„Auf Wiedersehen über den Sternen!“ „Na svidenje nad zvezdami

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„Auf Wiedersehen über den Sternen!“
„Na svidenje nad zvezdami!“
Briefe aus Widerstand und
Verfolgung unter dem NS-Regime
in Kärnten
Herausgegeben von Wilhelm Baum
Unter Mitarbeit von Hans Haider,
Vinzenz Jobst und Gerti Malle
kitab
„Auf Wiedersehen über den Sternen!“ („Na svidenje med zvezdami!“)
Briefe aus Widerstand und Verfolgung unter dem NS-Regime in Kärnten
Herausgegeben von Wilhelm Baum
Unter Mitarbeit von Hans Haider,
Vinzenz Jobst und Gerti Malle
Lektorat: Nadja Scheicher
Die Übersetzungen aus dem Slowenischen stammen von Sr. Carmela Kelih, Veronika
und Toni Olip, France Pasterk, Anton Malle, Reginald Vospernik und Theodor Domej.
© 2012 Kitab-Verlag Klagenfurt – Wien
www.kitab-verlag.com
[email protected]
ISBN: 978-3-902585-83-7
Satz und Layout: Michael Langer
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Einleitung
7
9
DIE VILLACHER
14
BUCHER HILDEGARD
ČEMERNJAK/TSCHEMERNJAK MARTIN
CLEMENTIN VALENTIN
GASSER JOSEF
GASTL ANTON
GREISINGER RUPERT
JESSERNIG MARGARETE
KNES FRANZ
KOPEREK ANTON
MELCHER FRANZ
PESKOLLER MARIA RAJAKOWITSCH OTTILIO
RANACHER ERICH
SCHAUSS KILIAN
TSCHOFENIG GISELA
TUDER ANTON
WANDALLER JOHANN
DIE KÄRNTNER SLOWENEN
14
16
18
21
23
26
28
33
35
39
41
47
49
54
57
60
63
65
Briefe und Abschiedsbriefe von Opfern der Freisler-Prozesse
DOVJAK JOHANN/IVAN
GREGORIČ FRANC
KELICH FLORJAN
KELICH ULRICH/URH
PASTERK JURIJ/GEORG
WEINZIERL FRANC
69
69
77
82
86
93
105
5
MITSCHE (MIČEJ) JR. THERESIA
ROČIČJAK JOSEF
PRISTOVNIK GEB. OLIP KATHARINA
Briefe aus dem KZ und aus den Aussiedlungslagern
TRAVNIK ANGELA
MLEČNIG/MLETSCHNIG PRIMUS
HARTMANN VALENTIN
BREZNIK STEFAN
SINGER STEFAN
MORAK ELISE
IGERC HELENE
DIE FAMILIEN KARNIČAR UND HRIBAR
Briefe ausgesiedelter Kärntner Slowenen in die Heimat FAMILIE MOCILNIK
FAMILIE URBAN OLIP
OLIP AGNES GEB. JUCH
MIKLAV KATHARINA GEB. HADERLAP
DIE ZEUGEN JEHOVAS
110
115
120
146
146
154
165
176
194
202
222
228
230
230
235
237
240
245
DELACHER HELENE
WOHLFAHRT GREGOR
URAN ANTON
245
250
255
SONSTIGE BRIEFE AUS DEM WIDERSTAND
RANNER STEFANIE
FALLE ANTON
GRANIG ANTON
Kutej ANTON
275
275
282
289
297
Namensregister
300
6
Danksagung
Die vorliegende Arbeit wäre nicht möglich gewesen, ohne die Unterstützung der Personen, die mir Briefe, Akten und Fotos zur Verfügung gestellt
und mir Hinweise gegeben haben:
Brezjak Franz, Klagenfurt
Breznik Christian, Klagenfurt-Slowenien
Brumnik Maria, Ebriach
Čertov Johann, Zell Pfarre
Ceron Cilka, Latschach
Domej Theodor, Klagenfurt
Dovjak Peter, Ferlach
Dovjak Veronika, Zell Pfarre
Haderlap Anton, Feldkirchen
Haderlapp Peter, Eisenkappel
Hartmann Božo, Klagenfurt
Hartmann Valentin, Klagenfurt
Hribar Josef, Eisenkappel
Hribar Maria, Ebriach
Kelih Carmela, St. Jakob im Rosental
Malle Anton, St. Jakob im Rosental
Malle Janez, Zell Pfarre
Mlečnik Hansi, Zell Pfarre
Mory Otmar, Bleiburg
Olip Anton, Zell Pfarre
Olip Maria, Zell Pfarre
Olip Milka, Zell Pfarre
Olip Veronika, Zell Pfarre
Oraže Mirko, Zell Pfarre
7
Pandel Martin, Tainach
Pasterk France, Vellach
Pečnik Anton, Blasenitzen
Pinter Stefan, Weizelsdorf
Polanšek Marta, Ebriach
Polluk Adele, Villach
Pristovnik Ferdinand, Zell Pfarre
Rexeisen Ursula, Graz
Stergar Janez, Ljubljana
Velik Edda, Zell-Mitterwinkel
Wurm Anna, St. Kanzian
Zunder Friedrich, Eisenkappel
und viele andere Personen, von denen Hinweise gegeben wurden.
8
Einleitung
Briefe von zum Tode verurteilten Persönlichkeiten, aus der Haft, dem Konzentrationslager oder aus der Verschleppung, gehören zu den Kostbarkeiten der
Briefliteratur, die viel zu wenig systematisch gesammelt werden. Leider wurde diese wichtige Aufgabe von den Kärntner Historikern bisher vernachlässigt;
nur wenige Texte wurden bis 1999 veröffentlicht, als das Denkmal des „Vereins
Erinnern“ in Villach enthüllt wurde. Hans Haider leistete hierbei Pionierarbeit.
Bei den Vorarbeiten und Studien für die Freisler-Prozesse in Kärnten stieß ich
auf zwei Briefe, die Franc Kattnig 1978 in Zell Pfarre von Hinterbliebenen der
Hingerichteten erhalten hatte.1 Gleichzeitig erfuhr ich von den Briefen, die Hans
Haider von 16 Villacher NS-Opfern gesammelt hatte.2 Vinzenz Jobst publizierte
in einer Studie 14 Briefe von Anton Uran, dem in Brandenburg hingerichteten Zeugen Jehovas3, Gerti Malle den Abschiedsbrief von Gregor Wohlfahrt4.
In meiner Studie über die Freisler-Prozesse in Kärnten konnte ich 11 weitere
Abschiedsbriefe vorlegen.5 Es war berührend, von Mirko Oraže, einem der letzten überlebenden Widerstandskämpfer in Zell Pfarre, zu hören, dass er immer
wieder diese Briefe lese.
Im Rahmen dieses Projektes wurden von mehr als 50 NS-Opfern und Widerstandskämpfern in Kärnten insgesamt 131 Abschiedsbriefe sowie Briefe aus dem
KZ, dem Gefängnis und aus der Verbannung von insgesamt 43 Personen gefun1
Sämtlich Slowenen, hrsg. v. Franc Kattnig, Klagenfurt 1978, 79-84 (Briefe von Franc Gregorič von
1943).
2
Hans Haider: Nationalsozialismus in Villach, 3. Aufl. 2008 (mit Briefen der Widerstandskämpfer
Čemernjak, Clementin, Gastl, Jessernig, Knes, Koperek, Melcher, Peskoller, Rajakowitsch, Ranacher,
Schauss, Tschofenig, Tuder und Wandaller).
3
Vinzenz Jobst: Anton Uran. Verfolgt – vergessen – hingerichtet. Persecuted – forgotten – executed,
Klagenfurt 2011, 57-97. (2. Aufl. des 1997 erschienen Buches).
4
Gerti Malle: „Für alles bin ich stark durch den, der mir Kraft verleiht“. Widerstand und Verfolgung der
Zeugen Jehovas in der Zeit des Nationalsozialismus in Kärnten, Klagenfurt 2011, 186f, Anhang 14.
5
Wilhelm Baum: Die Freisler-Prozesse in Kärnten, Klagenfurt 2011, 233-251.
9
den. Von den 131 Briefen entfallen 83 auf die Slowenen (darunter ein Tagebuch
aus der Deportation), 20 bzw. 23 auf den Bezirk Villach, 18 auf die Zeugen
Jehovas und sechs auf weitere Personen; darunter kann der Sozialist Anton Falle
dem Bezirk Villach zugerechnet werden. Die Priester Anton Granig und Anton
Kutej gehören den katholischen Widerstandskämpfern an.
In der Steiermark legte Heimo Halbrainer bereits eine Sammlung von Abschiedsbriefen von über 50 steirischen Widerständlern vor.6 Durch die Studien
zum 2010 erschienenen „Buch der Namen. Die Opfer des Nationalsozialismus
in Kärnten“ kamen weitere Briefe zum Vorschein.7 Leider war es uns nicht
möglich, eine vollständige Einsicht in die KZ-Briefe des slowenischen Priesters
Stefan Singer zu erhalten, der im KZ Dachau interessante Beobachtungen zur
politischen Lage machen konnte8, ähnlich wie der vom VGH unter Freisler verurteilte Alois Vauti, der Pfarrer von Zell Pfarre.
Weitere Forschungen bei Hinterbliebenen von Naziopfern – vor allem im slowenischen Unterland, in Zell Pfarre, Eisenkappel und Ebriach und am Faakersee –
brachten wertvolle Fotos und mehr als 50 weitere Briefe von KZ-Häftlingen, aus
Gefängnissen und Umsiedlungslagern zutage, die es sinnvoll erscheinen ließen,
nunmehr eine Gesamtedition der bisher aus Kärnten bekannten Briefe vorzulegen, die vielleicht Anregungen bietet, weitere Dachböden zu durchsuchen, bevor
die letzten Angehörigen der NS-Opfer in Kärnten verstorben sind.
Es zeigte sich, dass in vielen Fällen die nachfolgenden Generationen das Interesse an der Thematik verloren; vor allem im slowenischen Bereich haben sich viele
„Nachkommen“ von der Sprache ihrer Vorfahren entfernt. „Widerstand“ und
„Verfolgung“ bilden die Abgrenzung der hier behandelten Opfer, zu denen auch
Menschen gehörten, die zwar keinen offenen Widerstand gegen das NS-Regime
leisteten, ihrem Glauben und ihrer Weltanschauung jedoch die Treue hielten und
sich nicht „gleichschalten“ ließen; auch sie gehören im Sinne der OpferfürsorgeRegelung zu den NS-Opfern aus „Widerstand und Verfolgung“.
6
Heimo Halbrainer: „In der Gewissheit, dass Ihr den Kampf weiterführen werdet.“ Briefe steirischer
WiderstandskämpferInnen aus der Todeszelle und KZ, Graz 2000.
7
Das Buch der Namen. Die Opfer des Nationalsozialismus in Kärnten, hrsg. v. Wilhelm Baum, Peter
Gstettner, Hans Haider, Vinzenz Jobst u. Peter Pirker, Klagenfurt 2010.
8
Peter Tropper: Kärntner Priester im Konzentrationslager, in: Staat und Kirche in der Ostmark,
hrsg. v. Maximilian Liebmann u.a., Frankfurt-Berlin-Bern 1998, 411-458, wo ein gutes Bild von den
Beobachtungen Singers entworfen wird.
10
Bereits 1954 bemerkte Thomas Mann zu einer Ausgabe von Abschiedsbriefen:
„In diesen Abschiedsbriefen finden Christen und Atheisten sich in dem Glauben
des Fortlebens, der ihre Seele ruhig macht.“9 In dieser frühen Ausgabe sind Briefe von sieben Widerstandskämpfern aus Österreich (Wien, Tirol und Niederösterreich) enthalten, die fast alle der Kommunistischen Partei angehörten. Leider
ist in Kärnten das Archiv der KPÖ verlorengegangen. Viele Briefe slowenischer
Widerstandskämpfer dokumentieren die tiefe Frömmigkeit der slowenischen
Bauern und Arbeiter, die beim Befreiungskampf durchaus von Pfarrern unterstützt wurden, wie etwa das Beispiel von Franc Pasterk – von Tito posthum zum
„Helden Jugoslawiens“ deklariert – , der vor seinem Gang zu den Partisanen
beim Eisenkappler Pfarrer Alex Zechner beichtete und die Kommunion empfing.
Der rührige Pfarrer vermerkte gelegentlich beim Eintrag eines Kämpfers in das
Totenregister bei einem Namen „anima candida“ und gab damit seine Sympathie für den Freiheitskampf zu verstehen, der weitgehend vom slowenischen
Klerus in Südkärnten unterstützt wurde.
Die Briefe, Gedichte und Erinnerungen der NS-Opfer ermöglichen einen Blick
in die Welt der Ermordeten, ihre Leiden und ihre religiösen Ansichten. Es sind
kostbare Dokumente aus einer noch nicht bewältigten Zeit. Der Kitab-Verlag
ist bestrebt, die „Memoria passionis“ dieser Menschen wach zu halten, die es
unserer Generation ermöglicht haben, in Frieden und Freiheit zu leben. Gerne
nehmen wir weitere Briefe und Fotos an und werden uns bemühen, die Leidensgeschichte der Verfolgten der Vergessenheit zu entreißen; diese Denkmäler
sollen auch digital abrufbar gemacht und ins Netz gestellt werden, damit sie jederzeit weltweit eingesehen werden können.
Die Häftlinge in den KZs und Gefängnissen mussten ihre Briefe in deutscher
Sprache verfassen und der Gestapo-Zensur vorlegen. Da viele Slowenen auf
dem Lande kaum Deutsch verstanden, sind derartige Briefe in Rechtschreibung
und Grammatik oft fehlerhaft, manchmal sogar schwer verständlich. Es wurden
daher in solchen Fällen behutsame Korrekturen vorgenommen; der Duktus der
Sprache sollte jedoch nicht verändert werden. Alle Texte, die in handschriftlichen Originalen erhalten sind, wurden auch abgebildet. Der Leser sollte nicht
übersehen, dass slowenische Dörfer wie Ebriach erst nach dem 1. Weltkrieg
9
Letzte Briefe zum Tode Verurteilter 1939-1945, München 1962, 14.
11
eine Volksschule erhielten. Es wäre daher notwendig, auch das karge Leben
dieser Holzfäller und Kleinbauern näher zu beschreiben, die in kleinen Keuschen „Schichten“ für größere Bauern oder Adelige arbeiten mussten. Auch das
Leben der kommunistischen Widerstandskämpfer spielte sich zum Teil in ähnlichen Verhältnissen ab. Umso wichtiger war es, diese Zeugnisse zu sammeln
und für die Zukunft zu bewahren. Wie viele der vom NS-System in Österreich
Hingerichteten auf Kärnten entfielen, wurde noch nie erhoben. Außer den 35
Todesopfern der Freisler-Prozesse wurde vom 17.-25.7.1941 in Klagenfurt vor
dem Reichskriegsgericht die „Maria Gailer Widerstandsgruppe“ mit Konrad Lipusch, Franz Knes, Martin Čemernjak, Franz und Anton Ivančič aus Jesenice
und Engelbert Glitzner, die sieben Eisenbahner aus St. Veit, zum Tode verurteilt
und am 4.11.1941 in Brandenburg enthauptet. Zum Tode verurteilt wurde am
8.12.1942 vom VGH auch der Slowene Karl Peternelj, Arbeiter der Tuchfabrik
Moro in Viktring wegen des Hörens von „Feindsendern“. Vom 15.-18.2.1942
standen 11 Kärntner KP-Funktionäre in Wien vor den Volksgerichtshof. Von
ihnen wurde Kilian Schauss zum Tode verurteilt und am 16.6.1942 in Berlin
hingerichtet. Vom 14.-25.4.1942 wurde vom 3. Senat des Reichskriegsgerichtes
in Klagenfurt eine Gruppe von weiteren sieben Eisenbahnern (Michael Robert
Essmann, Ludwig Höfernig, Josef Kuchler, Peter Schlömmer, Andreas Waste,
Max Zitter und Karl Zimmermann) aus St. Veit zum Tode verurteilt und am
30.6.1942 im LG Wien hingerichtet.10 1943 wurde der Soldat Leopold Kosmatsch aus Ettendorf wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt und 1944 hingerichtet. Am 14.10.1944 wurden Wolfgang Wieser, Alfred Wriesnegger und
der Unteroffizier Leitner vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und am
26.2.1945 hingerichtet. Der 1917 in Seeboden geborene Josef Lassnig wurde
am 23.12.1944 vom Reichskriegsgericht wegen Kriegverrats zum Tode verurteilt, am 25.2.1945 der aus Gattersdorf stammende Robert Wohlbank.11 Am
11.8.1944 wurden die Kärntner Mitglieder der „Antifaschistischen Freiheitsbewegung Österreichs“ Anton Granig, Karl Krumpl, Ernst Ortner und Wenzel
Primosch in Wien vom VGH wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tode
10
Heimo Halbrainer: Steirer als Opfer der Wiener Blutjustiz, in: Willi Weinert: „Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer“. Wiener Zentralfriedhof - Gruppe 40, Wien, 2. Aufl. 2005, 148-150.
11
Wolfram Wette / Detlef Vogel (Hrsg.): Das letzte Tabu. NS-Militärjustiz und Kriegsverrat, Berlin
2007, 421-428 u. 428-436..
12
verurteilt und am 22.3.1945 im Wiener Landesgericht enthauptet; Granig wurde am 15.4.1945 im Gefängnis in Stein erschossen; auch 8 Zeugen Jehovas
wurden vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet: Anton
Uran, Gregor Wohlfahrt, Hermann Göschler, Wilhelm Mösslacher, Max Rutter,
Franz Smounig, Gregor Wohlfahrt sen. und Anton Dorner. Es darf jedoch nicht
übersehen werden, dass neben diesen über 70 zum Tod verurteilten Widerstandskämpfern aus Kärnten – nach August Walzl waren es 9012 – eine ungleich
höhere Zahl von Opfern, denen man nichts nachweisen konnte, ins KZ eingeliefert wurde und dort zugrundeging, wie etwa der Kleinbauer Primus Mlečnik aus
Zell-Mitterwinkel, dessen Korrespondenz hier veröffentlicht wird und der nie
vor ein Gericht kam. Umfangreich ist der Briefwechsel von Stefan Breznik aus
Bleiburg und Valentin Hartmann aus Loibach, dem Bruder der Dichterin Milka.
Es wäre denkbar, auch andere Texte zu sammeln, etwa Gedichte; Die Partisanin
Angela Piskernik rettete z. B. das Gedicht „Winter 1944“ von Katharina Miklav,
die im KZ Ravensbrück umkam. Wichtig sind auch die zahlreich erhaltenen Fotos; aus den Aussiedlungslagern sind Sammlungen erhalten, ähnlich auch bei
den „Zeugen Jehovas“, die das kulturelle Gedächtnis ebenso pflegten wie die
Institutionen der Arbeiterbewegung.
Die Briefe aus dem Bezirk Villach wurden gesammelt von Hans Haider, die
Briefe der Kärntner Slowenen von Wilhelm Baum, die Briefe der hingerichteten
Zeugen Jehovas Delacher und Wohlfahrt von Gerti Malle, die Briefe von Anton
Uran, Stefanie Ranner und Anton Falle von Vinzenz Jobst und die Abschiedsbriefe der Widerstandskämpfer Anton Granig und Anton Kutej von Wilhelm
Baum. Das Buch wird somit zu einer Hommage an diese Widerständler, von
denen schriftliche Fassungen ihrer Gedanken erhalten blieben. Die Herausgeber
sind dankbar, wenn ihnen für eine Neuauflage weitere Briefe zur Verfügung
gestellt werden.
Wilhelm Baum, Klagenfurt am 17.10.2011
12
August Walzl: Gegen den Nationalsozialismus. Widerstand gegen die NS-Herrschaft in Kärnten,
Slowenien nund Friaul, Klagenfurt 1994, 266.
13
DIE VILLACHER
BUCHER HILDEGARD
-- geboren am 15. September 1902 in Lölling-Graben, Bez. St.Veit/Glan
-- gestorben am 1. Mai 1945 im KZ-Ravensbrück
-- zuletzt wohnhaft in Villach, Sonnenstraße 11
Hildegard Bucher, verheiratet in zweiter Ehe mit dem kommunistischen
Widerstandskämpfer Konrad Bucher aus Villach, leistete Widerstand gegen das NS-Regime. Zusammen mit ihrer 17-jährigen Tochter Ernestine
Kopeinig aus erster Ehe wurde sie im Sommer 1944 verhaftet und in das
KZ-Ravensbrück deportiert. Ihre Tochter kam in das Jugendschutzlager
Ravensbrück. Hilde Bucher starb am 1. Mai 1945 im KZ-Ravensbrück an
Typhus, wie die offizielle Todesursache lautete.
Herbert Drolle, Bauer in Rosegg, und Sohn von Hildegard Bucher, erinnert sich: „Ich kam 1944 als Soldat auf Heimaturlaub aus Afrika. Ich
hatte solche Angst um meine Mutter, hab sie angefleht, sie soll aufhören
mit dem Widerstand. Sie hat nur gesagt: ,Bub, ich kann nicht anders‘„.
14
Im April 1945 schrieb Hildegard Bucher ihrer Tochter noch folgenden
Brief
„Meine liebste Erna, Deinen Brief mit großer Freude erhalten. Mein liebes
Kind, Du musst Dir nicht so große Sorgen machen mir, ... Ich tu jetzt
wieder am Holzplatz arbeiten, Holz sägen ist nicht schwer. Liebes Kind,
ich (hoffe) auch immer, dass wir uns bald sehen, tu Dich trösten und mach
dir nicht soviel Kummer wegen mir. Ich will, dass du gesund bleibst. Das
Schicksal lenkt und Gott denkt. Abertausend Bussi Deine Mutter“.
Quellen:
Liste Nischelwitzer unter dem Mädchennamen Drolle. Todeserklärung vom L.G.
Klagenfurt (PA). Abschrift des letzten Briefes (PA). Gespräch mit Herbert Drolle
durchgeführt von M. Hubmann am 25.3.1996.
15
ČEMERNJAK/Tschemernjak MARTIN
Der Zimmermann Martin Čemernjak wurde am 29. Oktober 1890 in Gottestal, Gemeinde Wernberg bei Villach, geboren. Sein Vater war Zimmermeister; in der Familie wurde Slowenisch gesprochen. Nach dem Besuch
der Volksschule erlernte Martin das Zimmererhandwerk und arbeitete danach bei mehreren Unternehmern in der Stadt Villach. Im April 1915 wurde der junge Arbeiter zum 7. Infanterieregiment in Klagenfurt eingezogen.
Nach der Grundausbildung wurde er zunächst an die galizische und später
an die italienische Front geordert. Er überlebte alle Gefechte und geriet
kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges in italienische Kriegsgefangenschaft,
aus der er erst im Jahre 1920 nach Hause zurückkehren durfte.
Martin Čemernjak arbeitete danach in seinem Beruf und heiratete 1928. Er
bezog eine Wohnung in Villach-Perau und wurde Vater von vier Kindern.
Mehrere kleinere Strafen, die ihm allerdings erlassen wurden, zeugen von
der schwierigen sozialen Situation in den 20er Jahren. Für ihn als Arbeiter war die Mitgliedschaft bei der Sozialdemokratischen Partei in Villach
selbstverständlich. Nach dem Bürgerkrieg 1934 trat Čemernjak der Vaterländischen Front bei und lehnte die Nationalsozialisten entschieden ab. Seine
Grundhaltung wurzelte weiterhin in der marxistischen Ideologie. Auch nach
der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich verhielt er sich dem Nationalsozialismus gegenüber ablehnend und unterhielt Verbindungen zu den
in seiner Gegend wohnenden Slowenen. Er wurde 1939 Mitglied der sehr
aktiven, zwölf Personen umfassenden Widerstandsgruppe in Maria Gail.
Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen und Verbreitung von Informationsmaterial zählten zu den wesentlichen Aufgaben dieser Gruppe. Martin
Čemernjak wurde am 20. Juni 1940 verhaftet. Die Anklage lautete auf Hochverrat. Die Verhandlung fand vom 17. bis 25. Juli 1941 im Reichskriegsgericht in Klagenfurt statt. Er und fünf weitere Personen - Engelbert Glitzner
aus Judenburg, Franz Ivancic aus Judenburg, Anton Ivancic aus Jesenice,
Konrad Lipusch aus Klein-Sattel und Franz Knes aus Prossowitsch bei Maria Gail - wurden am 25. Juli 1941 zum Tode verurteilt. Im September 1941
wurde Martin Čemernjak mit den anderen Verurteilten von Klagenfurt nach
Berlin-Brandenburg überstellt und dort am 4. November 1941 enthauptet.
16
Im Jahre 1949 wurde ein Antrag der KPÖ Villach für eine Gedenktafel für
Martin Čemernjak im Villacher Gemeinderat mehrheitlich abgelehnt.
Quellen:
Feldurteil des Reichskriegsgerichtes, 3. Senat, in der Sitzung vom 25.7.1941 in
Klagenfurt auf Grund der Hauptverhandlung vom 17. – 25.7.1941. August Walzl,
Gegen den Nationalsozialismus, Klagenfurt 1994, S. 74. Mirko Hofer: Maria
Gail, Aus der Geschichte der einstigen Landgemeinde, Villach 1999, S.399. Andrea Lauritsch, Alpe Adria 5/94, Antrag der KPÖ an die Stadtgemeinde,
Abschiedsbrief von Martin Čemernjak an seine Frau
Liebe Anni
Vor allem grüße ich Euch recht herzlich. Gerade Deinen Brief erhalten und
zugleich die Mitteilung von der Urteilsvollstreckung.
Liebe Anni und Martin, wie auch Alma, ich kann mir nicht vorstellen,
dass jetzt bei mir die letzte Stunde sein soll, dass ich mit Euch kein Wort
mehr sprechen, Euch nicht mehr sehen kann. So gerne hätte ich die letzte
Nacht mit Euch verbracht, aber leider, das Glück ist mir nicht gegeben, das
Schicksal hat uns auseinander gerissen. Liebe Anni und Martin! Ich bitte
Euch nochmals, versprecht mir das, um was ich Euch bitte, schaut auf die
Mutter und helft ihr die Sorgen zu tragen, damit nicht alles auf sie kommt,
dann wird die Mutter auch auf Euch nicht vergessen. Sie war ja so gut und
hat für Euch gesorgt und hat sich um Euch bemüht, als ich noch daheim
war. Also ich schließe mein Schreiben mit weinenden Augen, mir geht es
nicht ein, dass es jetzt die letzte Stunde sein soll. Es grüßt Euch nochmals
mit vielen Grüßen und nicht genug Küssen
Euer Vater
Vergesst mich nicht und denkt, ich bin bei Resi und Schwiegervater. Gute
Nacht und lebet wohl!
Quellen:
Volkswille, 17. 11. 1945. Alpe adria 5/94
17
CLEMENTIN VALENTIN
-- geboren am 6. Dezember 1911 in Seebach Villach
-- hingerichtet am 23. Dezember 1944 in Graz
-- zuletzt wohnhaft in Seebach Nr. 81 bei Villach
Der Maurerpolier Valentin Clementin stand in Verbindung mit der Widerstandsgruppe des unteren Gegendtales, die im NS-Jargon als „Treffner-Bande“ bezeichnet wurde. Seine Widerstandstätigkeit bestand im Beschaffen von Waffen und Munition. Als die Gruppe im November 1944
aufflog, wurde er mit den anderen verhaftet und am 21. Dezember 1944
vom Volksgerichtshof zusammen mit fünf weiteren Kameraden zum Tode
verurteilt. Zwei Tage später wurden alle durch das Fallbeil hingerichtet. Er
hinterließ eine Tochter, Anita, geb. 1943. Eine Gedenktafel für Valentin
Clementin wurde im Jahre 1949 im Villacher Gemeinderat mehrheitlich
abgelehnt.
Quellen:
DÖW 1936. Alpe Adria 5/94 Andrea Lauritsch. Geburtsurkunde. Liste Nischelwitzer. Abschiedsbrief (PA). M. Muchitsch: Die rote Stafette, Wien 1985, S. 167
bis 169. August Walzl: Gegen den Nationalsozialismus, Klagenfurt 1994, S. 251.
Gedenktafel auf dem Volkshaus in Landskron. Gespräch mit der Tochter Anita
Castner am 21. 05. 1999.
18
Brief Valentin Clementins an seine Frau Pepi
Abschiedsbrief von Valentin Clementin an seine Frau. Geschrieben am
23. 12. 1944 kurz vor seiner Hinrichtung
Liebe Pepi!
Schau gut auf die Anita. Ich schicke dir und allen Verwandten die besten
Grüße. Heute ist der 23. Dezember. Heute ist mein letzter Tag. Auf Wiedersehen in der Ewigkeit. Sei nicht böse, ich weiß Du kannst nichts dafür.
Ich habe Dir die Wahrheit nicht gesagt und weiß, dass Du unschuldig bist.
Wir haben nur mehr ein paar Stunden Zeit. Ich danke Dir Kleines. Sei
tapfer und ertrage das harte Los. Ich hätte Dich gern noch einmal gesehen,
es war nicht möglich.
Ich und Jelič sind mutig in den Tod gegangen. Nochmals letzte Grüße.
Mutter, Vater und Bruder. Teile das auch den Schwestern und Verwandten
mit. Schau, dass Du mit der Frau (.......) abkommst, damit die Kleine nicht
leidet. Liebe Pepi, ich sende dir die letzten Grüße, Bussi an Anita. Viele
Grüße an alle von Eurem Valentin.
Quellen:
Anita Castner, Tochter. Abschrift gemacht von Hans Haider
20
GASSER JOSEF
-- geboren am 22. Juli 1892 in Althofen
-- gestorben am 23. Februar im KZ Dachau
-- zuletzt wohnhaft in Feldkirchen/Kärnten
Josef Gasser erlernte in Villach den Beruf eines kaufmännischen Ange­stellten
und arbeitete in seinem Beruf bei verschiedenen Firmen in Villach. Zum
Schluss war er bei der Baufirma Wuggenig in Warmbad bei Villach beschäftigt. Er wohnte mit seiner Frau Karoline und seinen beiden Kindern Reinhold
(Jahrg. 1923) und Lydia (Jahrg. 1924) in Villach, Leiningengasse 17. Als die
Wohnung gegen Kriegsende ausgebombt wurde, übersiedelte er nach Feldkirchen. Da er die Einberufung zum Volkssturm nicht befolgte, wurde er von der
Gestapo Villach verhaftet. Sowohl seiner Frau Karoline als auch seiner Tochter
Lydia verweigerte die Gestapo den Besuch. Nach einigen Tagen Arrest bei der
Gestapo in Villach in der Ankershofengasse, wurde er am 10. Jänner 1945
nach Dachau deportiert, wo er als „Schutz­häftling“ die Gefangenennummer
138016 erhielt. Er schrieb einen Brief an seine Familie, in dem er seine Frau
bat, geschnittenes und geröstetes Brot (damit es nicht schlecht wird) zu schicken. Ende Februar 1945 bekam seine Frau die Nachricht, dass ihr Mann am
23. Februar 1945 an „Lungen­entzündung“ gestorben sei.
Quellen: Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau. Liste Nischelwitzer. Alpe Adria 5/94,
Andrea Lauritsch. Gespräch mit Frau Lydia Latritsch (Tochter) am 28. September
1999.
Josef an Karoline Gasser, Weiern Nr. 8, vlg. Mühlhofer/Feldkirchen
KZ Dachau, 17. 2. 1945
Liebe Karolin!
Ich schrieb Dir am 4. dieses Monats einen Brief, welchen ich aber bis heute
immer noch nicht beantwortet erhielt. Hoffentlich seid Ihr wohl nicht krank
oder ist sonst was passiert. Lass bitte recht bald was hören von Euch, mir
21
geht es Gott Lob und Dank ganz gut und bin auch wohl gesund. Reinholds
Geburtstagswünsche will ich auch nachholen, habe letzthin ganz vergessen.
Darauf fiel mir aber sofort nach Abgabe des Briefes auf, also wünsche ich
Reinhold als auch … zu seinem 22. Geburtstag alles Gute und Beste. Der
liebe Gott möge ihn begleiten und beschützen auf seiner Lebensbahn. Vielleicht kannst Du ihn brieflich erreichen, da ich keine Adresse von ihm weiß
und auch an Dich, liebe Karoline, schreiben darf. Und was macht bitte Lydia, macht sie immer noch fleißig Bürodienst in der Villacher Brauerei, und
wohnt sie jetzt bei Dir, oder bei Pauli, die ich samt ihren Angehörigen auch
schön grüssen lasse. Wie ging die Geburt bei Pauli vonstatten, hoffentlich
doch wohl gut, ist es ein Bub oder Mädel? Wegen den gebetenen Paketen
möchte ich Dich bitten, wenn es Dir möglich sein sollte, etwas zu schicken
vielleicht etwa in Schnitten geschnittenes Brot,…Zwiebeln und Knoblauch,
etwas Dörrobst, dann, wenn möglich, und lege dem … Kuvert 5 Briefmarken bei. Euch alle herzlich grüßend und Gott befohlen Dein Josef
Brief Josef Gassers an seine Frau Karoline
22
GASTL ANTON
-- geboren am 29. Mai 1879 in Rottenstein (jetzt zu Klagenfurt-Ebenthal
gehörend)
-- gestorben 17. Februar 1944 im KZ-Dachau
-- zuletzt wohnhaft in St. Stefan 1, P. Mallestig, Gemeinde Finkenstein
Anton Gastl ist als zweites uneheliches Kind von Rosa Gastl und Anton
Ogris zur Welt gekommen. Als Kind übersiedelte er mit seiner Mutter und
seinem älteren Bruder Josef nach St. Stefan, P. Mallestig, Gemeinde Finkenstein, wo seine Mutter eine Stelle als Wirtschafterin beim dortigen Pfarrer antrat. Bald darauf verstarb sein älterer Bruder Josef. In St. Stefan bei
Finkenstein verbrachte Anton seine Kindheit und Jugendzeit. Er besuchte
die dreiklassige Volksschule in Finkenstein und anschließend das Peraugymnasium in Villach. Anton ist vermutlich zweisprachig aufgewachsen.
Mit seiner Mutter, die die slowenische Sprache nicht beherrschte, sprach
er deutsch und mit den anderen Menschen im Dorf und im Pfarrhof sprach
er wahrscheinlich slowenisch. Slowenisch war zu jener Zeit die Umgangssprache in dieser Gegend. Nach dem Gymnasium diente er drei Jahre beim
Militär der k. u. k. Monarchie. Mit 30 Jahren, im Jahre 1909, verheiratete
er sich mit Maria Gallob aus Obergreuth, Gemeinde Finkenstein. Dieser
Ehe entstammten zwölf Kinder. Im Ersten Weltkrieg war Anton Gastl als
Soldat in der Steiermark stationiert. Gleich nach dem Ersten Weltkrieg war
er als Gemeindesekretär in Finkenstein beschäftigt. Außerdem engagierte er sich in verschiedenen slowenischen Kulturinitiativen. Während der
Volksabstimmung im Jahre 1920 trat er für die Abtrennung des slowenisch23
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