2010 2 SARKOME Lungenmetastasen bei Sarkomen: Welchen Stellenwert hat die operative Lungenmetastasektomie? Die “Lungenmetastasektomie“ ist die operative Entfernung von Tochtergeschwülsten eines bösartigen Tumors aus der Lunge. Sie kann diagnostisch oder therapeutisch durchgeführt werden, je nach Therapieziel. Die Eröffnung des Brustkorbes ist dabei unvermeidlich und setzt eine Vollnarkose voraus. Ziel ist dabei, entweder durch komplette Tumorentfernung eine Heilung zu erzielen, lokal den Tumoranteil in der Lunge zu kontrollieren, d.h. seine Ausbreitung zu verhindern, oder durch Gewebegewinnung den Tumor pathologisch zu charakterisieren, um eine zielgerichtete Hormon- oder Chemotherapie zu ermöglichen. 1. Indikationsstellung zur Lungenmetastasektomie Die Frage, ob die Entfernung von Lungenmetastasen für einen Patienten, bei dem ein maligner Tumor hämatogen (über den Blutweg) gestreut hat, von Vorteil sein könnte, wurde in einer großen Multicenter-Studie untersucht und 1997 veröffentlicht. Darin wurden die Daten von 5206 Patienten ausgewertet, die von 1945 – 1995 wegen Lungenmetastasen operiert worden sind. An dieser Datenerhebung haben Kliniken aus Europa, USA und Canada teilgenommen. Die Auswertung erbrachte wichtige Hinweise über die Verteilung von Tumorarten und darüber, welche Patienten besonders von einer Operation profitieren könnten: In 43% handelte es sich um epitheliale Tumoren (kolorektale Karzinome, Nierenzellkarzinome, Hals-Nasen-Ohren Karzinome und andere), in 42% um Sarkome und in 15% um Keimzelltumoren und andere. Zu fast 50% hatten die Patienten singuläre Metastasen, zur anderen Hälfte 2 oder mehr Metastasen (max. 154). Patienten mit Sarkomen und Melanomen entwickelten am häufigsten (>60%) Metastasenrezidive, Patienten mit Keimzelltumoren mit 26% am seltensten. Auf Basis der errechneten Überlebenszeiten nach Lungenmetastasektomie wurden prognostische Gruppen von I – IV eingeteilt. Wesentlichste Einf lussfaktoren waren die Metastasenzahl, die „krankheitsfreie Zeit“ (KFZ) nach Entfernung des Primärtumors und die Vollständigkeit der Metastasen­ entfernung. Gruppe Gruppe Gruppe Gruppe I: komplett resektabel, KFZ > 36 Monate und singuläre Metastase II: komplett resektabel, KFZ < 36 Monate oder multiple Metastasen III:komplett resektabel, KFZ < 36 Monate und multiple Metastasen IV:nicht komplett resektabel Patienten in der Gruppe I hatten am besten von der Operation profitiert (am längsten überlebt), Patienten in der Gruppe IV haben nicht von dem Eingriff profitiert und sind zu Unrecht das Operationsrisiko eingegangen. 2. Prognosefaktoren In zahlreichen weiteren kleinen Studien mit Fallzahlen zwischen 20 und 200 Patienten wurden weitere Prognosefaktoren ermittelt. Günstige Faktoren sind demnach: weniger als 3 Metastasen, eine lange krankheitsfreie Zeit, eine Komplettentfernung aller Tumorknoten, erfolgreiche Rezidivoperationen, Tumornekrose nach Chemotherapie (z.B. bei kindlichen Osteosarkomen) und ein niedriges Tumorgrading (niedriger Aggressivitätsgrad). Ungünstige Faktoren wären das Vorliegen eines Morbus Recklinghausen, eines Ewing-Sarkomes und einer krankheitsfreien Zeit < 1 Jahr nach Entfernung des Primärtumors. Unter Berücksichtigung der bisher genannten Faktoren, der Begleiterkrankungen und der bereits eingesetzten Therapien entscheiden Ärzte eines Sarkom-Zentrums interdis- ziplinär für jeden Patienten, ob eine Metastasektomie für einen konkreten Patienten von Vorteil sein könnte oder eher nicht und sprechen dann eine Empfehlung aus. 3. Technik der Metastasektomie Nach der Entscheidung für eine Lungenmetastasektomie bestehen für den Operateur die Fragen: Operiere ich offen oder videoassistiert? Welche Technik der Resektion wende ich an? Zur ersten Frage gibt es beginnend 1993 bis heute - zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, die zeigen: Die im Computertomogramm erwartete Metastasenzahl stimmt mit der bei der Operation gefundenen Anzahl nur in 60-80% überein. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass nach video-assistierter Thoraxchirurgie (VATC) in der offenen Kontrolle in 30-40% der Fälle noch Knoten in der Lunge gefunden wurden, die ohne direkte Abtasten über­ sehen worden wären. Es steht für uns daher außer Frage, dass eine konsequente Lungenmetastasektomie offen durchgeführt werden muss, mit der Möglichkeit der Lungenpalpation (Betastung). Zur rein diagnostischen Entfernung eines von vielen Knoten in der Lunge ist die VATC die Methode der Wahl. Die zweite Frage nach der anzuwendenden Technik - kann nur der Lungenchirurg nach örtlichen Gegebenheiten entscheiden. Zur Verfügung steht die Anwendung von Klammernahtgeräten, die Klemmenresektion, die Anwendung des Elektrokauters und die Laserresektion. Die beiden Letztgenannten bieten insbesondere die Möglichkeit der gewebesparenden Operation. Mit dem Laser kann der Chirurg an der Metastase entlang schneiden. Es bleibt ein 5mm Saum karbonisierten Lungengewebes zurück, in dem auch einzelne Tumorzellen verbrannt sind. Bei Tumoren, die zu Ausbreitung in den Lymphspalten neigen, wäre allerdings die Entfernung einer anatomischen Lungeneinheit (Segment oder Lungenlappen) anzuraten. 21 2010 2 WissensWert Stellenwert der Therapie Primäre Operation Primäre Chemotherapie n Solitärmetastase KFZ n Low grade Sarkome n Keine wirksame Therapiealternative n Gute Lungenfunktion n R0-resektabel Zunehmend n Lange Abnehmend n Disseminierte Metastasierung synchrones Auftreten n High grade Sarkome n Potente Chemotherapeutika n Eingeschränkte Lungenfunktion n Nicht resektabel Darstellung des Stellenwertes der Operation (rot) und der Chemotherapie (blau) in Abhängigkeit von Prognosefaktoren und Leistungsfähigkeit des Patienten 4. Besonderheiten von Sarkom-Metastasen Die Lunge ist in der Regel erster Manifestationsort (Absiedlungsort) von SarkomMetastasen. Diese kommen häufiger vor, als eine lokoregionäre Lymphknoten-Metastasierung des Primärtumors. Vom Primärtumor abgelöste einzelne Tumorzellen oder Zellaggregate werden über den Blutweg in die Lunge geschwemmt und verbleiben hier in den Kapillaren und wachsen zu Metastasen heran. Je länger nach der Entfernung des Primärtumors keine, oder nur wenige Metastasen in der Lunge aufgetreten sind (siehe KFZ), desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass auch keine einzelnen Tumorzellen in der Lunge mehr vorhanden sind, die noch zu Metastasen auswachsen könnten. Tumorzellen von Weichteilen oder Knochen (Sarkome) finden in der luftgefüll­ ten, schwammartigen Struktur der Lunge ganz andere Wachstumsbedingungen vor, als in ihrem Herkunftsgewebe. Dort sind Knochenlamellen, Faszien, Bänder, Muskeln und Kapseln natürliche Barrieren, die vom Tumor oft respektiert werden. Die Mitentfernung einer geschlossenen Grenzschicht sichert hier die vollständige Tumorresektion. Nicht so in der Lunge. Hier liegen keine, oder nur leicht zu überwindende anatomische Barrieren vor. In einer eigenen Untersuchung haben wir verschiedene Wachstumsmuster von Sarkom-Metastasen in der Lunge untersucht. Gehäuft wurde das Wachstum entlang von Bronchien und Blutgefäßen beobachtet, eine fingerförmige Ausbreitung in den Wänden der Lungenbläschen und das Auftreten zahlreicher 22 Satellitenherde um die eigentliche Metastase herum. Diese Wuchseigenschaften werden im Rahmen wissenschaftlicher Projekte bei uns weiter untersucht und Konsequenzen z.B. für die Operationstechnik erarbeitet. Sie könnten jedoch erklären, warum bei Sarkom-Metastasen in der Lunge überdurchschnittlich häufig mit Rezidivmetastasen in der Lunge gerechnet werden muss. Bis auf weiteres gilt es, bei Operation von Sarkom-Metastasen besonders sorgfältig auf einen ausreichend großen Sicherheitsabstand im Lungengewebe zu achten. 5. Operation von Rezidivmetastasen? In zahlreichen kleineren Verlaufsstudien wurde die erneute Resektion von Rezidivmetastasen als prognostisch günstiger Faktor identifiziert. Das heißt, wiederholt aufgetretene Lungenmetastasen können immer noch mit der Chance auf Heilung entfernt werden. Durch die wiederholte Herstellung der lokalen Tumorkontrolle in der Lunge mittels Resektion kann also das Gesamt­ überleben verbessert werden. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn eine wirksame Chemotherapie nicht zur Verfügung steht. Lungenmetastase eines Leiomyosarkoms mit Satellitenherden 2010 6. Zusammenfassung Die operative Entfernung von Sarkom-Metastasen aus der Lunge ist eine Behandlungsmethode zur lokalen Tumorkontrolle mit der Chance auf Heilung. Besonders groß ist diese Chance bei den Patienten, die singuläre Metastasen haben, die eine lange krankheitsfreie Zeit nach Entfernung des Primärtumors haben, deren Tumor einen niedrigen Aggressivitätsgrad aufweist und die komplett entfernt werden konnten. Für welchen Patienten die primäre Operation von Lungenmetastasen eine Option sein kann, und für welche eher eine Chemotherapie geeignet ist, muss interdisziplinär von Fall zu Fall, am besten in einem spezialisierten SarkomZentrum besprochen werden. Auch Kombinationen der o. g. Therapien können durchgeführt werden. Für die Operation erscheint die Keilresektion mit Elektrokauter oder mit dem Laser oder eine anatomische Segment- oder Lappenresektion besonders geeignet. Dabei müssen bei der Wahl des Sicherheitsabstandes die besonderen Wuchseigenschaften von Sarkom-Metastasen in der Lunge berücksichtigt werden. Die Entfernung von Rezidivmetastasen hat einen positiven Einf luss auf den Krankheitsverlauf, sofern eine Komplettresektion möglich ist. Autor: Dr. Stefan Welter Allgemein- und Thoraxchirurg Oberarzt der Abteilung Thoraxchirurgie Ruhrlandklinik Essen Tüschener Weg 40 D-45239 Essen Tel. 0201/433-01, 433-4012 [email protected] 2 SARKOME Mit machen. Mit bewegen. Mit aufklären. 5. Sarkom-Tour am 17. Juli in Essen… Bereits seit 2006 führen das Westdeutsche Tumorzentrum in Essen (PD Dr. Sebastian Bauer und PD Dr. Georg Täger) gemeinsam mit dem Verein Das Lebenshaus e.V. eine „Sarkom-Fahrrad-Tour“ durch. An den bisher vier Touren nahmen insgesamt über 150 Personen teil. Auch in 2010 möchten wir sehr gerne diese Tradition fortführen und laden daher zur 5. Sarkom-Tour in Essen ein. 5. Essener Sarkom-Tour 2010 t da s davor is Am Tag ionale g re 010 -West 2 -Forum m o rk a n S in Esse Die amerikanische „Liddy Shriver Sarkom Initiative“ organisiert jährlich im Juli eine internationale Wohltätigkeits-Fahrradtour. Die Essener Tour ist die „Satelliten-Tour“ für Deutschland. Mitmachen kann selbstverständlich jeder mit Spaß an Bewegung. Ziel ist neben einer verbesserten Wahrnehmung und Auf klärung über die seltene Erkrankung die Vernetzung von Betroffenen und medizinischen Fachkräften in einem informellen Rahmen. Webseite: www.sarcomahelp.org/team_sarcoma.html Teilnahmebedingungen: Fahrrad und Kondition für etwa 3 Stunden lockeres gemütliches Fahrradfahren (mit Pausen) Alternativ für „Nicht-Radfahrer“: Gemeinsamer Spaziergang durch den Essener Gruga-Park. Die Veranstaltung in Essen wird aus zwei wesentlichen Teilen bestehen: n Gegen 14:00 Uhr geht es auf eine ca. 3 stündige gemütliche Fahrradtour (mit Pausen) rund um den Baldeneysee. Teilnehmer die nicht Rad fahren möchten oder (z.B. aus gesundheitlichen Gründen) nicht können, machen einen gemeinsamen längeren Spaziergang durch den Essener Gruga-Park. Ausklang: Vor der Chirurgie, Virchowstraße – ab ca. 17.00 Uhr n Im Anschluss – gegen 17:00 Uhr – findet ein gemütliches Picknick (Grillen) mit allen Teilnehmern am Tumorzentrum statt. Während der gesamten Veranstaltung ist ein zwangloser Austausch zwischen Patienten, Begleitern, Ärzten, Pharma-Mitarbeitern und LH-Vertretern möglich. Treffpunkt/Datum/Uhrzeit: Samstag, 17. Juli 2010 um 14.00 Uhr vor der Chirurgie, Virchowstraße, D-45147 Essen Teilnahmegebühr: 10 € pro Person Anmeldeschluss: Bitte bis 5. Juli 2010 per Email Weitere Informationen: www.tour.sarkomtherapie.de oder www.lh-sarkome.org Organisation: Interdisziplinäres Sarkom-Zentrum Essen Dres. Bauer/Grabellus/Pöttgen/Täger [email protected] Das Lebenshaus e.V. - Sarkome Kai Pilgermann [email protected] 23