich: weit offen, leicht geöffnet, einander angenähert periodische, mechanische Schwingungen variabel: bei Frauen sind die Stimmbänder kürzer, daher ist die Stimme höher wenn Stimmbänder nicht schwingen: stimmlose Laute; Gegenteil: stimmhaft die Stimmbänder sind gefordert: ständiger Wechsel Kehlkopf (Larynx) oberhalb des Kehlkopfes: Rachenraum (Pharynx) Mundraum (Oral) Nasenraum (nasale Laute) Harter Gaumen (Palatum, palatal) (knapp vor Gaumen = präpalatal) vorderer Gaumen Weicher Gaumen (Velum [Gaumensegel], beweglich, Beispiel: ach-Laut velar) hinterer Gaumen Gaumenzäpfchen (Uvula, uvular) Zunge (apex – Zungenspitze; apikoalveolar) Zähne (dental) Ort direkt hinter Schneidezähnen = Alveolen (alveloar; Bsp.: t) Lippen (labial) 13 bilabial (mit beiden Lippen gebildet: p, b) Wenn in Zukunft Buchstaben in eckigen Klammern stehen – [] – so meint dies bereits die phonetische Transkription. 11 labio-dental (Lippen + obere Schneidezähne: f, w) Man unterscheidet zwei Gruppen von Lauten: Vokale und Konsonanten. 5.2 Vokale Vokale sind (grundsätzlich) stimmhaft. Die Stimmbänder vibrieren stimmhaft, was bedeutet, dass der Luftstrom ungehindert ausweichen kann; dabei kommt es zu Veränderungen der Resonanzräume! Die Zunge ist aufgewölbt: der höchste Punkt ist entscheidend. Es ist interessant, was die Zunge und auch der Gaumen machen. Die Lippenrundung kann sowohl gerundet, als auch ungerundet sein. Mundraum palatal velar u i o e a 5.3 Konsonanten Bei Konsonanten kann der Luftstrom nicht ungehindert ausweichen. So sind beispielsweise Reibelaute möglich. Man unterscheidet folgende Arten von Konsonanten: stimmhafte / stimmlose Laute Laute mit Vollverschluss frikative Laute nasale Laute laterale Laute plosiv: k, t, p Bsp.: p: bilabialer Vollverschluss wird durch Überdruck im Mundraum gelöst, Öffnung des Verschlusses; Velum presst sich bei plosiven Lauten an die Rückwand Engebildung (Reibelaute) Bsp.: m, n, g Vollverschluss, aber velum gibt Weg in Nasenraum frei; der Luftstrom kann durch die Nase entweichen stimmhaft Seitenlaut: die Zunge macht keinen Vollverschluss; der Verschluss findet nur in 12 vibrante Laute Affrikata der Mitte statt, weshalb der Luftstrom links und rechts durchweichen kann genannt: Teilverschluss stimmhaft Bsp.: r Vibration erfolgt gegen den Gaumen (Gaumenzäpfchen uvular) stimmhaft Folge von Verschlusslauten und Reibelaut: Bsp.: tz, pf, kch der Verschluss wird anders gelöst bei pf-Verschluss von p ins f (ähnlich bei tz) 5.4 Tabelle: Parameter und Beispiele In der Phonetik gibt es verschiedene Transkriptionssysteme. Eines der bekanntesten nennt sich IPA (International Phonetic Alphabet / Association) bzw. API. Mit dem IPA kann man die deutschen Laute erfassen, allerdings nicht alle Sprachen weltweit, da es zu viele Sprachen gibt. In der Dialektologie (Mundartforschung) hingegen wird oft das Teuthonista-System verwendet. Dieses weist Unterschiede zum IPA auf: Im IPA wird auch mit Zusatzzeichen (Diakritikum) gearbeitet. Im IPA muss man die Transskriptionsentscheidung sofort treffen, im Teuthonista-System wird zuerst der Buchstabe aufgeschrieben, und später verschönert. Folgende Parameter spielen bei Vokalen eine Rolle: Zungenstellung (bezogen auf die horizontale Ebene, also palatar und velar) Zungenhöhe (hoch / mittel / tief) Öffnungsgrad (um zu unterscheiden zwischen z.B.: e und ä) offen [ɛ], (daher mehr Raum zum Gaumen hin); geschlossen [e:]; Verfeinerung der Zungenhöhe (bieten/bitten) Lippenrundung (gerundet, ungerundet) Quantität: Längenunterschied (lang [Bsp. rate], kurz [Bsp. Ratte]) Monophthonge (Einzellaute): Bei Monophthongen gibt es während der Artikulationsdauer keine Veränderungen, sehr wohl aber Schwankungen. Die Laute bleiben konstant. (Bsp.: Ä, E, I) Diphthonge (Zwielaute): Bei Diphthongen gleitet die Zunge von einer Stellung in die andere, es erfolgt eine Bewegung der Artikulationsorgane, wobei es einen Anfangs- und Endpunkt gibt. (Bsp.: [ai]) Diphthonge haben in der Schreibweise immer einen Bogen unter den Buchstaben, von einem Buchstaben zum anderen. 13 Folgende Parameter spielen bei Konsonanten eine Rolle: Artikulationsart (Plosiv, Frikativ, Affrikat, Nasal, Lateral, Vibrant) Artikulationsort Stimmtonbeteiligung Während bei den Monophthongen kurze und lange Vokale sind, gibt es bei den Diphthongen immer nur Langvokale, weshalb die Quantität nicht berücksichtigt werden muss. 14 Beispiele: König [kɸ:nIc]14 k Konsonant, plosiv, palatal / velar, stimmlos ɸ: Vokal, palatal, mittel, geschlossen, gerundet, lang I Vokal, palatal, hoch, offen, ungerundet, kurz c Konsonant, frikativ, palatal, stimmlos Hund [hʊnt] h Konsonant, frikativ, glottal, stimmlos ʊ Vokal, velar, hoch, offen, gerundet, kurz n Konsonant, nasal, apiko-alveolar, stimmhaft t Konsonant, plosiv, apiko-alveolar, stimmlos Noch eine Anmerkung zu den Vokalen: Vokale mit Doppelpunkt hinter dem Buchstaben bedeutet, dass der Vokal lang und geschlossen ist. Kurze, offene Vokale werden als Großbuchstaben (allerdings so klein wie die Kleinbuchstaben) geschrieben. Auch gibt es Sonderfälle, wie den schwachtonigen e-Laut [ə] (wie in: Rabe, Höhle) oder den schwachtonigen A-ähnlichen Laut [ɐ] (wie etwa in Lehrer unbetontes er am Schluss), aber auch den offenen E-Langvokal [ɛ:], der in Wörtern wie Däne oder Jäger vorkommt.15 Eine letzte Anmerkung zu den Diphthongen, als Beispiel ai: Bei Diphthongen verläuft eine Bestimmung folgendermaßen: Langvokal, kein Öffnungsgrad, von tief nach hoch, von neutral nach velar, ungerundet. 6. Phonologie 6.1 Allgemeines / Begriffe Die Phonologie baut auf der Phonetik auf, handelt aber mit abstrakteren Lauten. Die Frage nach der Funktion, in welcher Weise die Laute bei der Spracherzeugung verwendet werden, beantwortet die Phonologie. Im Gegensatz zur Phonetik wird in der Phonologie die Bedeutung sprachlicher Zeichen in die Überlegungen mit einbezogen. Sprachlaute zeichnen sich durch ihre Varianz aus. (Das Wort klingt nie immer genau gleich, wenn wir es aussprechen.) Die Phonologie ist eine strukturalistische Sprachbetrachtung. 14 Anmerkung zur Prüfung: Bei der Prüfung wird bereits ein transkribiertes Wort vorgegeben, welches bestimmt werden muss. Es wird also bspw. nicht verlangt, das Wort „König“ zu transkribieren! 15 Die API-Zeichen für Vokale und Konsonanten im Deutschen (nach Duden-Aussprachewörterbuch) finden sich auf Seite 62-64 in Ernst, Peter: Germanistische Sprachwissenschaft 15 Dreistufiges Kurzvokalsystem im Deutschen: /i/ /ü/ /u/ /e/ /ö/ /o/ /a/ Mundraum mit Vokalen: i e u o a Es gibt eine starke Varianz der gesprochenen Laute, aber eine Invarianz des Lautsystems. Sonst wäre keine Kommunikation möglich (wenn bei jedem kleinen Unterschied die Bedeutung eine andere wäre). Dieser Spielraum darf aber natürlich nicht überstrapaziert werden. Phonem: Ein Phonem ist die kleinste bedeutungsunterscheidende lautliche Einheit. Das Phonem ist die funktionale Einheit, der wir den gehörten Laut zuordnen; was wir hören sind also Phone. Phone: Phone sind die kleinsten lautlichen Einheiten, die durch das Segmentieren erhalten werden, aber noch nicht klassifiziert sind. Segmentieren: Durch Segmentieren erhält man die Phone. Klassifizieren: Zuordnung der Phonemklassen, d.h. es muss der richtige Platz im Phonem-System gefunden werden. Bsp. /t/, /r/, … Minimalpaare sind wichtig für die Phonologie. Dabei handelt es sich um Wörter, die sich nur durch einen Laut unterscheiden. Bsp.: tut [u:] tot [o:] Tat [a:] Die genannten Wörter gehören verschiedenen Phonemen an (nämlich /u:/,/o:/ und /a:/), da ihre Bedeutungen unterschiedlich sind. Die Beziehung eines Zeichens zu einem austauschbaren anderen in derselben Umgebung bezeichnet man als Opposition, sie ist eine paradigmatische Beziehung. (Die Beziehung eines Zeichens zum vorhergehenden und folgenden Elementen in seiner Umgebung bezeichnet man als Kontrast, sie ist eine syntagmatische Beziehung.) Allophon: Ein Allophon ist ein Phon, das als Realisierung eines Phonems klassifiziert worden ist, also das, was man tatsächlich hört. Bsp.: Rad [r] : [R] keine Bedeutungsänderung, daher Allophone von gleichem Phonem; freie Varianz 16 Bsp.: [c] : [x] keine Freiheit gegeben; ergibt sich durch die lautliche Umgebung, durch die Kombination! Es gibt zwei Arten von Allophonen: Kombinatorische Allophone: die lautliche Umgebung entscheidet die Variante (Bsp.: Realisierung eines Phonems „r“); komplementäre Distribution, wo das eine vorkommt, kommt das andere nicht vor in der jeweils anderen Umgebung, kommt das andere vor Fakultative Allophone: unendlich Viele (Bsp.: [a:]); keine komplementäre Distribution, daher: freie Verwendung Syntagmatische Betrachtung: Wenn bestimmte Phoneme nebeneinander stehen, gibt es möglicherweise Beeinflussungen. Ein Phonem ist immer durch die lautliche Umgebung bestimmt. Es gibt Positionsbeschränkungen in den Sprachen, die aber sehr unterschiedlich sind. Bsp. /h/ tritt nie im Auslaut auf. /ng/ tritt im Anlaut nicht auf. /kt/ ist bspw. im Deutschen nicht möglich, im Russischen aber schon. ( vor allem in den slawischen Sprachen stehen Phoneme nebeneinander, die es im Deutschen nicht gibt.) Phoneme stehen üblicherweise in einer Opposition. Es kann aber sein, dass die Opposition in bestimmten Fällen neutralisiert wird. Wenn so ein Fall eintritt, spricht man von Neutralisierungen. Bsp.: Auslautverhärtung: (Auslautentstimmhaftung), die Phoneme /b/, /d/ und /g/ werden stimmlos gesprochen, wenn sie im Auslaut vorkommen. Bsp.: Bad [ba:t], Bades. /b/ : /p/; /d/ : /t/; /g/ : /k/ Das Ergebnis nennt sich Archiphonem. 6.2 Kontaktphänomene Das Aufeinandertreffen von Phonemen bewirkt, dass sich die Aussprache verändert. Von Assimilation spricht man, wenn zwei Laute aufeinander angeglichen werden; Bsp.: ahd. Namo (Name): Ableitung des Verbes nemnem (mit einem Namen per se) nennen. Hier treffen ein bilabialer und ein apikoalveolarer Nasal aufeinander. Es erfolgt eine Angleichung. Bsp.: germ. Lambiro (Lämmer) ahd. lembiro. Das a wird zum e, aufgrund von einer Assimilation. i e Es erfolgt hier eine Anhebung vom a zum e. a Dissimilation bedeutet unähnlich machen. Dabei handelt es sich also um das Gegenteil von Assimilation. Bsp.: lat. lilium span. Linio Metathese: Es kann auch sein, dass Lautfolgen umgedreht werden. Bsp.: Brunnen (Konsonant [r] + Vokal [u]) Born (Quelle); Bsp.: ahd. hros (Ross, Pferd) engl. horse 17 Haplologie: Bsp.: Zauberin statt Zaubererin bei 2 identischen Phonemfolgen, erfolgt häufig eine Einschränkung (das eine verschwindet). Interessanterweise erfolgt aber gerade beim Wort Haplologie keine Einschränkung. Sandhi ist eine wortübergreifende Assimilationserscheinung. Sie tritt nicht innerhalb des Wortes, sondern auf syntaktischer Ebene auf. Bsp.: Sie kann gut tanzen. Hier ist häufig nur noch ein t zu hören. Sandhierscheinungen werden im Deutschen nicht verschriftlicht, sondern wir schreiben die Wörter so auf, als stünden sie isoliert da. Bei der phonologischen Dekodierung werden solche Erscheinungen dann wieder rückgängig gemacht. Sanskrit: hier werden die auftretenden Sandhierscheinungen sehr wohl verschriftlicht. Man muss beim Lesen diese Assimilationen berücksichtigen. Die Wörter sind oft sehr lang und schwierig zu lesen. 7. Morphologie 7.1 Allgemeines / Begriffe Die Morphologie beschäftigt sich mit den kleinsten sprachlichen Einheiten / Zeichen, die eine Bedeutung tragen. Segmentieren: Bsp.: Hunde Hund – Hund = lexikalische Bedeutung, e = grammatikalische Bedeutung Bsp.: der Baum Baum = lexikalische Bedeutung, der = grammatikalische Bedeutung Genauso, wie es in der Phonologie Phoneme, Phone und Allophone gibt, gibt es in der Morphologie Morpheme, Morphe und Allomorphe: Morphem: kleinste bedeutungsunterscheidende sprachliche Einheit Morph: kleinste sprachliche Einheit (noch ohne Bedeutung) Allomorph: verschiedene Morpheme, die die gleiche Bedeutung tragen Bsp. dafür, dass es mehrere Möglichkeiten für den Plural gibt: Hund-e, Platte-n, Auto-s, Bahn-en, Wagen-0 An diesen Beispielen wird deutlich, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, eine grammatische Bedeutung auszudrücken. Es handelt sich bei diesen Pluralformen um Allomorphe ein und desselben Morphems. Bsp.: Lamm : Lämmer syntaktische Umgebung: singular : plural hier handelt es sich um lexikalische Morpheme Im Gegensatz zur Phonologie ist in der Morphologie die Zahl der Allophone begrenzt. Bsp.: die Kinder spielen Segmentieren: die - Kind-er - spiel-en; lexikalische Morphe sind also Kind und spiel; grammatische Morphe sind die, -er und -en 18 Es gibt also freie und gebundene Morpheme. Gebundene Morpheme sind nur Teil eines Wortes, freie Morpheme stehen alleine. Beispiele: Lexikalische Morpheme Grammatische Morpheme frei blau, Tisch, Stein, … gebunden Leut-, Him-, … genannt: unikale Morpheme die, der, das, und, bis, wenn, -en, -e, -te, … bei, … Es kann sein, dass ein und dasselbe Morph zu verschiedenen Morphemen gehört. So kann nämlich zum Beispiel die Endung -en eine Infinitivendung als auch eine Pluralendung sein. Solche Morphe werden als homonyme Morphe, also als jene mit gleicher Lautgestalt bezeichnet. Flexion (Beugung) von verschiedenen Wortformen, Bsp.: der Hund, des Hundes, …; reif unreif Wortbildung: Lehre der Bildung von neuen Wörtern aus bereits vorhandenen sprachlichen Material; Bsp.: Bahn Autobahn Sowohl durch die Flexion, als auch durch die Wortbildung folgt eine Veränderung am Ausdruckswort, aber in unterschiedlicher Weise. Bei der Flexion wird keine neue Bedeutung kreiert, die Bedeutung bleibt daher konstant. Bei der Wortbildung hingegen entsteht ein neues Wort. 7.2 Arten der Wortbildung Die Wortbildung ist die Bildung neuer Einheiten aus bereits vorhandenem, sprachlichem Material. o Komposition (Zusammensetzungen) Kompositum / Komposita o Derivation (Ableitung: Bildung von neuen Wörtern durch Prä- oder Suffixen Präfigierung und Suffigierung [Bsp.: sport-lich]) o Konversion (Überleitung in eine andere Wortwahl, ohne Veränderung [Bsp.: Kraft meiner Befugnis Kraft wird zur Präposition]) o Bildung von Kurzwörter o Abkürzungen o Reduplikationen o Kontamination Komposition: (Kompositum / Komposita) Wortbildung aus mehreren lexikalischen Morphemen. (Bsp.: Haustor: Haus = Bestimmungswort; tor = Grundwort) Arten der Komposition: Determinativkomposita (siehe unten) Korpulativkomposita (Bsp.: Dichterkomponist, nasskalt) 19 Bsp. für Determinationskompositum: Schiff; Dampfschiff (wird schon zum Kompositum gemacht – das „Dampf“ bezieht sich auf Schiff), Dampfschifffahrt („Dampfschiff“ bezieht sich auf „fahrt“), Donaudampfschifffahrt (bezieht sich auf „Donau“), Donaudampfschifffahrtsgesellschaft solche Komposita lassen sich immer zurückführen auf Grundwort + Bestimmungswort! Das „s“ ist ein sogenanntes Fugenelement (siehe unten). Eine Definition ist aber nicht immer klar. Bsp.: Fischfrau = Frau eines Fisches, Nixe, …?; Zeitungsleser: eindeutig; Alkoholfahrer = jemand, der mit dem Auto Alkohol fährt? Jemand, der besoffen Auto fährt? – nicht eindeutig Das Deutsche ist im Bilden von Komposita sehr vielfältig. Der Kontext macht schon viel wett. Untergattungen von Determinativkomposita: Endozentrische Determinativkomposita Exozentrische Determinativkomposita Haustor = Die Bedeutung des Kompositum liegt innerhalb in der Bedeutung des Grundwortes. Dabei spricht man von endozentrischen Determinativkomposita. Von exozentrischen Determinativkomposita hingegen spricht man, wen die Bedeutung des Kompositums außerhalb der Bedeutung des Grundwortes liegt (Bsp.: Rotkälchen). Bsp.: Hasenfuß = Fuß eines Hasen (endozentrisch), feiger Mensch (exozentrisch); Geizhals = geiziger Mensch (exozentrisch) Ein Fugenelement ist ein Element, das häufig zwischen zwei Teilen eines endozentrischen Kompositums steht Bsp.: Kindermantel, Fugenelement, Schweinsbraten, Sicherheits... Diese Fugenelemente gehen auf Flexionselemente zurück. Bsp.: Sicherheitsmaßnahme die Fugenelemente haben sich teilweise auch verselbstständigt; dieses s taucht bspw. in der Flexion gar nicht auf; Fugenelemente sind also auch oft regional bestimmt. Bsp.: Dampf0schiff = Zwischen den Komposita befindet sich ein Fugenzeichen, das null ist; Bsp.: Kinderbett – Kindbett Bedeutungsunterschied, wenn man das Fugenelement Null wählt. Derivation / Ableitung: Bei der Derivation finden Präfix- und Suffixbildungen statt. Bsp.: Präfixbildung: Ver-stand, er-leben, ver-gehen, ent-gehen, hinter-gehen, un-rund, ur-gut, Ur-hunger… gilt für Verben, Nomen, Adjektive; ur gilt als Augmentation; Bsp.: Suffixbildung: Lehrer-in, sport-lich, Heiter-keit, … 20 Der Unterschied bei der Präfix- und Suffixbildung wortartdeterminierend sind, Präfixe hingegen nicht. liegt darin, dass Suffixe Bsp.: Lehr (eigentlich verbaler Stamm), durch das „er“ wird daraus eine Person Nomen / Nomina agentis beschreiben jemanden, der etwas tut: Mal-er, Lehr-er, … Auch die Herkunft kann bezeichnet werden: Wien-er; auf Vorgänge bezogen: Fahr-er (Bedeutung: einen Fahrer im Heft machen) Das Affix ist der Oberbegriff für Präfix und Suffix. Es gibt auch noch das sogenannte Zirkumfix: Bsp.: Land Ge-länd-e es kommt sowohl ein Präfix als auch ein Suffix vor extrem selten, da bspw. un-sportlich kein Zirkumfix ist, weil es sich um eine Abfolge handelt: sport, sportlich, unsportlich. Bei Gelände ist das nicht möglich. Konversion: Bildung neuer Wortarten; mit dem Wort passiert nichts, es wird nur in eine andere Wortart geführt; Bsp.: Kraft (Substantiv) – kraft (Präposition) kraft meiner Befugnis; hoch – Hoch über dem Atlantik befindet sich ein Hoch; das Laufen, das Kochen, … Infinitive können ohne Probleme konvergiert werden Kurzworte / Abkürzungen: Bsp.: Ober(kellner), Akku(mulator), (Violon)Cello, (Omnis)Bus, PC, ARBÖ (wird ausgesprochen wie ein normales Wort), ÖAMTC (Buchstabennamen; wird buchstabiert), Schiri, … Reduplikationen: Reduplikationen sind Verdoppelungen. Bsp.: Mama, Papa, Wau-wau, Gaga, Plemplem; Ablautdoppelungen: Bimbam, Schnickschnack, … Kontamination: Bei der Kontamination verschmelzen zwei Wörter miteinander, Bsp.: Kurlaub, Milka (MilchKakao), Smog (Smoke, Fog) Beispiel für eine Prüfungsfrage: Entwickeln Sie das Wort Unzerstörbarkeit stufenweise. Wie kommt man von Simplex zu dem komplexen Wort? (Mehrfache Affigierung) Lexikalisches Element: stör- = Verb Präfix: zerstör- Suffix: zerstörbar (Adjektiv) (als Nächstes 2 Möglichkeiten: unzerstörbar oder Zerstörbarkeit – Geschmacksache) Präfix: unzerstörbar Suffix: Unzerstörbarkeit (Substantiv) Überlegen, ob Abfolge logisch ist! Bsp.: stör, störbar – gibt es nicht. Zwischenschritte müssen als neue Basis existieren Mannschaftsleitung: Wortbildungsart: Determinativkompositum; Mannschaft = Bestimmungswort, Mannschafts-Leitung Grundwort: Leitung; 21 8. Syntax 8.1 Das Wort Die Definition braucht man um zu wissen, ob es sich um ein freies oder ein gebundenes Morphem handelt. Dabei wird die Lautkette treffsicher in Wörter unterteilt: in der geschriebenen Sprache durch die Zwischenraume zu definieren (so funktioniert das Worterzahlen im Word), in der gesprochenen Sprache: schwierig über die Sprechpausen zu definieren (nicht alle Pausen fallen mit Wortgrenzen zusammen; oft werden kaum Pausen zwischen Wörtern gemacht) – dennoch ist das hilfreicher als andere Methoden. Akzente: in manchen Sprachen tragen immer bestimmte Silben eines Wortes einen Akzent – das hilft uns im Deutschen aber nicht (nicht jedes Wort wird deutlich akzentuiert – ein Satzakzent ist oft drübergelegt) letztlich kommt es auf die Bedeutung an. Heinz Vater: „Die Wörter 'singen' und 'sang' sind Formen eines Wortes.“ lexikalische Wörter: können je nach Flexion unterschiedliche Gestalt haben flexivische Wörter: Flexionen der lexikalischen Wörter (sang ist auch ein Wort, auch wenn nur singen einen Eintrag im Worterbuch hat) Bsp.: Ich begrüße Dich auf das herzlichste. Ich begrüße Dich aufs herzlichste. im ersten Fall: Sprachpause möglich; im zweiten Fall: keine Sprechpause möglich phonologische Wörter: auf das = zwei phonologische Wörter; aufs = ein phonologisches Wort Bsp.: Ich weiß, dass die Sonne im Westen untergeht. Die Sonne geht im Westen unter. Dabei handelt es sich um syntaktische Wörter: je nach der Satzstellung wird das Wort abgewandelt. 8.2 Allgemeines / verschiedene Definitionsansätze Die Syntax beschäftigt sich mit Verhältnissen auf der Satzebene; es kommen syntagmatische Aspekte zum Tragen. Was heißt syntagmatische Betrachtungsweise? Bei syntagmatischen Relationen werden Relationen von benachbarten Elementen (hier: auf der Satzebene) untersucht. (un-)grammatisch : (in-)akzeptabel Der Begriff „grammatisch“ bezieht sich auf die Korrektheit im Sinne der Regeln einer bestimmten Einzelsprache, z.B.: Ich habe meinen (statt: meinem) Nachbarn geholfen. Der Begriff „akzeptabel“ bezieht sich auf die Dekodierbarkeit, anders gesagt auf die Verständlichkeit. Sehr verschachtelte Sätze sind z.B. grammatisch, aber nicht mehr dekodierbar, also inakzeptabel. Man kann einen nicht wohlgeformt grammatischen Satz vielleicht trotzdem noch verstehen, er ist also möglicherweise noch akzeptabel. 22 Mittlerweile gibt es wohl an die 500 Definitionen für einen Satz. Jede Definition ist von irgendeiner Seite angreifbar, weil Sätze so komplex sind, was aber nicht heißt, dass man die Definition komplett aufgeben muss. Beispiele für Definitionsansätze: „Ein Satz ist die größte Einheit, die man mit den Regeln der Syntax erzeugen kann.“ (ziemlich allgemein; hierarchisch steht der Text über dem Satz) „Sätze sind Gebilde, die ein finites Verb enthalten.“ (Finitum = Personalform, z.B. Er hat mich gesehen. hat Finitum. Man spricht dann von Satzäquivalenten, wenn es um Gebilde geht, die eben noch nicht ganze Sätze sind. „Vor dem Öffnen Stecker ziehen“ – darin steckt kein finites Verb, daher handelt es sich um ein Satzäquivalent. „Sätze sind relativ selbstständige abgeschlossene Einheiten.“ Man kann sie verstehen als Formeinheit, als Sinneinheit16 und Intonationseinheit. Intonation = Tongebung. „Sätze haben ein Subjekt und ein Prädikat“ (Bsp.: „Mir graut vor dir“ Subjekte tragen ja den Nominativ, gibt es hier nicht.) 8.3 Intonationseinheit Im Deutschen gibt es auf der Satzebene drei Möglichkeiten der Satzintonation. Erklärung: Man hat einen längeren Text, anhand des Melodieverlaufs soll man segmentieren können, wo die Sätze zu Ende sind. Funktioniert zwar theoretisch gut, praktisch aber nicht. Bsp.: „Ich konnte nicht kommen. Ich war krank.“ Warum erkennt man, dass das zwei Sätze sind? Am Satzende fällt der Ton. (terminale Satzmelodie) Bsp.: „Kannst du mich morgen besuchen?“ Hier ist die Satzmelodie steigend (interrogativ). Ein Hauptsatz wird von einem Nebensatz gefolgt oder ein Nebensatz von einem Hauptsatz. In dieser Fuge tut sich nichts. „Ich konnte nicht kommen, weil ich krank war.“ Weder fallend, noch steigend. Am Ende natürlich fallend, aber an der Stelle hat man keine Tonbewegung. Das nennt man weiterführend bzw. progredient. Terminale Intonation: bei Aussagesätzen Steigende Intonation: bei Entscheidungsfragen und bei manchen Fragesätzen Fallende Intonation: bei Entscheidungsfragen 8.4 Formeinheit Bei der Formeneinheit erkennt man schon an der Form, dass es sich um einen Satz handelt. Im Deutschen gibt es die Satzklammer, den Satzrahmen. Was ist mit Satzklammer gemeint? 16 auf Semantik bezogen: Auch Ein-Wort-Sätze (Hilfe! Feuer!) gelten als Sätze! 23 Bsp.: „Ich kann mich noch sehr gut an dich erinnern.“ „Ich kann mich, obwohl wir uns schon lange nicht gesehen haben, sehr gut an dich erinnern.“ Den Mittelteil kann man ausdehnen, trotzdem bleibt „kann“ an zweiter und „erinnern“ an letzter Stelle des Satzes. Das geht aber nicht immer, wie z.B. bei: „Peter schläft.“ In diesem kurzen Satz gibt es keine Formeinheit. Deutsche Sätze lassen sich auf drei Arten schematisch festhalten. Dabei kommt es auf die Stellung des finiten Verbes an. Kernsatz: Finitum an zweiter Stelle. (Bsp.: Ich kann mich an sie erinnern.) Stirnsatz: Finitum an erster Stelle. (Bsp.: Kannst du dich an sie erinnern?) Spannsatz: Finitum an letzter Stelle. (Bsp.: Ich glaube, dass du dich an sie erinnern kannst.) Es gibt drei Arten, wie man Sätze analysieren kann: Konstituentenstrukturgrammatik Dependenzgrammatik Generative Grammatik17 8.5 Konstituentenstrukturgrammatik Die Konstituentenstrukturgrammatik ist eine Grammatik, die von folgender Frage ausgeht: Wie sind Sätze bezüglich des Baus hierarchisch gefügt? Es wird gefragt, in welche Bestandteile/Konstituenten sich Sätze stufenweise zerlegen lassen. Beispiel: „Der Hund bellt.“ Zwei Konstituenten: der Hund; bellt. „Der Hund“ ist die Nominalphrase und „bellt“ ist die Verbalphrase. Man kann „Hund“, also die Nominalphrase, weiterzerlegen in Determinal (Artikel) und Noun (Substantiv). Die Verbalphrase kann man in den Verbstamm (bell) und die Konjugationsendung (t) zerlegen. Die Konstituente ist eine sprachliche Einheit, die Teil einer größeren Einheit ist. (Der Hund ist beispielsweise eine Konstituente des ganzen Satzes.) Die Nominalphrase ist eine Konstituente des ganzen Satzes. Man spricht hier von IC-Analyse (= immediate constituents). In der Verbalphrase können also noch weitere Nominalphrasen auftauchen. Beispiel: „Der Kellner bringt ein Bier.“ Die Verbalphrase ist in diesem Fall: „bringt ein Bier.“ Die Konstituentenstrukturgrammatik möchte also den hierarchischen Bau von Sätzen erklären. 17 Auf die generative Grammatik wird hier nicht näher eingegangen; sie ist auch nicht Prüfungsstoff. 24 8.6 Dependenzgrammatik Die Dependenzgrammatik beschäftigt sich mit der Frage, was in einem Satz in welcher Weise wovon abhängt? Regens (Regentien): Das „Regierende“ – ist das, wovon etwas abhängt Dependens (Dependentien): Das, was vom Regens abhängt Bsp.: Vater schläft. schlafen = Regens, Vater = Dependens Ein Dependens kann wiederum Regens für ein weiteres Dependens sein. Bsp.: Peter will eine Torte essen. wollen Peter essen eine Torte In der Dependenzgrammatik unterscheidet man: Valenz / Wertigkeit: Die Valenz ist die Eigenschaft von sprachlichen Elementen / Einheiten, syntaktische Leerstellen zu eröffnen, die dann zu füllen sind. (In erster Linie ist die Valenz bezogen auf Verben, aber auch andere Wörter haben eine Valenz! Bsp.: Ähnlichkeit / ähnlich) Aktant / Ergänzung: Als Aktant werden jene Elemente bezeichnet, die diese Leerstellen füllen. (freie) Angabe: Als freie Angaben bezeichnet man Elemente, die nicht vom Verb determiniert sind. Freie Angaben sind syntaktisch weglassbar, kommunikativ aber nicht. So ist es wohl ein Unterschied, ob man bspw. sagt: Ich liebe dich / Ich liebe dich nicht. Es werden drei Arten von Valenz unterschieden, die aber immer alle berücksichtigt werden müssen: Quantitative Valenz Qualitative Valenz Semantische Valenz18 Quantitative Valenz: Der Index zeigt an, wie viele Ergänzungen die Verben brauchen. Beispiele: regnen0 (bei Witterungsverben immer 0) – Es regnet. es = formaler Aktant gähnen1; haben2; legen3 18 Kommt nicht zur Prüfung. Auf sie wird im Folgenden daher nicht näher eingegangen. Siehe dazu auch Patocka, Franz „Traditionelle und dependenzielle Syntax“ (1997), Seite 16 ff. 25 einkaufen1+(1)=2 – Ich kaufe (Brot) ein eine Leerstelle muss ausgefüllt werden, die andere Leerstelle (Brot) muss nicht ausgefüllt werden = obligatorische Aktanten + fakultative Aktanten bringen2+(1)=3: Ich bringe (dir) Brot. obligatorisch: 2-wertig, fakultativ: 3-wertig spielen1+(3)=4: Ich spiele (mit meinem Freund um viel Geld Poker). Man unterscheidet also zwischen: obligatorische Aktanten: Leerstellen, die ausgefüllt werden müssen (werden als Index angeschrieben) fakultative Aktanten: Leerstellen, die ausgefüllt werden können, aber nicht müssen (werden als Index in Klammer angeschrieben – der Wert wird zusammengezählt; der Gesamtwert ist die Anzahl der fakultativen Aktanten!) Qualitative Valenz: Die qualitative Valenz ist ebenso wichtig wie die quantitative Valenz. Hier kommt es auf die richtige Wortart, den richtigen Kasus, etc. an. Beispiele: einkaufen1+(1)=2 Sn, (Sa) wollen2 Sn, I Tabelle19: Sn = Substantiv im Nominativ Sa = Substantiv im Akusativ I = Infinitiv Auch die Bedeutung muss stimmen, da oftmals ein und dasselbe Wort andere Bedeutungen haben kann. Bsp.: Ich lege das Buch auf den Tisch. Die Henne legt ein Ei. 9. Text Texte können auch mündlich realisiert sein, müssen nicht immer schriftlich verfasst sein. Ein Text muss nicht unbedingt mehrere Sätze haben. In einem Text sollten die einzelnen Elemente sinnvoll aufeinander bezogen sein. Der Text hat einen Anfang und ein Ende, dazwischen ist er strukturiert. Ein Text ist also prozesshaft, ein Text entsteht, genannt „prozedurale Textlinguistik.“ 19 Die vollständige Tabelle findet sich in Patocka, Franz „Traditionelle und dependenzielle Syntax“ (1997), Seite 14. 26 9.1 Prozedurale Textlinguistik Im Jahr 1981 präsentierten die wohl bekanntesten Vertreter der prozeduralen Textlinguistik, Beaugrande und Dressler ein Textverarbeitungsmodell. Laut ihnen müssen sieben (Textualität)Merkmale erfüllt sein, damit ein Text kommunikativ ist und überhaupt als Text gelten kann. (Erfüllt ein Text eines oder mehrere dieser Merkmale nicht, so liegt ein NichtText vor). Diese sieben Merkmale sind: Kohärenz, Kohäsion, Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität, Situationalität und Intertextualität. 1. Kohärenz: Damit wird der semantische und pragmatische Zusammenhang eines Textes bezeichnet, also der inhaltliche und logische Aufbau. 2. Kohäsion: Sie bezieht sich auf die grammatischen Abhängigkeiten des Textes, also auf den formalen Aufbau. Dabei handelt es sich um grammatische Kongruenz (Übereinstimmung von Person, Zahl und Zeit), Tempus, aber auch um die Zusammenhänge wie Wiederholungen und Umschreibungen. Ein kohäsives Mittel wären z.B. folgende Sätze: „Mein Nachbar ist betrunken. Das riecht man schon. „Das“ nimmt den vorigen Satz wieder auf. 3. Intentionalität: Darunter versteht man die kommunikative Absichten / Vorhaben des Produzenten. 4. Akzeptabilität: Die Akzeptabilität meint die Einstellung des Textrezipienten, der einen kohärenten und kohäsiven Text erwartet. 5. Informativität: Sie bestimmt das Ausmaß des im Text dargebotenen, für den Rezipienten unbekannte Material. Die Informativität ist also auch das Verhältnis zwischen Bekannten und Unbekannten sowie Erwartetheit und Unerwartetheit. Ein Text kann dadurch nicht kommunikativ werden, indem er zu wenig enthalt, das für den Rezipienten unbekannt ist oder indem zu viele unbekannte Elemente vorkommen. Ein Text hat normalerweise unterschiedliche Informativitätsgrade: ein Text ist gelungen, wenn es ein stabiles Verhältnis zwischen Altem und Neuem gibt. Neue Elemente fordern den Rezipienten, da mehr Aufmerksamkeit erforderlich ist. Es werden drei Stufen angenommen (niedrig–mittel–hoch), wobei die mittlere angestrebt wird. Informativität ist keine feste Größe, sie kann sich im Kommunikationsverlauf ändern. Hoch ist die Informativität, wenn etwas völlig Unerwartet ist (z.B.: „Das Meer besteht nicht aus Wasser.“), also wenn man damit noch nichts anfangen kann. Diskontinuität bedeutet, dass dem Rezipienten das Material fehlt, um einen Zusammenhang herstellen zu können. Diskrepanz: der Rezipient hat ein anderes Weltwissen als der Textbestandteil. Bei einer niedrigen Informativität ist man geneigt den Text aufzuwerten (z.B.: „Mein Hund ist ein Hund.“) und sucht beispielsweise nach anderen Bedeutungsmöglichkeiten (Aufwertung nach oben) bzw. hofft auf den weiteren Textverlauf (Aufwertung nach vorne) bzw. man nimmt an, dass Blödsinn gesagt wurde, weil der Redner alkoholisiert ist (Aufwertung nach außen) – man sieht hier schon, dass der Rezipient immer an der Textentstehung beteiligt ist. 6. Situationalität: Sie umfasst jene Faktoren, die einen Text relevant machen, etwa Ort und Zeit, Gesprächspartner, soziale Rollen, Zwecke usw. Wesentlich sind Bedeutung, Gebrauch und Form eines Textes, die durch die Situation festgelegt werden. (Bsp.: Texte an der Uni sind anders, als Texte im Freundeskreis.) 27 7. Intertextualität: Sie betrifft die Faktoren, die die Verwendung eines Textes, seine Produktion und Integration vom Wissen der Kommunikationsteilnehmer über vorher aufgenommene Texte abhängig machen. 9.2 Verflechtungsrichtungen Beschreibungsmöglichkeit von Kurztexten: (1) Bei Versuchen mit Neugeborenen kam Dr. Celements aus London zu folgender Erkenntnis: (2) Dem Türenschlagen und ähnlichen Geräuschen schenken die Sprösslinge keinerlei Beachtung. (3) Gänzlich anders verhalten sie sich jedoch, wenn ihnen Platten mit klassischer Musik vorgespielt werden. (4) Vivaldi und Mozart bereiten den Babys besonderes Vergnügen. (5) Vor allem die Flötentöne – dabei lächeln sie. Man unterscheidet zwischen folgenden Verflechtungsrichtungen: anaphorischer Textvertretung: (rückwärts weisend) Wiederaufnahme von etwas, was vorher schon genannt wurde. [Bsp.: Synonyme: Babys – Sprösslinge, sie, ihnen] Anaphorische Elemente stehen bevorzugt am Anfang, also im Vorfeld, oder direkt hinter dem Verb. Die einfachste Form der anaphorischen Textvertretung ist die Wiederholung. kataphorische Textvertretung: (vorwärts weisend), etwas, was erst genannt wird. [Bsp.: folgende Erkenntnis] Kataphorische Elemente stehen bevorzugt weiter hinten. Bsp.: „gänzlich anders“ trifft auf beide Textvertretungen zu. „Klassische Musik“, „Vivaldi“, „Mozart“, „die Flötentöne“ sind Unterbegriffe. 10. Semantik Die Semantik (Bedeutungslehre) beschäftigt sich mit der Bedeutung der Wörter. 20 Man unterscheidet in der Semantik zwischen Denotation und Konnotation. Denotation: Kontextunabhängige, konstante Grundbedeutung eines Ausdruckes Konnotation: Kontextbezogene Bedeutungskomponenten, die die Grundbedeutung überlagern (Bsp.: Weib im Gegensatz zu Frau: Weib wird heutzutage negativ aufgefasst.) Die Konnotationen unterscheidet man zu den Assoziationen, weil Konnotationen an eine Gegebenheit und an das sprechende bzw. hörende Individuum gebunden sind. Bsp.: Haifisch: Es schwingt in dem Begriff mehr mit, als das eigentliche Wort ausdrückt, nämlich Eigenschaften wie gefährlich und blutrünstig, als einfach nur: Bei dem Haifisch handelt es sich um ein Lebewesen, das im Wasser lebt, etc. 20 Es gibt aber auch andere Arten der Semantik, wie etwa die Satzsemantik. Das Folgende bezieht sich aber auf die Wortsemantik. 28 Erinnerung: Zeichenmodell Ferdinand de Saussure Inhalt (signifiè) Ausdruck (signifiant) Onomasiologie: Man geht vom Inhalt aus und gelangt so zum Ausdruck. Semasiologie: Man geht vom Ausdruck aus und gelangt so zum Inhalt. (Bsp.: Wörterbuch) Jede Bedeutung ist strukturiert. Die Zeichen stehen nicht isoliert da, sondern sind in ein System eingebettet. Sie sind abgrenzbar. Als Beispiel: belebt menschlich männlich jung Greis + + + - Welpe + 0 + Mädchen + + + Solche Eigenschaften bezeichnet man als Sem. Zwischen Ausdruck und Inhalt sollte eine 1:1 Relation herrschen. Dabei spricht man von reziproker Evokation. Diese 1:1 Relation ist aber nicht immer gegeben. Es werden drei Typen unterschieden: Homonymie: Sie liegt vor, wenn ein Ausdruck verschiedene Bedeutungseinheiten / Inhalte haben kann. (Bsp.: Ball = Sportgerät, Tanzveranstaltung; sieben = Verb von Sieb, Zahl) o Homophonie: Ausdrucksgleichheit in Bezug auf die Lautkette (Bsp.: Lerche : Lärche; Leib : Laib) o Homographie: etwas wird gleich geschrieben, allerdings erfolgt eine andere Aussprache. (Bsp.: umfahren, modern, Druckerzeugnis) Synonymie: es gibt verschiedene Ausdrücke, die einem Inhalt zuzuordnen sind (Bsp.: Eckstoß, Eckball, Corner). 100%ige Synonymie gibt es sehr selten. Regionale Unterschiede, stilistische Unterschiede, Unterschiede betreffend die Aktualität, … Polysemie: Ist mit der Homonymie verwandt. Bsp.: Feder, Rolle, Haupt, … Hängt mit der Grundbedeutung zusammen. Bsp.: Theaterrolle hat sich aus der Rolle entwickelt, weil ein Text aus einer Rolle gelernt wurde. (Der oben genannte Begriff Ball zählt zur Homonymie und nicht zur Polysemie, da er nicht hergeleitet werden kann.) 29 11. Pragmatik Die Pragmatik untersucht den Sprachgebrauch. Sie ist eine relativ junge Disziplin, die sogenannte pragmatische Wende fand erst in den 1960er Jahren statt. Sprechakttheorie: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch (Ludwig Wittgenstein). John Austin und John Searle haben darauf aufgebaut und die sogenannte Sprechakttheorie gebastelt. Bei jeder Äußerung passiert eine sprachliche Handlung. (Bsp.: Das Fenster ist offen. Bedeutung: Man will, dass jemand das Fenster schließt; Warnung, …) Je nach Situation unterschiedlich. Man unterscheidet 3 Sprechakte: lokutionärer Akt: Akt des Sprechens, Akt der Äußerung eines Sachverhaltes illokutionärer Akt: das eigentliche Herzstück: Das Ziel / der Zweck der Aussage perlokutionärer Akt: Folgewirkung der Äußerung Bsp.: Das machst du sehr gut. (lokutionär) Lob (illokutionär) Freude (perlokutionär) Indirekte Sprechakte drücken eben nicht das aus, was gesagt wird. (Bsp.: Könntest du mir bitte das Salz reichen? Weißt du wie spät es ist?) Konversationsmaximen: Paul Grice hat sich mit Konversationsmaximen beschäftigt. Sie hängen mit dem kommunikativen Handeln zusammen. Dabei handelt es sich um Elemente bzw. Grundsätze, die die Kommunikation steuern. Werden diese Maxime eingehalten, ist die Kommunikation gelungen, ansonsten ist die Kommunikation gefährdet oder gar gescheitert. Das „Motto“ dieser Maxime lautet: Gestalte deinen Beitrag so, wie es gegenwärtig erfordert ist. Grice unterteilt in: Maxime der Qualität: Versuche, deinen Beitrag wahr zu gestalten. Sage nichts, was du für falsch hältst. Sage nichts, wofür du keinen Beweis hast. Maxime der Quantität: Gestalte deinen Beitrag so informativ wie notwendig. Maxime der Relation: Mach deinen Beitrag relevant. Maxime der Modalität: Sei klar, vermeide Mehrdeutigkeiten und Unklarheiten. Der Normalfall ist natürlich jener, dass der Hörer davon ausgeht, dass der Sprecher alle diese Maxime beachtet. 12. Sprachliche Variation - Varietäten Unter Varietät versteht man verschiedene Ausprägungen von Sprache aufgrund von nichtsprachlichen Kriterien. Dazu zählen etwa Dialekte, Regiolekte, regionale Umgangssprachen etc. 30 Kriterien, nach denen Sprache variiert: diatopisch: regionale Variation, also Raumgebundenheit von sprachlichen Erscheinungen (Bsp.: Dialekt) diastatisch: abhängig von der sozialen Schicht diaphasisch: Sprache variiert in Abhängigkeit von der Generationszugehörigkeit diasituativ: je nach Situation unterschiedlich (Bsp.: Man spricht mit Freunden anders als mit den Eltern) Dialekte – Standardsprache Verwendungsbereich: Die räumliche Erstreckung ist größer, je mehr man sich der Standardsprache annähert. Wenn man von Basisdialekt spricht, so ist das ein Dialekt, der die ältere Generation betrifft. Der Unterschied zwischen Dialekt und Standardsprache liegt darin, dass Standardsprache standardisiert ist, man siehe bspw. Wörterbücher. Standardsprache ist nicht dasselbe wie Schriftsprache. Schriftsprache ist nämlich immer geschrieben. Die Standardsprache ist im Prinzip nichts anderes als die mündlich realisierte Schriftsprache. Standardsprache hat folglich ein kodifiziertes System. Zur räumlichen Erstreckung bzw. zur kommunikative Reichweite: Es geht dabei um die uneingeschränkte Verstehbarkeit. Dialekte und Basisdialekte haben daher natürlich eine engere Reichweite. Die Hochsprache hingegen hat die maximale Reichweite ohne Einbußen. Die Umgangssprache hat dialektale Merkmale, allerdings sind diese von Raum zu Raum unterschiedlich. Dennoch ist die Ausrichtung auf den Standard gegeben. Als Beispiel: Mein Vater sagte [Standardsprache]. Mein Vater hat g’sagt [Umgangssprache]. Die Ausrichtung auf den Standard ist zwar gegeben, allerdings gibt es doch eine deutliche Abweichung. Typische Dialektsprecher sind ältere Personen mit geringerer Mobilität, Bauern, Handwerker, Personen mit geringerer Schulbildung, ... Typische Standardsprecher sind Menschen aus der sozialen Mittel- und Oberschicht. Natürlich trifft das nicht auf das einzelne Individuum zu. Mit der sogenannten Defizithypothese versucht man nachzuweisen, dass der Dialekt über defizitäre sprachliche Strukturen und Möglichkeiten im Vergleich zur Standardsprache verfügt. Die Differenzhypothese hingegen beschreibt wertfrei bestimmte Unterschiede, geht aber bei Dialektsprechern nicht von Einbußen in der Kommunikation aus. Zum Beispiel wird in der Schweiz ein flächendeckender Dialekt gesprochen. Das heißt aber nicht, dass die Schweizer keine wissenschaftlichen Gespräche fuhren können. Es gibt Regeln, in denen festgelegt ist, wie man vom Dialekt zur Umgangssprache wechseln kann: Zwischen Dialekt und Regiolekt etc. gibt es natürlich weniger Regeln, die dazwischen liegen, als zwischen Dialekt und Standardsprache. Diese Regeln bleiben aber sehr modellhaft, denn niemand wendet die Regeln bewusst an. Auch kann mit solchen Regeln kein Dialekt erlernt werden.