Neuro- und Sinnesphysiologie im Überblick Nervenzellen Aufbau von Neuronen Neuronen (Nervenzellen) sind darauf spezialisiert, Information zu empfangen, zu codieren und an andere Neuronen zu übermitteln. Die meisten Neuronen weisen 4 typische Regionen auf: einen Zellkörper, Dendriten, ein Axon und synaptische Endigungen. Verschiedene Neuronentypen variieren jedoch in ihrem Aussehen beträchtlich. Am Soma (Zellkörper) können mehrere Dendriten (verzweigte Auswüchse) entspringen, die Informatio­nen von anderen Neuronen oder Sinneszellen an das Soma weitergeben. Bei den meis­ten Neuronen ist ein bestimmter Fortsatz deutlich länger als alle anderen; er wird als Axon (Neurit) bezeichnet. Am Ende des Axons befindet sich die synaptische Endigung (synaptisches Endknöpfchen). Dort, wo eine synaptische Endigung ganz dicht an einer anderen Zelle liegt, bilden die Membranen der beiden Zellen, getrennt durch den synaptischen Spalt, zusammen eine Synapse. Gliazellen Dendriten empfangen Information von anderen Neuronen. Das Soma enthält den Zellkern und die meisten Zellorganellen. RanvierSchnürring Ort und Richtung des Myelinwachstums Die Ursprungsstelle des Axons (Axonhügel) integriert Information, die von den Dendriten aufgenommen wurde, und löst Nervenimpulse aus. Kern der SchwannZelle Das Axon leitet Nervenimpulse vom Soma fort. Die synaptischen Endigungen des Axons bilden Synapsen mit einer Zielzelle. Zielzelle Axon Entstehung eines Aktionspotenzials (AP) 50 1 Offene K+-Kanäle erzeu- 4 Die Inaktivierungstore der 2 Die Aktivierungstore eini- ger Na+-Kanäle öffnen sich und depolarisieren die Zelle bis zum Schwellenpotenzial. 3 Zusätzliche Aktivierungs- tore von spannungsgesteuerten Na+-Kanälen öffnen sich und führen zu einer raschen Depolarisationsspitze – einem Aktionspotenzial. (Depolarisationsphase). Membranpotenzial (mV) gen das Ruhepotenzial. Das Aktionspotenzial ist eine plötzliche, rasche Ladungsumkehr des Membranpotenzials. 30 0 –40 –50 –60 –70 Das Membranpotenzial hängt stets davon ab, wie viele und welche Kanäle geöffnet sind. Schwellenpotenzial Ruhepotenzial 1 2 3 4 Erregungsleitung erzeugen ein Aktionspotenzial. 5 Na+-Kanäle schließen sich; spannungsgesteuerte K+-Kanäle öffnen sich und repolarisieren die Zelle beziehungsweise hyperpolarisieren sie sogar. (Repolarisationsphase). 5 Alle spannungsgesteuer- ten Kanäle schließen sich. Das Membranpotenzial der Zelle kehrt zum Ruhepotenzial zurück. Die Na+-Inaktivierungstore öffnen sich. Zeit Das Ruhepotenzial eines Neurons beträgt etwa –60 mV. Ist der synaptische Input ein einem Bereich der Nervenzelle stark genug, um die Membran des Zellkörpers zu depolarisieren, dann kann sich diese Depolarisation bis zur Basis des Axons (Axonhügel) ausbreiten, wo spannungsgesteuerte Na+-Kanäle liegen. Diese öffnen sich kurz und Na+ strömt ein. Erreicht das Membranpotenzial einen Schwellenwert, dann öffnet sich eine größere Zahl von Na+-Kanälen, was zu einer starken und plötzlichen Depolarisation führt, dem Aktionspotenzial. Die zuneh­mende Umpolung inaktiviert die Na+-Kanäle allmählich, und K+-Kanäle öffnen sich, sodass der K+-Ausstrom, der für die Repo­larisation verantwortlich ist, beginnen kann. Nach dem AP und bis zum Erreichen des Ruhepotenzials befindet sich der Membran­ bereich in der Refraktärphase, in der kein AP gebildet werden kann. Alle APs besitzen gleich hohe Amplituden, sie können nicht abgestuft generiert werden (Alles-oder-Nichts-Gesetz). Variabel sind dagegen die Dauer der APs und ihre Fre­quenz. Signalübertragung an der Synapse Nichtmyelinisierte Neuronen: hauptsächlich bei Wirbellosen und auch bei Wirbeltieren im vegetativen Nervensystem; dem Axon fehlt die Myelin­ scheide; nach Bildung eines APs am Axonhügel ist der Membran­bereich umgepolt und Ausgleichsströme breiten sich elektrotonisch aus; die Strö­ me depolarisieren den noch nicht erregten Nachbarbezirk, sodass auch dort ein AP gebildet wird; die Erregung wird kontinuierlich durch ständige Neubildung von APs weitergeleitet; durch die Refraktärphase ist die Fre­ quenz der APs beschränkt und die Erregungsleitung gerichtet; die Erre­ gungsleitung ist wesentlich langsamer als bei myelinisierten Neuronen. Myelinisierte Neuronen: bei der Mehrzahl der Wirbeltierneuronen; die elektrisch isolierende Myelinscheide um die Axonmembran ist in regelmäßigen Abständen an den Ranvier-Schnürringen unterbrochen; nur an diesen Stellen entstehen APs; durch ein AP bildet sich eine elektrotonische Stromschleife, die sich bis zum nächsten Schnürring ausbreitet, wo wieder ein AP entsteht; die Erregung springt verlustfrei von Schnürring zu Schnürring (saltatorische Erregungsleitung) und überwindet die Entfernung schneller als bei der kontinuierlichen Weiterleitung. 1 Na+-Kanäle öffnen sich und Myelin produzierende Schwann-Zelle 2 Sich ausbreitender Strom von dem stromaufwärts gelegenen Schnürring depolarisiert die Membran am nächsten Schnürring bis zur Schwelle. Die Synapsenregion ist eine Übertragungsstelle, um Signale von einem Neuron zum nächsten oder auf eine Effektorzelle (Muskel- oder Drüsenzelle) zu übertragen. Wird das Signal direkt elektronisch weitergeleitet, spricht man von elektrischen Synapsen. Weitaus häufiger sind chemische Synapsen, bei denen eine präsynaptische Zelle ein Überträgermolekül (Transmitter) freisetzt, das durch den synaptischen Spalt diffundiert und an Rezeptoren auf der Membran der postsynaptischen Zelle bindet. Eine Synapse ist erregend (exzitatorisch), wenn die Antwort des postsynaptischen Neurons auf einen Neurotrans­ mitter in einer Depolarisation besteht, die Synapse ist hemmend (inhibitorisch), wenn das Neuron mit einer Hyperpolarisation reagiert. Jedes Neuron kann eine ganze Reihe unterschiedlicher Botschaften (Input) erhalten, erzeugt aber nur ein Ausgangssignal (Output), das AP in einem einzelnen Axon. Im Axonhügel werden eingehende exzitatorische postsynaptische Potenziale (EPSP) und inhibitorische postsynaptische Potenziale (IPSP) summiert und in eine einzige AP-Frequenz übertragen, die im Axon weitergeleitet wird (Frequenzmodulation). 1 Ein Aktionspotenzial (Nervenimpuls) trifft ein und setzt die synaptische Übertragung in Gang. Myelinscheide 2 Na+-Kanäle öffnen sich und depo- präsynaptische Zelle (Motoneuron) Nervenimpuls Axon Na+ Na+ tragung werden Acetylcholin und synaptische Vesikel recycelt. 7 Acetylcholin im synaptischen Spalt wird von dem Enzym Acetylcholinesterase abgebaut; die Komponenten werden von der präsynaptischen Zelle zur Resynthese wieder aufgenommen. 3 Eine Depolarisation der Membran des synaptischen Endknöpfchens führt dazu, dass sich die spannungsgesteuerten Ca2+-Kanäle öffnen. Plasmamembranen eine Fusion der mit Acetylcholin bepackten synaptischen Vesikel mit der präsynaptischen Membran aus. Axon 8 Nach der synaptischen Über- larisieren die Membran der synaptischen Endigung (Endknöpfchen). 4 Ca2+ strömt in die Zelle und löst K+ Gliazellen sind spezialisierte Zellen mit unterstützender Funktion. Im peripheren Nerven­ system umhüllen sie als Schwann-Zellen die Axone. Im zentralen Nervensystem übernehmen Oligodendrocyten eine ähnliche Funk­ tion. Schwann-Zellen und Oligo­den­drocyten bilden eine elektrisch isolierende Hülle, die aus einem lipidreichen Material, dem Myelin, besteht (Myelinscheide). Astrocyten spielen bei der Blut-Hirn-Schranke eine Rolle, die das Gehirn vor toxischen Substan­zen im Blut schützt. Manche Gliazellen stützen die Nerven­ zellen mechanisch, richten sie aus und helfen ihnen, während der Embryonalent­wicklung die richtigen Kontakte zu knüpfen, andere versorgen Neuronen mit Nähr­stof­fen oder nehmen Fremd­partikel und Zelltrümmer auf. Na+ 5 Acetylcholinmoleküle diffundieren durch den synaptischen Spalt und binden an Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran. Aktionspotenzial Ca2+ Aktionspotenzial Acetyl-CoA + Cholin synaptische Endigung Acetylcholinesterase 6 Aktivierte Rezeptoren öffnen liganden3 Stromaufwärts gelegene Na+-Kanäle werden inaktiviert, sodass die Membran refraktär wird. K+-Kanäle öffnen sich und repolarisieren die Axonmembran. 4 Das Aktionspotenzial springt zum nächsten Schnürring und pflanzt sich so weiter fort. Saltatorische Erregungsleitung gesteuerte Na+-Kanäle und depolarisieren die postsynaptische Membran. Die sich elektrotonisch ausbreitende Depolarisation löst dann in benachbarten Membranbereichen ein Aktionspotenzial aus. Acetylcholin- synaptischer rezeptoren Spalt postsynaptische Zelle (Muskelzelle)