FVGe in Framenet

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Seminar FVG : Framenet
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Analyse von Stützverbkonstruktionen im Rahmen der
Frames-Semantik
Analysen, die mit semantischen Aktanten operieren - wie die bereits besprochene Analyse von
Melchuk - assoziieren mit einem gegebenes Verb bzw. prädikatives Nomen eine Reihe von
Mitspielern, denen semantische Rollen aus einem vordefinierten Repertoire solcher Rollen
zugewiesen werden.
Die Frame-Semantik ist ein Ansatz zur semantischen Beschreibung lexikalischer Einheiten
durch Herstellung eines Bezugs auf eine formale Darstellung von komplexen konzeptuellen
Strukturen, sogenannten Frames, die Konzepte von Handlungen, Situationen und Zustände
darstellen (s. Fillmore/Johnson/Petruck 2003).
Im Gegensatz zu Melchuks Lexikongrammatik beschränkt sich der Frames-Ansatz auf die
Kodierung zweier Ebenen – die Frames auf der Ebene der semantischen Beschreibung und die
tatsächlich sprachliche Realisierung.
Der Ansatz ist hier vor allem erwähnenswert, weil im Rahmen von Framenet auch
Funktionsverbgefüge analysiert wurden, wobei die Autoren hier mit dem Begriff "support
verb"/Stützverb operieren. (Fillmore/Johnson/Petruck 2003 : 243f, Atkins-Fillmore-Johnson
2003: 270). Es wird auch explizit Bezug genommen auf die Definition des Begriffs durch Gross
(Atkins-Fillmore-Johnson 2003: 280, Anm. 6), und auch auf die Melchukschen lexikalischen
Funktionen wird hingewiesen (Fillmore/Johnson/Petruck 2003: 250, Anmerkung 5,
Atkins/Rundell/Sato 355f. )
Die Framenet-Definition von Funktionsverben ist die folgende:
Support verbs occur in sentences in which the main semantic frame is introduced not by a
verb, but by a noun or other part of speech. Their major function is to provide a
grammatical structure within which an FE [Frame element] of the main frame-bearing word
can be expressed. Notice that sentences with target nouns and support verbs can often be
paraphrased with simple verbs (Atkins-Fillmore-Johnson 2003: 270)
Weiter unten (271f) gehen dies Autoren auch auf Konstruktionen ein, bei denen noch eine
Präposition in Spiel kommt (to be at risk/in danger), und bezeichnen die Präposition in diesem
Fall als "support preposition".
Wie wird nun eine Stützverbkonstruktion im Rahmen des Framenet-Modells analysiert?
Hier als Beispiel die Analyse der Konstruktion "have an argument" (einen Streit haben) nach
Atkins/Fillmore/Johnson 2003: 354f.
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Zunächst muss der zum Konzept "argue/argument" gehörige Frame betrachtet werden:
QUARREL
frame
Definition:
Two (or more) people engage in a verbal disagreeement. This frame is a blend of the
Conversation frame and the Fighting frame
FE (Frame element)
Beschreibung
Beispiele
Interlocutor_1
Interlocutor_1 is the more
prominent party in a verbal
disagreement
The president
DISAGREED with his top
advisors
Interlocutor_2
Interlocutor_2 is the less
prominent party in a verbal
disagreement (when the
parties are expressed
disjointly)
The president
DISAGREED with his top
advisors
Interlocutors
Interlocutors are both (or all) The president and his
parties in a verbal
advisors ARGUED briefly
disagreement, if the parties are before the summit
expressed jointly ...
The lawyers
BICKERED before the trial
...
Topic
Topic is the subject matter of They had a QUARREL
the verbal interaction (this role about the seating order
is expressed by many
We alway ARGUE
predicators associated with the
about money
communication frame)
Lexical Units: atercation.n, argue.v, argument.n, bicker.v. disagreement.n, dispute.v ...
quarrel.v
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Wesentlich ist hier v.a. die erste Spalte (Frameelemente) und die Aufzählung der lexikalischen
Einheiten, die diesen Frame enkodieren können. Erstere sind die Einheiten, die in
Lexikoneinträgen zur Beschreibung der Valenz herangezogen werden, die letzteren sind die
Valenzträger. Es fällt sofort auf, das unter den Valenzträgern sowohl prädikative Nomina als auch
Verben angegeben sind.
Nachfolgend die Beschreibung eines Valenzrahmens von "argue" mit Bezug auf den oben
genannten Frame (nach Atkins/Rundell/Sato 350):
Interlocutor_1
TARGET
Topic
Interlocutor_2
NP.Ext
argue.V
NP.Comp
PP_with.Comp
Als Beispiel für eine Instantiierung dieses Eintrags wird der Satz "You can't argue politics with
foreigners" angegeben.
(nach Atkins/Fillmore/Johnson 2003: 258)
(Ext steht hier für "external argument", ein Argumenttyp, der u.a. Subjekte einschließt, Comp
steht für "complement". Die syntaktische Klassifikation der syntaktischen Mitspieler des
Valenzträgers soll hier allerdings zunächst nicht weiter problematisiert werden)
Man sieht, dass für im obigen Frame genannten semantischen Mitspieler hier die syntaktische
Instantiierung angegeben wird; das Lexem, das den Frame selbst instantiiert – also aus der Liste
"Lexical Units" im der Framespezifikation stammt, wird als "TARGET" bezeichnet.
Aus diesem Beispiel wird deutlich, dass die Frame-Semantik in erster Linie ein Formalismus
zur Beschreibung der lexikalischen Realierung von komplexen Konzepten (der Frames) und der
syntaktischen Realisierung semantischer Mitspieler (Frame elements) dieser Konzepte ist. Durch
die Zuordnung von den TARGET genannten Lexemen zu Frames, wird zudem partielle und
vollständige Synonymie zwischen den Valenzträgern kodiert.
Damit eignet sich der Ansatz hervorragend zur formalen Analyse von Stützverbkonstruktionen denn hier geht es ja gerade um die Darstellung der syntaktischen Realisierung der semantischen
Mitspielern von Valenzträgern, den Nomina. Wie in der Darstellung des Frames "quarrel" bereits
zu sehen ist, werden Nomina, die das Konzept des Frames als TARGET instantiieren können,
bereits in der Liste der lexikalischen Einheiten aufgeführt.
Wie wird nun eine Stützverbkonstruktion konkret kodiert? Hier die Valenzbeschreibung der
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Stützverbkonstruktion "have an argument"
Interlocutor_1
Support-Verb
TARGET
Interlocutor_2
Topic
NP.Ext
have.V
argument.N
PP_with.Comp
PP.about
(nach Atkins/Fillmore/Johnson: 261)
Hier wird folgendes deutlich:
Stützverbkonstruktionen werden in ähnlicher Weise kodiert wie Konstruktionen mit Vollverb.
Die semantischen Rollen der Komplemente werden allerdings nicht vom Stützverb induziert,
sondern bezogen auf diejenigen semantische Einheiten (FEs), die aus dem Frame stammen, den
das prädikative Nomen kodiert; d.h. das prädikative Nomen wird als TARGET kodiert, der die
semantischen Mitspieler bestimmt. Die syntaktische Realisierung wird für die
Stützverbkonstruktion als Gesamtes kodiert.
1.1
Vergleich der Ansätze
Melchuk kodiert Stützverbkonstruktionen in Form lexikalischer Funktionen, d.h. durch die
formale Zuordnung eines Stützverbs zu einem prädikativen Nomen. Die syntaktische
Beschreibung der Konstruktion erfolgt durch den Bezeichner für die Funktion - OPER, FUNC
oder LABOR und die Indizes, die die Funktionen erhalten. Durch den Namen der lexikalischen
Funktion wird kodiert, als welches Komplement das Nomen realisiert wird; während durch die
der Funktion hinzugefügten Indizes festgelegt wird, welche "tiefensyntaktischen Aktanten" des
prädikativen Nomens als welches oberflächensyntaktische Komplement realisiert werden.
Im Frame-Ansatz werden die Eigenschaften von Stützverbkonstruktionen in Form eines
Valenzrahmens der Konstruktion kodiert. Das prädikative Nomen wird durch die Bezeichnung
TARGET als semantischer Valenzträger der Konstruktion markiert wird. Damit wird der dem mit
Nomen (und nicht der dem Stützverb) assozierte Frame der Konstruktion zugeordnet. Die
realisierten Frame-Elemente (also konzeptuelle Mitspieler) sind also diejenigen des Nomens. Ihre
Realisierung auf der Ebene der Syntax wird durch die syntaktische Kodierung im Valenzrahmen
kodiert – dies entspricht im Modell Melchuks der Zuweisung von syntaktischen Slots an die
tiefensyntaktischen Aktanten des Nomens durch die Indizes. Im Valenzrahmen wird im FrameAnsatz auch kodiert, welchen syntaktischen Status das prädikative Nomen innerhalb der
Konstruktion hat – dies entspricht bei bei den lexikalischen Funktionen der Bezeichnung der
Funktions selbst – OPER etwa kodiert die Realisierung des prädikativen Nomens als direktes
Objekt des Stützverbs.
Das Frame-Modell ist nicht, wie Melchuks Lexikongrammatik, ein dreistufiges Modell; es gibt
daher keine Entsprechung für die tiefensyntaktischen Aktanten. Da diese bei Melchuk aber als
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sprachliche Instantiierungen der Argumente als Beschreibungseinheiten auf semantischer Ebene
zu sehen sind, lassen sich beide Ansätze doch ohne weiteres vergleichen. Sieht man von dem
leicht unterschiedlichen theoretischen Ansatz und der starken Differenz in der linguistischen
Terminologie ab kommt man zu dem Ergebnis, dass beide Analysen semikompositioneller
verbonominaler Konstruktionen von derselben Grundidee ausgehen:
•
In einer Stützverbkonstruktion ist das Nomen der Träger der semantischen Valenz
•
Das prädikative Nomen selbst wird syntaktisch als Komplement des Verbs realisiert
•
Das Stützverb bestimmt ganz oder teilweise die syntaktische Realisierung der Argumente
•
Es ist eine systematische (formale) Abbildung von semantischen Mitspielern des
prädikativen
Nomens
auf
oberflächensyntaktische
Komplemente
der
Stützverbkonstruktion möglich
•
Voraussetzung der Kodierung der Stützverbkonstruktion ist die Erfassung der
semantischen Valenz des prädikativen Nomens
Eine wichtige Einschränkung beider Ansätze ist, dass sie nur dazu geeignet sind, echt
semikompositionelle Konstruktionen zu behandeln. Lexikalisierte Stützverbkonstruktionen
werden nicht abgedeckt - bzw. lassen sich in dem Moment nicht mehr behandeln, wo durch den
Lexikalisierungsprozess der semantische Valenzrahmen des prädikativen Nomens nicht mehr in
der Gesamtkonstruktion festzumachen ist.
Atkins, S., Fillmore, C. J. , & Johnson, C. R. (2003). Lexicographic Relevance - Selecting
Information from Corpus Evidence. International Journal of Lexicography, 16(3), 251-280.
Atkins, S., Rundell, M. , & Sato, H. (2003). The Contribution of Framenet to Practical
Lexicography. International Journal of Lexicography, 16(3), 333-357.
Baker, C. F., Fillmore, C. J. , & Cronin, B. (2003). The Structure of the Framenet Database.
International Journal of Lexicography, 16(3), 281-296.
Fillmore, C. J., Johnson, C. R. , & Petruck, M. R. L. (2003). Background to Framenet. International
Journal of Lexicography, 16(3), 235-250.
Fillmore, C. J., Petruck, M. R. L., Ruppenhofer, J. , & Wright, A. (2003). Framenet in Action - the
Case of Attaching. International Journal of Lexicography, 16(3), 297-332.
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