Islam und Demokratie - Konrad-Adenauer

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Almanya Infodienst No. 3
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Almanya Infodienst No. 3
Islam und Demokratie
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Klassisches islamisches Staatsverständnis
2.1
Absolutheit, Totalität, Universalität
2.2
Das politische System
Politische Realität
2.4
Sind Demokratie und islamisches Staatsmodell vereinbar?
3. Sonderfall Türkei – eine Annäherung an die säkulare Demokratie
3.1.
Kemalismus
3.2
Laizismus als Basis der Demokratie
4. Türken in Deutschland
4.1
Fundamentalisten und die deutsche Demokratie
5. Politische Mobilisierung der Türkischstämmigen in Deutschland
5.1.
Merkmale der türkischen Zielgruppe
5.2
Wahlverhalten der Zielgruppe
5.3
Konkrete Schritte
5.3.1
Die lokale Ebene
5.3.2
Die überregionale Ebene
2
Almanya Infodienst No. 3
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1. Einleitung
Sind
Islam
und
Demokratie
vereinbar?
Gibt
es
ein
„islamisches
Demokratieverständnis“ oder sogar eine genuin „islamische Demokratie“? Oder
ist ein islamischer Staat zwangsläufig totalitär? Darüber hinaus – was bedeutet
das für die westlichen Demokratien, in denen muslimische Migranten leben. Oft
werden sie von Politikern übersehen oder im Kontext der Demokratie höchstens
als Bedrohung wahrgenommen. Es bleibt aber offen, ob sie nicht in Zukunft auch
ein Potential bieten, das von politischer Seite nicht ignoriert werden sollte.
Der folgende Text versucht diese Fragen und Probleme besonders für die
Arbeitspraxis von Politikern in Deutschland anzureißen. Einführend wird das
klassische islamische Staatsverständnis kurz vorgestellt, das bis heute auf die
politische Realität im Nahen Osten einwirkt. Hier wird auch auf die Vereinbarkeit
von Demokratie und islamischen Staatsverständnis eingegangen. In einem
nächsten Schritt wird die politische Philosophie des Kemalismus in der Türkei
beleuchtet. Zum einen stellt der Kemalismus einen Sonderweg im Nahen Osten
da, der eine fruchtbare Basis für Demokratisierungsprozesse bietet. Zum anderen
beeinflusst diese politische Philosophie auch das politische Denken und Handeln
der größten Migrantengruppe, der Türken, in Deutschland, die zunehmend den
deutschen Pass erwerben. Im vierten Kapitel werden die besonderen Strukturen
und Bedingungen der Türkischstämmigen in Deutschland vorgestellt, mit einem
Exkurs auf die Thematik der fundamentalistischen Strömungen. Abschließend
wird
praxisnah
auf
die
Möglichkeiten
der
politischen
Mobilisierung
der
Türkischstämmigen in Deutschland eingegangen, die zunehmend für deutsche
Politiker interessant werden. Nach einer Situationsanalyse werden konkrete
Schritte für Politiker vorgestellt, sich der Gruppe zu nähern. Der Schwerpunkt
liegt hier auf den Möglichkeiten der Kommunikation mit türkischen Institutionen
und deren Mitgliedern und der Zusammenarbeit mit Multiplikatoren.
2. Klassisches islamisches Staatsverständnis
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Das klassische Staatsverständnis im sunnitischen Islam hat sich bereits in der
unmittelbaren Nachfolge des Propheten Muhammad begonnen auszubilden,
basierend auf den Handlungen und Aussprüchen des Propheten selbst (Sunna)
und der koranischen Offenbarung. Zentrale Akteure in der staatlichen Struktur
sind im Koran benannt: Gott als oberster Souverän, der Kalif (wörtlich
Stellvertreter)
oder
Imam
als
weltlich
religiöser
Herrscher,
die
Schura-
Versammlung als beratendes Gremium aus Rechtsgelehrten und hervorragenden
Personen sowie die Gemeinschaft der Gläubigen (Umma). Die islamische
Staatstheorie erhielt ihre endgültige Ausformung im islamischen Mittelalter –
trotz abweichender politischer Realitäten – und blieb, zumindest in Teilen
umgesetzt, fortbestehen bis ins 20. Jahrhundert. Bis heute prägt sie die
Staatsvorstellungen und Einstellungen zur westlichen Demokratie und zum
Säkularismus
bei
traditionell
orientierten,
konservativ-reformierten
und
fundamentalistischen Muslimen.
2.1 Absolutheit, Totalität, Universalität
Grundsätzlich
basiert
das
islamische
Staatsverständnis
auf
dem
Absolutheitsanspruch, Totalitätsanspruch und Universalitätsanspruch des Islam.
Der Islam versteht sich als absolut in dem Sinne, dass er die letztgültige und alle
vorhergehenden, anerkannten religiösen Vorstufen (Judentum und Christentum)
überhöhende Offenbarung Gottes an die Menschen ist.
Er erhebt den Anspruch allumfassend zu sein, da er alle Lebensbereiche regelt –
in diesem Verständnis gibt es keine Trennung von Religion und Staat. Gottes
Wort, der Koran und eingeschränkt die Sunna, das Handeln und die Aussprüche
des
Propheten
Muhammad,
treffen
Regelungen
zum
religiösen,
sozialen,
politischen und wirtschaftlichen Leben der Muslime. Oberster Souverän in einem
islamischen
Staat
ist
dementsprechend
Gott;
Grundlage
für
gesetzliche
Regelungen ist der Koran. Ziel des Staates muss sein, die von Gott gegebenen
Regeln für alle Bereiche menschlichen Lebens und Handelns umzusetzen und die
Rechte der islamischen Gemeinschaft (Umma) nach Innen und Außen zu
schützen.
Abschließend zielt der Universalismus des Islam darauf ab, dass sich der Islam
und die mit ihm einhergehenden Herrschaftsstrukturen weltweit etablieren.
Konkret heißt dies, dass die gesamte Welt zu islamisieren ist, zumindest was die
Ordnung des Staats, der Gesellschaft und der Wirtschaft angeht. Damit geht
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nicht zwangsläufig eine Zwangsislamisierung des christlichen und jüdischen
Individuums einher.
2.2 Das politische System
Die konkrete Ausformung sieht vor, dass an der Spitze eines islamischen
Staatswesens ein Kalif steht. Dieser Kalif wird auf Lebenszeit gewählt oder
ernannt, wobei hier nicht vollkommen feststeht wer den Kalifen wählt oder
ernennt
–
einer
der
Andockpunkte
für
Demokratie
in
den
Augen
von
konservativen und gemäßigt islamistischen Muslimen. Der Kalif ist dabei kein
absoluter Herrscher von Gottes Gnaden – auch er muss sich im islamischen
Normensystem bewegen, was politische Entscheidungen und Gesetzgebung
angeht. Oberster Souverän bleibt Gott. Damit ist ein sunnitisch-islamisches
Staatswesen eindeutig keine Theokratie (im Sinne einer göttlich erwählten
Person,
einer
Priesterschaft
oder
sakralen
Institution
als
Träger
der
Staatsgewalt).
Dem Kalifen zur Seite steht ein beratendes Gremium, die so genannte SchuraVersammlung. Diese unterstützt den Kalifen in seinen Regierungsgeschäften. Sie
setzt
sich
nach
der
Meinung
der
meisten
islamischen
Theoretiker
aus
Rechtsgelehrten und anderen herausragenden Mitgliedern der Gemeinschaft
zusammen.
Modernere
Konstruktionen
gehen
von
einer
Wahl
durch
die
Gemeinschaft der Gläubigen aus (Umma), wodurch diese Versammlung im
parlamentarischen Sinne umgedeutet wird. Weder in den klassischen, noch in
den modernen Theorien wird diese Versammlung jedoch derart gesehen, dass sie
einem Parlament in einer Demokratie entspricht – so ist es in modernen Theorien
strittig wer wählt, wer gewählt werden darf, welche Rechte die Versammlung
gegenüber den Kalifen hat (darf sie diesen in besonderen Situationen absetzen,
darf sie Entscheidungen des Kalifen abblocken, entsteht ein „checks and
balances“ System).
Die Gemeinschaft der Gläubigen schuldet dem Kalifen absoluten Gehorsam, es
sei den der Kalif handelt ausdrücklich gegen die Weisungen von Koran und
Sunna. Dann ist ein rudimentäres Widerstandsrecht gegeben.
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Gott als absoluter Souverän
Koran / Sunna des Propheten
(sinn- und normengebend)
Khalif
wird gewählt / ernannt durch die
Umma (modernes Verständnis)
oder durch Rechtsgelehrte und
Notablen (klassisches Verständnis)
auf Lebenszeit
Setzt die
islamischen
Bestimmungen
um und erhält die
islamische
Staatsordnung
aufrecht
Schuldet dem
Khalif absoluten
Gehorsam; nur
minimales
Widerstandsrecht
Islamische Umma (Gemeinschaft der
Gläubigen)
berät
Schura Versammlung
Wird gewählt durch die Umma
(modernes Verständnis)
ergibt sich aus dem Kreis der
Rechtsgelehrten und Notablen
(klassisches Verständnis)
Bild 1
Aufbau des islamischen Staats nach klassischer Staatstheorie
2.3 Politische Realität
Tatsächlich gibt es heute keinen Staat im islamischen Raum mehr, der diesem
klassischen Staatskonzept nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs
und der Abschaffung des letzten Kalifats 1924 entspricht. Moderne arabische
Staaten sind zumeist totalitäre Regime, die sich einen demokratischen Anstrich
geben durch demokratische Institutionen und Strukturen. Diese werden jedoch
unterlaufen durch Nepotismus, Korruption, polizeistaatliche und diktatorische
Strukturen. Auch Militärputsche prägen das Bild der Region. Diese politische und
soziale Misere geht einher mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Das
negative Gesamtbild, das sich hieraus ergibt, wird von weiten Teilen der
Bevölkerung u. a. der Demokratie angelastet. Da die Machthaber offiziell ihre
Regime als Demokratien bezeichnen, setzt sich in der Bevölkerung fest, dass die
Zustände im Land Folgen von westlicher Demokratie sei. Für viele steht damit
fest, dass nicht „Exporte aus dem Westen“ die Lösungen für innerstaatliche
Probleme sein könnten. Fundamentalistische Gruppierungen greifen deswegen
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explizit auf das islamische Modell zurück – viele mit der Behauptung, hier erst sei
wahre Demokratie gegeben
2.4 Sind Demokratie und islamisches Staatsmodell vereinbar?
Unter dem Schlachtruf „Der Islam ist die Lösung!“ sind die Ideale des klassischen
islamischen
Staatskonzepts
gerade
im
Rahmen
der
Reislamisierung
und
Ausbreitung islamistischer Tendenzen wieder gefragt. Islamistische Theoretiker,
wie beispielsweise Abu Ala al-Mawduudi, Sayyid Qutb, Muhammad al-Ghazali,
Muhammad Amara oder Hasan at-Turabi, greifen seit den vierziger Jahren des
20. Jahrhunderts die mittelalterlichen Konzepte wieder auf, im Rahmen der
Rückbesinnung auf den „wahren Islam“, der für alle Bereiche des Lebens
detaillierte Regelungen trifft.
Gemäßigte Islamisten versuchen dabei die klassische islamische Staatstheorie an
westliche
Demokratiekonzepte anzubinden. Sie stellen
auf die Wahl des
Staatsführers (Kalif) und der Schura-Versammlung durch das Volk ab und
betonen die Rolle der Schura-Versammlung als parlamentsähnliche Institution.
Tatsächlich müssen solche Versuche einer Annäherung kritisch betrachtet
werden.
Stichpunktartig
lassen
sich
folgende
Ansätze
für
eine
kritische
Betrachtung nennen: Souverän in einem islamischen Staat ist nicht das Volk,
sondern Gott. Der Kalif hat, wenn einmal gewählt, innerhalb der islamischen
Rahmenbedingungen weitgehende Freiheit, die auch nicht von einer Schura
Versammlung beschnitten wird, da sie nur beratende Funktion hat. Das Volk ist
dem Khalifen gegenüber bis auf wenige Ausnahmen zu absolutem Gehorsam
verpflichtet. Darüber hinaus ist weder deutlich, wer gewählt werden darf (nur
Männer, nur Muslime?), sowohl bezüglich des Amt des Kalifen, wie auch der
Schura Versammlung, noch wer wählen darf. Ebenso ist kein klarer Wahlmodus
gegeben. Damit ist eine Vereinbarkeit von Demokratie und einem islamischen
Staat, der auf den benannten Grundlagen basiert, mehr als fraglich. Tatsächlich
wirken die Versuche eine Vereinbarkeit herzustellen eher als Firnis über einem
eigentlich totalitären Regime.
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3. Sonderfall Türkei – eine Annäherung an die säkulare Demokratie
Von sämtlichen islamischen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens hat die
Türkei am ehesten Strukturen, die demokratisch genannt werden können. Sie
stellt damit eine einzigartige Verbindung von islamischen Erbe und westlicher
Demokratie dar – unter Voraussetzung des (von Muslimen in und außerhalb der
Türkei oft misstrauisch beäugten und beklagten) Laizismus des Staats. Die
ehrgeizige
und
umfangreiche
Säkularisierungs-,
Modernisierungs-
und
Demokratisierung unter Mustafa Kemal (Atatürk) nach Ende des Osmanischen
Reichs in Angriff genommen. Auf der Grundlage des Kemalismus wurde am 29.
Oktober
1923
die
Türkische
Republik
gegründet.
Besonders
vor
dem
Hintergrund, dass die Türken die größte muslimische Minderheit in Deutschland
stellen, soll an dieser Stelle die Grundlagen der türkischen Demokratie und des
damit einhergehenden Islamverständnis kurz vorgestellt werden.
3.1 Kemalismus
Der Kemalismus, ideologische Grundlage des türkischen Staates, beruht auf
sechs Prinzipien. Der Nationalismus sollte auf Grundlage der gemeinsamen
Sprache und der gemeinsamen Geschichte aus dem osmanischen Vielvölkerstaat
eine nationale Identität formen. Mit dem Populismus wird ein solidarisches
Konzept benannt, das auf eine Kooperation der Gesellschaftsschichten zielt.
Weitere Prinzipien sind der Etatismus, der den aktiven Eingriff des Staats in das
Wirtschaftsleben
postuliert
(dieses
Prinzip
wurde
zu
Gunsten
der
freien
Marktwirtschaft aufgegeben) sowie der Revolutionismus, der auf die Abkehr
der islamisch-osmanischen Traditionen zielte und die Hinwendung zur westlichen
Moderne. Neben dem Republikanismus als fünftes Prinzip, ist vor dem
Hintergrund der Frage der Vereinbarkeit von Islam und Demokratie das Prinzip
des Laizismus besonders wichtig.
3.2 Laizismus als Basis der Demokratie
Neben dem Revolutionismus und dem Republikanismus stellt der Laizismus die
entscheidende Basis für die Entwicklung der Demokratie im türkisch-islamischen
Umfeld. Mit dem Prinzip des Laizismus wurde bereits von Atatürk die Trennung
von Religion und Politik begründet, die in keinem anderen islamischen Staat in
dieser Weise vollzogen worden ist. Ziel Atatürks war die Säkularisierung der
gesamten Gesellschaft. Die Religion wurde, wie dies in westlichen Ländern der
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Fall ist, in die Privatsphäre des Individuums zurückgedrängt. Seit 1928 ist der
Islam auch nicht mehr in der Verfassung als Staatsreligion genannt. Damit ist die
Wende vollzogen, dass im türkischen Verständnis der Islam nicht mehr
Grundlage des Staates ist, sondern Element der Zivilgesellschaft.
Eine Reihe von Reformen sollte die Säkularisierung der Türkei unterstützen.
Neben der bereits genannten Abschaffung des Kalifats, das die politische und
religiöse Führung in sich vereinte, ist die wichtigste Reform die Einführung des
Schweizer Gesetzbuches als Grundlage für sämtliche Rechtsbereiche – im
Gegensatz zu anderen islamischen Ländern ist damit das religiöse Recht in allen
Lebensbereichen, auch im Erb- und Familienrecht, ausgesetzt. Darüber hinaus
wurde der Schleierzwang aufgehoben und an öffentlichen Einrichtungen wie z.B.
Hochschulen sogar mit einem Verbot belegt. Die Einführung von westlicher
Kleidung, des westlichen Kalenders und des lateinischen Alphabets sollten
weitere Zeichen einer Abkehr von der islamischen Tradition und hin zum
säkularen Staat sein. Zur Kontrolle religiöser Würdenträger und Institutionen,
sowie der Betreuung der Bevölkerung in religiösen Fragen wurde 1924 eine
staatliche
Religionsbehörde
Angelegenheiten
Hauptabteilungen
(Diyanet
geschaffen,
İşleri
gegliedert:
das
Başkanlığı).
Religiöse
Präsidium
Das
Dienste,
für
Präsidium
Religiöse
ist
religiöse
in
sechs
Erziehung,
Wallfahrtswesen, Religiöse Veröffentlichungen und Außenbeziehungen. Seit 1961
ist es in die allgemeine Staatsverwaltung eingegliedert. Die Religionsdiener sind
seit 1970 Staatsbeamte, die vom Staat ernannt und entsendet werden. Der
Präsident des Präsidiums, die höchste religiöse Autorität der Türkei, wird vom
Ministerpräsidenten ernannt. Nur ihm ist es erlaubt, in der Öffentlichkeit seine
geistliche Kleidung als Amtstracht zu tragen.
Der starke Eingriff der Politik und des Staates in den religiösen Bereich führt von
zahlreichen Seiten zu Kritik – oft wird das Präsidium nur als Sprachrohr für
staatliche Belange gesehen. Gerade die Freitagspredigt, die im Islam traditionell
große Relevanz hat, orientiert sich an der offiziellen staatlichen Haltung. Der
größte islamisch-türkische Dachverband DITIB in Deutschland ist dem Präsidium
unterstellt. Er vertritt ausschließlich den türkischen Staatsislam. Darüber hinaus
werden sämtliche Imame von DITIB vom Präsidium aus Ankara entsendet. Somit
ist der Einfluss des Staatsislams und des Präsidiums auf türkische Muslime in
Deutschland sehr stark.
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4. Türken in Deutschland
Das Verständnis von Islam und Demokratie ist bei Türken in Deutschland
natürlich durch die Realität in der Türkei geprägt. D.h. die Trennung von Staat
und Religion und die demokratischen Strukturen des politischen Systems
Deutschlands sind aus dem Heimatland bekannt und vertraut. Ein Metin Kaplan,
der die demokratische Grundordnung des Staates unterlaufen will, um die
Scharia in Deutschland zu etablieren, bleibt hier die Ausnahme. Die Masse der
Türken
stellt
weder
den
Säkularismus,
noch
die
Demokratie
oder
das
Grundgesetz in Frage. Vielmehr wird es von der schweigenden Mehrheit als
positiv gesehen, in einem demokratischen Staat mit Minderheitenschutz und
Religionsfreiheit zu leben – Institutionen, die trotz des Demokratisierungsprozesses in der Türkei nicht gegeben sind. Positiv für viele Muslime in
Deutschland ist die Erwähnung Gottes in der Präambel des Grundgesetzes – hier
wird für sie noch einmal unterstrichen, dass der Glaube an Gott und die
Demokratie
miteinander
vereinbar
sind.
Die
großen
Dachverbände
in
Deutschland, sowie der Islamrat und der Zentralrat der Muslime versuchen auf
die Vereine und Verbände und deren Mitglieder immer wieder einzuwirken, dass
sie sich zur deutschen Verfassung und dem demokratischen Grundgedanken
bekennen.
Trotz all dieser positiven Impulse fallen zwei Sachverhalte auf: zum einen
erkennen viele türkische Muslime, dass die Demokratie nützlich für sie ist. Hier
können
zahlreiche
Rechte
eingefordert
werden,
die
ihnen
in
anderen
„islamischen“ Ländern verwehrt bleiben. Zum anderen endet hier auch die
Aktivität der meisten Muslime in der deutschen Gesellschaft und im Staat. Die
wenigsten Muslime engagieren sich für die Demokratie in Deutschland, indem sie
beispielsweise Parteien beitreten. Zwar gibt es immer wieder Versuche, eine
islamische Partei zu gründen (z.B. 1999 die Islamische Partei Deutschlands
(IPD)), die an der 5% Hürde scheitern. Aber wie steht es um das Engagement in
den etablierten deutschen Parteien? Noch gibt es hier eher die „Quotentürken“.
Ein
anderes
Beispiel
ist
die
Wahlbeteiligung.
Auch
wenn
die
Zahl
der
Einbürgerungen zunimmt - wie viele türkischstämmige Deutsche partizipieren an
Wahlen?
Grundsätzlich
ist
hier
ein
Desinteresse,
das
sich
auch
in
der
Unwissenheit über das politische System und die Parteien widerspiegelt. Dabei
darf an dieser Stelle jedoch nicht vergessen werden, dass der Großteil der
deutschen Türken nicht aus der politisch interessierten Elite stammt, sondern
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ursprünglich
aus
dem
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Bauern-
und
Arbeitermilieu
kommt.
Sowohl
von
muslimischer wie auch von deutscher Seite wird diese mangelnde Partizipation
immer wieder beklagt. Deutsche Parteien versuchen an die türkischstämmigen
Deutschen als Gruppe heranzutreten und diese zu mobilisieren. Beispiele sind
hier das Deutsch-Türkische Forum der CDU oder die Liberal Türkisch Deutsche
Vereinigung der FDP, die sich sowohl an Deutsche wie auch an Türken wenden.
4.1 Fundamentalisten und die deutsche Demokratie
Problematisch bleibt, dass gerade fundamentalistische Strömungen, die es
natürlich auch unter Türken gibt, das Bild vom Verhältnis der Muslime zur
Demokratie prägen. Eine kleine, aber sehr aktive Minderheit ist hier in
Deutschland tätig. Bestes Beispiel ist die mittlerweile aufgelöste ICCB um
Cemaleddin Kaplan, dem „Khomeini von Köln“ und dessen Sohn und Nachfolger
Metin Kaplan, der mittlerweile in der Türkei inhaftiert ist. Die Gruppierung
verstand sich elitär als die einzig wahren Muslime. Die Mitglieder setzten sich
dezidiert gegen die demokratische Grundordnung Deutschlands ein. Sie wollten
einen „islamischen Staat“ nach dem oben beschriebenen Modell, mit dem Koran
als Grundlage und einem Kalifen an der Spitze. Demokratie war für sie mit dem
Islam unvereinbar. Kaplan selber nannte sie einen Götzen, der gestürzt und
durch das islamische System ersetzt werden müsse. Denn Demokratie sei eine
westliche Erfindung, die nicht zum Islam passe, vielmehr noch vollkommen
ungerecht sei – was seien menschliche Mehrheitsentscheidungen gegen göttliche
Bestimmungen? Obwohl es auch nach der Zerschlagung der Kaplan Gruppe
weiterhin islamistische Strömungen gibt, die die Unvereinbarkeit von Islam und
Demokratie postulieren, muss an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich gesagt
werden, dass sie eine Minderheit unter den 2,7 Millionen Türken in Deutschland
darstellen.
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5. Politische Mobilisierung der Türkischstämmigen in Deutschland
Wie deutlich geworden ist, lassen sich hauptsächlich zwei Gruppen bisher auf
eine politische Partizipation an der deutschen Gesellschaft ein. Zum einen sind
dies fundamentalistische Muslime, die der demokratischen Grundordnung negativ
gegenüber stehen und diese ignorieren oder sogar unterminieren wollen. Zum
anderen sind dies Muslime, die die demokratische Grundordnung nutzen, um auf
deren Prinzipien rekurrierend, eigene Rechte oder die ihrer Religionsgemeinschaft
einzuklagen
–
bekannt
ist
hier
das
immer
wieder
von
Verbänden
und
Vereinigungen angeschnittene Thema, den Islam und damit einen Dachverband
von staatlicher Seite als Körperschaft öffentlichen Rechts anzuerkennen.
Für deutsche Politiker ist die Frage interessant, wie sich türkischstämmige
Deutsche mobilisieren lassen, um als Teil der Gesellschaft aktiv am politischen
Leben in Deutschland zu partizipieren. Grundlage ist eine Analyse derjenigen
Merkmale der Zielgruppe, die für die Mobilisierung im politischen Bereich relevant
sind. Darauf aufbauend werden Trends im Wahlverhalten angerissen, um
abschließend konkrete Schritte für Politiker aller Parteien zur Kontaktaufnahme
mit türkischen Vereinen und Organisationen vorzustellen. Diese Punkte sollen im
Folgenden kurz beleuchtet werden.
5.1 Merkmale der türkischen Zielgruppe
Wenn man die türkische Zielgruppe analysiert, fällt grundlegend auf, dass die
Mehrheit Demokratie und deren politischen Strukturen aus ihrem Heimatland
kennen. Demokratie ist nicht im Vorhinein negativ belegt. Tatsächlich wird das
höhere Maß an demokratischen Strukturen und damit einhergehender Prinzipien
in Deutschland ebenfalls positiv bewertet (außer von Randgruppen).
Gleichzeitig muss man als Merkmal die Schichtzugehörigkeit der Gruppe in
Betracht ziehen: die Wurzeln vieler Türkischstämmiger liegen in den ländlichen
Regionen Anatoliens. Seit der ersten Generation gehören Türken zumeist der
Arbeiterschicht an. Hier wird Interesse an politischen Belangen nicht als wichtig
angesehen – auch bei vielen Deutschen nicht. Zusätzlich besteht eine Angst vor
Überfremdung auf türkischer wie deutscher Seite. Drückte sich dies in den ersten
Jahrzehnten durch Desinteresse und mangelnde Integrationswilligkeit von Seiten
der Deutschen aus, so kommt spätestens seit dem 11. September eine Angst vor
dem Islam hinzu. Dies wiederum verstärkt den Rückzug der Türkischstämmigen
in die eigene Gruppe. Hinzu kommt als ein weiteres wichtiges Merkmal der
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Nationalstolz – das Interesse an den Vorgängen (auch politischer Art) in der
Türkei ist offenkundig. Auch bei Türken mit deutschem Pass ist das Interesse am
Heimatland oft größer als am deutschen Umfeld. Dass Patriotismus vielen
Deutschen eher unangenehm ist, können Türkischstämmige deswegen oft nicht
nachvollziehen, mehr noch, sie sehen wenig Anreiz deswegen selber Patriotismus
oder eine Identifikation mit Deutschland zu entwickeln.
Wenn man die türkischstämmige Zielgruppe betrachtet, kann man sie grob in
vier Gruppen aufteilen:
1. Die religiös orientierten Türkischstämmigen, Orientierung an islamischen
Normen und Verhaltensweisen
2. Die traditionell orientierten Türkischstämmigen, Orientierung an ethnisch,
lokal oder familiär bedingten Vorstellungen und Normen
3. Die Türkischstämmigen auf der Brücke zwischen Tradition und Moderne,
Verbindung der Merkmale von Herkunfts- und Mehrheitsgesellschaft
4. Die angepassten Türkischstämmigen, Vollkommene Anpassung an die
Mehrheitsgesellschaft
Auffallend ist, dass die ersten drei Gruppen (bis auf Aleviten und Kurden) stark
wertekonservativ orientiert sind. Dies trifft laut Schätzungen von Experten auf
50-60% der Türken in Deutschland zu.
5.2 Wahlverhalten der Zielgruppe
Im Bezug auf das Wahlverhalten fällt auf, dass Türkischstämmige mit deutschem
Pass bisher eher linksgerichtete als konservative Parteien wählen. Diese Parteien
treten Türkischstämmigen gegenüber zumeist offener auf und wirkten durch ihre
Entwürfe zum Ausländerrecht, zur Integration und zum EU Beitritt der Türkei in
der Vergangenheit positiv auf Türkischstämmige. Sie haben bis in das neue
Jahrtausend einen Multikulti-Gedanken von Integration und Zusammenleben
vertreten. Dieser Ansatz wird zunehmend von türkischer Seite als problematisch
wahrgenommen. Das Vertrauen, dass Parteien aus dem linken Spektrum die
Interessen der Türkischstämmigen vertreten, sinkt in den letzten Jahren.
Dagegen erlebt die türkische Gemeinschaft Übereinstimmungen mit den Werten
der konservativen Parteien: die Stellung der Familie, Schutz alter und kranker
Menschen, soziales Engagement, Erziehung und Bildung der Jugend anhand von
traditionellen Werten. Auch die christliche Ausrichtung ist ansprechender für
Muslime als ein politisches Weltbild ohne religiösen Bezug und Werte.
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5.3 Konkrete Schritte
Für das Herangehen an die Gruppe ist für deutsche Politiker aller Parteien
wichtig, dass Türken nicht überall gleichstark vertreten sind. Ballungsgebiete
finden sich u. a. im Ruhrgebiet, um Stuttgart, Frankfurt am Main, Hamburg,
Köln, München und Berlin. Von Seiten der Politiker vor Ort und der Parteien
macht es eher Sinn, Türken in diesen Regionen anzusprechen.
5.3.1 Die lokale Ebene
Wenn man als Politiker in einem Ballungsraum agieren möchte, eignet sich als
direkter Weg das Aufsuchen türkischer Organisationen, seien es Vereine oder
örtliche Moscheen. Hier kann man gezielt erste Signale setzen – durch Besuche
der Mosche beim iftar Essen, ein persönliches Gespräch mit dem Imam oder
Sendung von Glückwünschen zu den islamischen Feiertagen.
Welche Organisationen eignen sich für einen Besuch?
Selbstverständlich ist es wichtig für Politiker, dass es hier eine Vielzahl an
Organisationen gibt, die teils mehr und teils weniger an einem Kontakt
interessiert sind. Fast jede türkische Moschee ist Mitglied in einem der drei
großen Dachverbände (DITIB, VIKZ und Milli Görüs). Nicht jeder dieser drei
Dachverbände hat sich jedoch mehr oder weniger Integration, Umgang mit
Deutschen und Begegnungen von deutschen und türkischen Bürgern auf die
Fahne geschrieben. Besonders die Milli Görüs ist hier mit Vorsicht zu betrachten.
Dass hier die Internetseiten der Verbände nicht unbedingt weiterhelfen wird klar,
wenn man die Aussagen von Milli Görüs (die sich selber als sehr offen im Kontakt
mit Deutschen erklären) und das Auftauchen des Verbandes im Bericht des
Verfassungsschutzes im Bereich Fundamentalismus vergleicht. Eine klare und zu
empfehlende Einordnung der Verbände trifft das Buch der renommierten
Islamwissenschaftlerin Ursula Spuler- Stegemann „Muslime in Deutschland“
(erschienen bei Herder Spektrum 2002).
Islam und Ethnie
Wer vor Ort als Politiker eine Moschee gefunden hat, die er besuchen möchte,
der muss sich auch darüber im Klaren sein, dass nicht alle Türken eine Moschee
besuchen. Je nach Herkunftsort und Ethnie, nach familiären Strukturen und
Bindungen in der Türkei besuchen Türken unterschiedliche Moscheen. Dies muss
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auch nichts mit der Nähe der nächsten Moschee zum Wohnort zu tun haben. Es
bietet sich also an, mehrere Moscheegemeinden zu besuchen, auch um auf
persönlicher Ebene zu sehen, welche Gemeinde an einem engeren Kontakt oder
gar gemeinsamen Arbeitskreisen oder Projekten interessiert sind.
Presse und Vermarktung
Wer einen konkreten Besuch bei einem Verein oder einer Gemeinde plant, kann
hierzu durchaus die Medien bestellen – man sollte jedoch das Gegenüber davon
vorher in Kenntnis setzen. Auch wenn man sich in einer Moschee trifft, haben die
Gemeinde zumeist nichts dagegen. Ein solches Treffen kann man auch in der
türkischen Presse vermarkten. Wenn man sich an die viel gelesenen Zeitungen
Hürriyet, Türkiye und Zaman im Vorhinein kontaktiert, werden üblicherweise
Pressevertreter geschickt. Auf regionalen Seiten erscheinen dann Texte und/oder
Fotos und hinterlassen einen positiven Eindruck bei der türkischen Bevölkerung
vor Ort über die Moscheegemeinde hinaus. Die deutsche Presse wird dagegen
von Türkischstämmigen wenig rezipiert.
Der interreligiöse Dialog
Der interreligiöse Dialog ist auch auf muslimischer Seite ein beliebtes Thema und
wird zunehmend als wichtig erkannt. Ein Deutscher kann hier zusätzliches
Ansehen
gewinnen,
wenn
er
einen
solchen
Kontakt
initiiert
oder
einen
vorhandenen Dialog stützt. Die Nähe zu christlichen Institutionen und Werten
wird nicht als problematisch angesehen, solange die Moscheegemeinden nicht
das Gefühl vermittelt bekommen, man sei auf eine Missionierung aus.
Tabuthemen im Dialog?
Im Bezug auf den Islam und die Muslime in Deutschland ergeben sich zahlreiche
Fragen von deutscher Seite. Bilder der unterdrückten Frau mit Kopftuch, der
herumlungernden und pöbelnden türkischen Jugendlichen, den älteren Türken,
die radebrechend im Supermarkt stehen, bis hin zu den Fundamentalisten à la
Kaplan prägen die deutsche Diskussion. Dass diese Themen auch lokale Politiker
beschäftigen, ist dem türkischen Gegenüber natürlich klar. Trotzdem empfiehlt
es sich, hier nicht mit der Tür ins Haus zu brechen, das erschiene äußerst
unhöflich. Gleichzeitig heißt das nicht, dass diese Themen totgeschwiegen
werden müssen – ganz im Gegenteil. Man sollte als Gast jedoch erst eine
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Vertrauensbasis herstellen und deutlich machen, dass man seine Gastgeber
grundsätzlich schätzt. Eventuell wird man sogar von türkischer Seite dann
angesprochen, was man von dem Thema hält, wie der eigene Standpunkt ist.
Hohe Erwartungen
Jeder deutsche Politiker, der den ersten „Hausbesuch“ macht, muss sich im
Klaren sein, dass dabei nicht gleich die problematischsten Themen angesprochen
werden können. Erst recht ist es wichtig keinen konkreten output zu erwarten.
Bei einem ersten Treffen werden keine Projekte festgezurrt oder definitive
Zusagen getroffen. Von türkischer Seite her dient so ein Treffen nur dem Kennen
lernen, damit eine persönliche Ebene entsteht auf der man später aufbauen
kann.
Oft ist es darüber hinaus so, dass gerade die Frauen in den Gemeinden besser
organisiert und schneller zu einer Zusammenarbeit bereit sind. Als Mann sollte
man erst eine Frau den Kontakt herstellen lassen.
Emotionalität als Faktor
Deutsche Bürger wollen mit Politikern oft sachlich über Themenfelder diskutieren
und lehnen eine zu emotionale Herangehensweise an politische Kontexte ab. Die
Türkischstämmigen reagieren auf politische Aussagen dagegen viel emotionaler
als die deutsche Bevölkerung und finden auch eine emotionale Darstellung von
Sachthemen nicht befremdlich. Daher sollte die emotionale Seite im Gespräch
bedient
werden.
Sympathien
gewinnt
man
in
erster
Linie
durch
Freundlichkeitsgesten, die im deutschen Kontext plump erschienen. Mit einer
Aussage, dass man in der Türkei Urlaub gemacht hat oder machen möchte, dass
man die türkische Küche oder Musik schätzt oder schon bei türkischen Familien
zu Besuch war, öffnet man tatsächlich Türen.
Gemeinsame Themen finden
Gerade
der
weit
Traditionsgebundenheit
verbreitete
in
der
Wertekonservatismus
türkischstämmigen
und
Gemeinschaft
die
bieten
interessante Anknüpfungspunkte für Gesräche. Einerseits lässt sich hier die
Familie als Basis und Trägerin der Gesellschaft anführen, besonders was den
Schutz und die Erziehung von Kindern und Jugendlichen betrifft. Andererseits
lässt sich das Thema der Zukunft für Jugendliche in der Gesellschaft, im
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Ausbildungs- oder Arbeitsmarkt diskutieren. Auch der Respekt älterer Menschen
und
die
Anerkennung
des
Werts
des
menschlichen
Lebens
bietet
Übereinstimmungen. Ein weiteres Thema, das auf große Resonanz stößt, ist die
Förderung der Selbstständigkeit von Deutsch- und Türkischstämmigen.
Die Zusammenarbeit mit Multiplikatoren
Multiplikatoren,
die
die
Wertschätzung
der
Gemeinschaft
genießen,
sind
unabdingbar, wenn man sich in der gesamten Gemeinschaft vor Ort einen Namen
verschaffen möchte und an weite Teile der Türkischstämmigen vor Ort
herantreten möchte. Es empfiehlt sich daher ein lokales Promotorennetzwerk
aufzubauen und dieses Netzwerk zu pflegen. Schätzungsweise liegt die Zahl der
wichtigen türkischen Persönlichkeiten bei einer Größe der Gemeinschaft von ca.
10.000 bei 20 bis 30 Personen. Diese sollte man gezielt ansprechen und für sich
gewinnen.
5.3.2 Die überregionale Ebene
Für Politiker ist es sinnvoll neben der lokalen Ebene auch auf der überregionalen
Ebene zu agieren, um die Türkischstämmige zu erreichen. Auch auf höherer
Ebene
kann
man
z.B.
Multiplikatoren
ansprechen.
Hier
kann
man
sich
beispielsweise an die beiden oben genannten Vereine aus dem liberalen oder
konservativen Spektrum wenden (SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben sich in
diesem Bereich nicht organisiert). Einerseits trifft man auf Veranstaltungen als
Politiker auf wichtige Persönlichkeiten der türkischen Gemeinschaft. Andererseits
wird man als Mitglied über wichtige Entwicklungen im Forum, aber auch in der
Gruppe, auf dem Laufenden gehalten. Tatsächlich sind für Parteien und die
Politiker
vor
Ort
solche
türkische
Türkischstämmigen
besser
Türkischstämmigen
und
Partei
Integrationspolitiken
zu
entwickeln
Nebenorganisationen
erreichen
zu
zu
können,
erleichtern,
und
eine
hilfreich:
um
Identifikation
um
türkischstämmige
die
von
parteispezifische
Mitglieder
zu
gewinnen. Darüber hinaus ist hierdurch der Zugang zu türkischen Medien
erleichtert – ein unabdingbarer Punkt, um wirkungsvoll Türkischstämmige
anzusprechen. Denn die Türkischstämmigen informieren sich in erster Linie über
die türkischsprachigen Medien. Insbesondere das Fernsehen hat hier eine
unglaublich dominierende Stellung. Deswegen sollten politische Botschaften auch
Almanya Infodienst No. 3
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primär über diese Medien transportiert werden. Über diesen Weg werden auch
Deutschstämmige nicht irritiert.
Verfasserin des vorliegenden Textes: Patricia Foertsch
Islamwissenschaft MA
imap Institut, Düsseldorf
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Gesellschaft in der Türkei und in Europa.
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