Minimalinvasive Sanierung mit vorgefertigten, multifunktionalen

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Minimalinvasive Sanierung mit vorgefertigten,
multifunktionalen Fassadenmodulen
von
M. Krause und H. Stiegel
1. Einleitung
1.1.
Gebäudetypologie
In Deutschland werden ca. 1/3 des gesamten Endenergieverbrauchs durch die
thermische Konditionierung von Gebäuden verursacht, wodurch die große Relevanz des
Gebäudesektors für die Minderung von CO²-Emissionen sowie die Schonung von
Ressourcen verdeutlicht wird. Im Neubaubereich hat der Gesetzgeber seit 1977 durch
verschiedene Wärmeschutz-, Heizungsanlagen und Energieeinsparverordnungen,
spätestens aber mit der Einführung der Energieeinsparverordnung 2002 bereits ein
relativ hohes Niveau – häufig wird der Begriff „Niedrigenergiehaus“ angeführt – erreicht,
s. Abb. 1. Dass weitere Verbesserungen wünschenswert und technisch durchaus
realisierbar sind verdeutlicht die Eintragung der verschiedenen Forschungs- und
Demonstrationsvorhaben, bei denen derzeit das Thema Plusenergiehäuser im Fokus
steht, Gebäude, die im Jahresdurchschnitt selber mehr Energie erzeugen, als sie
verbrauchen.
Abb. 1: Erlaubte Primärenergiebedarfe von Neubauten bezogen auf WSVO/EnEV, Baupraxis und Forschung
Die gesetzlichen Anforderungen an Bestandsgebäude fallen vor dem Hintergrund des
Wirtschaftlichkeitsgebotes demgegenüber eher moderat aus und greifen zudem meist
nur, wenn Veränderungen an der Gebäudehülle ohnehin anstehen. Zahlenmäßig macht
der Gebäudebestand jedoch den Großteil der Gebäude in Deutschland aus. Gerade hier
ist aber, wie beispielsweise in der Gebäudetypologie des Instituts für Wohnen und
Umwelt [1] klassifiziert, eine Vielzahl von Gebäuden mit teilweise extrem hohem
Energieverbrauch zu verzeichnen. Beispielhaft für nicht nur ältere Gebäude mit hohem
Energiebedarf stehen die Gebäude der Nachkriegsjahre. Diese Gebäude, vgl. Abb. 2,
haben - abgesehen von möglichen Balkonsituationen - vergleichsweise schlichte
Fassadenstrukturen, existieren aufgrund der hohen Bauaktivität nach dem 2. Weltkrieg
mit ähnlicher Mehrgeschossbauweise in großer Zahl und haben meist noch keine
energetische Ertüchtigung erhalten.
Abb. 2: Typisches Mehrfamilienhaus aus den Jahren 1950-1970
1.2.
Anforderungen der Gebäudesanierung
Maßnahmen zur Gebäudesanierung müssen nicht nur energetisch effizient, sondern
auch so kostengünstig wie möglich gestaltet werden und sich in überschaubaren
Zeiträumen, ggfs. unter Berücksichtigung entsprechender Förderungen, wieder
erwirtschaften lassen. In selbstgenutzten Wohngebäuden wird mit konventionellen
Sanierungssystemen bereits eine gute Wirtschaftlichkeit erreicht, vgl. [2], im
Mehrgeschosswohnbau müssen allerdings zusätzliche Aspekte berücksichtigt werden.
Die Beeinträchtigung der Bewohner und Eigentümer (Lärm- und Staubbelästigung,
Mietausfall) muss dabei auf das notwendige Minimum reduziert werden. Eine Akzeptanz
für energetische Sanierungen ist zudem nur dann zu erwarten, wenn auch
Komfortaspekte ausreichend Berücksichtigung finden, d.h. Komfortsteigerungen ohne
zusätzlichen Einsatz von Energie erzielt werden.
Die traditionelle Gebäudesanierung wird in aller Regel individuell und getrennt nach
Gewerken geplant und ausgeführt. Insbesondere die nachträgliche Installation
anlagentechnischer Komponenten, hier sind typischerweise Lösungen für
Lüftungstechnik - aber ebenso Heizungs-, Warmwasser-, Elektro- und IT-Installationen
erforderlich, ist oft mit erheblichen Beeinträchtigungen der Bewohner verbunden. Häufig
ist ein Leerstand der Wohnungen über längere Zeiträume, verbunden mit
entsprechenden Miet- oder Nutzungsausfällen, unumgänglich. Die Trennung nach
Gewerken bedingt zudem die Gefahr, dass die Einzelmaßnahmen nicht aufeinander
abgestimmt und wichtige, bauphysikalische Grundlagen (Wärmebrücken, Luftdichtheit)
missachtet werden.
Sanierungskonzepte, die die oben genannten Aspekte berücksichtigen, stellen zum
Beispiel minimalinvasive und multifunktionale Konzepte mit hohem Vorfertigungsgrad
dar. Viele Wohnungsbauunternehmen sind bestrebt ihre (bestehende) Mieterstruktur
zu(er)halten. Sie vermeiden daher Sanierungsabläufe, die länger andauernde
Umsetzungen der Mieter oder gar eine vollständige Entmietung der Objekte
voraussetzen. „Minimalinvasiv“ ist hierbei ein Begriff der am häufigsten im
medizinischen Umfeld gebraucht wird. Er beschreibt Operationstechniken
(Schlüssellochchirurgie) die Eingriffe in den menschlichen Körper bei größtmöglicher
Schonung des Patienten erlauben. Diese „Operationsmethode“ kann auch auf die Art
und Weise der Gebäudesanierung übertragen werden. Ziel ist auch hier, die Bewohner
(Patienten) so wenig wie möglich zu belasten und die Sanierungsmaßnahme im
Wesentlichen von außen durchzuführen. Ergänzend dazu wird die Dauer der
Sanierungsmaßnahme sehr stark von den benötigten Installationszeiten vor Ort
bestimmt. Je mehr dieser Installationen vorab und nicht an der Baustelle durchgeführt
werden, umso kürzer können die Beeinträchtigungen der Bewohner sein. Der Schlüssel
hierfür liegt somit in einer größtmöglichen Vorfertigung von Sanierungssystemen, die
eine einfache Montage vor Ort ermöglichen. Um eine einfach Planung und Montage zu
ermöglichen, sind hierbei die einfachen, schlichten Fassaden von Vorteil, wie sie
beispielsweise bei den Gebäuden der Nachkriegsjahre gegeben sind.
Den Leitgedanken des „Mehrfachnutzen-Prinzips“ (Synergie-Axiom) verfolgend wird der
Ansatz „minimalinvasiv“ durch eine mögliche Multifunktionalität unterstützt. Nachdem
sich die Reduzierung der Transmissionswärmeverluste, unter den zur Zeit gültigen
Randbedingungen, einem „ökonomisch-technischen“ Optimum genähert haben dürfte
Dieses gibt es nicht bei sich verändernden Energie- und Materialkosten und speziell im
Gebäudebestand konstruktive Belange hier vielfach Grenzen setzen, ist die Verringerung
der Lüftungswärmeverluste und damit einhergehend die Sicherstellung hygienisch
zufriedenstellender Raumluftkonditionen die nächste große Herausforderung im
Wohnungsbau. Dies gilt sowohl für die Sanierung des Bestandes als auch für den
Wohnungsneubau. Verändertes – beruflich und/oder familiär bedingt – oder
unangepasstes Nutzerverhalten erfordern (weitgehend) nutzerunabhängige, intelligente
Lüftungssysteme.
Somit bedeutet Multifunktionalität in diesem Zusammenhang, dass mehrere
Anforderungen von Gebäude, Fassade und Anlagentechnik, z.B. Wärmedämmung und
Lüftungstechnik, robust in einer Komponente vereint sind. Ergänzend hierzu können die
vorhandenen Heizungskomponenten (Übergabe, Verteilung, Erzeugung) als neues
„(Rest-) Raumwärmebedarfsdeckungssysteme“ ertüchtigt und in das geplante
Sanierungskonzept integriert werden. Weitere Möglichkeiten ergeben sich hierdurch zur
Erneuerung bzw. Nachrüstung von Elektro- und Kommunikationssystemen. Speziell die
Integration der Multifunktionalität in einen Vorfertigungsprozess bietet zwar große
Chancen zur Synergienutzung und Kostenersparnis, stellt aber auch neue
Herausforderungen an den kompletten Bauprozess.
In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderten
Forschungsprojekt „Entwicklung von vorgefertigten, multifunktionalen Systemen zur
energetischen Sanierung von Wohngebäuden“ wurden diese Ansätze vom FraunhoferInstitut für Bauphysik in Zusammenarbeit mit Firmen aus der Bau- und
Gebäudetechnikbranche aufgegriffen und weiterentwickelt [3].
2. Stand der Technik Sanierung mit vorgefertigten Bauteilen
Fertighausfirmen setzen die Technik der Vorfertigung schon sehr lange für neu zu
erstellende Gebäude ein. Aus verschiedenen Gründen hat die Übertragung dieser
Konzepte auf die Sanierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden noch keinen
Massenmarkt
erreicht
sondern
beschränkt
sich
im
Wesentlichen
auf
Demonstrationsvorhaben oder Einzelanfertigungen. Zu diesen Gründen zählen eine
aufwändigere Bestandsaufnahme und Bemaßung des Gebäudes, die Schwierigkeit der
Standardisierung der Sanierungssysteme aber auch die Frage der Integration
verschiedener Gewerke in vorgefertigte Module.
Unter anderem initiiert durch den IEA ECBCS Annex 50 wurden in den letzten Jahren
aber vielversprechende Konzepte entwickelt und umgesetzt, in denen eine Sanierung mit
vorgefertigten Elementen realisiert wurde [4]. In einer Schweizer Entwicklung wurden
Holzrahmenmodule entwickelt, die sich auf das Fenster und angrenzende Bereiche
konzentrieren. Die Bereiche zwischen den Modulen werden bei diesem Konzept in einem
zweiten Schritt traditionell saniert, wobei die Zwischenbereiche dabei Platz für
anlagentechnische Versorgungsleitungen wie beispielsweise Heizungsrohre bieten.
Ergänzend zu diesen Fassadensystemen wurden Lösungen für Aufstockungen entwickelt,
welche an einem Gebäude in Zürich umgesetzt wurden. Hierbei wurde ein kompletter
Dachstuhl vorgefertigt erstellt und im Ganzen per Kran auf das bestehende Gebäude
montiert (vgl. Abb. 3). Eine österreichische Entwicklung der Firma Gap-Solution,
ebenfalls im Rahmen des Annex 50, präferiert ein großelementiges auf der
Holzrahmenbauweise basierendes Fassadensystem. Dieses System hat als
Hauptkomponente vorgefertigte Solarwaben, innenliegende Dämmung und eine
Glasfassade als Außenansicht. In Österreich, der Schweiz und den Niederlanden wurden
mit diesen beiden Systemen bisher sechs Demonstrationsgebäude realisiert.
Eine vielversprechendes und mittlerweile an mehr als vier Gebäuden realisiertes System
ist die TES Energy Facade, welche von einem Konsortium bestehend aus der TU
München und weiteren europäischen Partnern, sowie Praxispartnern aus der
Holzbaubranche im Rahmen des europäischen Verbundes "Woodwisdom-Net"
entwickelt wurde [5]. Bei diesem System handelt es sich, wie in Abb. 3 links zu sehen,
um großelementige horizontal angeordnete Holzrahmenmodule, die mit Hilfe von
Kränen zwischen die bestehende Fassade und das Baugerüst gesetzt und dort montiert
werden.
Abb. 3: Links: Holz-Großelemente, geschosshohe Elemente (TES.Energy Facade), rechts: Montage ganzer
Raummodule
Eine große Herausforderung bei solchen großformatigen Fassadenelementen liegt vor
allem in der Integration der anlagentechnischen Komponenten und der Definition von
Schnittstellen zu weiteren Sanierungskomponenten wie z.B. Verteilleitungen der
Gebäudetechnik. Im Rahmen des Forschungsvorhaben SmartTES werden für diese
Holzmodule derzeit Lösungen entwickelt, bei denen Versorgungstechnik und
Leitungsführung in den Bau- und Installationsprozess integriert sind [6].
Im Rahmen eines österreichischen Forschungsprojektes [7] entwickelt ein österreichisches
Konsortium vorgefertigte Fassadenmodulen mit integrierter Anlagentechnik, welche vor
allem für den Einsatz im Neubaubereich aber auch für die Sanierung vorgesehen sind.
Während des Projektes werden derzeit Prototypen entwickelt und getestet, die
vorzugsweise für den Neubau oder Ersatz von Vorhangfassaden in Gebäuden in
Skelettbauweise dienen sollen.
Auch in der deutschen Sanierungspraxis ist ansatzweise ein höherer Vorfertigungsgrad
beobachtbar. Für geplante Aufstockungen und Anbauten bei durchzuführenden
Sanierungen ist der Einsatz von vorgefertigten Bauteilen bereits realisiert. Diesbezüglich
wurden mehrere dreigeschossige Mehrfamiliengebäude in Köln-Niehl [8] aus den 1950er
Jahren um ein weiteres Geschoss aufgestockt. Die Aufstockung erfolgt mit
großelementierten vorgefertigten Bauteilen. Die zu ertüchtigenden Altbaufassaden
wurden jedoch konventionell mit einem Wärmedämmverbundsystem ausgestattet.
Im Rahmen zweier Vorhaben wurde die Möglichkeit des Einsatzes von vorgefertigten
Bauteilen für die Sanierung im Nichtwohnungsbau [9], sowie im Bestandswohnungsbau
[10] untersucht. Ziel beider Vorhaben war die Klärung der Randbedingungen für eine
Sanierung mit vorgefertigten Bauteilen sowie die Konstruktion und Vermessung von
Prototypen. Speziell in [10] wurden hierzu elektronische 3D-Aufmaßmethoden erprobt,
mit denen am Beispiel von Vakuum-Dämmpaneelen die passgenaue Herstellung von
vorgefertigten Modulen sowie deren Einsatz am Gebäude erprobt wurde.
Ebenfalls im Neubaubereich, vor allem im Nichtwohnungsbau, werden bereits vereinzelt
hochintegrierte vorgefertigte Bauteile im Fassadenbereich eingesetzt. Beispielsweise sind
dabei unterschiedlichste Rohr- und Kabelführungen [11] oder ganze anlagentechnische
Komponenten (dezentrale Lüftungstechnik) in die Fassadenelemente integriert [12].
Das Projekt Außenwandsanierung mit industriellen Vorfertigungstechniken [13]
beschreibt
die
(industrielle)
Vorfertigung
von
Großelementen
auf
„Wärmedämmverbundsystemtechnik“, bei denen für die Lastabtragung entsprechend
aufwendige Verankerungssysteme gewählt werden müssen.
Bei dem Projekt „Sanierung von drei kleinen Wohngebäuden in Hofheim“ [14] bilden
Fenster und Wand das Fassadenmodul. Das Lastabtragungssystem beruht auf einer
Verankerung mit speziellen Konsolen auf der alten Fassade. Dieses Verankerungssystem
ist teilweise sehr aufwändig und stark von den jeweiligen objektspezifischen
Gegebenheiten abhängig. Anlagentechnische Komponenten sind nicht integriert.
3. Analyse bisheriger Sanierungen mit vorgefertigten Elementen
3.1 Elementprinzip von Großelementen in Holzbauweise
Wie oben dargestellt wurden bei mit vorgefertigten Elementen durchgeführte
Sanierungsmethoden oftmals stapelbare (eingeschossige) horizontal orientierte HolzRahmen-Konstruktionen, wie in Abb. 4 dargestellt, mit bereits eingebauten Fensterbzw. Türelementen verwendet. Die Grundkonstruktion dieser Wandelemente entspricht
weitestgehend dem traditionellen Prinzip von Fertighaus Wandelementen unter Einsatz
der Fertighausfirmen erprobten Transportlogistik und Montagetechniken. Die äußere
Fassade ist abhängig von den Elementgrößen, nur gelegentlich im „Voll-Finish“
ausgeführt, d.h. mit endgültiger Textur bzw. Materialität. In der überwiegenden Zahl der
Fälle (gestapelte Elemente, horizontale Fugen) wird (muss) jedoch nach wie vor die
endgültige Fassadenausführung vom Gerüst „vor-Ort“ erfolgen.
Abb. 4: Holz-Großelemente, geschosshohe Elemente
Die Integration von anlagentechnischen Systemen, speziell die Integration von
Versorgungsleitungen und Kanälen, ist bei horizontal stapelbaren, nur jeweils
geschosshohen Elementen schwierig. Die notwendigen Verbindungen von
Versorgungsleitungen zwischen den Elementen erschweren den Montageablauf deutlich
bzw. schließen die Verwendung eines solchen (horizontalen) Elementierungskonzeptes
ohne geeignete sichere Verbindungstechnologien, z.B. Steckverbindungen, vollständig
aus.
Für die Vollintegration von Kanälen und Leitungen eignen sich vertikale, über mehrere
(alle) Geschosse orientierte Systeme, vgl. Abb. 5, besser. Ein Verbinden von Kanälen und
Leitungen zwischen den Elementen ist hier nicht erforderlich; Sammelleitungen und
Sammelkanäle können entweder im Sockel- oder im Dachbereich erfolgen. Im
Sockelbereich geführte Sammel- speziell aber Kanalleitungen führen jedoch wegen der
erforderlichen großen Querschnitte sowie der jeweils erforderlichen Verbindung zu den
vertikalen Elementen zu konstruktiven Schwierigkeiten, die die Montage vor Ort
wiederum erschweren.
Abb. 5: Holz-Großelemente, fassadenhohe Elemente
Die Montage dieser Elemente, speziell der Weg vom Transport-LKW zur Bestandsfassade
erfordert allerdings spezielle, noch zu entwickelnde Hebegeschirre bzw. Manipulatoren.
Die Groß-Elemente müssen auf dem Transport-LKW liegend transportiert und
anschließend um 90° gedreht werden um sie montieren zu können. Die Montage dieser
Großelemente am Gebäude erfordert zwingend eine „gerüstfreie“ Fassade, da aufgrund
der Höhe der Elemente ein Einfädeln hinter das Gerüst zu großen Problemen führt.
Eventuell notwendige Vorarbeiten (Teilabbruch, Demontage, Dacharbeiten) müssten
entweder von einem wieder abzubauenden Gerüst oder mit Hilfe von fahrbaren
Arbeitsbühnen durchgeführt werden. Auch wenn diese vertikal orientierten Elemente die
Umsetzung von „Voll-Finish-Fassaden erheblich erleichtern - vertikale Fugen sind
technisch und architektonisch besser beherrschbar - ist die Zahl der mit vertikalen
Elementen umgesetzten Systeme derzeit sehr gering.
3.2 Planung – Logistik - Bauablauf
Die Herstellung solcher Großelemente erfordert ein sehr präzises Aufmaß des
Bestandsgebäudes. Als Alternative zu traditionellen Aufmaßmethoden kommen dabei
immer häufiger 3D Laser-Scanner Systeme und Photogrammetriesysteme zum Einsatz,
mit Hilfe derer 3D-Modelle des Gebäudes inklusive aller Wände, Vorsprünge, Fenster,
Dachanschlüsse usw. erstellt werden, vgl. z.B. [15]. Die Messemethode an sich liefert
bereits sehr gute Ergebnisse, der notwendige „digitale Nachbearbeitungsprozess“, der
bei komplizierten Fassaden zum Teil sehr aufwändig sein kann, schränkt den Kreis der
Ausführungsbetriebe, die solche Sanierungsmaßnahmen ausführen können, vermutlich
stark ein. Zudem stellt sich schnell die Frage der Gewährleistung, sobald die Vermessung
des existieren Gebäudes inklusive der Erstellung von 3D-Modellen als externe
Dienstleistung vergeben wird und bei der Erstellung der Module Abweichungen über
Toleranzgrenzen hinweg auftreten. Moderne Zimmerrein oder spezialisierte
Fertighaushersteller verfügen meist (zumindest was CAD/CNC Zeichnung - Abbund
angeht) schon über diese Techniken - Fensterbaubetriebe messen, zumindest die
„üblichen Lochfassaden“ des Geschosswohnungsbaus, klassisch auf.
Hinsichtlich der Integration von Anlagentechniken in solche Großelemente sind mehrere
Aspekte zu beachten. Zum einen müssen diese Technologien, z.B. Rohrleitungen oder
auch dezentrale Lüftungsgeräte, bereits während der Vorfertigung in die Elemente
eingebaut werden. Dies erfordert, dass mehrere Gewerke von einer Firma bzw. in einer
Werkshalle bearbeitet werden, wodurch sich der Bauablauf deutlich zu herkömmlichen
Abläufen verändert. Hierbei sind Alles-in-einer-Hand-Firmen oder die Zusammenarbeit
mit Subunternehmern gefordert, speziell letzteres erfordert eine gute Koordination der
Arbeiten sowie eine geeignete Festlegung von Verantwortlichkeiten und
Gewährleistungsaspekten.
Auch bezüglich der Montage der mit Anlagentechnik versehenen Elemente müssen neue
Aspekte berücksichtigt werden. Alle in die Fassadenelemente integrierten Kanal- und
Leitungssysteme müssen grundsätzlich durch die „Bestandswand“ ins Gebäude geführt
und mit Komponenten (Geräten, bestehenden Leitungen) verbunden werden. Hierzu
werden üblicherweise Löcher gebohrt oder Durchbrüche hergestellt. Die prinzipiellen
Schwierigkeiten die sich daraus ergeben sind folgende: Je mehr „Passpunkte“, d.h.
Punkte (Fensteröffnungen, Durchbrüche, Verankerungspunkte) zwischen Wandelement
und Bestandswand berücksichtigt werden müssen, desto aufwändiger und schwieriger
werden Aufmaß und Montage.
Beispielhaft bedeutet dies für die Montage von Wandelementen mit in ein vorgefertigtes
Element
integrierten
Lüftungskanälen
unter
Verwendung
üblicher
Außenwanddurchlässen, dass
-
Durchbrüche (passgenau) durch die Wände hergestellt werden müssen
(Kernbohrung)
Die Großelemente an der Fassade montiert werden müssen
-
Die Luftkanalverbindungen ggf. an mehreren Anschlusspunkten (hinter dem am
Krahn hängenden Großelement) (luftdicht !) eingepasst werden müssen
Insbesondere ist es hierbei erforderlich, dass diese „Passpunkte“ in allen Geschossen
übereinstimmen. Montagearbeiten zwischen Bestandswand und hängenden
Großelement sind nur schwer durchführbar. Versuche bei denen solche Großelemente
zwischen Baugerüst und Bestandswand „eingefädelt“ werden müssen, erschweren den
Bauprozess erheblich – vielfach stehen dem auch arbeitsschutzrechtliche Vorgaben
entgegen.
4. Elementierungsprinzip mit Kleinelementen
4.1 Bauweise
Aufgrund der in Absatz 3 dargelegten Gründe erscheinen die Aspekte des Aufmaßes,
der Konstruktion sowie der Baulogistik bei kleinformatigeren Elementen, wie sie auch
von den Schweizer Partnern im IEA-ECBCS-Annex50 entwickelt wurden, einfacher zu
bewältigen. Die Entwicklung solcher Elemente (Abb. 6), die z.B. Leitungsführungen
zwischen den Elementen auf der Fassade erlauben, verspricht eine größere Flexibilität in
Bezug auf eine einfachere Integration in den traditionellen Bauprozess. Für die Fertigung
solcher Module steht außerdem ein größerer Anbieterkreis zur Verfügung, da weniger
spezialisierte Planungs- und Produktionsmittel erforderlich sind.
Abb. 6: Holz-Kleinelemente mit Freiräumen zwischen Modulen
Die wesentlichen Vorteile dieses „Kleinelementprinzips“ verglichen mit großen
Elementen sind:
-
Geringere Anforderungen an die Planung
Nutzung üblicher Logistik (Transport, Montage)
Leitungsführung in verbleibenden Bereichen zwischen den Elementen möglich
Keine Beschränkungen durch die „Elementgeometrie“ für die Fassadengestaltung
Ergänzend zu einer „hochwertigen“ Ausführung mit Holzkonstruktionen kann der
Lösungsansatz mit Kleinelementen auch auf „einfache“ Wärmedämmverbundsysteme
übertragen werden. Auf der einen Seite besitzen diese vorgehängten Holzkonstruktionen
z.B. eine deutlich höhere Flexibilität in Bezug auf die Ausgestaltung der Fassade
beispielsweise hinsichtlich der Materialauswahl und/oder der Möglichkeit der Integration
aktiver Fassadenkomponenten (z.B. Photovoltaik bzw. thermische Solarkollektoren).
Stehen die Fragen der Kosten jedoch im Vordergrund, können WDV-Systeme eingesetzt
werden, die eine vergleichbare Wirtschaftlichkeit wie traditionelle WDVSSanierungslösungen aufweisen. Diesbezüglich sind in Abb. 7 Lösungsvorschläge für
beide - Holz- sowie WDV-Systeme – dargestellt, die beide dem Ansatz „Vorfertigung“
mit Kleinelementen entsprechen.
Abb. 7: Überführung des Modulprinzips für Holz-Kleinelemente auf WDV-Systeme
4.2 Integration haustechnischer Systeme/Komponenten in die Fassade
Hinsichtlich der Ausnutzung des Synergieaspekts ist die „Integrierbarkeit“
nachzurüstender und/oder zu ersetzender anlagentechnischer „Dienstleistungen“
(Services) (für Bestandsbauten) in diese vorgefertigten Elemente erforderlich. Unter der
Prämisse der minimalinvasiven Sanierung – eines möglichst geringen „inneren“ Eingriffs
– sollte somit die Nachrüstung über die Fassade ermöglicht werden.
Traditionell werden leitungsgebundene Versorgungssysteme innerhalb von Gebäuden
verlegt. Bei erstmaliger Errichtung von Gebäuden ist die Verlegung von Rohren und
Leitungen in Wandschlitzen, unterhalb des Fußbodenaufbaues bzw. „unter Putz“ üblich.
Unter dem Gesichtspunkt, dass Neubauten vielfach bereits nach ca. 25 bis 30 Jahren
einer mehr oder weniger grundlegenden Sanierung unterzogen werden, sollte diese
Methode hinterfragt werden, um zukünftig technische Versorgungssysteme
möglicherweise über die Fassade zu führen.
Wie bereits unter dem Punkt „Planung-Logistik-Bauablauf“ angesprochen, besteht also
die Notwendigkeit, die „Pass- bzw. Durchführungspunkte“ bei vorgefertigten
Elemente/Module auf ein Minimum zu reduzieren. Des Weiteren erscheint es sinnvoll,
diese Art der Leitungsführung auf der Fassade auf vorher festgelegte, und somit
bekannte Bereiche der Fassade zu konzentrieren. Im Bereich der Fensterbrüstung
erscheint es diesbezüglich recht einfach, alle in Frage kommenden technischen
Versorgungsleitungen in den Wohnraum zu führen und in einem Knoten
zusammenzufassen - hier sind „sowieso-Maßnahmen“ (Abbrucharbeiten, neue
Fensterbank innen und außen) erforderlich.
4.3 Vorgefertigtes multifunktionales Fensterelement
Eine wesentliche Funktion des Fensters ist (war) neben der Tageslichtversorgung die
Sicherstellung der Raumlüftung. Durch die gestiegenen Anforderungen der
Energieeinsparverordnungen an die Luftdichtheit von Fenstern sowie das sich ändernde
Nutzerverhalten ergibt sich die Notwendigkeit Systeme anzubieten, die den
grundlegenden hygienischen und energetischen Anforderungen an den Luftwechsel von
Aufenthaltsräumen gerecht werden.
Das Fenster ist allerdings seit jeher das technologisch anspruchsvollste Bauteil in der
Gebäudehülle. Dies gilt für seine Fertigung, im besonderen Maße jedoch für den Einbau
(Montage) in die vorhandenen Öffnungen am Objekt. An diesem Punkt finden sich aber
auch die meisten Planungs- und Ausführungsmängel. Durch die Verlagerung diffiziler
und somit fehleranfälliger Montagearbeiten hin zu einer Vorfertigung unter
Werkstattbedingungen lässt sich die Ausführungsqualität deutlich steigern. Neben der
höheren Ausführungsqualität hat die Vorfertigung als Nebeneffekt weitere Vorteile: So
ist der Bauablauf unabhängig von Wettereinflüssen und damit besser planbar und
Arbeitsbedingungen für Handwerker sind komfortabler als auf der Baustelle, so dass
beispielsweise die Weiterbeschäftigung älterer (erfahrener) Mitarbeiter, die den
körperlich „harten“ Bedingungen auf der Baustelle nicht mehr gewachsen sind, möglich
ist.
Der erste Lösungsansatz besteht nun darin (zunächst zur Verwendung bei üblichen
WDV-Systemen) ein vorgefertigtes Modul zu konzipieren, bei welchem
-
das Fenster mit einem speziellen Zargensystem an der energetisch optimalen Stelle
der Wärmedämmebene platziert wird [16],
die Zuluft zentral über zargenintegrierte Kanäle zugeführt wird,
ein WDVS-Fensterelement einen umlaufenden Dämmstoffkranz mit GrundArmierungsspachtel enthält (vgl. Abb. 6),
alle bereits handwerklich anspruchsvollen Arbeiten (Fensterbänke, ggf. Rollladen,
Putzschienen, usw.) „in der Werkstatthalle“ gefertigt werden.
Dieses komplette WDVS-Fenster Modul wird von außen in die vorhandene
Fensteröffnung eingebaut. Die „Restdämmarbeiten“ der Fassade werden anschließend
zwischen den bereits montierten Fenstern vorgenommen - das abschließende
Fassadenfinish erfolgt wie üblich. Diesbezüglich verdeutlicht Abb. 8 verschiedene
Ausführungsvarianten, an denen auch die grundsätzliche Übertragbarkeit auf andere
Wärmedammmaterialien, die z.B. auf mineralischen- bzw. nachwachsenden Rostoffen
basieren, aufgezeigt ist. Zertifizierte, herstellerspezifische Detaillösungen bezüglich
Schlagregensicherheit sind entsprechend der jeweiligen WDV-Systeme umsetzbar. In
Bezug auf den notwendigen bzw. erreichbaren Schallschutz dürfte sich die große Tiefe
der Fuge zwischen Bestandswand und Zarge als vorteilhaft erweisen.
Abb. 8: Detailzeichnungen zu Ausführungsvarianten
Für die Integration haustechnischer Systeme bieten sich nun verschiedenste
Möglichkeiten an. Speziell die mechanische Belüftung des Gebäudes kann über eine
Zuluftführung im Zargenbereich des Fensters realisiert werden. Da bei dieser Lösung
allerdings statische und montagetechnische Probleme auftreten können, erscheint eine
Realisierung in einer „Technik-Box“ unterhalb der Innenfensterbank wie in Abb. 9
dargestellt sinnvoller. Innerhalb einer solchen Technikbox könnten neben Lüftern,
Wärmetauschern und Filtern alle möglichen gebäudetechnischen Komponenten zur
Versorgung der jeweiligen Räume zusammengefasst werden. Bei den nachfolgenden
Abbildungen handelt es sich um prinzipielle Darstellungen. „Durchkonstruierte“
Lösungen müssen sich vor allem mit der „Tauwasserproblematik“ auseinander setzen.
Zur Lösung dieser Aufgabe - speziell für die Zulufteinheit – können/müssen
hocheffiziente Dämmstoffe in Verbindung mit entsprechenden Fertigungstechnologien
eingesetzt werden.
Abb. 9: Technikbox im Bereich der Fensterbrüstung bei zentraler Zuluft
-
In Abb. 9 ist eine Zuführung zentral bereitgestellter Zuluft dargestellt, die z.B.die
Nutzung einer zentralen Lüftungsanlage mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung
ermöglicht.
Die Technikbox dient hierbei als Schnittstelle für Raum und kann dabei beispielsweise
steuerbare Zuluftventile zur Reduzierung der notwendigen Volumenströme und zum
Abgleich von Bedarfslüftungssystemen enthalten. Die raumseitige (umgelenkte)
Luftführung über einen vorhandenen Heizkörper ermöglicht dabei durch die Vermeidung
von Zugerscheinungen behaglichere Strömungszustände
Der Brüstungsbereich, dessen Mauerwerk (Baustoff) ggf. bis auf die Geschossdecke
abgetragene werden kann und normalerweise keine statische Funktion hat, bietet
genügend „Konstruktionsraum“ für mehrere (auch großvolumige) Komponenten (z.B.
dezentrale Lüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung, Elektrospeicherheizsysteme,
Lüftungssysteme mit erhöhten schalltechnischen Anforderungen usw.).
Vorstellbar sind ebenfalls Kombinationen eines Zuluftsystems mit statischen Heizflächen
bei zentraler (Abb. 9) oder dezentraler Zuluftführung (Abb. 10). Durch die gerichtete –
ggf. bedarfsangepasst auch durch einen Ventilator unterstützte - Zuluftführung über die
vorhandenen Heizkörper lässt sich deren Einsatzgebiet auch bei Einsatz von NTWärmeerzeuger erschließen.
Abb. 10: Technikbox im Bereich der Fensterbrüstung bei dezentraler Zuluft
Eine weitere Effizienzsteigerung der Raumwärmebereitstellung ist z.B. durch den Verzicht auf zentrale Heizungs-Umwälzpumpen und den Austausch herkömmlicher
Thermostatventile durch Miniaturpumpen (mit entsprechenden Adaptern eigenes
Gehäuse in die Technik-Box eingebaut, Stromversorgung und Steuerungs-Verkabelung
über die Fassade zuführbar) zu erwarten [17]. Eine regelungstechnische Verknüpfung mit
dezentralen Bedarfslüftungssystemen ist ebenfalls vorstellbar.
Falls die Notwendigkeit zur Erneuerung des vorhandenen Heizungsrohrnetzes besteht
oder absehbar ist, bietet sich hier die Möglichkeit dies von außen über die Fassade zu
realisieren. Auch eine vorsorgliche Installation von Leerrohren ist hier leicht möglich
(Abb. 12).
Abb. 11: Integration von dezentralen Heizungspumpen bei neuen fassadengeführten Leitungssystemen
Bei der Notwendigkeit der vollständigen Erneuerung der Elektroversorgung ist es
vorstellbar, jeden Raum bzw. jedes Großgerät mit einer separaten Leitung zu versorgen
und das „Altsystem“ einfach stillzulegen. Die üblichen wohnungszentral installierten
Leitungsschutzschalter-Systeme (Sicherungskasten im Wohnungsflur) könnten durch
gebäudezentral (Keller) montierte Systeme ersetzt werden. Eine Nachinstallation von
Antennen-,
Breitband-Kabelanschlüssen
sowie
die
Elektroversorgung
von
Rollladenantrieben über die Fassade ist bereits gängige Praxis.
Abb. 12: Integration elektrischer Systeme in Technikbox
4.4 Konzepte für Innovative Lüftungssysteme
Eines der ältesten, vor allem im Geschosswohnungsbau anzutreffendes Lüftungssystem,
nutzt das Prinzip des thermischen Auftriebs über zentrale Lüftungsschächte. Bei
Grundrisskonzepten (Mehrfamilienhäusern) mit „innenliegenden“ Bädern ist diese
Lüftungstechnik zwingend notwendig und daher auch baurechtlich festgeschrieben. Eine
grundlegende Schwäche dieser Systeme ist jedoch die mangelnde Zuverlässigkeit der zur
Verfügung stehenden Antriebskräfte (Druck, Temperatur). Es lassen sich somit keine
sicheren Betriebszustände der Lüftung garantieren. Eine erste „Ertüchtigungsstufe“
dieser bestehenden Schachtlüftungen stellt die Nachrüstung zentraler, kontinuierlich
betriebener Abluftventilatoren dar. Die Effizienz – energetisch sowie funktionell – dieser
Lösungen ist meist nicht gegeben, ein Anstieg des Heizenergieverbrauchs ist nicht selten
die Folge, so dass die Lüftungsaufgabe „Sanitärraum“ nur mehr oder weniger
zufriedenstellend gelöst wird. Ein nennenswerter Lüftungsbeitrag für die restlichen
Wohnräume ist nur durch aktive Maßnahmen des Nutzers möglich. Eine
Wärmerückgewinnung aus der Abluft wird üblicherweise – in der (vermeintlichen)
Ermangelung eines kostengünstig zu erstellenden „Lüftungs-Rückkanals“ - nicht in
Erwägung gezogen (Abb. 13).
Abb. 13: Funktionsweise von üblichen Abluftsystemen im Mehrgeschoss-Wohnungsbau
Zur weiteren Verbesserung ist es unerlässlich das „manuelle“ Lüftungskonzept auch für
die übrigen Räume aufzugeben und den jeweiligen, individuellen „Luftaustausch“ zu
optimieren. Um alle Räume mit Frischluft zu versorgen und gleichzeitig eine
Wärmerückgewinnung zu integrieren, bieten sich sowohl zentrale als auch dezentrale
Konzepte an. Dezentrale Systeme übernehmen die Belüftung der jeweiligen Räume über
fassadenintegrierte Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung. Im Rahmen der
Vorfertigung können solche Systeme in der TechnikBox des Fenstermoduls integriert
werden. Zentrale Systeme benötigen eine Kanalführung für Zu- und Abluft, um jeden
Raum versorgen zu können. In der Sanierung ist die Installation von Luftkanälen im
Bestandsgebäude aufgrund der benötigten Wand- und Deckendurchbrüche in der Regel
nicht möglich, so dass hier vermehrt fassadenintegrierte Luftkanäle eingesetzt werden.
Hierfür können z.B. Flachkanäle auf der bestehenden Fassade angebracht werden, die im
Lauf der Fassadensanierung dann überdämmt werden. Der Durchbruch in die Räume
kann dann entweder über Kernbohrungen oder über das Fensterelement und hier
ebenfalls wieder über die Technik-Box erfolgen.
Ein sehr vielversprechendes Konzept für WDV-Systeme oder hinterlüftete
Vorhangfassaden verfolgen eine Kombination von Dämmung und Luftkanal in einem
Element (Abb. 14). Bei diesem System werden die Lüftungskanäle bereits bei der
Produktion in den Wärmedämmverbundplatten erzeugt.
Abb. 14: Dämmelement mit integrierter Luftführung
Durch die Vorfertigung der Kanäle in Standarddämmplatten aus Polystyrol entspricht der
Montageaufwand vor Ort im Wesentlichen dem bei einem konventionellen
Wärmedämmsystem. Lediglich die Positionierung der Kanäle zur Herstellung einer
dichten Kanalführung sowie der Anschluss an zentrale Sammel- und Verteilkanäle und
an die jeweiligen Zu- und Ablufträume des zu sanierenden Gebäudes müssen
gewährleistet sein [18].
Abb. 15: Montage des Wärmedämmverbundsystems mit integrierten Lüftungskanälen
Durch entfallene Rohrleitungen entstehen mit dem sogenannten FreshAirWall-System
deutliche Kostenvorteile gegenüber konventionellen zentralen Lüftungsanlagen. Weitere
Vorteile für den Einsatz im Altbau sind die Unabhängigkeit von baulichen Gegebenheiten
wie Raumhöhe oder Raumaufteilung sowie die Minimierung von Schmutz und Lärm. [19]
Alternativ zur Lösung mit zentraler oder dezentraler Wärmerückgewinnung sind speziell
im Bestandsbau Systeme denkbar, bei denen Wärmepumpensysteme aus der Abluft
Wärme für z.B. die Warmwasserbereitung auskoppeln und somit dem Gebäude
zurückführen.
Abb. 16: Kombinationsmöglichkeit aus Zululftelement (Technikbox), FAW-System und Ablufteinkopplung
in vorhandene TWW-Bereitung (L/W-WP).
In Abb. 16 ist ein Lüftungsschema bei außenliegendem Sanitärräumen dargestellt. Hier
wird der notwendige Abluftkanal über in die Fassade integrierte Kanäle (z.B.
FreshAirWall-System) realisiert.
Eine interessante Möglichkeit der Abwärmerückgewinnung ist die Einkopplung der
zentralen Abluft in eine vorhandene oder im Zuge einer „Neukonzeption“ der
Nutzwärmeversorgung geplante Trinkwarmwasser-Erzeugung auf Wärmepumpenbasis.
Vorteile dieses Systems sind zum einen die erhöhten Leistungszahlen beim
Wärmepumpenbetrieb, zum anderen aber auch die Möglichkeit der kostengünstige
Umsetzung durch einer wassergeführte Abwärme-Rückführung der Abluft.
Für alle Lüftungssysteme ist jedoch die optimale Anpassung des Luftwechsels an den
Bedarf entscheidend. Diese steigert die Energieeffizienz und verbessert die Behaglichkeit.
Bedarfsgeführte, effiziente Lüftungssysteme erfordern aber zwingend intelligente
Regelungssysteme, für die sowohl die benötigte Sensorik, z.B. Feuchte-, CO2- oder VOCSensoren, als auch die Steuermodule und Ventilatoren bzw. Luftklappen benötigt
werden. Der Einbau der notwendigen Komponenten ist, im Rahmen einer Vorfertigung,
in der Technik-Box leicht möglich.
4.4 Analyse Fenstereinbau - Fenstermontage
Bei der wärmetechnischen Sanierung von Gebäuden sollte idealerweise die komplette
Fassade (Wand und Fenster) erneuert werden. Beim Fensteraustausch in
Bestandsfassaden werden Planer und Handwerker häufig mit einer Reihe von Problemen
konfrontiert, die bei Neubauvorhaben in dieser Form nur eingeschränkt auftreten.
Speziell sind hierbei Aufgabenstellungen/Anforderungen hinsichtlich der Lage des
Fensters innerhalb des Laibungsbereichs zu berücksichtigen.
o
o
o
Gestaltung
- Architektur
- Denkmalschutz
Energieeffizienz
- Wärmebrücken
- Luftdichtheit
- Tageslichtversorgung
Bauliche Umsetzung
- Ausführung des inneren Laibungsbereichs
(Fensterbank, Nachputzarbeiten, …)
- Befestigungstechnik (Mauerwerksfestigkeit)
- Integration von (automatischen) Sonnen- oder Sichtschutzsystemen
Im Wohnbaubestand der 20er bis 60er Jahre des 20. Jahrhunderts findet man vielfach
Einbausituationen des Fensters vor, bei denen die Fenster ca. 12 – 14 cm tief in der
Laibung oder aber auch fast fassadenbündig montiert sind (Abb. 17).
Abb. 17: Fensterlaibung, unsanierter Zustand
Hier treten bei Beibehaltung der ursprünglichen Einbaulage sowohl optisch als auch
energetisch unbefriedigende Effekte nach der Sanierung auf. Die Montage eines neuen
Fensters an der ursprünglichen Stelle der Bestandswand und die großen Aufbaudicken
der WDV-Systeme führen häufig zu architektonisch unbefriedigenden Lösungen durch
die entstehenden tiefen Fensterlaibungen (Abb. 18).
Abb. 18: Tiefe Fensterlaibungen nach Sanierung
Ein typisches Merkmal von „Nachkriegsarchitektur“ der 50er und 60er Jahre sind
„außenbündig“ angeschlagene Fenster. Durch die notwendigen Aufbaudicken von
WDV-Systemen ergibt sich dadurch ein vollständig anderer Fassadeneindruck. Da bei
diesen Gebäudetypen Sanierungsvorhaben teilweise bereits mit Ensemble - oder sogar
Denkmalschutzauflagen belegt sind, sind Anforderungen des Denkmalschutzes und der
Energieeinsparverordnung nur mit Lösungen erfüllbar, bei denen das Fenster „nach
außen“ verlagert wird – z.B. mit Hilfe von Fenster-Zargen-Systemen.
Die energetisch optimale Einbaulage eines Fensters liegt „in der Mitte“ der
wärmetechnisch
„wirksamen/bedeutenden“
Schicht
einer
Wandkonstruktion
[Wärmebrückenatlas Hauser/Stiegel/Haupt - 20]. Bei außengedämmten Konstruktionen
bedeutet dies, das Fenster möglichst weit nach außen zu versetzen bzw. bei
Beibehaltung der alten Einbaulage, die Fensterlaibungen zu dämmen (siehe 20, DIN
4108, Beiblatt 2). Die energetische Wertigkeit verdeutlicht folgender approximativer
Vergleich des Wärmebrückeneffekts zwischen „schlechter“ und „guter“ Einbaulage und
dem Einsatz einer 3S-Verglasung:
Abb. 19: Wärmebrückeneinfluss des Fensteranschlusses
Bei dieser Gegenüberstellung werden einfachheitshalber nur die direkten Einflüsse von
Verglasung und Wärmebrückenwirkung betrachtet. Dies entspricht natürlich nicht der
exakten Berechnung nach DIN EN ISO 10 077 – hier müssten ggf. die unterschiedlichen
U-Werte bei den Rahmenkonstruktionen und jeweiligen Verglasungsabhängigen Werte der Glasabstandshalter berücksichtigt werden – dieser Ansatz ist aber als
„ingenieurmäßige“ Bewertung durchaus zulässig und dient der Darstellung der
Bedeutung des Wärmebrückeneinflusses. Der Vergleich zeigt, dass ohne
Berücksichtigung der solaren Gewinne der Effekt einer 3-Scheiben-Verglasung komplett
durch eine ungünstige Fensterpositionierung aufgehoben werden kann. Somit ergänzen
sich bei dem Thema der „optimalen“ Einbaulage des Fensters architektonischer
Anspruch und Energieeffizienz in idealer Weise.
Die Befestigung des neuen Fensters kann bei einer konventionellen Einbausituation
gelegentlich erhebliche Probleme bereiten. Bei Verschraubungen durch den
Blendrahmen ins Mauerwerk kann es bei „Dübel/Schraube“ Systemen zu „seitlichem
Aufplatzen“ des Bestandsmauerwerks kommen. Ursachen sind hier der oft geringe
Randabstand und das im Gebäudebestand der Nachkriegszeit oft verbaute
minderwertige Baumaterial (Substitutionsbaustoffe) sowie der durch die Verdübelung
entstehende Spreizdruck. Ein „Verkeilen“ und Ausrichten des Fensters ist besonders bei
einer energetisch optimalen Einbaulage (in der Mitte der Wärmedämmschicht) vielfach
nicht oder nur mit recht aufwändigen Hilfskonstruktionen möglich. Das sichere Haften
der Luftdichtheitsbänder auf sandenden Untergründen (Abb. 20) stellt (speziell bei
ungünstigen Witterungsbedingungen) ein weiteres Problem dar. Die im inneren
Laibungsbereich anfallenden Nacharbeiten, die zeitlich versetzt anfallen (Putz, Tapete),
sind häufig erheblich und beeinträchtigen die Nutzer durch mehrfach notwendige
Terminabsprachen (Abb. 21).
Abb. 20: Ausführungsbeispiel Fenstereinbau in der Baupraxis
Abb. 21: Baustellentermine - Gewerkabstimmung
4.5 Lösungsansatz
Der Lösungsansatz des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik besteht nun in der Ausführung
einer um den Fensterblendrahmen umlaufenden Zargen- bzw. Futterkonstruktion, die
die vorhandene Fensterlaibung vollständig auskleidet, eine sichere Montage des Fensters
in der gewünschten Ebene des Wandquerschnitts ermöglicht und bei der keine
wesentlichen Nacharbeiten im Wohnraum mehr anfallen. Der zweite wichtige Aspekt
des neuartigen Ansatzes (Einbauzargen werden seit Langem im Fensterbau beschrieben
und diskutiert) ist die konstruktive Ausbildung der Technikbox. In Abb. 22 sind
diesbezüglich die jeweiligen Grundkomponenten des Fenstermoduls dargestellt, Abb. 23
verdeutlicht die unterhalb der Fensterbank vorgesehene Technik-Box.
Abb. 22: Darstellung des „Grundgerüsts“ der Module
Abb. 23: Technik-Box zur Aufnahme technischer Komponenten (Lüftung, Elektro/Elektronik, Heizung)
Mit dieser Anordnung der Technik-Box wird ein gut zugänglicher Raum zur Aufnahme
von Technikkomponenten bereitgestellt. Der entscheidende Grund für das Technik-BoxKonzept ist jedoch die Bereitstellung von ausreichendem „Konstruktionsraum“ zur
Montage der notwendigen Komponenten. Dieser Konstruktionsraum ist erforderlich, da
für ein möglichst günstiges strömungstechnisches Verhalten (Druckverluste, akustische
Aspekte) und eine „robuste“ Auslegung eventuell notwendiger mechanischen Bauteile
(Luftdichtheit, Brandschutz) diese Komponenten eine gewisse Größe aufweisen müssen.
Darüber hinaus erlaubt dieser zentrale Zugangspunkt die Realisierung technischer
Lösungen für fast alle lüftungstechnischen Grundkonzepte – von vollständig dezentral
über zentral/dezentral bis komplett zentral – jeweils mit und ohne Wärmerückgewinnung.
Abb. 24 zeigt das Prinzip des vollständigen Fenstermoduls mit „WDVSDämmstoffkragen“ und ergänzenden Konstruktionsvarianten (bereits integrierter
Brandschutzriegel, Vorbau-Rollladenkasten).
Abb. 24: Prinzip der WDVS-Module (Fensterbänke teiltransparent dargestellt))
In Abb. 25 ist das Konzept im Fassadenkontext dargestellt. Eine entscheidende
Bedeutung für den reibungslosen Montageprozess spielt die eingesetzte
„Gerüsttechnik“ und die Koordination der Arbeiten. Vorstellbar sind auch
Montagetechniken, die in der Phase des Fensterausbaus und der Neumontage der
Module „gerüstfrei“ durchgeführt werden.
Abb. 25: Prinzipdarstellung des Montageablaufs der WDVS-Module
Das Prinzip der „Zargenlösung“ mit Technikbox ist auch auf die Konstruktionsart mit
Holz-Kleinmodulen übertragbar. Das zur Anwendung kommende Konstruktionsprinzip
entspricht dem des klassischen Holz-Rahmenbaus. Auf der der Bestandswand
zugewandten Seite der Elemente wird hierbei eine flexible Anpassungsschicht
vorgesehen. Die vorhandene Fensterzarge kann bei entsprechender konstruktiver
Ausführung auch zur Lastabtragung herangezogen werden.
Abb. 26: Prinzip der Holz-Module
Abb. 27 verdeutlicht die Möglichkeiten der Nutzung der Modulzwischenräume. Die
Holzmodule müssen in Breite und Höhe so bemessen werden, dass die Abstände
zwischen den Modulen von der jeweiligen Tragkonstruktion der Fassade überbrückt
werden können. Nach erfolgter Montage der Kanäle und Leitungen werden die
Zwischenräume mit einer diffusionsoffenen Gewebebahn überspannt, durch das
horizontale Tragsystem der Fassade gesichert und dann mit „einblasbarem“
Dämmmaterial verfüllt (Verfüllung ist nicht dargestellt). Diese freien Zwischenräume
lassen sich auch zur einfachen Kompensation der Wärmebrückeneinflüsse durch
geeignete, hocheffiziente Dämmstoffe nutzen.
Ein wichtiger Aspekt dieses Konstruktionsprinzips stellt die freie Wahl der
Fassadengestaltung dar. Es entstehen keine konstruktiven Zwänge bezüglich Material
oder Fugenausbildung, die durch die Art Grundkonstruktion bestimmt wären.
Abb. 27: Prinzip der Holz-Module mit Lüftungskanälen
4.6 Praktische Umsetzung als Demonstrator
Um die konstruktive Machbarkeit zu überprüfen und Ansätze für Optimierungen zu
identifizieren, wurde aufbauend auf den entwickelten Ideen ein Demonstrator als 1:1
Modell entwickelt. Die bisher im Rahmen konzeptioneller Betrachtungen dargestellten
Möglichkeiten wurden nach der Definition der wesentlichen Anforderungen an dieses
Demo-Modul in konkretere technische Vorentwürfe überführt. Aus Kosten- sowie
Logistikgründen ist dieser Demonstrator, wie in Abb. 28 dargestellt, derzeit als WDVSLösung ausgeführt. Die Fenster-Zarge sowie die Technikbox wurden in Holzbauweise
ausgeführt, als Fenster kommt ein handelsübliches Fenster mit 3-Scheiben-Verglasung
zum Einsatz; der Dämmstoffkragen aus EPS wurde einschließlich Armierungsputz
realisiert. Anhand dieses Moduls werden derzeit Fragen der endgültigen Ausbildung aller
Detailpunkte (z.B. Lösungen zur Tragverklotzung, Luftdichtheit, Fragen des
Verformungsverhaltens unterschiedlicher Materialien, …) untersucht.
Abb. 28: Fe-Modul Demonstrator
5. Zusammenfassung
Innovative Konzepte zur Sanierung von Wohngebäuden mit
vorgefertigten,
multifunktionalen Systemen werden derzeit europaweit diskutiert und reichen von
großformatigen Holzelementen mit und ohne Integration von gebäudetechnischen
Systemen bis hin zu kleinformatigen Fensterrahmenmodulen. Als baulich
hochqualitatives System, welches bereits erfolgreich in einigen Sanierungsprojekten
eingesetzt wurde, kann die TES-Energy-Fassade angesehen werden. Näher an der
derzeitigen Sanierungspraxis und einfacher hinsichtlich der Integration von
Anlagentechniken erscheinen kleinformatige Fensterkragensysteme. Solche Systeme
wurden vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik in einem vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie geförderten Forschungsprojekt konstruktiv entwickelt und
anhand eines Prototyps demonstriert. Das Element besteht neben Fenster und
Fensterzarge aus einer Technikbox und einem Dämmstoffrand, der als
Wärmedämmverbundsystem aus Polystyrol gefertigt ist, optional aber auch aus anderen
Dämmstoffmaterialien gefertigt werden kann. Dieses selbsttragende Modul wird von
außen in die alte Fensterlücke geschoben und überdämmt die alte Fassade im
Fensterbereich. Die Technikbox befindet sich unter der Fensterbank, die sich für
Wartungsmaßnahmen einfach öffnen lässt. In die Box lassen sich Komponenten wie
Wärmetauscher, dezentrale Heizungsmikropumpen und Lüftungsfilter einbauen, aber
auch Stromanschlüsse, Lüftungskanäle oder Internetkabel. Stromleitungen und
Wasserrohre können unter dem Dämmstoff über die Fassade erschlossen und über
Einlässe durch die Technikbox ins Haus geführt werden.
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