Arzneimittelinduzierte schwere Hautreaktionen

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B E K A N N T G A B E N
D E R
H E R A U S G E B E R
B U N D E S Ä R Z T E K A M M E R
Mitteilungen
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Arzneimittelinduzierte
schwere Hautreaktionen
Das Spektrum der durch Arzneimittel verursachten schweren Hautreaktionen umfaßt drei Erkrankungsbilder:
1. Erythema exsudativum multiforme majus (EEMM)
2. Steven-Johnson-Syndrom (SJS)
3. Toxische Epidermale Nekrolyse
(TEN; früher: medikamentöses LyellSyndrom).
Bereits 1984 und 1991 hatte die
AkdÄ über diese oft, allerdings nicht
ausschließlich im Zusammenhang mit
der Einnahme bestimmter Arzneimittel,
vorkommenden schweren Hautreaktionen berichtet. Nachfolgend informieren
wir die Ärzteschaft über die in diesem
Zusammenhang wichtigsten Risiko-Medikamente und die Organisation diesbezüglicher Meldungen.
Noch einmal zur Symptomatologie
Zu Beginn treten unspezifische, grippeartige Allgemeinsymptome mit erhöhter Temperatur und Eosinophilie auf.
Die im Anschluß auftretenden Hauterscheinungen sind gekennzeichnet durch
Erytheme mit Übergang in eine mehr
oder weniger ausgedehnte Blasenbildung, die dem Bild einer großflächigen
zweitgradigen Verbrühung beziehungsweise Verbrennung ähnelt. Daneben finden sich Schleimhautmanifestationen in
Form erosiver Veränderungen des Mundes, des Genitales sowie der Konjunktiven und der Lippen.
Das EEMM zeigt typischerweise Läsionen vorwiegend im Hand- und Fußbereich bei gleichzeitiger Schleimhautbeteiligung. Beim SJS dagegen fällt eine
stammbetonte beziehungsweise generalisierte Verteilung der Hautveränderungen auf. Da eine klare Abgrenzung zwischen SJS und TEN kaum möglich ist,
wurde eine SJS/TEN-Übergangsform
definiert, bei welcher Blasen und Erosionen zwischen 10 Prozent und 30 Prozent
der Körperoberfläche (KOF) betreffen.
Von einem TEN spricht man bei einem
Prozentsatz an Hautablösung von mehr
als 30 Prozent. Dabei wird die Prognose
in erster Linie durch den Erhalt eines
normalen Flüssigkeits- und Elektrolyt-
haushaltes und die Verhütung einer
Infektion, zum Beispiel Pseudomonas
aeruginosa, bestimmt.
Während SJS, SJS/TEN-Übergangsform als eine Erkrankung mit verschiedenem Schweregrad angesehen werden,
unterscheidet sich das EEMM hiervon.
Zwar findet man beim EEMM auch, vor
allem an den unbedeckten Körperpartien, die an Schießscheiben erinnernden
Erytheme und kleinere Blasen, doch
konfluieren diese nicht. Die fehlende
Tendenz zu großflächiger Blasenbildung
ist für die Prognose des Patienten von
erheblicher Bedeutung.
Die wichtigsten Differentialdiagnosen zu den Formen der TEN sind das generalisierte bullöse fixe Arzneiexanthem
und das staphylococcal scalded skin syndrome (SSSS), früher auch „staphylogenes Lyell-Syndrom“ genannt.
Letzte Sicherheit bei der Entscheidung, um welche Form der oben beschriebenen Hautreaktionen es sich handelt, kann nur durch eine histopathologische Untersuchung erreicht werden.
Seit 1990 werden derartige Meldungen durch das Dokumentationszentrum
schwerer Hautreaktionen der Universität Freiburg (dZh) über ein Spontanmeldesystem systematisch erfaßt. Hierbei erfolgt auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
und der AkdÄ.
Zwischen 1992 und 1995 lag die Gesamtinzidenz für diese Reaktionsformen
bei 1,89 pro eine Million Einwohner pro
Jahr. Bei der Analyse der demographischen Daten fällt auf, daß das EEMM
und das SJS überwiegend bei Patienten
auftreten, die jünger als 40 Jahre sind,
während dagegen 75 Prozent der Patienten mit SJS/TEN-Übergangsform und
TEN älter als 40 Jahre sind.
Während Arzneimittel weitgehend
als ätiologischer Faktor der TEN angesehen werden, führt man Fälle von
EEMM, zum Teil auch von SJS, auf akute, meist virale Infektionen, zum Beispiel Influenza, Hepatitis oder Herpessimplex-Eruptionen, aber auch Mykoplasmeninfektionen zurück.
A-3172 (84) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 49, 4. Dezember 1998
Zu den häufigen medikamentösen
Auslösern von schweren Hautreaktionen gehören:
antibakterielle Sulfonamide, zum
Beispiel Co-Trimoxazol
Antikonvulsiva, zum Beispiel
Phenytoin, Carbamazepin, Lamotrigin
Analgetika und nichtsteroidale
Antirheumatika, vor allem Pyrazolone
Allopurinol.
Allerdings muß grundsätzlich betont
werden, daß schwere Hautreaktionen
mit geringerer Häufigkeit auch bei der
Einnahme zahlreicher anderer Medikamente auftreten können. Bei Arzneimitteln, die normalerweise über einen längeren Zeitraum von Monaten oder Jahren gegeben werden, scheint das Risiko
innerhalb der ersten zwei Behandlungsmonate am höchsten zu sein.
Das dZh in Freiburg und die AkdÄ
bitten um Meldung aller Verdachtsfälle
von EEMM, SJS und TEN. Meldungen,
die der AkdÄ zugehen, werden, sofern
das Einverständnis der meldenden Kollegin oder des meldenden Kollegen vorliegt, an das Dokumentationszentrum
weitergeleitet. Sie können dafür den in
regelmäßigen Abständen im Deutschen
Ärzteblatt abgedruckten Berichtsbogen
verwenden, Ihre Meldung aber auch
formlos an die unten genannten Adressen senden.
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Aachener Straße
233–237, 50931 Köln, Tel 02 21/40 045 18, Fax -5 39
Dokumentationszentrum schwerer
Hautreaktionen (dZh), UniversitätsHautklinik, Hauptstraße 7, 79104 Freiburg, Tel 07 61/2 70-67 23, Fax -68 34 )
Kursfortbildung
Gesundheitsförderung
26. bis 28. Februar 1999
Der Grundkurs „Strategien und
Techniken der ärztlichen Gesundheitsförderung“ nach dem Curriculum „Ärztliche Gesundheitsförderung“ der Bundesärztekammer findet in Zusammenarbeit mit der Ernst-von-Bergmann-Akademie für ärztliche Fortbildung in der
Ärztekammer Berlin statt.
Leitung: Dr. Frank Lehmann, Köln
Zielgruppe: Ärztinnen und Ärzte sowie Angehörige von Fachberufen im
Gesundheitswesen.
Auskunft und Anmeldung: Bundesärztekammer, Herbert-Lewin-Straße 1,
50931 Köln, Telefon 02 21/40 04-4 10,
Fax 40 04-3 88
)
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