Nesosilikate 1 NESOSILIKATE - Überblick Silikatstrukturen mit isoliert (nicht verknüpft) auftretenden SiO4 -Tetraedern Olivin-Gruppe, orthorhombisch Forsterit Mg2 SiO4 Fayalit Fe 2 SiO4 siehe Einf. Min. Pet! Granat-Gruppe, kubisch siehe Einf. Min. Pet! Pyrop Mg3 Al2 [SiO4]3 Almandin Fe3 Al2 [SiO4]3 Spessartin Mn3 Al2 [SiO4]3 „Pyralspit-Reihe“ Uwarowit Grossular Andradit „Ugrandit-Reihe“ Zirkon, Ca3 Cr2 [SiO4]3 Ca3 Al2 [SiO4]3 Ca3 Fe2 [SiO4]3 Zr[SiO4], tetragonal Al2SiO5-Gruppe Andalusit Sillimanit Kyanit (Disthen) Topas, Al2[(F2)/SiO4], orthorhombisch Staurolith, orthorhombisch Chloritoid, monoklin bzw. triklin Titanit (Sphen) monoklin Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 2 Olivin-Gruppe (Mg,Fe)2 SiO4 orthorhombisch 2 2 2 mmm Ausbildung und Eigenschaften: siehe Einführung M.P. und Übungsunterlagen! Struktur: annähernd hexagonal dichteste Kugelpackung der Sauerstoffe // (100); Si [4] in kleineren tetraedrischen, Fe und Mg [6] in den größeren oktaedrischen Lücken. Kristallform und Struktur von Olivin (aus Matthes, 1996). Chemismus: isomorphe Mischkristallreihe (engl. solid solution) zwischen den beiden Endgliedern Forsterit Mg2 SiO4 Fayalit Fe2 SiO4 In den meisten Gesteinen ist Olivin Mg-reich (70-90 Mol. % Fo); diadocher Einbau von Ni2+ und Mn2+in die Struktur. Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 3 Das binäre System Forsterit – Fayalit Das binäre System Forsterit – Fayalit (bei 1 atm). aus Matthes (1996). Vorkommen: Magmatisch: wichtiges gesteinsbildendes Mineral in dunklen magmatischen Gesteinen Hauptmineral im oberen Erdmantel! • ultramafische Gesteine (vor allem Peridotite; z.B. „Olivinbomben“ von Kapfenstein, Oststeiermark • mafische Plutonite (Gabbro) und Vulkanite (Basalt) Metamorph: in Mg-reichen Kalksilikatgesteinen Umwandlung: Er wandelt sich unter H2O-Aufnahme leicht in Serpentin-Minerale (siehe Phyllosilikate) und bei Vorhandensein von CO2 auch in Magnesit um. Verwendung: Mg-reicher Olivin als Rohstoff für die Feuerfestindustrie (Forsteritziegel; Sande) Schmuckstein: sog. Chrysolith oder Peridot Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 4 Granat-Gruppe 4 −2 kubisch 3 m m Ausbildung und Eigenschaften: siehe Einführung M.P. und Übungsunterlagen! Struktur und Chemismus: 2+ 3+ Allgemeine Formel: A3 B2 [SiO4]3 2+ 2+ A = Mg, Fe , Mn , Ca in [8] Koordination; 3+ 3+ B = Al, Fe , Cr in [6] Koordination Endglieder: Pyrop Almandin Spessartin Mg3 Al2 [SiO4]3 Fe3 Al2 [SiO4]3 Mn3 Al2 [SiO4]3 „Pyralspit-Reihe“ Uwarowit Grossular Andradit Ca3 Cr2 [SiO4]3 Ca3 Al2 [SiO4]3 Ca3 Fe2 [SiO4]3 „Ugrandit-Reihe“ Darstellung wichtiger Mischkristallbildungen der Granat-Gruppe (aus Klein, 2002) Hydrogrossular: Einbau von bis 8.5 % Wasser möglich, 4(OH)<->SiO4 Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 5 Vorkommen: Almandin-reicher Granat ist ein weit verbreitete gesteinsbildendes Mineral, vor allem in Metamorphiten mit mittlerem Metamorphosegrad (Schiefer, Gneis, Amphibolit) gemeinsam mit Glimmern, Al2SiO5-Mineralen, Staurolith etc.; wichtiges Indexmineral für die Gliederung der Metamorphose; als Schwermineral auch in daraus durch Verwitterung gebildeten klastischen Sedimenten Pyrop-reicher Granat in Mantelgesteinen (Granat-Peridotit, Kimberlit) und metamorphen Hochdruckgesteinen (Eklogit) Spessartin-reicher Grant in Pegmatiten, in Skarngesteinen und Mn-reichen Metamorphiten Grossular- und Andradit reicher Granat entsteht bei der Regional- und Kontaktmetamorphose von unreinen Ca-reichen Gesteinen z.B. 3CaCO3 +3SiO2+Fe2O3 = Ca3Fe2SiO3 + 3CO2 Melanit ist ein Ti-reicher Andradit, in Alkali-reichen Magmatiten Uwarowit: Metamorphose von Cr-reichen Gesteinen, vor allem in metamorphen CrLagerstätten Verwendung: Schmuckstein: vor allem Pyrop (Trachtenschmuck; „Böhmischer Granat“); Demantoid (grüner Andradit) ist wegen der gelbgrünen Farbe geschätzt; wichtig als Abrasiva für Schleifmittelindustrie Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 6 Zirkon Zr[8] [SiO4] tetragonal 4 2 2 mmm Ausbildung: kurzsäulig prismatische Kristalle meist eingewachsen in Gestein; häufig Kombinationen von Prisma und Dipyramide Eigenschaften: • • • • • Spaltbarkeit, Bruch: {100} unvollkommen; muschelig Härte: 7.5 Dichte: 4.7 g/cm3 Farbe, Glanz: braun, farblos, gelb, orange; Diamant – Fettglanz Strich: farblos; durchscheinend, selten durchsichtig Kristallstruktur und Morphologie von Zirkon (aus Klockmann, 1980) Struktur: Zr4+ in [8] Koordination mit den Sauerstoffen der Tetraeder, die spiegelsymmetrisch und nach vierzähligen Schraubenachsen angeordnet sind; Gitter wird durch radioaktive Strahlung zerstört –> Metamiktisierung Chemismus: Einbau von U, Th und Pb -> Bedeutung für die Altersbestimmung zirkonführender Gesteine; auch Einbau des sehr seltenen Elementes Hafnium (Hf), das keine eigenen Minerale bildet. Thorit ThSiO4 ist isotyp mit Zirkon. Vorkommen: weit verbreitet als akzessorischer Gemengteil im intermediären bis sauren Magmatiten und Metamorphiten; als Schwermineral in Sedimenten und Seifen Verwendung: Gewinnung von Zr und Hf; Zr als Legierungsmetall (Ferrozirkon), Reaktormaterial, ZrO2 als säure- und hochfeuerfestes Material; Glasuren für Keramik und Glas; Edelstein (rot-oranger Hyazinth) Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 7 Topas Al2[6] [F2/SiO4] orthorhombisch Ausbildung: flächenreiche rhombische Kristalle, Tracht und Habitus sehr verschieden; oft längsgestreifte Vertikalprismen, Längsprismen und rhombische Dipyramide; stengelige Aggregate (Varietät: Pyknit); derb, körnig Kristallformen von Topas (aus Matthes, 1996) Eigenschaften: • • • • Spaltbarkeit, Bruch: {001} vollkommen; muschelig Härte: 8! Defintionsmineral Dichte: 3.5 g/cm3 Farbe, Glanz: farblos, hellgelb, weingelb, hellblau etc.; Glasglanz; durchsichtig bis durchscheinend Struktur und Chemismus: dichte Packung von Sauerstoffen und F-Anionen; Si in tetraedrischen [4], Al in oktaedrischen [6] Lücken; wichtiges F-Mineral! Vorkommen: typisches Mineral pneumatolytischer Prozesse: gemeinsam mit Kassiterit, LiGlimmern etc. an Granite, Pegmatite, Greisen gebunden; sekundär in Seifen Verwendung: Edelstein: Edeltopas (Anmerkung: die Farbe der hellblauen Edeltopase ist fast immer auf künstliche Bestrahlung zurückzuführen) Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 8 Al2SiO5-Gruppe (Aluminium-Silikate) - Überblick trimorphe Gruppe mit den Mineralien Andalusit Al[6]Al[5] [O|SiO4] orthorhombisch Sillimanit Al[6]Al[4] [O|SiO4] orthorhombisch Kyanit (Disthen) Al[6]Al[6] [O|SiO4] triklin Eigenschaften: Härte Dichte g/cm3 Andalusit 6.5-7.5 3.1 grau, rosa, rot Sillimanit 6.5-7.5 3.2 weiß, braun Kyanit 5.5-7 ! 3.6 blau Farbe Struktur: Strukturen der Al2SiO5 Modifikationen (aus Klockmann, 1980) Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 9 Stabilitätsdiagramm: Stabilitätsdiagramm der Al2SiO5 Minerale (aus Matthes, 1996) Vorkommen: generell in Al-reichen Metamorphiten (Metapelite etc.); siehe unten Verwendung: Brennen bei 1100 – 1650 °C führt zur Bildung von Mullit 3Al2SiO5 = Al6Si2O13 + SiO2 (Al2SiO5 = Mullit + Glas) Mullitkeramik: porzellanartige, feuerfeste Keramik (bis 1800 °C); Isolatoren Stahlindustrie: Brennstein, Stopfen und Ausgüsse von Stahlpfannen etc. Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 10 Andalusit Al[6]Al[5] [O|SiO4] orthorhombisch Ausbildung: prismatische quaderförmige Kristalle mit fast quadratischem Querschnitt; oft rosa bis rötlich; in der Varietät Chiastolith wird kohliges Pigment kristallographisch orientiert in Form eines „Kreuzes“ eingewachsen. Andalusit: Kristallform und Schnitte durch Chiastolith (aus Klockmann, 1986; Klein, 2002) Strukturmodell von Andalusit (aus Klein, 2002) Vorkommen: • in Gesteinen der Kontaktmetamorphose und Temperatur betonten Regionalmetamorphose • max. 760°C, max. 4 kbar; also im niedrig gradigen Metamorphosebereich! • Porphyroblasten mit fast quadratischen Querschnitten in Andalusit (- Cordierit etc.) Schiefern; auch derb-massig verwachsen in Andalusit-Cordierit Hornfels Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 11 Sillimanit Al[6]Al[4] [O|SiO4] orthorhombisch Ausbildung: langprismatische, nadelförmige, harte Kristalle in metamorphen Gesteinen eingewachsen; als Fibrolith feinfaserig, filzige Aggregate bildend Struktur von Sillimanit (aus Klein, 2002) Vorkommen: • in Gesteinen der Kontaktmetamorphose und Temperatur betonten Regionalmetamorphose • Hochtemperaturmodifiaktion! • feinfasrig-filziger Fibrolith oft mit Muscovit in Al-reichen Schiefern; nadelige farblos-weiße Kristalle mit rechteckigen Querschnitten in granulitfaziellen Peliten (ohne Muscovit, mit Granat, Cordierit, Biotit, Orthopyroxen, Spinell etc.) Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 12 Kyanit (Disthen) Al[6]Al[6] [O|SiO4] triklin Ausbildung: prismatische, tafelige Kristalle in metamorphen Gesteinen oder metamorphem Quarz eingewachsen; Pinakoid oft gut ausgebildet, oft gekrümmt und quergestreift; Zwillingsbildung wäßrig-blaue Kristalle, grau-farblos, oft sehr schön blau (Spuren von Fe3+)! Kyanit: Kristallformen und Verzwilligung Struktur von Kyanit Eigenschaften: Spaltbarkeit in mehrere Richtungen! {100} vollkommen, {010} deutlich; faseriger Bruch nach [001] und Wellung Härte; extreme Anisotropie der Härte (davon alter Name!)! Härte ~4.5 // [001] bzw. ~6.5 // [010] Vorkommen: • in Gesteinen der Regional- und Hochdruckmetamorphose • Hochdruckmodifikation! • oft mit Granat, Biotit, Muscovit ± Staurolith in Al-reichen Glimmerschiefern und Gneisen; in Al-reichen Eklogiten und Hochdruckgranuliten Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 13 Staurolith (Fe, Mg)2Al9 [O6(O, OH)2/SiO4)4] orthorhombisch Ausbildung: relativ flächenarme meist prismatisch-stengelige Kristalle, immer im Gestein eingewachsen; charakteristische Durchkreuzungszwillinge (90° bzw. 60°)! Staurolith. a. Einzelkristall mit stengeligem Habitus; b. rechtwinkeliger Durchkreuzungszwilling nach (032) c. 60° Durchkreuzungszwilling nach (232) (aus Matthes, 1996). Eigenschaften: H = 7-7.5; D = 3.7-3.8; gelbbraun, braun, schwarzbraun, rotbraun; Struktur: komplexe Struktur ähnlich Kyanit Vorkommen: in Glimmerschiefern und Gneisen der Amphibolitfazies (mit Fe-reichem Granat, Biotit, ± Kyanit etc.); stabil zwischen ca. 550- 670 °C Schweremineral in kalstischen Sedimenten (Anzeiger metamorpher Liefergebiete) Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 14 Chloritoid (Fe2+, Mg, Mn)2(Al, Fe3+ )(OH)Al3O2[SiO4]2, monoklin oder triklin Ausbildung: tafelige Kristalle nach {001} mit guter Spaltbarkeit // Basisflächen; meist eingewachsen im Gestein Eigenschaften: Spaltbarkeit: nach {001)! weniger deutlich als bei Glimmer; spröde Härte, Dichte: H = 7-7.5; D = 3.7-3.8 g/cm3 Farbe: dunkelgrün, grüngrau; Perlmuttglanz; farbloser Strich Struktur: komplexe schichtartige Struktur oktaedrischer Lagen von O und OH mit isolierten SiO4-Tetraedern (siehe Abb.). Struktur von Chloritoid (aus Klein, 2002) Vorkommen: in schwach metamorphen Al-reichen Metapeliten der Grünschieferfazies (mit Granat, Biotit, Muscovit, Chlorit etc); makroskopisch schwer zu erkennen und leicht mit Chlorit zu verwechseln. Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith Nesosilikate 15 Titanit (Sphen) CaTi[O|SiO4], monoklin Ausbildung: häufig kuvertartige Kristalle („Briefkuvertform“); Rhombenquerschnitte; Zwillinge Formen und Zwillinge von Titanit (aus Klockmann, 1986) Eigenschaften: • Spaltbarkeit: nach {100) deutlich. • Härte, Dichte: H = 5.5.5; D = 3.4-3.5 g/cm3 • Farbe: grau, braun, grün, gelb, schwarz; • hohe Licht- und Doppelbrechung nur im Mikroskop erkennbar Chemismus: Einbau von Y3+, Ce3+ statt Ca; OH, F statt O Vorkommen: häufiges akzessorisches Mineral in Magmatiten (Granit, Syenit) und Metamorphiten (Gneis, Chloritschiefer, Marmor etc.); schöne Kristalle vor allem in alpinen Klüften Verwendung: untergeordnet zur Ti-Gewinnung (Abbau von Titanit aus Syenit, Kola); Schmuckstein Mineralogie LV 620.074 J.G. Raith