Aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. G. Lehmkuhl Prädiktoren des Erfolges der stationären Therapie von Schulabsentismus bezüglich psychischer Auffälligkeiten Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von Maike Petermann aus Köln promoviert am 08. Mai 2013 Gedruckt mit der Genehmigung der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln 2013 Dekan: Universitätsprofessor Dr. med. Dr. h.c. Th. Krieg 1. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. sc. hum. M. Döpfner 2. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. med. Dr. phil. K. Vogeley Erklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Dissertationsschrift ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manuskriptes habe ich Unterstützungsleistungen von folgenden Personen erhalten: Universitätsprofessor Dr. sc. hum. Manfred Döpfner Dr. rer. medic. Daniel Walter Dr. rer. medic. Christopher Hautmann Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der vorliegenden Arbeit nicht beteiligt. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe einer Promotionsberaterin/eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertationsschrift stehen. Die Dissertationsschrift wurde von mir weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt. Köln, den 18. Juli 2012 Die Erarbeitung des Konzepts dieser Dissertation erfolgte unter Anleitung von Herrn Universitätsprofessor Dr. sc. hum. Manfred Döpfner und Herrn Dr. rer. medic. Daniel Walter, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln. Ein Teil der dieser Arbeit zugrunde liegenden Daten wurden von mir in Form einer postalischen Befragung an der vorliegenden Stichprobe erhoben. Zum Teil wurden die Daten auch von den jeweiligen Psychotherapeuten, mitwirkenden Diplomanden und Doktoranden der Universität zu Köln erhoben. Danksagung Zunächst danke ich Herrn Universitätsprofessor Dr. sc. hum. Manfred Döpfner für die Überlassung des Themas sowie für die hilfreiche und freundliche Betreuung. Außerdem danke ich Herrn Dr. rer. medic. Daniel Walter für die hilfreiche und freundliche Unterstützung. Mein Dank gilt auch Herrn Dr. rer. medic. Christopher Hautmann für die Unterstützung bei den statistischen Analysen. Weiterhin danke ich den Mitarbeitern der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln, im Besonderen den Mitarbeitern der Jugendstation 3 und den Teilnehmern der Forschungskonferenz. Schließlich danke ich meiner Familie und Freunden für die Unterstützung und den festen Glauben an den Abschluss dieser Arbeit. Meinen Eltern Inhaltsverzeichnis VII Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ................................................................................. 1 2. Theoretischer und empirischer Hintergrund ......................... 5 2.1. Definition von emotional bedingtem Schulabsentismus ...................... 5 2.2. Epidemiologie ........................................................................................... 6 2.3. Klassifikation und Erklärungsansätze .................................................... 7 2.4. Schulabsentismus und psychische Störungen ..................................... 9 2.5. Therapie von emotional bedingtem Schulabsentismus ...................... 11 2.6. Effektivität der Prädiktion von Schulabsentismus .............................. 16 3. Fragestellung der Untersuchung .......................................... 20 4. Methodik ................................................................................. 23 4.1. Stichprobenkriterien .............................................................................. 23 4.2. Stichprobenselektionsprozess.............................................................. 24 4.3. Behandlungskonzept ............................................................................. 25 4.4. Beschreibung der Stichprobe ............................................................... 28 4.4.1. Alter und Geschlecht......................................................................28 4.4.2. Intelligenz .......................................................................................29 4.4.3. Trennung der Eltern .......................................................................29 4.4.4. Diagnosen (ICD-10) .......................................................................30 4.4.5. Behandlungsdauer .........................................................................36 4.4.6. Besuchte Schulform .......................................................................36 4.4.7. Klassenwiederholungen und außerplanmäßiger Schulwechsel .....37 4.4.8. Schulabsentismus ..........................................................................37 4.5. Vorhandene Daten und Messinstrumente ............................................ 38 4.5.1. Hamburg-Wechsler-Intelligenztest .................................................38 4.5.2. Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche ...........................39 4.5.3. Child Behavior Checklist (CBCL) ...................................................39 4.5.4. Youth Self Report (YSR) ................................................................40 4.5.5. Lern- und Arbeitsverhalteninventar (LAVI) .....................................41 4.5.6. Angstfragebogen für Schüler (AFS) ...............................................41 4.5.7. Diagnostik-System für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter (DISYPS-KJ) ..............................................................41 Maike Petermann Inhaltsverzeichnis VIII 4.5.8. Composite Scores..........................................................................42 4.5.9. Schichtzugehörigkeit ......................................................................44 4.6. Umgang mit Missings ............................................................................ 45 4.7. Prädiktorvariablen .................................................................................. 46 4.8. Zielkriterien ............................................................................................. 47 4.9. Verwendete Verfahren der Datenanalyse ............................................. 48 5. Ergebnisse ............................................................................. 49 5.1. Korrelationskoeffizienten der Prädiktorvariablen ................................ 49 5.2. Hierarchische Regressionsanalyse mit dem Kriterium Composite Score K1 DISRUP-A (expansives Verhalten im Jugendlichenurteil) .. 51 5.3. Hierarchische Regressionsanalyse mit dem Kriterium Composite Score K1 DISRUP-P (expansives Verhalten im Elternurteil) ............... 54 5.4. Hierarchische Regressionsanalyse mit dem Kriterium Composite Score K1 ANDEP-A (Angst und Depression im Jugendlichenurteil) . 57 5.5. Hierarchische Regressionsanalyse mit dem Kriterium Composite Score K1 ANDEP-P (Angst und Depression im Elternurteil) .............. 59 6. Diskussion .............................................................................. 61 7. Zusammenfassung ................................................................ 67 8. Literaturverzeichnis ................................................................ IX 9. Anhang ................................................................................... XX 9.1. Abbildungsverzeichnis ......................................................................... XX 9.2. Tabellenverzeichnis ............................................................................. XXI 10. Lebenslauf ............................................................................ XXII Maike Petermann Einleitung 1 1. Einleitung Ein regelmäßiger Schulbesuch mit einem regelhaften Schulabschluss ist eine wichtige Voraussetzung für das gesellschaftliche Bestehen des Heranwachsenden im Hinblick auf die berufliche, finanzielle und soziale Zukunft. Von den etwa 10 Millionen Schülern in Deutschland schaffen es circa fünf Prozent nicht, regelmäßig die Schule zu besuchen (Buhse und Fileccia 2003). Chronisches Fernbleiben vom Unterricht ist nicht nur häufig mit einem Abbruch der Schule verbunden, sondern unter anderem auch mit einem erhöhten Auftreten von Delinquenz (Kearney 2008). Ein fehlender Schulabschluss erschwert den Erhalt eines Ausbildungsplatzes und somit den Einstieg in eine beständige Erwerbstätigkeit (Reißig 2001). Es gibt vielfältige Ursachen für die Schüler, der Schule fernzubleiben, unter anderem kann entschuldigtes Fehlen vorliegen, beispielsweise krankheitsbedingtes Fehlen, zum anderen das unentschuldigte Fernbleiben (Kearney 2004). Man unterscheidet die dissozial bedingten Schulverweigerer, die sogenannten Schulschwänzer, (Jans & Warnke 2004) von den Schülern, die aufgrund emotionaler Störungen und Belastungen (soziale Ängste und depressive Verstimmungen etc.) die Schule nicht mehr besuchen können (Egger et al. 2003). Die Übergänge zwischen den verschiedenen Arten von Schulabsentismus können fließend sein. Je nach Schweregrad der Problematik kann es bei den Jugendlichen zu langen Phasen des kompletten Schulabsentismus kommen. (King & Bernstein 2001). Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Untersuchung möglicher Prädiktoren des Erfolges der stationären Therapie bezüglich psychischer Auffälligkeiten. Bei psychischen Störungen, die mit Schulabsentismus assoziiert sind, handelt es sich in erster Linie um Angststörungen, depressive Störungen und Störungen des Sozialverhaltens (Kearney 2008). Es gibt zahlreiche Belege für die Wirksamkeit der verhaltenstherapeutischen Intervention bei den mit Schulabsentismus assoziierten Störungsbildern, zum Beispiel externalisierende Störungen (Eyberg et al. 2008, McCart 2006). Es bleibt jedoch unberücksichtigt, bei welchen Patienten im Speziellen die Therapie hilft. Es stellt sich die Frage, ob es bestimmte Faktoren gibt, die verantwortlich für die unterschiedlichen Therapieerfolge sind. Von der Conduct Problems Prevention Group (CPPRG) wurden einige Prädiktoren identifiziert welche Maike Petermann Einleitung 2 mit dem Erfolg der Behandlung von Verhaltensstörungen assoziiert sind (Conduct Problems Prevention Group 2002). Es wurde festgestellt, dass die Signifikanz der einzelnen Prädiktoren je nach Outcome Kriterium variieren kann, man also die Wichtigkeit eines Prädiktors nicht generell benennen kann. Es gibt kontroverse Studienlagen zu einigen Prädiktoren, die Conduct Problems Prevention Group hat in Bezug auf das Geschlecht herausgefunden, dass Mädchen ein besseres Outcome haben als Jungen, wohingegen Hawkins et al. 1991 berichten, dass Jungen ein besseres Outcome hätten als Mädchen. Hinsichtlich des Schweregrades von externalisierendem Verhalten als Prädiktor für den Erfolg der Therapie gibt es ebenso kontroverse Studienlagen. Auf der einen Seite zeigen Studien, dass Kinder mit gravierenderem externalisierendem Verhalten häufiger eine größere Veränderung in ihrem Verhalten durchleben (Hemphill et al. 2006, Reid et al. 2004, Stoolmiller, 2000); auf der anderen Seite gibt es Studien die berichten, dass Kinder mit weniger schwerem externalisierendem Verhalten sich stärker veränderten (Kazdin et al. 2000). Auch bei Betrachtung der sozioökonomischen Schicht als potentieller Prädiktor präsentieren die vorhandenen Studien unterschiedliche Ergebnisse. Manche Studien zeigen bei benachteiligten Familien größere Veränderungen, sie somit stärker von der Behandlung profitieren (MacKenzie et al. 2004). Andere Studien jedoch berichten von Familien aus weniger gut gestellten sozioökonomischen Schichten, die keine Veränderungen durch die Therapie erfuhren (van Bokhoven 2005). Komorbidität als Prädiktor wurde in mehreren Studien untersucht, aber auch da lässt sich kein einheitliches Ergebnis finden. Ollendick und Mitarbeiter (2008) berichten, dass Komorbidität bei den meisten Studien, die dieses Thema behandeln, keinen Einfluss auf den Erfolg der Therapie hat. Beauchaine und Mitarbeiter (2005) haben herausgefunden, dass Angststörungen und Depression als Begleiterkrankungen in einem positiven Zusammenhang mit dem Erfolg der Therapie stehen. Seit 2004 gibt es an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln eine Station, die speziell Jugendliche mit Schulabsentismus behandelt. Erste Hinweise für die Wirksamkeit der hier durchgeführten multimodalen stationären Kurzzeittherapie mit kog- Maike Petermann Einleitung 3 nitiv-verhaltenstherapeutischem Ansatz liegen vor (Walter et al. 2005, Ziegert 2006). Es hat sich gezeigt, dass chronischer Schulabsentismus ein Risikofaktor für psychiatrische Erkrankungen im Erwachsenenalter darstellt (Tramontina et al. 2001). Um einer Chronifizierung der Problematik und einer Gefährdung der psychosozialen Entwicklung der betroffenen Schüler vorzubeugen, ist eine zügig einzuleitende professionelle Behandlung notwendig (Elliot, 1999). Tritt durch einen ambulanten Therapieversuch keine Besserung der Problematik ein, so ist eine stationäre Therapie indiziert (Lauchlan 2003). Die Behandlung von Jugendlichen mit schulverweigerndem Verhalten setzt ihren Fokus auf die den Schulabsentismus begleitenden Symptome, insbesondere Ängste und Depressionen, aber auch Störungen des Sozialverhaltens. Es liegen klinische Studien vor, die den kognitiv-verhaltenstherapeutischen Therapieansatz hinsichtlich ihrer Wirksamkeit belegen (Kearney 2008, Pina et al. 2009). Schulabsentismus ist oft mit verminderten schulischen Leistungen, Familienproblemen und Beziehungsschwierigkeiten zu Gleichaltrigen bis hin zur sozialen Isolation verbunden (Last et al. 1990, King et al. 2001). Ferner müssen Schüler mit länger anhaltendem Schulabsentismus im weiteren Verlauf ihres Lebens mit beruflichen und damit auch finanziellen Einschränkungen rechnen, weil sie in der Regel einen niedrigen oder gar keinen Schulabschluss absolvieren (Hibbett et al. 1990). An einer Stichprobe von 147 Probanden, die an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des Klinikums der Universität zu Köln stationär behandelt wurden, werden potentielle Prädiktoren für den Erfolg der stationären Therapie hinsichtlich der psychischen Auffälligkeiten untersucht. Die Prädiktoren beinhalten sowohl Patientenmerkmale, als auch Merkmale der Familie sowie Störungsmerkmale und Therapiemerkmale. Die Bestimmung der Prädiktoren soll helfen die Therapieformen zu optimieren und auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen. Zu den untersuchten Variablen gehören soziodemographische Variablen wie Geschlecht, Alter und die besuchte Schulform, außerdem das Vorliegen einer Diagnose der Achse 1 nach DSM-V (Depression, Angst, Störung des Sozialverhaltens oder andere) und Variablen die psychische Auffälligkeiten der Jugendlichen zu Behandlungsbeginn darstellen, sowie Fehlstunden auf dem letzMaike Petermann Einleitung 4 ten Zeugnis und zu Composite Scores zusammengefasste Störungen. Um den Therapieumfang beurteilen zu können wurde die Dauer der Therapie als Prädiktor genutzt. Maike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 5 2. Theoretischer und empirischer Hintergrund 2.1. Definition von emotional bedingtem Schulabsentismus Um emotional bedingten Schulabsentismus zu definieren, kann man nicht auf bekannte Klassifikationssysteme für psychische Störungen, das DSM-IV (Saß et al. 2003) oder Teile der ICD-10 (World Health Organisation 2000) zurückgreifen. Emotional bedingter Schulabsentismus ist keine umschriebene psychische Störung oder diagnostische Entität (Jans et al. 2004). Daher findet man in den genannten Klassifikationssystemen keine eigene diagnostische Kategorie für Schüler, die Probleme mit dem regelmäßigen Schulbesuch haben. Schulverweigerung tritt in den Klassifikationssystemen (ICD-10 und DSM-IV) lediglich als Symptom verschiedener Krankheitsbilder auf, z. B. bei der „Emotionalen Störung mit Trennungsangst im Kindesalter“ (ICD-10: F93.0), bei phobischen Störungen (ICD-10: F40.-), bei der „Störung des Sozialverhaltens“ (ICD-10: F91.-) oder einer Anpassungsstörung(ICD-10: F43.-) (Saß et al. 2003; Dilling et al. 2006). Es gibt keinen internationalen Konsens der Nomenklatur von Schulabsentismus. Im alltäglichen Gebrauch gibt es eine Vielzahl von Begriffen, die den Umstand beschreiben, dass ein Schüler die Schule nicht regelmäßig oder gar nicht besucht. Es wird von Schulverweigerung, Schulflucht, Schulschwänzen, Schulmüdigkeit, Schulverdrossenheit und Schulphobie gesprochen, um nur einige der gängigen Begriffe zu nennen (Reißig 2001, Ziegert 2006). Um neutral beschreiben zu können, dass ein Schüler die Schule nicht besucht, wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff Schulabsentismus verwendet. Es werden weder Annahmen über die Gründe gemacht noch wird die willentliche Entscheidung des Jugendlichen impliziert (Walter et al. 2005). Durch den Zusatz „emotional bedingt“ wird der Begriff spezifiziert und es somit verdeutlicht, dass bei dieser Form des Schulabsentismus emotionale Beeinträchtigungen des Schülers oder ein mit der Schule in Zusammenhang gebrachter emotionaler Stress eine wichtige auslösende oder aufrechterhaltende Rolle spielt. Klinisch-psychiatrische Diagnosen, die im Zusammenhang mit emotional bedingtem Schulabsentismus auftreten können, sind sowohl Ängste, Depressionen, Anpassungsstörungen als auch kombinierte introversive und expansive Störungen (Egger et al. 2003). Maike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 6 Der emotional bedingte Schulabsentismus steht in Abgrenzung zu dem Schulabsentismus, bei dem eine emotionale Beeinträchtigung oder emotionaler Stress als ein Grund für die Schulabwesenheit des Schülers gänzlich ausgeschlossen werden kann, dem Schulabsentismus, der ausschließlich durch eine körperliche Erkrankung bedingt ist oder dem Schulabsentismus der rein expansiv ist. 2.2. Epidemiologie Die Vergleichbarkeit epidemiologischer Studien ist wegen des fehlenden Konsenses zu Definition und Nomenklatur des Schulabsentismus sehr schwierig. Im Folgenden werden einige Hinweise auf die Verbreitung von Schulabsentismus betrachtet. In einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung und der Hertie-Stiftung aus dem Jahr 2002 zeigt sich, dass circa eine halbe Million Schüler in Deutschland regelmäßig den Unterricht schwänzen. Das sind etwa fünf Prozent der insgesamt knapp zehn Millionen Schüler in Deutschland (Buhse et al. 2003). Da in dieser Studie Schulabsentismus nicht weiter differenziert wurde, befinden sich unter diesen fünf Prozent sowohl Schüler mit emotional bedingtem Schulabsentismus als auch mit dissozialer Schulverweigerung. Schulabsentismus kann in jedem Alter in Erscheinung treten, trotzdem werden Häufigkeitsgipfel in bestimmten Altersstufen beschrieben. Es tritt sowohl zwischen dem fünften und sechsten Lebensjahr sowie dem zehnten und elften Lebensjahr eine Zunahme des schulverweigernden Verhaltens (Ollendick et al. 1984) auf. In diesen Altersstufen müssen die Kinder die Einschulung bewältigen und später den Übergang in die weiterführende Schule meistern. In der Mannheimer Längsschnittstudie von 1993 fanden Esser und Mitarbeiter heraus, dass 0,9 % der 8-jährigen Mädchen und 1,9 % der gleichaltrigen Jungen eine „Schulangst“ oder eine „Schulphobie“ zeigten. Im Alter von 13 Jahren waren es bei den Mädchen 5 % und bei den Jungen 6,5 %. Heyne und Mitarbeiter (2001) berichten, dass 1% der Schüler im ersten und zweiten Schuljahr schulabsentes Verhalten aufwiese. King und Mitarbeiter (2001) zufolge gibt es keine geschlechterspezifischen Unterschiede und keinen Zusammenhang zwischen schulverweigerndem Verhal- Maike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 7 ten und der sozio-ökonomischen Schicht, aus der die Jugendlichen kommen. Im Gegensatz dazu fanden Wagner und Mitarbeiter (2004) heraus, dass Schulschwänzen bei Jungen etwas häufiger auftritt als bei Mädchen. Ferner konnte beobachtet werden, dass eine angespannte sozio-ökonomische Situation der Eltern, eine distanzierte Eltern-Kind-Beziehung und das Aufwachsen in einer unvollständigen Familie Risikofaktoren für das Schulschwänzen sind (Wagner et al. 2004). 2.3. Klassifikation und Erklärungsansätze Das Phänomen der Schulverweigerung ist schon lange bekannt. Broadwin erwähnte 1932 als erster eine Form der Schulverweigerung, die sich vom dissozialen Schulschwänzen unterscheidet. Er berichtete von einem Jungen, der nicht zur Schule ging, aus Angst, seiner Mutter könne in seiner Abwesenheit etwas zustoßen. Um zu beschreiben, dass ein Schüler die Schule wegen Trennungsangst nicht besucht, nutzten Johnson und Mitarbeiter (1941) den Begriff „school phobia“. Damit wurde ein Begriff eingeführt, der es zulässt, die Formen der Schulverweigerung zu unterscheiden. Im Laufe der Zeit zeigte sich, dass andere Ängste neben der Trennungsangst mit Schulabsentismus assoziiert sind, wie etwa soziale Ängste, Leistungsängste. Für diese Form des Schulabsentismus setzte sich in der angloamerikanischen Literatur der Begriff „school refusal“ durch. Der Begriff „school phobia“ wurde als Überbegriff für alle Formen des Schulabsentismus beibehalten, bei denen die Schüler mit Wissen der Eltern der Schule fernblieben (Overmeyer et al. 1995, Ihle et al. 2003). In Deutschland orientiert man sich an diesen Begriffen, auch hier wird der Begriff „Schulphobie“ verwendet, wenn es sich in erster Linie um trennungsangstbedingten Schulabsentismus handelt. Sobald andere Ängste mit der Schulsituation in Zusammenhang gebracht werden, z. B. soziale Ängste, spricht man von „Schulangst“ (Overmeyer et al. 1995). Wenn die Schulabwesenheit auf dissozialen Motiven begründet ist, spricht man von „Schulschwänzen“. Da die Übergänge zwischen den verschiedenen Formen des Schulabsentismus fließend sein können, kann man keine dichotome Kategorisierung vornehmen. Maike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 8 Es gibt viele Fälle, in denen eine Kombination von emotional und dissozial bedingtem Schulabsentismus vorliegt (Egger et al. 2003). Neben der ätiologischen Klassifizierung gibt es einen anderen Ansatz den Schulabsentismus zu klassifizieren, Kearney und Mitarbeiter (1993) haben den Schulabsentismus hinsichtlich seiner Funktion für den betroffenen Schüler betrachtet. Nach Kearney und Mitarbeitern (1993) gibt es vier Funktionen, die der Schulabsentismus für den betroffenen Schüler erfüllen kann: (1) Das Vermeiden negativer Effekte (2) Das Vermeiden aversiver sozialer Situationen oder Prüfungssituationen (3) Aufmerksamkeit suchendes Verhalten (4) Das Aufsuchen von positiv verstärkenden Situationen außerhalb der Schule Die unter (1) und (2) aufgeführten Funktionen werden durch das Prinzip der negativen Verstärkung aufrechterhalten, die unter (3) und (4) aufgeführten Funktionen durch das Prinzip der positiven Verstärkung (Kearney et al. 1990). Außerdem stellten Kearney und Mitarbeiter (2004) fest, dass Schulabsentismus, der durch negative Verstärkung zustande kommt, tendenziell mit internalisierenden Störungsbildern wie Angst und Depressionen in Verbindung steht. Das Aufmerksamkeit suchende Verhalten ist mit Trennungsangst assoziiert und das Aufsuchen von positiv verstärkenden Situationen außerhalb der Schule tendenziell mit Störungen des Sozialverhaltens (Kearney et al. 2004). Studien zur funktionellen Analyse von Schulverweigerung zeigten, dass viele Kinder und Jugendliche ein gemischt funktionales Profil des Schulabsentimus aufweisen (Kearney et al. 2004). Wegen der Heterogenität der Gründe beziehungsweise Funktionen des Schulabsentismus und der eventuell zugrundeliegenden klinisch-psychiatrischen Störungen der Betroffenen empfehlen Walter und Mitarbeiter (2007a) statt einer diskreten Betrachtung von psychopathologischen Kategorien die Untersuchung des Einflusses und des Zusammenwirkens unterschiedlicher psychopathologischen Faktoren und moderierender Bedingungen, die bei der Entwicklung von Schulabwesenheit eine Rolle spielen. Maike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 9 Zu den wichtigsten psychopathologischen Faktoren im Bereich des Schulabsentismus zählen nach Walter und Mitarbeitern (2007a): (1) depressiv-apathische Tendenzen (2) Leistungsängste (3) soziale Ängste (4) Trennungsängste (5) andere Ängste (z. B.: Panikstörung) (6) dissoziale Tendenzen Zu den moderierenden Faktoren, die auf den Schulabsentismus Einfluss nehmen können, gehören: (1) schulische Überforderung (2) Störungen im Arbeits- und Leistungsverhalten (3) umschriebene Entwicklungsstörungen in schulischen Fertigkeiten oder eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) (4) Bedingungen der Schule (5) Bedingungen des familiären Umfeldes Aufgrund der Vielfalt an Faktoren, die im Rahmen des Schulabsentismus mitwirken können, muss vor jeder Behandlung eine umfassende Diagnostik stehen. Dabei sollten kindbezogene, familiäre und schulbezogene Faktoren sowie ihre Wechselwirkungen exploriert werden, um eine individuell ausgerichtete Therapie zu planen (Walter et al. 2007a, Elliot 1999). 2.4. Schulabsentismus und psychische Störungen Es finden sich unterschiedliche Angaben zu der Fragestellung, wie viele Schüler mit schulabsentem Verhalten eine klinisch-psychiatrische Diagnose haben. Wobei Schulabsentismus das Symptom oder die Folge einer psychischen Erkrankung sein kann (Jans et al. 2004). In einer nichtklinischen Stichprobe von Schulverweigerern (n = 100) stellten Bools und Mitarbeiter (1990) fest, dass 50 % dieser Schüler Symptome eine klinisch-psychiatrischen Diagnose aufweisen. In dieser Studie zeigte sich, dass Maike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 10 bei Schülern, die als Schulschwänzer eingestuft wurden, häufig eine Störung des Sozialverhaltens diagnostiziert werden konnte. Bei Schülern, die aus Angst die Schule nicht besuchten, wurden häufiger Diagnosen aus dem Bereich der Angststörungen gestellt und bei Schülern mit einem Mischbild aus dissozial und angstbedingtem Schulabsentismus traten am häufigsten die Kriterien einer kombinierten introversiven und expansiven Störung auf. Im Gegensatz dazu fanden Egger und Mitarbeiter (2003) in der Schülerpopulation der Great Smoky Mountain Studie (n = 1422) heraus, dass nur 25 % der Schüler mit schulabsentem Verhalten die Kriterien einer klinisch- psychiatrischen Diagnose aufwiesen. Ähnlich der Studie von Bools und Mitarbeitern (1990) findet man auch hier bei den ängstlichen Schulverweigerern vor allem Trennungsängstlichkeit und depressive Störungen, bei den dissozialen Schulverweigerern Störungen des Sozialverhaltens und auch depressive Störungen. Von den Schülern mit einem Mischbild aus dissozial und ängstlich bedingtem Schulabsentismus erfüllten 88 % die Kriterien einer klinischpsychiatrischen Diagnose und zeigten sich somit am stärksten beeinträchtigt. Die Diagnosen stammten sowohl aus dem expansiven Störungskreis, wie hyperkinetische Störung und Störung des Sozialverhaltens, als auch aus dem emotionalen Formenkreis, wie Trennungsangst und Depression. McShane und Mitarbeiter (2001) fanden in einer klinischen Population (n = 192) von Jugendlichen mit schulabsentem Verhalten eine große Variationsbreite psychischer Störungen. Am häufigsten traten Angststörungen bei 54 % und affektive Störungen bei 52 % der Schüler auf. Ein kleinerer Anteil von 24 % der Schüler zeigte eine Störung mit oppositionellem Trotzverhalten. In 53 % der Fälle lag bei der Mutter und in 34 % der Fälle beim Vater eine psychiatrische Störung vor. Kearney und Mitarbeiter (2004) untersuchten eine ambulante Gruppe von n = 143 Jugendlichen im Alter von fünf bis 17 Jahren und fanden heraus, dass neben den bereits bekannten Diagnosen wie Angststörungen und Depressionen circa ein Drittel (32,9 %) keine Kriterien für eine psychiatrische Diagnose erfüllten. Tsujimoto und Mitarbeiter (2007) zeigten, dass in einer ambulanten Stichprobe von n = 52 Jugendlichen mit schulabsentem Verhalten bei 67,3 % von ihnen Maike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 11 eine somatoforme Störung diagnostiziert wurde und affektive Störungen bei 11,5 %. Prabhuswamy und Mitarbeiter (2007) fanden in einer kleineren ambulanten Stichprobe (n = 33) bei 87,9 % der Jugendlichen eine klinisch-psychiatrische Diagnose. Am häufigsten traten depressive Störungen mit 63,6 % und soziale Phobien mit 30,3 % auf. Häufig findet man bei Jugendlichen eine Vielzahl von Symptomen aus unterschiedlichen Störungsbereichen, die sich mit Hilfe der ICD-10 oder DSM-IV nur unzureichend abbilden lassen (Walter et al. 2005). Bei diesen Symptomen handelt es sich meist um Symptome aus dem Bereich des Selbstwerts und der schulischen Leistungsfähigkeit, außerdem treten sie häufig bei der Regulation von Affekten und Aktivitäten und bei Beziehungen zu Erwachsenen und Gleichaltrigen auf. Die Symptome, einzeln betrachtet, erfüllen meist nicht die Kriterien einer psychischen Störung nach den Diagnosesystemen ICD-10 oder DSM-IV, so dass der erhebliche Leidensdruck und die Funktionsbeeinträchtigung des Jugendlichen nur schwer veranschaulicht werden kann (Walter et al. 2005). Insgesamt lässt sich sagen, dass etwa 25 % (Egger et al. 2003) bis 50 % (Bools et al. 1990) der Schulabsentisten eine klinisch-psychiatrische Diagnose aufweisen. Am häufigsten finden sich im Zusammenhang mit Schulabsentismus Angststörungen, depressive Störungen, aber auch Störungen aus dem expansiven Formenkreis sowie kombinierte introversive und expansive Störungen. Die Schüler mit einem Mischbild aus dissozial und angstbedingtem Schulabsentismus zeigen sich in hohem Maß beeinträchtigt (Egger et al. 2003). Es gibt allerdings auch einen nicht unerheblichen Anteil an Jugendlichen, bei denen keine psychiatrische Diagnose gestellt wurde. Kearney und Mitarbeiter (2008) weisen auf die Möglichkeit hin, dass es sich bei Schulabsentismus um ein Symptom von Trennungsangst und Störungen des Sozialverhaltens handeln kann, und nicht um eine eigenständige Diagnose. 2.5. Therapie von emotional bedingtem Schulabsentismus Um eine gezielte therapeutische Intervention einzuleiten, steht eine umfassende Diagnostik an erster Stelle. Hierbei sollten sowohl der betroffene Schüler als auch sein Umfeld genau betrachtet werden. Zuerst erfolgt die ausführliche Intel- Maike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 12 ligenzdiagnostik, um eine schulische Überforderung des Schülers als Ursache für die Problematik auszuschließen (Döpfner et al. 2006). Außerdem sollen neben den psychopathologischen Faktoren auch die moderierenden Faktoren betrachtet werden. Weitere Therapieprinzipien für die Behandlung von Schülern mit Schulverweigerung wurden von Elliot (1999) formuliert: (a) eine möglichst rasche Rückführung in die Schule, um die Vermeidungshaltung des Schülers zu beenden (b) Vermeidung von Maßnahmen, die das Fernbleiben des Schülers von der Schule bewirken (das heißt keine Krankschreibung, Hausbeschulung, MutterKind-Kur) (c) eine engmaschige Zusammenarbeit der an der Behandlung des Schülers beteiligten Personen und Institutionen (Kinderpsychiater bzw. -therapeut, Lehrer, Jugendhilfe etc.) (d) ausführliche Aufklärung (Psychoedukation) der Eltern und Lehrer über den therapeutischen Prozess (e) Verwendung eines multimodalen Behandlungskonzepts, dass auf den Einzelfall zugeschnitten ist, sowie die Integration von kognitiver, verhaltenstherapeutischer und bei entsprechender Indikation pharmakologischer Intervention unter Berücksichtigung der funktionellen Aspekte des schulabsenten Verhaltens und (f) Erarbeitung eines Konzepts zur Behandlung von Rückfällen. Die Therapie von Jugendlichen mit Schulabsentismus konzentriert sich auf die Reduktion von Symptomen, die mit schulabsentem Verhalten assoziiert sind, im Besonderen Ängste und Depressionen (Kearney et al. 2008). In dieser Hinsicht haben sich kognitiv-behaviorale Strategien bewährt, die den Jugendlichen helfen, körperliche Stress- und Angstsymptome zu bewältigen, mit irrationale Gedanken dem Schulbesuch gegenüber umzugehen und sich schrittweise wieder in die Schule zu integrieren (Heyne et al. 2001). Kearney und Mitarbeiter (2000 a, b; auch 2001) erarbeiteten ein verhaltenstherapeutisches Manual, das auf der von den Autoren beschriebenen jeweiligen Funktion des Schulabsentismus basiert. Die Wirksamkeit konnte in Einzelfallstudien nachgewiesen werden (Chorpita et al. 1996, Kearney et al. 2001, Moffitt et al. 2003). Maike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 13 Falls der Schüler negative Effekte vermeiden möchte, empfehlen Kearney und Mitarbeiter (2001) eine kindgerechte Psychoedukation, die Erstellung einer Angsthierarchie, ein Entspannungs- und Atemtraining, die graduelle Exposition des Schulbesuchs und Selbstverstärkung. Auch wenn der Schüler versucht, durch Unterlassung des Schulbesuchs aversiv empfundene oder bewertende Situationen zu umgehen, wird zusätzlich zu den oben genannten patientenzentrierten Maßnahmen die kognitive Umstrukturierung empfohlen, da diese Jugendlichen, die versuchen, einer Prüfungssituation zu umgehen, meist älter und kognitiv weiter entwickelt sind. Auch kann versucht werden, mittels Rollenspielen und Übungen zur (Wieder-) Erlangung sozialer Fertigkeiten den Schulbesuch schrittweise wieder möglich zu machen. Vorausgesetzt, es steht Aufmerksamkeit suchendes Verhalten wichtiger Bezugspersonen im Vordergrund, so wird ein elternzentriertes Vorgehen, mit dem Ziel, Strategien des Kontingenzmanagements einzubauen, angeraten. Es sollten eine klare Tagesstruktur geschaffen werden und ein Regelsystem mit klar formulierten Konsequenzen für erwünschtes und unerwünschtes Verhalten. In bestimmten Situationen ist auch der erzwungene Schulbesuch angebracht. Wenn die Unterlassung des Schulbesuchs durch das Aufsuchen positiv verstärkender Situationen außerhalb der Schule motiviert ist, ist ein familienzentriertes Vorgehen indiziert. Hierbei spielen Verhaltensverträge mit klar formulierten positiven wie negativen Konsequenzen eine wichtige Rolle; ein familienzentriertes Kommunikationstraining kann sinnvoll sein. Es wird des Weiteren angeraten, die Kinder zeitweise zur Schule zu begleiten. Heyne und Mitarbeiter (2002) beschäftigten sich mit der Frage, inwiefern Eltern und andere Bezugspersonen in die Therapie von schulabsenten Jugendlichen einbezogen werden sollten. 61 ängstliche Schulverweigerer im Alter von sieben bis 14 Jahren wurden randomisiert drei Behandlungsbedingungen zugeordnet und einer vierwöchigen Therapie unterzogen. Die erste Patientengruppe erhielt eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Therapie mit hoher Einbindung der Eltern und Lehrer, die zweite Gruppe wurde einer kognitiv- verhaltenstherapeutischen Einzeltherapie unterzogen. In der dritten Gruppe erhielten die Patienten selbst keine Therapie, die Eltern und Lehrer hingegen schon. Es zeigte sich in allen Behandlungsgruppen eine signifikante Besserung in der Regelmäßigkeit des Schulbesuchs, auch hinsichtlich der selbst beschrieMaike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 14 benen ängstlichen und depressiven Symptome konnten die Patienten profitieren. Die Studie zeigt die Relevanz der Integration von Eltern und Lehrern in die Behandlung von Schulverweigerern, denn bei den Patienten mit Einzeltherapie ohne Einbeziehung der Eltern und Lehrer zeigten sich im Hinblick auf die Wiederherstellung des Schulbesuchs die geringsten Erfolge. Last und Mitarbeiter (1998) untersuchten die Wirksamkeit der kognitivverhaltenstherapeutischen Therapie im Vergleich zu einer ambulanten „Placebo-Therapie“. Die „Placebo-Therapie“ stellte eine Kombination aus Psychoedukation und unterstützender Psychotherapie dar. Es wurden 56 Schüler im Alter von sechs bis 17 Jahren mit ausschließlich ängstlicher Schulverweigerung in die Studie aufgenommen, allerdings wurden Schüler mit depressiver Störung ausgeschlossen. Im Anschluss an die Behandlung gelang es 65 % der Patienten der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlungsgruppe und 48 % der „Placebo“-Gruppe bei 95 % aller Unterrichtsstunden anwesend zu sein. Entgegen der Erwartungen von Last und Mitarbeiter (1998) zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit der beiden Therapieansätze. Auch die von den Patienten selbst berichteten ängstlichen und depressiven Symptome der Patienten beider Behandlungsgruppen waren unter beiden Therapien rückläufig. Im Hinblick auf den Schulbesuch konnten 71 % der Patienten einen Monat nach Abschluss der Therapie befragt werden, Informationen zu den psychischen Befindlichkeiten der Schüler zu dem Katamnesezeitpunkt liegen nicht vor. 65 % der Patienten der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Gruppe gaben einen Monat nach Abschluss der Therapie einen regelmäßigen Schulbesuch an, so auch 40 % der Patienten aus der „Placebo“-Gruppe. Wegen der fehlenden Informationen der restlichen Patienten ist das Ergebnis der Studie nur bedingt verlässlich. Die unterstützende Behandlung von Schulabsentismus mit Pharmaka ist umstritten (Heyne et al. 2001, Lauchlan 2003). Obwohl kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen als sinnvolle Behandlung des Schulabsentismus erscheinen, wären weitere Untersuchungen wünschenswert, um den empirischen Status zu untermauern (King et al. 2000). King und Mitarbeiter (2000) erachten es als notwendig, dass weitere Untersuchungen der kognitiv-behavioralen Therapie durchgeführt werden, deren Augenmerk auf andere Variablen als den Schulbesuch gerichtet sind, wie beiMaike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 15 spielsweise Selbstbewusstsein der Kinder, Freundschaften, Strukturen und Funktionsweisen der Familie. In einer Untersuchung von Pina und Mitarbeitern (2009) wurden empirische Beweise für die Effektivität von psychosozialen Interventionen bei Schulabsentismus überprüft. Es wurden acht Einzelfallstudien und sieben Gruppenstudien untersucht, 296 Teilnehmer im Alter von sieben bis 17 Jahren die hauptsächlich unter phobischen und ängstlichen Störungen litten. Insgesamt zeigten sich in allen Studien behaviorale und kognitiv-behaviorale Behandlungen als wirksam sowohl im Hinblick auf den Schulbesuch als auch auf die Symptome der Jugendlichen wie Ängste, Depressionen etc.. Insgesamt wurden 15 Artikel untersucht. Die acht Einzelfallstudien zeigten, dass behaviorale und kognitive Strategien die Symptome die mit Schulabsentismus assoziiert sind, reduzierten und der Schulbesuch zunahm. Die Studien arbeiteten mit behavioralen Strategien wie positive Verstärkung für schrittweise gesteigerte Exposition in der Schule. Allerdings war der Katamnesezeitraum mit fünf bis zwölf Monaten relativ kurz, sodass man weitere Daten benötigt um die Aussage zu untermauern. Auch in den Gruppenstudien zeigte sich, dass die Jugendlichen von behavioralen und kognitiven Strategien im Bereich Schulbesuch und psychische Auffälligkeiten profitierten. Die Gruppenstudien arbeiteten mit in vivo Exposition mit gefürchteten Stimuli, Entspannungsübungen, etc. Neben der Diskussion um die Inhalte der Therapie gibt es auch unterschiedliche Meinungen zum Thema stationäres versus ambulantes Therapiesetting. Im Vergleich der Schulverweigerer aus ambulanter und stationärer Therapie zeigen sich die stationär behandelten Patienten meist stärker beeinträchtigt. Man findet signifikant mehr depressive Störungen, komorbide Störungsbilder und generell stärker ausgeprägte Symptome (McShane et al. 2001, Borchardt et al. 1994). An der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln wurde 2004 auf der Jugendstation die stationäre Kurzzeittherapie für Kinder und Jugendliche mit emotionalem Schulabsentismus eingeführt. Das genaue Behandlungskonzept ist im gleichnamigen Kapitel ausführlich erläutert. Die Wirksamkeit dieser multimodalen stationären Kurzzeittherapie wurde 2005 von Walter und Mitarbeitern anhand einer kleinen Stichprobe von n = 15 ProMaike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 16 banden überprüft. Bei Aufnahme wurden bei den Jugendlichen klinischpsychiatrische Diagnosen aus den Bereichen Angststörungen, depressive Störungen, kombinierte introversive und expansive Störungen, Anpassungsstörungen sowie hyperkinetische Störungen gestellt. Zum Ende der Therapie besuchten alle Probanden regelmäßig die Schule, wobei bei 60 % der Patienten der Schulbesuch im geschützten Rahmen der Klinikschule stattfand. Auch im Hinblick auf die psychischen Auffälligkeiten zeigte sich die Therapie erfolgreich, die ängstlichen und depressiven Symptome gingen im Selbst- und Fremdurteil signifikant zurück. Allerdings muss man zur Auswertung der Ergebnisse die geringe Stichprobengröße beachten (Walter et al. 2005). Eine erneute Überprüfung der Wirksamkeit erfolgte anhand einer größeren Stichprobe 2006 durch Ingrid Ziegert. Von den n = 47 in die Untersuchung eingeschlossenen Kindern und Jugendlichen besuchten 80 % die Schule seit mindestens vier Monaten nicht mehr, die anderen Patienten zeigten einen unregelmäßigen Schulbesuch. Die mittlere stationäre Verweildauer betrug acht Wochen zuzüglich eines durchschnittlich anderthalbwöchigen tagesklinischen Aufenthalts. Zum Ende der Therapie besuchten 90 % der Probanden regelmäßig eine Schule oder eine Maßnahme zur Berufsvorbereitung. Bei 62 % fand dieser Schulbesuch im geschützten Rahmen der Klinikschule statt; dieser Anteil ging zum Katamnesemesszeitpunkt nach zwei Monaten auf 49 % zurück. Insgesamt lag zum Katamnesezeitpunkt nach zwei Monaten der Anteil der Jugendlichen, die es geschafft haben, einen regelmäßigen Schulbesuch aufrechtzuerhalten, bei 80 %. Auch bezüglich der psychischen Auffälligkeiten zeigten die Patienten eine deutliche Besserung. Sowohl im Selbst- als auch im Fremdurteil konnte ein statistisch signifikanter Rückgang ängstlicher und depressiver Symptome festgestellt werden. Diese Ergebnisse bleiben vom Ende der Therapie bis zum Katamnesezeitpunkt nach zwei Monaten stabil (Ziegert 2006). 2.6. Effektivität der Prädiktion von Schulabsentismus Studien haben verschiedene wichtige Prädiktoren von frühzeitigem Schulabbruch, wie psychiatrische Komorbiditäten und niedriger sozioökonomischer Status, bei Jugendlichen identifiziert (Kearney, 2008). Maike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 17 In einer Studie die 177 Jugendliche, die die weiterführende Schule abgebrochen haben, umfasst wurde herausgefunden, dass ein Schulabbruch ein dynamischer Prozess ist, der bereits vor der Einschulung beginnt (Jimerson et al. 2000). Als ein wichtiger Prädiktor für einen Schulabbruch im Alter von 19 Jahren zeigte sich die frühkindliche Umgebung, z.B. emotionale und verbale Verfügbarkeit der Eltern, adäquates Spielmaterial, sozioökonomischer Status, Intelligenz, Problemverhalten, akademische Laufbahn und Beteiligung der Eltern. Diese Ergebnisse bezüglich Risikofaktoren für die Entwicklung von Schulabsentismus lassen vermuten, dass verschiedene soziodemografische und klinische Gründe den Schulabsentismus begünstigen. Um spezifischere Risikofaktoren für die Entwicklung von Schulabsentismus zu identifizieren sind umfangreichere Studien notwendig (Walter und Döpfner, 2009). Curry und Mitarbeiter (2006) untersuchten eine Stichprobe von 439 depressiven Jugendlichen, die randomisiert in vier Gruppen eingeteilt worden: Eine Gruppe erhielt Fluoxetin, eine Gruppe durchlief die kognitiv-behaviorale Therapie (CBT), eine Gruppe erhielt Fluoxetin und CBT und die vierte Gruppe wurde in die Studie für Behandlung Jugendlicher mit Depression (Treatment for Adolescents with Depression Study (TADS)) aufgenommen, wo sie ein Placebomedikament erhielt. Sie kamen zu dem Schluss, dass jünger weniger beeinträchtigte Jugendliche besser auf eine akute Intervention reagieren als ältere, stärker beeinträchtigtere Jugendliche oder Jugendliche mit mehr komorbiden Diagnosen. Jugendliche aus Familien mit höherem Einkommen profitierten von alleiniger CBT genauso wie von einer kombinierteren Therapie. Andere Untersuchungen, die Prädiktoren im Rahmen von Schulabsentismus betrachteten, z. B. Lehmkuhl und Mitarbeiter 2003, kamen zu dem Ergebnis, dass das steigende Alter der Probanden mit einer ungünstigeren Prognose einhergeht. Auch die Zugehörigkeit zu einer höheren sozialen Schicht erwies sich als prognostisch günstiger Faktor für die Wiederaufnahme des Schulbesuchs in der Arbeit von Lehmkuhl und Mitarbeitern. Allerdings wurde in der genannten Untersuchung der Schulbesuch als Zielkriterium definiert, und der Erfolg der Therapie wurde zu unterschiedlichen Zeitpunkten gemessen. Wegen der unterschiedlichen Zielkriterien und den abweichenden Erhebungszeitpunkten ist die Vergleichbarkeit eingeschränkt. Maike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 18 Layne und Mitarbeiter versuchten 2003, mögliche Prädiktoren der kognitivbehavioralen Therapie (CBT) bei Schulverweigerern mit ängstlichen und depressiven Störungen zu identifizieren. Acht Wochen lang erhielten die Probanden eine verhaltenstherapeutisch basierte Therapie, eine Hälfte bekam zusätzlich das Antidepressivum Imipramin, und die andere Gruppe erhielt ein Placebomedikament. Nach Durchführung einer hierarchischen multiplen Regressionsanalyse stellten sich vier Faktoren als statistisch signifikante Prädiktoren dar: Schweregrad der Schulverweigerung zu Beginn der Behandlung, eine kognitiv-behaviorale Therapie (CBT) plus Imipramin, das Vorliegen von Trennungsangst und das Vorliegen einer ängstlichen Persönlichkeitsstörung. Das Alter und der sozioökonomische Status spielten für den Therapieerfolg keine Rolle. Jungen zeigten nach der Behandlung einen häufigeren Schulbesuch. Der Therapieerfolg wurde am Schulbesuch zum Ende der Therapie festgelegt. In einer follow-up Analyse, ein Jahr später, wurde von Bernstein und Mitarbeitern (2001) mittels multipler Regressionsanalyse geprüft ob die Quantität an Schulbesuch, familiärer Zusammenhalt oder somatische Beschwerden zu Beginn der Therapie Prädiktoren für Angst oder Depression zum Katamnesezeitpunkt waren. Nur die somatischen Beschwerden zu Beginn der Therapie konnten die verstärkten Depressionen zum Zeitpunkt ein Jahr nach Abschluss der Therapie vorhersagen. Es gibt keine Studie die systematisch die differentiellen Effekte der stationären kognitiv-behavioralen Therapie (CBT) für stark beeinträchtigte Jugendliche, für die häufig eine ambulante Therapie nicht ausreicht, untersucht. Die Jugendlichen, welche eine hohe Anzahl von Fehlstunden und einen komplexen Umfang an emotionalen und expansiven Symptomen aufweisen bilden die größte Gruppe der Schulabsentisten und zeigen die größte Beeinträchtigung (Egger et al. 2003). Es wäre wünschenswert Variablen zu Beginn der Therapie zu identifizieren, die die Quantität des Schulbesuches oder psychische Auffälligkeiten nach Abschluss der Behandlung vorhersagen. Man könnte Jugendliche erkennen, die von dieser Art Therapie profitieren, außerdem könnte man die Faktoren, die für den Erfolg der Therapie verantwortlich sind besser verstehen. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, ob sich Faktoren ermitteln lassen, die vor dem Be- Maike Petermann Theoretischer und empirischer Hintergrund 19 ginn der Therapie erhoben wurden, und für die Prognose des psychischen Befindens der Patienten nach der Therapie geeignet sind. Maike Petermann Fragestellung der Untersuchung 20 3. Fragestellung der Untersuchung Wie bereits in vorhergehenden Kapiteln dargestellt, gibt es Methoden und Therapieformen zur Behandlung von Schulabsentismus, für die es bislang Wirksamkeitsnachweise gibt. Über die Dringlichkeit einer Therapie, ob ambulant oder stationär, je nach Indikation, scheint allgemeiner Konsens zu herrschen. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass mit länger andauerndem Schulabsentismus teilweise erhebliche negative Konsequenzen der psychosozialen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen einhergehen. Um einer Chronifizierung der Problematik vorzubeugen, sollte deshalb schnell interveniert werden. Wie aber kann man wissen, welchen Kindern und Jugendlichen im Speziellen man mit einer bestimmten Therapieform oder Methode helfen kann und welchen nicht? Um dieser Fragestellung auf den Grund zu gehen, muss man differentielle Behandlungseffekte der stationären multimodalen Kurzzeittherapie genauer betrachten. Von Ziegert (2006) liegt bereits eine Untersuchung zur Wirksamkeit der multimodalen Kurzzeittherapie für Kinder und Jugendliche mit emotional bedingtem Schulabsentismus vor. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Kapitel „Therapie von emotional bedingtem Schulabsentismus“ vorgestellt. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, ob sich Faktoren ermitteln lassen, die vor dem Beginn der Therapie erhoben wurden, und für die Einschätzung der Prognose des psychischen Befindens der Patienten nach der Therapie geeignet sind. Es wurden zwei verschiedene Messzeitpunkte untersucht, zum einen wurden Daten zu Beginn der Therapie erhoben und zum anderen zwei Monate nach Abschluss der Therapie. Es wurden verschiedene Prädiktoren untersucht, wie z.B. soziodemografische Faktoren (Alter, Geschlecht, etc.) und Faktoren wie Intelligenzniveau, besuchte Schulform, Qualität des Schulabsentismus, etc. Die Kriterien die untersucht wurden bestehen aus Composite Scores die verschiedene psychische Befindlichkeiten zusammenfassen. Diese Untersuchung basiert auf der erweiterten Stichprobe der Untersuchung von Ziegert, welche mit ihrer Arbeit bereits die Wirksamkeit der stationären multimodalen Kurzzeittherapie an einer Stichprobe von 47 Probanden zeigen konnte. Maike Petermann Fragestellung der Untersuchung 21 Zunächst einmal wurde unter Berücksichtigung vorangegangener Arbeiten überlegt, welche Faktoren sinnvollerweise in die statistischen Analysen mit aufgenommen werden. Im Jahr 2000 untersuchten Berman und Mitarbeiter Prädiktoren des Behandlungserfolgs einer expositionsbasierten kognitiv-behavioralen Therapie bei Jugendlichen mit phobischen und ängstlichen Störungen. Es nahmen 106 Probanden im Alter von sechs bis 17 Jahren an der Studie teil. Als signifikante Prädiktoren für einen geringen Behandlungserfolg stellten sich unter anderem Depression als komorbide Störung, ängstliche Symptome im Eigenurteil und verschiedene psychische Symptome (z. B. Depression, Paranoia) der Eltern dar. Nicht als Prädiktoren geeignet erschienen unter anderem Alter, Geschlecht, Familieneinkommen und komorbide externalisierende Störungen. Der Behandlungserfolg wurde entweder durch das Wegfallen der klinischpsychiatrischen Hauptdiagnose operationalisiert oder durch die drastische Reduktion des Schweregrads der Erkrankung. Southam-Gerow und Mitarbeiter führten über zwölf Wochen CBT durch, deren Teilnehmer sich im Alter von sieben bis 15 Jahren befanden. Der fehlende Erfolg der Therapie wurde durch vermehrte internalisierende Probleme, das Vorhandensein von mütterlicher Depression und höheres Alter der Jugendlichen vorhergesagt. Die Faktoren externalisierende Störungen, komorbide Störungen und demografische Variablen waren keine Prädiktoren des Behandlungserfolgs. In dieser Untersuchung wird mit Composite Scores gerechnet. Bei Composite Scores werden mehrere Messinstrumente, die das gleiche Konstrukt erfassen, zu einem Score zusammengefasst. Im Hinblick auf die Rechnungen mit Composite Scores in dieser Untersuchung ist der Umstand zu beachten, dass es in der klinisch-psychologischen Datenerhebung üblich ist, verschiedene Personen aus dem Umfeld der Probanden zu befragen und deren Einschätzungen und Aussagen in die ganzheitliche Betrachtung des Patienten einzubeziehen. Achenbach und Mitarbeiter (1987) beschreiben, dass es mehr Übereinstimmungen in den Beurteilungen gibt, wenn die befragten Personen eine ähnliche Rolle im Leben der Kinder spielen (wie ein Elternpaar oder zwei Lehrer), als in den Aussagen von etwa einem Elternteil und einem Sozialarbeiter. Außerdem beschreiben sie den Sachverhalt, dass sich bei Befragungen die Meinung der Maike Petermann Fragestellung der Untersuchung 22 Eltern oft von denen der Kinder unterscheiden. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Phänomen auch in der vorliegenden Untersuchung auftritt. Nach Sichtung der vorliegenden Daten und unter dem Bestreben einer möglichst umfassenden Betrachtung der Probanden wurde schließlich eine Vielzahl von Prädiktoren ausgewählt. Im Kapitel „Prädiktorvariablen“ werden die Variablen, die in die Rechnungen aufgenommen wurden, genau aufgelistet. Als Kriterien für die Berechnungen wurden aus verschiedenen Fragebogen Composite Scores berechnet. Die vorhandenen Daten ließen die Erstellung von vier Composite Scores zu. Es gab zwei Composite Scores zu expansivem Verhalten, jeweils im Jugendlichen- und im Elternurteil, und zwei zu ängstlichen und depressiven Symptomen, ebenfalls jeweils im Jugendlichen- und im Elternurteil. Die genaue Zusammensetzung der Composite Scores ist im Kapitel „Methodik“ unter „Daten und Messinstrumente“ im Abschnitt „Composite Scores“ wiedergegeben. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, festzustellen, ob sich Prädiktoren identifizieren lassen, anhand derer sich das Befinden der Patienten nach der Therapie vorhersagen lässt. Die Auswahl der Prädiktoren stützt sich auf vorangehend erwähnte Studien. Die Hypothese der vorliegenden Arbeit ist, dass ein ausgeprägter Schulabsentismus, ungünstige psychosoziale Umstände, wie z.B. getrennt lebende Eltern, niedriger sozioökonomischer Status und schwerwiegende psychische Auffälligkeiten bei Aufnahme starke psychische Auffälligkeiten nach Abschluss der Therapie von Eltern und Jugendlichen vorhersagen. Maike Petermann Methodik 23 4. Methodik 4.1. Stichprobenkriterien Die Stichprobe der vorliegenden Arbeit besteht aus n = 147 Jugendlichen, die im Zeitraum von Januar 2004 bis Juni 2008 in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des Klinikums der Universität zu Köln wegen emotional bedingtem Schulabsentismus stationär aufgenommen wurden. Folgende Einschlusskriterien mussten erfüllt sein, um in die Studie aufgenommen zu werden: Lebensalter zwischen zwölf und 19 Jahren Bereitschaft zu einer stationären Therapie Bereitschaft der Eltern zur Teilnahme an wöchentlichen Elterngesprächen Verweigerung des Schulbesuchs seit mindestens zwei Wochen oder ein unregelmäßiger Schulbesuch, operationalisiert über mindestens 50 Fehlstunden auf dem letzten Zeugnis und verbunden mit der Sorge der Eltern über die Schulabsentismus-Problematik des Jugendlichen Mindestens eine der folgenden Diagnosen trifft zu: o spezifische oder soziale Phobie o generalisierte Angststörung o depressive Episode o rezidivierende depressive Störung o anhaltende affektive Störung o emotionale Störung mit Trennungsangst. o Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen Keine der folgenden Ausschlussdiagnosen trifft zu: o Anorexia oder Bulimia nervosa o Psychosen o Persönlichkeitsstörungen o schwerer Alkohol-/Drogenabusus o ausgeprägte Delinquenz/Dissozialität. Ausschluss einer geistigen Behinderung, operationalisiert über einen Gesamt-IQ-Standardwert > 70 in einem standardisierten, mehrdimensionalen Intelligenztest (Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder: HAWIK-III, Te- Maike Petermann Methodik 24 wes, Rossmann & Schallberger, 1999; Hamburg- Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene: HAWIE-R, Tewes, 1991) 4.2. Stichprobenselektionsprozess Die dieser Arbeit zugrundeliegenden Daten der 147 Probanden wurden in einem Zeitraum von 4,5 Jahren erhoben und schrittweise in eine Datenbank des Statistikprogramms SPSS übertragen. Die Patienten, die sich in der Ambulanz für Jugendliche der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am Klinikum der Universität zu Köln vorstellten und die oben genannten Stichprobenkriterien erfüllten, wurden in die Studie aufgenommen. Im Zeitraum von Januar 2004 und April 2008 stellten sich n = 224 Jugendliche mit unregelmäßigem Schulbesuch in der Ambulanz für Jugendliche der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am Klinikum der Universität zu Köln oder in einer Praxis eines niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiaters und Psychotherapeuten in Köln in einem Umkreis von bis zu 50 km vor. Diese Jugendlichen wurden mit ihren Eltern zu einem Gespräch eingeladen, in welchem ihnen die Details der Studie mitgeteilt wurden und geprüft wurde, ob bei dem jeweiligen Jugendlichen die Einschlusskriterien zutrafen. Der Schulabsentismus wurde in einem Telefonat mit dem Lehrer der zuständigen Schule des Jugendlichen verifiziert. Von diesen n = 224 Jugendlichen erfüllten n = 163 Jugendliche die oben beschriebenen Stichprobenkriterien, so dass ihnen eine stationäre Aufnahme auf der Station für emotional bedingten Schulabsentismus angeboten wurde. N = 16 Jugendliche brachen die Therapie bereits am ersten Tag ab, diese Jugendlichen zeigten eine schwere Trennungsängstlichkeit deren Behandlung im offenen Setting nicht möglich war. Diese Jugendlichen wurden in anderen Häusern im geschlossenen Setting behandelt. Die zwei häufigsten Gründe für die n = 61 Jugendlichen, die aus der Studie ausgeschlossen wurden, waren die fehlende Bereitschaft an der Studie teilzunehmen und Verhaltensstörungen ohne zusätzliche ängstliche oder depressive Störungen. Insgesamt absolvierten n = 147 Jugendliche die stationäre Therapie und wurden in die vorliegende Untersuchung aufgenommen. Maike Petermann Methodik 25 4.3. Behandlungskonzept Die stationäre Kurzzeittherapie auf der Station für Jugendliche des Klinikums für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln mit emotional bedingtem Schulabsentismus sieht ein multimodales, kognitiv-verhaltenstherapeutisches Konzept vor. Das Vorgehen basiert auf einem Stufenplan. Eine stationäre Aufnahme des Jugendlichen wird bei Erfüllung folgender Voraussetzungen empfohlen: - eine Schulabwesenheit von mindestens sechs Monaten - ein gescheiterter Versuch innerhalb eines umschriebenen ambulanten Settings einen regelmäßigen Schulversuch wiederherzustellen - keine eigene Änderungsmotivation des Schülers - starke psychische Belastung der Eltern durch die Schulabwesenheitsproblematik, die sich dadurch nicht mehr in der Lage sehen, ihrem Kind die nötige Unterstützung im ambulanten Rahmen zu bieten. Die intensive Behandlungsphase der in die vorliegende Studie eingeschlossenen Jugendlichen während des stationären Aufenthaltes beinhaltet etwa drei Einzeltermine und ein Elterngespräch pro Woche sowie begleitende Interventionen durch Stationsmitarbeiter (z. B. Expositionen). Die Erarbeitung eines Störungsmodells mit einer gemeinsamen Zieldefinition unter Berücksichtigung aller ursächlichen und begleitenden Faktoren ist die Grundlage für eine Zusammenarbeit zwischen den Jugendlichen, den Eltern und den Stationsmitarbeitern. Zusätzlich werden mit den Beteiligten die Hauptziele der Behandlung herausgearbeitet und aufeinander abgestimmt (Walter et al., 2007a). Eine ausführliche Diagnostik trägt zur Erfassung der einzelnen Faktoren bei, die zur Entwicklung und Aufrechterhaltung des emotional bedingten Schulabsentismus führen. Die Exploration des Kindes, der Eltern und der Lehrer nimmt hierbei einen besonderen Platz ein. Außerdem werden die Leistungsmöglichkeiten der Jugendlichen erfasst, um eine adäquate schulische Platzierung sicherzustellen. Da ungünstige Erziehungsbedingungen (beispielsweise ein psychisch kranker Elternteil) oder eine erzieherische Überforderung der Eltern häufig dazu beitraMaike Petermann Methodik 26 gen, dass Kinder und Jugendliche nicht mehr in die Schule gehen, bzw. ein schulbezogenes Vermeidungsverhalten zu verstärken ist es sinnvoll, gemeinsam mit den Eltern angemessene Erziehungsstrategien zu erarbeiten, einzuüben und anschließend im Alltag umzusetzen (z. B. Verstärkung beim Einhalten von Regeln oder bei der Bewältigung angstbesetzter Situationen [Döpfner et al., 2002]). Dabei konnten ambulante Jugendhilfemaßnahmen, die vor allem die Eltern, aber auch den Jugendlichen im Alltag unterstützten, hilfreich sein. Wiesen die Eltern selbst eine starke psychische Belastung auf, war es sinnvoll, diese zu ermuntern, eigene therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bei sehr ungünstigen psychosozialen Bedingungen musste auch eine Unterbringung des Patienten in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung in Erwägung gezogen werden (Döpfner & Walter 2009). Bei einer Antriebsminderung, die häufig durch eine depressive Störung bedingt sein kann, war es zunächst notwendig, durch eine Aktivierung des Patienten den Antrieb zu steigern und regelmäßige angenehme Aktivitäten aufzubauen (beispielsweise Verabredungen mit Gleichaltrigen fördern, Lieblingstätigkeiten wieder aufnehmen). Gerade bei lang anhaltendem Schulabsentismus war der Tagesrhythmus der Patienten häufig verschoben. Viele der betroffenen Jugendlichen hatten sich angewöhnt, erst spät in der Nacht ins Bett zu gehen und dafür bis in den frühen Nachmittag zu schlafen. Dies ging häufig mit einer Antriebsminderung und dysphorisch-depressiven Stimmung einher. Gemeinsam wurden Maßnahmen erarbeitet, die eine möglichst rasche Normalisierung des Schlaf-/Wach-Rhythmus zum Ziel hatten (regelmäßiges Zubettgehen und Aufstehen, Aufbau einer Tagesstruktur). Diese Methoden sind Bestandteil des Therapieprogramms zur Behandlung von Jugendlichen mit Selbstwert-, Leistungsund Beziehungsstörungen SELBST (Walter et al. 2007a) oder des Therapieprogramms für depressive Kinder und Jugendliche (Harrington 2001). In der Schulzeit und in den Schulferien findet montags bis freitags täglich ein „Lerncamp“ statt, das durch Stationsmitarbeiter betreut wird. Hier machen die Jugendlichen ihre Hausaufgaben, holen versäumte Schulinhalte nach und erproben neue Lern- und Arbeitstechniken. Grundsätzlich werden die Jugendlichen so schnell wie möglich in die jeweilige Heimatschule zurückgeführt, ist der Jugendliche allerdings psychisch zu stark beeinträchtigt oder liegt die Heimatschule in zu großer Entfernung, besteht die Maike Petermann Methodik 27 Möglichkeit des Besuchs der Klinikschule oder die Beschulung auf Station durch eine Lehrerin. Wenn bei Jugendlichen dysfunktionale Grundannahmen oder eine verzerrte soziale Wahrnehmung vorlagen, war es wichtig diese verzerrten Kognitionen und soziale Wahrnehmungsprozesse zu korrigieren. Waren ausgeprägte situative oder objektbezogene Ängste vorhanden, so waren Expositionsverfahren indiziert. Es wurde mit den Jugendlichen ein hierarchisches Angstthermometer erarbeitet, anhand dessen eine gestufte Exposition gestaltet werden konnte. Art und Ausmaß der Graduierung wurden eng mit den Patienten abgestimmt. Grundsätzlich war es wichtig, darauf zu achten, dass der Patient während der Exposition nicht frühzeitig aus der Situation floh, um ihm die Erfahrung zu ermöglichen, dass seine Ängste überhöht bzw. unangemessen waren und dass seine Ängste nach einiger Zeit zurückgehen würden (Habituation). Mit den Kindern und Jugendlichen, denen es zum Beispiel wegen einer Trennungsangst nicht gelang, die Schule zu besuchen, wurde schrittweise erarbeitet, wie sie zunächst in Begleitung von Erwachsenen und später mit zunehmendem räumlichen Abstand von den Erwachsenen den Schulbesuch bewältigen können. Andere Therapiebausteine, je nach individueller Psychopathologie, können sein: Token-Systeme, soziales Kompetenztraining und Psychoedukation. Bei Mangel an sozialen Fertigkeiten (z.B. Konfliktlösung in der Schule) sollte ein Training der Jugendlichen erfolgen um soziale Fertigkeiten zu erlernen und zu festigen. Ebenso sollten Jugendliche, die sozial isoliert waren oder Aktivitäten mit geringem sozialem Bezug nachgingen, dabei unterstützt werden sich im Gleichaltrigenbereich zu integrieren und soziale Aktivitäten aufzunehmen. Die stationäre Therapie sieht eine stationäre Verweildauer von sechs Wochen vor. Falls Interesse beziehungsweise Notwendigkeit bestand, konnte im Anschluss ein ein- bis zweiwöchiger tagesklinischer Aufenthalt mit nachfolgender ambulanter Weiterbehandlung in Anspruch genommen werden. Die ambulante Nachbehandlung wurde jedem empfohlen und bei Bedarf vermittelt. Bei einer erneuten akuten Problembelastung der Jugendlichen besteht die Möglichkeit einer Wiederaufnahme. Maike Petermann Methodik 28 4.4. Beschreibung der Stichprobe Im Folgenden werden die 147 Patientinnen und Patienten der Gesamtstichprobe auf zentralen Maßen beschrieben. 4.4.1. Alter und Geschlecht Die Arbeit betrachtet n = 147 Jugendliche, wovon 84 männlich (57,1 %) und 63 (42,9 %) weiblich sind. Das mittlere Lebensalter lag zu Behandlungsbeginn bei M = 15,05 Jahren (SD = 1,5), eine Übersicht gibt Abbildung eins. Der jüngste Patient war zu Behandlungsbeginn 12,01 Jahre alt, der älteste 19,04 Jahre alt. Die absoluten prozentualen Werte der Altersverteilung innerhalb der Stichprobe zeigt folgende Abbildung 1 auf. Abbildung 1: Alter der Patienten in Jahren Quelle: Eigene Erstellung Maike Petermann Methodik 29 4.4.2. Intelligenz Dem Alter entsprechend wurden die Jugendlichen entweder dem HAWIK-IIITest (Tewes et al. 1999) oder dem HAWIE-R-Test (Tewes 1991) bezüglich ihrer Intelligenz untersucht. Aus der Abbildung zwei ist ersichtlich, dass der Mittelwert aus der Intelligenzdiagnostik der 119 Patienten bei 101,18 (SD = 13,75) lag. Die ermittelten Werte liegen zwischen 71 und 135. Abbildung 2: IQ-Standardwerte Quelle: Eigene Erstellung 4.4.3. Trennung der Eltern Von den n = 147 Patienten der Stichprobe haben n = 72 (49 %) eine Trennung bzw. Scheidung der Eltern erlebt. 75 Patienten (51 %) wurden nicht mit einer Trennung/Scheidung der Eltern konfrontiert. Maike Petermann Methodik 30 4.4.4. Diagnosen (ICD-10) Unten gezeigte Abbildung drei zeigt, dass als erste klinisch-psychiatrische Diagnose nach ICD-10 bei 56 Jugendlichen (38,1 %) aus der Stichprobe n = 147 eine Diagnose aus dem Bereich der Angststörungen gestellt wurde, davon bei 23 Jugendlichen (41,1 %) die Diagnose soziale Phobie (F40.1), bei 16 Patienten (28,6 %) eine „Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters“ (F93.2). Sieben Jugendliche (12,5%) erfüllten die Kriterien für die Diagnose „emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters“ (F93.0), jeweils drei Patienten (5,4 %) erhielten die Diagnose „spezifische Phobie“ (F40.2) und „elektiver Mutismus“ (F94.0). Zwei Jugendliche (3,6%) erhielten die Diagnose „generalisierten Angststörung“ (F41.1). Abschließend ergab die Diagnosestellung bei jeweils einem Patienten (1,8 %) „Angst und depressive Störung gemischt“ (F41.2) und „phobische Störung des Kindesalters“ (F93.1). Abbildung 3: Erste Diagnose (Angststörung) nach ICD-10 Quelle: Eigene Erstellung Aus nachfolgender Abbildung vier ergibt sich, dass aus dem Bereich der depressiven Störungen insgesamt 27 Jugendliche (18,4%) aus der Stichprobe n = 147 eine klinisch-psychiatrische Hauptdiagnose erhielten. Im Einzelnen waren es bei 19 Jugendlichen (70 %) eine „mittelgradige depressive Episode“ (F32.1), Maike Petermann Methodik 31 bei fünf Patienten (19 %) eine „längere depressive Reaktion“ (F43.21), bei zwei Patienten (7 %) eine „leichte depressive Episode“ (F32.0) und bei einem Patienten (4 %) eine „bipolare affektive Störung“ (F31.9). Abbildung 4: Erste Diagnose (depressive Störung) nach ICD-10 Quelle: Eigene Erstellung Die Kriterien für eine Diagnose aus dem Bereich der kombinierten introversiven und expansiven Störungen wurden von insgesamt 39 (26,5 %) Jugendlichen aus der Stichprobe n = 147 erfüllt. Abbildung fünf veranschaulicht die Verteilung der Diagnosen. 25 Patienten (64 %) erhielten die Diagnose „Sonstige kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen“ (F92.8), 13 Jugendliche (33 %) die Diagnose „Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung“ (F92.0) und ein Jugendlicher (3 %) die Diagnose „gemischte Störung von Gefühl und Sozialverhalten“ (F43.25). Maike Petermann Methodik 32 Abbildung 5: Erste Diagnose (kombinierte introversive und expansive Störung) nach ICD-10 Quelle: Eigene Erstellung Diagnosen aus dem Bereich der expansiven Störungen erhielten vier Patienten (2,8 %), wobei bei jeweils zwei eine „einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung“ (F90.0) und eine „hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens“ (F90.1) diagnostiziert wurden. Abbildung sechs zeigt die Verteilung der restlichen Diagnosen für 21 Jugendliche (14,2 %). Zehn Jugendliche (47%) erfüllten die Kriterien für „Zwangsgedanken und -handlungen gemischt“ (F42.2), fünf Jugendliche (24%) für „sonstige emotionale Störungen des Kindesalters“ (F93.8) und zwei Jugendliche (9%) für „vorwiegend Zwangshandlungen“ (F42.1). Jeweils ein Patient (5%) erhielt die Diagnose „Somatisierungsstörung“ (F45.0), „undifferenzierte Somatisierungsstörung“ (F45.1), „Asperger-Syndrom“ (F84.5) und „emotionale Störung mit Geschwisterrivalität“ (F93.3). Maike Petermann Methodik 33 Abbildung 6: Erste Diagnose (andere) nach IDC-10 Quelle: Eigene Erstellung Abbildung sieben veranschaulicht die zweite Diagnose nach ICD-10 auf der ersten Achse. Von den 147 Patienten erhielten 88 Patienten (59,9 %) aus der Stichprobe n = 147 eine zweite Diagnose auf der ersten Achse nach ICD-10. Der größte Anteil fiel mit 36 Jugendlichen (41%) in den Bereich des depressiven Störungen. 27 Patienten erfüllten die Kriterien für eine „mittelgradige depressive Episode“ (F32.1), acht Jugendliche erhalten die Diagnose „leichte depressive Episode“ (F32.0), und ein Jugendlicher wurde mit einer „längeren depressiven Reaktion“ (F43.21) diagnostiziert. Die Kriterien für eine Zweitdiagnose im Bereich der Angststörungen wurden von 27 Jugendlichen (31%) erfüllt. 15 Patienten erhielten eine Diagnose aus dem Bereich der phobischen Störungen, vier jeweils „Agoraphobie“ (F40.0) und „spezifische Phobie“ (F40.2) und sieben „soziale Phobie“ (F40.1). Bei jeweils fünf Jugendlichen wurde die Diagnose „Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters“ (F93.0) und „Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters “ (F93.2) gestellt und bei jeweils einem Patienten wurde „Panikstörung“ (F41.0) und „Phobische Störung des Kindesalters“ (F93.1) diagnostiziert. In die Kategorie kombinierte introversive und expansive Störungen der Zweitdiagnosen wurden bei acht Jugendlichen (9%) entsprechende Diagnosen gestellt. Maike Petermann Methodik 34 Sieben Patienten erhielten die Diagnose „Sonstige kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen“ (F92.8), ein Patient „Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung“. Insgesamt zehn Jugendliche (11 %) erhielten als Zweitdiagnose Störungen aus dem Bereich des Sozialverhaltens, davon erhielten drei Patienten die Diagnose „Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens“ (F91.0), und jeweils ein Patient erfüllte die Kriterien für die Diagnose „Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen“ (F91.1), „Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungen“ (F91.2) und „Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten“ (F91.3). Bei einem Patienten wurde die Diagnose „hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens“ (F90.1) gestellt, bei drei weiteren Jugendlichen die Diagnose „einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung“ (F90.0). Aus anderen Bereichen der klinisch-psychiatrischen Störungen erfüllten sieben Jugendliche (8 %) die Kriterien für eine Diagnose. Bei je zwei Jugendlichen ließen sich eine „Somatisierungsstörung“ (F45.0) und „nichtorganische Enkopresis“ (F98.1) diagnostizieren. Je ein Patient erhielt die Diagnose „Manie ohne psychotische Symptome“ (F30.1), und „Sonstige emotionale Störungen des Kindesalters“ (F93.8) und „Asperger-Syndrom“ (F84.5). Abbildung 7: Zweite Diagnose nach ICD-10 Quelle: Eigene Erstellung Maike Petermann Methodik 35 Eine dritte klinisch-psychiatrische Diagnose erhielten 13 Jugendliche (8,8 %) aus der Stichprobe n = 147, wie Abbildung acht zeigt. Fünf Diagnosen (38%) kamen aus dem Bereich der Angststörungen, wobei zwei Jugendliche die Diagnose „soziale Phobie“ (F40.1) und je ein Patient die Diagnose „spezifische Phobie“ (F40.2), „Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters“ (F93.0) und „Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters“ (F93.2) erhielten. Vier Diagnosen (31%) ließen sich den depressiven Störungen zuordnen, drei Jugendliche erfüllten die Kriterien einer „mittelgradigen depressiven Episode“ (F32.1), und ein Patient erhielt die Diagnose „leichte depressive Episode“ (F32.0). Zwei Diagnosen (15%) fallen unter die Kategorie expansive Störungen, ein Jugendlicher erhielt die Diagnose „auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens“ (F91.0) und ein Jugendlicher die Diagnose „Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten“ (F91.3). Ein Jugendlicher (8 %) erfüllte die Kriterien der Diagnose „Sonstige kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen“ (F92.8), und bei einem Jugendlichen (8 %) wurde „Dysthymia“ (F34.1) diagnostiziert. Abbildung 8: Dritte Diagnose nach ICD-10 Quelle: Eigene Erstellung Maike Petermann Methodik 36 4.4.5. Behandlungsdauer Die stationäre Behandlungsdauer lag bei der betrachteten Stichprobe zwischen vier und 223 Tagen, im Mittel bei 61,71 Tagen (Median = 57,00). 4.4.6. Besuchte Schulform Abbildung neun stellt die besuchte Schulform vor Aufnahme dar. Zu Behandlungsbeginn besuchte der größte Anteil der Stichprobe mit n = 43 (29,3 %) Jugendlichen die Realschule. An zweiter Stelle folgte mit n = 38 (25,9 %) die Hauptschule, und das Gymnasium wurde von n = 32 (21,8 %) Patienten besucht. n = 17 (11,6 %) waren Schüler einer Gesamtschule und n = 7 (4,8 %) einer Berufsschule. n = 10 (6,8 %) besuchten eine andere Bildungsstätte (z. B. eine Waldorfschule, eine Erziehungsschule oder eine Sonderschule). Abbildung 9: Besuchte Schulform vor Aufnahme Quelle: Eigene Erstellung Maike Petermann Methodik 37 4.4.7. Klassenwiederholungen und außerplanmäßiger Schulwechsel Von den 147 betrachteten Jugendlichen hatten n = 63 (42,9 %) Jugendliche zum Zeitpunkt der Aufnahme einmal eine Klasse wiederholt, n = 11 (7,5 %) mussten zweimal eine Klasse wiederholen. Von einem Schüler lag keine Information zu einer möglichen Klassenwiederholung vor und die restlichen Jugendlichen n = 72 (49 %) hatten bisher keine Klasse wiederholen müssen. Den außerplanmäßigen Schulwechsel betreffend, stellte sich die Datenlage wie folgt dar: Mit 86 Jugendlichen (40,8 %) musste der größte Anteil der Stichprobe die Schule außerplanmäßig wechseln. Von diesen 86 Patienten hatten 60 Jugendliche (40,8 %) einen außerplanmäßigen Schulwechsel vollziehen müssen, 20 Jugendliche (13,6 %) hatten zweimal die Schule außerplanmäßig gewechselt. Insgesamt dreimal hatten drei Jugendliche (2,00 %) die Schule wechseln müssen und der Anteil der Schüler, die viermal die Schule wechseln mussten, liegt bei zwei Jugendlichen (1,4 %). Zu einem Patienten liegt zu diesem Merkmal keine Information vor. 60 Jugendliche hatten keinen außerplanmäßigen Schulwechsel hinter sich. 4.4.8. Schulabsentismus Ein Kriterium zur stationären Aufnahme und Teilnahme an dieser Untersuchung war entweder ein unregelmäßiger oder eingestellter Schulbesuch, es bestand bei keinem der aufgenommenen Jugendlichen zum Zeitpunkt der Aufnahme ein regelmäßiger Schulbesuch. Insgesamt 111 Probanden (75,5 %) hatten den Schulbesuch seit mindestens zwei Wochen vor Behandlungsbeginn komplett eingestellt. Die Dauer des Schulabsentismus lag zwischen zwei und 108 Wochen, im Durchschnitt besuchten diese Probanden seit 19 Wochen nicht mehr die Schule (n = 102 Probanden, M = 19,17, SD = 19,33). Bei 36 Patienten (24,5 %) lag zum Zeitpunkt der Aufnahme zumindest ein unregelmäßiger Schulbesuch vor. Dieser beruhte nicht auf somatischen Gründen; außerdem erlebten die Eltern die Problematik des Jugendlichen als besorgniserregend. Maike Petermann Methodik 38 Bei 120 Patienten (81,6 %) der Gesamtstichprobe liegt Information zu den Fehlstunden des letzten Zeugnisses vor. Die Menge an Fehlstunden variiert dabei von null bis 660, im Mittel lagen 146,87 Fehlstunden, mit einer Standardabweichung von 120,76 vor. 4.5. Vorhandene Daten und Messinstrumente Die dieser Untersuchung zugrundeliegenden Daten stammten von Patienten, die zwischen Januar 2004 und Juni 2008 in der Klinik und Poliklinik für Kinderund Jugendpsychiatrie der Universität zu Köln wegen emotional bedingtem Schulabsentismus stationär behandelt wurden. Es wurden Daten von 147 Patienten in die Datenmatrix eingetragen. Zu Beginn der Behandlung wurden mittels Anamnese und der Basisdokumentation soziodemografische Angaben und Informationen zur Vorgeschichte oder zu eventuellen Vorerkrankungen erhoben. Durch die Anwendung diverser Fragebogen wurden vor allem Informationen zu vorhandenen psychischen Störungen und deren Ausprägung ermittelt; die genaue Beschreibung der jeweiligen Fragebogen folgt in diesem Kapitel. Im Verlauf der stationären Therapie wurden nach einer festen Vorgabe bestimmte Daten der Patienten erhoben. Es waren insgesamt vier Messzeitpunkte vorgesehen: eine Prämessung zu Behandlungsbeginn, eine Postmessung zum Zeitpunkt der stationären Entlassung, ferner zwei Katamneseerhebungen, zum einen zwei Monate, zum anderen neun Monate nach Abschluss der Therapie. In der vorliegenden Untersuchung waren zwei Messzeitpunkte von Bedeutung: die Prämessung zu Behandlungsbeginn (M1) und die Katamneseerhebung zwei Monate nach Abschluss der Therapie (K1). Die Messinstrumente werden im Folgenden vorgestellt. 4.5.1. Hamburg-Wechsler-Intelligenztest Der HAWIK-III (Tewes et al. 1999) und der HAWIE-R (Tewes 1991) sind standardisierte mehrdimensionale Intelligenztests, die zu den Standardverfahren in der psychologischen Intelligenzdiagnostik zählen. Der HAWIK-III wird bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 6,0 bis 16,11 Jahren eingesetzt, der HAWIE-R wird ab dem 17. Lebensjahr verwendet. Die Tests setzen sich aus einem Maike Petermann Methodik 39 Verbal- und Handlungsteil zusammen, aus denen der Gesamttestwert errechnet wird, welcher für die allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit steht. In der vorliegenden Studie wurden die beiden Verfahren der Intelligenzdiagnostik genutzt, um das Ausschlusskriterium der Lernbehinderung zu überprüfen und um einschätzen zu können, ob eventuell eine intellektuelle schulische Überforderung vorliegt. 4.5.2. Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche Das Depressionsinventar für Kinder- und Jugendliche (DIKJ) (StiensmeierPelster et al. 2000) ist ein Selbsteinschätzungsfragebogen zur Erfassung der Schwere einer depressiven Störung bei Kindern und Jugendlichen im Alter von acht bis 17,11 Jahren. Außerdem ist das DIKJ sensibel für Veränderungen im Schweregrad depressiver Störungen. Bei dem aus 26 Items bestehenden Fragebogen können die Probanden zwischen drei vorgegebenen Antwortmöglichkeiten wählen, um die unterschiedliche Ausprägung der Symptome zu beschreiben. Die innere Konsistenz liegt in Schülerstichproben zwischen α =.82 und α =.85 mit der Tendenz zu höheren Kennwerten mit höherem Alter. Bei klinisch auffälligen Kindern und Jugendlichen beträgt sie α =.91. Der Test wurde mit den Jugendlichen zu Beginn der Therapie und zum Katamnesezeitpunkt nach 2 Monaten durchgeführt. 4.5.3. Child Behavior Checklist (CBCL) Der Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen im Alter von vier bis 18 Jahren (CBCL) wurde von der Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checkliste in Zusammenarbeit mit Thomas Achenbach als deutsche Fassung der US-amerikanischen Version erarbeitet (Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist, 1998a). Der Fragebogen erfasst die Einschätzung der Eltern bezüglich der Kompetenzen und Probleme ihrer Kinder und umfasst drei Kompetenzskalen (Aktivität, soziale Kompetenz und Schule), sowie acht beurteilungsübergreifende Syndrome, die problematisches Verhalten beschreiben (sozialer Rückzug, körperliche Beschwerden, Angst/Depressivität, soziale Probleme, Schizoid/Zwanghaft, Aufmerksamkeitsstörung, delinquentes Verhalten, aggressives Verhalten). Aus den Syndromskalen werden übergeordnete Skalen Maike Petermann Methodik 40 zu internalisierenden und externalisierenden Störungen sowie dem Gesamtauffälligkeitswert für Problemverhalten zusammengefasst. Für die Syndromskalen des Verfahrens konnte die Arbeitsgruppe Child Behavior Checklist zufriedenstellende interne Konsistenzen ermitteln, außerdem die faktorielle Validität des Instruments weitgehend bestätigen und die Validität anhand verschiedener Kriterien belegen. (Döpfner et al. 1994, 1995, 1997). Eine repräsentative Normierung des Fragebogens liegt vor (Döpfner et al. 1997, 1998; Lehmkuhl et al. 1998) In der vorliegenden Untersuchung wurden die Eltern der Jugendlichen gebeten, zu Beginn der Behandlung die vorangegangenen zwei Monate einzuschätzen und zur Katamnesemessung die beiden Monate nach der Entlassung, um herauszufinden, wie sich die Verhaltensauffälligkeiten der Jugendlichen im Alltag zeigten. 4.5.4. Youth Self Report (YSR) Die deutsche Fassung des amerikanischen Youth Self Report (Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist, 1998b) erfasst Kompetenzen, Verhaltensauffälligkeiten und emotionale Probleme von Jugendlichen im Alter von elf bis 18 Jahren durch Selbsteinschätzung. Der Youth Self Report ist entsprechend der Child Behavior Checklist aufgebaut und hat die gleichen Skalen. Nachdem einige Skalen etwas abgeändert worden waren, konnte sich der Fragebogen in der deutschen Fassung als ein für die Forschung und Klinik nützliches Instrument erweisen. Der Fragebogen für Jugendliche besteht aus drei Teilen, in denen Kompetenzen und Syndrome beschrieben werden. Für die übergeordneten Skalen (internalisierende Störungen, externalisierende Störungen, Gesamtauffälligkeit) ließen sich gute bis sehr gute interne Konsistenzen (rtt > .85) finden. Die interne Konsistenz der Syndromskalen ist überwiegend zufriedenstellend (rtt > .70), nur die Skala „sozialer Rückzug“ und die Skala „Schizoid/Zwanghaft“ weisen ungenügende interne Konsistenzen auf (rtt < .60) (Döpfner et al. 1995, 1997). In der vorliegenden Untersuchung wurde der YSR, analog zum CBCL zur Prämessung und zur Katamnesemessung nach zwei Monaten von den Jugendlichen ausgefüllt, um Veränderungen in Problemverhalten zu erkennen. Maike Petermann Methodik 41 4.5.5. Lern- und Arbeitsverhalteninventar (LAVI) Das Lern- und Arbeitsinventar (Keller & Thiel 1998) besteht aus 58 Items und dient der differenzierten Erfassung des Lern- und Arbeitsverhaltens. Die Items beschreiben jeweils eine typische Lern- und Arbeitssituation und verteilen sich auf folgende Skalen: Arbeitshaltung (die Bereitschaft des Schülers zum pflichtbewussten, konzentrierten und gründlichen Lernen und Problemlösen), Stressbewältigung (die Fähigkeit des Schülers, Störungen des Lernprozesses zu bewältigen) und Lerntechniken (die Fähigkeit des Schülers zur wirksamen Verarbeitung des Lernstoffs). Das Verfahren ist für Schüler der Klassen fünf bis zehn normiert, die internen Konsistenzen der drei Skalen liegen zwischen r = .72 und r = .90. Auch dieser Fragebogen wurde von den Jugendlichen zu Beginn der Therapie und zum Katamnesezeitpunkt nach zwei Monaten ausgefüllt. 4.5.6. Angstfragebogen für Schüler (AFS) Der Angstfragebogen für Schüler (Wieczerkowski et al. 1981) ist ein Mittel zur Erfassung von Prüfungsangst, allgemeiner (manifester Angst) und Schulunlust. Zusätzlich enthält der AFS eine Skala zur Ermittlung der Tendenz von Schülern, sich angepasst und sozial erwünscht darzustellen. Das Verfahren erlaubt eine Verwendung bei Schülern im Alter von neun bis 17 Jahren. Eine Normierung nach Altersklassen liegt vor. Die interne Konsistenz der Skalen liegt zwischen r = .67 und r = .85. In der vorliegenden Studie wurde der Angstfragebogen für Schüler zur Prä- und Katamnesemessung nach zwei Monaten eingesetzt, um die Entwicklung der Prüfungsangst und Schulunlust zu beurteilen. 4.5.7. Diagnostik-System für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter (DISYPS-KJ) Das Diagnostik-System für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter (DISYPS-KJ, Döpfner & Lehmkuhl 1998) erfasst psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen gemäß den Diagnosekriterien der ICD-10 und des DSMIV. Es umfasst die wichtigsten Störungen des Kindes- und Jugendalters (hyperkinetische Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, Angststörungen, depressive Störungen, tiefgreifende Entwicklungsstörungen, Tic-Störungen, Bindungsstörungen und Mutismus). Kinder im Alter von elf bis 18 Jahren können Maike Petermann Methodik 42 sich selbst anhand von Selbstbeurteilungsbögen einschätzen. Die Einschätzung der Problematiken durch die Eltern erfolgt mit Hilfe von Fremdbeurteilungsbögen. In der vorliegenden Studie kamen der Selbst- und Fremdbeurteilungsbogen für depressive Störungen (SBB-DES, FBB-DES), Angststörungen (SBBANG, FBB-ANG) und hyperkinetische Störungen (SBB-HKS, FBB-HKS) zum Einsatz. Die interne Konsistenz für die Gesamtskala des Selbst- und Fremdbeurteilungsbogens Depressive Störungen lag bei α = .88. Beim Fremdbeurteilungsbogen Angststörungen ließ sich eine interne Konsistenz der Subskalen zwischen α = .73 und α = .91 ermitteln. Im Selbstbeurteilungsbogen Angststörungen lagen die ermittelten Konsistenzen etwas niedriger, aber immer noch im zufriedenstellenden Bereich, mit Ausnahme der Skala spezifische Phobie mit α = .65. Für den Fremdbeurteilungsbogen Hyperkinetische Störungen ließen sich zufriedenstellende bis sehr gute Konsistenzen ermitteln (zwischen α = .80 und α = .94). Beim Selbstbeurteilungsbogen Hyperkinetische Störungen lagen die Werte bis auf die Subskala Impulsivität im zufriedenstellenden Bereich. Hier wurde ein deutlich geringerer Wert ermittelt (α = .68) (Görtz-Dorten 2005). Eine Normierung der Bögen liegt getrennt für Altersgruppen und Geschlecht vor (Görtz-Dorten 2005). Die Selbstbeurteilungsbögen wurden von den Jugendlichen zur Prä-und Katamnesemessung nach zwei Monaten ausgefüllt. 4.5.8. Composite Scores Um die psychischen Auffälligkeiten zu Behandlungsbeginn und ihre Veränderungen im Verlauf der Therapie beurteilen zu können, wurden die relevanten Skalen der erhobenen Fragebogen zur Vorbeugung der Kumulierung des Alphafehlers zu Composite Scores zusammengefasst. Die Zulässigkeit der Bildung der Composite Scores wurde über eine explorative Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation überprüft. Die interne Konsistenz der Composite Scores lag bei .70. Zum Prä- und Postmesszeitpunkt lagen Daten von allen Jugendlichen der Stichprobe vor, zur Katamnese nach zwei Monaten verweigerten 35,4 % der Jugendlichen das Ausfüllen der Fragebogen. Nach Durchführung des T-Tests Maike Petermann Methodik 43 wurden keine signifikanten Unterschiede festgestellt, und die fehlenden Daten wurden per Regressionsanalyse ersetzt. Für die Bildung der Composite Scores wurden die einzelnen Skalen zunächst z-transformiert. Die in dieser Untersuchung verwendeten fünf Composite Scores bestehen aus aggregierten Skalen. Im Einzelnen setzten sie sich aus folgenden Skalen zusammen: - Der Composite Score Angst und Depression im Jugendlichenurteil (ANDEP-A) bestand aus aggregierten Skalen der Fragebogen DIKJ (Depressionsinventar für Kinder- und Jugendliche; Stiensmeier-Pelster et al. 2000), aus den Skalen Angststörung und depressive Störungen im Selbsturteil des DISYPS-KJ (Diagnostik-System für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter; Döpfner & Lehmkuhl 1998), den Skalen für Prüfungsangst und manifeste Angst des AFS (Angstfragebogen für Schüler; Wieczerkowski et al. 1981) und der Skala Stressbewältigung des LAVI (Lern- und Arbeitsinventar; Keller & Thiel 1998). - Der Composite Score Angst und Depression im Elternurteil (ANDEP-P) setzte sich aus folgenden Fragebogen zusammen: Skalen für sozialen Rückzug, somatische Beschwerden und Ängstlich/Depressiv des CBCL (Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist 1998a) und aggregierte Skalen Trennungsangst, spezifische und soziale Phobie und generalisierte Angststörung im Fremdurteil des DISYPS-KJ (Depressionsinventar für Kinder- und Jugendliche; Stiensmeier-Pelster et al. 2000). - Für den Composite Score expansives Verhalten im Jugendlichenurteil (DISRUP-A) wurden die Skalen Aufmerksamkeitsstörung, delinquentes und aggressives Verhalten des Fragebogens YSR (Youth Self Report, Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist 1998b) zusammengefasst. Er enthielt außerdem die aggregierten Skalen Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität im Selbsturteil des DISYPS-KJ. - Um den Composite Score expansives Verhalten im Elternurteil (DISRUPP) zu erstellen, wurden drei Skalen des CBCL (Aufmerksamkeitsstörung, delinquentes und aggressives Verhalten) sowie die Skalen Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität im Fremdurteil des DISYPS-KJ aggregiert. Maike Petermann Methodik - 44 Der Composite Score Lernverhalten im Jugendlichenurteil (LEARN-A) bestand aus den Skalen Arbeitshaltung und Lerntechniken des Lern- und Arbeitsinventar (LAVI; Keller & Thiel 1998) und der Skala Schulunlust des Angstfragebogens für Schüler (AFS; Wieczerkowski et al. 1981). Für die vorliegende Untersuchung wurden insgesamt neun Composite Scores zu zwei verschiedenen Zeitpunkten gebildet: jeweils fünf zum Aufnahmezeitpunkt (M1) und vier zum Katamnesemesspunkt nach zwei Monaten (K1). Die Skalen um den Composite Score LEARN-A zu bilden wurde nur zum Aufnahmezeitpunkt erhoben. Die fünf Composite Scores, die zu Beginn der Behandlung erstellt wurden, wurden als mögliche Prädiktoren genutzt, und die vier Composite Scores des Katamnesenmesspunktes nach zwei Monaten wurden als Zielkriterien genutzt. 4.5.9. Schichtzugehörigkeit Da die Variable Schichtzugehörigkeit in ihrer ursprünglichen Form statistisch gesehen nicht sinnvoll anzuwenden war, wurden die eigentlichen sechs Kategorien in mehrere Gruppen unterteilt. Diese Einteilung bot die Möglichkeit, das Merkmal Schichtzugehörigkeit vergleichend zu nutzen, wobei Gruppe 1 der niedrigsten und Gruppe 6 der höchsten sozialen Schicht entsprachen. Die ursprünglichen Kategorien sahen wie folgt aus: 01 = ungelernter Arbeiter 02 = angelernte Berufe 03 = Facharbeiter, Handwerker, Angestellte, Beamte im einfachen Dienst 04 = mittlere Angestellte, Beamte im mittleren Dienst 05 = höher qualifizierte Angestellte, Beamte im gehobenen Dienst 06 = leitende Angestellte, Beamte im höheren Dienst 07 = kleinste Selbstständige, ambulantes Gewerbe 08 = kleine selbstständige Gewerbetreibende 09 = selbstständige Handwerker, Landwirte, Gewerbetreibende (kleine Betriebe) 10 = selbstständige Handwerker, Landwirte etc. (mittlere Geschäfte, Betriebe) 11 = Akademiker, freie Berufe, größere Unternehmer Maike Petermann Methodik 45 Die für die Berechnungen gestalteten Gruppen sehen folgendermaßen aus: Gruppe 1 - 01 ungelernter Arbeiter - 02 angelernte Berufe Gruppe 2 - 03 Facharbeiter, Handwerker, Angestellte, Beamte im einfachen Dienst - 07 kleinste Selbstständige, ambulantes Gewerbe Gruppe 3 - 04 mittlere Angestellte, Beamte im mittleren Dienst - 08 kleine selbstständige Gewerbetreibende Gruppe 4 - 05 höher qualifizierte Angestellte, Beamte im gehobenen Dienst - 09 selbstständige Handwerker, Landwirte, Gewerbetreibende (kleine Betriebe) Gruppe 5 - 06 leitende Angestellte, Beamte im höheren Dienst - 10 selbstständige Handwerker, Landwirte etc. (mittlere Geschäfte, Betriebe) Gruppe 6 - 11 Akademiker, freie Berufe, größere Unternehmer Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, dass kein standardisierter Score für die Einteilung der Schichten verwand wurde, sondern eine eigene Einteilung zur Betrachtung vorgenommen wurde. 4.6. Umgang mit Missings – Summe der Fehlstunden auf dem letzten Zeugnis Von den n = 147 Probanden fehlte bei n = 27 (18,4%) die Information zu den Fehlstunden auf dem letzten Zeugnis. Da es sich um eine quantitative Variable handelt, konnten die fehlenden Werte mittels Regression ersetzt werden. – Standardwert des Gesamtteils der Intelligenzdiagnostik Die Intelligenzdiagnostik wurde entweder mittels HAWIK-III (Tewes et al., 1999) bei Kindern im Alter von 6,0 bis 16,11 Jahren oder mittels HAWIE-R (Tewes 1991) bei Jugendlichen ab dem 17. Lebensjahr erhoben. Den vorhandenen 119 (81 %) Werten standen bei dieser Variable 28 (19 %) Missings gegenüber. Auch hier konnten die fehlenden Werte per Regression ersetzt werden. Maike Petermann Methodik 46 – Summenwert der Achse-V-Diagnosen nach DSM-IV In dieser Variable sind die diagnostizierten assoziierten aktuellen abnormen psychosozialen Umstände erfasst. (Achse-V-Diagnosen nach DSM-IV, Saß et al. 2003). Es besteht die Möglichkeit bis zu 39 Einzeldiagnosen zu stellen, bei dieser Stichprobe liegen die Werte im Bereich von null bis elf. Bei dieser Variable kamen zehn (6,8 %) fehlende Werte vor, die ebenfalls durch Regression ersetzt werden konnten. – Achse-VI-Diagnose nach DSM-IV (Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung) In dieser Variable wird auf einer Skala von null bis acht die psychosoziale Anpassung eingeschätzt, wobei steigende Werte einer schlechteren Anpassung entsprechen. Es lagen in der Stichprobe 16 (10,9 %) fehlende Werte vor, die durch die sechsstufige Einteilung als eine quantitative Variable betrachtet wurde und somit durch Regression ersetzt werden konnten. – Schichtzugehörigkeit Die fehlenden vier (2,7%) Werte konnten in diesem Zusammenhang nicht adäquat ersetzt werden, somit wurde darauf verzichtet. 4.7. Prädiktorvariablen Nachfolgend die ausgewählten Prädiktorvariablen: - Geschlecht (Jungen [0]; Mädchen [1]) - Intelligenz - Alter (in Monaten) - Schulart (Haupt- und Sonderschulen [0] versus alle anderen Schulformen [1]) - Beziehungsstatus leiblicher Eltern (nicht getrennt [0]; getrennt [1]) - Schichtzugehörigkeit (siehe „Umgang mit Missings“) - klinisch-psychiatrische Hauptdiagnose nach ICD-10 Maike Petermann Methodik - 47 (Angst ja [0]; nein [1]; (Depression ja [0]; nein [1]; kombinierte introversive und expansive Störung ja [0]; nein [1]; sonstige Diagnose ja [0]; nein [1]) - Summerwert der Achse-V-Diagnosen nach DSM-IV - Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung (Achse-VI-Diagnosen nach DSM-IV) - Fehlstunden auf dem letzten Zeugnis - Schweregrad des Schulabsentismus (eingestellt [0] versus unregelmäßiger Schulbesuch [1]) - Auffälligkeiten zu Behandlungsbeginn (in Form von Composite Scores) - Therapiedauer (Dauer des stationären Aufenthaltes in Tagen) Für die hierarchische Regressionsanalyse ist eine Strategie wichtig hinsichtlich der Reihenfolge, in der man die Prädiktoren in die Rechnung hineinfließen lässt. Die Überlegung zur Reihenfolge sah folgendermaßen aus: Diejenigen Prädiktoren, die unveränderlich (z.B. Geschlecht, Alter) oder relativ stabil sind, werden zuerst in die Regressionsanalyse aufgenommen und in den nachfolgenden Schritten werden alle weiteren Prädiktoren berücksichtigt. 4.8. Zielkriterien Ziel der Untersuchung war die Vorhersage des Zustandes nach der Therapie anhand von Variablen, die vor der Therapie erhoben wurden. Als Zielkriterien für den Zustand nach der Therapie wurden vier der fünf Composite Scores ausgewählt. Es handelte sich um Composite Scores, die aus Fragebogen erstellt sind, welche zur Katamnese nach zwei Monaten erhoben wurden. - Composite Score DISRUP-A (expansives Verhalten im Jugendlichenurteil) - Composite Score DISRUP-P (expansives Verhalten im Elternurteil) - Composite Score ANDEP-A (Angst und Depression im Jugendlichenurteil) - Composite Score ANDEP-P (Angst und Depression im Elternurteil) Maike Petermann Methodik 48 4.9. Verwendete Verfahren der Datenanalyse Für die statistischen Analysen dieser Arbeit wurde das Statistik- Softwareprogramm SPSS 17.0 genutzt. Besonders bei psychologischen Fragestellungen ist es typisch, dass die Kriteriumsvariable nicht nur von einer Prädiktorvariablen, sondern von mehreren beeinflusst wird. Daher wird in der psychologischen Forschung meist mit einer multiplen linearen Regression gearbeitet (Rudolf und Müller 2004). In der vorliegenden Studie wurde die Methode der hierarchischen Regressionsanalyse angewandt, um den jeweiligen Erklärungsbeitrag auf die verschiedenen Zielkriterien zu untersuchen. Zuerst wurden bivariate Korrelationen durchgeführt, um signifikante Zusammenhänge zwischen Prädiktor- und Kriteriumsvariablen zu bestimmen. Anschließend wurden Prädiktoren, die hier bedeutsam waren, schrittweise in die Regressionsanalyse aufgenommen. Im ersten Schritt wurden unveränderliche oder relativ stabile Variablen in die Analyse aufgenommen. Dieses Vorgehen erlaubt im optimalen Fall, dass man im klinischen Alltag schnell und orientiert eine Prognose des jeweiligen Jugendlichen bezüglich der Therapie einschätzen kann, noch bevor man den Jugendlichen eine Zeitlang begleitet und kennengelernt hat oder seine Umgebung befragt hat. Zu den unveränderlicheren Variablen zählen die soziodemografischen Daten und Umstände zur Lebens- und Familiensituation. Im nächsten Schritt erfolgte die Aufnahme der veränderlicheren Variablen. Zu ihnen zählten die Auffälligkeiten zu Behandlungsbeginn (operationalisiert durch Composite Scores) und Fehlstunden auf dem letzten Zeugnis, außerdem im weiteren Sinne die Psychopathologie, klinisch-psychiatrische Hauptdiagnose und Achse-VI- Diagnose nach DSM-IV [Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung]). Die Toleranzwerte der Variablen zur Überprüfung der Kollinearität lagen alle über 1.0 und ließen somit keine relevante Multikollinearität erkennen. Als Signifikanzniveau wurde ein α- Niveau von 5 % festgelegt. Maike Petermann Ergebnisse 49 5. Ergebnisse 5.1. Korrelationskoeffizienten der Prädiktorvariablen Die verschiedenen Variablen wurden untereinander korreliert, um das Maß für den Zusammenhang der Variablen festzustellen. Außerdem wurden so die Variablen, welche in die Regressionsanalyse aufgenommen wurden, identifiziert. Im Folgenden werden zur besseren Übersicht die Korrelationskoeffizienten dargestellt. Nachfolgend werden die verschiedenen Regressionsanalysen beschrieben. Maike Petermann 2. 3. .534** .248** .414** .075 .259** .316** .568** .147 .254** .065 .079 .004 .109 -.031 -.100 -.051 .301** .203* .106 .009 .080 .050 -.090 -.051 .155 .016 -.026 .194* 8. Depression ja/nein 9. M1 ANDEP A 10. M1 ANDEP P 11. kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen ja/nein 12. M1 DISRUP A 13. M1 DISRUP P 14. Andere Diagnose ja/nein 15. Achse 6 16. Schulform HS/SS vs. alle 17. Qualität Schulabsentismus 18. Fehlstunden 19. IQ 20. Dauer des stationären Aufenthaltes 21. Eltern getrennt ja/nein 22. Achse 5 23. Schichtzugehörigkeit -.006 .112 -.044 -.094 .122 .065 .007 .166* .193* .170* .073 .005 -.020 .083 -.062 .074 .019 -.042 -.046 .013 -.047 -.079 .112 .164* .055 .016 -.128 .086 -.009 -.044 -.029 -.180* -.022 .036 -.096 .007 -.035 .209* .339** .646** -.206* .050 .017 .033 -.304** .158 .286** .009 .087 .525** .282** -.050 .014 .031 -.169* -.269** .283** -.072 .051 .014 7. Angst ja/nein .080 .025 -.212** 5. .156 -.007 4. .207* .474** .617** .214** .130 .384** .336** 1. 6. Alter in Monaten K1 ANDEP A K1 ANDEP P K1 DISRUP A K1 DISRUP P 5. Geschlecht 1. 2. 3. 4. 7. .038 .070 .073 -.067 -.092 -.012 -.113 -.037 .143 -.188* -.127 -.035 .029 .047 -.163* -.023 .184* -.186* -.039 .064 .174* -.320** -.086 -.229** .104 -.265** 9. 11. .116 -.078 .008 .000 .084 12. -.054 .128 .000 -.263** .083 -.058 .016 .091 .224** -.178* -.070 .073 .067 -.025 -.051 .052 -.064 .164 .027 -.118 -.013 .065 .032 .148 .088 -.142 -.032 .092 -.075 14. .174* .139 -.012 .090 -.089 .033 16. -.088 -.104 -.060 -.142 .303** .101 .161 -.052 -.029 .325** .004 -.064 -.190* .020 15. -.087 .221** -.048 .236** -.128 -.034 .091 .310** -.008 .010 -.061 13. .094 .216** .046 .025 -.081 -.004 -.089 .027 -.062 -.022 -.055 .165* .379** .322** .403** .200* .303** -.087 10. -.100 -.216** -.168* .251** -.066 .035 .001 -.194 -.036 .026 .536** -.022 -.088 .015 .477** 8. -.150 -.504** -.305** .200* .084 .108 -.372** -.070 6. .113 .117 -.069 .118 18. .000 -.166* -.020 -.034 .133 -.076 -.007 17. .180* -.069 .109 .118 19. 21. 22. .056 -.240** -.218** -.028 .061 .250** 20. 23. Ergebnisse 50 Tabelle 1: Korrelationskoeffizienten der Prädiktorvariablen Quelle: Eigene Erstellung Maike Petermann Ergebnisse 51 5.2. Hierarchische Regressionsanalyse mit dem Kriterium Composite Score K1 DISRUP-A (expansives Verhalten im Jugendlichenurteil) Das Zielkriterium der ersten hierarchischen Regressionsanalyse ist der Composite Score K1 DISRUP-A, welches das expansive Verhalten im Jugendlichenurteil darstellt. Zuerst wurden die unveränderlicheren Daten in die hierarchische Regressionsanalyse aufgenommenen. Im Fall des Composite Scores K1 DISRUP-A wurden für die erste Stufe der hierarchischen Regressionsanalyse die Merkmale „Summenwert der Achse V Diagnosen“ und „Beziehungsstatus der leiblichen Eltern“ eingesetzt. Die Variable „Beziehungsstatus der Eltern“ lag zu allen Probanden der Studie vor und war mit dem Wert 0 für „nicht getrennt“ und dem Wert 1 für „getrennt“ kodiert. Die Variable des „Summenwerts der Achse V Diagnosen“ wies zehn (6,8 %) fehlende Werte auf, die mittels Regression ersetzt werden konnten. Im nächsten Schritt der Regressionsanalyse wurden die veränderlicheren Variablen in das Modell mit aufgenommen. Dazu gehörten die Composite Scores des Aufnahmedatums M1 DISRUP-A und M1 DISRUP-P, das expansive Verhalten im Jugendlichen- und Elternurteil, des Weiteren der Composite Score M1 ANDEP-A, Angst und Depression im Jugendlichenurteil, und der Composite Score M1 LEARN-A, das Lernverhalten im Jugendlichenurteil. Die Composite Scores zum Zeitpunkt M1 waren vollständig, zur Katamnese nach zwei Monaten verweigerten 35,4 % der Jugendlichen das Ausfüllen der Fragebogen, aus denen die Composite Scores K1 erstellt werden. Die fehlenden Werte konnten durch Regression ersetzt werden. Außerdem zeigte sich das Merkmal klinischpsychiatrische Hauptdiagnose Angst als relevant und wurde mit in das Modell aufgenommen. Die aufgenommenen Variablen der hierarchischen Regressionsanalyse mit dem Kriterium Composite Score K1 DISRUP-A sind zur besseren Übersicht nochmals in der Tabelle zwei aufgeführt: Maike Petermann Ergebnisse 52 Tabelle 2: Aufgenommene Variablen des Modells K1 Composite Score DISRUP-A Modell Aufgenommene Variablen 1 -Summenwert der Achse V Diagnosen 2 -Beziehungsstatus der leiblichen Eltern -M1 Composite Score DISRUP-A -Composite Score DISRUP-A -M1 Composite ScoreDISRUP-P DISRUP-P -Composite Scoren -M1 Composite Score ANDEP-A -Composite Score ANDEP-A -klinisch-psychiatrische Hauptdiagnose Angst Quelle: Eigene Erstellung Die Ergebnisse der hierarchischen Regressionsanalyse sind in den folgenden zwei Tabellen dargestellt: Tabelle 3: Modellzusammenfassung K1 Composite Score DISRUP-A Modell R 1 2 R-Quadrat Korrigiertes RQuadrat .230 .053 .040 .608 .369 .338 Standardfehler des Schätzers .50660 .42075 Änderungsstatistiken Änderung in Änderung in F df1 df2 Signifikante R-Quadrat Änderung in F .053 4.027 2 144 .020 .316 13.952 5 139 .000 Quelle: Eigene Erstellung Aus der Tabelle drei, die die Modellzusammenfassung zeigt, wird ersichtlich, dass der erste Schritt der hierarchischen Regressionsanalyse 4 % der Varianz aufklärt, insgesamt werden mit dem Modell 34 % der Varianz aufgeklärt. Tabelle 4: Regressionsmodell (Koeffizienten) mit dem abhängigen Kriterium K1 Composite Score DISRUP-A Modell 1 Konstante Beziehungsstatus der leiblichen Eltern Summenwert Diagnose Achse V 2 Konstante Beziehungsstatus der leiblichen Eltern Summenwert Diagnose Achse V klinisch-psychiatrische Hauptdiagnose Angst M1 Composite Score ANDEP-A M1 Composite Score DISRUP-A M1 Composite Score DISRUP-P M1 Composite Score LEARN-A Nicht standardisierte Standardisierte Koeffizienten Koeffizienten Regressions- Standardfehler Beta T koeffizient B Kollinearitätsstatistik Signifikanz Toleranz VIF -.488 .165 .069 .086 .161 -7.032 .000 1.916 .057 .937 1.067 .034 .022 .130 1.547 .124 .937 1.067 -.462 .135 .066 .073 .131 -6.968 .000 1.845 .067 .906 1.104 .037 .019 .141 1.992 .048 .909 1.100 -.045 .077 -.043 -.587 .558 .858 1.166 .016 .057 .235 2.817 .006 .651 1.536 .236 .065 .326 3.611 .000 .557 1.797 .098 .050 .147 1.952 .053 .798 1.253 -.017 .048 -.026 -.359 .720 .863 1.159 Quelle: Eigene Erstellung Maike Petermann Ergebnisse 53 Tabelle vier zeigt, dass sich in dieser Regressionsanalyse erst im zweiten Schritt drei Prädiktoren zeigten, die einen Einfluss auf das Zielkriterium hatten. Es handelt sich um die Merkmale „Summenwert der Achse V Diagnosen“, „Composite Score M1 ANDEP-A“ (Angst und Depression im Jugendlichenurteil) und „Composite Score M1 DISRUP-A“ (expansives Verhalten im Jugendlichenurteil). Die Achse V Diagnose beschreibt die assoziierten aktuellen abnormen psychosozialen Umstände, die das Kind im Zeitraum der letzten sechs Monate vor Behandlungszeitpunkt direkt und durchgehend betroffen haben. Das Merkmal „Summenwert der Achse V Diagnosen“ hat einen positiven Regressionskoeffizienten; je mehr Punkte der Proband in der Kategorie zugewiesen bekommen hat, desto auffälliger schätzen sich die Kinder in ihrem expansiven Verhalten zwei Monate nach Ende der Therapie ein. Der standardisierte β-Koeffizient dieses Merkmals hat einen Wert von 0.141. Auch die beiden Composite Scores, die sich auf den Zeitpunkt vor der Therapie beziehen, stehen in einem positiven Zusammenhang mit dem Zielkriterium. Je auffälliger sich die Probanden zu Beginn der Therapie im expansiven Verhalten sowie ängstlicher und depressiver sie sich einschätzten, desto auffälliger schätzen sie ihr expansives Verhalten zum Katamnesezeitpunkt nach zwei Monaten ein. Der standardisierte Regressionskoeffizient β hat bei dem Composite Score ANDEP-A einen Wert von 0.235 und bei dem Composite Score DISRUP-A einen Wert von 0.326. Die standardisierten β-Koeffizienten erlauben bei Prädiktoren, denen unterschiedliche Skalen zugrunde liegen, den Vergleich der Stärke des Zusammenhangs, den sie zur Kriteriumsvariablen haben. Wenn man die standardisierten Werte dieser signifikanten Variablen untereinander vergleicht, wird deutlich, dass der Composite Score DISRUP-A, erhoben zum Zeitpunkt M1, den größten Erklärungsbeitrag liefert. Die anderen Merkmale zeigten keinen statistisch signifikanten Einfluss auf das Zielkriterium. Maike Petermann Ergebnisse 54 5.3. Hierarchische Regressionsanalyse mit dem Kriterium Composite Score K1 DISRUP-P (expansives Verhalten im Elternurteil) Das Zielkriterium dieser hierarchischen Regressionsanalyse ist der Composite Score K1 DISRUP-P, welches das expansive Verhalten im Elternurteil darstellt. Tabelle fünf zeigt die in das Modell aufgenommenen Variablen. Bei den ersten Merkmalen, die diesem Regressionsmodell hinzugefügt wurden, handelt es sich um den „Beziehungsstatus der leiblichen Eltern“ und das „Geschlecht“ des Jugendlichen. Die Daten zum Merkmal „Geschlecht“ lagen für alle Jugendliche vor, und die Kodierung lautet wie folgt: 0 für das männliche Geschlecht und 1 für das weibliche Geschlecht. Im nächsten Schritt wurden dem Modell weitere Merkmale hinzugefügt: „Composite Score M1 DISRUP-A“ und „Composite Score M1 DISRUP-P“, expansives Verhalten im Jugendlichen- und Elternurteil, „Composite Score M1 ANDEPP“, Angst und Depression im Elternurteil, und „Composite Score M1 LEARN-A“, das Lernverhalten im Jugendlichenurteil. Zudem wurden die klinischpsychiatrischen Hauptdiagnosen „Angst“ und „kombinierte und expansive Störungen“ aufgenommen. Die klinisch-psychiatrischen Hauptdiagnosen wurden für die statistischen Berechnungen in fünf Kategorien eingeteilt: „Angststörungen“, „depressive Störungen“, „expansive Störungen“, „kombinierte introversive und expansive Störungen“ und „andere Störungen“. Da sich für die Kategorie „expansive Störungen“ lediglich vier Patienten aus der Stichprobe qualifizierten, wurden für die Berechnungen die Kategorien „expansive Störungen“ und „kombiniert introversive und expansive Störungen“ fusioniert. Maike Petermann Ergebnisse 55 Tabelle 5: Aufgenommene Variablen des Modells K1 Composite Score DISRUP-P Modell Aufgenommene Variablen 1 - Beziehungsstatus der leiblichen Eltern - Geschlecht 2 - M1 Composite Score DISRUP-A - M1 Composite Score DISRUP-P - M1 Composite Score LEARN-A - M1 Composite Score ANDEP-P - klinisch-psychiatrische Hauptdiagnose expansive Störung und kombinierte introversive und expansive Störung - klinisch-psychiatrische Hauptdiagnose Angst Quelle: Eigene Erstellung Der folgenden Tabelle sechs kann man die wichtigsten Zahlen im Überblick entnehmen: Tabelle 6: Modellzusammenfassung K1 Composite Score DISRUP-P Modell R R-Quadrat Korrigiertes R-Quadrat 1 .280 .078 .066 2 .671 .450 .418 Standardfehler des Schätzers .51651 .40752 Änderungsstatistiken Änderung in Änderung df1 df2 Signifikante R-Quadrat in F Änderung in F .078 6.129 2 144 .003 .372 15.554 6 138 .000 Quelle: Eigene Erstellung Im ersten Schritt der hierarchischen Regressionsanalyse wurden circa 7 % der Varianz aufgeklärt. Durch den zweiten Schritt ergibt sich eine gesamte Varianzaufklärung von 42 %. Die folgende Tabelle sieben verdeutlicht die Rechnung: Maike Petermann Ergebnisse 56 Tabelle 7: Regressionsmodell (Koeffizienten) mit dem abhängigen Kriterium K1 Composite Score DISRUP-P Nicht standardisierte Standardisierte Koeffizienten Koeffizienten Regressions- Standard- Beta T koeffizient B fehler Modell Kollinearitätsstatistik Signifikanz Toleranz VIF 1 Konstante Geschlecht Beziehungsstatus der leiblichen Eltern 2 Konstante Geschlecht Beziehungsstatus der leiblichen Eltern klinisch-psychiatrische Hauptdiagnose Angst klinisch-psychiatrische Hauptdiagnose kombinierte introversive und expansive und expansive Störung M1 Composite Score ANDEP-P M1 Composite Score DISRUP-A M1 Composite Score DISRUP-P M1 Composite Score LEARN-A -.455 -.245 .195 .068 .086 .086 -.228 .184 -6.652 .000 -2.840 .005 2.285 .024 .993 .993 1.008 1.008 -.445 -.087 .082 .066 .076 .069 -.081 .077 -6.712 .000 -1.139 .257 1.180 .240 .790 .943 1.265 1.060 -.104 .087 -.095 -1.205 .230 .639 1.565 .061 .094 .052 .647 .519 .616 1.624 .055 .061 .065 .901 .369 .759 1.318 -.009 .056 -.012 -.161 .872 .707 1.414 .376 .056 .549 6.750 .000 .601 1.663 .045 .047 .065 .968 .880 1.137 .335 Quelle: Eigene Erstellung Hier zeigt sich im ersten Schritt der Regressionsanalyse das Merkmal „Geschlecht“ mit einem statistisch relevanten Einfluss auf das Zielkriterium. Allerdings ist das Merkmal im zweiten Schritt der Regressionsanalyse nicht mehr bedeutsam. Wenn der zweite Merkmalsblock hinzugefügt wird, zeigt sich insgesamt nur ein Merkmal als statistisch relevant. Es handelt sich um den „Composite Score M1 DISRUP-P“ (expansives Verhalten im Elternurteil) mit einem positiven Regressionskoeffizienten und einem standardisierten β-Koeffizienten von 0.549. Je auffälliger die Eltern ihre Kinder bezüglich des expansiven Verhaltens zu Beginn der Therapie eingeschätzt hatten, desto auffälliger wurden sie von den Eltern zum Katamnesezeitpunkt nach zwei Monaten eingeschätzt. Maike Petermann Ergebnisse 57 5.4. Hierarchische Regressionsanalyse mit dem Kriterium Composite Score K1 ANDEP-A (Angst und Depression im Jugendlichenurteil) Das Zielkriterium dieser hierarchischen Regressionsanalyse ist der Composite Score K1 ANDEP-A, welches Angst und Depression im Jugendlichenurteil darstellt. Zunächst wurde das Merkmal „Schichtzugehörigkeit“ und „Geschlecht“ des Jugendlichen dem Modell hinzugefügt. Innerhalb des Merkmals der „sozialen Schichtzugehörigkeit“ gab es bei vier Patienten fehlende Werte. Da eine Ersetzung der Werte nicht sinnvoll war, wurden diese vier Patienten von der Betrachtung dieser möglichen Prädiktorvariable ausgeschlossen. Im zweiten Schritt wurde das Modell um vier Composite Scores erweitert, und zwar jeweils „Composite Score M1 ANDEP-A“ und „Composite Score M1 ANDEP-P“, also Angst und Depression im Jugendlichen- und im Elternurteil, und „Composite Score M1 DISRUP-A“ und „Composite Score M1 DISRUP-P“, entsprechend expansives Verhalten im Jugendlichen und Elternurteil. Die beiden Tabellen acht und neun bieten eine Übersicht der Rechenschritte: Tabelle 8: Aufgenommene Variablen des Modells K1 Composite Score ANDEP-A Modell Aufgenommene Variablen 1 -Schichtzugehörigkeit 2 -Geschlecht -M1 Composite Score DISRUP-A -M1 Composite Score DISRUP-P -M1 Composite Score ANDEP-A -M1 Composite Score ANDEP-P Quelle: Eigene Erstellung Tabelle 9: Modellzusammenfassung K1 Composite Score ANDEP-A Modell R R-Quadrat Korrigiertes RQuadrat 1 .300 .090 .077 2 .580 .337 .308 Standardfehler des Schätzers .56402 .48855 Änderungsstatistiken Änderung in R- Änderung in F df1 df2 Signifikante Quadrat Änderung in F .090 6.942 2 140 .001 .247 12.647 4 136 .000 Quelle: Eigene Erstellung Der erste Rechenschritt dieser Regressionsanalyse bietet eine Varianzaufklärung von circa 8 %. Es ergibt sich eine Varianzaufklärung des Gesamtmodells von etwa 31 %. Maike Petermann Ergebnisse 58 Tabelle 10: Regressionsmodell (Koeffizienten) mit dem abhängigen Kriterium K1 Composite Score ANDEP-A Nicht standardisierte Standardisierte Koeffizienten Koeffizienten Regressio Standardf Beta T nskoeffizi ehler ent B Modell Kollinearitätsstatistik Signifikanz Toleranz VIF 1 Konstante Geschlecht Schichtzugehörigkeit 2 Konstante Geschlecht Schichtzugehörigkeit M1 Composite Score ANDEP-A M1 Composite Score ANDEP-P M1 Composite Score DISRUP-A M1 Composite Score DISRUP-P -.847 .274 .093 .116 .096 .034 -.231 .224 -7.319 .000 2.844 .005 2.752 .007 .984 .984 1.017 1.017 -.712 .134 .063 .381 .102 .090 .030 .076 .114 .151 .493 -6.961 1.500 2.091 5.019 .000 .136 .038 .000 .850 .935 .505 1.177 1.070 1.981 .055 .061 .065 .901 .369 .759 1.318 .009 .080 .010 .111 .912 .637 1.571 .090 .064 .121 1.402 .163 .653 1.532 Quelle: Eigene Erstellung Tabelle zehn zeigt, dass sich im ersten Schritt der Analyse zwei Variablen als statistisch signifikant darstellen. Es handelt sich um das Merkmal „Geschlecht“, das männliche Geschlecht ist mit 0 kodiert und das weibliche mit 1, und das Merkmal „soziale Schichtzugehörigkeit“, aufsteigende Werte sind für höhere Schichtzugehörigkeit kodiert. Sie haben jeweils einen positiven Regressionskoeffizienten, stehen also im positiven Zusammenhang mit dem Zielkriterium. Das Merkmal „Geschlecht“ verliert jedoch seine statistische Signifikanz, nachdem der zweite Merkmalsblock dem Modell hinzugefügt wurde. Das Merkmal „Schichtzugehörigkeit“ hingegen bleibt statistisch signifikant. Dies bedeutet, je höher die soziale Schichtzugehörigkeit ist, desto mehr ängstliche und depressive Symptome beschreiben die Jugendlichen im Selbsturteil. Der Wert des standardisierten β-Koeffizienten liegt bei 0.151. Zusätzlich wird der Composite Score M1 ANDEP-A im zweiten Schritt der Analyse signifikant mit einem Wert des standardisierten β-Koeffizienten von 0.493 Je auffälliger sich die Jugendlichen zu Beginn der Therapie im Hinblick auf ängstliche und depressive Symptome eingeschätzt hatten, desto ängstlicher und depressiver sahen sie sich zwei Monate nach der Therapie. Maike Petermann Ergebnisse 59 Auch in diesem Fall zeigt sich der analoge Composite Score ANDEP-A zum Messzeitpunkt M1 mit dem höchsten standardisierten β-Koeffizienten des Modells als die Variable mit dem höheren Erklärungsbeitrag. Alle übrigen eingefügten Merkmale zeigten keinen statistisch relevanten Einfluss auf das Zielkriterium. 5.5. Hierarchische Regressionsanalyse mit dem Kriterium Composite Score K1 ANDEP-P (Angst und Depression im Elternurteil) Das Zielkriterium dieser hierarchischen Regressionsanalyse ist der Composite Score K1 ANDEP-P, welches Angst und Depression im Elternurteil darstellt. Bei den zuvor ermittelten bivariaten Korrelationen standen mit diesem Zielkriterium drei Composite Scores in signifikantem Zusammenhang. Diese drei Composite Scores wurden alle gleichzeitig dem Regressionsmodell eingefügt, wie Tabelle elf zeigt. Es handelt sich um den „Composite Score M1 ANDEP-A“ und „Composite Score M1 ANDEP-P“, Angst und Depression im Jugendlichen- und im Elternurteil, und der „Composite Score M1 DISRUP-P“, expansives Verhalten im Elternurteil. Tabelle 11: Aufgenommene Variablen des Modells K1 Composite Score ANDEP-P Modell Aufgenommene Variablen 1 -M1 Composite Score DISRUP-P -M1 Composite Score ANDEP-A -M1 Composite Score ANDEP-P Quelle: Eigene Erstellung Tabelle 12: Modellzusammenfassung K1 Composite Score ANDEP-P Modell R R-Quadrat Korrigiertes Standardfehler Änderung in Änderung df1 df2 Signifikante R-Quadrat des Schätzers R-Quadrat in F Änderung in F 1 .569 .323 .309 .47296 .323 22.777 3 143 .000 Quelle: Eigene Erstellung Die Tabelle zwölf zeigt, dass mit diesem Modell etwa 31 % der Varianz aufgeklärt werden. Maike Petermann Ergebnisse 60 Tabelle 13: Regressionsmodell (Koeffizienten) mit dem abhängigen Kriterium K1 Composite Score ANDEP-P Modell 1 Konstante M1 Composite Score ANDEP-A M1 Composite Score ANDEP-P M1 Composite Score DISRUP-P Nicht standardisierte Standardisierte Koeffizienten Koeffizienten Regressions- Standard- Beta T koeffizient B fehler Kollinearitätsstatistik Signifikanz Toleranz VIF -.646 -.022 .039 .059 -.030 -16.563 .000 -.381 .704 .772 1.296 .552 .075 .585 7.012 .000 .679 1.473 -.006 .054 -.008 -.111 .912 .856 1.169 Quelle: Eigene Erstellung Tabelle 13 zeigt, dass sich einzig das Merkmal „Composite Score M1 ANDEPP“ in dieser Regressionsanalyse als statistisch signifikant erweist. Es hat einen standardisierten β-Koeffizienten von 0.585. Je auffälliger die Eltern die Jugendlichen in Hinblick auf Angst und Depressionen zu Beginn der Therapie beurteilten, desto ängstlicher und depressiver schätzten sie die Jugendlichen zwei Monate nach der Therapie ein. Alle Werte der standardisierten β-Koeffizienten lagen im üblichen Bereich der sozialwissenschaftlichen Arbeiten. Maike Petermann Diskussion 61 6. Diskussion Ziel der vorliegenden Arbeit war es, Variablen zu identifizieren, die vor der Therapie erhoben wurden und prognostisch das psychische Befinden nach der Therapie vorhersagen können. Erste Wirksamkeitsergebnisse der multimodalen stationären Kurzzeittherapie von Kindern und Jugendlichen mit emotional bedingtem Schulabsentismus wurden bereits in vorangegangenen Arbeiten aufgezeigt (Walter et al. 2005; Ziegert 2006). Sowohl hinsichtlich der statistisch relevanten Reduktion von klinisch-psychiatrischen Symptomen als auch bezüglich der Wiederherstellung des regelmäßigen Schulbesuches zeigt die Therapie über den beobachteten Katamnesezeitraum beim Großteil der Stichprobe erfolgreiche Effekte (vgl. Ziegert 2006). Um nun die Variablen zu bestimmen, die einen Vorhersagewert bezüglich der psychischen Auffälligkeiten nach der Therapie haben, wurden verschiedene hierarchische Regressionsanalysen durchgeführt. Vorhergesagt wurden Composite Scores, die sich auf den Katamnesezeitpunkt zwei Monate nach Ende der Therapie bezogen. Die Prädiktorvariablen wurden in Gruppen zusammengefasst und schrittweise dem Regressionsmodell hinzugefügt. Von den Prädiktorvariablen, die den Modellen zugeführt wurden, zeigten sechs einen statistisch signifikanten Einfluss auf das jeweilige Zielkriterium. Vier von diesen sechs Prädiktorvariablen sind Composite Scores, die die psychischen Auffälligkeiten der Jugendlichen entweder aus der Sicht der Jugendlichen oder aus der Sicht der Eltern erfassen. Entsprechend der Studienlage korrelieren die Fragebogen der gleichen Informanten am höchsten. Die Prädiktoren mit der höchsten Effektstärke des jeweiligen Regressionsmodells sind die zu dem entsprechenden Zielkriterium passenden Composite Scores. Wie schon in früheren Arbeiten beschrieben (De Los Reyes et al. 2005), liegen bei unterschiedlichen Informanten Diskrepanzen bei der Darstellung und Einschätzung von beispielsweise Verhaltensauffälligkeiten vor. Auch in der vorliegenden Untersuchung zeigt sich, dass es den höchsten statistisch signifikanten Zusammenhang gibt, wenn die jeweiligen Composite Scores zu verschiedenen Zeitpunkten, einmal als Zielkriterium und einmal als Prädiktor, in der Rechnung aufeinander treffen. Maike Petermann Diskussion 62 Studien zeigen, dass die Informationen von verschiedenen Befragten (z.B. Eltern, Lehrer, Jugendliche) oft nicht deckungsgleich sind (Achenbach et al. 1987). Gerade in der Fachrichtung Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, sowohl bei den Erwachsenen als auch bei den Kindern, nimmt die persönliche Einschätzung und Wahrnehmung des Betroffenen und seines Umfelds eine besondere Rolle ein. Es gibt viele Methoden, Daten zu erheben, Informationen zu Symptomen zu erlangen, Patienten und deren Umgang beispielsweise mit Mitmenschen kennenzulernen. Für das DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) wurden Fragen entwickelt, um DSM-Kriterien mit Hilfe von Ja/Nein-Fragen zu erfassen. Zuerst wurden diese Fragen für Erwachsene entwickelt, später für Kinder und Jugendliche. Jedoch wurden die Antworten der Kinder und Jugendlichen als inadäquate Basis für die Diagnostik befunden. Man modifizierte die Fragen, um die Eltern zu interviewen, und es stellte sich heraus, dass es Diskrepanzen zwischen den Antworten der Kinder und Jugendlichen und ihren Eltern gab (Achenbach 2006). Man hielt Kinder nicht dazu imstande, ihre eigenen Symptome und Verhaltensweisen treffend zu beschreiben (Schwab-Stone et al. 1994). Man ging davon aus, dass die Kinder kognitiv nicht dazu in der Lage seien, in einer Testsituation angemessen zu antworten (Edelbrock und Costello 1990). Lange Zeit berief man sich bei der Information zur Psychopathologie des Kindes auf einen Informanten (z. B. die Eltern), heute geht man davon aus, dass jeder Befragte eine individuelle Sichtweise zum Gesamtbild beiträgt und das mehrere Sichtweisen von verschiedenen Informanten zusammengefasst hochwertiger sind als die einzelner Personen (Achenbach et al. 1987). Keine Methode allein kann als „Goldstandard“ für die Beurteilung eventuell vorliegender psychischer Probleme von Jugendlichen angesehen werden (De Los Reyes et al. 2005). Die unterschiedlichen Einschätzungen der jeweiligen Befragten lassen sich in Studien reproduzieren (Choudhury et al. 2003; Grills et al. 2003), allerdings konnten die Ursachen nicht genau geklärt werden (De Los Reyes, 2005). Auch diese Studie enthält viele Fragebogen, die einerseits von den Kindern und Jugendlichen andererseits von den Eltern ausgefüllt wurden. Man kann davon Maike Petermann Diskussion 63 ausgehen, dass auch hier eine Diskrepanz in der Wahrnehmung der psychischen Auffälligkeiten zwischen Probanden und Eltern oder Betreuern vorliegt. Der selbsteingeschätzte Grad der Angst wurde bereits als Prädiktor für den Erfolg der verhaltenstherapeutischen Therapie bei Agoraphobie beschrieben (Jansson et al. 1987). Auch in der vorliegenden Arbeit zeigt sich die selbsteingeschätzte Angst in Form von Composite Scores als ein statistisch signifikanter Prädiktor für den Erfolg der stationären multimodalen Therapie des emotional bedingtem Schulabsentismus bezüglich der psychischen Auffälligkeiten. Auch die Erwartung, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den Einschätzungen der Eltern und der Kinder untereinander gibt, hat sich bestätigt (Achenbach 2006). Bei den Zielkriterien Composite Score DISRUP-A und Composite Score ANDEP-A, also die Verhaltensauffälligkeiten im Jugendlichenurteil, konnte der signifikante Einfluss von drei weiteren Variablen im Regressionsmodell gezeigt werden. Im Fall des Kriteriums Composite Score DISRUP-A handelt es sich um die Summe der Achse V Diagnosen (gibt die aktuellen, abnormen psychosozialen Umstände an, die das Kind im Zeitraum der letzten sechs Monate vor Behandlungszeitpunkt direkt und durchgehend betroffen haben) und den Composite Score M1 ANDEP-A (Angst und Depressionen im Jugendlichenurteil). Je mehr Punkte der Achse V Diagnosen für den Probanden zu Beginn der Therapie zutreffend sind und je ängstlicher und depressiver sich die Jugendlichen zu Beginn der Therapie einschätzen, desto auffälliger betrachten sie ihr expansives Verhalten zum Katamnesezeitpunkt nach zwei Monaten. Die Varianzaufklärung der Regressionsanalyse betrug 34%. Es erscheint nicht abwegig, dass die Jugendlichen, die stärkere abnorme, psychosoziale Umstände in den letzten sechs Monaten vor Behandlungsbeginn erlebt haben, sich auffälliger im Verhalten einschätzen. Allerdings gibt diese Arbeit keine Auskunft darüber, ob sich die Auffälligkeiten in ihrer Intensität verändert haben und, wenn ja, in welchem Maß. Außerdem liegt keine Information darüber vor, ob sich die assoziierten aktuellen abnormen psychosozialen Umstände für den Jugendlichen seit seiner Entlassung verändert haben. In diesem Kontext sollten die Ergebnisse mit Vorsicht betrachtet werden. Maike Petermann Diskussion 64 Für das Zielkriterium Composite Score ANDEP-A hat sich der Einfluss des Merkmals soziale Schichtzugehörigkeit als signifikant erwiesen. Die Zugehörigkeit zu einer jeweils höher eingestuften Schicht steht in einem positiven Zusammenhang zur ängstlicheren und depressiveren Einschätzung der Befindlichkeit der Jugendlichen. Jedoch muss bei der Interpretation der Ergebnisse die Höhe des standardisierten Regressionskoeffizienten berücksichtigt werden. Der Wert des β-Koeffizienten von 0.151 und 0.141 stellt den kleinsten standardisierten β Koeffizienten aus der vorliegenden Untersuchung dar. Das Alter der Jugendlichen zeigte sich in der vorliegenden Untersuchung als statistisch nicht signifikant. Sharp et al. (1999) haben anhand einer Stichprobe von 149 Patienten mit einer Angst- und Panikstörung, mit und ohne Agoraphobie, die Prädiktoren des Therapieerfolgs bestimmt. Als Erfolg wurde die klinisch signifikante Besserung der Symptome gewertet. Es wurden Fluvoxamin, Placebo und kognitiv-behaviorale Therapie allein und in Kombination beobachtet. In dieser Studie zeigte sich, dass demografische Variablen kaum einen prädiktiven Nutzen haben. Dieses Ergebnis lässt sich durch die vorliegende Untersuchung unterstützen, auch hier sind keine Variablen mit soziodemografischen Merkmalen als Prädiktoren in Erscheinung getreten. Wie schon im Ergebnissteil erwähnt, kann anhand der standardisierten βKoeffizienten sinnvoll verglichen werden, wie stark die einzelnen Vorhersagevariablen mit dem jeweiligen Kriterium im Zusammenhang stehen. Besonders deutlich bei den Ergebnissen ist, dass die Composite Scores als Prädiktoren die höchsten Werte der standardisierten β-Koeffizienten erreicht haben. Insgesamt scheinen zumindest die Ergebnisse dieser Untersuchung im Hinblick auf die Prädiktoren, die sich als nichtsignifikante Prädiktoren herausgestellte haben, mit den Ergebnissen von ähnlichen Arbeiten vergleichbar (Berman et al. 2000, Southam-Gerow et al. 2001). Die Vermutung, dass Diagnosen als Prädiktoren in einem Zusammenhang mit dem Erfolg der Verhaltenstherapie stehen, konnte in dieser Arbeit nicht bestätigt werden. Layne und Mitarbeiter untersuchten in ihrer Arbeit von 2003 mögliche Prädiktoren für den Erfolg der stationären Therapie, festgemacht am Schulbesuch Maike Petermann Diskussion 65 zum Ende der Therapie. Hier zeigten Trennungsangst und eine ängstliche Persönlichkeit als signifikante Prädiktoren. Es gilt wiederum, das unterschiedliche Studiendesign und die verschiedenen Zielkriterien zu beachten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Jugendlichen, die sich zu Beginn der Therapie als auffällig einschätzen, dies auch zwei Monate nach Abschluss der Therapie tun. Die zu Beginn der Arbeit erstellte Hypothese, welche besagt, dass man mit den zu Behandlungsbeginn erhobenen Daten zu Angst und Depression die psychischen Auffälligkeiten vorhersagen kann, scheint sich zu bestätigen. Wie erwartet haben sich Jugendliche, die sich bereits zu Beginn als auffälliger eingestuft haben, auch nach Abschluss der Therapie als auffälliger eingestuft. Die Analyse macht keine Aussage über die Veränderung der psychischen Auffälligkeiten der Jugendlichen während der Therapie. Die vorliegende Arbeit nutzt die erfassten Daten zu psychischen Auffälligkeiten bei Behandlungsbeginn und nach Abschluss der Therapie nicht um eine eventuelle Veränderung zu bewerten, sondern um Prädiktoren für den Erfolg der stationären Therapie zu identifizieren. Die Varianzaufklärungen der vier verschiedenen Regressionsmodelle liegen zwischen 31 % und 42 %. Die größte Varianzaufklärung mit circa 42 % war bei dem Regressionsmodell mit dem Zielkriterium Composite Score DISRUP-P (expansives Verhalten im Elternurteil) zu finden. Einige der erwarteten Prädiktoren ließen sich nicht bestätigen, allerdings ist die Tatsache dass die Composite Scores sich als Prädiktoren herausstellen plausibel nachvollziehbar. Beide Composite Scores erreichen im Elternurteil einen höheren standardisierten β-Koeffizienten, dementsprechend ein stärkerer Zusammenhang mit dem analogen Composite Score als Zielkriterium als die Composite Scores im Jugendlichenurteil. Genauer; der Zusammenhang zwischen dem CompositeScore im Elternurteil als Prädiktor und dem analogen Composite Score als Kriterium ist größer als der Zusammenhang zwischen dem Composite-Score im Jugendlichenurteil als Prädiktor und dem analogen Composite Score als Kriterium. Der Umstand, dass beispielsweise der Schweregrad des Schulabsentismus oder die Diagnosen in dieser Arbeit keinen signifikanten Einfluss auf das Zielkriterium gezeigt haben, mag als weiterer Hinweis dafür gewertet werden, dass Maike Petermann Diskussion 66 Schulabsentismus ein heterogenes Störungsbild ist. Der Schweregrad des Schulabsentismus wurde über die Fehlstunden auf dem letzten Zeugnis dargestellt. Da es bei den Probanden unterschiedliche Zeitspannen zwischen dem letzten Zeugnis und der stationären Aufnahme gibt, ist es möglich, dass bei einigen Patienten der Schweregrad des Schulabsentismus unzureichend operationalisiert wurde. Die Stichprobe der vorliegenden Untersuchung ist mit 147 Patienten recht groß und sollte eine breite Variationsspanne des emotional bedingten Schulabsentismus bieten. Auch die 13 untersuchten potentiellen Prädiktorvariablen sollten eine zufriedenstellende Bandbreite verschiedener Einflussfaktoren erfassen. Um differenziertere Ergebnisse zu erhalten wäre, der Einsatz einer Kontrollgruppe, z.B. Patienten auf einer Warteliste oder Patienten mit einer alternativen Behandlung wie zum Beispiel einer ambulanten Therapie von Vorteil gewesen. Dann hätte in der Analyse zwischen Moderatoren und Prädiktoren unterschieden werden können. Bezüglich des Schweregrades des Schulabsentismus stützen wir uns auf die Aussagen der Eltern, eventuell hätte eine Befragung der Lehrer präzisere Ergebnisse ergeben. Außer den Elternfragebögen zu Angst und Depression wurden alle anderen Daten zu psychischen Auffälligkeiten nicht zum Zeitpunkt der Entlassung erhoben, sondern zum Katamnesezeitpunkt nach zwei Monaten. Die Tatsache, dass circa 60 % der Patienten im Anschluss an die stationäre Therapie eine ambulante Therapie besuchten (Walter et al., 2010), könnte eine gewisse Abweichung zum Katamnesezeitpunkt erklären. Die Zielkriterien bestanden allein aus Beurteilungen der Eltern und der Jugendlichen, eine zusätzliche klinische Einschätzung wäre sicherlich sinnvoll gewesen. Gewiss wäre es darüber hinaus interessant herauszufinden, wie sich die psychischen Auffälligkeiten der Probanden im Zuge der stationären Therapie verändern. Um ein breites Spektrum an psychischen Auffälligkeiten abzudecken wurden in dieser Untersuchung Composite Scores verwendet. Zudem Zweck wurden Skalen aggregiert. Es wäre sinnvoll eine präzisere Analyse durchzuführen, um verdeckte spezifischere Tendenzen zu identifizieren. (z.B.: den Effekt von selbstberichteten Symptomen von sozialer Phobie als Prädiktor und nicht die allgemeinen Symptome von Angst und Depression) Maike Petermann Zusammenfassung 67 7. Zusammenfassung Mit der vorliegenden Studie wurde versucht, Prädiktoren zu identifizieren, die die Befindlichkeit von Jugendlichen nach Abschluss einer multimodalen stationären Kurzzeittherapie bei emotional bedingtem Schulabsentismus hinsichtlich der psychischen Auffälligkeiten vorhersagen. Emotional bedingter Schulabsentismus ist keine umschriebene psychische Störung oder diagnostische Entität (Jans et al. 2004). Man kann grundsätzlich den vorwiegend emotional bedingten Schulabsentismus von dem dissozial motivierten Schulabsentismus unterscheiden (Jans et al. 2004) und der Mischung von beiden. Es gibt vielfältige Ursachen für die Schüler, der Schule fernzubleiben (Kearney 2004). Um neutral beschreiben zu können, dass ein Schüler die Schule nicht besucht, wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff Schulabsentismus verwendet. Die statistischen Analysen basieren auf Daten von n = 147 Jugendlichen, die im Zeitraum von Januar 2004 bis Juni 2008 in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des Klinikums der Universität zu Köln stationär behandelt wurden. Das mittlere Lebensalter der Probanden liegt zu Behandlungsbeginn bei M = 15,05 Jahren, mit einer Variationsbreite von 12,01 bis 19,04 Jahren. Klinisch-psychiatrische Diagnosen, die im Rahmen des emotional bedingten Schulabsentismus auftreten können, sind vor allem Ängste, Depressionen und Anpassungsstörungen, aber auch kombinierte introversive und expansive Störungen (Egger et al. 2003). Die Patienten hatten überwiegend Diagnosen aus dem Bereich der Angststörungen mit 38,1 %, dann folgten die depressiven Störungen mit 18,4 %; die Diagnosen aus dem Bereich der expansiven Störungen waren mit 2,8 % vertreten, und die kombinierten introversiven und expansiven Störungen stellten einen Anteil von 26,5 % dar. Die stationäre Behandlungsdauer lag im Mittel bei etwa neun Wochen. Mit Hilfe der hierarchischen Regressionsanalyse wurden insgesamt 13 potentielle Prädiktorvariablen hinsichtlich ihres Einflusses auf die Zielkriterien getestet. Bei den Zielkriterien handelt es sich um vier Composite Scores, bestehend aus Maike Petermann Zusammenfassung 68 aggregierten Skalen zu Angst und Depression und expansivem Verhalten, jeweils im Jugendlichen- und Elternurteil. Die Skalen wurden aus Fragebogen, die zum Katamnesezeitpunkt nach zwei Monaten erhoben wurden, aggregiert. Die gleichen Fragebogen wurden zum Zeitpunkt der Aufnahme erhoben und ebenfalls zu Composite Scores aggregiert. Zusätzlich zu diesen Composite Scores wurde eine Reihe von Patientenmerkmalen, Störungsmerkmalen und Therapiemerkmalen als Variablen dem Regressionsmodell hinzugefügt. Ein statistisch signifikanter Einfluss konnte für folgende Variablen festgestellt werden: Vier Composite Scores (Angst und Depressionen im Jugendlichen- und Elternurteil und expansives Verhalten im Jugendlichen- und Elternurteil) zeigten jeweils einen signifikanten Einfluss auf den analogen Composite Score zum Katamnesezeitpunkt nach zwei Monaten. Außerdem zeigte die soziale Schichtzugehörigkeit einen signifikanten Einfluss auf das Zielkriterium Composite Score ANDEP-A (Angst und Depressionen im Jugendlichenurteil). Bei dem Zielkriterium Composite Score DISRUP-A (expansives Verhalten im Jugendlichenurteil) zeigten sich zusätzlich die Summe der Achse V Diagnosen und der Composite Score ANDEP-A (Angst und Depressionen im Jugendlichenurteil) als signifikant. Die Varianzaufklärungen der vier verschiedenen Regressionsmodelle liegen zwischen 31 % und 42 %. Vor allem die Composite Scores klären die meiste Varianz auf, die restlichen Variablen haben darüber hinaus keinen zusätzlichen Aussagewert. Daraus lässt sich folgern, dass man den Erfolg der multimodalen stationären Kurzzeittherapie im Hinblick auf die psychischen Auffälligkeiten mit verschiedenen Prädiktoren vorhersagen kann. Wünschenswert wäre eine Betrachtung der Veränderungen der psychischen Auffälligkeiten während der Therapie. Maike Petermann Literaturverzeichnis IX 8. Literaturverzeichnis 1. ACHENBACH, T.M. (2006). As others see us: Clinical and research implications of cross-informant correlations for psychopathology. Current Directions in Psychological Science, 15, 94–98. 2. ACHENBACH, T.M., MCCONAUGHY, S.H., & HOWELL, C.T. (1987). Child/adolescent behavioral and emotional problems: Implications of crossinformant correlations for situational specificity. Psychological Bulletin, 101, 213–232. 3. ARBEITSGRUPPE DEUTSCHE CHILD BEHAVIOR CHECKLIST (1998A). 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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Alter der Patienten in Jahren ......................................................28 Abbildung 2: IQ-Standardwerte .......................................................................29 Abbildung 3: Erste Diagnose (Angststörung) nach ICD-10 .............................30 Abbildung 4: Erste Diagnose (depressive Störung) nach ICD-10 ...................31 Abbildung 5: Erste Diagnose (kombinierte introversive und expansive Störung) nach ICD-10 ..............................................................................32 Abbildung 6: Erste Diagnose (ohne Kategorie) nach IDC-10 ..........................33 Abbildung 7: Zweite Diagnose nach ICD-10 ...................................................34 Abbildung 8: Dritte Diagnose nach ICD-10 .....................................................35 Abbildung 9: Besuchte Schulform vor Aufnahme ............................................36 Maike Petermann Anhang XXI 9.2. Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Korrelationskoeffizienten der Prädiktorvariablen .........................50 Tabelle 2: Aufgenommene Variablen des Modells K1 Composite Score DISRUP-A ....................................................................................52 Tabelle 3: Modellzusammenfassung K1 Composite Score DISRUP-A ........52 Tabelle 4: Regressionsmodell (Koeffizienten) mit dem abhängigen Kriterium K1 Composite Score DISRUP-A ..................................................52 Tabelle 5: Aufgenommene Variablen des Modells K1 Composite Score DISRUP-P ....................................................................................55 Tabelle 6: Modellzusammenfassung K1 Composite Score DISRUP-P ........55 Tabelle 7: Regressionsmodell (Koeffizienten) mit dem abhängigen Kriterium K1 Composite Score DISRUP-P ..................................................56 Tabelle 8: Aufgenommene Variablen des Modells K1 Composite Score ANDEP-A .....................................................................................57 Tabelle 9: Modellzusammenfassung K1 Composite Score ANDEP-A .........57 Tabelle 10: Regressionsmodell (Koeffizienten) mit dem abhängigen Kriterium K1 Composite Score ANDEP-A ...................................................58 Tabelle 11: Aufgenommene Variablen des Modells K1 Composite Score ANDEP-P .....................................................................................59 Tabelle 12: Modellzusammenfassung K1 Composite Score ANDEP-P .........59 Tabelle 13: Regressionsmodell (Koeffizienten) mit dem abhängigen Kriterium K1 Composite Score ANDEP-P ...................................................60 Maike Petermann Lebenslauf XXII 10. Lebenslauf Mein Lebenslauf wird aus Gründen des Datenschutzes in der elektronischen Fassung meiner Arbeit nicht veröffentlicht. Maike Petermann