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Die Synapse
C. R. Rose, A. Konnerth und C.-M. Becker
B-2
EINLEITUNG
Mrs Inglethorp was lying on the bed, her whole body form agitated by violent convulsions, in one
of which she must have overturned the table beside her. As we entered, however, her limbs relaxed,
and she fell back upon the pillows. . . . A strangled cry from the bed startled me. A fresh access of
pain seized the unfortunate old lady. The convulsions were of a violence terrible to behold. Everything was confusion. We thronged round her, powerless to help or alleviate. A final convulsion
lifted her from the bed, until she appeared to rest upon her head and her heels, with her body
arched in an extraordinary manner. In vain Mary and John tried to administer more brandy. The
moments flew. Again the body arched itself in that peculiar fashion. At that moment, Dr Bauerstein
pushed his way authoritatively into the room. For one instant he stopped dead, staring at the figure
on the bed, and, at the same instant, Mrs Inglethorp cried out in a strangled voice, her eyes fixed on
the doctor: ¹Alfred ± Alfredª. (Aus Agatha Christie, The Mysterious Affair at Styles, Harper Collins
Publishers, London, 1994)
So beschreibt Agatha Christie um 1920 den stadienhaften Ablauf einer letalen Strychninvergiftung.
Bereits geringste Reize können schwere Krämpfe auslösen, die die gesamte Muskulatur erfassen
und den Körper in eine bizarre Rückenstreckung zwingen (Opisthotonus). Der Tod tritt durch
Atemstillstand ein. Dr. Alfred Bauerstein stand der Vergiftung, die durch Blockade des Glycinrezeptors verursacht wird, hilflos gegenüber. Glycin wirkt hemmend auf Motoneurone im Rückenmark, eine Strychninvergiftung löst daher massive Muskelkrämpfe aus. Mit heutigem Wissen und
heute verfügbaren Medikamenten hätte Dr. Bauerstein die Vergiftung jedoch wirkungsvoll bekämpfen können.
pp
pp
A
BC
PH PS
2.1
Überblick über die Funktionsweise von Synapsen
l l l Synapsen dienen der elektrischen
Signalübertragung zwischen einzelnen
Zellen
Die vielfältigen Funktionen des Nervensystems wie Wahrnehmung, Motorik, Regulation innerer Organfunktionen und
geistige Leistungen beruhen auf einer geordneten Signalübertragung zwischen Nervenzellen in ZNS, vegetativen
Zentren und ihren Zielorganen. Die Nervenzellen sind miteinander über Synapsen verbunden. Synapsen dienen der
schnellen Signalübertragung von einem Neuron auf eine benachbarte Zelle. Auch die Kontakte zu peripheren Sensoren,
Drüsen und der Muskulatur erfolgen über Synapsen.
Im Zentralnervensystem liegt die Aufgabe von Synapsen
allerdings nicht nur in der reinen Weiterleitung von Information von einem Neuron zum anderen. Vielmehr besteht eine
wichtige Aufgabe zentraler Synapsen auch darin, die Informationsverarbeitung zwischen Nervenzellen zu steuern, indem manche Verbindungen unterdrückt, andere verstärkt
werden. Diese synaptischen Vorgänge bilden die zelluläre
Grundlage von Lernen und Gedächtnis (Kap. B-6).
Es gibt zwei Arten von Synapsen: elektrische und chemische Synapsen. Diese beiden Synapsentypen erfüllen unterschiedliche Aufgaben und unterscheiden sich grundlegend
in ihrem Aufbau und ihrer Funktionsweise.
l l l Elektrische Synapsen sind
Zellverbindungen, die aus Gap Junctions
bestehen und Signale elektrotonisch
weiterleiten
Molekulare Anatomie elektrischer Synapsen. Elektrische
Synapsen sind weitaus weniger häufig als chemische Synapsen. Im Zentralnervensystem von Wirbeltieren dienen sie
vorwiegend der Synchronisation der Aktivität neuronaler
Zellverbände. Ein Beispiel hierfür sind die neuroendokrinen
Zellverbände des Hypothalamus (Abschn. C-3.2), deren pulsartiger Hormonausstoû durch elektrische Kopplung synchronisiert wird. Elektrische Synapsen sind auch für die Erregungsweiterleitung zwischen glatten Muskelzellen, kardialen
Myocyten und Gliazellen verantwortlich (Abschn. B-19.5,
C-6.4).
Struktur und Funktionsweise elektrischer Synapsen sind
schematisch in Abb. 2-1 dargestellt. An elektrischen Synapsen sind die Membranen der präsynaptischen und der
postsynaptischen Zelle nur durch einen sehr schmalen Spalt
2.1 Überblick über die Funktionsweise von Synapsen
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27
Stimulation
1
Ableitung
Ableitung
Zelle 1
Zelle 1
Zellmembran
Zelle 1
10 mV
Stimulation
Zelle 1
Zellmembran
Zelle 2
Connexone
Ableitung
Zelle 2
2 ms
Zelle 2
Ableitung
2
Abb. 2-1. Struktur und Funktionsweise elektrischer Synapsen.
Links ist schematisch die Verbindung zweier Zellen über Gap
Junctions dargestellt. Gap Junctions bestehen aus Connexonen
in der Plasmamembran beider Zellen, die eine direkte Verbindung zwischen den Intrazellulärräumen herstellen (Mitte).
Rechts: Elektrische Stimulation führt zu einer Potentialänderung
der präsynaptischen Zelle 1. Die präsynaptische Potentialänderung ruft eine zeitlich nur geringfügig verzögerte Potentialänderung in der postsynaptischen Zelle 2 hervor
von etwa 2±3 nm Breite voneinander getrennt. Dieser Spalt
wird durch Ionenkanäle überbrückt, die in beide Zellmembranen eingelagert sind (Gap Junctions; Abschn. A-18.2).
Dadurch entsteht eine cytoplasmatische Verbindung zwischen den Zellen, die eine direkte Fortleitung elektrischer
Impulse ermöglicht. Die beteiligten Ionenkanäle werden von
zwei einander gegenüberliegenden spezialisierten Membranproteinen, den Connexonen, gebildet. Diese Halbkanäle
bestehen aus jeweils sechs rosettenförmig angeordneten
Connexinen, Untereinheiten mit einer Molekülmasse von ca.
30 kDa.
diese Synapse erzeugt somit ein funktionelles Syncytium,
wie es z. B. zwischen Astrocyten oder kardialen Myocyten
vorliegt (Abschn. B-1.2, C-6.3). Die Kanäle der Gap Junctions
ermöglichen jedoch nicht nur einen Stromfluss, sondern
auch die Diffusion von Ionen von einer Zelle in die andere.
Daneben sind sie für organische Verbindungen bis zu einer
Molekülmasse von ca. 1 kDa wie ATP oder IP3 (Inositol1,4,5-trisphosphat) und andere intrazelluläre Botenstoffe
durchlässig. Gap Junctions vermitteln daher nicht nur die
schnelle und synchrone Weiterleitung elektrischer Signale,
sondern können auch Stoffwechselsignale zwischen den Zellen weiterleiten.
Physiologische Eigenschaften elektrischer Synapsen. Durch
die direkte cytoplasmatische Verbindung zwischen den Zellen besitzen elektrische Synapsen einen niedrigen elektrischen Widerstand (Abschn. A-1.5). Die Cytoplasmaverbindung ermöglicht die elektrotonische Weiterleitung des
Stroms von einer Zelle auf die andere. Durch die elektrotonische Ausbreitung kommt es nur zu einer geringen zeitlichen
Verzögerung der Signalweiterleitung (Abb. 2-1). Daher ermöglicht die Signalübertragung an elektrischen Synapsen
die rasche und synchrone Übertragung von Aktionspotentialen (Abschn. A-9.5, B-1.4) zwischen gekoppelten Zellen und
somit die Synchronisierung ihrer Aktivität. Elektrische Synapsen ermöglichen auch die Übertragung von unterschwelligen Spannungsänderungen, also solchen Potentialänderungen, die nicht zur Auslösung von Aktionspotentialen führen.
Diese werden allerdings aufgrund der rein elektrotonischen
Weiterleitung auf ihrem Weg in die postsynaptische Zelle abgeschwächt (Abb. 2-1).
Der Stromfluss an den meisten elektrischen Synapsen ist
ungerichtet, kann also wechselweise von der einen oder der
anderen Zelle in einem Gewebeverband ausgehen (bidirektional). Die elektrische Kopplung benachbarter Zellen durch
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Kapitel B-2 Die Synapse
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Modulation der Leitfähigkeit elektrischer Synapsen. Die Leitfähigkeit der Gap Junctions kann moduliert werden. Wenn eine
Zelle verletzt wird, kommt es meistens zu einem Abfall des zellulären pH-Werts und einem Anstieg des cytosolischen Calciumspiegels. Unter diesen Bedingungen schlieûen sich die Gap Junctions und unterbrechen den elektrischen Strom und den Stofftransport durch die elektrische Synapse. Dieser Mechanismus
dient zum Schutz benachbarter Zellen vor einer Zellschädigung.
l l l An chemischen Synapsen wird das
elektrische Signal der präsynaptischen
Zelle in ein chemisches Signal
umgewandet
Signalübertragung an chemischen Synapsen. Chemische
Synapsen stellen die vorherrschende Form der synaptischen
Signalübertragung im zentralen und peripheren Nervensystem dar. Neben der Signalübertragung zwischen Neuronen
vermitteln chemische Synapsen die Signalübertragung von
Neuronen auf Muskelzellen (neuromuskuläre Synapse) oder
von Neuronen auf Drüsenzellen. Im Gegensatz zu elektri-
präsynaptisch (Zelle 1)
Stimulation
1
Ableitung
40 mV
Ableitung
Zelle 1
präsynaptische
Endigung
Stimulation
2 ms
Transmitter
postsynaptisch (Zelle 2)
postsynaptische
Rezeptoren
A) erregende Synapse
Ableitung
10 mV
postsynaptische
Endigung
Zelle 2
Ableitung
2
B) inhibitorische Synapse
Ableitung
Abb. 2-2. Struktur und Funktionsweise chemischer Synapsen.
Links und in der Mitte ist schematisch die Verbindung zweier
Zellen über eine chemische Synapse dargestellt. Rechts: Elektrische Stimulation erzeugt ein Aktionspotential in der präsynaptischen Zelle 1 (oben). Das Aktionspotential ruft eine zeitlich ver-
zögerte Potentialänderung in der postsynaptischen Zelle 2 hervor (unten). Handelt es sich um eine erregende Synapse (A), wird
die postsynaptische Zelle depolarisiert. An einer inhibitorischen
Synapse kommt es zu einer Hyperpolarisation der postsynaptischen Zelle (B)
schen Synapsen vermitteln chemische Synapsen grundsätzlich eine gerichtete Signalübertragung: Der Erregungsfluss
verläuft von der präsynaptischen zur postsynaptischen Zelle
und ist nicht umkehrbar.
Zwischen prä- und postsynaptischer Membran von chemischen Synapsen (Abb. 2-2, Abb. 2-3 a) liegt der Extrazellulärraum, der einen 20±40 nm breiten synaptischen Spalt bildet. Zwischen den Zellen besteht kein leitender Kontakt, der
eine direkte Übertragung elektrischer Signale ermöglichen
würde. Stattdessen führt ein Aktionspotential der vorgeschalteten Zelle an der präsynaptischen Endigung zur Freisetzung eines chemischen Überträgerstoffs (Transmitter) aus
synaptischen Vesikeln. Dadurch wird das zunächst als Ionenstrom entlang der äuûeren Plasmamembran fortgeleitete Signal in ein chemisches Signal (Transmitter) umgewandelt, das
dann als Botenstoff den synaptischen Spalt zwischen präund postsynaptischer Zelle überquert.
Der Transmitter diffundiert durch den synaptischen Spalt
und bindet an spezialisierte Rezeptoren der postsynaptischen
Membran. Die Bindung des Transmitters an die Rezeptoren
löst einen Ionenstrom oder eine Enzymkaskade aus, was eine
Depolarisation (erregende Synapsen) oder Hyperpolarisation
(hemmende Synapsen) der postsynaptischen Zelle zur Folge
haben kann. Somit wird das chemische Signal durch die
postsynaptische Zelle wieder in ein elektrisches umgewandelt. Durch die Umwandlung des elektrischen Signals in ein
chemisches entsteht an chemischen Synapsen eine Verzögerung in der Signalübertragung zwischen prä- und postsynaptischer Zelle von 2±3 ms (synaptic delay).
synaptische Membranverdichtungen im Elektronenmikroskop sichtbar. Direkt gegenüber der aktiven Zone ist, durch
den synaptischen Spalt getrennt, die postsynaptische Dichte
als dunkle Struktur erkennbar. Die postsynaptische Dichte
reicht etwa 30 nm in das Cytosol der postsynaptischen Zelle
hinein und enthält einen hochkomplexen biochemischen
Apparat. Dieser ist aus postsynaptischen Transmitterrezeptoren, intrazellulären Signalproteinen und Ankerproteinen
(s. u.) aufgebaut.
Die meisten erregenden Synapsen im Gehirn sind im Bereich des Dendritenbaums und dort an dendritischen Dornfortsätzen (Spines; Abb. 2-3 a, Abb. 2-13, Abb. 2-16, Abschn.
B-1.1) lokalisiert. Spines sind kleine knopfartige Auswüchse
der Dendriten. Inhibitorische Synapsen dagegen befinden
sich meist direkt am Zellkörper.
Struktur zentraler Synapsen. Die typische Ultrastruktur einer
zentralen Synapse ist in Abb. 2-3 a illustriert. Die präsynaptische Endigung ist dicht mit Vesikeln gefüllt. Die aktive Zone, an der die Transmitterfreisetzung erfolgt, ist durch prä-
Struktur von Synapsen im peripheren Nervensystem. Die
Axone postganglionärer Neurone verzweigen sich in oder
auf den Zielorganen und bilden ein Vielzahl von kleinen
Auftreibungen (Varikositäten) aus. Die Varikositäten sind mit
Vesikeln gefüllt, die den Transmitter enthalten. Dieser wird
bei Aktivität des präsynaptischen Neurons ausgeschüttet und
löst nach Bindung an spezifische Rezeptoren eine Antwort
der postsynaptischen Zelle aus (Abschn. B-1.1, C-4.1).
Physiologische Eigenschaften chemischer Synapsen. Die Eigenschaften chemischer Synapsen unterscheiden sich in vielen Punkten von denen elektrischer Synapsen. Neben der
Tatsache, dass der Signalfluss nur in eine Richtung stattfindet, liegt ein weiterer wesentlicher Unterschied darin, dass
die Übertragung an chemischen Synapsen nicht einer einfachen 1:1-Regel gehorcht. Nur Aktionspotentiale (Abschn.
A-9.5, B-1.4), jedoch keine unterschwelligen Spannungsänderungen können von der präsynaptischen auf die postsy2.1 Überblick über die Funktionsweise von Synapsen
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Motoneuron
neuromuskuläre
Synapse
Muskelfaser
a
Schicht aus
Schwann-Zellen
Myelin
Endplattenregion
Axon
präsynaptische Endknöpfchen
Mitochondrium
synaptische Vesikel
(ACh)
Calciumkanal
präsynaptische Membran
synaptischer Spalt
postsynaptische Membran
Basalmembran
ACh-Rezeptoren
aktive
Zone
subsynaptische Einfaltung
30
c
b
Abb. 2-3. Struktur von Synapsen. (a) Ultrastruktureller Aufbau
erregender Synapsen im Hippocampus der erwachsenen Maus.
Man erkennt die präsynaptischen Axonendigungen (1) mit zum
Teil zahlreichen synaptischen Vesikeln und präsynaptischen
Membranverdichtungen sowie postsynaptische dendritische
Dornfortsätze (Spines; 2) mit postsynaptischen Membranverdichtungen. Vergröûerung ca. 20 000fach. Bild von B. Brühl,
Heidelberg. (b) Schematischer Aufbau der neuromuskulären
Synapse mit präsynaptischem Motoneuron, das an der motorischen Endplatte Kontakt zu einer Muskelfaser unterhält. (c) Ult-
rastruktureller Aufbau der neuromuskulären Synapse des M. soleus einer Maus (Skalierungsbalken = 1 mm). Die Nervenendigung
(NT) ist von einer Schwann-Zelle (S) überlagert und enthält die
synaptischen Vesikel. Die Nervenendigung liegt gegenüber der
postsynaptischen Membran, deren Einfaltungen deutlich zu erkennen sind. Der Pfeil markiert den primären, der Stern den sekundären synaptischen Spalt. Synaptische Einfaltungen trennen
das Sarkoplasma (X), die subsynaptischen Nuclei (N), Mitochondrien (m) und Myofibrillen (f) von der postsynaptischen
Membran. Bild von O. Henschel und V. Witzemann, Heidelberg
naptische Zelle weitergeleitet werden. Daneben setzt ein präsynaptisches Aktionspotential in der Regel nicht genug
Transmitter frei, um ein postsynaptisches Aktionspotential
auszulösen. Zwei Ausnahmen stellen die neuromuskuläre
Synapse (s. u.) und die Synapsen zwischen Kletterfasern und
Purkinje-Zellen des Kleinhirns dar. Die Erregung der präsynaptischen Zelle (d. h. das Feuern von Aktionspotentialen)
führt je nach Art des freigesetzten Transmitters und der postsynaptischen Rezeptoren entweder zu einer Erregung oder
Hemmung der postsynaptischen Zelle. Die chemische Über-
tragung ist zwar langsamer als die elektrische, hat aber den
Vorteil, dass die Übertragungseigenschaften chemischer Synapsen vielfach modifizierbar sind.
Kapitel B-2 Die Synapse
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é
pp
p
A
PH
BC
2.2
Die Weiterleitung elektrischer Signale auf
andere Zellen des Nervensystems oder auf
periphere Zielzellen kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen: Elektrische Synapsen vermitteln über Gap Junctions die meist
ungerichtete, elektrotonische Weiterleitung
von Potentialänderungen und dienen damit
vornehmlich zur Synchronisation der elektrischen Aktivität von Zellverbänden. Chemische Synapsen, die vorherrschende Form der
Signalübertragung zwischen Neuronen, vermitteln hingegen eine gerichtete, zeitlich
verzögerte Signalweiterleitung, die zur Erregung oder Hemmung der postsynaptischen
Zelle führt. Die Modifizierbarkeit der Signalweiterleitung an chemischen Synapsen
spielt eine wichtige Rolle bei der Informationsverarbeitung im Gehirn und bildet die
Grundlage für Lernen und Gedächtnis.
Die neuromuskuläre Synapse
als Modellsystem chemischer
Synapsen
l l l Neuromuskuläre Synapsen und
chemische Synapsen des ZNS
und des vegetativen Nervensystems
unterscheiden sich strukturell erheblich,
dennoch kann die neuromuskuläre
Synapse als Modellsystem für chemische
Synapsen dienen
Struktur der neuromuskulären Synapse. Die Signalweiterleitung von Motoneuronen auf Skelettmuskelfasern wird durch
die neuromuskuläre Synapse vermittelt. Da ihr struktureller
Aufbau relativ einfach ist (Abb. 2-3 b, c) und elektrophysiologische Ableitungen von der postsynaptischen Zelle (der
Muskelfaser) bereits seit langem möglich sind, ist sie die am
besten untersuchte chemische Synapse bei Vertebraten.
Das von einem motorischen Nerv kommende Axon verzweigt sich nahe der Muskelfaser in mehrere dünne ¾ste
(Abb. 2-3 b). Die Enden dieser ¾ste verdicken sich zu den
synaptischen Endknöpfchen, die über Einfaltungen der postsynaptischen Membran liegen und die motorische Endplatte
ausbilden. Jedes synaptische Endknöpfchen besitzt alle Komponenten, die notwendig sind, um Neurotransmitter auszuschütten. Dazu gehören sowohl synaptische Vesikel als auch
die aktive Zone (Abb. 2-3 b, c), in der sich präsynaptische
Calciumkanäle befinden, die den Einstrom von Calcium während präsynaptischer Aktionspotentiale vermitteln (s. u.). Aus
den synaptischen Endknöpfchen wird der Neurotransmitter
Acetylcholin freigesetzt, daher werden diese Synapsen cholinerge Synapsen genannt.
Clustering von postsynaptischen Rezeptoren an der neuromuskulären Synapse. Die postsynaptischen Acetylcholinre-
1. Synthese und Speicherung
von Transmitter in Vesikeln
präsynaptische
Endigung
1.
Ca2+
Ca2+
2.
6.
3.
2. präsynaptisches Aktionspotential des Motoneurons,
Öffnung spannungsaktivierter Ionenkanäle und
Einstrom von Calcium
3. Fusion der Vesikel mit der
Membran und Ausschüttung des Transmitters
4. Bindung des Transmitters
an postsynaptische Rezeptoren
4.
5.
postsynaptische Membran
5. Öffnung postsynaptischer
Ionenkanäle, postsynaptischer Strom
6. Inaktivierung des Transmitters
Abb. 2-4. Schematische Abfolge der Vorgänge der synaptischen Übertragung einer chemischen Synapse. Die Schritte 1±6
sind im Text näher erläutert. Nach Purves D, Augustine GJ, Fitzpatrick D, Katz LC, LaMantia AS, McNamara JO, Williams SM.
Neuroscience, 2. Aufl. Sinauer Ass., Sunderland (2001)
zeptoren (s. u.) sind an den oberen Rändern der Einfaltungen
in einer sehr hohen Dichte (> 10 000 mm±2) konzentriert
(Abb. 2-3 b, c). Die Bildung dieser Cluster wird direkt durch
Aktivität des präsynaptischen Neurons induziert. Das Motoneuron sezerniert das Proteoglycan Agrin, das in die Basallamina integriert wird, die die postsynaptischen Einfaltungen
auskleidet. Agrin führt zur Aktivierung von Musk, einer Rezeptor-Tyrosin-Kinase der Muskelfaser. Musk steuert die Aggregation der postsynaptischen Acetylcholinrezeptoren über
das cytoplasmatische Ankerprotein Rapsyn (s. Abb. 2-9).
Trotz der dargestellten Unterschiede in ihrem strukturellen und molekularen Aufbau verläuft die Übertragung an
den verschiedenen chemischen Synapsentypen nach dem
gleichen Prinzip. Die einzelnen Schritte der Übertragung an
einer chemischen Synapse sind in Abb. 2-4 in einer Übersicht
schematisch dargestellt. Sie werden im Folgenden am Beispiel der neuromuskulären Synapse Schritt für Schritt näher
erläutert.
l l l 1. Schritt: An chemischen Synapsen wird
der Neurotransmitter synthetisiert,
in synaptischen Vesikeln angereichert
und gespeichert
Transmittersynthese. Erste Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit einer chemischen Synapse ist die Bildung und
Speicherung des chemischen Überträgerstoffs in der präsynaptischen Endigung (Abb. 2-4, 1. Schritt). In der präsynaptischen Endigung der neuromuskulären Synapse wird der
Neurotransmitter Acetylcholin durch Veresterung des Aminoalkohols Cholin mit Essigsäure gebildet. Cholin ist im Cytoplasma der präsynaptischen Endigung in einer Konzentration von ungefähr 10 mmol L±1 enthalten und wird über
einen hochaffinen Na+-Cholin-Cotransporter aufgenommen.
Die Synthese von Acetylcholin wird durch das Enzym Cho-
2.2 Die neuromuskuläre Synapse als Modellsystem chemischer Synapsen
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31
lin-Acetyltransferase (ChAT) katalysiert. Das Vorhandensein
von Cholin-Acetyltransferase gilt als direkter Hinweis darauf, dass ein Neuron Acetylcholin bildet.
Verpackung des Transmitters. Der Transmitter liegt nicht frei
im Cytosol der präsynaptischen Endigung vor, sondern wird in
so genannten synaptischen Vesikeln angereichert. An der neuromuskulären Synapse wird das synthetisierte Acetylcholin
durch einen sekundär aktiven Transport im Austausch gegen
Protonen (H+) in die synaptischen Vesikel befördert. Die intravesikuläre Acetylcholinkonzentration erreicht dabei 100 mmol
L±1 und entspricht einem Gehalt von etwa 10 000 Acetylcholinmolekülen pro Vesikel. Die synaptischen Vesikel sind im elektronenmikroskopischen Bild gut zu erkennen, und es hat den
Anschein, dass das gesamte Lumen des präsynaptischen Endkolbens mit Vesikeln ausgefüllt ist (Abb. 2-3).
Endosom
Dynamin
Synapsin
Budding
Budding
Docking
Priming
Ein in die präsynaptische Endigung einlaufendes Aktionspotential stellt das primäre elektrische Signal zur Transmitterausschüttung dar (Abb. 2-4, 2. Schritt). Durch die Depolarisation der präsynaptischen Membran öffnen sich spannungsgesteuerte Calciumkanäle. Zwischen Extrazellulärraum und Zellinnerem besteht ein steiler Konzentrationsgradient für Calcium: In der extrazellulären Umgebung der Präsynapse beträgt die Calciumkonzentration ca. 1±2 mmol L±1,
während im Cytosol des präsynaptischen Endkolbens mit nur
100 nmol L±1 eine 10 000fach geringere Konzentration gemessen wird. Daraus leitet sich nach der Nernst-Gleichung
(Abschn. A-9.2) ein Gleichgewichtspotential für Calcium-Ionen von +116 mV ab. Nach Öffnung der Calciumkanäle folgen die Calcium-Ionen ihrem elektrochemischen Gradienten
und strömen durch die Membranbarriere in die Präsynapse
ein. In kürzester Zeit steigt die intrazelluläre Calciumkonzentration an. Dieser transiente Anstieg der Calciumkonzentration stellt das Signal für die Freisetzung des Transmitters
in den synaptischen Spalt dar.
Vesikel-Priming. Die meisten Vesikel der Präsynapse bilden
eine Reservepopulation: Sie werden durch das vesikuläre
Membranprotein Synapsin stabilisiert und sind noch nicht
zur unmittelbaren Transmitterfreisetzung bereit. Um die Fusion zu ermöglichen, fügen sich die in der Plasmamembran
lokalisierten Proteine Syntaxin und SNAP-25 (synaptosomassoziiertes Protein mit 25 kDa Molekülmasse) mit dem Vesikelprotein Synaptobrevin zu einem so genannten Kernkomplex zusammen (Abschn. A-16.6). Ausschlieûlich diese
membrangebundenen Vesikel lassen sich in einem zweiten,
als Priming bezeichneten Schritt zu fusionsbereiten Vesikeln
aktivieren (Abb. 2-5). Sie stellen die Fraktion dar, die durch
den Calciumanstieg während des Aktionspotentials aktivierbar ist und ihren Inhalt in den synaptischen Spalt ausschütten kann. Die Ausbildung fusionsbereiter Vesikel ist ein energieabhängiger Prozess, der durch die ATPase NSF (N-ethylmaleimide-sensitive factor) katalysiert wird.
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Kapitel B-2 Die Synapse
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Clathrin
Synaptotagmin
NFS
SNAPs
l l l 2. Schritt: Präsynaptische
Aktionspotentiale führen
zu einem Einstrom von Calcium
in die präsynaptische Endigung
Fusion
SNAREs
Ca2+
Abb. 2-5. Präsynaptische Proteine steuern die Fusion der transmitterhaltigen Vesikel mit der präsynaptischen Membran. Zunächst werden die Vesikel von Endosomen abgeschnürt (Budding). Anschlieûend werden sie für die Fusion vorbereitet (Priming) und lagern sich an der präsynaptischen Membran an (Docking). Unter Einfluss von Calcium verschmelzen die Membranen von Vesikel und Präsynapse. Synaptotagmin dient als Calciumsensor und Vermittler der Membranfusion. In den Folgeschritten werden präsynaptische Membranabschnitte abgeschnürt und als Vesikel wieder in den Vorrat sekretorischer
Vesikel überführt. NSF = N-Ethylmaleimid-sensitiver Faktor;
SNAP = soluble NSF-attachment protein; SNARE = soluble NSFattachment protein receptor
Giftwirkungen durch Hemmung der präsynaptischen Transmitterfreisetzung. An der Präsynapse greifen die Bakteriengifte von Clostridien an und hemmen die Freisetzung
von Neurotransmittern (s. Tab. 2-5). Diese anaeroben Bakterien keimen unter Luftabschluss aus Sporen aus und bilden
Neurotoxine mit Protease-Aktivitäten, die spezifisch präsynaptische Vesikelproteine spalten. In verdorbenen Lebensmittelkonserven kann Clostridium botulinum (Abschn.
A-23.5) unter Luftabschluss ein Gift bilden, das nach Nahrungsaufnahme und enteraler Resorption die cholinerge Präsynapse motorischer und vegetativer Nerven angreift und zu
Paresen (schlaffen Lähmungen) führt. Botulinustoxine spalten überwiegend Syntaxin und SNAP-25. Anaerobe Bedingungen in tiefen und verunreinigten Wunden stellen die geeignete Umgebung für das Auskeimen der Sporen von Clostridium tetani dar, dessen Gift vornehmlich hemmende glycinerge Synapsen (Abschn. B-2.5) angreift und das Vesikelprotein Synaptobrevin spaltet. Der Verlust der neuronalen
Inhibition führt zum Wundstarrkrampf (Tetanus), dessen
Symptome einer Strychinvergiftung gleichen.
l l l 3. Schritt: Der Anstieg der präsynaptischen
Calciumkonzentration löst eine Fusion
der synaptischen Vesikel
mit der präsynaptischen Membran aus
Die durch das präsynaptische Aktionspotential induzierte Erhöhung der Calciumkonzentration löst die Fusion der synaptischen Vesikel mit der Plasmamembran des präsynaptischen
Neurons aus (Abb. 2-4, 3. Schritt). Dieser Vorgang wird durch
das in der Membran der neurotransmitterhaltigen Vesikel
vorhandene Protein Synaptotagmin (Abb. 2-5) vermittelt.
Synaptotagmin trägt zwei Bindungsstellen für Calcium-Ionen. Bei niedrigen Calciumkonzentrationen interagiert Synaptotagmin mit dem Kernkomplex, wobei die fusionsbereiten Vesikel in unmittelbarer Nähe zur präsynaptischen Membran fixiert werden (Abschn. A-16.6). Diese Interaktion
bricht nach Calciumeinstrom in kürzester Frist zusammen.
Bindung von Calcium an Synaptotagmin hebt die Wechselwirkung mit dem Kernkomplex auf und ermöglicht die
Vesikelfusion, d. h. das Verschmelzen der Phospholipiddoppelschichten von synaptischem Vesikel und präsynaptischer
Membran. Durch die Ausbildung einer Fusionspore entsteht
eine durchgehende Verbindung vom Vesikelinneren zum Extrazellulärraum (Abb. 2-5), und der Transmitter wird in den
synaptischen Spalt freigesetzt.
Eine Reduktion der extrazellulären Calciumkonzentration
führt zu einem verminderten Calciumeinstrom in die präsynaptische Endigung und zu verminderter Transmitterausschüttung bis hin zu einer Blockierung der synaptischen
Übertragung. Eine ähnliche Wirkung wird durch Erhöhung
der extrazellulären Magnesiumkonzentration erzielt. Magnesium verdrängt kompetitiv Calcium-Ionen von den präsynaptischen Calciumkanälen. An der neuromuskulären Synapse führen beide Manipulationen zu einer Relaxation.
Recycling von Vesikelmembran. Die Fusion eines synaptischen Vesikels fügt neue Membranabschnitte zur Plasmamembran der präsynaptischen Endigung hinzu. Diese zusätzliche Membran wird innerhalb kurzer Zeit durch Endocytose
als ¹coated vesicleª wieder in das Cytoplasma der präsynaptischen Endigung aufgenommen. Nach Einschleusung in Endosomen wird die wieder aufgenommene Membran schlieûlich zur Herstellung neuer synaptischer Vesikel verwendet
(Abschn. A-16.6).
l l l 4. Schritt: Der freigesetzte Transmitter
diffundiert durch den synaptischen Spalt
und bindet an Rezeptoren
der postsynaptischen Membran
Nach seiner Freisetzung durch das Motoneuron trifft Acetylcholin an der postsynaptischen Membran der Muskelfaser
auf spezifische Rezeptoren (Abb. 2-4, 4. Schritt). Diese Rezeptoren sind Transmembranproteine, die neben Bindungsdomänen für Acetylcholin auch einen selektiven Ionenkanal
beinhalten. Daher nennt man sie Acetylcholinrezeptorkanäle
(Abschn. B-2.5). Die erregende Acetylcholinwirkung an der
motorischen Endplatte lässt sich durch Gabe des giftigen
Tabakalkaloids Nicotin experimentell imitieren. Daher be-
zeichnet man die an der motorischen Endplatte vorhandene
Rezeptorklasse auch als nicotinische Acetylcholinrezeptoren
(s. Abb. 2-9, Abb. 2-10). Im Gegensatz dazu werden muscarinische Acetylcholinrezeptoren durch das Pilzgift Muscarin
aktiviert (s. u.).
Sobald zwei Moleküle Acetylcholin an den nicotinischen
Acetylcholinrezeptor des Skelettmuskels binden, kommt es
zu einer Konformationsänderung des Rezeptors und zur Öffnung seines intramolekularen Kationenkanals. Nach kurzer
Zeit schlieût sich der Rezeptorkanal wieder.
l l l 5. Schritt: Die Bindung des Transmitters
an postsynaptische Rezeptoren
löst elektrische Signale
in der postsynaptischen Zelle aus
Ligand-Rezeptor-Wechselwirkung. Wenn das in den synaptischen Spalt der neuromuskulären Endplatte ausgeschüttete
Acetylcholin an die postsynaptischen Rezeptorkanäle bindet,
kommt es zu einer kurzzeitigen Öffnung der Rezeptorkanäle
(Abb. 2-4, 5. Schritt; Abb. 2-6). Die Öffnungsdauer der Einzelkanäle ist unterschiedlich lang und ruft daher entsprechend lange Einzelkanalströme hervor. Die Summe aller an
der postsynaptischen Membran ausgelösten Einzelkanalströme bildet den Gesamtstrom der postsynaptischen Zelle,
den so genannten Endplattenstrom (EPS; Abb. 2-6). Dieser
wird normalerweise durch die Öffnung von mehr als 200 000
Einzelkanälen hervorgerufen. Der Endplattenstrom ist an der
neuromuskulären Synapse ein Einwärtsstrom, d. h. ein Nettoeinstrom von positiven Ladungen in die Muskelfaser. Der
Endplattenstrom führt zu einer Potentialänderung der
postsynaptischen Zelle, dem Endplattenpotential (EPP; Abb.
2-6), das die Muskelfaser depolarisiert.
Besonderheit neuromuskulärer Synapsen. Die neuromuskuläre Synapse zeichnet sich nicht nur durch eine besondere
molekulare Anatomie aus (s. o.), sondern weist auch einige
entscheidende physiologische Unterschiede zu Synapsen auf,
die zwischen Neuronen gebildet werden. Besonderes Merkmal der neuromuskulären Endplatte ist die Gröûe der synaptischen Potentiale, deren Amplitude in der Regel überschwellig ist. Daher führt im Normalfall jedes Endplattenpotential
zur Öffnung von spannungsaktivierten Ionenkanälen und
zur Bildung eines Aktionspotentials. Das Aktionspotential
breitet sich über die gesamte Skelettmuskelfaser aus und bewirkt deren Kontraktion. An glutamatergen oder anderen
Synapsen des ZNS müssen demgegenüber, aufgrund der viel
kleineren Amplitude, mehrere postsynaptische Potentiale zusammentreffen, bevor die Depolarisationsschwelle zum Aktionspotential überschritten wird (Abschn. B-2.6).
2.2 Die neuromuskuläre Synapse als Modellsystem chemischer Synapsen
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33
ranständigen Transporter (Na+-Cholin-Cotransport; s. o.) erneut in die Präsynapse aufgenommen wird und zur Resynthese von Acetylcholin dient, wird Essigsäure im Intermediärstoffwechsel abgebaut (Citratzyklus; Abschn. A-6.3,
A-11.3).
ACh
1
2
3
4
5
6
2 ms
3 pA
Strom durch
ACh-gesteuerte
Einzelkanäle
a
1
5
4
3
3 pA
6
2
Summe der
Einzelkanalströme
2 ms
b
5 nA
Gesamtstrom der
postsynaptischen
Zelle (=EPS)
c
10 mV
Potentialänderung
der postsynaptischen
Zelle (=EPP)
d
Abb. 2-6. Entstehung eines postsynaptischen Stroms und einer
postsynaptischen Potentialänderung an der neuromuskulären
Synapse. (a) Die Freisetzung von Acetylcholin (ACh) bewirkt die
Öffnung einzelner Rezeptorkanäle in der postsynaptischen
Membran (Membranpotential Em = ±70 mV). (b) Zeitlicher Verlauf des Summenstroms durch die sechs in (a) dargestellten Einzelkanäle. (c) Die Summe aller an der postsynaptischen Membran ausgelösten Einzelkanalströme repräsentiert den Gesamtstrom der postsynaptischen Zelle, den Endplattenstrom (EPS).
Der langsame Abfall des EPSC (excitatory postsynaptic current)
veranschaulicht das zufällige, zeitlich verzögerte Schlieûen der
Einzelkanäle. (d) Der Endplattenstrom führt zu einer Potentialänderung der postsynaptischen Zelle, dem Endplattenpotential
(EPP)
l l l 6. Schritt: Das freigesetzte Acetylcholin
wird im synaptischen Spalt inaktiviert
Nach Freisetzung und Rezeptorbindung wird die chemische
Übertragung durch Inaktivierung des Transmitters beendet
(Abb. 2-4, 6. Schritt). Neben dem Apparat zur präsynaptischen Freisetzung verfügt die neuromuskuläre Synapse über
Mechanismen zur Inaktivierung von Acetylcholin durch das
Enzym Acetylcholinesterase, das Acetylcholin hydrolytisch
in Cholin und Essigsäure spaltet. Diese Endprodukte gelangen wieder in die Zellen. Während Cholin über einen memb34
Kapitel B-2 Die Synapse
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Molekularer Aufbau der Acetylcholinesterase und Hemmstoffe. Acetylcholinesterase ist ein aus mehreren Untereinheiten bestehendes Protein, das über Membrananker mit der
postsynaptischen Membran verbunden ist. Als Membrananker dient eine Proteindomäne mit der Sekundärstruktur einer
Kollagentripelhelix (Abschn. B-17.2). Im katalytischen Zentrum der Acetylcholinesterase liegt ein Serinrest vor, wie er
auch von Serin-Proteasen bekannt ist.
Die chemische Blockade dieses Serinrests durch Kampfgifte (z. B. das Nervengas Sarin) führt zunächst zu einer Steigerung der cholinergen Neurotransmission und zu Krämpfen. Durch die Dauerdepolarisation des Muskels kommt es
anschlieûend zur Muskellähmung. Insektizide wie E 605 verbinden sich irreversibel mit Acetylcholinesterase und machen sie dadurch unwirksam. Eserin (Physostigmin) und
Neostigmin sind reversible Hemmstoffe der Acetylcholinesterase.
Nicht-enzymatische Funktionen der Acetylcholinesterase. Die
Tatsache, dass Acetylcholinesterase in der Frühentwicklung des
Nervensystems vor Einsetzen der Synthese von Acetylcholin exprimiert wird, war der Anlass, nach nicht-enzymatischen Funktionen der Acetylcholinesterase zu suchen. Inzwischen ist gesichert, dass die Acetylcholinesterase auch Funktionen eines Zelladhäsionsmoleküls ausübt (Abschn. B-17.2).
Lokalisation von Acetylcholinrezeptoren und Acetylcholinesterase. An der motorischen Endplatte weisen Acetylcholinrezeptoren und Acetylcholinesterase eine besondere Verteilung auf: Während die Rezeptoren auf den Spitzen der subsynaptischen Einfaltungen sitzen, findet sich das Enzym in
den postsynaptischen Falten. Auf diese Weise entfaltet der
durch den postsynaptischen Spalt diffundierende Neurotransmitter zunächst seine Wirkung auf die Rezeptoren, bevor er schlieûlich auf das Enzym trifft und abgebaut wird. Da
die Inaktivierung im Moment der Freisetzung des Transmitters beginnt, kommt es zu einer Konkurrenz von Inaktivierung und Rezeptorwirkung des Transmitters. Infolgedessen
steigern Pharmaka, die abbauende Enzyme oder die Wiederaufnahmesysteme hemmen, die Konzentration des Neurotransmitters im synaptischen Spalt und verstärken damit
seine Wirkung auf die Rezeptoren.
2.3
Box 2-1.
Myasthenia gravis
Myasthenia gravis ist eine Erkrankung, die etwa einen von
200 000 Menschen betrifft. Sie ist durch eine ausgeprägte
Schwäche der Skelettmuskulatur gekennzeichnet, die vor allem bei längerer Aktivität auftritt. Der Grund für diese Muskelschwäche liegt in der Produktion von Antikörpern gegen
postsynaptische nicotinische Acetylcholinrezeptoren. Durch
die Reduktion der funktionellen Rezeptoren kommt es nach
Acetylcholinausschüttung zu einem verkleinerten Endplattenpotential an der neuromuskulären Synapse. Dieses kann
dazu führen, dass die Schwelle zur Auslösung von Aktionspotentialen nicht mehr erreicht wird und daher der Muskel
nicht kontrahiert. Eine Verbesserung der Situation kann
durch Gabe von Hemmern der Acetylcholinesterase (z. B.
Neostigmin) erreicht werden, die die Wirkung von Acetylcholin im synaptischen Spalt verstärken. Vergleichbare
myasthenische Syndrome können auch durch immunologische und genetische Defekte der Calciumkanäle an der neuromuskulären Präsynapse, des nicotinischen Acetylcholinrezeptors und der Acetylcholinesterase hervorgerufen werden
(Tab. 2-1).
é
An der neuromuskulären Synapse führt ein
aktionspotentialinduzierter Anstieg der Calciumkonzentration in der präsynaptischen
Endigung zur Freisetzung von Acetylcholin
in den synaptischen Spalt. Das freigesetzte
Acetylcholin bindet an nicotinische Acetylcholinrezeptoren an der postsynaptischen
Membran und bewirkt die Öffnung von Ionenkanälen, die einen Ionenstrom über die
Muskelfasermembran vermitteln. Der postsynaptische Endplattenstrom führt zur Depolarisation und zur Auslösung von Aktionspotentialen der Muskelfaser. Die synaptische
Übertragung wird durch den schnellen enzymatischen Abbau von Acetylcholin beendet.
Entstehung postsynaptischer
Ströme und Potentiale
p
PH
l l l Die treibende Kraft für Ionenbewegungen
über die Plasmamembran ist durch
den elektrochemischen Gradienten
des Ions gegeben
Bestimmung der beteiligten Ionen. Welche Ionen an der Erzeugung des Endplattenpotentials beteiligt sind, wird durch
den elektrochemischen Gradienten bestimmt. Der elektrochemische Gradient ist durch den Unterschied zwischen dem aktuellen Membranpotential einer Zelle und dem Gleichgewichtspotential gegeben, das mit Hilfe der Nernst-Gleichung
berechnet werden kann (Abschn. A-9.2).
Ein Gleichgewichtspotential oder Umkehrpotential ist
dasjenige Potential, bei dem die treibende Kraft für die Bewegung eines bestimmten Ions gleich null ist. Stimmt das Membranpotential einer Zelle mit dem Gleichgewichtspotential
dieses Ions überein, flieût kein Nettostrom, selbst wenn die
entsprechenden Ionenkanäle geöffnet sind. Daher werden
auch ± trotz geöffneter Ionenkanäle ± keine Membranpotentialveränderungen ausgelöst. Ist das Membranpotential dagegen negativer als das Umkehrpotential, flieût bei Öffnung
von Ionenkanälen, die für Kationen durchlässig sind, ein
Nettoeinwärtsstrom, d. h. ein Strom von positiven Ladungen
in die Zelle. Der Einwärtsstrom führt zu einer Depolarisation
der Zellmembran, bis das Membranpotential mit dem Umkehrpotential übereinstimmt. Ist das Membranpotential positiver als das Umkehrpotential, flieût ein Auswärtsstrom. Ein
Ausstrom von positiven Ladungen aus der Zelle führt zu einer Hyperpolarisation.
Für negativ geladene Ionen wie Chlorid-Ionen gelten analoge
Verhältnisse. Ist das Membranpotential negativer als das Umkehrpotential, führt die Öffnung von Chloridkanälen zu einen
Ausstrom von Chlorid-Ionen aus der Zelle, was zu einer Depolarisation führt. Dieser Verlust an negativen Ladungen kann mit
einem Gewinn von positiven Ladungen gleichgesetzt werden. Ist
das Membranpotential positiver als das Umkehrpotential, strömen Chlorid-Ionen in die Zelle ein und verursachen eine Hyperpolarisation, was mit einem Verlust bzw. einem Auswärtsstrom
von positiven Ladungen gleichgesetzt werden kann.
Tabelle 2-1. Myasthenische Syndrome: Pathophysiologie der neuromuskulären Synapse
Wirkort
Syndrom
Zielmolekül
Pathomechanismus
Präsynapse
Lambert-EatonSyndrom
Myasthenia
gravis
konnatale
Myasthenie
konnatale
Myasthenie
spannungsabhängiger
Calciumkanal
nicotinischer
Acetylcholinrezeptor
nicotinischer
Acetylcholinrezeptor
Acetylcholinesterase
Autoantikörper bei Bronchialcarcinom hemmen
die Ca2+-abhängige Freisetzung von Acetylcholin
Autoantikörper führen zu Verlust oder Blockade von
Rezeptoren
Mutation einer Rezeptoruntereinheit ändert Acetylcholinbindung oder Leitfähigkeit des Ionenkanals
verminderter Abbau steigert die Konzentration von
Acetylcholin und führt zu Rezeptordesensitivierung
Neurotransmitterrezeptor
Inaktivierung des
Transmitters
2.3 Entstehung postsynaptischer Ströme und Potentiale
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35
l l l Das Umkehrpotential synaptischer Ströme
wird mit Hilfe
der Spannungsklemmtechnik bestimmt
Voltage Clamp (Spannungsklemme). Das Umkehrpotential
eines Stroms kann mit der Spannungsklemmmethode bestimmt werden (Abschn. B-1.5). Dabei wird das Membranpotential mit Hilfe von Mikroelektroden schrittweise auf vorgegebene Werte angehoben oder gesenkt (¹geklemmtª). Wenn
sich unter diesen Bedingungen Ionenkanäle der Membran
öffnen, muss der dadurch entstehende Ionenstrom durch den
Strom der Mikroelektroden ausgeglichen werden. Dieser
Ausgleichsstrom spiegelt die Membranströme wider und erlaubt es, den Ionenstrom zu messen. Mit dieser Methode hat
man beobachtet, dass sich der acetylcholininduzierte Einwärtsstrom der Muskelfaser bei positiver werdendem Membranpotential verkleinert (Abb. 2-7). Bei Anhebung des
Membranpotentials auf etwa 0 mV konnte kein Strom mehr
beobachtet werden, d. h. das Umkehrpotential war erreicht.
Bei Membranpotentialen, die positiver als 0 mV waren,
kehrte der Strom seine Richtung um und wurde zu einem
Auswärtsstrom (Abb. 2-7).
Der nicotinische Acetylcholinrezeptor als unspezifischer Kationenkanal. Nach der Nernst-Gleichung liegt das Gleichgewichtspotential für Kalium-Ionen in der Skelettmuskelfaser
bei etwa ±100 mV, das für Natrium-Ionen bei etwa +60 mV
und das für Chlorid-Ionen bei etwa ±50 mV. Das Gleichgewichtspotential für den Ionenfluss durch Kanäle, die selektiv
für ein Ion durchlässig sind, entspricht dem Potential, das
mit der Nernst-Gleichung berechnet werden kann (z. B. spannungsaktivierte Natriumkanäle; Abschn. B-1.5). Daher muss
es sich bei dem acetylcholininduzierten Strom, dessen
Gleichgewichtspotential bei Null liegt, um einen gemischten
Ionenfluss handeln. Die Identität der beteiligten Ionen wurde
ermittelt, indem ihre Konzentration in der Extrazellulärlösung experimentell variiert und die Folgen dieser Veränderungen auf das Umkehrpotential untersucht wurden. Diese
Versuche ergaben, dass der geöffnete Acetylcholinrezeptorkanal die monovalenten Kationen Natrium und Kalium simultan, wenn auch in verschiedene Richtungen, passieren
lässt. Der Acetylcholinrezeptor ist also ein unspezifischer
Kationenkanal, der sich nur nach Bindung des Liganden Acetylcholin, nicht aber durch eine Spannungsänderung an der
Membran öffnet.
Es gibt jedoch weitere Einflüsse auf das Gleichgewichtspotential eines Stroms. Bei Kanälen, die für mehrere Ionen
leitfähig sind, wird das Gleichgewichtspotential des Gesamtstroms nicht nur durch die Gleichgewichtspotentiale der einzelnen Ionen bestimmt, sondern auch durch die relative Leitfähigkeit für die jeweils durchströmenden Ionen. Das Umkehrpotential des Endplattenstroms entspricht nicht dem
arithmetischen Mittelwert der Umkehrpotentiale für Natrium- und Kalium-Ionen (±40 mV), sondern liegt mit 0 mV näher am Natriumumkehrpotential. Dies bedeutet, dass der
Acetylcholinrezeptorkanal eine höhere Leitfähigkeit für Natrium- als für Kalium-Ionen besitzt.
Postsynaptische Ströme haben einen kürzeren Zeitverlauf
als die daraus resultierenden Potentialveränderungen. Wie
36
Kapitel B-2 Die Synapse
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Em = ENa
(+60 mV)
K+
postsynaptisches
Potential
postsynaptischer
Strom
Acetylcholin
Acetylcholin
Hyperpolarisation
Auswärtsstrom
a
Em = EGleichgew (0 mV)
K+
keine
Potentialänderung
kein
Strom
Na+
b
Em = Ruhepotential
(–70 mV)
K+
Einwärtsstrom
Na+
c
E m = EK
d
Depolarisation
(–100 mV)
Depolarisation
Einwärtsstrom
Na+
Abb. 2-7. Abhängigkeit postsynaptischer Potentialänderungen
und Ströme vom Membranpotential der postsynaptischen Muskelfaser. (a) Liegt das postsynaptische Membranpotential (Em)
bei +60 mV, d. h. beim Gleichgewichtspotential für Natrium
(ENa), so findet bei Öffnung der Acetylcholinrezeptorkanäle nur
ein Ausstrom von Kalium, jedoch keine Nettobewegung von
Natrium statt. Dies verursacht eine Hyperpolarisation und einen
Nettoauswärtsstrom. (b) Entspricht das Membranpotential dem
Gleichgewichtspotential (0 mV), so flieût trotz geöffneter Ionenkanäle kein Nettostrom. Daher findet auch keine Potentialänderung statt. (c) Beim Ruhemembranpotential (±70 mV) kommt es
sowohl zu einem Auswärtsstrom von Kalium als auch zu einem
Einwärtsstrom von Natrium. Da der Natriumeinstrom überwiegt,
wird die postsynaptische Membran depolarisiert, und es findet
ein Nettoeinwärtsstrom statt. (d) Entspricht des Membranpotential dem Kaliumgleichgewichtspotential (EK), kommt es zu einem
Nettoeinwärtsstrom und einer Depolarisation, die allein durch den
Einstrom von Natrium getragen wird. Nach Purves D, Augustine
GJ, Fitzpatrick D, Katz LC, LaMantia AS, McNamara JO, Williams
SM. Neuroscience, 2. Aufl. Sinauer Ass., Sunderland (2001)
in Abb. 2-6 und Abb. 2-7 zu erkennen ist, steigt der Endplattenstrom der neuromuskulären Synapse schneller an und
fällt auch wieder schneller ab als das daraus resultierende
Endplattenpotential. Während der Endplattenstrom das Öffnen und Schlieûen der acetylcholinaktivierten Rezeptorkanäle widerspiegelt (Abschn. B-1.5), ergibt sich der langsamere zeitliche Verlauf der Potentialänderung durch die passiven
elektrischen Eigenschaften der postsynaptischen Membran.
Die zeitliche Verzögerung wird vor allem durch die Membrankapazität bedingt (Abschn. A-1.5), die durch den Ionenstrom zunächst umgeladen werden muss (Abschn. B-1.6).
l l l Die Menge des freigesetzten Transmitters
hängt direkt von der präsynaptischen
Calciumkonzentration ab
Die Menge des ausgeschütteten Neurotransmitters ist eine direkte Funktion des Calciumeinstroms in die präsynaptische
Endigung. Daher wirken sich alle Mechanismen, die die präsynaptische Calciumkonzentration beeinflussen, auch auf die
Transmitterfreisetzung aus. Prinzipiell steigt der Einstrom
von Calcium über die spannungsgesteuerten präsynaptischen
Calciumkanäle mit der Aktionspotentialfrequenz und der
Dauer der synaptischen Stimulation an. Mit Erhöhung der
Transmitterfreisetzung erhöht sich damit auch die Amplitude
des postsynaptischen Potentials.
In vielen Nervenzellen wird nach einer tetanischen Stimulation, d. h. einer kurzen, hochfrequenten Reizung des präsynaptischen Neurons beobachtet, dass nachfolgende, einzelne Aktionspotentiale eine gröûere postsynaptische Depolarisation hervorrufen als vor der tetanischen Reizung. Dieser
Effekt wird posttetanische Potenzierung genannt. Die posttetanische Potenzierung kommt dadurch zustande, dass die
Calciumkonzentration in der präsynaptischen Endigung
nach der starken Stimulation noch nicht auf ihren Ruhewert
zurückgefallen ist. Die vorübergehende Erhöhung der präsynaptischen Calciumkonzentration führt dann bei erneuter
Reizung zu einer verstärkten Transmitterausschüttung.
An vielen Synapsen nimmt die Amplitude der postsynaptischen Potentiale bei lang anhaltender hochfrequenter Stimulation dagegen ab. Dieser Effekt beruht darauf, dass die
Geschwindigkeit des Vesikel-Recyclings in der präsynaptischen Membran (Abschn. B-2.2) nicht ausreicht, um dauerhaft eine ausreichende Zahl fusionsbereiter Transmittervesikel bereitzustellen.
l l l Die Freisetzung von Transmittern
erfolgt in festgesetzten ¹Quantenª
Indirekte Bestimmung der Transmitterkonzentration. Die
Acetylcholinkonzentration im synaptischen Spalt lässt sich
zwar nicht direkt messen, kann aber indirekt bestimmt werden. Werden postsynaptische Aktionspotentiale experimentell unterdrückt, spiegelt die Höhe des Endplattenpotentials
die Zahl der aktivierten Acetylcholinrezeptoren wider. Letztere ist wiederum von der Konzentration des Neurotransmitters im synaptischen Spalt abhängig.
Die Transmitterkonzentration im synaptischen Spalt kann
jedoch nicht stufenlos verändert werden. Dementsprechend
ändert sich auch die postsynaptische Depolarisationsamplitude nur stufenweise. Die kleinste Einheit der Transmitterfreisetzung, die etwa der Menge von 10 000 Acetylcholinmolekülen entspricht, wurde von dem Neurophysiologen Bernard Katz als Quantum bezeichnet. Inzwischen weiû man,
dass ein Quantum dem Acetylcholingehalt eines präsynaptischen Vesikels entspricht und die Transmitterfreisetzung in
Quanten somit die vesikuläre Acetylcholinfreisetzung widerspiegelt. Ein Aktionspotential setzt normalerweise mehrere
Hundert Quanten frei.
Auch im ruhenden Muskel werden 1±2 Vesikel pro Sekunde spontan freigesetzt. Diese spontane Acetylcholinfreiset-
zung führt zu den so genannten Miniaturendplattenpotentialen, deren Funktion noch nicht geklärt ist.
é
2.4
Die Ionenbewegungen, die nach Öffnung
transmittergesteuerter postsynaptischer Ionenkanäle stattfinden, sind vom elektrochemischen Gradienten und von der Leitfähigkeit der Kanäle für das betreffende Ion abhängig. Je nach dem Verhältnis zwischen
aktuellem Membranpotential und Umkehrpotential der beteiligten Ionen führt die
Öffnung von Ionenkanälen somit zu einem
Einwärtsstrom und einem depolarisierenden
postsynaptischen Potential oder zu einem
Auswärtsstrom und einer postsynaptischen
Hyperpolarisation.
Neurotransmitter
und Neuromodulatoren
A
PH
l l l Ein Neurotransmitter ist durch einen
Katalog spezifischer Kriterien definiert.
Ein Neuromodulator erfüllt diese
Kriterien nur teilweise
Allgemeines. Die Übertragung an chemischen Synapsen wird
durch eine Vielzahl neurobiologisch aktiver Substanzen vermittelt, deren Bindung an entsprechende Rezeptoren die
elektrischen Membraneigenschaften der postsynaptischen
Zellen verändert. Chemische Synapsen werden nach der Substanz benannt, die von ihnen freigesetzt wird: Acetylcholin
freisetzende Synapsen heiûen cholinerg; Synapsen, an denen
Glutamat ausgeschüttet wird, werden als glutamaterge Synapsen bezeichnet. Analog dazu werden die Neurone, die
den jeweiligen Botenstoff liefern, ebenfalls so benannt: Ein
Dopamin produzierendes Neuron wird als dopaminerg bezeichnet.
Neurotransmitter ± Neuromodulatoren. Die natürlich vorkommenden neurobiologisch aktiven Substanzen werden in
zwei verschiedene Klassen unterteilt, Neurotransmitter und
Neuromodulatoren. Neurotransmitter stellen die klassischen
chemischen Botenstoffe dar. Sie werden nach Werman und
Aprison folgendermaûen definiert: Ein Neurotransmitter
muss
· von einem Neuron selbst synthetisiert werden,
· in den präsynaptischen Terminalen vorkommen, dort akkumuliert und bei Depolarisation des Neurons in den synaptischen Spalt in einer Menge freigesetzt werden, die
ausreicht, um auf der postsynaptischen Seite eine Erregung oder Hemmung der elektrischen Membranantwort
herbeizuführen,
· bei experimenteller Applikation die Wirkung des ¹endogenenª Transmitters nachahmen und
· spezifisch inaktiviert werden können.
2.4 Neurotransmitter und Neuromodulatoren
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pp
p
37
BC
Eine positive Definition des Begriffs ¹Neuromodulatorª ist
aufgrund der Heterogenität der Eigenschaften dieser Substanzen nicht möglich. Als Neuromodulatoren werden diejenigen im Nervensystem wirkenden Substanzen zusammengefasst, die nicht alle Kriterien eines Neurotransmitters erfüllen.
Die Wirkungsgeschwindigkeit ist kein sicheres Kriterium zur Definition eines Neurotransmitters. Zwar wirken Neurotransmitter
in der Regel rascher als Neuromodulatoren (s. u.), doch gibt es
zahlreiche Ausnahmen.
Kategorien von Neuromodulatoren. Die Neuromodulatoren
setzen sich aus zwei verschiedenen Untergruppen zusammen. Die erste und gröûte Gruppe sind die Neuropeptide. Die
zweite, kleinere Gruppe stellen die nicht-peptidergen Neuromodulatoren.
O
Acetylcholin
Glutamat
+
H3N
38
Kapitel B-2 Die Synapse
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O
CH3
C
H
C
COO–
CH2
CH2
COOH
GABA
+
H3N
CH2
CH2
CH2
COO–
H
Glycin
+
H3N
COO–
C
H
Biogene Amine
CH2
+
CH2
NH3
CH2
NH3
CH2
NH2
HO
l l l Zu den Neurotransmittern gehören
Acetylcholin, Aminosäuren
und biogene Amine
Das ¹Ein-Neuron-ein-Transmitter-Dogmaª. Lange Zeit wurde angenommen, dass ein Neuron an allen seinen präsynaptischen Endigungen jeweils ein und denselben Transmitter
ausschüttet (Dale-Prinzip). Die meisten Neurone schütten jedoch neben einem niedermolekularen Transmitter auch Pep-
CH2
Aminosäuren
Dopamin
Zu den Transmittern zählen Acetylcholin, die Aminosäuren
Glutamat, GABA (g-Aminobuttersäure) und Glycin sowie die
biogenen Amine Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin, Serotonin (5-Hydroxytryptamin) und Histamin (b-Imidazolethylamin; Abb. 2-8). Da Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin
durch den gemeinsamen ¹Catecholringª eng miteinander
verwandt sind, werden sie zusammen als Catecholamine bezeichnet. Catecholamine und Serotonin werden der Gruppe
der Monoamine zugerechnet. Die Neurotransmitter werden
fast ausnahmslos in den präsynaptischen Endigungen durch
cytosolische oder in Vesikeln kompartimentierte Enzyme
synthetisiert (Acetylcholin z. B. durch Cholin-Acetyltransferase; Abschn. B-2.2) und in den synaptischen Vesikeln gespeichert.
Acetylcholin ist nicht nur der Transmitter der neuromuskulären Synapse (Abschn. B-2.2), sondern vermittelt u. a.
auch die Übertragung an peripheren Synapsen des Parasympathikus (Abschn. B-2.5, C-4.1) sowie in einigen Hirnarealen
wie dem Hippocampus und dem Neokortex. Glutamat und
GABA sind wesentlich an der Signalübertragung im Gehirn
beteiligt (Abschn. B-2.5, B-2.6), während Glycin als wichtigster inhibitorischer Transmitter im Rückenmark fungiert
(Abschn. B-2.5, B-2.6).
Monoaminerge Neurone finden sich vorwiegend im peripheren Nervensystem (sympathische Ganglien) und im Hirnstamm (Abschn. B-3.6). Synthese, Abbau und Wirkung von
Monoaminen werden gesondert besprochen (Abschn. B-2.8,
C-4.1).
Histamin wird im Gehirn hauptsächlich in Neuronen des
Hypothalamus produziert. Histaminerge Neurone projizieren
z. B. in den Hippocampus.
CH2
(CH3)3N
OH
OH
CH
Noradrenalin
+
HO
OH
OH
CH
Adrenalin
+
CH3
HO
OH
HO
5-Hydroxytryptamin
(Serotonin (5-HT))
+
CH2
CH2
NH3
CH2
CH2
NH3
N
Histamin
HN
+
N
Abb. 2-8. Strukturformeln der wichtigsten niedermolekularen
Neurotransmitter. Aufgrund ihres chemischen Aufbaus werden
diese Transmitter unterteilt in Acetylcholin, Aminosäuren und
biogene Amine (Catecholamine, Indolamine und Imidazolamine)
tide aus. Wirken beide Substanzen synergistisch auf ihre
Zielzellen, spricht man von Cotransmission. Ein Beispiel für
das gemeinsame Vorkommen von klassischen Transmittern
und Peptidmodulatoren in präsynaptischen Endigungen ist
die Präsenz von Acetylcholin und vasointestinalem Protein
(VIP) in parasympathischen Nerven von exokrinen Drüsen
oder das Vorkommen von GABA mit Somatostatin. Auch die
Aminosäuren GABA und Glycin können als Cotransmitter an
denselben Synapsen auftreten.
l l l Neuropeptide sind die umfangreichste
Klasse der Neuromodulatoren.
Sie werden als groûe Vorläufermoleküle
im Zellkörper synthetisiert
und in die Präsynapse transportiert
Neuroaktive Peptide repräsentieren die gröûte Klasse von
Neuromodulatoren. Sie werden aufgrund struktureller Merkmale in mehrere Familien eingeteilt (Tab. 2-2). Bis heute
wurden mehr als 50 neuroaktive Peptide identifiziert, die
entweder erregende oder hemmende Wirkungen ausüben
können. Viele funktionell wichtige Neuropeptide wirken
auch als Hormone, die aus der Neurohypophyse, aus Nervenendigungen am Hypothalamusboden oder aus gastrointestinalen endokrinen Zellen freigesetzt werden (Abschn. C-3.2,
C-10.9).
Neuropeptidvorläufer. Trotz ihrer groûen Vielfalt besitzen
Neuropeptide mehrere grundlegende Gemeinsamkeiten, die
sie von den schnellen Transmittern unterscheiden. Im Gegensatz zu niedermolekularen Transmittern werden Neuropeptide durch im neuronalen Zellkern transkribierte mRNAs
codiert. Deren Translationsprodukt ist nicht das biologisch
aktive Neuropeptid selbst, sondern ein hochmolekulares Vorläufermolekül. Die mRNA wird häufig von Genen codiert, die
aus mehreren Exons bestehen. Teilweise entstehen durch alternatives Spleiûen des Primärtranskripts mehrere reife
mRNAs und somit verschiedene Vorläufer. Die Vorläufer tragen eine Signalsequenz sowie die Sequenz für ein oder mehrere Neuropeptide: Der Vorläufer Angiotensinogen enthält
die Sequenz für ein Neuropeptid, Angiotensin; der Vorläufer
Proopiomelanocortin (POMC) enthält die Sequenz von acht
verschiedenen Neuropeptiden. Die Vorläufer tragen potentielle Erkennungssequenzen für spezifische Endopeptidasen
(Abschn. A-3.7). Im Falle von POMC existieren sieben spezifische Endopeptidase-Erkennungssequenzen. Die unterschiedliche Ausstattung verschiedener Neurone und endokriner Zellen mit Endopeptidasen und deren Inhibitoren bedingt, dass die Prozessierung desselben Vorläufers zu verschiedenen biologisch aktiven Peptiden führen kann. Vorläufer, Endopeptidasen und Endopeptidase-Inhibitoren werden
im trans-Golgi-Netzwerk in sekretorische Vesikel verpackt
(Abschn. A-16.6). Die Prozessierung findet während des axonalen Transports (Abschn. B-1.1) und in der Präsynapse
statt.
Speicherung und Abgabe. Bis auf wenige Ausnahmen werden Neuropeptide in groûen, elektronendichten Vesikeln
(large dense core vesicles; Durchmesser ca. 100±150 nm)
transportiert und gespeichert; nur die neurohypophysären
Hormone sind in gröûeren Neurosekretgranula (Durchmesser
bis 250 nm) gespeichert. Ihre Freisetzung wird durch Calcium
gesteuert, erfordert aber eine stärkere Aktivierung als die
Ausschüttung von schnellen Transmittern. Vermutlich liegt
diesem Unterschied der gröûere Abstand der elektronendichten Vesikel von der präsynaptischen Membran zugrunde.
Neuropeptide binden meist mit sehr hoher Affinität (picomolare Konzentrationen) an die Rezeptoren ihrer Zielzellen.
l l l Am Beispiel von Cholecystokinin
und den Opioiden lassen sich
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
von Neuropeptiden illustrieren
Cholecystokinin (CCK). CCK wird von gastrointestinalen Zellen und Neuronen des ZNS hergestellt. Es kommt in mehreren biologisch aktiven Formen vor; im Gehirn dominiert das
C-terminale Oktapeptid CCK-8. CCK-8 exprimierende Neurone existieren vor allem im cerebralen Kortex und im limbischen System (Abschn. B-7.3).
Die mRNA codiert für einen Vorläufer (Präprocholecystokinin)
mit einer Länge von 115 Aminosäuren. Durch posttranslationale
Modifikationen werden verschiedene Fragmente des CCK gebildet: CCK-58, CCK-39, CCK-31, CCK-25, CCK-8, CCK-5, CCK-4.
Eine weitere Erhöhung der Diversität kommt dadurch zustande,
dass einige CCK-Formen in einer sulfatierten und in einer nichtsulfatierten Form vorliegen. Neutrale Endopeptidase, Thiol- und
Serin-Proteasen sind für den Abbau von CCK-8 verantwortlich,
liefern dabei aber gleichzeitig die biologisch aktiven Formen
CCK-5 und CCK-4.
Opioide. Dynorphine, Endorphine und Enkephaline fasst
man aufgrund ihrer opiatartigen Wirkung als Opioide zusammen; ihre Wirkung gleicht der Wirkung von Morphinen,
einer Gruppe in Opium enthaltener pflanzlicher Alkaloide.
Trotz sehr ähnlicher biologischer Effekte unterscheiden sie
sich grundlegend; sie werden von verschiedenen Genen codiert und unterschiedlich prozessiert. Opioide hemmen die
Weiterleitung von Schmerzen im Rückenmark und Hirnstamm. Morphine wirken an denselben Synapsen wie Opioide und induzieren Analgesie (Abschn. B-11.5). Im Zusammenspiel mit dem dopaminergen Belohnungssystem des Nucleus accumbens (Abschn. B-7.3) besitzt Heroin (Diacetylmorphin) ein hohes Suchtpotential.
Dynorphine sind eine Gruppe von sieben neuroaktiven
Peptiden, die alle aus einem gemeinsamen Vorläufer (Prodynorphin oder auch Proenkephalin B) gebildet werden. Endorphine stammen von dem Vorläufer Proopiomelanocortin
(POMC) ab. POMC ist nicht nur Vorläufer von Endorphin,
sondern auch zahlreicher funktionell verschiedenartiger
Neuropeptide wie ACTH, die melanotropen Hormone, CLIP
(corticotropin-like intermediary peptide) und JP (joining
peptide). Ein Zwischenprodukt der Prozessierung von POMC
ist das b-Lipotropin (Abschn. C-3.2). Die entstehenden Endorphine umfassen das b-Endorphin (1±27) und das b-Endorphin (1±26), das a-Endorphin (1Ÿ16) und das g-Endorphin (1±17).
Enkephaline stammen vom Vorläufer Proenkephalin ab, aus dem
sich insgesamt fünf verschiedene Enkephaline ableiten (Synenkephalin, Leu-Enkephalin, Met-Enkephalin-Arg-Phe, Met-Enkephalin-Arg-Gly-Leu und Met-Enkephalin).
2.4 Neurotransmitter und Neuromodulatoren
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39
Tabelle 2-2. Neuropeptidfamilien
Neuropeptid
Aktives Neuropeptid
Abkürzung des Neuropeptids
Vorläufer
Angiotensin
Angiotensin II
Angiotensin II (1±7)
Angiotensin IV
Calcitonin
¹Calcitonin gene related peptideª
Cholecystokinin
[CCK-58; CCK-39; CCK-33;
CCK-25; CCK-8; CCK-5; CCK-4]
¹Corticotropin-releasing factorª
[CRF(1±39); CRF(1±41);
CRF(4±41); CRF(9±41)]
a-Neoendorphin
b-Neoendorphin
Dynorphin A(1±17)
Dynorphin A(1±13)
Dynorphin A(1±8)
Dynorphin B(1±29)
Dynorphin B(1±13)
Met-Enkephalin
Leu-Enkephalin
Met-Enkephalin-Arg-Phe
Met-Enkephalin-Arg-Gly-Leu
Synenkephalin
Melanin konzentrierendes
Hormon
Neuropeptid GlutamatIsoleucin
Neuropeptid Glycin-Glutamat
Neurotensin
Neuromedin N
adrenocorticotropes Hormon
[ACTH(1±39); ACTH(11±24);
ACTH(4±10)]
a-Melanocyten stimulierendes
Hormon
b-Melanocyten stimulierendes
Hormon
g-Melanocyten stimulierendes
Hormon
Endorphine
[b-Endorphin(1±27);
b-Endorphin(1±26);
g-Endorphin(1±17);
a-Endorphin(1±16)]
b-Lipotropin
¹corticotropin-like
intermediary peptideª
¹Joining peptideª
Substanz P
Neuropeptid K
Neurokinin A
Neuropeptid g
Neurokinin B
Neuropeptid Y
¹C-flanking peptide of NPYª
Somatostatin-28(1±12)
Somatostatin-14
vasoaktives intestinales
Polypeptid
Peptid Histidin-Isoleucin
Peptid Histidin-Methionin
ANG
Angiotensinogen
CT
CGRP
CCK
Procalcitonin
ProCGRP
ProCCK
CRF
Präpro-CRF
NEO
Prodynorphin
(auch Proenkephalin B
genannt)
Calcitonin-Genprodukte
Cholecystokinine
CorticotropinReleasing-Faktoren
Dynorphine
Enkephaline
Melanin
konzentrierendes
Hormon
Neurotensine
Proopiomelanocortine
Tachykinine
Neuropeptid Y
Somatostatine
Produkte des vasoaktiven
intestinalen PolypeptidGens
40
Kapitel B-2 Die Synapse
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DYN
Met-ENK
Leu-ENK
Met-ENK-Arg-Phe
Met-ENK-Arg-Gly-Leu
Syn-ENK
MCH
Proenkephalin A
Pro-MCH
NEI
NG
NT
NmN
ACTH
Proneurotensin
Proopiomelanocortin (POMC)
a-MSH
b-MSH
g-MSH
END
b-LIP
CLIP
JP
SP
NPK
NKA
NPg
NKB
NPY
CPON
SS
VIP
PHI
PHM
Präprotachykinin A
Präprotachykinin B
Pro-NPY
Präpro-Somatostatin
Pro-VIP
l l l Nicht-peptiderge Neuromodulatoren sind
Purine, Derivate der Arachidonsäure und
die gasförmigen Substanzen CO und NO
Purine. Das Purinnucleotid ATP sowie Adenosin können als
neuroaktive Substanzen wirken. ATP wird zusammen mit anderen Neurotransmittern oder Neuromodulatoren freigesetzt;
z. B. sind in präsynaptischen Vesikeln cholinerger und noradrenerger Neurone Purine (Kap. A-12) in hoher Konzentration
enthalten. Im Gehirn kann ATP die präsynaptische Freisetzung von Glutamat fördern oder dessen postsynaptische
Wirkung steigern.
Freigesetztes ATP wird extrazellulär durch Aktivität der
Ekto-ATPase zu ADP hydrolysiert; durch die Aktivität der
Ektoapyrase werden ATP und ADP zu AMP metabolisiert.
Anschlieûend konvertiert die Ekto-50 -Nucleotidase AMP zu
Adenosin. Adenosin wirkt überwiegend hemmend auf die
präsynaptische Freisetzung erregender Neurotransmitter.
Durch Coffein und Theophyllin wird die Wirkung von Adenosin unterbunden, was vermutlich die anregende Wirkung
dieser in Kaffee und Tee vorkommenden Xanthine erklärt.
Arachidonsäurederivate. ¾hnlich wie die Neuropeptide werden die neuroaktiven Derivate der Arachidonsäure (Abschn.
A-8.2, A-10.7) durch eine Abfolge von enzymatischen Prozessen aus einem Vorläufer hergestellt. Wie Second Messenger werden Metabolite der Arachidonsäure im Zellinneren
gebildet, wo sie auf enzymatische Aktivitäten oder Ionenleitfähigkeit wirken können. Als Neuromodulatoren werden
einige dieser Derivate in den Extrazellulärraum abgegeben
und wirken auf benachbarte Zellen. Aus der Arachidonsäure
können Prostaglandine, Thromboxane, Leukotriene, Lipoxine
und Anandamide (die endogenen Interaktionspartner der
Cannabinoidrezeptoren) hergestellt werden. Die Prostaglandine vermitteln Entzündungsreaktionen, Fieber und
Schmerz. Sie werden auch von Neuronen bei Verletzungen
des Nervensystems, Schlaganfall und starker synaptischer
Aktivierung während eines epileptischen Anfalls in den Extrazellulärraum freigesetzt.
Gasförmige Substanzen. Kohlenmonoxid (CO) und Stickstoffmonoxid (NO) können als Neuromodulatoren agieren.
Dass ein Gas als Modulator der zellulären Erregbarkeit dienen kann, wurde zuerst an der glatten Gefäûmuskulatur beobachtet. Gefäûendothel setzt unter Einfluss von Acetylcholin oder Bradykinin einen Mediator frei, der die glatte Gefäûmuskulatur entspannt und damit vasodilatierend wirkt. Dieser vom Endothel abstammende relaxierende Faktor EDRF
(endothelium-derived relaxing factor) konnte als Stickstoffmonoxid (NO) identifiziert werden (Abschn. C-7.7). NO wirkt
aber auch auf neuronale Gewebe. Dort wird es durch ein spezifisches Enzym, die Stickoxid-Synthase (NOS) gebildet. Im
Gegensatz zu Transmittern und anderen Neuromodulatoren
wird NO nicht in Vesikeln gespeichert; als hochdiffusibles
Gas kann es nicht gespeichert werden. Deshalb wird es bei
Bedarf synthetisiert und diffundiert dann in das umliegende
Gewebe. NO wirkt über Bindung an die intrazellulären Guanylatcyclasen, d. h. nicht nur am synaptischen Spalt. NO wird
auch nicht durch spezifische Enzyme inaktiviert, sondern
zerfällt aufgrund seiner chemischen Struktur mit einer Halb-
wertszeit von wenigen Sekunden. Dieser Zerfall begrenzt
auch den Aktionsradius von NO. NO ist ein Neuromodulator,
dem eine sehr wichtige Rolle bei Prozessen zukommt, die mit
Lernen und Gedächtnis in Zusammenhang stehen (Abschn.
B-6.4). NO kann als retrograder Botenstoff dienen, indem es
auf das ¹präsynaptischeª Neuron zurückwirkt.
l l l Die synaptische Übertragung wird
durch Inaktivierung, Wiederaufnahme
oder Wegdiffusion der freigesetzten
Transmitter beendet
Damit die synaptische Übertragung die Aktivität des präsynaptischen Neurons zuverlässig weiterleiten kann, muss die
ausgeschüttete neuroaktive Substanz schnell wieder aus dem
synaptischen Spalt entfernt werden. Dazu stehen drei Mechanismen zur Verfügung.
Inaktivierung. Diese geschieht über einen enzymatischen
Abbau der Substanz, z. B. die Spaltung von Acetylcholin
durch Acetylcholinesterase (Abschn. B-2.2) und der Abbau
vieler Neuropeptide durch Aminopeptidasen und neutrale
Endopeptidasen.
Wiederaufnahme. Der häufigste Mechanismus der Beendigung der Transmitterwirkung ist die Wiederaufnahme durch
spezifische Transportproteine. Für alle Neurotransmitter mit
Ausnahme von Histamin konnte die Existenz solcher Transportproteine nachgewiesen werden. Über Transportproteine
wird der gröûte Teil des ausgeschütteten Transmitters aus
dem synaptischen Spalt entfernt. Diese Transportproteine
sind nicht nur in der Plasmamembran von Neuronen, sondern auch von Gliazellen lokalisiert.
Über diesen Mechanismus wird z. B. Glutamat aus dem synaptischen Spalt entfernt. Nach seiner Freisetzung wird Glutamat
durch hochaffine Transporter sowohl in Gliazellen als auch in
die präsynaptische Endigung und die postsynaptische Zelle aufgenommen.
Die hochaffinen Glutamattransporter der Plasmamembran
(exzitatorische Aminosäuretransporter, EAAT) verwenden die
Energie aus dem einwärts gerichteten elektrochemischen Gradienten von Natrium-Ionen, um den Einwärtstransport von
Glutamat zu bewerkstelligen. Bei starker Erhöhung der intrazellulären Natriumkonzentration (bzw. einer Verringerung des Natriumgradienten) kann es daher zur Umkehrung der Transportrichtung und zum Auswärtstransport von Glutamat kommen.
Dieser Mechanismus wird teilweise für die erhöhte extrazelluläre
Glutamatkonzentration während cerebraler Ischämie verantwortlich gemacht (Box 2-3).
Gliazellen enthalten das Enzym Glutamin-Synthethase, die
das aufgenommene Glutamat in Glutamin umwandelt. Glutamin wird wiederum von den Gliazellen ausgeschleust und
in die präsynaptische Endigung aufgenommen. Innerhalb
der präsynaptischen Endigung wird Glutamin durch das mitochondriale Enzym Glutaminase zu Glutamat umgewandelt
und anschlieûend in synaptische Vesikel verpackt.
Auch die Transmitter GABA, Glycin, Dopamin, Noradrenalin und 5-Hydroxytryptamin werden durch hochaffine
Transporter wieder in die Zellen aufgenommen. Der enzyma2.4 Neurotransmitter und Neuromodulatoren
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41
2.5
tische Abbau von Monoamintransmittern wird durch die intrazellulären Enzyme Monoamin-Oxidase (MAO) und die Catechol-O-Methyltransferase (COMT) bewerkstelligt (Abschn.
B-2.8). Inhibitoren der MAO werden klinisch z. B. zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Transportproteine
für Transmitter sind Angriffspunkte von Psychopharmaka
und Drogen. Die Aufnahme von Noradrenalin wird z. B.
durch Cocain gehemmt, während Antidepressiva die Aufnahme von 5-Hydroxytryptamin unterbinden.
l l l Ein und dieselbe neuroaktive Substanz
kann auf verschiedene Rezeptortypen
wirken und dadurch unterschiedliche
Wirkungen an Zielzellen hervorrufen
Rezeptortypen und rezeptorvermittelte Effekte. Synapsen
können, wenn sie dieselbe neuroaktive Substanz verwenden,
grundlegende Unterschiede aufweisen: Sie können sich in ihrer Wirkung, d. h. erregend oder hemmend, im Mechanismus
ihrer postsynaptischen Signalweiterleitung und in ihrer
Empfindlichkeit gegenüber Toxinen oder Pharmaka unterscheiden. Diese funktionellen Unterschiede sind Folge einer
unterschiedlichen Ausstattung der postsynaptischen Membran mit verschiedenen Klassen von Rezeptoren.
Diffusion. Dieser Weg der Inaktivierung ist bisher nur für die
neuroaktiven Gase NO und CO bewiesen. Die Diffusion von
Neurotransmittern und Neuromodulatoren weg vom synaptischen Spalt reduziert natürlich deren akut verfügbare Mengen, bedeutet aber nicht, dass die Substanzen inaktiviert
werden.
é
Rezeptoren für Neurotransmitter
und Neuromodulatoren
Die synaptische Übertragung an chemischen
Synapsen wird durch eine Vielzahl von neuroaktiven Substanzen vermittelt. Diese können in zwei Klassen eingeteilt werden, Neurotransmitter und Neuromodulatoren. Die
Transmitter sind an der Weiterleitung von
Aktionspotentialen beteiligt. Neuromodulatoren modulieren einerseits Transmittereffekte, können aber auch unabhängig von
Transmittern wirken. Die synaptische Übertragung wird durch enzymatische Inaktivierung, Wiederaufnahme in Glia oder Neurone oder durch Wegdiffusion der freigesetzten neuroaktiven Substanz beendet.
Mechanismen der Steuerung eines Ionenkanals. Ein Rezeptor
kann einen Ionenkanal grundsätzlich durch zwei Mechanismen steuern: Zum einen gibt es Rezeptoren, die direkt mit Ionenkanälen gekoppelt sind. Diese Proteinkomplexe sind Ionenkanäle, die aus vier oder fünf membrangängigen Proteinuntereinheiten gebildet werden und extrazelluläre Bindungsstellen
für die neuroaktive Substanz tragen. Je nachdem, ob man stärker ihre Fähigkeit zur Bindung oder ihre Eigenschaft als Ionenkanäle betonen will, bezeichnet man sie als ionotrope Rezeptoren oder ligandengesteuerte Ionenkanäle. Als Ligand wird eine
Substanz bezeichnet, die an einen Rezeptor bindet. Wichtige
ionotrope Rezeptoren sind in Tabelle 2-3 aufgeführt.
Die zweite Klasse von Rezeptoren für neuroaktive Substanzen interagiert nicht direkt, sondern mittelbar über intra-
Tabelle 2-3. Wirkung von Neurotransmittern auf ionotrope und metabotrope Rezeptoren
Transmitter
Ionenkanalrezeptor
Selektivität
+
+
2+
Metabotroper Rezeptor
Varianten und Effektoren
mGluR1,5: ­ +PLC
mGluR2±4, 6±8: ŸAC
mGluR2±4, 6±8: ŸAC
ŸAC, ŸgK+
±
M1,3: ­ +PLC
M2: AC, +gK+
M4,5: ŸAC, +PLC
5-HT1,6: ŸAC
5-HT2: ­ +PLC
5-HT4,5,7: +AC
H1: ­­ +PLC, ­ +PLA2
H2: ­­­ +AC, H3 (??)
D1,5: ­ +AC
D2±4: ŸAC, +gK+
a1: ­­ +PLC
a2: ŸAC, ŸgK+
b1±3: ­ +AC
A1,3: ŸAC
A2A/B: ­ +AC
P2Y1,2: ­ +PLC
(ATP/UTP)
AMPA
Kainat
NMDA
GABAA/C
Glycin
nicotinischer
Acetylcholinrezeptor
Na , K (Ca )
Na+, K+ (Ca2+)
Na+, K+, Ca2+
Cl± (HCO±3)
Cl± (HCO±3)
Na+, K+ (Ca2+)
metabotroper
Glutamatrezeptor
Glutamatrezeptor
GABAB
±
muscarinischer
Acetylcholinrezeptor
Serotonin
(5-HT)
5-HT3
Na+, K+, Ca2+
metabotroper
Serotoninrezeptor
Histamin
±
±
Histaminrezeptor
Dopamin
±
±
Dopaminrezeptor
Noradrenalin
(Adrenalin)
Purine
(Pyrimidine)
±
±
Catecholaminrezeptor
±
±
ATP (P2X)
Na+, K+, Ca2+
Adenosinrezeptor
(P1)
ATP-Rezeptor
(P2Y)
Glutamat
GABA
Glycin
Acetylcholin
AC = Adenylatcyclase; PLC, PLA2 = Phospholipase C, A2; gK+ = Kaliumkanäle
42
Kapitel B-2 Die Synapse
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pp
p
A
PH
BC
zelluläre G-Proteine mit den jeweiligen Ionenkanälen. Diese
werden als metabotrope oder G-Protein-gekoppelte Rezeptoren bezeichnet. Rezeptoren mit Tyrosin-Kinase- oder Guanylatcyclase-Aktivität sind dagegen nicht an der schnellen
Transmission beteiligt, sondern können die synaptische Aktivität modulieren. Wie die Übersicht in Tabelle 2-3 zeigt,
existieren für viele Transmitter sowohl ionotrope als auch
metabotrope Rezeptoren.
Rezeptor-Tyrosin-Kinasen (RTKs; Abschn. A-17.3). RTKs dienen
vielen Wachstumsfaktoren im Nervensystem als Rezeptoren, z. B.
den Neurotrophinen, Fibroblastenwachstumsfaktoren (FGFs), insulinartigen Wachstumsfaktoren (IGFs) und PDGF (platelet-derived growth factor). Diese Faktoren sind auch nach Abschluss
der Entwicklungs- und Differenzierungsphasen (Abschn. B-1.2,
B-3.2) für die Erhaltung von Neuronen und für synaptische Plas-
tizität verantwortlich. Zum Beispiel wird das Neurotrophin
BDNF (brain-derived neurotrophic factor) im adulten Gehirn
von Neuronen synthetisiert und aktivitätsabhängig sezerniert.
BDNF kann über seinen Rezeptor trkB, eine RTK, neuronale Aktivität modulieren.
l l l Ionotrope Rezeptoren bestehen aus
membranständigen Proteinuntereinheiten,
die extrazelluläre Bindungsdomänen
für Transmitter besitzen
und einen Ionenkanal bilden
Architektur des Acetylcholinrezeptors. Einer der ersten ligandenaktivierten Kanäle, dessen Struktur im Detail aufge-
NH2
γ/ε
α
COOH
extrazellulär
α
δ
β
extrazellulär
MMMM
1 23 4
intrazellulär
intrazellulär
Untereinheit
α
γ/ε
α
δ
β
a
b
S1-Domäne
NH2
N-terminale
Domäne
Glutamat
S2-Domäne
Acetylcholin
Flip/Flop
COOH
IV
I
IV
I
III
III
II
PSD 95
Q/R
II
COOH
Rapsyn
Na+
Na+
pentameres
Kanalprotein
tetrameres
Kanalprotein
c
Abb. 2-9. Molekulare Struktur des Acetylcholinrezeptorkanals
und des AMPA-Rezeptorkanals. (a) Der nicotinerge Acetylcholinrezeptorkanal besteht aus fünf Untereinheiten (2 a, b, g oder e
und d), die vier transmembranäre Regionen (M1, M2, M3 und
M4) umfassen. Nach Kandel ER, Schwartz JH, Jessel TM. Principles of Neural Science, 4. Aufl. Elsevier, New York (2000).
(b) Räumliches Modell des Acetylcholinrezeptorkanals. (c) Vergleich der molekularen Architektur von Untereinheiten des nicotinischen Acetylcholinrezeptors und des Glutamatrezeptors
(AMPA-Rezeptor). Der Glutamatrezeptor weist für jede seiner
vier Untereinheiten drei Membrandurchgänge auf
2.5 Rezeptoren für Neurotransmitter und Neuromodulatoren
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43
klärt werden konnte, ist der Acetylcholinrezeptor der neuromuskulären Endplatte. Der nicotinische Acetylcholinrezeptor
besteht aus fünf Proteinuntereinheiten (2 a + b + (g oder e) + d),
die die postsynaptische Membran mit jeweils vier Transmembranregionen durchspannen. Jede der rosettenförmig
angeordneten Untereinheiten trägt zur Bildung des zentral
gelegenen Ionenkanals bei, der jeweils von Transmembranregion 2 jeder Untereinheit ausgekleidet wird (Abb. 2-9). Die
Acetylcholinrezeptoren von Muskel und Gehirn weisen unterschiedliche Kombinationen aus verschiedenen Varianten
der fünf Untereinheiten auf. Jeder Rezeptorkomplex besitzt
zwei Bindungsstellen für Acetylcholin, die von den groûen
extrazellulären Domänen der beiden a-Untereinheiten und
einer benachbarten Untereinheit gebildet werden. Dieses
Grundschema wird für die ionotropen Rezeptoren der Superfamilie des nicotinischen Acetylcholinrezeptors aufrechterhalten (s. u.). Muscarinische Acetylcholinrezeptoren gehören
zu den metabotropen Rezeptoren und besitzen eine abweichende Proteinstruktur (s. u.).
Embryonaler versus adulter Acetylcholinrezeptor. Der nicotinische Acetylcholinrezeptor des Skelettmuskels existiert in einer
embryonalen und einer adulten Isoform. Bei einem embryonalen, von Nervenfortsätzen noch unberührten Skelettmuskel sind
die nicotinischen Acetylcholinrezeptoren gleichmäûig auf der
Oberfläche verteilt. Wenn ein motorischer Nerv in den Muskel
einwächst und neuromuskuläre Synapsen bildet, kommt es zu
einer Rezeptorumverteilung. Die nicotinischen Acetylcholinrezeptoren reichern sich unter den Nervenendigungen auf der
postsynaptischen Membran des Muskels an. Gleichzeitig wird
der zunächst vorherrschende embryonale Rezeptor gegen die
adulte Isoform ausgetauscht. Auf molekularer Ebene unterscheiden sich die beiden Rezeptorproteine durch eine von fünf Untereinheiten: Der Muskel synthetisiert nach Innervation adulte Acetylcholinrezeptoren, die anstelle des embryonalen g-Polypeptids
eine e-Untereinheit enthalten.
Im ZNS existieren weitere Varianten des nicotinischen Acetylcholinrezeptors, die dem der neuromuskulären Endplatte
strukturell hochgradig verwandt sind. Vergleichbare Protein-
familien stellen auch die durch die Aminosäuren GABA und
Glycin und die durch 5-Hydroxytryptamin (Serotonin) aktivierten Rezeptorkanäle des ZNS dar (GABAA-, GABAC-, Glycin-, 5-HT3-Rezeptor; Tab. 2-3). Da alle Mitglieder dieser vier
Rezeptorfamilien fünf Untereinheiten mit jeweils vier Transmembranregionen besitzen und somit wesentliche Strukturmerkmale teilen, fasst man sie zur Superfamilie der nicotinischen Acetylcholinrezeptoren zusammen. Von dieser Rezeptorsuperfamilie unterscheiden sich die ionotropen Glutamatrezeptoren, die einen anderen Transmembranaufbau aufweisen (s. u.).
l l l Agonisten und Antagonisten des
nicotinischen Acetylcholinrezeptors
werden zur Muskelrelaxation eingesetzt
Für den nicotinischen Acetylcholinrezeptor existiert eine
Vielzahl spezifischer Agonisten (körperfremde Substanzen,
die die gleiche Wirkung wie der Transmitter hervorrufen)
und Antagonisten (körperfremde Substanzen, die nach ihrer
Bindung die Rezeptorfunktion hemmen), die an ihn binden
(Tab. 2-4). Viele dieser Substanzen führen zur Muskelrelaxation und werden daher zur Muskelentspannung bei der Allgemeinnarkose eingesetzt.
Zur Gruppe der Agonisten gehört neben Nicotin auch
Succinylcholin. Letzteres öffnet die Rezeptorkanäle und führt
zu einer Dauerdepolarisation der Endplatte, da es durch Acetylcholinesterase nur langsam abgebaut wird. Durch diese
Dauerdepolarisation kommt es zu einer Inaktivierung der
Natriumkanäle und zu einer Muskellähmung. Derivate von
Succinylcholin werden klinisch zur Muskelrelaxation verwendet.
Zur Gruppe der Antagonisten zählen das Giftnattertoxin
a-Bungarotoxin sowie das südamerikanische Pfeilgift Curare
(Tab. 2-5). Diese Gifte blockieren die synaptische Übertragung an der neuromuskulären Synapse und führen zu Lähmungen. Da Curare nicht durch die Darmwand resorbiert
Tabelle 2-4. Pharmakologie von Ionenkanalrezeptoren
Rezeptor
Agonist
Antagonist
allosterischer Ligand
nicotinischer
Acetylcholinrezeptor
GABAA-Rezeptor
Glycinrezeptor
NMDA-Rezeptor
AMPA-Rezeptor
Kainatrezeptor
Acetylcholin, Nicotin
Curare
±
GABA
Glycin
Glutamat, NMDA
Glutamat, AMPA
Glutamat, Kainat
Bicucullin
Strychnin
Aminophosphonovalerat
CNQX
Kynurensäure
Benzodiazepine
±
Glycin
±
±
Tabelle 2-5. Toxinwirkungen an Synapsen des neuromuskulären Systems
44
Toxinwirkung
Cholinerge Synapsen
(Exzitation)
Glycinerge Synapsen
(Inhibition)
Präsynaptische Hemmung
der Transmitterfreisetzung
Postsynaptische Blockade
der Rezeptorbindung
Leitsymptome am
motorischen System
Botulinustoxin (Bakteriengift
von Clostridium botulinum)
Curare (nicotinischer
Acetylcholinrezeptor)
schlaffe Paresen
(Muskellähmungen)
Tetanustoxin (Bakteriengift
von Clostridium tetani)
Strychnin (Glycinrezeptor)
Kapitel B-2 Die Synapse
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Krämpfe der gesamten
Skelettmuskulatur
wird, können durch Curare getötete Tiere problemlos verspeist werden. Curare bzw. Curarederivate werden in der Chirurgie häufig zur Muskelrelaxation eingesetzt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Lähmung der Muskulatur ohne
Bewusstseinstrübung erfolgt, da die nicotinerge Übertragung
im Gehirn praktisch nicht vorkommt, so dass der Patient bei
vollem Bewusstsein durch Lähmung der Atemmuskulatur ersticken kann.
l l l Ionotrope Glutamatrezeptoren bilden
Kationenkanäle und werden nach ihren
pharmakologischen Agonisten benannt
Ionotrope Glutamatrezeptoren. Auch Glutamat, der wichtigste erregende Transmitter im Gehirn, aktiviert unterschiedliche Typen von Rezeptoren (Tab. 2-3, Tab. 2-4). Die
ionotropen Glutamatrezeptoren lassen sich drei Familien zuordnen, die nach ihren jeweiligen pharmakologischen Agonisten benannt werden. Dieses sind die AMPA-Rezeptoren
(AMPA von a-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolpropionat), die Kainatrezeptoren und die NMDA-Rezeptoren
(NMDA von N-Methyl-D-aspartat) (s. Abb. 2-15). Glutamat
bindet zusätzlich auch an metabotrope Glutamatrezeptoren
(mGluR, s. u.), die über zwischengeschaltete G-Proteine die
Leitfähigkeit von Ionenkanälen steuern (Abschn. A-17.5).
AMPA-Rezeptoren vermitteln die schnellsten glutamatinduzierten Antworten. Wie die ionotropen Acetylcholinrezeptoren sind auch die Ionenkanäle, die von AMPA-Rezeptoren
gebildet werden, überwiegend unspezifische Kationenkanäle.
Ihre Öffnung führt zu einem schnellen Strom von Natriumund Kalium-Ionen, der die postsynaptische Zelle depolarisiert. Diese Kanäle bestehen aus vier Untereinheiten (Abb. 29), deren Polypeptidketten die postsynaptische Membran jeweils dreimal vollständig durchqueren. Eine weitere als TM2
bezeichnete hydrophobe Region dringt von der cytosolischen
Seite schleifenförmig in die Membran ein und führt ins Zellinnere zurück. Diese Schleife kleidet den Kationenkanal des
AMPA-Rezeptors aus. Die extrazellulären Anteile des Rezeptors, die einen hohen Anteil a-helicaler Elemente besitzen,
bilden zwei gegeneinander bewegliche Domänen aus. Wie
die Schalen einer Muschel schlieûen sich diese Domänen um
den Rezeptoragonisten Glutamat.
Bis heute wurden die Gensequenzen von vier Untereinheiten des
AMPA- und fünf Untereinheiten des Kainatrezeptors kloniert.
Durch selektive Desaminierung (Editieren) und alternatives
Spleiûen des primären Gentranskripts (Abschn. A-14.10) wird
die Anzahl der möglichen Untereinheitenvarianten zusätzlich
erhöht. Daraus ergibt sich eine relativ groûe Anzahl an unterschiedlich zusammengesetzten Varianten des ionotropen Glutamatrezeptors, die sich funktionell unterscheiden (z. B. im Desensitivierungsverhalten und in ihrer Calciumleitfähigkeit).
NMDA-Rezeptoren. Wie AMPA-Rezeptoren bilden auch
NMDA-Rezeptoren Kationenkanäle, deren Öffnung eine Depolarisation der postsynaptischen Zelle bewirkt. NMDA-Rezeptoren sind allgemein nicht nur für Natrium und Kalium,
sondern auch für Calcium permeabel. In den letzten Jahren
hat man die Gensequenzen von drei NMDA-Rezeptorfamilien
kloniert, die mehrere Untereinheitenvarianten umfassen.
l l l Ionotrope GABAA-Rezeptoren stellen
Chloridkanäle dar und sind
der Angriffspunkt von Neuropharmaka
GABA-Rezeptorkanäle. GABA wirkt sowohl auf ionotrope als
auch auf metabotrope Rezeptoren (Tab. 2-3). Die ionotropen
Rezeptoren umfassen zwei Klassen, die man als GABAA- und
GABAC-Rezeptoren bezeichnet. Im Gegensatz zu diesen ligandengekoppelten Ionenkanälen gehören GABAB-Rezeptoren zur Klasse der metabotropen Rezeptoren (s. u.). GABAAund GABAC-Rezeptoren bestehen aus fünf Untereinheiten.
Der GABAA-Rezeptor ist ein Heteropentamer (2 a, b, g, d), der
GABAC-Rezeptor ist aus einem Untereinheitstyp (r) aufgebaut. Da diese Untereinheiten sich strukturell unterscheiden
und in unterschiedlicher Stöchiometrie zu Rezeptorkomplexen zusammengesetzt sind, gibt es für ionotrope GABA-Rezeptoren eine groûe Vielfalt an unterschiedlichen postsynaptischen Antworten.
Die Ionenkanäle der GABAA-Rezeptoren sind für ChloridIonen durchlässig. Das neuronale Umkehrpotential für Chlorid liegt im Bereich von ±70 bis ±80 mV und ist damit in den
meisten Fällen negativer als das Membranpotential (etwa ±65
bis ±70 mV). Daher führt die Öffnung der Kanäle zu einem
Einstrom von Chlorid und zu einer postsynaptischen Hyperpolarisation (s. u.). Der experimentell eingesetzte Hemmstoff
Bicucullin ist ein kompetitiver GABAA-Rezeptorantagonist
und führt somit zu einer Blockade der GABAergen Übertragung. Er kann epileptische Krämpfe hervorrufen.
Bindungsstellen. Der GABAA-Rezeptor besitzt eine Bindungsstelle für GABA und weitere allosterische Bindungs-
GABA
Benzodiazepine
Kanalpore
a-Untereinheit
Barbiturate
Steroide
Picrotoxin
Chlorid-Ionen
Abb. 2-10. Schematisches Modell des ionotropen GABAA-Rezeptors. Gezeigt sind die durch die Membran reichenden a-, bund g-Untereinheiten, die in ihrer Mitte eine für Chlorid-Ionen
durchlässige Pore bilden. Auûerdem ist die Lage der Bindungsstellen für GABA, Benzodiazepine, Barbiturate, Steroide und Picrotoxin schematisch angedeutet. Nach Purves D, Augustine GJ,
Fitzpatrick D, Katz LC, LaMantia AS, McNamara JO, Williams
SM. Neuroscience, 2. Aufl. Sinauer Ass., Sunderland (2001)
2.5 Rezeptoren für Neurotransmitter und Neuromodulatoren
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45
stellen für Benzodiazepine, Barbiturate und Steroide. Abb. 210 zeigt schematisch die Bindungsstellen für Barbiturate (die
klinisch als Schlafmittel, Beruhigungsmittel und Antiepileptika eingesetzt werden) und Steroide (Abschn. A-10.4, C-3.1),
die auûerhalb der Pore des GABAA-Ionenkanals in der Nähe
der transmembranären Domäne liegen. Die allosterischen
Bindungsstellen für Benzodiazepine, die die GABAerge
Übertragung verstärken, liegen auûerhalb der Pore in der
extrazellulären Domäne. Picrotoxin, ein Antagonist der ionotropen GABA-Rezeptoren, führt dagegen zu einer Blockade der GABAergen Übertragung durch Bindung in der Pore.
l l l Glycinrezeptoren sind vor allem
im Rückenmark zu finden und bilden
wie GABAA-Rezeptoren
ligandenaktivierte Chloridkanäle
Glycinrezeptoren sind ligandenaktivierte Chloridkanäle mit
fünf Untereinheiten (Abb. 2-11). Glycin ist der dominierende
hemmende Transmitter in Rückenmark und Hirnstamm,
während glycinerge Synapsen im Gehirn selten zu finden
sind. Glycin wird von den kleinen Interneuronen des Rückenmarks aus Serin gebildet und wirkt hemmend auf Motoneurone, Renshaw-Zellen und viele nozizeptive Neurone. In
der Groûhirnrinde bindet Glycin nicht an Glycinrezeptoren,
sondern agiert dort als Coaktivator der NMDA-Glutamatrezeptoren (s. o.).
Strychnin. Glycinrezeptoren binden das Krampfgift Strychnin
(Abb. 2-11, Tab. 2-5), das eine sehr hohe Affinität für den Rezeptor besitzt und den natürlichen Transmitter Glycin aus seiner
Bindungsstelle verdrängt. Eine Strychninvergiftung (s. Einleitung) geht mit einem weitgehenden Verlust der glycinergen
Hemmung und massiven Muskelkrämpfen einher. Die Symptome der Vergiftung werden mit Diazepam (Valium) behandelt,
Cl–
Strychnin
Glycin
a1
b
Gephyrin
Abb. 2-11. Molekulare Struktur des Glycinrezeptorkanals. Der
Glycinrezeptorkanal ist vorwiegend für Chlorid-Ionen permeabel. Geöffnet wird er durch die Bindung von Glycin. Das neurotoxische Alkaloid Strychnin ist ein hochaffiner Antagonist der
Glycinwirkung. Jedes Glycinrezeptorkanalmolekül besteht aus
fünf Untereinheiten, denen sich intrazellulär das Ankerprotein
Gephyrin anlagert
46
Kapitel B-2 Die Synapse
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das die Hemmung der Motoneurone durch den mit dem Glycinrezeptor synergistisch wirkenden GABAA-Rezeptor verstärkt.
Lässt sich keine Besserung erzielen, werden die Blockade der
neuromuskulären Synapse durch Antagonisten des nicotinischen Acetylcholinrezeptors (Curare) und künstliche Beatmung
erforderlich. Die sofortige Gabe von Aktivkohle hemmt die Giftresorption.
Rezeptorpathologie des neuromuskulären Systems. Die Aufklärung molekularer Zusammenhänge der Signalübertragung an biologischen Membranen trägt zu einem näheren
Verständnis der Pathogenese neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen bei. Im neuromuskulären System können schlaffe Lähmungen (Paresen) entstehen, wenn die
Funktion der exzitatorischen cholinergen Synapsen gestört
ist. Demgegenüber führt der Ausfall hemmender Synapsen
zu Steigerungen des Muskeltonus und zu Krämpfen. Tabelle
2-5 fasst die Wirkung verschiedener Toxine an Synapsen des
neuromuskulären Systems zusammen. Die entsprechenden
Leitsymptome (Paresen oder Krämpfe) können sowohl durch
Toxinwirkung an der Präsynapse als auch an der postsynaptischen Membran entstehen.
Box 2-2.
Stiff Baby Syndrome
Das Stiff Baby Syndrome (Synonyme: Startle-Syndrom, Hyperekplexie) ist eine neurologische Krankheit, die durch Steigerungen der Muskelspannung und ausgeprägte Schreckreflexe (Startle-Reaktionen) geprägt ist und autosomal dominant oder rezessiv vererbt wird. In ihren ersten Lebensmonaten leiden die kleinen Patienten an einer anhaltenden Muskelsteifheit, die zum Namen Stiff Baby Syndrome geführt
hat. Gefürchtet ist der plötzliche Kindstod durch Atemstillstand infolge von Muskelkrämpfen. Im Laufe des ersten Lebensjahrs bildet sich die muskuläre Hypertonie zurück, und
eine exzessive Startle-Reaktion wird zum führenden Symptom. Charakteristisch sind plötzliche Versteifungen der Muskulatur mit ungeschützten Stürzen. Das Bewusstsein bleibt
bei diesen Episoden erhalten. Dem glycinergen Defekt entsprechend gleichen die Symptome einer Strychninvergiftung. In vielen Fällen kann Hyperekplexie auf eine Mutation
des GLRA1-Gens auf Chromosom 5q zurückgeführt werden,
das für die a1-Untereinheit des Glycinrezeptors codiert. Dabei überwiegen Punktmutationen, die zu Aminosäureaustauschen führen (Missense-Mutationen). Abhängig von der Position des Aminosäureaustauschs innerhalb der a1-Untereinheit kann sich die Mutation auf die Bindung des Neurotransmitters, die Leitfähigkeit des Chloridkanals oder sein Desensitivierungsverhalten auswirken
l l l Serotonin und Purine aktivieren ebenfalls
ligandenaktivierte Ionenkanäle
Zu den ligandenaktivierten Ionenkanälen gehören auch Rezeptoren für 5-Hydroxytryptamin (5-HT, Serotonin) und Purine (Tab. 2-3).
Die Klasse der 5-HT3-Rezeptoren repräsentiert nicht-selektive
Kationenkanäle, die in manchen Zellen auch für Calcium durchlässig sind (Tab. 2-3). Die meisten der bekannten 5-HT-Rezeptoren sind jedoch an G-Proteine gekoppelt (Tab. 2-3).
Aus der groûen Anzahl unterschiedlicher purinerger Rezeptortypen bilden nur die so genannten P2X-Rezeptoren ligandenaktivierte Kanäle (Tab. 2-3). Auch diese Rezeptoren sind unspezifische Kationenkanäle, die allerdings eine von anderen ligandengesteuerten Ionenkanälen abweichende Untereinheitenarchitektur mit nur zwei Transmembranregionen besitzen und für
Natrium-, Kalium- und Calcium-Ionen durchlässig sind. P2XRezeptoren sind in nahezu allen Gehirnregionen und im Rückenmark exprimiert.
l l l Heterotrimere G-Proteine vermitteln
zwischen Rezeptoren und intrazellulären
Second Messengern und modulieren
Ionenkanäle
l l l Metabotrope Rezeptoren enthalten
Proteinuntereinheiten mit sieben
Transmembrandomänen
Metabotrope Rezeptoren (G-Protein-gekoppelte Rezeptoren)
unterscheiden sich von den ionotropen Rezeptoren grundlegend in Aufbau und Funktionsweise. Metabotrope Rezeptoren bestehen aus Proteinuntereinheiten mit sieben Transmembrandomänen, die wahrscheinlich als Proteindimere
vorliegen. Sie besitzen eine extrazelluläre Bindungsstelle für
die neuroaktive Substanz und eine intrazelluläre Bindungsstelle für G-Proteine (Abb. 2-12), die durch zwei Domänen
gebildet wird. Die Bindungsstelle für die neuroaktive Substanz besteht aus den extrazellulären Anteilen von mindestens vier der sieben Transmembrandomänen und taucht
taschenförmig in die Membranumgebung ein. Nach Aktivierung durch den Rezeptor kann das G-Protein die Leitfähigkeit der zellulären Ionenkanäle direkt oder über zwischengeschaltete Proteine beeinflussen.
Inzwischen wurden mehr als 100 verschiedene metabotrope Rezeptoren beschrieben (Tab. 2-3). Dazu gehören die metabotropen Rezeptoren für Acetylcholin (M1 bis M5), Glutamat (mGluR1 bis mGluR8), GABA (GABAB), Adrenalin/Noradrenalin (a1, a2, b1, b2, b3) und Dopamin (D1 bis D5) sowie
Glutamat
extrazellulär
PLC
PI
intrazellulär
Rezeptor
GTP
G-Protein
DAG
für die meisten Neuropeptide. Neuropeptidrezeptoren sind
nicht nur in den postsynaptischen Membranabschnitten zu
finden, sondern sind über die Membranoberflächen der Zielneurone und nicht-neuronalen Zielzellen verteilt. Allerdings
gilt dies auch für einige Neurotransmitterrezeptoren, z. B.
den Dopamin-D2-Rezeptor.
IP3
2+
Ca - Freisetzung
Abb. 2-12. Metabotrope Glutamatrezeptoren. Illustriert werden
die Funktionselemente der metabotropen Glutamatrezeptoren
der Gruppe I. Nach Andocken von Glutamat kommt es zu einer
G-Protein-vermittelten Aktivierung der Phospholipase C (PLC).
Daraufhin wird der sekundäre Botenstoff Inositol-1,4,5-trisphosphat (IP3) und Diacylglycerin (DAG) aus Phosphatidylinositol (PI) gebildet. IP3 führt zur signalartigen Freisetzung von Calcium-Ionen aus dem endoplasmatischen Reticulum. Nach Kandel ER, Schwartz JH, Jessel TM. Principles of Neural Science, 4.
Aufl. Elsevier, New York (2000)
Molekulare Zusammensetzung der G-Proteine. Die G-Proteine, die von metabotropen Rezeptoren aktiviert werden, bestehen aus drei Untereinheiten (Abb. 2-12; Abschn. A-17.5),
die man als a-, b- und g-Untereinheiten bezeichnet. Die aUntereinheit kann GTP oder GDP binden. Ist GDP an die aUntereinheit gebunden, bindet sie auch die b- und g-Untereinheit, und das Protein liegt als heterotrimerer, inaktiver
Komplex vor. Die Bindung der neuroaktiven Substanz an
den metabotropen Rezeptor bewirkt den Austausch von GDP
gegen GTP an der a-Untereinheit. Durch die Bindung von
GTP an die a-Untereinheit löst sich der inaktive Komplex.
Dadurch können die GTP-gebundene a-Untereinheit sowie
die freie b/g-Untereinheit an nachgeschaltete Proteine binden bzw. intrazelluläre Signalkaskaden aktivieren. Diese vermitteln die postsynaptische Antwort auf die neuroaktive
Substanz. Im Allgemeinen besteht innerhalb dieser Kaskaden
die Möglichkeit zur Signalverstärkung und -verlängerung.
Direkte Modulation von Ionenkanälen durch G-Proteine. In
einigen Fällen binden durch metabotrope Rezeptoren aktivierte G-Proteine direkt an Kaliumkanäle oder andere Ionenkanäle in der Zellmembran und lösen dadurch einen postsynaptischen Strom aus. Dabei werden bis zur Generierung
eines postsynaptischen Potentials etwa 20±30 ms benötigt.
Damit sind selbst die schnellsten metabotropen Antworten
deutlich langsamer als ionotrop generierte postsynaptische
Potentiale, die innerhalb weniger Millisekunden entstehen.
Muscarinische Acetylcholinrezeptoren. Beispiele für die direkte Kopplung von Ionenkanälen mit G-Proteinen sind die
muscarinischen Acetylcholinrezeptoren im Herzen (Abschn.
C-6.10) und an der peripheren Synapse des Parasympathikus
(Abschn. C-4.1). Da die Acetylcholinwirkung durch Muscarin, eines der Gifte des Fliegenpilzes Amanita muscaria, imitiert wird, lässt sich diese Rezeptorklasse vom nicotinischen
Acetylcholinrezeptor pharmakologisch abgrenzen.
Ein Toxin, das die Wirkung von muscarinischen Acetylcholinrezeptoren blockiert, ist Atropin, das Gift der Tollkirsche (Atropa belladonna). Atropin kann therapeutisch zur
Pupillenweitung eingesetzt werden. Auch der muscarinische
Acetylcholinrezeptor umfasst verschiedene Rezeptorisoformen (M1 bis M5; Tab. 2-3).
Die Ionenkanäle, die durch muscarinische Acetylcholinrezeptoren gesteuert werden, sind für Kalium-Ionen durchlässig. Da das
Umkehrpotential für Kalium-Ionen im Normalfall negativer als
das Membranpotential ist, führt ihre Öffnung zu einer Hyperpo-
2.5 Rezeptoren für Neurotransmitter und Neuromodulatoren
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larisation. Man nimmt an, dass die Öffnung der Kaliumkanäle
durch direkte Bindung der b/g-Untereinheit der G-Proteine an
diese Kanäle verursacht wird. Darüber hinaus kann die freie
GTP-gebundene a-Untereinheit der G-Proteine die Schlieûung
von spannungsaktivierten Natrium- und Calciumkanälen bewirken und dadurch die Auslösung von Aktionspotentialen erschweren.
Indirekte Modulation von Ionenkanälen durch G-Proteine.
In vielen Fällen wirken die durch metabotrope Rezeptoren
aktivierten G-Proteine nicht direkt auf Ionenkanäle, sondern
üben ihre Effekte durch die Auslösung intrazellulärer Signalkaskaden aus. Zu den Enzymen, die durch G-Proteine aktiviert werden können, zählen Adenylatcyclase und Phospholipase C (Abb. 2-12, Abschn. A-17.5). Die groûe Anzahl der
Komponenten, die an intrazellulären Signalwegen beteiligt
sind, erlaubt eine präzise zeitliche und räumliche Kontrolle
der Funktion einzelner Neurone und ihrer Zielzellen. Dadurch werden auch die synaptischen Übertragungseigenschaften beeinflusst und die Aktivität neuronaler Zellverbände gesteuert.
Phospholipase C wird z. B. nach Bindung von Acetylcholin an
muscarinische Rezeptoren durch das G-Protein G0 aktiviert. Dies
führt zur Bildung von Inositol-1,4,5-trisphosphat (IP3) und Diacylglycerin (DAG) und somit zur Ausschüttung von Calcium
aus intrazellulären Speichern und zur Aktivierung der ProteinKinase C, die die Leitfähigkeit vieler Ionenkanäle direkt modulieren kann.
Adenylatcyclase wird durch das G-Protein Gs (stimulierendes
G-Protein) nach Bindung von Noradrenalin an b-adrenerge Rezeptoren aktiviert. Adenylatcyclase katalysiert die Bildung von
cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat), das in einigen Zelltypen direkt an Ionenkanäle binden und ihre Leitfähigkeit
verändern kann. In den meisten Zellen jedoch aktiviert cAMP
Protein-Kinasen, insbesondere die Protein-Kinase A (PKA), die
wiederum Ionenkanäle phosphoryliert und dadurch deren Leitfähigkeit beeinflusst.
Die Adenylatcyclase wird durch das G-Protein Gi (inhibitorisches G-Protein) inhibiert, beispielsweise nach GABA-Bindung
an GABAB-Rezeptoren.
Modulation der Genexpression durch G-Proteine. Neuroaktive Substanzen können nicht nur die ¾nderung postsynaptischer Ionenleitfähigkeiten bewirken, sondern auch die Genexpression postsynaptischer Zellen steuern. Diese Effekte
sind erst nach Stunden oder Tagen zu beobachten und können sehr lange anhalten. Die Veränderung der Genexpression
wird durch die Bildung verschiedener sekundärer Botenstoffe
wie cAMP eingeleitet. Die entstandenen sekundären Botenstoffe können dann über weitere intrazelluläre Signalkaskaden wie den cAMP-regulierten Transkriptionsfaktor CREB
(Abschn. A-14.6) die Synthese von Ionenkanälen oder Proteinen, die die Ionenkanalleitfähigkeit modulieren, beeinflussen. Diese ¾nderungen der zellulären Proteinexpression führen zu längerfristigen Veränderungen der synaptischen Übertragungseigenschaften.
48
Kapitel B-2 Die Synapse
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l l l Bindung der neuroaktiven Substanz
an ionotrope oder metabotrope
Rezeptoren löst unterschiedliche
postsynaptische Effekte aus
Schnelle und langsame Generierung postsynaptischer
Ströme. Die Aktivierung ionotroper Rezeptoren führt grundsätzlich zur sehr schnellen Generierung postsynaptischer
Ströme (und damit auch postsynaptischer Potentiale), die
meist nach wenigen Millisekunden ihre maximale Amplitude
erreichen. Die Dauer der Stromänderung entspricht in etwa
der Verweildauer der neuroaktiven Substanz im synaptischen
Spalt (Abschn. B-2.3). Dementsprechend vermitteln ionotrope Rezeptoren die schnelle synaptische Übertragung z. B. am
Skelettmuskel oder im Gehirn.
Metabotrope Rezeptoren agieren dagegen durch die Zwischenschaltung weiterer Proteine wesentlich langsamer und
anhaltender. Zwischen Bindung des Transmitters an den Rezeptor und der Beeinflussung der Leitfähigkeit eines Ionenkanals können mehrere Hundert Millisekunden vergehen.
Postsynaptische Potentiale entstehen im Vergleich mit der
Ausschüttung des Transmitters von der präsynaptischen Zelle nur mit groûer Verzögerung. Daher sind diese Mechanismen nicht nur zur ¾nderung der Erregbarkeit der postsynaptischen Zelle geeignet, sondern dienen auch der Modulation
und Regulation der schnellen synaptischen Übertragung.
l l l Neurotransmitterrezeptoren werden
auf der neuronalen Membran durch
postsynaptische Ankerproteine fixiert
Nach den Vorstellungen des Flüssigmosaikmodells sind Membranproteine in der Plasmamembran (Abschn. A-9.1) durch seitliche Diffusion weitgehend frei beweglich. Eine effiziente
synaptische Übertragung setzt jedoch voraus, dass Neurotransmitterrezeptoren an der postsynaptischen Membran fixiert
sind. Spezifische Ankerproteine verbinden die cytosolischen
Domänen der Rezeptorproteine mit Proteinen des Cytoskeletts.
Der nicotinische Acetylcholinrezeptor wird durch das Ankerprotein Rapsyn (Abb. 2-9) in der Membran der Skelettmuskelfaser
fixiert. Spezifische Bindungsproteine wurden auch für ionotrope
Glutamatrezeptoren (PSD-95; Abb. 2-9), den GABAA-Rezeptor
(GABA-RAP) und den Glycinrezeptor (Gephyrin) identifiziert (s.
Abb. 2-11).
l l l Rezeptoren können unempfindlich
gegen neuroaktive Substanzen werden
Rezeptoren können gegen ihre Liganden unempfindlich werden, wenn sie ihnen über längere Zeit ausgesetzt waren. Bei
einem zweiten Kontakt führt die Bindung des Liganden dann
nicht mehr zur Öffnung der Rezeptorkanäle (ionotrope Rezeptoren) oder zur G-Protein-Aktivierung (metabotrope Rezeptoren). Diesen Effekt, der analog zu der Inaktivierung
spannungsgesteuerter Natriumkanäle verläuft (Abschn. B1.5), bezeichnet man als Desensitivierung. Wahrscheinlich
dient die Desensitivierung als Schutzmechanismus vor einer
zu starken Aktivierung der Rezeptoren.
Down-Regulation durch Endocytose. Einen langsameren
Prozess der agonisteninduzierten Rezeptorinaktivierung
stellt die Down-Regulation durch Endocytose dar, wobei Rezeptoren in Stachelsaumvesikel (coated vesicles; Abschn. A16.7) inkorporiert und abgebaut werden. Das Gleichgewicht
von Inkorporation und Neusynthese bestimmt die aktuelle
Rezeptorkonzentration an der Synapse. Auf diese Weise führt
eine anhaltende Stimulation des Rezeptors zur Selbstbegrenzung seiner Wirkung.
é
p
PH
2.6
Es gibt zwei verschiedene Rezeptorklassen,
die an chemischen Synapsen für die Bindung
von Neurotransmittern verantwortlich sind.
Ionotrope Rezeptoren stellen funktionell Ionenkanäle dar und vermitteln vorwiegend
die schnelle synaptische Übertragung. Metabotrope Rezeptoren, die aus sieben Transmembrandomänen bestehen, interagieren
indirekt über intrazelluläre G-Proteine mit
den jeweiligen Ionenkanälen. Ihre Effekte
sind dadurch langsamer und anhaltender als
die ionotroper Rezeptoren.
Synaptische Übertragung
im Zentralnervensystem
l l l Die synaptische Übertragung
im Zentralnervensystem
ist um ein Vielfaches komplexer
als die synaptische Übertragung
an der neuromuskulären Synapse
Unterschwellige Depolarisation. An der neuromuskulären
Synapse führt jedes acetylcholinvermittelte depolarisierende
Endplattenpotential (EPP) zur Bildung eines Aktionspotentials der Muskelfaser. Damit nimmt die motorische Endplatte
eine Sonderstellung ein, denn an den meisten Synapsen des
zentralen Nervensystems genügt die isolierte Aktivierung
einzelner Synapsen nicht, um ein Aktionspotential auszulösen. Stattdessen bewirkt die Erregung eines präsynaptischen
Neurons eine unterschwellige Depolarisation (erregende
Synapsen) oder eine Hyperpolarisation (hemmende Synapsen) der postsynaptischen Nervenzelle. Allgemein werden
Potentialänderungen, die durch chemische Übertragung in
einem postsynaptischen Neuron ausgelöst werden, als postsynaptische Potentiale (PSPs) bezeichnet. Die Effektivität einer Synapse hängt dabei wesentlich von ihrer Lokalisation
auf der Nervenzelle ab.
Innervation. Während reife Skelettmuskelfasern meist nur
von einem einzigen Motoneuron innerviert werden, sind
zentrale Neurone mit Hunderten oder sogar Tausenden anderer Nervenzellen verbunden. So ist z. B. jede einzelne Purkinje-Zelle des Kleinhirns (s. Abb. 2-16) über die so genannten Parallelfasern mit über 100 000 Körnerzellen verbunden
(Abschn. B-3.8, B-24.6).
Transmitter und Rezeptoren. Für die Übertragung an neuromuskulären Synapsen ist nur ein einziger Neurotransmitter
(Acetylcholin) verantwortlich, der an einen Rezeptortyp (nicotinischer Acetylcholinrezeptor) bindet. Im Zentralnervensystem erhält ein einzelnes Neuron jedoch sowohl inhibitorische als auch erregende Eingänge, die über verschiedene
Transmitter vermittelt werden, die an unterschiedliche Rezeptoren binden. Das postsynaptische Neuron verarbeitet
alle synaptischen Eingänge zu einer Antwort, die an nachgeschaltete Zellen weitergeleitet wird (Integration).
l l l Erregende synaptische Übertragung
führt das postsynaptische Neuron näher
an den Schwellenwert zur Auslösung
von Aktionspotentialen, während
hemmende synaptische Übertragung
die Wahrscheinlichkeit
von Aktionspotentialen verringert
Erregende Synapsen. An erregenden Synapsen führt die Öffnung von Ionenkanälen zu einem Ionenstrom, der das postsynaptische Neuron depolarisiert. Dieser Strom wird als einwärts gerichteter, erregender postsynaptischer Strom (EPSC
von excitatory postsynaptic current) bezeichnet. Im Fall
einer glutamatergen Synapse (s. u.) kommt ein EPSC nach
Bindung von Glutamat an ionotrope AMPA-Rezeptoren
durch die Öffnung der assoziierten Kationenkanäle zustande.
Das EPSC ruft ein erregendes postsynaptisches Potential
(EPSP), also eine kurzzeitige Depolarisation des postsynaptischen Neurons hervor (Abb. 2-13). Dadurch wird das Membranpotential der Zelle näher an den Schwellenwert zur Aus-
Pyramidenzelle des Hippocampus
postsynaptische Antwort
erregendes postsynaptisches
Potential (EPSP)
Ableitung
5 mV
Dendrit
präsynaptische
Endigung
10 ms
Stimulation
erregender postsynaptischer
Strom (EPSC)
dendritische
Spines
20 pA
10 ms
20 mm
Stimulation
Abb. 2-13. Durch den Glutamatrezeptorkanal vermitteltes erregendes postsynaptisches Potential (EPSP) und der dazu gehörende postsynaptische Strom (EPSC von excitatory postsynaptic
current). Die erregenden (glutamatergen) Synapsen der Pyramidenzellen des Hippocampus (links) befinden sich jeweils an dendritischen Spines (Mitte). Die Freisetzung von Glutamat führt
zur Entstehung eines EPSP (rechts oben). Wenn statt der Potentialregistrierung der postsynaptische Strom gemessen wird, kann
der entsprechende EPSC beobachtet werden (rechts unten). Zu
beachten ist die viel kürzere Dauer des EPSC
2.6 Synaptische Übertragung im Zentralnervensystem
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lösung eines Aktionspotentials gebracht bzw. die Wahrscheinlichkeit der Auslösung von Aktionspotentialen erhöht.
Hemmende Synapsen. Hemmende Synapsen zeichnen sich
dadurch aus, dass ihr Transmitter (z. B. GABA) einen Ionenstrom auslöst, der die Wahrscheinlichkeit eines Aktionspotentials herabsetzt. Dieses kann durch den Einstrom von negativen Ladungen (z. B. Chlorid-Ionen) vermittelt werden.
Der entsprechende inhibitorische synaptische Strom wird als
IPSC (inhibitory postsynaptic current) bezeichnet. Der IPSC
führt dann zu einer Hyperpolarisation der postsynaptischen
Zelle bzw. zu einem inhibitorischen postsynaptischen Potential (IPSP) (s. Abb. 2-17).
Stimmt das Membranpotential der postsynaptischen Zelle
allerdings mit dem Umkehrpotential des IPSC überein, kommt
es nicht zu einer Membranpotentialänderung, da kein Nettostrom durch die geöffneten Kanäle flieût (Abschn. B-2.3). Allerdings kann die Öffnung dieser Kanäle auch inhibitorisch
wirken, indem sie das Membranpotential durch einen ¹Kurzschlussª auf Werte unterhalb des Schwellenwerts zur Auslösung von Aktionspotentialen senken und so der Depolarisation Zellmembran entgegenwirken (shunting inhibition).
Die Ionenselektivität von Kanälen bestimmt, ob ein Transmitter erregende oder hemmende Wirkung besitzt. Ob durch
synaptische Übertragung in der nachgeschalteten Zelle ein
EPSP oder ein IPSP ausgelöst wird, hängt ausschlieûlich von
EPSP
Axonhügel
der Ionenselektivität der von den postsynaptischen Neurotransmitterrezeptoren gesteuerten Kanäle ab. Sind diese Kanäle durchlässig für Ionen, deren Umkehrpotential positiver
als das aktuelle Membranpotential ist, wird die Membran bei
Öffnung depolarisieren und demzufolge ein EPSP ausgelöst.
Ist das Umkehrpotential aber negativer als das Membranpotential, hyperpolarisiert die Membran, und es folgt ein IPSP.
Stimmt das Umkehrpotential mit dem aktuellen Membranpotential überein, bleibt die synaptische Übertragung trotz geöffneter Ionenkanäle ohne Einfluss auf das Membranpotential (s. o.).
l l l Synaptische Potentiale werden
elektrotonisch zur Impulsentstehungszone
weitergeleitet und dabei räumlich
und zeitlich integriert
Summation synaptischer Potentiale. Im Gegensatz zur neuromuskulären Synapse reichen einzelne postsynaptische Potentiale an zentralen Synapsen meistens nicht aus, um direkt
Aktionspotentiale auszulösen (eine der Ausnahmen ist allerdings die Synapse zwischen Kletterfaser und Purkinje-Zelle
im Kleinhirn). Wie kommt es dann aber zur Signalweiterleitung im Gehirn? Die Signalweiterleitung bzw. Aktionspotentialentstehung im postsynaptischen Neuron wird dadurch ermöglicht, dass seine vielfältigen synaptischen Eingänge im
Aktionspotential
keine
Weiterleitung
EPSP/
IPSP
keine
Weiterleitung
aktive
Weiterleitung
IPSP 1
EPSP 1
elektrotonische
Weiterleitung
elektrotonische
Weiterleitung
elektrotonische
Weiterleitung
EPSP 1
EPSP 1
elektrotonische
Weiterleitung
EPSP 2
a
b
Abb. 2-14. Summation postsynaptischer Potentiale in zentralen Neuronen. (a) Ein EPSP (EPSP 1) breitet sich von seinem Entstehungsort an einer Synapse eines peripheren Dendriten elektrotonisch entlang dem Dendritenbaum bis zum Soma hin aus
und wird dabei abgeschwächt. Am Axonhügel erreicht die Potentialänderung nicht den Schwellenwert zur Auslösung von
Aktionspotentialen, daher findet keine Weiterleitung des Signals
statt. (b) Wird gleichzeitig zu EPSP 1 an einer zweiten Synapse
ein weiteres EPSP generiert (EPSP 2), kommt es durch Summation der beiden elektrischen Signale zu einer gröûeren Potential50
Kapitel B-2 Die Synapse
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c
änderung am Axonhügel, und die Schwelle zur Auslösung von
Aktionspotentialen wird erreicht. Die Summation der EPSPs
führt zu einer aktiven Signalweiterleitung der synaptischen Signale in Form von Aktionspotentialen. (c) Wird gleichzeitig zu
EPSP 1 ein inhibitorisches postsynaptisches Potential (IPSP 1)
generiert, so summieren sich auch hier die Signale. Allerdings
führt die Summation in diesem Fall dazu, dass die Schwelle zur
Auslösung von Aktionspotentialen am Axonhügel nicht erreicht
wird und keine Weiterleitung stattfindet
Dendritenbaum und Zellsoma räumlich und zeitlich summiert bzw. integriert werden. Entscheidend dabei ist, dass
postsynaptische Potentiale elektrotonisch entlang dem Dendritenbaum zum Zellkörper geleitet werden (Abschn. B-1.6).
Dadurch können sich diese Potentialänderungen auf ihrem
Weg zur Impulsentstehungszone (im Normalfall der Axonhügel) mit anderen synaptisch generierten Potentialänderungen
überlagern.
Räumliche und zeitliche Summation. Werden zur gleichen
Zeit an unterschiedlichen Stellen im Dendritenbaum EPSPs
generiert, können sich diese an Verzweigungspunkten bzw.
an Punkten, an den denen sich die dendritischen Fortsätze
vereinigen, überlagern (Abb. 2-14). Diese Summation zweier,
gleichzeitig an verschiedenen Stellen generierter EPSPs zu
einem einzigen Signal kann eine Vergröûerung der Depolarisationsamplitude nach sich ziehen. Dadurch kann die
Schwelle zur Auslösung eines Aktionspotentials am Axonhügel bzw. Impulsentstehungsort überschritten werden
(räumliche Summation; Abb. 2-14 b). Genauso verhalten sich
zwei EPSPs, die in dichter zeitlicher Abfolge an derselben
Synapse ausgelöst werden. Wird das zweite EPSP generiert,
bevor die Potentialänderungen des ersten Impulses vollständig abgeklungen sind, können sich auch diese beiden unterschwelligen Impulse zu einem überschwelligen Signal addieren (zeitliche Summation).
Synaptische Inhibition beruht auf den gleichen Prinzipen:
Die Überlagerung von an sich überschwelligen EPSPs mit
hyperpolarisierenden IPSPs kann dazu führen, dass das
Schwellenpotential zur Auslösung von Aktionspotentialen
nicht mehr überschritten wird (Abb. 2-14 c). Das Neuron
kann den erregenden Impuls nicht mehr weiterleiten.
l l l Erregende und hemmende Synapsen
befinden sich an unterschiedlichen
Positionen entlang der postsynaptischen
Nervenzelle
Axosomatische, axodendritische Synapsen. Synapsen werden von einem Axon sowohl direkt an Zellkörpern (axosomatische Synapsen), an Dendriten und dendritischen Dornfortsätzen (axodendritische Synapsen) als auch an Axonen
(axoaxonische Synapsen) ausgebildet (Abschn. B-1.1). Einen
Spezialfall stellen die dendrodendritischen Synapsen (Synapsen von Dendriten an Dendriten) der Mitralzellen des Bulbus
olfactorius und die von Neuronen im Thalamus dorsalis dar
(Abschn. B-3.9, B-3.10, B-15.1). Sie dienen dem Aufbau lokaler neuronaler Netzwerke. Wie oben erläutert, werden
postsynaptische Potentiale auf ihrem Weg von der Synapse
zum Zellkörper bzw. zur Impulsentstehungszone elektrotonisch weitergeleitet und abgeschwächt (Abschn. B-1.6). Daher ist die räumliche Nähe einer Synapse zum Impulsentstehungsort entscheidend für ihre Effektivität.
Erregende Synapsen. Die meisten Synapsen an dendritischen
Spines sind erregend (Abb. 2-13, Abb. 2-16, Abschn. B-1.1).
Spines stellen räumlich vom dendritischen Schaft getrennte
Kompartimente dar, in denen nach synaptischer Übertragung
isolierte Erhöhungen der Calciumkonzentration beobachtet
werden können. Aufgrund dieser Eigenschaft werden sie als
das kleinste integrative Element von Neuronen angesehen.
Inhibitorische Synapsen. Inhibitorische Synapsen befinden
sich im Gehirn meist direkt am Zellkörper. Ihre Aktivierung
führt zu einer erhöhten Chloridleitfähigkeit der somatischen
Membran, wodurch sich der Einfluss gleichzeitig einlaufender EPSPs stark abschwächen kann (shunting inhibition;
s. o.). Dadurch kann eine einzelne inhibitorische axosomatische Synapse den Effekt vieler erregender axodendritischer
Synapsen aufheben oder zumindest deutlich schmälern.
Axoaxonische Synapsen sind eine besondere Form inhibitorischer Synapsen und vermitteln die präsynaptische Hemmung. Sie sind z. B. an der präsynaptischen Endigung von
I a-Afferenzen zu finden, die erregende Synapsen auf Motoneuronen bilden (Abschn. B-24.2). Die inhibitorische Aktivität des präsynaptischen Neurons der axoaxonischen Synapse
führt dabei zu einer Verringerung der Effektivität der nachgeschalteten synaptischen Verbindung zwischen I a-Afferenz
und Motoneuron. Diese Form der synaptischen Verschaltung
ermöglicht die selektive Steuerung einzelner synaptischer
Eingänge.
l l l Glutamat vermittelt die überwiegende
Mehrzahl schneller erregender
synaptischer Übertragungen im Gehirn
Lokalisation und Wirkung von Glutamat. Glutamat ist der
dominierende erregende Transmitter im Zentralnervensystem. Die Wirkung von Glutamat an zentralen Synapsen kann
jedoch recht unterschiedlich sein. Einmal werden kurze
EPSPs beobachtet, ein andermal relativ lang anhaltende
EPSPs. Teilweise werden keinerlei Calciumkonzentrationsänderungen beobachtet, teilweise sind die EPSPs mit ¾nderungen der intrazellulären Calciumkonzentration verbunden.
Auch der Zeitverlauf dieser Calciumkonzentrationsänderungen kann sehr verschiedenartig sein. Der Grund für die Variabilität der glutamatinduzierten postsynaptischen Antworten ist die Expression verschiedener Glutamatrezeptortypen
(Tab. 2-3, Tab. 2-4, Abschn. B-2.5, s. u.).
l l l AMPA-Rezeptoren vermitteln
die schnellsten glutamatinduzierten
Antworten. Öffnung von
NMDA-Rezeptoren bewirkt
einen Anstieg der Calciumkonzentration
in der postsynaptischen Zelle
AMPA-Rezeptoren als unspezifische Kationenkanäle. Die
Bindung von Glutamat an AMPA-Rezeptoren führt zu einer
Öffnung unspezifischer Kationenkanäle und löst einen
schnellen Strom von Natrium- und Kalium-Ionen durch die
Membran aus (EPSC; Abb. 2-13, Abb. 2-15). Da das Umkehrpotential dieses Stroms bei etwa 0 mV und das Membranpotential von Neuronen bei etwa ±70 mV liegt, führt die Öffnung der integralen Ionenkanäle von Glutamatrezeptoren zu
einer postsynaptischen Depolarisation, einem EPSP (Abb. 213). AMPA-Rezeptoren desensitivieren sehr schnell.
2.6 Synaptische Übertragung im Zentralnervensystem
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51
NMDA-Rezeptorkanal
AMPA-Rezeptorkanal
Na+
Ca2+
Glutamat
+
Na
Glutamat
Zn2+
Mg2+
Glycin
K+
K+
b
a
synaptische Stimulation
NMDA-Rezeptoraktivierter Strom
Membranpotential
+20 mV
APV:
AMPA-Rezeptoraktivierter Strom
– 80 mV
APV
Besonderheiten von NMDA-Rezeptoren. Wie AMPA-Rezeptoren sind die NMDA-Rezeptorkanäle für unspezifische Kationen permeabel, zeigen aber mehrere Besonderheiten (Abb.
2-15). Ihr Strom entwickelt sich langsamer und hält länger
an als der von AMPA-Rezeptoren, da NMDA-Rezeptoren vergleichsweise langsam desensitivieren. Zudem benötigen sie
für ihre Öffnung neben Glutamat auch Glycin, das als obligatorischer Cotransmitter dient. Bereits in geringen Konzentrationen potenziert Glycin die erregende Wirkung des
Neurotransmitters Glutamat auf Nervenzellen. Dieser Mechanismus ist unabhängig von der hemmenden Wirkung von
Glycin. Nur bei gleichzeitiger Besetzung der Bindungsstellen
für Glutamat und Glycin öffnet sich der Kationenkanal des
NMDA-Rezeptorkomplexes. Auûerdem haben NMDA-Rezeptorkanäle eine hohe Leitfähigkeit für Calcium-Ionen. Calcium kann als Second Messenger intrazelluläre Signalkaskaden aktivieren.
Spannungsabhängigkeit
von
NMDA-Rezeptorkanälen.
Schlieûlich besitzen NMDA-Rezeptorkanäle die für ionotrope
Rezeptoren ungewöhnliche Eigenschaft, dass ihre Öffnung
spannungsabhängig ist. Bei normalen Ruhemembranpotential (etwa ±70 mV) werden die Kanäle durch die physiologisch extrazellulär vorhandenen Magnesium-Ionen blockiert, d. h. auch wenn Glutamat und Glycin an die Rezeptoren binden, öffnen sie bei diesem Potential nicht (Abb. 2-15).
Wird die postsynaptische Membran jedoch auf Werte von
mehr als ±30 mV depolarisiert (z. B. bei repetitiver Stimulation), löst sich Magnesium vom Rezeptor und die Kanäle öffnen.
l l l Aktivierung von metabotropen
Glutamatrezeptoren führt
zur Calciumfreisetzung
aus intrazellulären Speichern
c
Abb. 2-15. Ionotrope Glutamatrezeptorkanäle. (a) Der AMPARezeptorkanal ist für Natrium- und Kalium-Ionen permeabel.
(b) Der NMDA-Rezeptorkanal ist für Calcium-, Natrium- und Kalium-Ionen permeabel. Allerdings wird der Kanal nur geöffnet,
wenn die Zelle auf mehr als etwa ±40 mV depolarisiert und dadurch der Magnesiumblock beseitigt wird. Die Öffnung des
NMDA-Rezeptorkanals erfordert die Bindung von Glycin an den
Rezeptor. Der Strom durch den NMDA-Rezeptorkanal wird durch
Zink-Ionen reduziert. (c) Die Beteiligung von NMDA-Rezeptoren
an Membranströmen einer glutamatergen Synapse kann mit Hilfe des NMDA-Rezeptorblockers APV (2-Amino-5-phosphonovalerat) untersucht werden. Bei hohem Membranpotential (±80
mV) bleibt APV ohne deutliche Wirkung auf den postsynaptischen Strom. Dies zeigt, dass der Strom fast ausschlieûlich durch
die Öffnung von AMPA-Rezeptoren zustande kommt. Bei Depolarisation der Zelle auf +20 mV dagegen führt APV zu einer
deutlichen Reduktion des Stroms. Der verbleibende Stromanteil
wird durch AMPA-Rezeptoren hervorgerufen, während der
durch APV blockierte Strom durch NMDA-Rezeptoren hervorgerufen wird. Nach Kandel ER, Schwartz JH, Jessel TM. Principles
of Neural Science, 4. Aufl. Elsevier, New York (2000)
52
Kapitel B-2 Die Synapse
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Die Aktivierung der meisten erregenden Synapsen zentraler
Neurone führt zur Freisetzung von Calcium aus intrazellulären Speichern im postsynaptischen Neuron. Diese Freisetzung von Calcium wird häufig durch die Aktivierung metabotroper Glutamatrezeptoren und die anschlieûende Erzeugung von IP3 vermittelt. In Purkinje-Neuronen des Kleinhirns ist diese Form der synaptischen Übertragung am besten
untersucht. Abb. 2-16 zeigt, dass IP3-vermittelte Calciumfreisetzung aus intrazellulären Speichern nach synaptischer
Aktivierung metabotroper Glutamatrezeptoren zu einem vergleichsweise langsamen lokalen Calciumtransienten in Dendriten und dendritischen Dornfortsätzen (Spines; Abschn. B1.1) führt.
l l l Glutamaterge Synapsen besitzen
mehrere Typen von Glutamatrezeptoren
Spines
Ableitung
Purkinje-Zelle
des Kleinhirns
Axon
2+
langsames EPSP
lokaler Ca -Transient
5 mV
5 mV
250 ms
250 ms
Stimulation
Stimulation
a
präsynaptische
Endigung
Spine
Dendrit
IP3-Rezeptor
AMPARezeptor
Ca2+
IP3-Rezeptor
Ca2+
Ca2+
IP3
Glutamat
metabotroper
Glutamatrezeptor
endoplasmatisches
Reticulum
b
Abb. 2-16. Synaptische Funktion metabotroper Glutamatrezeptoren in den Purkinje-Zellen des Kleinhirns. (a) Die PurkinjeZellen des Kleinhirns (links) bilden mehrere Hunderttausend erregende Synapsen mit den afferenten Parallelfasern, jede davon
an einem dendritischen Dornfortsatz (Spine). Neben den AMPARezeptorkanälen, befinden sich auf den Spines metabotrope
Glutamatrezeptoren (s. b). Die durch metabotrope Glutamatrezeptoren ausgelöste postsynaptische Antwort besteht aus einem
langsamen EPSP und zusätzlich aus einem intrazellulären Calciumsignal (rechts). (b) Schematischer Aufbau der glutamatergen Parallelfasersynapsen
AMPA- und NMDA-Rezeptoren. Die meisten glutamatergen
Synapsen besitzen sowohl AMPA- als auch NMDA-Rezeptoren. Der Strom, der durch jeden dieser beiden Rezeptortypen
hervorgerufen wird, kann pharmakologisch und durch ¾nderung der Membranspannung isoliert werden. Abb. 2-15 c
zeigt, dass APV (2-Amino-5-phosphonovalerat), ein Hemmstoff vom NMDA-Rezeptoren, kaum Auswirkungen auf den
Verlauf des postsynaptischen Stroms hat, wenn das Membranpotential in der Nähe des Ruhemembranpotentials liegt
(hier bei ±80 mV). Wird die Zelle jedoch auf +20 mV depolarisiert, zeigt sich unter Einfluss von APV eine deutliche Verringerung des Stroms, die auf die Blockade der NMDA-Rezeptoren zurückzuführen ist. Die spannungsabhängige Blockade der NMDA-Rezeptoren wird durch Magnesium-Ionen
vermittelt. Sie kann daher durch die Entfernung von Magnesium aus der Extrazellulärlösung aufgehoben werden.
Bedeutung der unterschiedlichen Rezeptorkanäle. Da ihre
Öffnung nur vom Vorhandensein von Glutamat und nicht
vom Membranpotential der postsynaptischen Zelle abhängt,
sind AMPA-Rezeptoren für die Vermittlung schneller glutamatinduzierter postsynaptischer Antworten bei stark negativem Membranpotential ± d. h. in der Nähe des Ruhemembranpotentials ± verantwortlich. Dies bedeutet, dass sie auch
aktiviert werden, wenn das postsynaptische Neuron keine
Aktionspotentiale feuert. Durch die schnelle Desensitivierung
von AMPA-Rezeptorkanälen werden dabei nur relativ kurze
EPSPs ausgelöst. Im Gegensatz dazu sind NMDA-Rezeptoren
nahe des Ruhemembranpotentials durch Magnesium blockiert. Auch bei präsynaptischer Glutamatfreisetzung tragen
sie daher nicht zum postsynaptischen Strom bei. Kommt es
jedoch durch eine starke synaptische Aktivierung der AMPARezeptoren zu einer starken postsynaptischen Depolarisation
und zur Auslösung von Aktionspotentialen, wird der Magnesiumblock der NMDA-Rezeptoren aufgehoben und sie tragen
zum postsynaptischen Strom bei. Dieser Strom hält wegen
der relativ geringen Desensitivierung der Rezeptoren lange
an.
NMDA-Kanäle und synaptische Plastizität. Die besonderen
Eigenschaften von NMDA-Rezeptoren ± vor allem der selektive NMDA-vermittelte Anstieg der intrazellulären Calciumkonzentration bei starker Stimulation ± haben zu der Auffassung geführt, dass NMDA-Kanäle eine wichtige Rolle bei der
Entstehung synaptischer Plastizität (Abschn. B-6.4) spielen.
Eine Fehlfunktion dieser Rezeptoren führt im Tiermodell zu
deutlich verschlechterten Lernleistungen.
Auch die durch die Aktivierung metabotroper Glutamatrezeptoren hervorgerufenen intrazellulären Calciumsignale
sind für bestimmte Lernvorgänge essentiell. Mausmutanten,
denen metabotrope Glutamatrezeptoren fehlen, zeigen charakteristische cerebelläre Symptome wie Ataxien und unkoordinierte Bewegungsmuster.
2.6 Synaptische Übertragung im Zentralnervensystem
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53
Box 2-3.
Exzitotoxizität
Als Exzitotoxizität bezeichnet man den durch eine übermäûige Aktivierung erregender Rezeptoren hervorgerufenen
Zelltod von Neuronen. Im Normalfall wird bei synaptischer
Übertragung die Glutamatkonzentration im synaptischen
Spalt nur für einige Millisekunden erhöht, da Gliazellen und
Neurone das Glutamat sehr schnell wieder aufnehmen
(Abschn. B-2.4). In pathologischen Situationen wie Ischämie
(mangelnde Blutversorgung) oder Anoxie (Sauerstoffmangel) kann es jedoch zu einer massiven Erhöhung der Glutamatkonzentration im Extrazellulärraum kommen, da die
energieabhängige Aufnahme von Glutamat reduziert wird.
Dies führt zu einer anhaltenden Stimulation von NMDA-Rezeptoren und zu einem starken Calciumeinstrom in die postsynaptischen Zellen. Die erhöhte intrazelluläre Calciumkonzentration wird als Hauptursache für die auftretende Neurodegeneration angesehen. Tatsächlich kann die Anwendung
von Glutamatrezeptorantagonisten im Tierexperiment zu
einer deutlichen Verringerung des ischämieinduzierten Zelltods führen.
l l l GABA und Glycin vermitteln als
inhibitorische Transmitter die
synaptische Hemmung von Nervenzellen
Die Aminosäuren GABA und Glycin sind die wichtigsten
Transmitter hemmender Synapsen im ZNS. Der strukturelle
Aufbau einer glycinergen Synapse ist in Abb. 2-17 darge-
stellt. Sowohl GABAA-Rezeptoren als auch Glycinrezeptoren
sind als ligandengesteuerte Anionenkanäle für Chlorid-Ionen
sehr gut durchlässig (Tab. 2-4). In den meisten Neuronen des
adulten Gehirns ist das Umkehrpotential für diesen Chloridstrom mit etwa ±85 mV negativer als das Membranpotential,
das bei etwa ±70 mV liegt. Infolgedessen kann Chlorid bei
Öffnung der Kanäle entlang seinem elektrochemischen Gradienten in die Zelle einströmen. Aufgrund ihrer negativen
Ladung hyperpolarisieren Chlorid-Ionen die Zelle und lösen
damit ein IPSP aus.
GABA-Hemmung versus Erregung. Aufgrund einer relativ hohen intrazellulären Chloridkonzentration liegt das Umkehrpotential von Chlorid im embryonalen Nervensystem und in Spinalganglien über dem postsynaptischen Membranpotential. Daher bewirkt die Ausschüttung von GABA eine Depolarisation. Ob
diese Depolarisation hemmend oder erregend wirkt, hängt von
dem genauen Wert des Chloridumkehrpotentials ab. Liegt es
über dem Schwellenwert zur Auslösung von Aktionspotentialen,
fungiert GABA als erregender Transmitter. Dies ist in der frühen
Gehirnentwicklung, vor der Ausreifung glutamaterger Synapsen, der Fall. Wenn das Chloridumkehrpotential deutlich unter
dem Schwellenpotential zur Auslösung von Aktionspotentialen
liegt, wird das Membranpotential der Zelle auf den Wert des
Chloridpotentials gesenkt, und die GABA-induzierte Depolarisation kann hemmend wirken (shunting inhibition; s. o.).
é
Ca2+
Glycin
Transport
CI–
2.7
–
CI
Jedes Neuron im Nervensystem empfängt
ständig synaptische Signale von anderen
Neuronen. Diese Signale können sowohl erregend als auch hemmend sein. Glutamat
und GABA sind die wichtigsten Transmitter
im Zentralnervensystem und binden sowohl
an ionotrope als auch an metabotrope Rezeptoren. Durch elektrotonische Ausbreitung der postsynaptischen Potentialänderungen entlang dem Dendritenbaum werden die verschiedenen synaptischen Eingänge integriert, d. h. sie können sich gegenseitig verstärken oder abschwächen. Dabei ist
die Lokalisation der Synapsen entscheidend
für ihren Einfluss und ihre Effektivität.
Gephyrin
Monoamine in der synaptischen
Signalübertragung
IPSP
Em
Abb. 2-17. Schematischer Aufbau einer glycinergen Synapse.
Der depolarisationsinduzierte Einstrom von Calcium führt zur
Freisetzung von Glycin aus präsynaptischen Vesikeln. Nach Bindung von Glycin an postsynaptische Rezeptoren kommt es zu einem Einstrom von Chlorid-Ionen (Cl±) und zu einem inhibitorischen postsynaptischen Potential (IPSP). Glycin wird über spezifische Transportmechanismen wieder in die präsynaptische Endigung aufgenommen; Chlorid wird ebenfalls über Transporter
aus der postsynaptischen Zelle ausgeschleust. Das Protein Gephyrin dient zur Verankerung der Glycinrezeptoren in der postsynaptischen Membran
54
Kapitel B-2 Die Synapse
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l l l Monoaminerge Neurone gibt es vor allem
im Hirnstamm und im peripheren
autonomen Nervensystem
Durch Hydroxylierung und anschlieûende Decarboxylierung
von Aminosäuren entstehen die Monoamine Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. Histamin wird dagegen durch direkte Decarboxylierung synthetisiert. Im ZNS sind die Zellkörper monoaminerger Neurone fast ausnahmslos im Hirnstamm lokalisiert, erreichen jedoch mit ihren Axonen fast
alle Hirnareale (Kap. B-3). Wie der Verlust dopaminerger
Neurone der Substantia nigra (Abschn. B-3.6) bei Morbus
pp
p
A
PH
BC
Parkinson zeigt, führen Funktionsstörungen dieser wichtigen
Systeme zu schweren neurologischen Defekten. Monoamine
vermitteln ihre Wirkung im ZNS und im peripheren sympathischen Nervensystem (Abschn. C-4.1) überwiegend durch
metabotrope Rezeptoren.
Freisetzung aus axonalen Varikositäten. Aminerge Synapsen
des peripheren vegetativen Nervensystems unterscheiden
sich von denen im ZNS durch den Aufbau ihrer präsynaptischen Seite. Monoamine werden peripher an so genannten
Varikositäten der Axone freigesetzt. In Varikositäten finden
sich neben kleinen präsynaptischen Vesikeln (Durchmesser
50 nm) auch gröûere Vesikel (Durchmesser > 80 nm), die neben dem Transmitter das saure Protein Chromogranin enthalten und im Elektronenmikroskop dunkel erscheinen (large
dense core vesicles). Im ZNS bilden monoaminerge Axone
teils ¹klassischeª Synapsen mit prä- und postsynaptischen
Membranspezialisierungen, teilweise findet Transmitterfreisetzung jedoch auch an Orten statt, an denen diese morphologischen Spezialisierungen fehlen (¹Volumentransmissionª).
Monoamine werden jedoch nicht nur an Synapsen, sondern auch als parakrine Mediatoren von Paraganglien und
neuroendokrinen Zellen (Abschn. C-4.2, C-10.9) in Darm und
Lunge, von Mastzellen und Leukocyten sezerniert. Indem sie
in das umgebende Gewebe diffundieren, wirken Monoamine
über eine gröûere Distanz auf die glatte Muskulatur und benachbarte Gefäûe. Daneben dienen sie als Vermittler der Entzündungsreaktion. Die Grenzen zwischen parakrinen Mediatoren und Hormonen sind flieûend (Abschn. C-3.1): Das zu
den Catecholaminen zählende Adrenalin wird im Nebennierenmark gebildet und ins Blut freigesetzt, so dass es als Hormon eine systemische Wirkung auf den gesamten Organismus entfaltet. Adrenalin bindet an G-Protein-gekoppelte Catecholaminrezeptoren, die wiederum denen an noradrenergen Synapsen gleichen.
COOH
C
H2
CH
H2N
Phenylalanin
PhenylalaninHydroxylase
Tetrahydrobiopterin
COOH
HO
C
H2
CH
H2N
COOH
HO
C
H2
CH
H2N
HO
Tyrosin
TyrosinHydroxylase
Tetrahydrobiopterin
L-DOPA
Dihydroxyphenylalanin
DOPADecarboxylase
PLP
(Pyridoxalphosphat)
H
HO
C
H2
CH
H2N
HO
Dopamin
Dopamin-βHydroxylase
Ascorbat
OH H
HO
C
H
CH
Noradrenalin
H2N
HO
PNMT
PhenylethanolaminN-Methyltransferase
SAM
S-Adenosylmethionin
OH H
HO
C
H
HO
CH
Adrenalin
NH
H 3C
Abb. 2-18. Bildung von Catecholaminen aus Tyrosin
l l l Catecholamine werden
aus Tyrosin gebildet
Die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin werden aus
Tyrosin gebildet (Abb. 2-18). Geschwindigkeitsbestimmend
für die Synthese ist die Hydroxylierung zu L-DOPA (Dihydroxyphenylalanin). Dieser Schritt wird durch Tyrosin-Hydroxylase, eine mischfunktionelle Oxidase, unter Beteiligung
von Tetrahydrobiopterin und molekularem Sauerstoff im Cytosol des Neurons katalysiert. Das in seiner Proteinstruktur
der Phenylalanin-Hydroxylase (Abschn. A-11.6) homologe
Enzym, dessen vier Untereinheiten (60 kDa) Erkennungsmotive für Protein-Kinasen tragen (PKA, PKC, CAM-Kinase),
wird durch Phosphorylierung aktiviert. Hohe Enzymaktivitäten finden sich in Hirnstamm, sympathischen Ganglien und
Nebennierenmark.
Durch pyridoxalphosphatabhängige Decarboxylierung
geht L-DOPA in Dopamin über. Dopamin ist das Endprodukt
in den dopaminergen Neuronen der Substantia nigra, des
ventralen Tegmentums, des retrorubralen Feldes und des Hypothalamus (Abschn. B-3.9). Das beteiligte Enzym, DOPADecarboxylase (oder aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase), ist nicht für die Catecholaminsynthese spezifisch, son-
dern auch an der Bildung von Serotonin beteiligt; sie kommt
auch in nicht-neuronalen Zellen vor.
Speicherung von Dopamin in präsynaptischen Vesikeln. Im
ZNS reichert der membranständige Antiporter VMAT2 (vesicular membrane transporter 2) Dopamin und andere Catecholamine im Austausch gegen Protonen in den präsynaptischen Vesikeln an (Abb. 2-19). Dabei wird im Vesikellumen
eine Catecholaminkonzentration von 0,5 mol L±1 erreicht.
Den dazu erforderlichen Protonengradienten erzeugt eine
ATP-abhängige Protonenpumpe der Vesikelmembran.
VMAT2 ist ein Membranprotein mit 12 Transmembranregionen.
Das früher zur Blutdrucksenkung genutzte pflanzliche Alkaloid
Reserpin blockiert die Aufnahme von Dopamin und anderen Catecholaminen ins Vesikelinnere durch VMAT2 mit sehr hoher
Affinität. Da die antihypertensive Wirkung von Reserpin mit
dem Auftreten von Depressionen und Parkinson-ähnlichen Bewegungsstörungen erkauft wird, darf diese Substanz nur noch in
besonderen Fällen verschrieben werden.
2.7 Monoamine in der synaptischen Signalübertragung
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55
Tryrosin
Tryrosin
Tryptophan
TyrosinHydroxylase
TyrosinHydroxylase
TryptophanHydroxylase
L-DOPA
L-DOPA
5-Hydroxytryptophan
aromatische
AminosäureDecarboxylase
aromatische
AminosäureDecarboxylase
Dopamin
Dopamin
Serotonin
Dopamin
H+
VMAT2
aromatische
AminosäureDecarboxylase
Dopamin
H+
VMAT2
Dopaminb-Hydroxylase
H+
VMAT2
Serotonin
Noradrenalin
DAT
NET 1
Na+
Dopamin
Noradrenalin
NH2
D1-5
NH2
COOH
a1-3,b1-3 COOH
Na+
Serotonin
NH2
5-HT1,2,4-7 COOH
Na+
5-HT3
Abb. 2-19. Synaptische Übertragung durch Monoamine. Die
vergleichende Darstellung zeigt, dass dopaminerge, noradrenerge und serotonerge Synapsen einen ähnlichen Aufbau besitzen.
Ausgehend von den Aminosäuren Tyrosin und Tryptophan entstehen die Monoamine, die über den H+-Antiporter VMAT2 (vesicular membrane transporter 2) in Speichervesikel aufgenommen werden. Nach Ausschüttung in die Synapse werden die Monoamine in einem natriumabhängigen Transportschritt zunächst
wieder ins Cytosol, von dort in die Vesikel aufgenommen. Die
Neurotransmitterkonzentration im synaptischen Spalt hängt von
der präsynaptischen Freisetzung und der Geschwindigkeit seiner
Inaktivierung ab. Der Transmitter kann durch enzymatischen
Abbau oder durch Wiederaufnahme in die neuronale Präsynapse
oder umgebende Gliazellen inaktiviert werden. DAT = Dopamintransporter; NET1 = Noradrenalintransporter 1; SERT = Serotonintransporter
Synthese von Noradrenalin und Adrenalin. In den Vesikeln
noradrenerger Neurone wird Dopamin unter Beteiligung von
molekularem Sauerstoff und Ascorbinsäure (Vitamin C)
durch die Dopamin-b-Hydroxylase, eine mischfunktionelle
Oxidase, zu Noradrenalin umgesetzt (Abb. 2-19). Noradrenalin wird in den Vesikeln der Varikositäten gespeichert und
nach Einstrom von Calcium gemeinsam mit Dopamin-b-Hydroxylase in den Extrazellulärraum ausgeschüttet.
In den meisten Zellen des Nebennierenmarks und in wenigen Hirnstammneuronen, die als adrenerg bezeichnet werden, folgt ein weiterer Schritt: Dort wird durch das Enzym
Phenylethanolamin-N-Methyltransferase (PNMT) eine Methylgruppe auf den Stickstoff von Noradrenalin übertragen
und dadurch Adrenalin gebildet. Als Lieferant der Methylgruppen dient S-Adenosylmethionin. Adrenalin ist auch
Transmitter im Sympathikus von Vögeln, Reptilien und Amphibien, nicht jedoch bei Säugern.
Noradrenalintransporter NET1 (norepinephrine transporter)
sind Glycoproteine der äuûeren Zellmembran, die den jeweiligen Transmitter im Cotransport mit Natrium ins Cytosol
aufnehmen (Abb. 2-19). Dadurch stellt sich ein Gleichgewicht von Freisetzung und neuronaler Wiederaufnahme ein,
das die Transmitterkonzentration vor den Rezeptoren und
die Stärke des synaptischen Signals bestimmt.
Durch die Hemmung der Wiederaufnahme von Dopamin
und Noradrenalin steigern trizyklische Antidepressiva (z. B.
Desipramin) oder das Rauschgift Cocain deren Transmitterwirkung deutlich. Der H+-Antiporter VMAT2 schleust diese
Monoamine schlieûlich wieder vom Cytosol in die präsynaptischen Vesikel ein, wo sie erneut zur synaptischen Freisetzung verfügbar sind.
l l l Die Wirkung von Monoaminen wird
durch präsynaptische Wiederaufnahme
und enzymatischen Abbau beendet
Aufnahme durch Transporter. Die in den synaptischen Spalt
freigesetzten Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin
werden erneut in die Präsynapse aufgenommen und vesikulär gespeichert. Der Dopamintransporter DAT und der
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SERT
Na+
Kapitel B-2 Die Synapse
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Biochemischer Abbau. Catecholamine werden durch die im
Cytosol vorkommende Catechol-O-Methyltransferase (COMT)
und eine in Form von zwei Isoenzymen existierende Monoamin-Oxidase (MAO) der äuûeren Mitochondrienmembran enzymatisch abgebaut. Vesikulär gespeicherte Catecholamine sind vor dem Abbau geschützt. Beide Enzyme
sind Flavoproteine, die in Neuronen und umgebenden
Gliazellen, aber auch in den Verdauungsorganen vorkommen. Während das Isoenzym MAO-A neben Noradrenalin
auch Serotonin umsetzt, greift MAO-B auch Dopamin und
andere Catecholamine an. Die Expression von MAO-B und
COMT in Darm und Leber schützt den Organismus vor
den unerwünschten Wirkungen biogener Amine in der
Nahrung. Unabhängig davon, ob zunächst MAO oder
COMT angreift, führt der enzymatische Abbau von Noradrenalin schlieûlich zu dem im Urin ausgeschiedenen Metaboliten Vanillinmandelsäure (3-Methoxy-4-hydroxymandelsäure).
Phäochromocytome sind endokrin aktive Tumoren, die überwiegend in der Nebenniere auftreten. Da diese Tumoren stoûweise
Noradrenalin und Adrenalin freisetzen, kommt es zu krisenhaften Blutdruckanstiegen. Der Tumor lässt sich durch eine exzessive Ausscheidung von Vanillinmandelsäure im Urin nachweisen.
l l l Es gibt fünf Rezeptoren für Dopamin.
Dopaminerge Systeme sind bei
Krankheiten wie Schizophrenie
und Morbus Parkinson gestört
Dopaminrezeptoren. Unter den sieben Transmembranregionen tragenden Rezeptoren bilden die verschiedenen Varianten des Dopaminrezeptors eine Familie mit zwei Untergruppen: D1-artige Dopaminrezeptoren (D1,5) stimulieren über
ein G-Protein die Aktivität der Adenylatcyclase und erhöhen
damit den cAMP-Spiegel der Zelle. Durch die D2-artigen Rezeptorvarianten (D2±4) wird Adenylatcyclase dagegen gehemmt, während die Leitfähigkeit von Kaliumkanälen gesteigert wird (Abb. 2-19, Tab. 2-3). Dem D2-Subtyp gehören
auch die präsynaptischen Autorezeptoren der dopaminergen
Synapse an, die die weitere Synthese und Freisetzung des
Transmitters hemmen.
Dopaminerge Systeme und Krankheiten des Nervensystems.
Dopamin ist an der motorischen Regulation und der Beeinflussung der Stimmungslage beteiligt. Im ZNS existieren drei
wichtige dopaminerge Systeme:
Die nigrostriatalen Bahnen (Abschn. B-3.10, B-24.7) gehen von den melaninhaltigen, an ihrer dunklen Pigmentierung erkennbaren Neuronen der Substantia nigra aus und innervieren das Striatum. Als Teil der Basalganglien (früher als
¹extrapyramidal-motorisches Systemª bezeichnet) mindern
sie den Tonus der Muskulatur und wirken an der Umsetzung
von Bewegungsabläufen mit. Durch den Untergang von Neuronen der Substantia nigra kommt es beim Morbus Parkinson
zum Verlust der dopaminergen Innervation des Striatums,
die sich durch Tremor, Rigor und Akinesie äuûert (Basalganglien; Kap. B-3, B-24). Eine wirksame Therapie stellt die Gabe
von L-DOPA dar, das im Gegensatz zu Dopamin von den
Transportern der Blut-Hirn-Schranke aufgenommen wird.
Das mesolimbische (mesokortikale) System, dessen Zellkörper im Tegmentum des Mittelhirns liegen, innerviert u. a.
Kortex, Hippocampus und Amygdala (Abschn. B-3.10) und
beeinflusst das psychische Befinden. Schizophrenien sind
durch Denkstörungen charakterisierte seelische Erkrankungen, die schubweise verlaufen. Haloperidol und andere als
Neuroleptika bezeichnete Antagonisten des D2-Rezeptors
werden zur Therapie von Schizophrenien eingesetzt, um die
psychotischen Schübe zu verkürzen und ihr erneutes Auftreten zu verhindern.
Das tuberoinfundibuläre System hemmt die Freisetzung
des Laktationshormons Prolactin aus der Hypophyse
(Abschn. C-3.2). Durch den Verlust dieser Hemmung kann es
bei einer antipsychotischen Neuroleptikatherapie mit D2Antagonisten sogar zu einem unerwünschten Milchfluss
kommen.
l l l Noradrenalin und Adrenalin wirken
auf G-Protein-gekoppelte Rezeptoren
Adrenerge Rezeptoren. Noradrenalin und Adrenalin wirken
auf die verschiedene Varianten umfassende adrenerge Rezeptorfamilie, deren Mitglieder ausnahmslos zu den an heterotrimere G-Proteine gekoppelten Rezeptoren gehören und mit
unterschiedlichen Effektorsystemen verbunden sind. Adrenerge Rezeptoren wirken vor allem an der kardiovaskulären,
pulmonalen und metabolischen Regulation durch das vegetative Nervensystem mit (Kap. C-6, Abschn. C-7.10, C-8.7).
Während a1-Rezeptoren die Aktivität der Phospholipase C
stimulieren, interagieren a2-Rezeptoren mit der Adenylatcyclase; sie können je nach Subtyp den cAMP-Spiegel heben
oder senken.
Alle Unterformen der adrenergen b-Rezeptoren vermitteln ihre Wirkung durch Aktivierung der Adenylatcyclase.
Während b1- und b2-Rezeptoren weit verbreitet sind, finden
sich b3-Rezeptoren nur im braunen Fettgewebe, in dem sie
zur Thermoregulation beitragen sollen (Kap. C-12.2).
l l l Serotonin und Histamin dienen
als Neurotransmitter und parakrine
Mediatoren
Vorkommen von Serotonin. Serotonin (5-Hydroxytryptamin,
5-HT) dient vor allem den RaphØ-Kernen des Hirnstamms
(Abschn. B-3.6) als Neurotransmitter, die aufsteigende Projektionen in die frontale Groûhirnrinde, das Striatum und
den Gyrus dentatus senden, und soll zur Regulation des
Wachheitsgrads beitragen (Abschn. B-5.3). Serotonin ist
nicht nur ein Neurotransmitter des ZNS, es kommt auch als
parakriner Mediator vor. Bei der Blutgerinnung (Abschn. C1.7) wird Serotonin aus den Thrombocyten freigesetzt, wobei
es zur Vasokonstriktion kommt.
Im Darm reguliert Serotonin die Peristaltik (Kap. C-10).
Von den daran beteiligten neuroendokrinen Zellen abgeleitete Darmtumoren (Carcinoide) bilden ebenfalls Serotonin und
setzen den Transmitter schubartig frei. Durch Wirkung auf
periphere Rezeptoren kommt es zu Bauchkrämpfen, Diarrhö
und Flush (Hautrötung). Zur Diagnose wird 5-Hydroxyindolessigsäure (s. u.) im Urin bestimmt.
Synthese. In serotonergen Neuronen beginnt die Synthese
des Neurotransmitters mit der Hydroxylierung der Aminosäure Tryptophan, die mittels erleichterter Diffusion über die
Blut-Hirn-Schranke aufgenommen wird (Abschn. B-1.2). Als
Cosubstrate der Tryptophan-Hydroxylase, die den Enzymen
Phenylalanin-Hydroxylase und Tyrosin-Hydroxylase strukturell homolog ist, dienen Tetrahydrobiopterin und molekularer Sauerstoff. Dabei entsteht 5-Hydroxytryptophan, das
anschlieûend zu Serotonin decarboxyliert wird (Abb. 2-19).
Dieser pyridoxalphosphatabhängige Schritt wird durch die
2.7 Monoamine in der synaptischen Signalübertragung
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aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase katalysiert, die
auch an der Catecholaminsynthese beteiligt ist. Serotonin
wird im Austausch gegen Protonen durch den Transporter
VMAT2 vesikulär gespeichert und unter dem Einfluss von
Calcium sezerniert.
In den synaptischen Spalt freigesetztes Serotonin wird
durch den membranständigen Transporter SERT (Serotonintransporter) wieder in die Präsynapse aufgenommen und inaktiviert (Abb. 2-19). Der enzymatische Abbau von Serotonin
erfolgt durch Monoamin-Oxidase (MAO) und Aldehyd-Dehydrogenase zu 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIAA).
Rezeptorwirkung von Serotonin. Metabotrope Serotoninrezeptoren (5-HT1±2 und 5-HT4±7) sind über stimulierende und
hemmende G-Proteine mit Adenylatcyclase sowie aktivierend mit dem Phospholipase-Signalweg verbunden (Tab. 2-3,
Abb. 2-19). Sie beeinflussen das circadiane Schlaf-WachVerhalten, insbesondere den REM-Schlaf, und das Essverhalten. Die Wirkung des Halluzinationen erzeugenden Rauschgifts LSD soll auf die Blockade von 5-HT2-Rezeptoren zurückzuführen sein. Das Migränemittel Sumatriptan ist ein
Agonist am 5-HT1-Rezeptor.
5-HT3-Rezeptor. Neben G-Protein-gekoppelten Rezeptoren
aktiviert Serotonin einen ligandengesteuerten Kationenkanal. Mit vier Transmembranregionen pro Untereinheit gehört
der 5-HT3-Rezeptor zu der Superfamilie des nicotinischen
Acetylcholinrezeptors (Tab. 2-3). In hoher Dichte finden sich
diese Rezeptoren in der Chemorezeptoren tragenden Zone
der Area postrema des Mittelhirns (Abschn. B-3.6), deren Stimulation Erbrechen auslösen kann. Antagonisten des 5-HT3-
USB
dA
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LIC
Rezeptors (z. B. Odansetron) wirken antiemetisch. In der Substantia gelatinosa des Rückenmarks (Abschn. B-3.3) modulieren 5-HT3-Rezeptoren die Nozizeption, indem sie die Freisetzung von Substanz P fördern (Abschn. B-11.3).
Histamin ist nicht nur ein wichtiger Mediator von Mastzellen (Abschn. C-1.5) und neuroendokrinen Zellen der Magenschleimhaut (Abschn. C-10.7), sondern auch Transmitter
von Neuronen der tuberomammillären Region des Hypothalamus (Abschn. B-3.9), von der Projektionen in die Groûhirnrinde, in den Thalamus und ins Kleinhirn ausgehen. Als
Transmitter und Gewebshormon entsteht Histamin durch
Decarboxylierung von Histidin durch die L-Histidin-Decarboxylase; es wird vesikulär gespeichert und freigesetzt. Histamin wird durch Histamin-N-Methyltransferase inaktiviert.
Histamin wirkt auf metabotrope Rezeptoren, die mit Phospholipase C und A2 bzw. Adenylatcyclase gekoppelt sind
(Tab. 2-3).
é
Die meisten Monoamine entstehen durch
Hydroxylierung und Decarboxylierung von
Aminosäuren. Sie tragen im zentralen und
peripheren autonomen Nervensystem überwiegend zur Signaltransduktion durch metabotrope Rezeptoren an langsamen Synapsen bei. Monoaminerge Neurone gibt es vor
allem im Hirnstamm. Neurone des peripheren sympathischen Nervensystems sind noradrenerg und setzen den Transmitter an
axonalen Varikositäten frei. Bei psychischen
Erkrankungen finden sich häufig Funktionsstörungen monoaminerger Synapsen.
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Die zellulären Grundlagen synaptischer Übertragung werden zur Zeit intensiv untersucht. Durch die
Anwendung leistungsfähiger molekularbiologischer Methoden sind entscheidende Fortschritte zu erwarten. Die weitere Analyse der Untereinheitenstruktur von Transmitterrezeptoren verbindet sich
mit der Hoffnung auf spezifisch wirkende Medikamente, mit denen sich die Symptome neurologischer
Krankheiten gezielt therapieren lassen. Zu klären bleibt u. a. die Funktion bestimmter Transmitterrezeptoren wie des nicotinischen Acetylcholinrezeptors und die Rolle von NO in der retrograden Signalübertragung im Gehirn. Schlieûlich ist ein entscheidender Erkenntnisgewinn auch durch die Aufklärung der Funktion und Rolle langsamer synaptischer Signale (metabotroper Antworten) zu erwarten.
Viele zentrale Erkrankungen, insbesondere solche, denen eine Neurodegeneration zugrunde liegt wie
Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson oder Chorea Huntington, gehen mit Funktionsstörungen der
synaptischen Übertragung einher. Die Aufklärung der molekularen Mechanismen der zellulären Kommunikation im Nervensystem weckt daher berechtigte Hoffnungen auf verbesserte Diagnose- und
Therapiemöglichkeiten dieser schweren Krankheiten.
Kapitel B-2 Die Synapse
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