Mose in anderen Religionen

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Fakultät für Geisteswissenschaften
Institut für Evangelische Theologie
Altes Testament und Neues Testament
Prof. Dr. Aaron Schart
Last edited: 2011-09-04
Derya Carikci, Maike Dohle, Maren Steinkamp, Anna-Lena Tcheon
Referat im Rahmen des Seminars „Mose“ im Sommersemester 2011, geleitet von Prof. Aaron Schart
Mose in anderen Religionen
Mose zählt im AT zweifellos zu den bedeutendsten Personen. Das durch ihn vermittelte Gesetz ist zur
Grundlage des Judentums geworden. Auch im NT wird seine überragende Stellung anerkannt. Allerdings
wird sie unter dem Eindruck des Auftretens Jesu Christi deutlich modifiziert. Auch der Islam erkennt
Mose als einen der vier Gesandten Allahs an, denen ein göttliches Buch übergeben wurde.
1. Mose im Islam (Derya Carikci, Anna-Lena Tcheon)
1.1 Aufbau des Koran
Für Muslime ist der Koran die wichtigste Quelle ihres Glaubens. Der Koran stellt die deutlichste Form der
Offenbarung Gottes dar. Darin unterscheidet er sich vom christlichen Glauben, denn dort ist die Person
Jesus Christus, das Mensch gewordene Wort Gottes, die bedeutendste Form der Offenbarung Gottes.
Nach dem islamischen Glauben wurde der gesamte Text des Koran an den Propheten Mohammed
offenbart.
Der Koran befasst sich hauptsächlich…
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… mit den „Glaubensüberzeugungen" an Gott und den Propheten.
…mit den „gottesdienstlichen Ordnungen" (Fastenzeit).
…mit den „sozial- gesellschaftlichen Ordnungen" (Rechtsfragen).
…mit den „sittlich-ethischen Maßstäben" (Orientierungshilfen).
(Vgl.: Amt der Vereinigten Evangelischen- Lutherischen Kirche Deutschland: Was jeder vom Islam
wissen muss. 7.Auflage. Gütersloh 2007, 18-23)
1.2 Mose im Koran
Mose nimmt im Koran einen bedeutenden und großen Platz ein. Biblische Episoden der Mosegeschichte
werden wiederholt im Koran erwähnt. Im Koran ist Mose die am häufigsten erwähnte biblische Gestalt
und neben Abraham/Ibrahim, Jesus/Isa bin Maryam und Mohammed einer der wichtigsten Propheten
Allahs. Im Gegensatz zu Abraham, der in 235 Versen und Jesus, welcher in 93 Versen auftritt, wird Mose
in 502 Versen und 36 Suren erwähnt.
Mose hat im AT verschiedene Rollen inne, er gilt als Prophet, Bundesmittler, Gesetzgeber, Kunststifter,
demütiger Knecht Gottes und messianische Gestalt. Einige dieser Rollen besitzt er auch im Islam.
In Sure 14,5 steht geschrieben:
„Und wir sandten ja bereits Mose mit unseren Zeichen: Bringe dein Volk aus den Finsternissen
hinaus in Licht und erinnere sie an die Tage Gottes.“
Dieser Vers verdeutlicht, dass Moses Sendung mit göttlichen Zeichen und Beweisen verbunden ist. Sein
Auftrag ist es, Licht in die Dunkelheit der Menschen zu bringen. Mose tritt im Koran sehr häufig
gegenüber dem Pharao auf. Der Pharao unterdrückt die Menschen und Mose steht dem sehr geduldig
gegenüber, wodurch die Disparität dieser beiden Figuren sehr veranschaulicht wird.
(vgl. Christfried Böttrich, Beate Ego, Friedmann Eißler: Mose im Judentum, Christentum und
Islam: Göttingen 2010, S.13)
Bereits in Sure 7 begegnet Mose den ägyptischen Magiern, worauf die Erzählung von der Bestrafung des
Pharaos und der Ägypter durch das Wunder am Schilfmeer folgt. Des Weiteren tauchen die Plagen auch
im Koran auf. Ebenfalls in Sure 7 wird dieses Ereignis thematisiert. Allerdings wird der Tod der
Erstgeborenen nicht erwähnt.
Mose trägt, da er ohne Mittler zu Gott redete, den Ehrentitel „Kalim Allah“ das bedeutet „derjenige, mit
dem Gott geredet hat“ (Sure 4,16). Dieser Titel leitet sich von Stellen aus dem AT ab, die betonen, dass
YHWH nur mit Mose „von Angesicht zu Angesicht“ geredet habe (vgl. Ex 33,11; Num 12,7-8; Dtn 34,10).
Dass Gott zu einem Propheten ohne einen Mittler spricht, ist an keiner weiteren Stelle im Koran
erwähnt. Diese Sonderstellung, die Mose in der Hinsicht einnimmt, relativiert sich innerhalb des Korans.
Einige Suren verdeutlichen diese Situation. Beispielsweise erhält Mose in der Offenbarung-Erzählung ein
Buch, wodurch die Offenbarung in den Blättern Moses, als Abschrift der göttlichen Unterschrift
verallgemeinert wird (vgl. Sure 3,7; 13,39; 43,4) Diese Umstände führen dazu, dass die Blätter Moses,
den Blättern Abrahams und dem Evangelium Jesu gleich gestellt werden und somit handhabbarer
werden (Vgl. Sure 53,36 f; 87,19; 5,44-49).
(vgl. Christfried Böttrich, Beate Ego, Friedmann Eißler: Mose im Judentum, Christentum und
Islam: Göttingen 2010, S.114)
Des Weiteren zählt Mose zu den Propheten, die als gottesgesandte Kinder froher Botschaften bezeichnet
werden.
Die größten zusammenhängenden Erzählungen finden sich in den Suren 20 und 28 wieder. Die Erzählung
von der Geburt, von der Flucht nach Midian und der Offenbarung Gottes und von der Sendung des
Moses werden erörtert. In diesen Suren taucht Mose als Anführer einer bedrängten Gruppierung auf,
tritt dem Gegner gegenüber, ruft um Gottes Geheiß zur Umkehr und bekennt den wahren Glauben
gegen den Unglauben.
Analysiert man die Art und Weise wie Mose im Koran erwähnt wird, entdeckt man schnell, dass die Art
und Weise, der Situation Muhammeds und seiner Zeitgenossen ähnelt. Hintergründe für diese gehäuften
Verarbeitungen biblischer Themen, finden sich hinter der wachsenden Auseinandersetzung mit Christen
und Juden, unmittelbar zur Zeit der Hidschra. In der Mosegeschichte und in der Rettung der Kinder
Israels scheint Muhammed die Genealogie seiner eigenen Botschaft wieder zu erkennen. Er hoffte zu
dieser Zeit auf die Solidarität von Juden und Christen und auf die Überzeugungskraft gegenüber dem
Unglauben.
Bereits in Medina ändert sich diese Sichtweise und die Mosegeschichten werden ein Argument gegen die
zeitgenössischen Kinder Israels. Eine eindeutige Wendung der Funktion des Moses wird ersichtlich. Die
Abirrung der Juden wird von den Gläubigen angeklagt. Somit wird die Auseinandersetzung mit dem
Judentum und Christentum und die direkte Verarbeitung biblischer Texte uninteressant und der Konflikt
mit Juden und Christen, seitens des Islams auf eine andere Ebene verschoben.6
(vgl. Christfried Böttrich, Beate Ego, Friedmann Eißler: Mose im Judentum, Christentum und
Islam: Göttingen 2010, S.119ff)
1.3 Berufung Moses im Koran
In Sure 20,9-16 beginnt die Mosegeschichte:
(9) Ist zu dir die Geschichte Moses gekommen?
(10) Als er ein Feuer sah und zu seinen Angehörigen sagte: „Bleibt hier. Ich habe ein Feuer
wahrgenommen; vielleicht kann ich euch davon ein brennendes Stück Holz bringen oder am Feuer eine
Wegweisung finden.“
(11) Als er dort hinkam, wurde ihm zugerufen: „O Mose!
(12) Gewiss, ich bin dein Herr, so ziehe deine Schuhe aus. Du befindest dich im geheiligten Tal Tuwa.
(13) Und ich habe dich erwählt. So höre auf das, was (als Offenbarung) eingegeben wird. (14) Gewiss, ich
bin Gott. Es gibt keinen Gott außer mir. So diene mir und verrichte das Gebet zu meinem Gedanken.
(15) Gewiss, die Stunde kommt – ich hielte sie beinahe (ganz) verborgen -, damit jeder Seele das vergolten
wird, worum sie sich bemüht.
(16) So lasse denn nicht denjenigen dich von ihr abhalten, der nicht an sie glaubt und seiner Neigung folgt,
sonst würdest du dich ins Verderben stürzen.“
Die Berufung Moses wird in mehreren Suren erwähnt, aber Sure 20 enthält die am weitesten entwickelte
Form der Berufung und fasst die koranische Botschaft am prägnantesten zusammen.
Zum größten Teil haben die Geschichten von Mose aus der Bibel und im Koran viele Gemeinsamkeiten,
mit einigen Eigenheiten. So ist Mose zum Beispiel nicht wie in Exodus 3 allein beim Hüten der Schafe,
sondern mit seiner Familie unterwegs. In der Bibel zweifelt Mose, ob er diesen Auftrag erfüllen kann, im
Koran nimmt er den Auftrag ohne Zweifel an. Die Selbstvorstellung von Gott beinhaltet das islamische
Glaubensbekenntnis: „Ich bin Gott. Es gibt keinen Gott außer mir.“
1.4 Die zehn Gebote im Koran – Sure 17,22-39:
In Sure 17,22-39 findet sich folgende Fassung der Zehn Gebote:
Habe neben Allah keinen anderen Gott.
Sei zu deinen Eltern gütig.
Tötet eure Kinder nicht aus Furcht vor Verarmung.
Nähert euch nicht der Unzucht.
Tötet nicht die Seele, die Gott verboten hat, außer aus einem rechtmäßigen Grund.
Nähert euch nicht dem Besitz des Waisenkindes.
Haltet den Bund zu Gott.
Gebt volles Maß, wenn ihr messt, und wägt mit der richtigen Waage (Gerechtigkeit).
Verfolge nicht das, wovon du kein Wissen hast.
Gehe nicht übermütig auf der Erde einher.
Im Koran sind die Gebote nicht direkt in gebündelter Form, also einer festen Gebotsreihe überliefert.
Aber an zwei Stellen in der Mosegeschichte werden die biblischen Gebote offensichtlich kompakt
aufgenommen. An anderen Stellen im Koran findet man noch weitere Hinweise zu Geboten und
Verboten.
(vgl. Christfried Böttrich, Beate Ego, Friedmann Eißler: Mose im Judentum, Christentum und
Islam: Göttingen 2010, S.167ff)
2. Mose im Judentum (Maren Steinkamp, Maike Dohle)
Im folgenden Teil wird die Moseüberlieferung des antiken Judentums bzw. des außer- und
nachbiblischen Schrifttums in den Blick genommen.
2.1 Mose im hellenistischen Diasporajudentum
In der Literatur des antiken Judentums der hellenistischen und römischen Zeit spielt Moses eine
bedeutende Rolle. In dieser Zeit werden bestimmte Erzählzüge der AT-Texte ausgeschmückt und neue
Motive, die insgesamt der Verherrlichung Moses dienen, hinzugefügt. Vor diesem Hintergrund erfährt
die biblische Basisgeschichte ganz neue Akzentuierungen. Das Material hierzu ist vielschichtig und
umfangreich. Deshalb werden hier nur ein paar Überlieferungen und Mose-Figurationen
herausgenommen und näher beleuchtet.
2.1.1 Artapanus
In der ägyptischen Stadt Alexandria gab es eine jüdische Gemeinschaft, die eine reiche Literatur mit
zahlreichen Moseüberlieferungen hervorbrachte. Der Schriftsteller Alexander Polyhistor schrieb das
Werk „Über die Juden“ und nahm Fragmente aus einem Mose-Roman von dem hellenistisch-jüdischen
Geschichtsschreiber Artapanus auf, das im Folgenden kurz inhaltlich beschrieben wird.
(Vgl. Wischmeier, Oda: Orte der Geschichte und Geschichtsschreibung in der frühjüdischen
Literatur. In: Becker, Eve-Marie (Hrsg.): Die antike Historiographie und die Anfänge? der
christlichen Geschichtsschreibung, 2005, Berlin, S. 166)
a) Inhalt
In dem Werk von Artapanus steht nicht der Gesetzgeber Mose im Vordergrund, sondern vielmehr Mose
als ein Held des jüdischen Volkes. Mose wird in den Schriften als der Kulturbringer für die Ägypter
porträtiert. Die Juden verdanken ihm die Errungenschaften, wie den „Schiffsbau,
Steinhebevorrichtungen, Waffen, Kriegs- und Bewässerungsmaschinen. Zudem wird Mose die Einteilung
des Landes in 36 Bezirke zugeschrieben sowie die Erfindung der Philosophie und die Belehrung der
ägyptischen Priester in der Verwendung der Bildzeichen. Durch diese Verdienste erhält Mose große
Anerkennung beim Volk. Aus diesem Grund wird der Stiefvater, Chenephren, missgünstig und versucht
Moses auf unterschiedliche Weise zu töten. Die Erzählung endet schließlich in der Wüste in den Schriften
von Artapanus damit, dass eine freie Nacherzählung der zehn Plagen sowie einer Andeutung über die
vierzig Jahre aufgeführt wird.
(Vgl. Ego, Beate: Mose im Judentum. In: Böttrich, Christfried; Ego, Beate; Eissler, Friedmann:
Mose im Judentum, Christentum und Islam, 2011, Göttingen, S. 31ff.)
Ein Augenmerk auf die Texte von Artapanus muss auf seine Schreibweise gelegt werden. In den
Beschreibungen über Mose werden immer wieder stark wunderhafte bzw. magische Momente in den
Vordergrund gestellt. Auffallend ist auch mit welcher Unbefangenheit Artapanus Mose mit der
ägyptischen Religion in Verbindung bringt. Er hat z. B. jedem Bezirk von den 36 einen Gott zugewiesen.
Zudem hat er Mose auch als Lehrer des Orpheus (in der griechischen Literatur ist Orpheus Kulturstifter)
beschrieben. Aus diesem Grund sind sowohl Ägypter als auch Griechen Gefolgsleute von Mose.
(Vgl. Ego, Beate: Mose im Judentum. In: Böttrich, Christfried; Ego, Beate; Eissler, Friedmann:
Mose im Judentum, Christentum und Islam, 2011, Göttingen, S. 33f.)
b) Position
Der Sinn des Textes von Artapanus muss vor dem sozio-historischen Hintergrund betrachtet werden. Die
Juden der ägyptischen Diaspora hatten ein negatives Image. Sie wurden als ein Volk von Außenseitern
und fragwürdigen Existenzen wahrgenommen. In der Zeit 300 v. Chr. war der Exodus nichts anderes als
eine Vertreibung des jüdischen Volkes, das allein durch ihre bloße Gegenwart den Ägyptern großen
Schaden bereitete. Z. B. interpretierten die Ägypter die Pestlage in dem Land als Ausdruck des Zornes der
Götter, weil der Kult des Landes durch die vielen Fremden gestört wird. (Ego, ebd.)
Folglich wird Mose in der Darstellung von Artapanus positiv im Bezug auf seine Weisheit und seinen Mut
gezeigt, wobei die Juden in einem negativen Licht erscheinen. Vorgeworfen wird ihnen, dass sie eine
Lebensweise führen, die einen Gegensatz zur Menschlichkeit und Gastfreundschaft bildet. (Ego, aaO. 34)
2.1.2 Philo von Alexandrien
Der jüdische Religionsphilosoph Philo von Alexandrien musste auch, wie Artapanus, den Platz des
Judentums in seiner Umgebung sichern und verteidigen. Die Juden wurden in der Zeit von Gaius Caligula
(37 - 41 n. Chr.) gezwungen, zum Zeichen an seine Allmacht, Standbilder in der Synagoge aufzustellen.
Die Juden taten dies aber nicht, was zu gewaltigen Auseinandersetzungen führte. Erst nach Gaius
Ermordung gebot der Nachfolger den Juden Sonderrechte. Dies führte aber nicht zu einer entspannten
Situation zwischen den Volksgruppen.
Weblink: Miletto, Gianfranco. "Philo von Alexandrien." Deutsche Bibelgesellschaft, 2009.
www.wibilex.de/stichwort/philo_von_alexandrien
Philo verfasste zahlreiche Werke, in denen er immer wieder die biblischen Schriften kommentiert und
interpretiert. Sein Augenmerk lag auf der Art und Weise seiner Bibelauslegung. Denn neben
paraphrasierenden Nacherzählungen erfolgte auch eine allegorische Auslegung der Bibeltexte. Diese Art
der Auslegung hat sich Philo von der griechischen Denkwelt zunutze gemacht. Das war zu der Zeit eine
klassische Methode, da die alten Mythen der griechischen Götter nicht mehr zeitgemäß waren. Es
entwickelte sich ein System ab dem 3 Jh. v. Chr., das die alten Erzählungen im übertragenden Sinne als
Hinweise auf tiefgreifende, abstrakte Prinzipien gelesen werden konnte. Philos Werk ist als eine
Synthese von jüdischer, biblischer Tradition mit griechischer Kultur anzusehen. Folglich entsteht eine
Legitimation seiner Schriften auf allen drei Seiten.
a) Inhalt
Philo beschreibt Mose als vollkommenen Führer, der vier Berufungen aufweist: Er ist König, Gesetzgeber,
Priester und Prophet. Mose ist eine idealisierte Figur, mit der Philo im Kontext versucht das jüdische
Gesetz als das alleingültige Gesetz darzustellen. Es wird in dem Text deutlich, dass Mose eine Synthese
aller menschlichen Weisheit versinnbildlicht. Ein weiterer Aspekt ist, dass Philo bestimmte Ereignisse in
der Mosegeschichte rationalisiert. Z. B. erklärt er, dass die Plagen gleichsam naturwissenschaftlich vor
dem Hintergrund der griechischen Kosmologie und ägyptischer Gegebenheiten hervorgerufen wurden
und setzte sich damit von dem Sensationalismus ab. (Vgl. Ego, Beate, aaO., S. 35ff.)
Deutlich wird bei der Gestalt Moses als Philosoph und König zugleich, dass in seine Charakterisierung
Traditionen aus der griechischen Philosophie eingeflossen sind. Schon für Plato war die Verbindung
zwischen Philosophie und Königtum das Wesentliche. Des Weiteren bezeichnet Philo Mose als
Gesetzgeber. Seine Gesetze sind allen Gesetzen überlegen, die wie von der Natur selbst mit einem Siegel
gezeichnet sind und fortbestehen. Mit dieser Aussage unternimmt Philo den großen Schritt, die jüdische
Tora mit dem allgemeinen Naturgesetz zu identifizieren. Des Weiteren wird Moses als Hoher Priester bei
Philo beschreiben. In einem Teil steht sogar, dass Moses seinen Bruder Aaron zum amtierenden Hohen
Priester einsetzt. Die Berechtigung, Mose als Prophet zu bezeichnen, zieht Philo daraus, dass er Mittler
der Gottesworte sei und in einem so engen Verhältnis zu ihm steht, dass er diesen auch direkt befragen
kann. Des Weiteren zeigt sich seine prophetische Gabe auch darin, dass Mose sogar seinen Tod
vorausschauen kann. (Vgl. Miletto, Gianfranco, aaO.)
b) Position
Die Darstellung des Mose erinnert bei Philo an die antike Form der Aretologie (Lehre von der Tugend).
Diese Art der positiven Darstellung der Mosefigur ist mehr als nur eine Ausschmückung der biblischen
Texte. Dies wird deutlich, wenn man sich die Haltung Philos zum jüdischen Gesetz vor Augen hält. Denn
Philos Anliegen war es zu verdeutlichen, dass das jüdische Gesetz keineswegs eine nur für das jüdische
Volk geltende partikulare Größe darstellt, sondern von allgemeingültiger bzw. universeller Bedeutung ist.
Aus diesem Grund identifizierte Philo die jüdische Tora mit dem allgemeinen Naturgesetz. Denn nur die
Natur ist, nach der Auffassung stoischer und mittelplatonischer Gedanken, die göttlich geschaffene
Ordnung und damit als Richtschnur für das menschliche Handeln zu sehen. (Vgl. Ego, Beate, aaO., S.
35ff.)
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Darstellung der Mosefigur von Philo als eine Art
Verlebendigung des Gesetzes gedacht war. Sein Leben diente als Veranschaulichung des Gesetzes.
2.1.3 Josephus
Eine Fortsetzung der Mosefigur nach Philo erarbeitete der jüdische Geschichtsschreiber Josephus, der im
1. Jh. n. Chr. in Palästina lebte und den ersten Jüdischen Krieg sowie die Zerstörung des Jerusalemer
Tempels miterlebte. Auch ihm war es ein Anliegen, das jüdische Volk positiv darzustellen. Josephus war
Befehlshaber im Jüdischen Krieg gegen Rom; nach seiner Gefangennahme schrieb er vor allem für die
Gebildeten in Italiens Hauptstadt. Er wollte ihnen mit seinen Schriften beweisen, dass sein Volk ein
hohes kulturelles Niveau besitzt und keineswegs ein Volk von gewalttätigen Fanatikern ist.
a) Inhalt
Zwei Werke von Josephus, die „Antiquitates Judaicorum“ (= „Jüdische Altertümer“) und „Contra
Apionem“, zeigen in den 90er Jahren in Rom, dass Mose auch bei ihm der ideale Gesetzgeber ist. Dies ist
auch eng mit dem Prophetenamt verbunden, da er dem Volk Gottes Worte überbringt. Zudem ist Mose
ein idealer militärischer Führer. Dies wird in der Erzählung vom Feldzug gegen die Äthiopier deutlich –
wo darauf Wert gelegt wird, dass der Feldzug in der Selbstbehauptung gegen den äthiopischen Aggressor
begründet war. Der Unterschied zwischen Josephus und Philo besteht darin, dass er Mose nie als König
oder als Priester bezeichnet. Trotzdem findet man bei Josephus auch eine zunehmende Idealisierung der
Überlieferung: Die Geschichte vom goldenen Kalb wird weggelassen sowie der Totschlag des Ägypters.
Des Weiteren berichtet Josephus, dass der kurze Krieg mit der Heirat zwischen Mose und der Tochter
des äthiopischen Königs beendet worden sei. Festzustellen ist noch, dass Josephus eine Dramatisierung
als Erzählstils bevorzugt. Nach der biblischen Überlieferung wird nämlich nur in Ex 17,4 davon erzählt,
dass das Volk Mose steinigen wollte. Josephus nennt in seinen Texten aber drei Ereignisse, bei denen das
Volk Mose steinigen wollte: am Roten Meer, in Elim und bei der Rückkehr der Kundschafter. Dies rührt
daher, dass in der damaligen Zeit schon ein regelrechter Mosekult herrschte, dem Josephus
entgegenwirken wollte, auch indem er schrieb, dass Mose gestorben sei und nicht bei seinem Tod von
einer Wolke bedeckt wurde. (Vgl. Ego, Beate, aaO., S. 41ff.)
b) Position
Die Schrift „Antiquitates“ von Josephus zeigt eine biografische Nacherzählung des alttestamentlichen
Stoffes, die auch einige nachbiblisch entstandene Stoffe aufweist. Das Werk ist als ein Lebensbericht
über Mose zu verstehen, der sich explizit an die Griechen wendet. Hintergrund der Darstellung ist, dass
Josephus damals als Romgünstling und Verräter bezeichnet wurde. Die Mose-Figur wird in dem Werk
„Antiquitates“ zum Schauplatz des Konflikts zwischen dem Judentum und seiner Umwelt.
2.2 Mose im Judentum: Hinführung zu den rabbinischen Schriften
Für die Gläubigen des Judentums sind die Heilsgeschichte (halacha) und der göttliche Wille, wie er sich in
der schriftlichen und mündlichen Tora ausdrückt, von autoritativer Bedeutung. Weiterhin ist es wichtig
zu erwähnen, dass Mose neben Jesus und Mohammed eine der wichtigsten Gestalten monotheistischer
Weltreligionen, d.h. des Judentums, des Christentums und des Islams ist. In der jüngsten Literatur, wird
Mose als „Leitsymbol von Humanität, Sittlichkeit und der Menschenrechte“ gesehen. (Otto, Eckart:
Mose. Geschichte und Legende, Verlag C.H. Beck, München 2006.)
2.3 Tora, Tanach, Mischna und Talmud
Im folgenden werden kurz einige wichtige Begriffe bezüglich der jüdischen Schriften geklärt, um den
Aufbau der jüdischen Schriften besser nachvollziehen zu können.
Der Begriff Tora bezeichnet im engeren Sinn die sogenannte „schriftliche Tora“, die fünf Bücher Mose
(Pentateuch). Die fünf Bücher Mose sind auch bekannt als die Bücher
(1) Genesis (heb. Bezeichnung: Bereschit)
(2) Exodus (heb. Bedeutung: Schemot)
(3) Levitikus (heb. Bezeichnug: Wajikra)
(4) Numeri (heb. Bezeichnung: Bamidbar)
(5) Deuteronomium (heb. Bezeichnung: Debarim).
Die „mündliche Tora“ dagegen ist die fortgesetzte Auslegung der schriftlichen Tora. Sie ist zum Teil
ebenfalls schon schriftlich fixiert, sie umfasst nämlich die Mischna und die Gemara (Kommentar zur
Mischna), die zusammen den Talmud („Belehrung“ oder „Studium“) bilden. Die Mischna ist in sechs
Ordnungen, 63 Traktate und 525 Kapitel unterteilt:
1) die Vorschriften zu den Fest- und Feiertagen
2) die Gebete und Gesetze zur Landwirtschaft
3) die Ehe und Familiengesetzgebung
4) das Zivil und Strafrecht
5) die Opfer und Schlachtbestimmungen
6) die Reinheitsbedingungen
2.4 Mose in der rabbinischen Literatur
Zunächst einmal ist es wichtig zu erwähnen, dass das Judentum eine monotheistische Religion ist, die
keine anderen Götter erlaubt. Himmel und Erde wurden laut Genesis von Gott geschaffen und Mose war
der Prophet Gottes. Laut Überlieferung übergab Gott den Juden die Tora sehr gerne, d.h. mit größter
Freude, da die Juden als Gottes auserwähltes Volk gesehen werden. Im Judentum wird davon
ausgegangen, dass das messianische Zeitalter, d.h. die Zeit, in der der Messias die Juden von ihrem Leid
befreit und eine gute Zeit für die Juden anbricht, beginnen wird, wenn Gott sein Volk von den Leiden in
Ägypten erlöst und alle Juden in das Gelobte Land, d.h. nach Israel, führt. Dass die Glaubensvorschriften
seit Moses Zeit unverändert überliefert worden sind, ist eine Grundannahme des Judentums und seit
jeher ist auch der enorme Glauben an die Beständigkeit der Auslegungsprinzipien von immenser
Bedeutung.
In der rabbinischen Tradition trägt Mose den Beinamen „Mosche Rabbenu“, was so viel wie unser Lehrer
Mose bedeutet. Im Midrasch Shemot Rabba wird gegenüber dem biblischen Text die Fürbitterrolle des
Mose immer wieder hervorgehoben. Dass Mose mit Israel leidet und die Leiden Israels auf sich nehmen
kann, bietet eine tröstende Funktion, da Israel sich dadurch im Klaren darüber sein kann nicht alleine zu
sein und das Leid mit jemandem teilen zu können. Desweiteren beschreiben die rabbinischen Texte
Mose ebenfalls als Vorbild und zukünftigen Erlöser. (C. Böttrich, B. Ego, F. Eißler: Mose: In Judentum,
Christentum und Islam. Vandenhoeck&Ruprecht, Göttingen, 2010, S. 53.)
Es gibt eine Vielzahl von Einzelüberlieferungen, die sich mit Mose beschäftigen und schaut man sich
diese genauer an, wird schnell deutlich, dass man ebenfalls auf die Bedeutung Moses als Gesetzgeber
verweisen muss, denn dabei kann man erkennen, „dass der Empfang der Tora als ein Verdienst des Mose
angesehen werden kann.“ (ebd.) Denn Mose sieht sich in dem Moment, als er in die Höhe steigt, um die
Tora von Gott in Empfang zu nehmen, mit einer tödlichen Bedrohung konfrontiert, denn die Engel,
welche in der rabbinischen Literatur weitestgehend negativ dargestellt werden, sind eifersüchtig, weil
die Tora vom Himmel auf die Erde übergehen soll und zwar direkt nach Israel. Hätte Mose in diesem
Moment, d.h. einem Moment höchster Gefahr, keine Zuflucht vor dem göttlichen Thron gefunden, wäre
es den eifersüchtigen und missgünstigen Engeln ein leichtes gewesen ihn in die Tiefe zu reißen und die
Übergabe der Tora zu verhindern.
Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass Mose als der Verfasser des Pentateuchs gilt. In
diesem Zusammenhang wird allerdings darauf hingewiesen, dass die letzten acht Verse nicht von ihm,
sondern von Joshua geschrieben worden sind, da diese acht Verse von Moses Tod erzählen
(Babylonischer Talmud, Baba Bathra 14b). Es gibt einen besonders berühmten Kernsatz, der diese
Aussage bzw. Annahme bekräftigt, den man in Mischna Avot 1,1 findet, denn hiernach hat „ Mose die
Tora vom Sinai empfangen ... und hat sie über eine Kette von Traditionsträgern wie Josua und die
Propheten ... bis auf den heutigen Tag rabbinischer Schriftauslegung weitergebenen.“ (C. Böttrich, B.
Ego, F. Eißler: Mose: In Judentum, Christentum und Islam. Vandenhoeck&Ruprecht, Göttingen, 2010, S.
54.)
Dadurch, dass die Priester, die in der Zeit des zweiten Tempels eine bedeutende Rolle inne hatten, in
diesem Zusammenhang nicht erwähnt werden, wird schnell deutlich, dass die rabbinische Bewegung ihre
Wurzeln nicht bei den Priestern sieht, sondern in den Kreisen der Schriftgelehrten. Wenn man das
rabbinische Verständnis der Tora, d.h. die mündliche und schriftliche Art betrachtet, wird deutlich, dass
beide ihre Autorität von Mose ableiten. Ohne die mündliche Tradition wäre das Überleben des
Judentums nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels undenkbar gewesen, wobei diese mit einer
großen Autorität ausgestattet wird. Letztlich aber wird erkennbar, dass die Tora das Ergebnis eines
historischen Prozesses ist.
3. Resümee unter Berücksichtigung der jüdischen Liturgie
In der biblischen und nachbiblischen Mosetradition wurden unterschiedliche Überlieferungen
beleuchtet. Es wurde deutlich, dass etliche Elemente der biblischen Überlieferung sich über die
Jahrhunderte hinweg durchgezogen haben. Mose ist als Gestalt für das Judentum bis heute eine
Erinnerungsfigur, die in dem jüdischen Glauben ständig präsent ist, z. B. werden rabbinische Texte bis
heute in den Toraschulen gelesen, beim Morgengebet wird täglich das Jigdal gesprochen, ein Gebet, in
dem einzig Mose als menschliche Person genannt wird. Auch im Gottesdienst ist Mose ein ständiger
Begleiter, fast 90 Prozent des Jahres ist Mose ein Teil davon. Als letztes ist noch mit anzuführen, dass
Mose eine große Rolle bei Festen im Judentum spielt: Das Passah- und Wochenfest sowie das Fest der
Toragabe. Mose wird bei diesen Festen als der größte aller Propheten gepriesen, was durch zahlreiche
Gebete unterstützt wird. Dabei wird offensichtlich, dass Mose, als Hirte Israels, Gottes Werkzeug ist, der
dem Volk die Tora als Grundlage seiner Existenz vermittelt und er allein es war, der mit Gott in Kontakt
getreten ist. Folglich symbolisiert die Mosefigur die gnadenhafte Zuwendung Gottes zu seinem Volk.
4. Literaturverzeichnis
Becker, Eve-Marie (Hrsg.): Die antike Historiographie und die Anfänge der christlichen
Geschichtsschreibung, 2005, Berlin.
Böttrich, Christfried; Ego, Beate; Eissler, Friedmann: Mose im Judentum, Christentum und Islam, 2011,
Göttingen.
Bundeszentrale für politische Bildung: Jüdisches Leben in Deutschland, in: Informationen zur politischen
Bildung, Helft 307, Februar 2010.
Ego, Beate: Mose im Judentum. In: Böttrich, Christfried; Ego, Beate; Eissler, Friedmann: Mose im
Judentum, Christentum und Islam, 2011, Göttingen.
Gibbons, Davis: Atlas des Glaubens. Die Religionen der Welt. Frederking & Thaler Verlag GmbH,
München 2006.
Miletto, Gianfranco: Atk. "Philo von Alexandrien." Wibilex. Deutsche Bibelgesellschaft, 2009.
Otto, Eckart: Mose. Geschichte und Legende, Verlag C.H. Beck, München 2006.
Wischmeier, Oda: Orte der Geschichte und Geschichtsschreibung in der frühjüdischen Literatur. In:
Becker, Eve-Marie (Hrsg.): Die antike Historiographie und die Anfänge? der christlichen
Geschichtsschreibung, 2005, Berlin.
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