HANNI RÜTZLERS FOODREPORT Zukunftsinstitut I Lebensmittel Zeitung Liebe Leser, bereits zum zweiten Mal präsentiert Ihnen der Food Report von Hanni Rützler spannende Entwicklungen rund um die Themen Lebensmittel, Ernährung, Konsumverhalten, Retail und Gastronomie. Gerade die Ernährung mit all ihren Facetten durchläuft zurzeit eine rasante Veränderung. Immer mehr Menschen verweigern sich der „Supermarktokratie“ und suchen nach dem Ursprünglichen und Natürlichen oder werden gar selbst produktiv. Für Handel und Industrie bedeutet das einen gewaltigen Umbruch – auf den die Besten der Branche bereits zu reagieren beginnen. So öffnen beispielsweise Supermärkte zunehmend ihr Sortiment für „Misfits“, also Obst und Gemüse, das nicht dem stromlinienförmigen Ästhetikbild entspricht – wie es unsere Expertin Hanni Rützler im Food Report 2014 vorausgesagt hat. Auch der Trend zum Flexitarier, also dem Teilzeit-Vegetarier zieht Kreise. Für die kommenden Monate wird das Thema „Umgang mit Fleisch“ eine noch größere Rolle spielen. Hanni Rützler analysiert brillant den Weg des Gemüses zum Star der High Cuisine, das in einem veränderten Essverhalten mit dem Motto: „Fleisch ist die neue Beilage“ gipfelt. Die vier neuen, im Food Report 2015 beschriebenen Trends „Hybrid Food“, „Soft Health“, „DIY Food“ und „Food Pairing“ bieten Produzenten, Handel und Gastronomie Orientierung sowie Anregungen zur Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Hanni Rützler wirft auch einen Blick auf neueste Entwicklungen im Nachfrageverhalten der Konsumenten und die kommende Revolution im Food-Informationsdesign. Kennzeichnungspflichten und das Informationsbedürfnis der Käufer werden Handel und Hersteller vor große Herausforderungen stellen. Hier nicht nur zu reagieren, sondern die Potenziale aktiv im Sinne der Verbraucher zu gestalten, kann große Chancen eröffnen. Das Zukunftsinstitut und die Lebensmittel Zeitung begleiten diese Entwicklungen kontinuierlich in ihren Publikationen. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine spannende und inspirierende Lektüre! Harry Gatterer Geschäftsführer Zukunftsinstitut Peter Esser Geschäftsführer Lebensmittel Zeitung Frankfurt, Juni 2014 3 INHALT Food Report 2015 FOOD TRENDS FLEISCH THEMENSCHWERPUNKT 4 00 Trend Update SEITE 8 Hybrid Food 02 Soft Health 03 DIY Food 04 Food Pairing 01 SEITE Szenarien für die Zukunft 40 Zukunftsinstitut I Lebensmittel Zeitung GASTRO SEITE 56 Gastroveggies 02 Cocina Novoandina 03 Die neue alpine Küche 01 BRANCHENSCHWERPUNKT CONSUMER SEITE 84 Die neue Macht der Konsumenten 02 Food Information Design 01 THEMENSCHWERPUNKT 5 FOOD-TRENDS Food Report 2015 H eute wird das Wort Trend umgangssprachlich meist als Synonym für eine kurzfristige Mode im Bereich des Marketings benutzt. Und Hypes, also von Medien zeitweilig besonders aufgebauschte Trends, gelten dann als „Megatrends“: ob Smoothies, Cupcakes oder Frozen Yogurt. Für die Trend- und Zukunftsforschung sind dies jedoch nur Oberflächenphänomene, also kurzfristige, modische Produkttrends. Mit dem Begriff Food-Trends beschreiben und analysieren wir etwas anderes: nämlich die längerfristigen Veränderungsbewegungen und Wandlungsprozesse innerhalb bestimmter Esskulturen bzw. Gesellschaften. Food-Trends changieren zwischen soziokulturellen Trends und Konsumtrends. Sie haben eine durchschnittliche Halbwertszeit von zehn Jahren, können aber auch länger wirksam sein. Dabei differenzieren sie sich immer mehr aus und münden schließlich in neue Trends; oder sie gehen gänzlich im Mainstream auf oder verebben. 10 Zukunftsinstitut I Lebensmittel Zeitung Food-Trends: Frühwarnsystem für die Branche Food-Trends zeigen Lebensgefühle und Sehnsüchte auf. Sie bieten Orientierung und damit immer auch Lösungsversuche für aktuelle Problemstellungen. Geprägt werden sie von tiefgreifenden, globalen und langfristig wirksamen Veränderungen, die wir als Megatrends bezeichnen. Getragen aber werden sie immer von Menschen. Von Menschen, die sich besonders intensiv mit Essen und Nahrungsmitteln auseinandersetzen oder die sich bei ihrer Ernährung mit konkreten Problemen konfrontiert sehen. Diese können gesundheitlicher oder sozialer Natur sein (permanenter Zeitmangel, Einsamkeit, Familie etc.), ökonomische und/oder strukturelle Gründe haben. Die Epizentren von Food-Trends sind daher immer Personengruppen mit starken Motiven und Leidenschaften oder Personengruppen, die bestimmte Probleme als besonders drückend erleben. Sie lösen die Food-Trends aus, schieben Veränderungen an und dynamisieren sie. Für die Food-Branche können sie als „Barometer“ fungieren, an denen Entwicklungen abgelesen werden können. Diese Veränderungen breiten sich ausgehend vom Epizentrum wie Wellen eines Bebens tiefer in die Gesellschaft aus. Dieses Modell vom Epizentrum der Food-Trends ist eine wertvolle Hilfe für die Akteure der Food-Branche, weil es der Gastronomie, dem Lebensmittelhandel und den Produzenten hilft, die Ursachen, Motive und Richtungen von Entwicklungen bereits früh zu erkennen; zu einem Zeitpunkt, an dem klassische Instrumente der Marktforschung noch längst nicht greifen. Diese schlagen – um im Bild zu bleiben – erst aus, wenn die Mauern schon zu schwanken beginnen, d.h. wenn bestimmte Produkte und Services nicht mehr so stark nachgefragt werden, alte Geschäftsmodelle versagen oder wenn die Konkurrenz mit trendadäquaten Produkten und Services deutlich besser punktet. Naturgemäß ist die Anzahl der Akteure im Epizentrum eines Food-Trends zunächst klein; aber ihre Protagonisten sind proaktiv, involviert und engagiert. Sie bringen mit ihrer Energie immer mehr Menschen zum Mitschwingen und lösen eine Dynamik aus, die sich in mehreren Wellen bzw. Schritten vom Zentrum in die Peripherie ausbreitet. Trend-Kategorien im Wellenmodell Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Veränderung Mikrotrends Moden/Produkte Zeitgeist/Märkte Konjunktur/Ökonomie Zeitgeisttrends Sozio-Sozio kulturtrends Technologie Zivilisation Konsumtrends Food-Trends Megatrends Technotrends Metatrends Natur Quelle: Zukunftsinstitut 11 FOOD-TRENDS Food Report 2015 Wie sich Food-Trends entwickeln Im Epizentrum von Food-Trends befindet sich immer eine Minderheit ...fusioniert mit einem anderen Food-Trend Epizentrum Trend Mainstream Ein Food-Trend geht von einer kleinen Peer Group aus... ...erfasst eine größere Gruppe von Konsumenten & Akteuren „als“ Trend... ...erfasst eine Mehrheit und löst sich damit „als“ Trend auf. ...oder verebbt, ohne die Mehrheit zu erreichen Die Dynamik von Food-Trends: Beispiel Local Food 99% Origin Restaurants Regional ist das neue Bio Slow Food „Genussregion“ als Tourismusmarke Urban Gardening Locavores Epizentrum Quelle: futurefoodstudio 2014 12 Regional-Marken Trend Mainstream Zukunftsinstitut I Lebensmittel Zeitung Trend-Update I. Curated Food Der Konsument von morgen – so die Trendprognose aus dem Food Report 2014 – wird eine kuratierte Auswahl mehr als eine grenzenlose schätzen. Je nach individuellen Bedürfnissen nimmt er unterschiedliche Curated-FoodAngebote wahr. Der Handel reagiert auf diesen Trend mit der Erweiterung spezieller Retail Brands (von Budget über Bio bis zu Premium); Organisationen für Gesundheit und Konsumentenschutz sowie engagierte Entwickler bieten zahlreiche Apps, die dem Verbraucher bei der Orientierung im Lebensmittelüberangebot oder bloß – wie der AisleFinder (www.aislefinder.com) – bei der Orientierung im Supermarkt helfen wollen. Das gewachsene Bewusstsein für Lebensmittelqualität und der Wunsch nach ausgewählten Produkten ist auch ein Grund, warum Feinkosthändler und Spezialitätengeschäfte (mit bewusst reduziertem Sortiment) Zulauf verzeichnen und die Zahl kleiner Läden mit gezieltem Angebot (z.B. bestimmten Lebensmittelgruppen, regionalen Produkten) wieder zunimmt. Denn wer einkauft, will heute etwas erleben, das über die Anschaffung von Dingen hinausgeht. Man will Geschichten erzählt bekommen, in präzise definierte Food-Welten eintauchen und die Gewissheit haben, keine Massenware zu kaufen. ■ Neben Online-Shops für besondere Delikatessen spezialisieren sich Anbieter auch zunehmend auf kuratierte Lebensmittel in Form von Biokisten und Abo-Kochboxen inklusive Rezepten für schmackhafte und gesunde Ernährung. Das Berliner Start-up „Try Foods“ bietet Genießern Lebensmittel als kulinarische Probiersets. Zu jedem Set gibt es Tipps zur Verwendung, die Herkunftsgeschichte der einzelnen Produkte und zahlreiche Hintergrundinformationen. (www.tryfoods.de) ■ Die boomende Food-Tourismus-Branche bietet weltweit kuratierte Führungen durch die Genusswelten an. Sogenannte „Food Sherpas“ führen Foodies durch den (kulinarischen) Großstadtdschungel: ob in Paris, Frankfurt oder New York, ob über den Wiener Naschmarkt oder den Brixton und Borough Market in London. (www.flaneurculinaire.de, www.edibleexcursions.net, www.eat-the-world.com) II. Flexitarier Da Flexitarier weniger auf Moral und mehr auf Pragmatismus setzen, gehört ihnen die Zukunft. So lautete das Resümee im Food Report 2014. Mittlerweile hört der Flexitarier auch schon auf weitere Namen. Ob Teilzeitvegetarier oder Vegavore – es steckt immer ein ähnliches Essverhalten dahinter: deutlich weniger Fleisch und Wurst, viel mehr Gemüse und Getreideprodukte. Die Folge: Vor allem die Gastronomie orientiert sich verstärkt an diesem Esstypus der Zukunft (siehe „Gastroveggies“, S. 58, und „Die neue Macht der Konsumenten“, S. 86). Renaissance des Feinkostladens (on- und offline) CURATED FOOD Food Sherpas Retail Brands 13 FOOD-TRENDS Food Report 2015 Trend rend New Gardening: Urban Farmers bringen den Garten zurück in die Stadt Foto: UrbanFarmers AG, Zürich III. Küchenchefs IV. Sensual Food Auch in Zukunft bleiben Küchenchefs die kulinarischen Trendsetter. Mehr noch: Sie werden zu Role Models einer ganzen Generation: In Peru (siehe auch Kapitel „Cocina Novoandina“, S. 66) sind Topköche wie Gastón Acurio schon heute populärer als Fußballer. In den USA ist der 15-jährige Flynn McGarry der neue Shootingstar der Medien. Das New York Times Magazine widmete dem Teenie-Koch, der seit drei Jahren – zu Menüpreisen von 160 Dollar – einen Supper Club im elterlichen Wohnzimmer betreibt und dessen erklärtes Ziel es ist, der beste Koch der Welt zu werden, ein ausführliches Print- und TV-Porträt. Und „Fool“, die internationale Esskultur-Illustrierte mit dem sprechenden Untertitel „food, insanity, brilliance & love“, inszeniert den italienischen KüchenAvantgardisten Massimo Bottura wie die „Bunte“ einst Sophia Loren oder Marcello Mastroianni. Doch machen Küchenchefs nicht nur in der Küche, sondern auch politisch gehörig Dampf: Über zehn Spitzenköche aus Österreich haben sich zur „Initiative Pro Vielfalt“ zusammengeschlossen, um gegen die EUSaatgutverordnung mobil zu machen. Je geschulter der eigene Geschmack wird und je besser er verbalisiert werden kann, desto mehr gewinnt er an Macht, die Konsumentscheidungen mitzubestimmen. Produzenten, die Verbraucher mit ihren Produkten bei der individuellen Geschmacksdifferenzierung unterstützen, so die Trendprognose aus dem Food Report 2014, werden davon profitieren. Damit ist einem neuen Trend Tür und Tor geöffnet: Food Pairing (siehe S. 34). 14 V. New Gardening Im Food Report 2014 wurde „New Gardening“ als starker Food-Trend identifiziert, der viel Potenzial für den Lebensmittelhandel, die Gastronomie, städtische Architektur und Privathaushalte bietet. Zahlreiche Akteure der Food-Branche nutzten diese Möglichkeiten in den letzten zwölf Monaten und treiben den Trend dynamisch voran: Dass Top-Restaurants ihren eigenen Kräuter- und Gemüsegarten betreiben, ist fast schon zu einem Statussymbol geworden – beinahe so wichtig wie der gut bestückte Weinkeller. Und jetzt sind die Supermärkte an der Reihe. Zukunftsinstitut I Lebensmittel Zeitung ■ Auf dem Dach des Whole Foods Market in Brooklyn hat im Dezember 2013 das erste kommerziell produzierende, supermarktintegrierte Gemüsegewächshaus der Welt seinen Betrieb aufgenommen. Frische Salate, Kräuter und Tomaten werden nicht mehr mit dem Lkw, sondern mit dem Aufzug geliefert. Zahlreiche weitere Projekte des US-Unternehmens „Gotham Greens“ sind in der Pipeline. (www.gothamgreens.com) ■ In Basel testet die Firma „Urban Farmers“ seit einem Jahr auf 250 qm die erste Aquaponic Rooftop Farm im Praxisbetrieb (www.urbanfarmers.com). Ähnliche Projekte verfolgen auch The Farmery (www.thefarmery. com) sowie das Berliner Unternehmen ECF-Farmsystems und Brightfarms in den USA. (www.ecf-farmsystems.com/ecf-containerfarmen, www.brightfarms.com) Auch für private Haushalte gibt es immer reichhaltigere Angebote an Home-Farming-Konzepten. Ob für DIYZucht wertvoller Speisepilze, wie vom jungen Berliner Unternehmen „Chido’s Mushrooms“ (www.frischepilze. de), oder für knackiges Gemüse: Die Gemüse-Box von „meine ernte“ bietet jedem Konsumenten die Möglichkeit, am Balkon, auf der Terrasse oder im Kleingarten zum Produzenten für den Eigenbedarf zu werden (www. meine-ernte.de/gemuese-selbst-anbauen.html). Auch neue Formen des Crowd Farmings oder assoziierten Wirtschaftens (www.ochsenherz.at, opengardencph.dk) erweitern das Spektrum des „New Gardening“-Trends. VI. Re-use Food Immer mehr Supermärkte öffnen ihr Sortiment für „Misfits“. Laut einer aktuellen Umfrage von YouGov können sich 84 Prozent der Deutschen vorstellen, Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern zu kaufen. Nach der sehr erfolgreichen Einführung der „Wunderlinge“ bei Billa in Österreich und „Ünique“ bei Coop in der Schweiz finden sich inzwischen auch Äpfel mit optischen Mängeln und Bruchkarotten beim Discounter Netto im Angebot. Sie werden mit den Slogan „Geschmack probieren statt aussortieren“ angepriesen. Auch Edeka brachte mit „Keiner ist perfekt“ krumme Gurken, dreibeinige Karotten und unförmige Kartoffeln auf den Markt. Der Trend zu Reduce, Re-use und Recycle macht auch vor den privaten Küchen nicht Halt. Neue Ratgeber und Kochbücher animieren – kulinarisch ausgesprochen anregend – zu einem anderen Umgang mit Essensresten oder mit jenen Teilen von Fleisch und Gemüse, die bisher im Abfall landeten. Österreichs Top-Koch Thomas Riederer rettet schon seit längerem Wurstreste, Gemüseschalen und Kerngehäuse vor dem Mistkübel und hat seinem kämpferischen Kochbuch gegen die Wegwerfgesellschaft den provokanten Titel „Nur der Idiot wirft’s weg“ verpasst. Brandneu ist Bernadette Wörndls Veggie-Kochbuch „Von der Schale bis zum Kern“. Jetzt gibt es für Foodies keine Ausrede mehr, Brokkolistängel, Karottengrün oder Wassermelonenschalen achtlos zu entsorgen. Restaurant NEW GARDENING Crowd Farming Urban Gardening 15 FOOD-TRENDS Food Report 2015 Food-Trends in der Übersicht Functional Food Regional Food Soft Health Clean Food Flexitarier Urban Gardening Seasonal Food Slow Food Nature Food Fair Food Curated Food New Gardening Re-Use-Food DIY Food Ethik Food Quelle: futurefoodstudio 2014 16 T True Food Zukunftsinstitut I Lebensmittel Zeitung Ethno Food Hybrid Food Doc-Food Fusion Food Artisan Wild Food Local Food Food Pairing E Ess-thetik Fast Food Pleasure Food Fast Casual Cheap Basic Mood Food Hand Held Food Sensual Food Convenience 2.0 Küchenchefs New Snacking 17 FLEISCH Food Report 2015 I n großen Teilen der westlichen Industriegesellschaften ist die jahrhundertealte Sehnsucht nach mehr Fleisch bereits gestillt: Der seit den 1960er Jahren rasant gestiegene Fleischkonsum stagniert in Europa langsam auf hohem Niveau und ist in den USA sogar rückläufig. Dagegen wächst der „Fleischhunger“ in den Schwellenländern und in den boomenden Wirtschaftsnationen Asiens und Südamerikas immer noch weiter. Fleisch ist – wie einst im Nachkriegseuropa – nun in China, Brasilien und den anderen BRICS-Staaten Symbol des Aufstiegs. Die Gründe, warum Fleisch allmählich seinen Status als esskulturelles Leitprodukt in Europa und den USA verliert, sind: immer wiederkehrende Lebensmittelskandale, anhaltende Gesundheits- und Nachhaltigkeitsdebatten, neue ethische Diskurse, aber auch die kulinarische Aufwertung von Gemüse und Getreideprodukten in der gehobenen Gastronomie. Unter dem Motto „Gemüse ist das neue Fleisch“ wurden die ehemaligen „Beilagen“ – von vielen Spitzenköchen mit signature dishes geadelt – zum Symbolträger für Gesundheit und Connaisseurship (siehe auch Kapitel Gastroveggies, S.58). 42 Zukunftsinstitut I Lebensmittel Zeitung Fleisch zwischen Genuss und Überdruss Nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die Wertschätzung von tierischen Produkten verändert sich. Somit wird endlich der Weg frei für neue qualitative Differenzierungen. In den Fachgeschäften gibt es nicht mehr nur „Rindfleisch“ zu kaufen, sondern spezifische Fleischrassen wie Charolais, Limousin, Galloway, Deutsche Angus und Hochlandrind. Der Schweinebraten kommt nicht mehr nur von rosa Turboschweinen, sondern auch von Wollschweinen und anderen selten gewordenen Rassen aus Freilandhaltung auf den Teller. Dry AgedBeef ist aus gut sortierten Supermärkten ebenso nicht mehr wegzudenken wie Hühnerfleisch aus biologischer Haltung. Schon heute ■ beansprucht die Viehzucht direkt und indirekt durch die Futtermittelproduktion weltweit 70 Prozent des landwirtschaftlich genutzten Landes und 30 Prozent der gesamten Landoberfläche. „Nose to Tail Eating“ gewinnt nicht nur bei Foodie-Events, sondern auch in der regionalen Gastronomie (siehe auch Kapitel Alpine Küche, S. 74) deutlich an Popularität. Fleischliebhaber aus kulinarischer Überzeugung bestellen inzwischen Fleischspezialitäten von Qualitätsproduzenten via Internetversand (Otto-Gourmet, Porcella etc.), schauen „kuh-le“ Videos (My KuhTube), lernen das Handwerk des Zerlegens und Wurstmachens in Metzgerkursen, z.B. bei Meat Butcher & Delicatessen in London (www.meatlondon.co.uk), oder besuchen zumindest einen Grillkurs. Unter dem Motto „O’gstochn is“ lädt das Gut Purbach regelmäßig zum Sautanz, bei dem alle Teile des Schweins verarbeitet werden (www.gutpurbach.at/ sautanz-ogstochn-is). ■ benötigt sie 8 Prozent des globalen Wasserverbrauchs, hauptsächlich für die Produktion der Futtermittel. Zugleich aber führen uns die Diskussionen über den „langen Schatten der Viehzucht“ – so der deutsche Titel des 2006 erschienenen Berichts der FAO – vor Augen, welch negative Folgen der weltweit hohe Fleischkonsum für die Umwelt hat. Laut Schätzungen der UN-Landwirtschaftsorganisation soll die Fleischproduktion von derzeit 229 auf 465 Millionen Tonnen im Jahr 2050 noch weiter gesteigert werden. Für die Milchproduktion ist ein Zuwachs von derzeit 580 auf 1043 Millionen Tonnen prognostiziert; mit – so die Befürchtung der FAO-Experten – gravierenden Umweltfolgen. ■ werden 9 Prozent des anthropogenen Kohlendioxids durch die Fleischproduktion freigesetzt. ■ leistet die Fleischproduktion mit einen Anteil von 18 Prozent CO2-Äquivalenten einen höheren Beitrag zum Treibhauseffekt als das gesamte weltweite Verkehrswesen. ■ trägt sie zu einem Drittel zur Belastung des Frischwassers mit Stickstoff und Phosphat bei. ■ ist die Nutztierzucht einer der Hauptverursacher des Artensterbens. Neben den Konsequenzen für die Ökosysteme und den ethischen Bedenken gegenüber einer auf Effizienz getrimmten Massentierhaltung hätte ein weiter ansteigender Fleischkonsum auch für die Gesundheit der Menschen schwerwiegende Folgen: Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebsraten würden drastisch zunehmen. Aber wird der weltweite Fleischkonsum wirklich so drastisch ansteigen? Werden wir uns Fleisch in Zukunft überhaupt noch leisten können, wenn die Kosten für die ökologischen Korrekturmaßnahmen exponentiell steigen? Ist ein sorgsamerer Umgang mit den Ressourcen gleichbedeutend mit gänzlichem Verzicht auf Fleisch? Oder sollen wohlschmeckende Fleischgerichte in Zukunft weiter dem reichen Westen vorbehalten sein? 43 hanni rützlers FOODREPORT 2015 >> Faxantwort +49 (0) 69 26 48 48 9-20 oder online unter www.zukunftsinstitut.de Exemplar(e) des Branchenreports „Food Report 2015“ Ja, ich bestelle zum Preis von je 125,– Euro zzgl. 7% MwSt., 112 Seiten FirmaAbteilung VornameName Straße PLZ / Ort TelefonFax Autoren: Hanni Rützler, Wolfgang Reiter ISBN 978-3-938284-86-5 E-Mail USt.-ID bei EU-Lieferung Ort, Datum Unterschrift der neue food report Nach dem großen Erfolg des ersten Food Report im vergangenen Jahr freuen wir uns, Ihnen in der Ausgabe für die kommenden Monate wieder jede Menge hochspannende Entwicklungen rund um das Thema Lebensmittel, Food, Ernährung, Retail und Gastronomie aufzeigen zu können. Für HÄNDLER UND HERSTELLER in der food-branche Die neuen Food-Trends werden enorme Veränderungen für die Sortimente, das Shop-Design und die Konzepte der Gastro­nomie mit sich bringen. Hier nicht nur zu reagieren, sondern die Potenziale aktiv im Sinne der Verbraucher zu gestalten, kann große Chancen eröffnen. Viel Freude beim Lesen und bei der Anwendung! Der FOOD REPORT 2015 ist in Zusammenarbeit mit der Lebensmittel Zeitung entstanden. Geschäftsbedingungen: Versandkostenanteil Inland 3,- Euro, Ausland 5,- Euro. Sie haben ein Rückgaberecht von zwei Wochen nach Erhalt der Ware laut BGB §312. Bei umfangreicheren Bestellungen räumen wir Ihnen gerne Rabatte ein. Kontakt: Anna Kunz, [email protected], Tel.: +49 (0)69 264 848 9-22 :zukunfts|institut GmbH | Internationale Gesellschaft für Zukunfts- und Trendberatung | Kaiserstraße 53 | D-60329 Frankfurt | Telefon: +49 (0) 69 26 48 48 9-0 | Fax: +49 (0) 69 26 48 48 9-20