Bildgebende Verfahren, Strahlenbehandlung, Strahlenschutz Grundlagen der Strahlenphysik Dr.rer.nat. Jörg Harmsen Abt. für Strahlentherapie St.-Josef Hospital Bochum Klinikum der Ruhr-Universität Was ist Strahlung ... ? Woher kommt Strahlung ... ? Aufbau der Materie Kristall 10-2 m Atom 10-10 m Atomkern 10-14 m „Elementare Bausteine“ • Protonen Nukleonen • Neutronen • Elektronen Nukleon 10-15 m Atomaufbau Atomhülle: - Elektronen auf stationären Bahnen - negativ geladen - Durchmesser etwa 10-10 m Atomkern: - trägt positive Ladung - Durchmesser etwa 10-14 m Negative Ladung der Hülle (=Anzahl der Elektronen) ist genauso groß wie positive Ladung des Kerns. Atom ist nach außen elektrisch neutral ! Größenvergleich zeigt: Atom ist im wesentlichen leer ! Atomkern Bestandteile: Nukleonen ( = Protonen und Neutronen) Protonen tragen positive elektrische Ladung Neutronen elektrisch ungeladen Kernladungszahl = Anzahl der Protonen = Anzahl der positiven Ladungen Abstoßung der Protonen wird durch starke Kernkraft verhindert. Massen: Nukleon ca. 2•10-27 kg Elektron ca. 10-30 kg Masse im Atomkern vereinigt 1 Nukleonenmasse = 1 atomare Masseneinheit Massenzahl des Kerns = Anzahl der Nukleonen In makroskopischer Menge Materie Größenordnung 1023 Atome (Avogadro-Zahl) Atome und Nuklide Protonenzahl gibt an, um welches chemisches Element es sich handelt. Systematische Anordnung im Periodensystem der Elemente (PSE). Ordnungszahl = Anzahl der Elektronen = Anzahl der Protonen Nuklide Verschiedene Kombinationen von Protonen und Neutronen zu einem Atomkern Schreibweisen: M P X Bsp.: oder 60Co 27 M = X oder 60Co X-M X Chemisches Element P Protonenzahl M Massenzahl = CoCo 60 = Kobalt-60 Kernumwandlung und Radioaktivität Stabile Nuklide nur für bestimmte Proton-Neutron-Konfiguration ! Nur etwa 170 stabile Elemente ! Andere: Übergang in stabiles Nuklid durch spontane Kernumwandlung unter Aussendung von Strahlung Radioaktivität ist ein Kerneffekt ! „Radioaktiver Zerfall“ Atomkern D.h. alle ausgesandten Teilchen entstammen dem Atomkern ! Die Elektronenhülle ist unbeteiligt. Radioaktives Atom Ausgesandtes Teilchen Aktivität Anzahl der Atomkerne, die sich in einer bestimmten Zeit umwandeln. 1 Bequerel = 1 Zerfall pro Sekunde 1 Bq = 1/s Radioaktivität ist ein statistischer Prozess ! Keine Aussage über Zerfall eines einzelnen Kerns! Große Menge: Halbwertszeit T1/2 Zeit, in der die Hälfte einer radioaktiven Substanz zerfallen ist → charakteristisch für Nuklid Bsp: Po-212: 3•10-7s , Th-232: 1.4 •1010a A(t) = A0 ⋅ e − ?⋅t ?= ln 2 T1/2 Kernzerfälle Drei wichtige Arten von Kernzerfällen ♦ Alpha-Zerfall ♦ Beta-Zerfall ♦ Gamma-Zerfall Alpha-Zerfall Gebundenes System aus 2 Protonen und 2 Neutronen = Heliumkern ( 4 He-Kern 2 = Alpha -Teilchen Massenzahl nimmt um 4 ab Ordnungszahl nimmt um 2 ab Beispiel: → Bildung eines neuen Elementes ! 241 95 4 Am → 237 Np + He 93 2 AusgesandteAlpha-Teilchen Alpha-Teilchenbilden bildendie die Alpha-Strahlung Alpha -Strahlung Ausgesandte ) Beta-Minus-Zerfall Umwandlung eines Neutrons in ein Proton und ein Elektron (= β --Teilchen). Teilchen) n → p + e- + ν e Anti-Neutrino Massenzahl unverändert, OZ steigt um 1 Beispiel: 90 38 Sr → 90 39 → Bildung eines neuen Elementes ! Y + e- + ν e AusgesandteElektronen Elektronenbilden bildendie die Beta-(Minus)-Strahlung Beta-(Minus)-Strahlung Ausgesandte Beta-Plus-Zerfall Umwandlung eines Protons in ein Neutron und ein Positron (= β +-Teilchen). Teilchen) p Massenzahl unverändert, OZ nimmt um 1 ab. Beispiel: 22 11 Na → → n + e+ + ν e Neutrino → Bildung eines neuen Elementes ! Ne + e+ + νe 22 10 AusgesandtePositronen Positronenbilden bildendie die Beta-Plus-Strahlung Beta -Plus -Strahlung Ausgesandte Gamma-Zerfall Energieabgabe in Form eines Photons (= Gamma-Quant). keine Umwandlung von Nukleonen; d.h. Massenzahl und Ordnungszahl ändern sich nicht. Beispiel: → KEINE Elementumwandlung ! AusgesandtePhotonen Photonen Ausgesandte bildendie die bilden Gamma-Strahlung Gamma-Strahlung Was ist Strahlung …? Strahlung ist Energietransport ! Man unterscheidet: unterscheidet • Teilchenstrahlung (Korpuskularstrahlung) Energietransport über Bewegung der Teilchen Alpha-, Beta-Strahlung, Neutronen, Pionen, etc. • Elektromagnetische Strahlung Energie wird ohne Teilchen transportiert Photonen-, Gammastrahlung ... und weiter: • ionisierende Strahlung • nicht-ionisierende Strahlung Elektromagnetische Strahlung Photonen: • masselose Quasi-Teilchen • elektrisch ungeladen • Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit c = λ ·f Energie E der Strahlung abhängig von Frequenz f bzw. Wellenlänge λ : E = h·f = h·c λ h = Planck-Konstante Charakter der Strahlung von Energie bestimmt: Ionisierende Strahlung (Teilchen- oder em-)Strahlung, die in der Lage ist, Veränderungen in der Elektronenhülle hervorzurufen. Ionisationsenergie Neutrales Neutrales Atom Atom Energieübertrag Energieübertrag aufHüllenelektron Hüllenelektron auf Positives Positives Ion Ion Ionisationsenergie ist abhängig von der Bindungsenergie der Elektronen und damit von Position im Atom bzw. Molekül. → charakteristische Größe Wechselwirkung von Strahlung mit Materie Geladene Teilchen • Energieabgabe entlang der gesamten Flugbahn → Abbremsung α Materie Ionen β → „Schwächung“ der Strahlung • Maximale Reichweite α-Strahlung: in Luft einige cm in Wasser einige 10 µm β -Strahlung: in Luft einige Meter in Wasser einige mm bis cm γ n Erste WW Strahlungserzeugung durch Beta-Teilchen Abbremsung eines energiereichen (schnellen) Elektrons im Atom → Energieverlust → Röntgenbremsstrahlung Abbremsung in beliebiger Stärke möglich → kontinuierliches Spektrum Strahlungserzeugung durch Beta-Teilchen Technische Anwendung: Die Röntgenröhre Glühemission von Elektronen aus der Kathode („Filament“) Beschleunigung der Elektronen im elektrischen Feld zwischen Kathode und Anode Abbremsen im Anodenmaterial und Erzeugung von Röntgenstrahlen Strahlungserzeugung durch Beta-Teilchen Annihilation eines Positrons mit einem Elektron → Vernichtungsstrahlung Photon Elektron Positron Photon Entstehung zweier Photonen mit gleicher Energie und definierter Richtung. (z.B.: 2 x 511 keV, 180° Richtung) Strahlungserzeugung durch Beta-Teilchen Anwendung: Nuklearmedizinische Diagnostik Positronen E missions- Tomographie Wechselwirkung von Strahlung mit Materie Elektromagnetische Strahlung α Materie • Lange Wege ohne WW möglich • Energieabgabe punktuell → keine Abbremsung Ionen β • Keine maximale Reichweite γ n Erste WW Wechselwirkung von Photonenstrahlung Keine Abbremsung von Photonenstrahlung durch Wechselwirkung ...aber Schwächung durch: ♦ Photoeffekt ♦ Comptoneffekt ♦ Paarbildung Wechselwirkungen mit den Elektronen der Atome Wechselwirkung mit dem Feld des Atomkerns Photoeffekt • Photon überträgt gesamte Energie auf Elektron, • nach WW ist Photon verschwunden, • in Folge häufig charakteristische Röntgenstrahlung • Tritt auf vor allem im niedrigen Energiebereich (bis ca. 100keV – Röntgenbereich!) Comptoneffekt • Photon überträgt nur Teil seiner Energie, • nach WW hat Photon weniger Energie, geänderte Flugrichtung, gleiche Geschwindigkeit • Effekt ab etwa 30keV Wechselwirkung von Photonenstrahlung • Umwandlung des Photons in Elektron und Positron, • nach WW ist Photon verschwunden, • Mindestenergie 1.022MeV (= 2x Beta-Masse) • „Umgekehrter“ Prozess zur Paarvernichtung Schwächung von Photonenstrahlung in Materie Photonenstrahlung hat unendliche Reichweite • vollständige Abschirmung nicht möglich • Schwächung exponentiell (Halbwertsdicke) Strahlungsintensitä t „Schwächungsgesetz“ I(x) = I 0 • e-µ •x x = durchstrahlten Länge µ = Schwächungskoeffizient (Material-abhängig) 0 1 Dicke der Abschirmung • Schwächung in Luft vernachlässigbar: hundert Meter Luft schwächen nur auf die Hälfte • in menschlichem Gewebe (Wasser): 50 cm schwächen auf ein Zehntel Energiedosis Veränderungen in Materie durch ionisierende Strahlung wird beschrieben durch (Energie-) Dosis. Energiedosis = absorbierte Strahlungsenergie bestrahlte Masse D = ∆E ∆ m Einheit: [ D] = 1 Gray = 1 Gy = 1J 1 kg Energiedosis 1 Gray physikalisch gesehen sehr wenig: Bestrahlung von 1kg Wasser: Temperaturerhöhung um weniger als 0,001 °C ABER Bestrahlung eines biologischen Systems Pro Gy etwa 4000-5000 DNA-Schäden pro Zelle ! Energiedosis Energiedosis beschreibt physikalische Prozesse (Energieübertrag auf Materie) Körperdosis ist ein Maß für Gefährdung (keine physikalische Größe) „Äquivalentdosis“ Einheit: Gray (Gy) Einheit: Sievert (Sv) Bindeglied : Strahlungs-Wichtungsfaktoren Äquivalentdosis Äquivalentdosis = Strahlungs-Wichtungsfaktor • Energiedosis Strahlung Wichtungsfaktor Röntgen- und Gamma-Strahlung: 1 Beta-Strahlung: 1 Neutronenstrahlung: Alpha-Strahlung: 5–20 (energieabhängig) 20 ... gemessen in Sievert (Sv) bzw. Milli-Sievert (mSv) ! Take Home ... • Strahlung aus radioaktiven Quellen • Alpha-Strahlung • Beta-Strahlung • Gamma-Strahlung • Strahlung aus technischen Quellen • Röntgen-Strahlung • Elektronenstrahlung • ... andere Teilchenstrahlung Take Home ... • Strahlung transportiert Energie • Wirkung der Strahlung auf biologisches System abhängig von der Strahlenart (Messeinheit: Sievert) • Strahlung kann abgeschirmt werden • Teilchenstrahlung vollständig • Elektromagnetische Strahlung (Röntgenstrahlung, Gammastrahlung) nur Schwächung möglich