8. Messung nichtelektrischer Größen

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Prof. Dr.-Ing. F. Schubert
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8. Messung nichtelektrischer Größen
8.1.
Einleitung
Die Entwicklung von Technik und Naturwissenschaften ist ohne den Einsatz des elektrischen Messens
nichtelektrischer Größen undenkbar. Diese Meßtechnik wird in unterschiedlichen Bereichen wie Forschung,
Entwicklung, Erprobung, Prüfung, Produktionsüberwachung sowie in Steuerungs- und Regelungsanlagen
angewandt. Gegenüber gleichwertigen nichtelektrischen z.B. mechanischen Meßanordnungen bietet ihr
Einsatz eine Reihe von Vorteilen:
-
die Meßgröße wird durch die Messung nicht oder nur geringfügig beeinflußt,
Meßdaten liegen in einer leicht weiterzuverarbeitenden Form vor,
die Empfindlichkeit des elektrischen Systems kann sehr hoch gewählt werden,
das Meßsystem hat eine geringe Trägheit,
eine unbegrenzte Fernübertragung ist möglich,
gleichzeitiges Messen und Speichern (oder Anzeigen) mehrerer Größen ist durchführbar,
Meßstellen können beliebig abgefragt werden,
zeitlich aufeinanderfolgende Messungen mehrerer Größen können mit einer elektrischen Baueinheit
durchgeführt werden und
Entwicklungs- und Herstellungskosten sind in der Regel geringer.
Das elektrische Messen nichtelektrischer Größen umfaßt alle Vorgänge, bei denen physikalische Meßgrößen
durch Anwendung von physikalischen Effekten in elektrische Größen umgeformt werden. Bild 8.1 zeigt
einen Überblick über die gebräuchlichsten physikalischen Prinzipien zur Umformung nichtelektrischer
Größen.
Bei der Umsetzung nichtelektrischer Größen in elektrische wird zwischen passiven und aktiven Meßfühlern
unterschieden. Im aktiven Meßfühler werden elektrische Größen durch Energieumformung aus
mechanischer, thermischer, optischer oder chemischer Energie gewonnen. Es werden Spannungen, Ströme
oder Ladungen erzeugt. Beispiele sind Thermoelemente (Spannung), piezoelektrische Aufnehmer (Ladung)
und Fotozellen. In passiven Meßfühlern werden elektrische Größen durch mechanische Eingriffe oder
Ausnutzung physikalischer Zusammenhänge beeinflußt. Diese elektrischen Größen sind Widerstand,
Induktivität, Kapazität, Spannung und Strom. Beispiele für passive Meßfühler sind Dehnungsmessstreifen,
Widerstandsthermometer
PTC
(positiver
Temperaturkoeffizient)
und
NTC
(negativer
Temperaturkoeffizient), Fotowiderstand, Weg-, Kraft- bzw. Druckaufnehmer (induktiv, kapazitiv oder
resistiv). Der Meßfühler wird entsprechend Bild 8.2 in ein Meßsystem integriert. Dieses System wandelt die
nichtelektrische Meßgröße X in die Ausgangsgröße (Meßsignal) Y um, die je nach Entnahmestelle elektrisch
unterschiedlich aufbereitet ist.
2006
- 8.1 -
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Physikalisches Prinzip
Widerstandsänderung
Induktivitätsänderung
(Spulenabstand, Kernverschiebung, Dämpfung)
Meßgrößen
Längen-, Kraft- und Druckmessung,
Drehmoment, Magnetfeld, Licht, Temperatur,
radioaktive Strahlung und Gaskonzentration
Längen-, Kraft- und Druckmessung,
Drehzahl
Kapazitätsänderung
(Plattenabstand, Plattengröße, Dielektrikum)
(Feldänderung, Bewegung)
Längen-, Kraft- und Druckmessung,
Drehzahl
Thermoelektrischer Effekt
(Thermoelement)
Piezoelektrischer Effekt
(Piezokristall)
Fotoelektrischer Effekt
(Foto- Widerstand, -Diode, -Transistor)
Temperaturmessung
Längen-, Kraft- und Druckänderungsmessung
Lichtintensität, Drehzahl, Drehwinkel
Bild 8.1 Physikalische Prinzipien zur Umformung nichtelektrischer Größen
- 8.2 -
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HE
X
AN
Y1
AS
Y2
DV
Y3
AZ
Y
Bild 8.2 Komponenten eines Meßsystems
Ein vollständiges Meßsystem kann folgende Komponenten enthalten:
X:
Messgröße
Y:
Ausgangsgröße und Messsignal Y1, Y2, Y3
AN:
In dem Aufnehmer (Meßaufnehmer, Transducer) sind alle Bauglieder (einschl. Meßfühler)
zur Umformung der physikalischen Größen in eine elektrische Größe zusammengefaßt.
AS:
In der Anpassschaltung (Signalumformer) wird das analoge Eingangsignal entsprechend der
geforderten Kennlinie in das Ausgangssignal umgeformt.
DV:
In der Datenverarbeitung/-erfassung werden die Meßdaten digitalisiert und
zwischengespeichert. Durch einen Rechner können Korrekturen des Meßwertes bzw.
Verknüpfungen mehrerer Meßwerte durchgeführt werden.
AZ:
In dieser Baugruppe erfolgt die Umwandlung der elektrischen Größe in eine für den
Menschen verständliche Anzeige.
Z.B. optisch: Lampe, Zeiger, digitale Anzeige, Bildschirm;
mechanisch: Drucker
HE:
Hilfsenergie (Stromversorgung) wird für alle Glieder der Messeinrichtung benötigt mit
Ausnahme von aktiven Aufnehmern wie Thermoelementen bzw. Piezokristallen.
- 8.3 -
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Größe
Einheit
Zeichen
Ableitung
Erläuterung
ebener Winkel
Radiant
rad
1 rad = 1 m/1m
räumlicher Winkel
Steradiant
sr
1 sr = 1 m²/1m²
Kraft
Newton
N
1 N = 1 kgm/s²
Energie
Arbeit
Wärmemenge
Leistung
Joule
J
1 J = 1 Nm
= 1 Ws
Watt
W
Druck
Pascal
Pa
1 W = 1 Nm/s
= 1 J/s
1 Pa = 1 N/m²
1 m Bogen aus Kreis
mit 1 m Radius
1 m² Kugelfläche bei
1 m Radius
1 m² um 1 ms-2
beschleunigen
mit Kraft 1 N
1m
verschieben
1 s lang 1 J
aufbringen
1 N auf 1 m² Fläche
Frequenz
Hertz
Hz
1 Hz = s-1
1 Periode pro s
elektrische Spannung
Volt
V
1 V = 1 W/A
magnetischer Fluß
Weber
Wb
1 Wb = 1 Vs
= 1 Tm²
Induktivität
Henry
H
1 H = 1 Wb/A
= 1 Vs/A
= 1 Ws
Spannungsabfall bei
1 A und 1 W
Induktion von 1 V bei
gleichmäßiger
Abschwächung auf
0 in 1 s
Induktivität
geschlossener
Windungen bei 1 A
und 1 Wb
magnetische
Flußdichte
Tesla
T
1 T = 1 Wb/m²
Ladung
Kapazität
Coulomb
Farad
C
F
elektrischer
Widerstand
Ohm
Ω
1 C = 1 As
1 F = 1 C/V
= 1 As/V
1 Ω = 1 V/A
= s-1
elektrischer Leitwert
Siemens
S
1 S = 1 Ω-1
Lichtstrom
Lumen
lm
1 lm = 1 cd sr
Beleuchtungsstärke
Lux
lx
1 lx = 1 lm/m²
Bild 8.3 Abgeleitete SI-Einheiten
- 8.4 -
Aufladung auf 1 V
durch 1 C
Leiter mit 1 V
Spannungsabfall
bei 1 A
Leitwert von 1
punktf. Lichtquelle
mit 1 cd im
Raumwinkel 1 sr
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SI-BASISGRÖSSEN
SI-BASISEINHEITEN
ABGELEITETE SI-EINHEITEN
MIT BESONDEREM NAMEN
rad
sr
m2
Länge
m
Meter
Masse
kg
Kilogramm
J
N
Pa
Hz
Zeit
elektrische
Stromstärke
s
Sekunde
W
rad
Wb
C
F
V
A
Ampere
K
Kelvin
Ω
Stoffmenge
mol
Mol
S
Lichtstärke
cd
Candela
thermodynamische
Temperatur
T
lm
lx
Bild 8.4 Zusammenhänge zwischen SI-Basiseinheiten und abgeleiteten SI-Einheiten
- 8.5 -
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Längenmaße
cm
m
km
Zoll
Fuß
mile
cm
1
100
1*105
2,54
30,48
1,609*105
m
0,01
1
1000
0,0254
0,3048
1609
km
1*10-5
0,001
1
2,54*10-4
3,048*10-3
1,609
Zoll
0,3937
39,37
3,937*104
1
12
6,335*104
Fuß
0,03281
3,281
3281
0,08333
1
5280
mile
6,214*10-6
6,214*10-4
0,6214
1,58*10-6
1,896*10-5
1
cm2
1
1*104
1*1010
6,452
929
2,59*1010
m2
1*10-4
1
1*106
6,452*10-4
0,0929
2,59*106
km2
1*10-10
1*10-6
1
6,452*10-10
9,29*10-8
2,59
(Zoll)2
0,155
1550
1,55*109
1
144
4,01*109
(Fuß)2
0,001076
10,76
1,076*107
6,94*10-3
1
2,785*107
mile2
0,386*10-10
0,386*10-6
0,386
2,49*10-10
3,59*10-8
1
cm3
1
1000
1*104
16,39
2,83*104
3785
liter
0,001
1
1000
0,01639
28,32
3,785
m3
1*10-4
0,001
1
1,639*10-4
0,02832
0,003785
(Zoll)3
0,06102
61,02
6,102*104
1
1728
231
(Fuß)3
3,53*10-4
0,03532
35,32
5,79*10-4
1
0,1337
gal
2,64*10-4
0,2642
264,2
0,00433
7,481
1
1 inch = 1 Zoll = 25,4 mm
Flächenmaße
cm2
m2
km2
in2 (Zoll)2
ft2 (Fuß)2
mile2
Volumenmaße
cm3
liter
m3
3
in (Zoll)3
ft3 (Fuß)3
gal
Druckmaße
mm Hg
inch Hg
inch H2O
ft H2O
atm
lb/in.2
kg/cm2
mm Hg
1
25,4
1,868
22,42
760
51,71
735,6
inch Hg
0,03937
1
0,07355
0,8826
29,92
2,036
28,96
inch H2O
0,5353
13,6
1
12
406,8
27,67
393,7
ft H2O
0,0446
1,133
0,06333
1
33,9
23,07
32,81
atm
0,00132
0,03342
0,00246
0,0295
1
0,06805
0,9678
1 Pa = 1 N/m2 = 1*10-5 bar = 9,869*10-6 atm
1 Torr = 1/760 atm = 1 mm Hg
1000 psi = 70,31 bar
Durchflußraten
l/s
gal/min
ft3/s
ft3/min
l/s
1
0,06309
28,32
0,4719
tC/°C = 5/9*(tF/°F - 32)
tK/K =tC/°C + 273,15
gal/min
15,85
1
448,8
7,481
ft3/s
0,03532
0,00223
1
0,01667
tF/°F = 1,8*tC/°C + 32)
tC/°C =tK/K - 273,15
Bild 8.5 Umrechnungstabellen
- 8.6 -
ft3/min
2,119
0,1337
60
1
lb/in.2
0,01934
0,4912
0,03613
0,4335
14,7
1
14,22
kg/cm2
0,00136
0,03453
0,00254
0,03048
1,033
0,07031
1
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8.2.
Physikalische Grundprinzipien der Signal-Wandlung
Es gibt einige Grundprinzipien der Signal-Wandlung, nach denen jeweils unmittelbar oder über
entsprechende Anordnungen eine ganze Reihe unterschiedlicher Problemstellungen gelöst werden können.
So wird z.B. der Piezoelektrische Effekt bei Lautsprechern (Spannung/Schall), bei Mikrofonen
(Schall/Spannung), bei Kraftmesseinrichtungen (Kraft/Spannung) und bei der Messung von
Strömungsgeschwindigkeiten (Laufzeit des Schalls mit und gegen die Strömung) genutzt. Da dieser Effekt
wie alle anderen von vielen physikalischen Größen abhängt, sind durchaus noch weitere
Signalwandlungsmöglichkeiten denkbar. Bei dieser Vielfalt von Anwendungsmöglichkeiten ist auch die
damit Hand in Hand gehende Vielzahl von Störmöglichkeiten (Temperatur, Magnetfeld,...) zu
berücksichtigen.
8.2.1
Signal-Wandlung durch Widerstands- bzw. Leitwertänderung
Der Widerstand R eines homogenen Leiters nach Bild 8.6 mit der Länge l, dem Querschnitt A und der
Leitfähigkeit s des Materials ist in Gleichung (8.1) angegeben.
R = l / (σ ⋅ A)
(8.1)
A
σ
l
Bild 8.6 Homogener Leiter mit Querschnitt A, Länge l, Widerstand R und Leitfähigkeit s
Es gibt Signal-Wandler, deren Wirkung auf der Änderung von l (Weg und Winkel), der Änderung von A und
l (Dehnung, Kraft) und der Änderung von s (Magnetfeld, Beleuchtungsstärke, Temperatur) basiert.
8.2.2
Signal-Wandlung durch Kapazitätsänderung
Die Kapazität C eines Plattenkondensators nach Bild 8.7 mit der Plattenfläche A, dem Plattenabstand d und
dem Dielektrikum mit der relativen Dielektrizitätszahl εr ist durch Gleichung (8.2) bestimmt.
C = ε⋅A / d
εo
εr
mit
ε = ε0 ⋅ ε r
(8.2)
=
elektrische Feldkonstante (Dielektrizitätskonstante des leeren Raumes)
=
8,854 × 10-12Fm-1
=
relative Dielektrizitätszahl (Materialkonstante)
=
1 für Luft, 80 für Wasser
- 8.7 -
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A
εr
d
Bild 8.7 Plattenkondensator mit Plattenfläche A, Plattenabstand d und relativer Dielektrizitätszahl εr
Bei Parallelschaltung addieren sich die Kapazitäten, bei Reihenschaltung addieren sich deren Kehrwerte.
(Bild 8.8)
C
1
C
C
C
1
2
2
1
Cges = C1 + C2
C ges
=
1
C1
+
1
C2
Bild 8.8 Reihenschaltung und Parallelschaltung von Kondensatoren
Durch Veränderung der Plattenfläche A, des Plattenabstandes d oder der relativen Dielektrizitätszahl εr kann
die Kapazität C verändert werden. Die Umwandlungsprinzipien einiger Wandler leiten sich daraus ab. So
wird z.B. die Abhängigkeit von d bei elektroakustischen Wandlern (Mikrofon), die Abhängigkeit von F bei
der Winkelbestimmung (Verdrehung der Platten) und die Abhängigkeit von εr bei der Füllabstandsanzeige
und bei der Feuchtigkeitsmessung genutzt.
8.2.3
Signal-Wandlung durch Induktivitätsänderung
Ohne Ableitung ist in Gleichung (8.3) die Induktivität L einer idealen Zylinderspule mit der Windungszahl
N, der Länge l, dem Querschnitt A und der relativen Permeabilitätszahl µr nach Bild 8.9 wiedergegeben.
L = N2 ⋅ µ ⋅ A / l
µo
µr
mit µ = µ 0 ⋅ µ r
(8.3)
=
magnetische Feldkonstante (Permeabilitätskonstante des leeren Raumes)
=
4p 10-7 VsA-1 m-1
=
relative Permeabilitätszahl
=
1 für Luft
=
1600 für Dynamoblech IV
- 8.8 -
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A
µr
l
Bild 8.9 Zylinderspule der Länge l, Querschnittfläche A, Windungszahl N und Permeabilität µr
Bei Reihenschaltung addieren sich die Induktivitäten, bei Parallelschaltung addieren sich ihre Kehrwerte.
Der für die Signal-Wandlung wichtigste Parameter bei der Induktivität ist die relative Permeabilitätszahl µr.
Mit einer Veränderung von µr in einem Teilbereich der Spule verändert sich auch die Induktivität derselben.
Nach diesem Prinzip ist die Umsetzung eines Weges in eine Spannung oder einen Strom möglich (induktiver
Wegaufnehmer).
8.2.4
Elektromagnetische Signal-Wandlung
Für die elektromagnetischen Wandler ist die Kraft von Bedeutung, mit der ein Elektromagnet einen Polschuh
anzieht. Gleichung (8.4) gibt diese Kraft in Abhängigkeit des Stromes I für die in Bild 8.10 dargestellte
Anordnung an. Die Gleichung geht von der vereinfachenden Annahme mr >> lm/d aus. Dabei ist mr die
relative Permeabilitätszahl des Kernmaterials (mit Polschuh), und lm die mittlere Länge der Magnetfeldlinien
im Kernmaterial (mit Polschuh).
F = I / 4 ⋅ µ 0 ⋅ A ⋅ ( I ⋅ N / d )2
(8.4)
Als wesentlich ist die quadratische Abhängigkeit der Kraft F vom Strom I herauszustellen.
A
µr
Wicklung
N Windungen
µr
F
I
Polschuh
d
Bild 8.10 Elektromagnet
Elektromagnetische Wandler wurden und werden zum Teil noch zur elektroakustischen Wandlung
(Hörkapseln im Telefon, Lautsprecher) verwendet.
8.2.5
Elektrodynamische Signal-Wandlung
Auf einem stromdurchflossenen Leiter der Länge l wirkt im magnetischen Feld mit der magnetischen
Flußdichte (Induktion) B eine Kraft F senkrecht zur Richtung des Leiters und zur Richtung der Feldlinien
(Bild 8.11)
- 8.9 -
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F
B
α
I
Bild 8.11 Kraftwirkung auf einen stromdurchflossenen Leiter im Magnetfeld
Gleichung (8.5a) gibt die Kraft an, die auf den Leiter ausgeübt wird.
F = B ⋅ I ⋅ l ⋅ sin α
= B⋅ I ⋅ l
für α = 90°
(8.5a)
Die Kraft wird beim elektrodynamischen Lautsprecher zur elektroakustischen Wandlung genutzt. Dieses
Prinzip (Kraft aus Strom) ist umkehrbar. Bewegt man einen Leiter der Länge l durch ein Magnetfeld der
magnetischen Flußdichte B, so wird auf eine Ladung Q im Leiter die Kraft F ausgeübt und dadurch eine über
dem Leiter abgreifbare Spannung erzeugt (Bild 8.12). Die Größe dieser Spannung läßt sich wie folgt
berechnen: Mit I × l = v × Q, wobei v die Geschwindigkeit der durch den Leiter bewegten Ladung Q angibt,
ergibt sich aus Gleichung (8.5a) in Vektorschreibweise die Gleichung (8.5b).
Fl = Q ⋅ ( v × B)
(8.5b)
F2
Leiter
F1
+
B
v
Bild 8.12 Induktionswirkung in einem im Magnetfeld bewegten Leiter
F1 stellt die aus dem Magnetfeld resultierende Kraft dar. Dieser wirkt eine Kraft F2 entgegen, die durch die
Anziehung der durch F1 getrennten Ladungen im elektrischen Feld hervorgerufen wird (Gleichung (8.5c)).
F2 = Q ⋅ Ei
Ei = induzierte elektrische Feldstärke im Leiter
- 8.10 -
(8.5c)
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Es stellt sich ein Kräftegleichgewicht ein, wenn F1 und F2 gleich sind. Das ist für Ei = v x B der Fall. Die
Induktionsspannung Ui ergibt sich somit nach Gleichung (8.5d) durch Multiplikation der errechneten
Feldstärke mit der Leiterlänge.
Ui = ( v × B) ⋅ I
(8.5d)
Bei den meisten technischen Anwendungen im Rahmen der Signal-Wandlung werden die Magnetfeldlinien
durch den Leiter senkrecht geschnitten, so daß das Vektorprodukt zu dem in Gleichung (8.5e) angegebenen
Ergebnis führt.
Ui = v ⋅ B ⋅ I
für α = 90°
(8.5e)
Durch Bewegung eines Leiters im Magnetfeld kann also eine Spannung nach Gleichung (8.5e) erzeugt
werden. Dies macht man sich z.B. beim elektrodynamischen Mikrofon zunutze.
8.2.6
Elektrostatische Signal-Wandlung
Auf eine Ladung Q wird im elektrischen Feld eine der Feldstärke proportionale Kraft F ausgeübt.
Dementsprechend ziehen sich die beiden in Bild 8.13 dargestellten Kondensatorplatten wegen ihrer
entgegengesetzten Aufladung einander an. Über die Gleichungen (8.6a bis 8.6c) wird die Gleichung (8.6d)
zur Berechnung der auf die Kondensatorplatten wirkenden Kraft im elektrostatischen Feld aufgestellt.
dF = E ⋅ dQ
Teilkraft auf Punktladung dQ
(8.6a)
E=U/d
(8.6b)
C = dQ / dU
(8.6c)
d
F = C / d ⋅ ∫ U ⋅ dU = C ⋅ U 2 / 2d
(8.6d)
0
Die Kraft F wird bei elektroakustischen Wandlern zur Schallerzeugung benutzt. Die Umkehrung des Prinzips
(Reziprozität) findet man beim Kondensatormikrofon.
+
+
+
-
F
E
+
+
+
-
d
U
+
-
Bild 8.13 Kraftwirkung im elektrostatischen Feld
- 8.11 -
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8.2.7
Piezoeffekt
Einige kristalline Stoffe bilden an ihrer Oberfläche Ladungen, wenn man sie elastischen Spannungen
aussetzt. Das gilt z.B. für Quarz, Turmalin, Seignettesalz und Bariumtitanant. Die Ladungsbildung erfolgt
praktisch trägheitslos. Wegen seiner geringen Temperaturabhängigkeit und wegen seines hohen
Elastizitätsmoduls (8 × 1010 N/m²) und der daraus resultierenden „weglosen“ Messung wird für Meßzwecke
vielfach Quarz verwendet.
Das Verhalten eines Piezokristalls hängt von der an den Kristallachsen orientierten Richtung ab, unter der er
aus dem gewachsenen Kristall heraus geschnitten wurde. Man unterscheidet demnach den Longitudinal- und
den Transversal-Piezoeffekt.
Beim Longitudinaleffekt entsteht die Ladung an den Flächen, an denen die Kraft angreift (Bild 8.14). Die
Größe der Ladung Qx hängt nach Gleichung (8.7a) nicht von den Abmessungen des Quarzes, sondern nur
von der Kraft Fx ab. Die Ladung wird über metallisierte Quarzflächen abgegriffen und erzeugt in dem aus
Metallisierung, Zuleitung und Eingangskapazität des nachfolgenden Verstärkers resultierenden Kondensator
mit der Kapazität C die Spannung U = Q/C. Zur besseren Signalausbeute versucht man, die Kapazität
möglichst klein zu halten. Um die Ladung zu erhöhen, schaltet man oft mehrere Kristalle zu einer Batterie
zusammen (Bild 8.14).
Q x = d ⋅ Fx d = Piezo mod ul (Kons tan te)
(8.7a)
Beim Transversaleffekt entstehen die Ladungen an den Flächen, an denen die Kraft nicht angreift (Bild
8.15). Der Zusammenhang zwischen Kraft Fy und Ladung Qy ergibt sich aus Gleichung (8.7b).
Qy = d ⋅ Fy ⋅ ( l y / l x )
(8.7b)
lx, ly sind Abmessungen des Quarzes in x- und y-Richtung.
Dieser Effekt hat praktisch keine große Bedeutung, da sehr schlanke Aufnehmer (Iy groß, Ix klein) meist aus
Feuchtigkeitsgründen ausscheiden.
Der Piezoeffekt eignet sich nicht für statische Messungen, da die Ladungen auf der Kristalloberfläche mit
dem Meßstrom abtransportiert werden, der aus dem Eingangswiderstand des Meßverstärkers und der
Meßspannung resultiert. Ab einer bestimmten Temperatur, der Curie-Temperatur, verschwindet der
Piezoeffekt. Die Curie-Temperatur von Quarz liegt bei 573° C.
Für den Piezoeffekt gilt die Reziprozität. Legt man umgekehrt an den Quarz eine Spannung an, so wird
dieser dadurch elastisch verformt.
Neben den genannten Kristallen gibt es auch keramische Werkstoffe aus polikristallinen Komponenten (Blei,
Zirkonium, Titan), die nach Polarisation (Formierung im elektrischen Feld) ein piezoelektrisches Verhalten
zeigen. Hierzu zählen die Piezoxide (Abkürzung PXE). Aus diesen lassen sich Bauelemente sehr
unterschiedlicher Größe und Formen herstellen. Der Piezomodul d von PXE liegt in der Größenordnung von
einigen 1010 C/N.
- 8.12 -
Prof. Dr.-Ing. F. Schubert
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Fx
Fx
+ + + + + + +
- - - - - - - - - - - - -
+ + + + + + +
- - - - - - -
+ + + + + + +
+ + + + + + +
F
x
Scheiben
- - - - - - - - - - - - + + + + + + +
+
Longitudinal-Piezoeffekt
Fx
-
Piezo-Batterie
Bild 8.14 Piezoeffekt und Piezobatterie zur Ladungsvervielfachung
lx
Fy
l
-
+
+
+
+
+
+
+
y
+
F
y
-
Bild 8.15 Transversaler Piezoeffekt
Für den Piezoeffekt gibt es heute ein breites Anwendungsspektrum:
-
Mikrofilm, Schall- und Ultraschallgeber
Leistungs-Ultraschallwandler (Zerstäubung, Reinigung, Bohren, Schweißen)
Zündvorrichtungen (Sprengstoff, Feuerzeug, Gasherd, Gasheizung, kleine Benzinmotoren,
Thyristor- und Triaczündung)
Resonatoren und Filter
Tonabnehmer
Summer (Signalgeber)
Sensoren (Beschleunigung, Druck, Kraft, Dicke, Strömungsgeschwindigkeit)
kontaktlose Schalter
- 8.13 -
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8.2.8
Fotoeffekt
Der Fotoeffekt ist die Grundlage der Umwandlung von elektromagnetischer Strahlung in elektrische Energie.
Ein Lichtquant ausreichender Energie kann beim Auftreffen auf strahlungsempfindliche Materie ein freies
Elektron erzeugen. Ist die Energie größer als erforderliche Austrittsarbeit, die zur Freisetzung des Elektrons
aus der Materie notwendig ist, so kann das Elektron die Materie verlassen. Man spricht hier vom äußeren
Fotoeffekt. Bleibt das Elektron in der Materie, so trägt es zum Leitungsmechanismus bei. In diesem Fall
spricht man vom inneren Fotoeffekt (Bild 8.16).
h *υ
Lichtquant
h *υ
Lichtquant
Elektron
Elektron
Metallplatte
Halbleiter
innerer Fotoeffekt
äußerer Fotoeffekt
Bild 8.16 Innerer und äußerer Fotoeffekt
Eine Umkehrung des Fotoeffektes liegt vor, wenn aus der Rekombination eines Elektron-Loch-Paares
Energie in Form von Strahlung frei wird. Dieser Effekt wird z.B. bei den Lumineszenzdioden (LEDs)
genutzt, in denen Elektron-Loch-Paare durch einen Strom in Durchlassrichtung der Diode erzeugt werden,
die dann im Bereich des pn-Übergangs rekombinieren (Bild 8.17).
h *υ
N
P
+
Halbleiterkristall
Bild 8.17 Abgabe von Strahlungsenergie durch Rekombination von Ladungsträgern
- 8.14 -
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8.2.9
Halleffekt
Der Halleffekt beruht auf dem Prinzip der elektrodynamischen Signal-Wandlung (Abschnitt 8.2.5). Die den
elektrischen Strom ausmachenden Ladungsträger in einem Festkörper werden durch ein Magnetfeld
senkrecht zur Stromrichtung und zur Richtung des Magnetfeldes abgelenkt. Aus der Ladungsverschiebung
resultiert ein elektrisches Querfeld und daraus eine Querspannung, die Hallspannung UH, die über zwei in
Querrichtung angebrachte Elektroden abgegriffen werden kann (Bild 8.18).
Für UH gilt Gleichung (8.8a)
UH = ( I × B) ⋅ R H / d
(8.8a)
Hierbei ist RH die materialspezifische Hallkonstante (Richtwert für Halbleitermaterial: RH = 10² cm³/As, I
ist der Längsstrom, B ist die magnetische Induktion senkrecht zur Querachse und d ist die Dicke des
Festkörpers. Gleichung (8.8a) geht in Gleichung (8.8b) über, wenn die magnetische Induktion B auch
senkrecht zur Längsrichtung des Festkörpers verläuft.
UH = I ⋅ B ⋅ R H / d
(8.8b)
B
UH
I
b
I
d
a
Bild 8.18 Hallgenerator
Der Halleffekt wird im Hallgenerator ausgenutzt, der aus einem Halbleitermaterial mit günstiger
Hallkonstanten besteht (Indiumarsenid, Indiumantimonid). Hallgeneratoren mit integrierten Verstärkern
werden heute vielfach aus Silizium hergestellt, das allerdings eine vergleichsweise niedrige Hallkonstante
hat.
Neben der Spannungsgenerierung im Hallgenerator führt die Ablenkung der Ladungsträger zu einer
Stromverdichtung in einem Teilbereich des Festkörpers und damit zu einer effektiven
Querschnittreduzierung, die sich als Widerstandserhöhung bemerkbar macht. Die magnetfeldabhängige
Widerstandsänderung wird in der Feldplatte ausgenutzt, die in ihrem Aufbau mit einem Hallgenerator
übereinstimmt. Mit Feldplatten erreicht man eine Widerstandsänderung um den Faktor 6 bis 30, je nach
Material und Bauform, bei einer Induktionsänderung von 0 auf 1T.
Beispielhafte Anwendungen von Hallgenerator und Festplatte sind die Magnetfeldmessung, kontaktlose
Schalter (Keyboards), Wegaufnehmer und kollektorlose Gleichstrommotoren.
- 8.15 -
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8.2.10 Thermoelektrische Effekte
Verbindet man zwei verschiedene Metalle miteinander, so können Elektronen aus einem in das andere Metall
übertreten. Es entsteht eine Kontaktspannung. Verbindet man die Metalle an anderer Stelle ein zweites Mal,
so entsteht eine gleich große, aber entgegengesetzte Kontaktspannung. Die Ursache für die
Kontaktspannungen liegt in der unterschiedlichen Lage der Ferminiveaus in beiden Metallen, die sich durch
die Temperaturänderungen verschieben. Besteht zwischen den Kontakten eine Temperaturdifferenz, so
entstehen aufgrund der unterschiedlichen Lage der Ferminiveaus zwei sich nicht kompensierende
Kontaktspannungen, deren Differenz als Thermospannung gemessen werden kann. Die Thermospannung ist
nur von den benutzten Materialien und der Temperaturdifferenz abhängig. Für kleine Temperaturbereiche
läßt sich die Thermospannung durch eine quadratische Gleichung annähern.
Utherm = a ⋅ ( T − T0 ) + b ⋅ ( T − T0 )2 ,
(8.9a)
die Empfindlichkeit oder Thermokraft durch
η=
dU therm
= a + 2 ⋅ b ⋅ ( T − T0 ) .
dT
(8.9b)
In der thermoelektrischen Reihe ordnet man die Metalle nach der Größe ihrer Thermokraft so an, daß
zwischen aufeinanderfolgenden Elementen jeweils eine positive Potentialdifferenz auftritt. Als
Bezugsmaterial dient Platin (Tabelle 8.1).
Sb
Fe
Cd
W
Cu
Ag
Rh
Pt
Pd
Ni
Co
__________________________________________________________________________
+47
+28
+9
+8
+7,5
+6
6
0
-3
-15
-16
* 10-6V/K
Tabelle 8.1 Thermokraft der Metalle
Die Messung der Thermospannung erfolgt über einen Meßkreis mit hochohmigen Eingang. Das
Thermoelement wird normalerweise mit dem Leitermaterial Cu kontaktiert. Dabei entstehen zusätzliche
Kontaktspannungen, die sich jedoch eliminieren, wenn beide Kontaktstellen gleiche Temperaturen
aufweisen. Wenn die Vergleichsstelle noch im Bereich hoher Temperaturgradienten liegt, werden die
Thermoelemente durch Ausgleichsleitungen verlängert. Diese sind preisgünstiger als die Sonderlegierungen
und haben bis 200°C jeweils äquivalente thermoelektrische Eigenschaften.
Temperaturbereich / K Thermokraft / mV/K
Cu-Konstantan
Fe-Konstantan
Ni/Cr-Ni
Pt/Rh-Pt
W/5%Rh-W/26%Rh
20 bis 700
20 bis 1000
70 bis 1300
270 bis 1900
270 bis 2700
0,023...0,0699 (Konstantan: 55Cu/44Ni/1Mn)
0,034...0,069
0,041...0,036
0,006...0,012
0,01....0,019
Tabelle 8.2 Gebräuchliche Thermoelementenpaare
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T
M
T
R
U
Bild 8.19 Thermoelement
Der Peltiereffekt ist die Umkehrung des thermoelektrischen Effektes. Ersetzt man das Spannungsmeßgerät
aus Bild 8.19 durch eine Spannungsquelle, so fließt ein Strom, der durch Erhöhen der Temperatur an dem
einen und durch Absenken der Temperatur an dem anderen Materialübergang thermoelektrisch eine
Gegenspannung erzeugt, die die angelegte Spannung kompensiert und dadurch den Strom im Stromkreis
reduziert. Dieser Effekt wird in Peltier-Batterien zur thermoelektrischen Kühlung verwendet. Hier macht die
Umschaltung der Stromrichtung eine Umschaltung von Kühlen auf Erwärmen möglich. Mit solchen
Batterien lassen sich Temperaturabsenkungen in der Größenordnung von 50K (50°C) erzielen, wobei die
Wärmeisolierung der kalten Seite, und die Kühlung der warmen Seite von großer Bedeutung sind. Ein
bekanntes Material zur Herstellung von Peltierbatterien ist p- und n-dotiertes Wismuttellurid (Halbleiter).
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