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TAKO - Neuroonkologie
Vorwort
Der Aufgabenbereich Neuroonkologie umfaßt die Diagnostik und Therapie primärer Hirn- und
Rückenmarkstumoren, sowie metastatischer und nicht-metastatischer neurologischer Komplikationen
extracerebraler Tumorerkrankungen.
Die Neuroonkologie stellt eine interdisziplinäre Spezialisierung aus den Fachbereichen Neurochirurgie,
Neurologie, Strahlentherapie, Nuklearmedizin, Neuropathologie, Neuroradiologie, Hämato-Onkologie, Pädiatrie,
Psycho-Onkologie, onkologischer Pflege, „Neuroscience“ und onkologischer Grundlagenforschung dar.
In den folgenden Artikeln („Allgemeiner Teil“ Kapitel 1-11 und „Spezieller Teil“ Kapitel 12-23) wurde daher
versucht diesem interdisziplinären Charakter gerecht zu werden und die verschiedenen Fachdisziplinen haben
konsensuell im Rahmen der Interdisziplinären Projektgruppe Neuroonkologie der Medizinischen Universität Innsbruck
Leitlinien zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der häufigsten neuroonkologischer Erkrankungen erstellt.
Im Rahmen eines wöchentlich stattfindenden „Neuroonkologischen Tumorboards“ werden an der Klinik Innsbruck
für Patienten mit primären ZNS-Tumoren und neurologischen Komplikationen extracerebraler Tumorerkrankungen
interdisziplinär Diagnose und Therapie gemeinsam festgelegt (jeweils Mittwoch 11.30h im 3. Stock des MZA,
Neurochirurgischer Besprechungsraum). Zur Teilnahme an diesem Forum sind alle neuroonkologisch interessierten
Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich eingeladen.
Für die intensive und gute Zusammenarbeit möchte ich mich bei allen Autoren aus diesen unterschiedlichen
Fachbereichen sehr herzlich bedanken!
Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer
Sprecher der Interdisziplinären Projektgruppe Neuroonkologie
der Medizinischen Universität Innsbruck
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TAKO - Neuroonkologie
TAKO Vorstand
Obmann: Univ.-Prof. DI Dr. Peter Lukas
Univ. Klinik Innsbruck – Strahlentherapie-Radioonkologie
Obmann-Stv.: Prim. Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Gattringer
Krankenhaus Kufstein – Innere Medizin
Schriftführer: Prim. ao. Univ-Prof. Dr. Ewald Wöll
Krankenhaus Zams – Innere Medizin
Schriftführer-Stv.: ao. Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder
Univ. Klinik Innsbruck – Hämatologie & Onkologie
Kassier: ao.Univ.-Prof. Dr. Dietmar Öfner
Univ. Klinik Innsbruck – Chirurgie
Kassier-Stv.: Univ.-Doz. Dr. Eberhard Gunsilius
Univ. Klinik Innsbruck – Hämatologie & Onkologie
kooptiert: Univ.-Prof. Dr. Günther Gastl
Univ. Klinik Innsbruck – Hämatologie & Onkologie
Mitwirkende
ANTON Jürgen-Volker, Dr.
AUBERGER Thomas OA Dr.
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
BALE Reto, Univ.-Prof. Dr.
Radiologie I
BERGER Thomas, Univ.-Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Neurologie
DeVRIES Alexander, Ao. Univ.-Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Radioonkologie
DONNEMILLER Eveline, Ass. Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Nuklearmedizin
EISNER Wilhelm, Univ.-Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
FELBER Stephan, Univ.-Prof. Dr.
Radiologie II
FIEGELE Thomas, Dr.
Univ.-Klinik für Strahlentherapie
FINKENSTEDT Gerd, Ass.Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Innere Medizin
GOTWALD Thaddäus, OA Dr.
Radiologie II
HOLZNER Bernhard, Doz. DI. Dr.
Univ.Klinik für Psychiatrie
HUBER Elisabeth, DKS
Univ.-Klinik für Neurologie
HUTTERER Markus, Dr.
Univ.-Klinik für Neurologie
KINDL Theresa, DKS
Univ.-Klinik für Neurologie
KLEIN-FRANKE Andreas, Dr.
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde
KOHL Claudia, OA Dr.
Univ.Klinik für Psychiatrie Innsbruck
KOSTRON Herwig, Univ.-Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
KROPSHOFER Gabriele, Dr.
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde
MAIER Hans, ao. Univ.-Prof. Dr.
Institut für Pathologie
MEISTER Bernhard, Univ.-Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde
MUIGG Armin, OA Dr.
Univ.-Klinik für Neurologie
NEVINNY Meinhard, OA Dr.
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
OBWEGESER Alois, Univ.-Prof. Dr., MAS, MSc
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
PLANGGER Clemens, Univ.-Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
SCHAUER-MAURER Gabriele, OA Dr.
Univ.Klinik für Psychiatrie
SPERNER-UNTERWEGER Barbara, Ao.Univ.-Prof. Dr.
Univ.Klinik für Psychiatrie
STAUDER Reinhard, Univ.-Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Innere Medizin
STOCKHAMMER Günther, Ao. Univ.-Prof. Dr., Sprecher der AG Neuroonkologie
Univ.-Klinik für Neurologie
TWERDY Klaus, Univ.-Prof.
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
Dr. Eugen Preuß
pdl – Satz und Gestaltung, ©2007
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TAKO - Neuroonkologie
Inhalt
Einteilung und Pathologie der Tumoren des Nervensystems .
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Bildgebende Diagnostik bei Hirntumorerkrankungen:
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CT, MRT und Angiographie .
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23
Bildgebende Diagnostik bei Hirntumorerkrankungen.
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29
Bildgebende Diagnostik bei Hirntumorerkrankungen: Bildfusion .
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43
Stereotaktische Biopsie zerebraler Raumforderungen .
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51
Allgemeine Prinzipien der Chirurgischen Therapie von Hirntumoren .
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55
Radiotherapie-Grundlagen: Perkutane Strahlentherapie .
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59
Radiotherapie-Grundlagen: .
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63
Radiochirurgie und Interstitielle Strahlentherapie
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63
Chemotherapie von ZNS-Tumoren .
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67
Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge .
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73
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
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81
von Patienten mit ZNS-Tumoren .
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81
Gliome .
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Tumoren der Pinealisregion .
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Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter
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Hypophysentumore .
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Meningeome
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Tumoren der Nerven und Nervenscheiden
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Primäre ZNS-Lymphome
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Meningosarkome
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Primäre Melanocytome der Meningen
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Primäre Tumoren des Rückenmarks .
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Hirnmetastasen .
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Meningeosis Neoplastica
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Spinale Metastasen .
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Paraneoplastische neurologische Syndrome .
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Autoren
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TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
Einteilung und Pathologie der Tumoren des Nervensystems
I. EINLEITUNG
Tumore im Bereich des zentralen und peripheren Nervensystems können sich aus den verschiedenen Zellen des
Gehirns und Rückenmark entwickeln, von umgebenden Strukturen wie den Hirnhäuten oder Teilen des Skeletts
ausgehen oder von Zellen des peripheren Nerven. Ihr klinisches Verhalten ist abhängig von ihrem histologischen
Typ, dem Grad der Differenzierung, der Tumorgröße, der Lokalisation und Ausbreitung in funktionell wichtige
Hirngebiete, woraus sich die unterschiedliche Zugänglichkeit für eine operative Entfernung ergibt. Diese
Faktoren, insbesondere die histologische Klassifikation, haben einen Einfluss auf das Ansprechen einer eventuell
notwendigen Strahlentherapie oder Chemotherapie. Alle Faktoren bestimmen in Summe im Einzelfall die Prognose
des Patienten.
Die zahlreichen, individuell oft unterschiedlichen, Variablen machen eine allgemein gültige Bestimmung des
klinischen Verlaufs einer Tumorart, vor allem bei den hirneigenen Tumoren, schwer und haben bisher immer zu
mehr oder weniger großen Problemen in der Erstellung eines praktikablen Klassifikationsschemas geführt. Zu den
heute gebräuchlichsten Klassifikationen zählt die Tumorklassifikation der WHO (Kleihues und Canavee. Pathology
and Genetics: Tumours of the Nervous System, IARC Press Lyon 2000), die in regelmäßigen Abständen überarbeitet
und dem aktuellen Wissensstand angepasst wird, zuletzt 2003.
Die WHO-Klassifikation beruht auf jahrzehntelangen Erfahrenswerten bezüglich des klinischen Verlaufs und
versucht, die Graduierung der Tumore nach der zu erwartenden Prognose auszurichten. Demzufolge werden die
Differenzierungsgrade nach folgendem Schema unterschieden:
-
Tumore mit Grad I WHO:
Geringe Zelldichte, leichte Zell- und Kernunregelmäßigkeiten, seltene Mitosen, Überlebenszeit von über 5
Jahren, bei bestimmten Tumoren Heilungschance.
-
Tumore mit Grad II WHO:
Etwas höhere Zelldichte, mäßige Zell- und Kernunregelmäßigkeiten, leichte Gefäßproliferate, erhöhte
Mitosezahl, eine Überlebenszeit zwischen 3 und 5 Jahren.
-
Tumore mit Grad III WHO:
Hohe Zelldichte und deutliche Zell- und Kernunregelmäßigkeiten, Gefäßwucherungen, reichlich Mitosen mit
atypischen Mitosefiguren, Nekrosen möglich, Überlebenszeit zwischen 15 Monaten und 3 Jahren.
-
Tumore mit Grad IV WHO:
Sehr zellreich, undifferenziertes Zellbild oder hoher Grad der Zell- und Kernunregelmäßigkeiten, ausgeprägte
Gefäßproliferate, Nekrosen (beim Glioblastom mit Strichnekrosen), zahlreiche (auch atypische) Mitosen, nur
kurze Überlebenszeiten, im statistischen Mittel unter 15 Monaten.
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TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
Individuelle Empfindlichkeiten gegenüber Radio-/Chemotherapie können bei manchen bösartigen Tumoren zu
„statistischen Ausreißern“ und günstigeren Verläufen führen. Umgekehrt kann ein histologisch äußerst gutartiger
Tumor, wie das pilozytische Astrozytom, das als scharf abgegrenzter Tumor des Kleinhirns durch operative
Entfernung geheilt werden kann, bei Sitz im Hirnstamm inoperabel sein und über wenige Jahre zum Tode führen.
Ein Hauptargument von Kritikern der WHO-Klassifikation und –Graduierung ist deshalb, dass ein Patient mit dem
Etikett einer prognostizierten Lebenserwartung versehen wird, die mit dem tatsächlichen klinischen Verlauf nicht
in jedem Fall übereinstimmt.
Die in den Vierziger Jahren erstellte, rein auf histologischen Kriterien aufgebaute Kernohan-Graduierung für
gliale Tumore, die die Malignitätsmerkmale von Tumorzellen und ihrer Zellkerne (Größe und Form, Zahl der
Zellteilungen) sowie gewebliche Veränderungen wie Nekrosen und Ausmaß von Gefäßwucherungen heranzieht,
überlässt die Gesamtbeurteilung der individuellen Prognose dem Kliniker, der aus der Histologie, aus den durch
die moderne Bildgebung erhobenen und aus allfälligen molekularpathologischen Befunden die entsprechenden
Schlüsse zieht.
Als Grundlage für die nachfolgenden Ausführungen dient jedoch trotz aller Einwände die WHO-Klassifikation,
insbesondere weil sie für die Diagnostik bei internationalen Therapiestudien maßgeblich ist. Die nachfolgenden
näheren Erläuterungen beschränken sich nur auf die häufigsten und klinisch wichtigen Tumore und können nicht
das ganze Spektrum der selteneren Tumoren und von ungewöhnlicheren Tumorvarianten einschließen.
II. KLASSIFIKATION DER TUMORE DES NERVENSYSTEMS
1. Neuroepitheliale Tumore
A. Astrozytäre Tumore
Diffus infiltrierende Astrozytome:
Diffuses Astrozytom (Grad II WHO)
Anaplastisches Astrozytom (Grad III WHO)
Glioblastoma multiforme (Grad IV WHO)
Pilozytisches Astrozytom (Grad I WHO)
Pleomorphes Xanthoastrozytom (Grad II WHO)
Subependymäres Riesenzellastrozytom (Grad I WHO)
B. Oligodenrdogliale Tumore
Oligodendrogliom (Grad II WHO)
Anaplastisches Oligodendrogliom (Grad III WHO)
Mischgliome:
Oligoastrozytom (Grad II WHO)
Anaplastisches Oligoastrozytom (Grad III WHO)
C. Ependymale Tumore
Ependymom (Grad II WHO)
Anaplastisches Ependymom (Grad III WHO)
Myxopapilläres Ependymom (Grad I WHO)
Subependymom (Grad I WHO)
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TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
D. Tumore des Plexus chorioideus
Plexuspapillom (Grad I WHO)
Plexuskarzinom (Grad III WHO)
E. Neuroepitheliale Tumore unsicherer Herkunft
Astroblastom (ohne WHO-Graduierung)
Chordoides Gliom des dritten Ventrikels (Grad II WHO)
Gliomatosis cerebri (Grad III WHO)
F. Neuronale und gemischt neuronal-gliale Tumore
Gangliozytom (Grad I WHO)
Gangliogliom (Grad I-IV WHO)
Desmoplastisches infantiles Astrozytom und Gangliogliom (Grad I WHO)
Dysembryoplastischer neuroepithalialer Tumor (Grad I WHO)
Dysplastisches Gangliozytom des Kleinhirns (Lhermitte-Duclos) (Grad I WHO)
Zentrales Neurozytom (Grad II WHO)
Zerebelläres Liponeurozytom (Grad I-II WHO)
Paragangliom (Grad I WHO)
G. Tumore des Pinealisparenchyms
Pineoblastom (Grad IV WHO)
Pineozytom (Grad II WHO)
Pinealis-Parenchymtumor intermediärer Differenzierung
H. Embryonale Tumore
Ependymoblastom (Grad IV WHO)
Medulloblastom (Grad IV WHO)
Supratentorielle PNETs (primitive neuroepitheliale Tumore) (Grad IV WHO)
Medulloepitheliom (Grad IV WHO)
Atypischer Teratoid/Rhabdoidtumor (Grad IV WHO)
I. Periphere neuroblastäre Tumore
Olfaktorius-Neuroblastom (Ästhesioneuroblastom) (keine WHO-Graduierung)
Olfaktorius-Neuroepitheliom
Neuroblastäre Tumore des sympathischen Nervensystems und der Nebenniere:
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Neuroblastom
Ganglioneuroblastom
Ganglioneurom
TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
2. Tumore des kranialen und peripheren Nerven
Neurinom (Schwannom) (Grad I WHO)
Neurofibrom (Grad I WHO)
Perineurinom (Grad I WHO)
Maligner peripherer Nervenscheidentumor (MPNST) (Grad III-IV WHO)
3. Meningeale Tumore
Meningeom (Grad I-III WHO)
Nicht-meningeale mesenchymale Tumore (Grad I-IV WHO)
Hämangioperizytom (Grad II-III WHO)
Melanozytäre Tumore
4. Tumore des hämatopoetischen Systems
Maligne Lymphome
Plasmozytom
5. Keimzelltumore
Germinom
Embryonales Karzinom
Dottersacktumor
Choriokarzinom
Reifes Teratom
Unreifes Teratom
Mischtumore
6. Tumore der Sellaregion
Hypophysenadenom
Hypophysenkarzinom
Kraniopharyngeom
Granularzelltumor der Neurohypophyse
7. Metastasen
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TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
III. EPIDEMIOLOGIE, HISTOLOGIE, BIOLOGISCHES VERHALTEN UND MOLEKULARE PATHOLOGIE
1. Hirneigene Tumore (Neuroepitheliale Tumore)
Diese Tumore entwickeln sich aus Zellen des Zentralen Nervensystems, ihre Bezeichnungen leiten sich aus den
Namen der Zellen ab. Die Stützzellen des Hirn- und Rückenmarkgewebes nennt man Gliazellen, die Gruppe der
aus ihnen entwickelten Tumore allgemein Gliome.
Aus den Astrozyten entsteht das Astrozytom, und aus den Oligodendrozyten, die als Markscheide die zu ihren
Zielorten führenden Nervenfortsätze umhüllen, das Oligodendrogliom.
Ependymzellen kleiden die inneren Ventrikelräume und den Zentralkanal des Rückenmarks aus, in denen sich
die Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) befindet, und sind Ursprung der Ependymome.
Die Zellen des Plexus chorioideus in den inneren Ventrikelräumen bilden die Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit
(Liquor cerebrospinalis) und können zu Plexustumoren entarten.
Nervenzellen bilden die neuronalen Tumore oder sind Bestandteil von neuronal-glialen Mischtumoren.
Während sich die bisher genannten Tumoren durch Entdifferenzierung aus reifen Zellen des Nervensystesm
entwickeln, bilden sich die sogenannten embryonalen Tumoren aus undifferenzierten Vorläuferzellen der
Gliazellen und Nervenzellen.
A. Astrozytäre Tumore
a. Diffuses Astrozytom (WHO Grad II)
Alter:
Junge Erwachsene (Gipfel zwischen 30. und 40. Lebensjahr).
Frequenz:
Bis 15 % der Astrozytome.
Lokalisation:
Meist supratentoriell (frontal oder temporal), im Kleinhirn ungewöhnlich.
Charakteristikum:
endenz zu maligner Progression.
Makroskopie:
Infiltrierend in präexistente Strukturen. Graugelblich, oft zystisch (multiple kleine,
evtl. große flüssigkeitsgefüllte Zysten).
Histologie:
Vermehrung von Astrozyten mit leicht vergrößerten, gering variablen Kernen.
Mikrozystische Abänderung. Wenig Mitosen, keine Nekrosen oder wesentliche
Gefäßproliferate. Im Wesentlichen drei Subtypen, manchmal aber keine klare
Subtypisierung möglich.
- Fibrilläres Astrozytom: Lockere fibrilläre Matrix, neoplastische Astrozyten mit
leichten Größen- und Formschwankungen der Kerne, geringe mitotische Aktivität.
Mikrozystische Textur. Immunhistochemie: Saures Gliafaserprotein (GFAP) als
wichtigster Marker astroglialer Zellen in variabler Ausprägung.
- Gemistozytisches Astrozytom: Tumor mit mehr als 20 % von Gemistozyten
(großleibige und zytoplasmareiche Astrozyten mit exzentrischen Kernen). Dichtes
fibrilläres Netzwerk, einzelne Mitosen entsprechend einer in der Regel sehr
geringen proliferativen Aktivität. Allerdings neigt das gemistozytische Astrozytom
zur Progression zum Glioblastom.
11
TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
Molekulare Pathologie:
Prognosefaktoren:
Protoplasmatisches Astrozytom: Kleine, zytoplasmaarme Astrozyten mit geringer
GFAP-Expression, mukoide und mikrozystische Abänderung häufig.
p53-Mutationen sind bei Tumoren in Progression zu einem malignen Astrozytom
oder Glioblastom häufig (60 %, bei gemistozytischem Astrozytom ca. 80 %).
durchschnittliche Überlebenszeit nach Operation beträgt 6-8 Jahre. Maligne
Transformation in Glioblastom meist nach 4-5 Jahren.
Begünstigend gelten junges Alter und ausgedehnte Tumorresektion. Korrelation der
Überlebenszeit mit der Proliferationsrate, aber nicht mit molekularen Parametern.
Gemistozytische Komponente tendiert zur Progression zum Glioblastom.
b. Anaplastisches Astrozytom (Grad III WHO)
Alter:
Gipfel im 4. Lebensjahrzehnt, also etwas höher als beim diffusen Astrozytom Grad
II, aber niedriger als Glioblastom.
Lokalisation:
Makroskopie:
Histologie:
Molekularpathologie:
Prognosefaktoren:
wie diffuse Astrozytome.
ähnlich den diffusen Astrozytomen niedrigeren Grades.
diffuses Astrozytom mit zellulären und nukleären Atypien und gesteigerter
Proliferation. Kleine Nekroseherde, Gefäßproliferate mit glomeruloiden Endothelwucherungen. Höhere Zellularität, Vorkommen mehrkerniger Zellen, atypische
Mitosen.
p53 Mutationen sind am häufigsten (>70 %).
Übergang in Glioblastom verschlechtert die Prognose, Zeitintervall im Mittel 2
Jahre. Längeres Überleben bei weitreichendem operativen Entfernen und Tumoren
in jüngerem Lebensalter.
c. Glioblastoma multiforme (Grad IV WHO)
Frequenz:
häufigster Hirntumor mit bis zu 15 % aller intrakranialen Tumoren und 50-60 %
aller Astrozytome.
Alter:
meist Erwachsene zwischen 45 und 70 Jahren. Unter 10 % der Tumoren treten bei
Kindern auf.
Lokalisation:
Großhirnhemisphären, selten in Hirnstamm (oft Kinder), Kleinhirn oder Rückenmark.
Infiltration des Balkens führt zur Ausdehnung auf die Gegenseite (Schmetterlingsgliom).
Makroskopie:
schlecht begrenzt, typisches buntes Schnittbild mit grauem, vitalen Tumor,
gelblichen Nekrosen und rotbraunen Einblutungen. Multifokale Glioblastome sind
beschrieben.
Histologie:
der Name „multiform“ spiegelt die sehr variable histologische Präsentation wider.
Astrozyten zeigen oft hochgradige Anaplasie und heterogene Zellformen, aber
kleinzellige Varianten sind bekannt. Multinukleäre Riesenzellen sind typisch und
können in Einzelfällen das Bild dominieren. Hohe Zellularität und mitotische
Aktivität, flächige Nekrosen und typische Strichnekrosen mit Pseudopalisaden der
randständigen Tumorzellen gehören zum typischen histologischen Bild. Die Dichte
der Tumorgefäße nimmt in den atsroglialen Tumoren mit dem Malignitätsgrad
12
TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
Molekularpathologie:
-
-
Prognosefaktoren:
Variante:
zu, ist am ausgeprägtesten beim Glioblastom und korreliert mit einer steigenden
Sezernierung des Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) (Stockhammer et al.
2000).
Primäre Glioblastome zeigen von Beginn an das Bild eines Glioblastoms, sekundäre
entwickeln sich aus niedriggradigen Astrozytomen. Diese verschiedenen Entwicklungswege werden durch unterschiedliche molekularpathologische Befunde
widergespiegelt:
Primäres Glioblastom: Epidermal Growth Factor-Rezeptor (EGFR)-Amplifikation
oder –Überexpression, MDM2-Überexpression, p16-Deletion, LOH (= Verlust der
Hetero-zygosität) 10p und 10q, PTEN- und RB-Mutation.
Sekundäres Glioblastom: p53-Mutation, Platelet-derived-growth-factor-Rezeptor
(PDGFR)-Überexpression
(niedriggradiges Astrozytom) -> LOH 19q und RB-Mutation (anaplastisches
Astrozytom) -> LOH 10q, PTEN-Mutation, Verlust von DCC („deleted in colorectal
carcinoma“, Tumorsuppressorgen), PDGFR-Amplifikation (Glioblastom).
Kaum begünstigende Parameter angesichts rapidem Tumorwachstum und fatalem
Verlauf. Möglichst komplette operative Entfernung verlängert das Überleben.
Günstigster Parameter ist ein junges Alter unter 45 Jahren.
Gliosarkom. Biphasisches Bild aus GFAP-positiven anaplastischen Astrozyten und
aus spindeligen, GFAP-negativen Zellen mit dichtem Retikulinfasernetz. Beide
Komponenten sind meist scharf voneinander getrennt. Bildung von Knorpel-,
Knochen- oder Muskelgewebe ist beschrieben.
d. Pilozytisches Astrozytom (Grad I WHO)
Frequenz:
Häufigstes kindliches Gliom.
Alter:
Typischerweise Kindes- und Jugendalter, seltener bei Erwachsenen nach dem
vierten Lebensjahrzehnt.
Lokalisation:
Kleinhirnhemisphären, Hirnstamm, Nervus opticus, Hypothalamus, Großhirnhemisphären, seltener im Rückenmark.
Makroskopie:
Weiches, graues Tumorgewebe, in vielen Fällen zystisch. Im Groß- und Kleinhirn
oft sehr scharf begrenzt und daher dort gut resezierbar. Optikusgliome neigen zu
Einwachsen in den Subarachnoidalraum. Verkalkungen und Einblutungen können
auftreten.
Histologie:
Astrozytom mit geringer Zelldichte und üblicherweise nur geringer mitotischer
Aktivität als Zeichen für ein langsames Wachstumsverhalten. Eine Ausnahme
scheinen supraselläre pilozytische Astrozytome des Jugendalters zu machen,
die höhere Mitoseraten (und höheren Ki67-LI) und ein etwas aggressiveres
biologisches Verhalten zeigen. Heterogene histologische Präsentation: kompakte
Areale enthalten längliche, bipolare Zellen mit langen Fortsätzen, dort häufig
mit Ausbildung von spindeligen oder kugeligen, eosinophilen Zelleinschlüssen,
den sogenannten Rosenthal-Fasern. Diese sind zwar typisch für das pilozytische
Astrozytom, aber nicht spezifisch und können auch bei reaktiven Veränderungen
13
TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
Molekularpathologie:
Prognose:
Variante:
des ZNS-Gewebes vorkommen. Mikrozystische Tumoranteile zeigen weniger
piloide Zellformen, sondern rundliche Kerne, manchmal mit Oligodendrozytenartigem Aussehen vor allem in Tumoren des Kleinhirns. Die Zellkerne sind in
piloiden Arealen meist monomorph, in anderen Abschnitten können sie variabel
und hyperchromatisch aussehen. Ähnlichkeiten zu einem Astrozytom Grad II
können bestehen. Mitosen sind in der Regel selten. Die Tumoren können sehr reich
an Blutgefäßen sein, Einblutungen kommen vor. Regressive Veränderungen bei
längerem klinischen Verlauf umfassen Gefäßwandhyalinosen, Siderophagen im
Tumor, Verkalkungen und selten Nekrosen.
Keine bisher gefundenen charakteristischen Mutationen.
Meistens langsame Progredienz, in günstiger Lokalisation durch komplette
Resektion heilbar. Beschrieben sind sehr selten bösartige Varianten des pilozytischen
Astrozytoms mit entsprechenden histologischen Veränderungen und hoher Proliferationsrate.
Pilomyxoider Subtyp.
B. Oligodendrogliale Tumore:
Oligodendrogliom (Grad II WHO), anaplastisches Oligodendrogliom (Grad III WHO)
Frequenz:
je nach Studie zwischen 4 und 18 % aller primären Hirntumore. Betrifft Erwachsene
im jüngeren und mittleren Lebensalter (Mittel etwa 45 Jahre). Anaplastische
Tumore in manchen Statistiken häufiger als Grad II-Oligodendrogliome, Auftreten
in eher etwas höherem Lebensalter.
Makroskopie:
Lokalisiert meist im frontalen Großhirn, oberflächennahe in Kortex und
subkortikalem Mark, Verkalkungen im Tumorrandbereich sind häufig.
Histologie:
Zellen mit runden Kernen und hellem, geschwollenen, optisch leer erscheinendem
Zytoplasma, wodurch ein artifizielles Honigwabenmuster entsteht. Dieses ist in
der Diagnostik oft ein hilfreiches Merkmal, allerdings wird dieses Bild von anderen
rundzelligen Tumoren imitiert, wie dem klarzelligen Ependymom, dem zentralen
Neurozytom oder dem dysembryoplastischen neuroepithelialen Tumor. Oligodendrogliome können Mikrokalzifikationen, zystische oder mukoide Abänderung
sowie ein zartes Netzwerk verzweigter Kapillaren zeigen. Zelldichte und Mitoserate
schwanken, gewisse Anaplasie kann vorliegen. Areale ohne Honigwabenmuster
können jedoch vorherrschen, ferner Tumorzellen mit eosinophilem, ausladenden
Zytoplasma vorliegen, die Gemistozyten ähneln (Mini-Gemistozyten). Schleimspeichernde Tumorzellen oder Siegelringzellen sind selten beschrieben worden.
In der Hirnrinde diffuse Ausbreitung mit satellitenartiger Stellung um präexistente
Nervenzellen. Infiltration der weichen Hirnhäute ist nicht ungewöhnlich.
Anaplastische Oligodendrogliome zeigen Zeichen der Malignität wie höhergradige
Zell- und Kernunregelmäßigkeiten, höhere Zelldichte, höhere Mitoserate, Gefäßproliferate und Auftreten von Nekrosen.
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TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
Immunhistochemie:
Molekularpathologie:
Üblicherweise sind Zellen des Oligodendroglioms negativ für GFAP, MiniGemistozyten hingegen sind positiv. Exprimiert werden S-100-Protein und Leu-7.
Ki67-LI meist unter 5 %.
Wichtigste genetische Veränderungen sind der Verlust der Heterozygosität (LOH)
am langen Arm von Chromosom 19 und LOH am kurzen Arm von Chromosom 1.
LOH 1p/19q ist klinisch bedeutsam, weil Tumoren mit diesem Befund empfänglicher
sind für eine postoperative Chemotherapie, allerdings ist die Methodik noch nicht
standardisiert und routinemäßig außerhalb weniger Tumorzentren anwendbar.
In Österreich wird zur Zeit die Methodik am Klinischen Institut für Neurologie des
AKH Wien sowie am St. Anna-Kinderspital etabliert und durchgeführt (Gelpi et al.
2003) und ist auch für Patienten der Innsbrucker Universitätsklinik zugänglich.
Viele Oligodendrogliome haben zusätzlich eine vermehrte Expression von mRNA
des EGFR-Gens.
C. Mischgliome
Oligoastrozytom (Grad II WHO), anaplastisches Oligoastrozytom (Grad III WHO)
Mischtumoren mit signifikanter astroglialer und oligodendroglialer Komponente, die getrennt oder vermischt
vorliegen können.
Alter:
Jüngeres bis mittleres Erwachsenenalter, lokalisiert meist in frontalen Hirnhemisphären.
Molekularpathologie:
komplexer als bei reinen Oligodendrogliomen, LOH 1p/19q in einem Drittel bis der
Hälfte der Fälle, und zwar in beiden Tumorkomponenten. Es dürfte sich daher um
Zelldifferenzierungen aus derselben Vorläuferzelle handeln und nicht um zufällig
gleichzeitig entstandene, sich mischende Tumore handeln.
Maligne Varianten:
Die Unterscheidung zwischen Grad II- und Grad III-Tumoren erfolgt wiederum
histologisch durch Evaluation von Malignitätskriterien, wie oben für Oligodendrogliome beschrieben.
D. Ependymale Tumore
a. Ependymom (Grad II WHO), anaplastisches Ependymom (Grad III WHO)
Häufigkeit:
3-9 % aller hirneigenen Tumore, unter Kleinkindern bis 30 %. Unter den Gliomen
des Rückenmarks am häufigsten.
Alter:
Vorkommen in allen Alterstufen, jedoch Häufigkeitsgipfel im Kindesalter (vor allem
unter infratentoriellen Tumoren) und jungen Erwachsenenalter.
Lokalisation:
Ventrikelwände, oft intraventrikulär, am häufigsten in der hinteren Schädelgrube
und im Rückenmark.
Histologie:
Meist monomorphe Tumore mittlerer Zelldichte, die zwei Charakteristika zeigen:
um Blutgefäße radiär angeordnete Tumorzellen, deren Fortsätze strahlenartig auf
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TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
der Basalmembran anheften (perivaskuläre Pseudorosetten), und zylindrische
Tumorzellen um einen kleinen oder größeren zentralen Hohlraum (echte
ependymäre Rosetten und ependymäre Kanäle).
Häufigste Sonderformen: Papilläres Ependymom mit Bildung von Papillen, klarzelliges Ependymom mit
oligodendrogliom-artigem histologischen Bild, tanyzytisches Ependymom mit
spindeligen, bipolaren Tumorzellen (meist im Rückenmark).
Immunhistochemie:
Meist GFAP-positiv, wenn auch heterogen innerhalb eines Tumors. Epitheliales
Membran-Antigen (EMA) kann in einzelnen Zellen als kleine Granula im Zytoplasma
oder im Bereich der ependymären Rosetten gesehen werden.
Maligne Varianten:
Die Differenzierung des anaplastischen Ependymoms kann schwierig sein, weil
übliche Malignitätskriterien nicht mit klaren Unterschieden in der Überlebenszeit
zwischen Grad II- und Grad III-Tumoren assoziiert sind. Verlässlichster ungünstiger
Parameter scheint eine hohe Ki67-Markierungsrate zu sein.
b. Myxopapilläres Ependymom (Grad I WHO)
Frequenz:
Bis zu 15 % der Ependymome.
Alter:
Gipfel im 4. Lebensjahrzehnt bei breiter Altersstreuung, Männer bevorzugt.
Makroskopie:
Lumbosakrales Rückenmark und Caudabereich einschließlich Filum terminale,
seltener obere Spinalsegmente.
Histologie:
Papilläre Strukturen mit rosettenartiger Anordnung von Tumorzellen um
gefäßhältiges zentrales Stroma. Dazwischen mukoide Matrix mit Zystenbildung.
E. Tumore des Plexus chorioideus
a. Plexuspapillom (Grad I WHO)
Lokalisation:
In den inneren Ventrikelräumen auftretender, papillär gebauter Tumor des Epithels
des Plexus chorioideus. Hauptsymptom ist ein Hindernis des Liquorabflusses mit der
Entwicklung eines Hydrozephalus (bei Kindern Erweiterung des Kopfumfangs).
Alter:
80% Kinder, aber abhängig von Lokalisation; im Seitenventrikel ca. 80% unter 20
Jahre, im 4. Ventrikel in allen Altersgruppen gleichmäßig verteilt.
Histologie:
Gleichförmiges einschichtiges Zylinderepithel über gefäßführendem Bindegewebsstroma mit baumartig verzweigter papillomatöser Architektur. Keine Zellund Kernunregelmäßigkeiten, kaum Mitosen.
Prognose:
Kann durch vollständige chirurgische Entfernung geheilt werden.
b. Plexuskarzinom (Grad III WHO)
Lokalisation und Alter wie bei Papillom. Frequenz höchstens 20% aller Plexustumoren.
Histologie:
Epithel mit Zell- und Kernatypien, Mitosen, eventuell Verlust der papillären Struktur
und solider Bau, invasives Wachstum.
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Einteilung und Pathologie
F. Neuronale und gemischt neuronal-gliale Tumore
a. Gangliozytom (Grad I WHO)
Tumor aus reifen, aber neoplastischen Ganglienzellen mit sehr langsamem Wachstum.
Alter, Lokalisation:
Variabel.
Makroskopie:
Solide oder zystische Tumore, teils mit Verkalkungen, ohne wesentlichem
raumforderndem Effekt.
Histologie:
Atypische Ganglienzellen in unregelmäßigen Gruppen, zum Teil mehrkernig,
irreguläre Kerne. Perivaskuläre Lymphozyteninfiltrate oder Verkalkungen oft
vorhanden.
b. Gangliogliom
Ganglionärer Tumor mit glialer Komponente, die den Differenzierungsgrad und damit die Prognose bestimmt.
Häufig Grad I (gliale Komponente: pilozytisches Astrozytom) oder Grad II (diffuses Astrozytom), maligne
Varianten mit anaplastischem Astrozytom (Grad III) oder gar Glioblastom (Grad IV) sind aber bekannt.
Variante:
Papillärer glioneuronaler Tumor
c. Zentrales Neurozytom (Grad II WHO)
Tumor aus kleinen, monomorphen Zellen mit neuronaler Differenzierung.
Alter:
Ca. 70 % in der 3. und 4. Dekade.
Lokalisation:
Typisch im Bereich der Seitenventrikel (Foramen Monroi).
Makroskopie:
Intraventrikulär, eventuell Verkalkungen und Einblutungen.
Histologie:
Kleine Zellen mit runden Kernen, meist ohne wesentliche Atypien, mit variierender
Architektur. Kann ein Honigwabenmuster wie ein Oligodendrogliom zeigen oder
perivaskuläre Pseudorosetten wie eine Ependymom. Unterscheidung zwischen
diesen drei Entitäten ist wegen der Unterschiede in Prognose und allfälliger
postoperativer Nachbehandlung wichtig.
Maligne Varianten sind beschrieben.
G. Tumore des Pinealisparenchyms
a. Pineozytom (Grad II WHO)
Tumor der Epiphyse mit langsamem Wachstum.
Alter:
Ca. 30. Lebensjahr.
Histologie:
Zellen ähneln den normalen Pineozyten der Epiphyse, monomorph ohne
wesentliche Atypien, faserreiche Matrix, Zellen können Rosetten bilden.
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Einteilung und Pathologie
b. Pineoblastom (Grad IV WHO)
Undifferenzierter Pinealistumor mit Bild eines primitiven neuroektodermalen Tumors (PNET).
Alter:
Meist innerhalb der ersten zwei Lebensjahrzehnte.
Histologie:
Dicht liegende, unreife, zytoplasmaarme Zellen, rundliche bis irreguläre Kerne,
hohe Zellularität, gelegentlich Rosettenbildung. Mitoserate kann hoch sein,
Nekrosen und Mikroverkalkungen möglich, Melaninbildung sowie knorpelige und
muskuläre Differenzierung selten.
Prognose:
Aggressives Verhalten, Metastasierung auf dem Liquorweg verschlechtert den
klinischen Verlauf.
H. Embryonale Tumore
Undifferenzierte Tumoren meist des Kindesalters mit aggressivem Verhalten und ungünstiger Prognose. Alle
Tumore entsprechen Grad IV WHO.
a. Medulloblastom
PNET des Kleinhirns
Histologie:
Hohe Zelldichte, typische Rosetten ohne zentralem Lumen, viele Mitosen und
Apoptosen.
Zytogenetik und Molekularpathologie: Isochromosom 17q in 50 % der Fälle sowie verschiedene Störungen auf
Chromosom 1. Amplifikation von myc bei bis 20 % der Tumoren.
Varianten:
- Desmoplastisches Medulloblastom mit knotiger Architektur: retikulinfaserarme Tumorzonen, umgeben
von dicht liegenden, hoch proliferativen Zellen mit Faserreichtum.
- Großzelliges Medulloblastom.
- Medullomyoblastom: mit Differenzierung zu quergestreifter Muskulatur.
Prognose:
Radikale Operation, keine Liquormetastasen bei Diagnosestellung und Alter
über drei Jahre sind Kriterien für günstigere Prognose, die sich aufgrund weiter
entwickelter postoperativer Therapie mittels Radio- und Chemotherapie zusätzlich
verbessert hat.
b. Supratentorielle PNETs (primitive neuroektodermale Tumore des Großhirns)
Altersverteilung, Histologie und prognostische Faktoren wie bei Medulloblastom.
2. Tumore des kranialen und peripheren Nerven
A. Neurinom (Schwannom) (Grad I WHO)
Tumor der Schwannschen Zellen, die im peripheren Nerven die Markscheiden der Axone bilden.
Alter:
im 4. bis 6. Lebensjahrzehnt etwas häufiger.
Lokalisation:
Periphere Nerven der Extremitäten, manchmal als Hauttumor. Spinalnervenwurzeln (im Spinalkanal mit dem Meningeom der häufigste Tumor). Intrakraniell
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TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
Histologie:
Prognose:
von Hirnnerven, insbesondere im Kleinhirn-Brücken-Winkel ausgehend vom 8.
Hirnnerv („Akustikusneurinom“).
Spindelzelliger Tumor mit typischen Kernpalisaden abwechselnd mit kernfreien
Zonen.
Langsames Wachstum, in der Peripherie meist radikal entfernbar, problematischer
intrakraniell im Bereich des Kleinhirn-Brücken-Winkels.
B. Neurofibrom (Grad I WHO)
Tumor aus neoplastischen Schwannzellen und Fibroblasten mit Kollagenfasern.
Multiple Neurofibrome treten bei der Neurofibromatose Typ I auf.
C. Maligner peripherer Nervenscheidentumor (MPNST) (Grad III-IV WHO)
Maligne Variante eines Schwannoms oder Neurofibroms, histologisch Zeichen der Malignität mit hoher
Zelldichte, Atypien, Mitosen und Nekrosen. Neigt zu Rezidiven und ungünstigem klinischen Verlauf.
3. Meningeale Tumore
A. Meningeom
a. Klassisches Meningeom
Langsam wachsende, gutartige Tumore. Zahlreiche histologische Subtypen, die häufigsten sind das meningotheliomatöse und das fibroblastische Meningeom, jeweils wie die meisten Subtypen entsprechend Grad I
WHO. Einzelne Varianten werden wegen eines etwas ungünstigeren klinischen Verhaltens als Grad II eingestuft
(siehe unten).
Alter:
Meist Erwachsene des mittleren und höheren Lebensalters, Frauen häufiger
betroffen als Männer.
Lokalisation:
Duraduplikaturen (Falx, Tentorium), Schädelbasis, Stroma des Plexus chorioideus
der Ventrikel, Spinalkanal.
Makroskopie:
Scharf begrenzte, rundliche, feste Tumoren. Einwachsen ins Hirngewebe oder in
die anhaftende Dura aber möglich, Knochenarrosion und Durchwachsen bis ins
extrakranielle Weichgewebe oder in die Nasennebenhöhlen kommen vor.
Histologie:
Bei den häufigsten Subtypen Anordnung in durchflochtenen Zügen oder
rundlichen, zwiebelschalenartig strukturierten Aggregaten. Hoher Gefäßreichtum,
rundliche Verkalkungen (Psammomkörper). Mitosen selten.
Varianten:
- Mikrozystisches Meningeom: Kann sich mit einer großen Tumorzyste präsentieren.
- Sekretorisches Meningeom: Intrazelluläre Lumina mit kugeligen runden Einschlüssen (Pseudopsammomkörper)
- Chordoides Meningeom: Hat histologische Ähnlichkeit mit einem Chordom, höhere Rezidivneigung
(daher Grad II WHO).
- Klarzelliges Meningeom: Ohne typische Meningeomstruktur mit hellzelliger Zusammensetzung, etwas
aggressiveres Verhalten (Grad II WHO).
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TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
Molekularpathologie:
Etwa die Hälfte der Meningeome haben Allelverluste am Chromosom 22 und
zusätzlich an anderen Chromosomen. Mutationen im NF2-Gen auf Chromosom 22
werden in ca. 60 % der Fälle gefunden.
b. Atypisches Meningeom (Grad II WHO)
Meningeom mit höherer Zelldichte und höherer Mitoserate (mindestens 5 Mitosen pro 10 Gesichtsfelder bei
400facher Vergrösserung [Maier et al. 1992]), auffallenden Zell- oder Kernatypien, Verlust der Zwiebelschalenstruktur, Nekrosen und/oder ungewöhnlichem aggressiven Wachstumsverhalten. Höhere Rezidivrate als die
üblichen klassischen Meningeome.
c. Anaplastisches (malignes) Meningeom (Grad III WHO)
Meningeom mit weitgehendem Verlust der typischen Struktur, höherer Anaplasie, hoher Zelldichte, hoher
Mitoserate und Nekrosen. Infiltrative Wachstumstendenz und hohe Rezidivneigung.
B. Nicht-meningeale mesenchymale Tumore
a. Hämangioperizytom
Zumindest semimaligner Tumor der Meningen, neigt zu Rezidiven und Metastasierung, entspricht Grad II oder
III nach WHO.
Alter:
Ca. 45. Lebensjahr, Männer etwas häufiger als Frauen.
Histologie:
Zellreicher Tumor aus regellos verteilt und manchmal storiform ausgebreiteten
Zellen mit blasigen, hellen Zellen und dichtem Netz von Kapillaren und sinusoidalen,
verzweigten Gefäßen. Deutliche proliferative Aktivität.
b. Melanozytäre Tumore
Melanozytome und maligne Melanome können auch von in den Meningen normalerweise vorkommenden
Melanozyten ausgehen.
4. Tumore des hämatopoetischen Systems
A. Maligne Lymphome
Primäre maligne Non-Hodgkin-Lymphome des ZNS sind meistens hochmaligne Lymphome der B-Lymphozyten
vom diffus-großzelligen Typ nach der REAL-Klassifikation. Auftreten gehäuft bei immungeschwächten
Patienten oder im Alter, werden aber vermehrt bei immunkompetenten Personen diagnostiziert.
B. Plasmozytom
Neoplasie der Plasmazellen mit klonaler Immunglobulinproduktion einschließlich Leichtketten, die sich im
Knochenmark entwickelt und ausgehend von einem Wirbelkörper sich gegen Rückenmark und Nervenwurzeln
ausbreiten und neurologische Symptomatik verursachen kann. Histologisch drei Differenzierungsgrade parallel
zur Zunahme der Zell- und Kernatypien.
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TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
5. Keimzelltumore
Klassifikation entsprechend der Tumoren des Hodens mit seminomatösen und nicht-seminomatösen Tumoren
sowie Mischgeschwülsten.
-
Germinom: Entspricht dem klassischen Seminom des Hodens bzw. dem Dysgerminom des Ovars. Höchst
strahlensensibel und dadurch prognostisch günstig, sofern keine andere Tumorkomponente vorliegt.
Nicht-germinomatöse Keimzelltumoren (embryonales Karzinom, Dottersacktumor, Choriokarzinom,
unreifes und reifes Teratom) können kombiniert oder selten einzeln auftreten, mit oder ohne GerminomKomponente.
6. Tumore der Sellaregion
A. Hypophysenadenom
Tumor der hormonproduzierenden Zellen des Hypophysenvorderlappens. Je nach Hormonaktivität des proliferierenden Zellklons ergeben sich charakteristische klinische Bilder:
- ACTH-produzierendes Hypophysenadenom: Morbus Cushing.
- HGH (Wachstumshormon)-produzierendes Hypophysenadenom: Riesenwuchs beim Kind, Akromegalie
beim Erwachsenen.
- Prolaktin-produzierendes Hypophysenadenom (Prolaktinom): Amenorrhoe, selten Galaktorrhoe.
b. Kraniopharyngeom (Grad I WHO)
Gutartiger Tumor der Sellaregion der Schädelbasis, der wahrscheinlich von Resten der sogenannten RathkeTasche, aus der sich während der Embryonalzeit der Hypophysenvorderlappen entwickelt, hervorgehen
dürfte.
Alter:
Zwei Häufigkeitsgipfel: im Kindesalter (5 bis 14 Jahre) und bei Erwachsenen über
50 Jahre.
Histologie:
Solide bis zystische Tumore aus geschichtetem Plattenepithel mit Palisadenstellung der äußeren Zelllage. Kleine Zysten mit Hornkugeln kommen vor; das
Epithel kann rupturieren, das im Gewebe dann frei liegende Hornmaterial führt zu
einer granulomatösen Fremdkörperreaktion und im angrenzenden Hirngewebe zu
ausgeprägter reaktiver Gliose. Kaum proliferative Aktivität.
Prognose:
Bei kompletter Resektion gut. Parameter für einen ungünstigen klinischen Verlauf
sind das Ausmaß der chirurgischen Entfernung und die Tumorgröße (schlechter
bei Tumoren über 5 cm).
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TAKO - Neuroonkologie
Einteilung und Pathologie
7. Metastasen
Absiedlungen von Tumoren (hauptsächlich Karzinomen) anderer Körperorgane oder Gewebe kommen
insbesondere bei Patienten mit Lungenkarzinomen, Mammakarzinom und malignen Tumoren der Haut vor. Im
Bereich des Rückenmarks können Wirbelsäulenmetastasen gegen den Spinalkanal vorwachsen (z. B. Prostatakarzinom, Mammakarzinom).
Absiedlungen können diffus die Hirnhäute befallen (Meningiosis carcinomatosa) und zu an der Dura haftenden
Knoten führen oder zu soliden rundlichen Tumoren innerhalb Gehirn und Rückenmark.
Hämatologische Systemerkrankungen (Non-Hodgkin-Lymphome, Leukämien) können zu einer sekundären
Infiltration des Gehirns und seiner Umgebungsstrukturen führen. Häufig ist die Infiltration der Hirnhäute
mit Aussaat in den Liquorraum, wobei die blastären Zellen bei einer zytologischen Untersuchung des Liquors
mikroskopisch diagnostizierbar sind, aber auch die herdförmige oder diffuse Infiltration des Gehirns im Rahmen
eines systemischen Lymphoms ist möglich und kann sich wie ein primäres ZNS-Lymphom präsentieren.
Literatur
Gelpi E, Ambros IM, Birner P, Luegmayr A, Drlicek M, Fischer I, Kleinert R, Maier H, Huemer M, Gatterbauer B, Anton J, Rossler
K, Budka H, Ambros PF, Hainfellner JA (2003) Fluorescent in situ hybridization on isolated tumor cell nuclei: a sensitive
method for 1p and 19q deletion analysis in paraffin-embedded oligodendroglial tumor specimens. Mod Pathol 16:70815
Kleihues P, Cavenee WK (eds.). Pathology and genetics. Tumours of the Nervous System. World Health Organization Classification
of Tumours. IARC Press, Lyon 2000
Maier H, Öfner D, Hittmair A, Kitz K, Budka H. (1992) Classic, atypical, and anaplastic meningioma: three histopathological
subtypes of clinical relevance. J Neurosurg 77:616-623
Stockhammer G, Obwegeser A, Kostron H, Schumacher P, Muigg A, Felber S, Maier H, Slavc I, Gunsilius E, Gastl G (2000) Vascular
endothelial growth factor (VEGF) is elevated in brain tumor cysts and correlates with tumor progression. Acta Neuropathol
(Berl) 100:101-5
Verfasser: ao. Univ.-Prof. Dr. Hans Maier
Neuropathologisches Labor des Instituts für Pathologie, Medizinische Universität Innsbruck
Medizinzentrum Anichstrasse G03, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: +43/512/504-27391
Fax: +43/512/504-27414
E-mail: [email protected]
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TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: CT, MRT und Angiographie
Bildgebende Diagnostik bei Hirntumorerkrankungen:
CT, MRT und Angiographie
Die Diagnostik von Hirntumoren basiert zum wesentlichen Teil auf den modernen Schnittbildverfahren CT und MRT.
Diese sind nicht nur für den Nachweis, die artdiagnostische Zuordnung und die präoperative Dignitätsbeurteilung,
sondern auch für die OP-Planung und postoperative Kontrollen unverzichtbar. Auf Grund der besseren Sensitivität
und der multiplanaren Schichtführung hat sich die MRT gegenüber der CT als Methode der Wahl in vielen Fällen
durchgesetzt. Die CT wird heute vor allen Dingen in der Notfalldiagnostik und für spezielle Indikationen (z.B.
Nachweis von Verkalkungen) eingesetzt. Im Folgenden werden die Technik und Einsatzbereiche dieser beiden
genannten Methoden nach heutigen Standards diskutiert.
I. Computertomographie
1. Basistechnik
Axiale Schichtführung in 4mm Schichtdicke.
Aufnahmen nativ oder/und mit KM-Gabe (nichtionisches Kontrastmittel i.v.).
Gegebenenfalls zusätzliche Knochenfensterungen mit dünnerer Schichtdicke (1-2mm). Multiplanare Rekonstruktionen aus dünnschichtigen Datensätzen insbesondere bei Fragen den Knochen betreffend.
2. Spezialtechniken
A. CT-Angiographie
Es handelt sich um eine computertomographische Technik mit Gabe von Kontrastmittel. Während der
Gabe von Kontrastmittel mit einer motorischen Spritze wird eine dünnschichtige CT durchgeführt. Aus
dieser Untersuchung können mit verschiedenen Sekundärrekonstruktionstechniken Gefäßdarstellungen
rekonstruiert werden. Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die Untersuchung nach Beginn der Kontrastmittelgabe gestartet wird, können hier verschiedene Kontrastmittelphasen (arteriell, venös) dargestellt werden.
Beispiele für den sinnvollen Einsatz dieser Technik: Verdacht auf Gefäßverschluß, Darstellung sehr gefäßreicher
Tumoren (z.B. Hämangioblastom oder Glomustumor), aber auch zur präoperativen Operations-/oder stereotaktischen Interventionsplanung.
B. CT-Perfusion
Es handelt sich hierbei ebenfalls um eine computertomographische Technik mit Gabe von Kontrastmittel.
Während der Gabe von Kontrastmittel wird die Anflutung des Kontrastmittels gemessen und mit spezieller
Software ausgewertet. Hierbei können Areale vermehrter oder verminderter Vaskularisation dargestellt werden1.
Unterschiedliche Auswerte-Algorithmen (z.B. Blutvolumen, Blutfluss, durchschnittliche Durchgangszeit)
stehen zur Verfügung. Die Wertigkeit dieser Methode ist zur Abschätzung der Durchblutungsverhältnisse, z.B.
bei ischämischen Veränderungen, aber auch zur Darstellung und differentialdiagnostischen Bewertung von
Tumorvaskularisation.
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TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: CT, MRT und Angiographie
C. Stereotaxie und intraoperative CT-Untersuchung
Hier werden bei stereotaktisch geplanten Interventionen oder bei navigierten Operationen intraoperativ
CT-Darstellungen angefertigt, um bereits während des Eingriffes die anatomischen Verhältnisse zu
dokumentieren.
3. Allgemeine Vorteile der Computertomographie
Für die computertomographische Untersuchung gibt es nur wenige Kontraindikationen (z.B. starke Unruhe des
Patienten), von denen aber keine eine absolute Kontraindikation darstellt. Ein weiterer Vorteil ist die sehr kurze
Untersuchungsdauer (wenige Sekunden bis Minuten).
4. Computertomographie – Kontrastmittel
Es handelt sich hierbei um ein jodhältiges Kontrastmittel, welches i.v.appliziert und über die Nieren ausgeschieden
wird. Kontraindikationen zur Kontrastmittelgabe in der CT-Untersuchung sind eine eingeschränkte Nierenfunktion
(Kreatinin > 2mg/dcl), eine Schilddrüsenerkrankung (insbesondere latente Hyperthyreose mit möglicher Auslösung
einer thyreotoxischen Krise), die Einnahme bestimmter Medikamente (orale Antidiabetika) in Zusammenschau
mit einer eingeschränkten Nierenfunktion und eine Kontrastmittelallergie. Das CT-Kontrastmittel ist in der
Schwangerschaft nicht zugelassen.
5. Beispiele für Indikationen zur CT-Untersuchung:
-
Notfalldiagnostik (epileptischer Anfall, Bewusstseinsstörung, Tumoreinblutung)
Metastasen-Staging bei systemischen Malignomen
Bestrahlungsplanung (Kalottendicke, Isodosenverteilung)
Kraniotomie-Planung
Stereotaxie-Planung
Postoperative Blutungen
Spinale Metastasen (Knochenbeurteilung)
II. Magnetresonanztomographie
Die MRT-Untersuchung gilt heute als Methode der Wahl zum Nachweis von Tumoren des ZNS, deren differentialdiagnostischer Abgrenzung, weiters zur präoperativen artdiagnostischen Zuordnung und postoperativen Rest/bzw.Rezidivtumorbeurteilung. Eine weitere Indikation zur MRT ist die Datenakquisition mit speziellen Sequenzen
für die intraoperative Navigation.
1. Basistechnik
Axiale Spin-Echo T1 Gewichtung und axiale Turbo-Spin-Echo T2 Gewichtung (alternativ oder additiv FLAIRSequenzen), post KM 2 Ebenen Spin-Echo T1 (Standardprogramm zur Tumordarstellung).
Als Alternative zur Spin-Echo T1 kann eine 3D-Sequenz (MPRAGE) verwendet werden. Diese ist eine Gradienten-
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TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: CT, MRT und Angiographie
echosequenz mit isotropen Voxeln, welche MPR-Rekonstruktionen in beliebiger Ebene erlauben.
Zusätzliche T2* gewichtete Gradientenechos werden z.B. bei Verdacht auf Einblutung und bei der Differentialdiagnose einer Cavernom-Entität eingesetzt.
2. Spezielle Techniken
A. Diffusionsgewichtung
In der Diffusionsgewichtung wird mit einer Epiplanarsequenz die Diffusibilität von Wassergeweben dargestellt.
Dies kann zur Charakterisierung von ischämischen Veränderungen (typisches zytotoxisches Ödem), aber
auch Abszessbildungen oder Charakterisierung beim Epidermoid verwendet werden. Bei verschiedenen
Tumorentitäten wird ebenfalls die Diffusibilität des Gewebes verändert (z.B. eingeschränkte Diffusibilität bei
Meningeomen) 2,3.
Eine weitere Anwendung ist das „Diffusion Tensor Imaging“ (=Traktographie). Hier wird ebenfalls mittels
Bestimmung der Diffusibilität an einen bestimmten Punkt die Anisotropie des Gehirngewebes (erleichterte
Diffusibilität entlang der Myelinscheiden, eingeschränkte Diffusibilität durch Myelinscheiden) verwendet um
Bahnsysteme in Relation zu Tumorerkrankungen darzustellen.
B. MR-Angiographie
Hier stehen mehrere verschiedene Techniken zur Verfügung, typischerweise wird eine„time of flight“ (=TOF) und
eine Kontrastmittel verstärkte (=KM-MRA) Technik durchgeführt. Die „time of flight“ Technik kommt ohne Gabe
von Kontrastmittel aus und hat eine gute Ortsauflösung, was insbesondere zur Darstellung kleiner Aneurysmen
oder feineren Gefäßstrukturen vorteilhaft ist. Nachteil der TOF-MRA ist die etwas stärkere Anfälligkeit von
Artefakten z.B. bei turbulenten Blutflüssen, was zur gesteigerten Darstellung von Gefäßstenosen beiträgt. Als
Alternative wird die KM-MRA verwendet, diese Methode ist eine Subtraktionstechnik, es wird eine Leermessung
von nachfolgenden Kontrastmittelmessungen subtrahiert, so dass schlussendlich die arteriellen und venösen
Gefäßstrukturen dargestellt sind. Vorteile sind die geringe Artefaktbelastung, Nachteile die etwas schlechtere
Ortsauflösung im Vergleich zur TOF-Technik. Venöse Gefäßstrukturen werden meistens etwas besser mit der
KM-MRA dargestellt. Sollte eine Kontrastmittelgabe nicht möglich sein, ist aber auch mit verschiedenen NichtKontrastmitteltechniken (PC-Angio, venöse TOF) eine venöse Darstellung möglich.
C. MR-Perfusion
Analog zur computertomographischen Perfusion wird hier das Durchblutungsverhalten dargestellt4. Es
gibt hier Techniken mit Kontrastmittel, aber auch ohne Verwendung von Kontrastmittel (ASL = arterial spin
labelling). Mit diesen Techniken können bestimmte Durchblutungsparameter (Blutvolumen, Blutfluss) von
Tumoren bestimmt werden.
D. Protonenspektroskopie
Mit dieser Technik können bestimmte Metaboliten (z.B. Laktat, Cholin) im Hirngewebe nachgewiesen werden5.
Hierdurch können Aussagen zur Differentialdiagnose Tumor versus Abszess, zum Teil artdiagnostische
Zuordnungen (Gliom, Metastase, Meningeom) oder alternativ zur Differentialdiagnose Rezidivtumor und
Strahlennekrose getroffen werden.
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TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: CT, MRT und Angiographie
E. Funktionelles MRT (fMRT):
Es können hier Aktivierungen von Hirnarealen mit bestimmten Aufgaben nachgewiesen werden. Es werden
hier so genannte BOLD (Blood Oxygen Level Dependent) Effekte (vermehrte Ausschöpfung von Blutsauerstoff
in aktivierten Hirnarealen und damit Veränderung des desoxygeniertem und oxygeniertem Hämoglobinanteils mit jeweils unterschiedliche MR-tomografischen Eigenschaften) zur Bildgebung verwendet. Hierbei
können zur präoperativen Lokalisation bestimmte Hirnareale (visueller Kortex, Motorkortex, Sprachlateralisation) dargestellt werden6.
F. Stereotaxie-Planung:
Zur Stereotaxie-Planung werden räumlich hochauflösende Sequenzen (dünnschichtige T2 gewichtete Sequenz
und MPR isotrope Datensätze) akquiriert. Die Bilder können entsprechend per Netzwerk in die entsprechenden
Navigationssysteme eingespeist werden.
3. MR-Kontrastmittel
Es handelt sich hierbei um ein Gadolinium-hältiges Präparat7. Das Kontrastmittel kann bei den meisten Patienten
(Ausnahme Allergie) appliziert werden. Ein nephrotoxischer Effekt kommt erst bei stark ausgeprägter Nierenfunktionseinschränkung zum tragen. Zum Metastasen-Screening wird in bestimmten Fällen eine vermehrte Kontrastmitteldosis (doppelt oder dreifach im Vergleich zur Normaldosis) verabreicht, was die Sensitivität der Detektion
von Metastasen erhöhen kann.
4. Vorteile der MRT-Untersuchung
Die MRT zeigt einen hervorragenden Weichteilkontrast, was die Sensitivität von Parenchymläsionen im Vergleich
zur CT-Darstellung deutlich erhöht. Ein weiterer Vorteil ist die primäre Dreidimensionalität der Untersuchung
(Untersuchungsschichtebenen in jeder Orientierung). Weiters stehen auch ein größeres Armamentarium an
Sequenzen (MRT und Spezialtechniken Spektroskopie, etc.) zur Verfügung8.
5. Nachteile der MRT-Untersuchung
Manche Patienten können auf Grund einer Platzangst oder implantierter Geräte (z.B. Herzschrittmacher, Nervenstimulatoren) nicht untersucht werden9. Die MR-Untersuchung dauert länger (1 Sequenz zwischen 1 bis 10 Minuten),
so dass bei nicht-kooperativen Patienten oft starke Bewegungsartefakte die Bildqualität einschränken können.
6. Indikation MRT
-
Erstdiagnose, Artdiagnose und Differentialdiagnose von tumoralen und nicht-tumoralen Erkrankungen
ZNS-Metastasen-Screening
Spinale Neoplasien
Operations-/und Stereotaxie-Planungen
Bestrahlungs-Planung
Rest-/und Rezidivtumorbeurteilung
Paraneoplastische Syndrome des ZNS
Bewertung von Behandlungsfolgen (Chemotoxizität, Strahlentoxizität)
26
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: CT, MRT und Angiographie
III. Konventionelle Katheterangiographie (DSA)
Die digitale Subtraktionsangiographie spielt heute für den Tumornachweis keine primäre Rolle mehr. Sie
wird eingesetzt zur Operationsplanung und den Nachweis von Tumorgefäßen (z.B. bei malignem Gliom,
Glomustumor) und zum (präoperativen) endovaskulärem Verschluß von Tumorgefäßen, z.B. bei Meningeomen
und Glomustumoren. Die intraarterielle Chemotherapie von malignen Gliomen wird nicht mehr eingesetzt.
Literatur
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Yamasaki F, Kurisu K, Satoh K, Arita K, Sugiyama K, Ohtaki M, Takaba J, Tominaga A, Hanaya R, Yoshioka H, Hama S, Ito
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findings. AJNR 22:969-76
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and predictive values of perfusion MR imaging and proton MR spectroscopic imaging compared with conventional MR
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Shellock FG, Crues J (2004) MR procedures: biologic effects, safety, and patient care. Radiology 232:635-52
Verfasser: OA Dr. Thaddäus Gotwald
Radiologie II, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: +43/512/504-27103
E-mail: [email protected]
Univ.-Prof. Dr. Stephan Felber
Radiologie II, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: +43/512/504-27103
E-mail: [email protected]
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TAKO - Neuroonkologie
Notizen
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TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
Bildgebende Diagnostik bei Hirntumorerkrankungen
I. Nuklearmedizinische Verfahren
1. Primäre Hirntumoren
A. Zielsetzung
1. eine bessere Klassifizierung von Hirntumoren (davon kann im Einzelfall das therapeutische Vorgehen
abhängen)
2. die differentialdiagnostische Abgrenzung von entzündlichen cerebralen Erkrankungen und
3. die Früherkennung eines Tumorrezidivs.
B. Grundlagen, Hintergrundinformation
Nuklearmedizinische Verfahren, insbesondere die Positronenemissionstomographie (PET), gewinnen zunehmend an Bedeutung zur differentialdiagnostischen
Zuordnung von suspekten Hirnbefunden.
Die PET/SPECT (Single Photon Emission Tomography) gibt Hinweise auf das
biologische Verhalten von Hirntumoren. Die wichtigste Anwendung ist jedoch
die posttherapeutische Unterscheidung zwischen reparativen Prozessen und
Resttumor bzw. Rezidiv. Verglichen mit der Magnetresonanztomographie (MRT) ist
das räumliche Auflösungsvermögen von PET und besonders von SPECT geringer.
PET und SPECT erlaubt jedoch die metabole Darstellung vitalen Tumorgewebes.
Das Auffinden kleinerer Herde oder von Tumoren mit niedriger Proliferationstendenz und hohem Differenzierungsgrad ist oft schwierig. Diesbezüglich kann die
Bildfusion PET/MRT bzw. SPECT/MRT hilfreich sein. Mittels Bildfusion können die
jeweiligen Vorteile - hohe strukturelle Auflösung in der MRT und Metabolismus in
der PET/SPECT - miteinander verknüpft werden (Freitag und Schumacher 2002), Abb.
1 und 2.
a
b
Abb.2: Glioblastoma multiforme WHO IV
a) 18-F-FDG PET
b) MRT
c) Bildfusion PET/MRT
29
Abb.1: Bildfusion PET/MRT
Gesteigerter 18-F-Fluoro-ethylL-Tyrosin Uptake in einem
Astrozytom WHO-Grad II rechts
temporal.
c
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
Die das Hirngewebe schützende Barriere der intakten Blut-Hirn-Schranke (BHS) kann durch aktiven Transport,
durch erleichterte Diffusion unter Mitwirkung von Transportproteinen, sowie durch einfache Diffusion in Richtung
eines Konzentrationsgefälles überwunden werden.
Radioaktiv markierte Aminosäuren werden über einen aktiven Transportmechanismus kompetitiv
aufgenommen, wobei dieser Uptake bei Gliomen deutlich gesteigert ist, da Aminosäuren-Transportsysteme in
Tumorzellen in einem höheren Ausmass vorhanden sind. Unter physiologischen Bedingungen ist diese Aufnahme
äußerst gering, d.h. es kommt zu keiner nennenswerten Anreicherung im Gehirn. Markierte Aminosäuren (18FTyrosin, 18F-Thymidin, 11C-Methionin, 123I-Methyltyrosin) werden benutzt, um den Aminosäurentransport, den
Aminosäurenmetabolismus und die Proteinsyntheserate in Hirntumoren von außen mittels PET oder SPECT zu
messen, womit die Proliferationstendenz eines Tumors abgeschätzt werden kann (Abb. 1). Aufgrund des hohen
Glukosestoffwechsels der normalen grauen Substanz liefern markierte Aminosäuren im Vergleich zu 18F-FDG einen
deutlich höheren Kontrast und damit meist eine ausgezeichnete Abgrenzbarkeit bei intrazerebralen Tumoren.
Die Beurteilung der Glukosestoffwechselaktivität eines Tumors erfolgt mittels 18F-FDG, der am häufigsten
eingesetzte Tracer, welcher durch erleichterte Diffusion durch die BHS gelangt und sich besonders in
hochproliferativen, zelldichten Tumoren mit einem geringen Differenzierungsgrad in hoher Konzentration
anreichert (Abb. 2). Wegen des hohen Glukosestoffwechsels in der grauen Substanz ist hier das Auffinden kleiner
Herde (<5 mm) oder von Tumoren, die einen hohen Differenzierungsgrad, eine niedrige Proliferationstendenz und
damit einen nur gering erhöhten Energiebedarf aufweisen, oft schwierig. Ist der Tumor im Bereich der weissen
Substanz (Marklager) gelegen, so gelingt eine Abgrenzung besser.
Eine gestörte oder geschädigte BHS, bedingt durch maligne Tumoren, aber auch z.B. durch Entzündungen,
Durchblutungsstörungen, postradiogene oder postoperative Veränderungen, lässt sich radiologisch mittels
Kontrastmittel-Gabe überprüfen. Eine entscheidende Eigenschaft des Kontrastmittels Gd-DTPA für die Anwendung
im Zentralen Nervensystem ist die Tatsache, dass es die intakte BHS nicht passieren kann. Bei gestörter BHS tritt
das Kontrastmittel aus dem Gefässlumen in den Extrazellulärraum des Hirngewebes aus und führt zu einer
Kontrastierung des erkrankten Bereiches. Eine Störung der BHS ist auch Vorraussetzung für die Anreicherung der
SPECT-Tracer 201TlCl, 67Ga-Zitrat, 111In-Octreotid und 99mTc-Sestamibi, welche zur Darstellung von Gehirntumoren,
die die Bluthirnschranke verletzt haben, geeignet sind und einen entsprechenden Anreicherungsmechanismus in
den Tumorzellen aufweisen.
C. Hirntumoren- Indikationen (PET)
1a
1b
2a
2b
Differenzierung zwischen Rezidiv und Strahlennekrose bei malignen Gliomen (mit 18FDG)
Erkennung der malignen Entdifferenzierung eines Gliomrezidivs (mit 18FDG)
Bestimmung des Biopsieortes bei V.a. Gliom (mit 18FDG)
Beurteilung der biologischen Aggressivität von Hirntumoren (mit 18FDG)
Nachweis von Resttumor bei malignen Gliomen nach OP (mit 18FDG)
Differenzierung zwischen Lymphomen und Toxoplasmose (mit 18FDG)
Diagnostik von Gliomen (mit markierten Aminosäuren)
Präoperative Lokalisation von funktionell wichtigen Hirnarealen (mit 18FDG, 150-Wasser,
15
0-Butanol, soweit verfügbar, und mit markierten Aminosäuren)
Beurteilung des Tumorwachstums (mit 11C-Putrescin und Liganden für periphere Benzodiazepinrezeptoren)*
30
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
Beurteilung
1a
1b
2a
2b
3
Interpretation
Angemessen, klinischer Nutzen ist erwiesen
Akzeptabel, Ergebnisse deuten auf klinischer Wert hin
Möglicherweise hilfreich, aber der Nutzen ist noch nicht ausreichend belegt
Aufgrund unzureichender Daten noch nicht endgültig beurteilbar
Meistens ohne klinischen Wert
Quelle: Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin: http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/031-008.htm
D. PET-Tracer
a. Glukosestoffwechsel
• 18F-FDG
b. SSTR-Expression (Somatostatinrezeptoren)
• 68Ga-DOTATOC
c. Aminosäurenmetabolismus bzw. Proteinsyntheserate
• 18F-Fluoroethyl-L-Tyrosin
• 18F-Thymidin*
• 11C-Methionin*
• 11C-N-Methyl-Methylaminoisobuttersäure*
• 11C-Leucin*
d. Perfusion (Die Messung mit 0-15-Wasser ist – wegen der extrem kurzen HWZ des Tracers – in erster Linie
wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten)
• 0-15-Wasser*
• 0-15-Butanol*
(*) Tracer nur in Zentren mit Cyclotronbetrieb verfügbar.
E. SPECT-Tracer
a.
201
Thallium-Chlorid: (als alternatives Verfahren zu 18F-FDG-PET, falls PET nicht verfügbar ist)
Indikation:
insbesondere Restaging nach Operation oder Strahlentherapie für die Fragestellung:
vitale Tumorreste?
Anreicherungs-Prinzip:
Thallium-201 ist ein Perfusions- und Vitalitätsmarker und wird als Kalium-Analogon
in die Tumorzellen über die Na-K-Pumpe aufgenommen. Vorraussetzung ist eine
gestörte BHS um an die Tumorzellen zu gelangen.
Untersuchungsablauf:
frühe (Perfusion) und späte (Malignitätsgrad) SPECT
Etabliertes und validiertes Standardverfahren mit hoher Sensitivität und Spezifität.
2.
111
3.
123
In-Octreotid: (als alternatives Verfahren zu 68Ga-DOTATOC-PET, falls PET nicht verfügbar ist)
bei (multiplen) Meningiomen, Gliomen mit SSTR-Expression
I-Alpha-Methyl-Tyrosin: 123I-IMT: (als alternatives Verfahren zu 18F-FET-PET, falls PET nicht verfügbar ist)
zur Bestimmung der Tumorgrenze und der Proteinsyntheserate bei Gliomen
31
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
F. Untersuchungsmethode, Vorgehensweise, Verfahren
a. Informationen zur Durchführung der Untersuchung
Für die optimale Interpretation der Scans sind folgende Informationen erforderlich:
1. Anamnese des Patienten (neurochirurgische Eingriffe, Strahlentherapie, Chemotherapie, intracavitäre
Therapien, stattgehabte Traumata, rezenter neurologischer und psychiatrischer Status)
2. Die aktuelle morphologische Bildgebung (CT/MRT)
3. Dosierung und Einnahmeschema der aktuellen Medikation
4. Vorliegen eines Diabetes mellitus (wichtig für die 18F-FDG-PET)
5. Dauer des Nüchternzustandes (wichtig für die 18F-FDG-PET und 18FET-PET)
b. Informationen des Patienten über die Durchführung der Untersuchung
Der Patient wird vom Arzt detailliert über den Untersuchungsablauf vor der Patientenvorbereitung aufgeklärt.
Nach erfolgter Aufklärung wird die Zustimmung des Patienten für die geplante Untersuchung per Unterschrift
auf einem allgemein verständlichen Patienteneinwilligungsformular dokumentiert.
c. Patientenvorbereitung
Vor der Injektion des Tracers ist der wichtigste Aspekt im Rahmen der Applikationsvorbereitung ein »konstantes«
Umfeld zum Zeitpunkt der Injektion und während der Phase des Traceruptakes herzustellen. Beurteilung der
Kooperationsfähigkeit des Patienten
1. Vor Beginn der Untersuchung ist mit dem zuweisenden Arzt zu klären, ob der Patient überhaupt in der Lage
ist für die Dauer der Untersuchung (je nach Modalität zwischen 1/2 und 1 Stunde) ruhig zu liegen. Sofern
dies nicht möglich ist, muss eine entsprechende Sedierung erfolgen. Diese sollte im Untersuchungsablauf
so spät wie möglich und möglichst erst nach Applikation des Tracers erfolgen.
2. Plazieren des Patienten in einem ruhigen Raum bei abgedimmtem Licht (Augen und Ohren können dann
offen bleiben).
3. Optional: Anlegen einer Augenbinde und eines Schallschutz-Kopfhörers.
4. Sicherstellung einer komfortablen Liegeposition des Patienten.
5. Plazieren des i.v. Zuganges wenigstens 10 min vor der Tracerapplikation.
6. Erklärung der Relevanz des Ruhighaltens des Kopfes.
7. Instruktion des Patienten, nicht zu lesen oder zu reden.
8. Keine weitere Interaktion mit dem Patienten unmittelbar vor, während und bis zu fünf Minuten nach der
Injektion.
9. Zur Vermeidung von Parainjektionen des Tracers muß bei unsicherer Lage der venösen Kanüle der venösen
Zugang mittels NaCl vor der Injektion überprüft werden.
10. Kontinuierliche Überwachung dementer Patienten!
11. Patienten mit neurologischen Defiziten benötigen evtl. besondere Behandlung und Überwachung.
12. Der Patient sollte auch auf der Untersuchungsliege nach Möglichkeit fixiert werden.
13. Blasenentleerung vor Beginn der Untersuchung!
Die Punkte 3., 5., 7., 8., gelten nicht für die Anwendung der Tracer 201Thallium-Chlorid, 99mTc-Sestamibi, 111InOctreotid, 68Ga-DOTATOC und 18F-Fluoroethyl-L-Tyrosin. Diesfalls verlangt der Anreicherungsmechanismus der
32
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
Substanzen keine besondere Abschirmung des Patienten vor optischen oder akustischen Reizen und auch
das Intervall zwischen Dosisapplikation und Bildaquisition ist länger und kann je nach Tracer bis zu 2 Stunden
betragen.
d. SPECT
Der Patient wird so positioniert, daß die Kameraköpfe möglichst eng um seinen Kopf rotieren können. Bei
geeigneter Kopfstütze und Abbildung des Kopfes in der unteren Hälfte des Kameragesichtsfeldes ist ein
Rotationsdurchmesser von 28 cm routinemässig möglich. Der Patientenkopf soll nach Möglichkeit so gekippt
werden, dass die Orbito-meatal Linie parallel zu einer Bildmatrixzeile liegt (dies kann man bei seitlicher
Aufnahme am Monitor überprüfen). Um Bewegungsartefakten entgegenzuwirken, soll der Patientenkopf
mit hautfreundlichem Pflaster am Kinn und an der Stirn an der Kopfstütze fixiert werden. Dadurch kann eine
eventuell notwendige, anschließende rechnerische Reangulation, welche die Bildqualität durch ausgiebige
Bildpunktinterpolation verschlechtert, vermieden werden. Für sämtliche SPECT Untersuchungen müssen die
Patienten nicht nüchtern bleiben.
e. PET
Die Patienten müssen sowohl vor Applikation von FDG als auch FET mindestens 4 Stunden nüchtern bleiben,
um den cerebralen FDG-Uptake nicht durch die physiologische Glukoseutilisation zu verändern bzw. um
ernährungsbedingte Schwankungen des Aminosäurestoffwechsels zu vermeiden und die Untersuchungsbedingungen zu standardisieren. Vor der Transferierung des Patienten zum PET-Zentrum zu einer FDG PET soll
der Blutzuckerspiegel bereits stationär oder ambulant von der zuweisenden Klinik bestimmt werden, um eine
eventuell bestehende Hyperglykämie (ab 160 mg/dl) rechtzeitig zu senken. Aus logistischen und zeitlichen
Gründen (kurze Halbwertszeit der Tracer, zeitlich eng festgelegte Untersuchungstermine an der PET-Kamera)
kann die Blutzucker-einstellung nicht im PET-Zentrum erfolgen. BZ-Kontrollen im PET-Zentrum können nur
kurz vor Beginn der Aufnahme und wenn notwendig nach Beendigung der Untersuchung erfolgen.
Der intravenöse Zugang soll 10 Minuten vor der FDG Applikation gelegt werden. Zwischen Verabreichung des
Tracers und Start der Aufnahme soll der Patient zwecks FDG Anreicherung im Gehirn mindestens 30 Minuten
komfortabel in einem abgedunkelten und ruhigen Raum liegen, und nach Möglichkeit nicht sprechen, lesen
oder andere Aktivitäten setzen. Die maximale cerebrale und tumorale Anreicherung von 18F-FET ist nach 15
Minuten erreicht und bleibt dann für längere Zeit stabil, sodass die Aufnahmen optimalerweise im Zeitintervall
15-40 Minuten p.i. durchgeführt werden sollen.
f. Aufnahmemodus PET
1) Vor Beginn der Aquisition muß auf eine exakte Lagerung des Patienten im Gesichtsfeld des Tomographen
einerseits, andererseits auf die richtige Lagerung in den 3 Ebenen geachtet werden. Transaxial sollte die
Einstellung in der (infra-) orbito-meatalen Ebene erfolgen. Eine maximal mögliche bequeme Lagerung sollte
angestrebt werden, und der Patient auf die Notwendigkeit des „Nichtbewegens“ hingewiesen werden. Eine
leichte Fixierung des Kopfes ist vorzunehmen.
2) Für die Transmissionsmessung muß auf eine ausreichend hohe Gesamtzahl der Impulse geachtet werden,
die typischerweise mehr als 100 Mio. Ereignisse beträgt. Die Aufnahmezeiten liegen je nach verwendetem
System und Modus (3D oder 2D) bei 10 bzw. 20 Minuten. Transmissionsmessungen sind für die Schwä-
33
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
3)
4)
5)
6)
chungskorrektur bzw. Quantifizierung notwendig und können vor, oder - sofern vom Untersuchungssystem her möglich - auch nach der Applikation des Radiopharmakons durchgeführt werden.
Die statische Emissionsmessung beginnt 30-40 Minuten nach FDG-Gabe und jeweils nach 15, 30 und 45
Minuten nach FET-Verabreichung. Sequentielle Aufnahmen starten unmittelbar nach der FDG Applikation,
zusammen mit einer arteriellen Aktivitätsbestimmung bzw. einer solchen aus durch lokale Erwärmung
ausreichend arterialisiertem venösen Blut. Im Falle einer Quantifizierung ist eine Datenacquisition bis 6090 Minuten nach Applikation notwendig.
Die Dauer der Aufnahme sollte sich nach der Gesamtzahl der Emissionsimpulse richten. Anzustreben sind
bei der cerebralen FDG PET in Abhängigkeit von Meßsystem und Aufnahmemodus 40-150 Mio. Ereignisse.
Zur semiquantitativen Abschätzung eines Tumorstoffwechsels in einer statischen Emissionsmessung kann
der SUV (Standard Uptake Value) angegeben werden. Eine Transmissionsmessung ist dazu erforderlich. Der
SUV errechnet sich aus der Aktivität in der Läsion, bezogen auf die gesamte injizierte Aktivität zum Zeitpunkt
der Applikation (auch Messung der leeren Spritze erforderlich) und Körpergewicht bzw. Körperoberfläche.
Eine Berücksichtigung der Serum-Glukosekonzentration mittels eines Korrekturfaktors ist möglich. Die
Bestimmung des SUVs erfolgt an Hand einer statischen Emissionsmessung zumindest 30 Minuten p.i. nach
Erreichen eines Speicherplateaus im Bereich der Läsion. Es sollte vor allem bei geplanten Kontrolluntersuchungen immer der gleiche Zeitpunkt zur Bestimmung des SUVs gewählt werden.
Eine absolute Quantifizierung des FDG/Glukosemetabolismus beruht auf der Messung der arteriellen
Inputfunktion der FDG, der Bestimmung des FDG und Glukose Spiegel im Plasma, der applizierten
Gesamtaktivität und der Bestimmung der Körperoberfläche. Weiters muß ein Kalibrierungsfaktor bekannt
sein, der eine Umrechnung der Impulse im PET System (Ereignisse/sec pro Volumselement) und der (im
Bohrlochzähler) gemessenen Aktivitätskonzentration (Ereignisse/sec pro ml) erlaubt. Dies erfolgt mit
Hilfe eines zylindrischen Phantoms mit bekannter Aktivitätskonzentration im Vergleich zu einer Bohrlochmessung dieser Lösung.
g. Aufnahmemodus SPECT
1) Die Aufnahme sollte unbedingt mit einem für hohe Auflösung optimierten tomographischen System
durchgeführt werden. Mehrkopfkameras oder dedizierte Systeme liefern in der Regel bessere Ergebnisse
als Einkopfkameras. Allerdings sind auch mit diesen Systemen, wenn die Untersuchung entsprechend
genau durchgeführt wird, qualitativ relativ hochwertige Aufnahmen produzierbar, wenn auch die Scanzeit
entsprechend verlängert werden muss.
2) Es wird empfohlen, nur hochauflösende oder ultrahochauflösende Kollimatoren zu verwenden. Allpurpose-Kollimatoren sind nicht ausreichend. Als Grundsatz kann gelten, den Kollimator mit der höchsten
Auflösung zu verwenden.
3) Fanbeam oder andere fokusierende Kollimatoren sind den Parallellochkollimatoren vorzuziehen, da sie
eine höhere Auflösung bei höherer Zählrate bieten. Parallellochkollimatoren sind nur bei Acquisition einer
ausreichenden hohen Countzahl akzeptabel.
4) Der kleinst mögliche durchführbare Rotationsradius sollte gewählt werden.
5) Die Datenaufnahme erfolgt immer über eine 360° Rotation. Während der Acquisition werden am besten
Winkelschritte von 3 Grad verwendet. Die Größe der Pixel sollte einem Drittel bis der Hälfte der zu
erwartenden Systemauflösung entsprechen. Dabei kann es erforderlich sein, ein Zoom zu verwenden, um
die erwünschte Pixelgröße zu erreichen. Unterschiedliche Zoomfaktoren können bei Fanbeam-Kollimatoren
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TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
für die x- und y-Dimension angewendet werden.
6) Es ist häufig sinnvoll die Zoomfunktion auszunutzen, wobei sicherzustellen ist, daß das gesamte Gehirn in
das Gesichtsfeld eingeschlossen ist.
7) Bei Multidetektorsystemen ist eine 128 x 128er oder eine größere Matrix erforderlich.
8) Vor Untersuchungsbeginn sollte der Patient die Blase entleeren.
9) In der Regel sind dem Patienten Untersuchungszeiten von ca. 30 min zumutbar.
10) Der Patient sollte mit max. Bequemlichkeit positioniert werden. Minimale Lageabweichungen des Kopfes
können während der Datenverarbeitung bei den meisten Systemen ausgeglichen werden.
11) Eine leichte Fixation des Patientenkopfes ist notwendig, um Bewegungsartefakte zu minimieren. Ein völlige
Bewegungsunfähig des Kopfes ist jedoch durch Fixation nicht zu erreichen, sodass in jedem Fall auch der
Patienten aufgefordert werden muss zu kooperieren.
12) Im Vergleich zur Step-and-shoot-Technik ermöglicht eine kontinuierliche Datenacquisition eine kürzere
Scanzeit bei gleichzeitig verminderter Kameraabnutzung.
13) Die Segmentierung der Acquisitionsdaten in mehrere sequentielle Acquisitionen ermöglicht die Entfernung
von artefaktüberlagerten Daten.
Literatur
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35
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
II. LIQUORRAUMSZINTIGRAPHIE bei MENINGEOSIS NEOPLASTICA (MN)
1. Einleitung
Die Liquorraumszintigraphie erlaubt eine zuverlässige Beurteilung der Liquordynamik sowie der funktionellen
Anatomie der Liquorräume.
2. Prinzip der RN-Liquorflußuntersuchung
Die Durchmischung und Verteilung des radioaktiven Tracers im Liquorraum erfolgt passiv durch die vorhandene
Liquorströmung und kann szintigraphisch dargestellt werden.
3. Zielsetzung
Ziel der Liquorraumszintigraphie ist es Veränderungen der Liquorzikulation zu erfassen.
- Liquorflußverzögerung
- Liquorflußblockade
- Liquorstromumkehr
4. Hintergründe
-
-
-
47% der Patienten mit MN haben eine Liquorzirkulationsstörung, am häufigsten im Bereich der basalen
Zisternen, dem spinalen Subarachnoidalraum in Höhe des Conus medullaris und der Cauda equina oder
über den Konvexitäten (Chamberlain & Corey-Bloom 1991).
Der Nachweis von Liquorzirkulationsstörungen gelingt mit RN-Liquorflußstudien meist besser als mit
konventionellen neuroradiologischen Methoden (Chamberlain 1995a).
111
In-DTPA Liquorflußstudien bei Patienten mit MN prognostizieren die intrathekale Distribution von
Methotrexat und das Ansprechen auf die Therapie (Mason et al. 1998; DeAngelis 1998).
Involved-field-Radiatio im Bereich der Liquorflußblockade führt bei 30% der Patienten mit spinalem
Befall und bei 50% der Patienten mit intrakraniellem Befall zur Wiederherstellung der Liquorpassage. Die
Überprüfung der Durchgängigkeit gelingt am besten mittels RN-Liquorflußstudien (Chamberlain & CoreyBloom 1991).
Empfehlenswert nach Involved-field Bestrahlung wegen Liquorflußblock, zur Überprüfung des Ansprechens
auf die Radiatio.
5. Liquordynamik
Die Applikation des Tracers erfolgt
- intraventrikulär (Ommaya Reservoir) oder
- lumbal
An jedem Punkt von den Produktions- bis zu den Resorptionsstätten des Liquors kann die freie Zirkulation des
Liquors behindert werden, dies äußert sich durch eine veränderte Verteilungsgeschwindigkeit und ein atypisches
Verteilungsmuster des Tracers.
36
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
6. Kontraindikationen
-
Schwangerschaft
Intrakranielle Druckerhöhung
7. Strenge Indikationsstellung:
-
Kinder
Stillende Mütter
Wiederholungsuntersuchung < 3 Monate
8. Durchführung
vor der Injektion des radioaktiven Tracers:
Aufklärung über Risiken der Punktion durch Neurologen/Neurochirurgen:
Kopfschmerzen, Meningitis, Blutungskomplikationen
Aufklärung über die Strahlenbelastung durch den Nuklearmediziner:
Effektive Äquivalentdosis: 0.021 mSv/MBq entsprechend 0.4 mSv
9. Tracer
Radionuklid:
Radiopharmakon:
Dosis:
Indium, HWZ: 67h, Energie: 135, 173, 247 KeV
In-DTPA DiethylenTriamin
T
Triamin
PentaAcetat
18.5 MBq
111
111
10. Applikation des Tracers
Unter sterilen Bedingungen durch Neurologen oder Neurochirurgen. Anschließend flache Lagerung des Patienten
für mindestens 2 Stunden.
11. Bilddatenaquisition
Lumbale Appl.:
2, 6, 24, 48 und ev. 72 Stunden
Ventrikuläre Appl.:
10 u. 30 Minuten, nach 1, 4, 6, u. 24 Stunden
Gammakameras (ADAC Vertex Plus1 und ADAC Argus2)
Teilkörperaufnahmen (gesamte Neuroachse)
Protokoll (ADAC Vertex):
„Liquor GK“
Peaks:
173 und 247 keV, Fensterbreite 20 %,
Matrix:
384x1024, Speed: 10 cm/min
Einzelaufnahmen (Applikationsstellen, Schädel)
Protokoll (ADAC Argus):
„Liquor STATISCH“
Peaks:
173 und 247 keV, Fensterbreite 20 %,
Matrix:
64x64, Counts-gesteuert: 20 kcnts
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TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
12. Interaktionen
Acetazolamid (Diamox®) blockiert das Enzym Carboanhydrase - die Liquorproduktion durch den Plexus choroideus
kann dadurch abnehmen, was zu einer Änderung der Liquorflußdynamik führen kann - falsch-positive RNZisternogramm
13. Nebenwirkungen
sehr selten
Aseptische Meningitis, pyrogene Reaktionen
14. Vorsichtsmaßnahmen
Überprüfung der Nierenfunktion
Renale Elimination des Tracers: nach 24 Stunden sind 65%, nach 72 Stunden 85% ausgeschieden.
16. Aufnahmen des Schädels
38
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
17. Aufnahmen der gesamtem Neuroachse
Literatur
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39
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
III. Ausblick: INTRACAVITÄRE RADIONUKLIDTHERAPIE
Noch nicht im routinemäßigen Einsatz. Interessantes, derzeit noch eperimentells, Therapieverfahren bei
rezidivierendem Glioblastoma multiforme
1. Prinzip
Mit radioaktiv markierten Peptiden wird zuerst mittels diagnostischer Verfahren geprüft, ob im Tumorrezidiv eine
ausreichende Somatostatin-Rezeptor-Expression vorliegt. Für die Therapie wird DOTA-TOC (DOTA-Tyr3-Oktreotid),
das mit 90Y und 177Lu (Betastrahlern) markiert ist, angewendet.
Das verwendete Radioisotop zerfällt unter Aussendung von Beta-Energie. Das Isotop selbst ist an ein Peptid (SSTRAnalogon - Tyr3-Oktreotid bzw. Tyr3-Octreotate) gekoppelt, welches sich nach intracavitärer Applikation in der
Resektionshöhle verteilt und im zeitlichen Verlauf selektiv an SSTR exprimierendes Gewebe bindet. Durch die
hochenergetische Beta-Strahlung wird lokal das Gewebe zerstört.
2. Prätherapeutische Diagnostik und Dosimetrie
Szintigraphie mittels SSTR-Tracer (99mTc-HYNIC-TOC, wenn die Szintigraphie negativ ist, sollte als nächster Schritt
eine Szintigraphie mit 111In-DOTA-Lanreotide durchgeführt werden).
Cerebrales MRT zur Bestätigung der Läsionen und Volumenberechnung für die Dosimetrie.
Dosimetrie mittels 111In-DOTA-TOC oder 68Ga-DOTA-TOC zur individuellen Dosisberechnung.
3. Therapie
90Y-DOTA-TOC wird vom Neurologen/Neurochirurgen unter sterilen Bedingungen via Reservoir intracavitär
injiziert.
Die Therapie wird unter vorübergehender Erhöhung der Kortison-Dosis und antiepileptischer Therapie
durchgeführt.
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Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
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TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren
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[177Lu-DOTA0,Tyr3]octreotate. J Clin Oncol 22(13):2724-9
Verfasser: Ass. Prof. Dr. Eveline Donnemiller
Univ.-Klinik für Nuklearmedizin, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: +43/512/504-22662
Fax: +43/512/504-22683
E-mail: [email protected]
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TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Bildfusion
Bildgebende Diagnostik bei Hirntumorerkrankungen: Bildfusion
I. Einleitung
Prinzipiell können zwei verschiedene Arten von bildgebenden Modalitäten definiert werden: Anatomische
Modalitäten geben vorwiegend Information über die Morphologie, funktionelle Modalitäten über Metabolismus.
Die Beziehung zwischen anatomischer und funktioneller Information ist von hohem Interesse für die Wissenschaft
und zum Teil auch für die klinische Routine.
Verschiedene bildgebende Modalitäten wie Röntgen, CT, MR, PET, SPECT, Ultraschall etc. basieren auf verschiedenen
physikalischen Prinzipien. Jede Modalität besitzt spezielle Eigenschaften, welche zu einem besseren Verständnis
der Physiologie und der Pathologie der Erkrankung beiträgt.
Viele Patienten mit klinischen Zeichen und Symptomen, die auf einen Hirntumor hinweisen, durchlaufen im Laufe
der Abklärung mehrere bildgebende Modalitäten wie z.B. MRI, CT, SPECT und PET wobei jede dieser bildgebenden
Verfahren eine spezifische Information bieten kann.
CT und MRI ergeben zum Teil komplementäre morphologische Informationen. Zum Beispiel erkennt man
Weichteilstrukturen besser in der MRT, Kalzifikationen und knöcherne Strukturen besser im CT. Zusätzlich ist das
CT eine wichtige Voraussetzung für die Berechnung der Dosisverteilung für die Strahlentherapie.
Nuklearmedizinische Methoden (PET/SPECT) bieten Information über Funktion (z.B. Proliferationsstatus mit
201
Tl oder Rezeptorstatus mit Somatostatin-Analoga) und Metabolismus (z.B. Glukoseaufnahme beim 18FDGPET). Funktionelle Bildgebung erlaubt in vielen Fällen eine Differenzierung zwischen metabolisch aktivem und
inaktivem (z.B. Nekrose) Gewebe. Üblicherweise extrahiert der Radiologe wichtige Information aus den Bilddaten
und interpretiert diese entsprechend seinem Wissensstand. Verschiedene 3D Bilddatensätze werden üblicherweise
am Alternator oder im PACS Seite an Seite abgebildet. Für den Arzt stellt eine mentale Fusion der verschiedenen
Bilddaten eine große Herausforderung dar.
Verschiedene Datensätze unterscheiden sich meist in unterschiedlicher Skalierung, Orientierung und Position.
Dies erfordert einen Integrationsprozess für die korrekte räumliche Beziehung der verschiedenen Datensätze.
Dieser Prozess wird als Registrierung bezeichnet.
In den letzten Jahren brachten Entwicklungen auf dem Computer- und Softwaresektor neue Möglichkeiten auf
dem Gebiet der Bildfusion. Speziell im Kopfbereich wird die Bildfusion für Strahlentherapieplanung, OP-Planung,
anatomisches Mapping von Hirnfunktionen, und Monitoring des Ansprechens auf die Therapie bereits erfolgreich
angewendet.
Nach Registrierung ist ein Fusionsschritt für die integrative Darstellung der Bilddaten erforderlich1. Multimodale
Bildgebung ist eine Synthese von diesen verschiedenen Modalitäten zu einem zusammengesetzten Bild.
Insbesondere für das Therapiemonitoring - für die Verifikation von morphologischen und funktionellen
Veränderungen im Laufe der Zeit - ist neben der multimodalen Registrierung auch die monomodale Registrierung
sehr wichtig.
Zusätzlich können auch Unterschiede zwischen einzelnen Individuen und Populationen untersucht werden.
43
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Bildfusion
II. Methoden der Bildregistrierung
Exzellente Reviews über die Bildfusion von medizinischen Daten wurden von van der Elsen2, Maintz und
Viergever1 und Hanjal et al.3 publiziert. Gemäß Maintz und Viergever kann die Art der Registrierung in extrinsische
und intrinsische Bilddaten-basierte und nicht-Bilddaten-basierte Registrierung eingeteilt werden. Extrinsische
Registrierung bezieht sich auf externe Referenzpunkte, die in den abgebildeten Raum an – in Relation zur Patientenanatomie - jeweils identischer Stelle eingebracht werden. Diese Referenzstrukturen werden entweder invasiv
oder nicht-invasiv am Patient angebracht. Im Gegensatz dazu beziehen sich intrinsische Verfahren lediglich
auf die Patientendaten an sich und erlauben dadurch eine retrospektive Registrierung. Einzelne anatomische
Landmarken, segmentierte Strukturen oder die Voxel selbst werden für die Registrierung herangezogen.
1. Extrinsische Methoden
A. Invasive extrinsische Methoden
Der Goldstandard für die Registrierungsgenauigkeit sind invasive stereotaktische Rahmen, die invasiv am
Patientenkopf unter Lokalanästhesie mittels Schrauben oder Stiften angebracht werden. Diese Rahmen werden
üblicherweise für stereotaktische Neurochirurgie und Radiochirurgie verwendet. Konventionelle Rahmen
müssen in der Zeit zwischen Bildgebung und Therapie am Patientenkopf verweilen, die Patienten sind dadurch
entsprechend lange in Narkose. Invasive Rahmen sind daher nicht für die diagnostische Bildfusion geeignet.
Alternativ dazu können Schrauben als Marker bzw. Markerträger verwendet werden5,6. Mit diesen kann eine
vergleichbare Genauigkeit erzielt werden. Allerdings können sie für den Patienten unangenehm sein und sie sind
aufgrund der Invasivität für diagnostische Abklärung alleine ebenfalls ungeeignet.
B. Nicht-invasive extrinsische Methoden
Um die Nachteile der invasiven Marker zu überwinden, können kostengünstige Hautklebemarker 7,8, der Laitinen
Stereoadapter9 und Gesichtsmasken10-12 verwendet werden. Die Genauigkeit ist durch die Hautverschiebungen
limitiert. Das System von Hauser13, der GTC Localizer14, das Banana Bar system15 und das VBH Mundstück16 beruhen
auf einem individuellen Zahnabdruck des Patienten.
Das VBH Mundstück (Medical Intelligence, Schwabmünchen, Deutschland) wurde ursprünglich für computerunterstützte HNO und neurochirurgische Operationen entwickelt17,18. Es erlaubt eine stabile reproduzierbare
Befestigung eines Referenzrahmens (SIP-Lab Innsbruck Frame, Medical Intelligence Inc., Schwabmünchen,
Germany) mittels eines patentierten individuellen Oberkiefer-Zahnabdruckes, welcher über Unterdruck am harten
Gaumen fixiert wird.
Im ersten Schritt wird ein individuelles VBH Mundstück angefertigt. Während der CT-, MR-, PET- und SPECTUntersuchung trägt der Patient das Mundstück. Der universelle, mit den entsprechenden CT-, MR-, und SPECT
Markern versehene SIP-Labor Referenzrahmen wird jeweils am VBH Mundstück reproduzierbar angebracht. Der
Unterdruck erlaubt eine präzise Repositionierung des Zahnabdruckes mit dem daran befestigten Referenzrahmen
in Relation zum Patientenkopf (Genauigkeit besser als 1 mm16). Die korrekte Repositionierung kann an dem an der
Vakuumpunpe angebrachten Manometer überprüft werden. Falls das VBH Mundstück exakt am harten Gaumen
plaziert wird zeigt das Manometer 0,8 bar Unterdruck an. Eine Fehlplatzierung des VBH Mundstückes führt zum
Einstrom von Luft in das System mit einem daraus resultierenden Abfall des Unterdrucks, der am Manometer
44
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Bildfusion
ablesbar ist, d.h. die Repositionierungsgenauigkeit kann durch Verwendung des Unterdrucksystems überprüft
werden. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den Systemen die lediglich auf einem Zahnabdruck basieren
(„Bite block“).
Die verschiedenen Bilddaten werden mittels eines speziellen Softwareprogrammes entweder manuell, semiautomatisch oder automatisch überlagert. Die Fusion basiert auf den auf dem Referenzrahmen angebrachten
modalitätsspezifischen externen Markern, die in allen bildgebenden Verfahren jeweils kugelförmig zur Darstellung
kommen. Im Unterschied zu automatischen Fusionsprogrammen (mutual information basiert) ist die Genauigkeit
der Fusion durch den sogenannten Root Square Mean Error (RSME) quantifizierbar und damit objektivierbar. Die
Bildfusion auf Basis von externen Markern ist insbesondere für Bilddaten mit einer schlechten anatomischen
Auflösung von Vorteil.
Im Rahmen eines einheitlichen Konzeptes können die fusionierten Bilddaten für Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrollen herangezogen werden.
In einer Phantomstudie wurde ein mittlerer RSME für CT-MR Fusion von 1,19 +/- 0,76 mm und für CT-SPECT von
0,45 +/- 0,21 mm erzielt. Die mittlere Genauigkeit der CT-MR Fusion betrug 0,74 +/- 0,26 mm und für CT-SPECT
1,51 +/- 0,98 mm. Bei 30 Patienten wurde ein mittlerer RSME für CT-MR von 1,05 +/- 0,52 mm, und für CT-SPECT
1,15 +/- 0,37 mm erzielt19. Die Bildfusion dauert im Schnitt zwischen 8-10 Minuten pro Patient. Das Einbringen des
VBH Mundstückes dauert pro CT/MR/SPECT/PET Scan ca. 1-3 Minuten.
Die Methode wird derzeit routinemäßig zur Fokussuche bei Patienten mit Epilepsie angewendet (exakte Korrelation
zwischen MR Bildern mit intra-und interiktaler Iomazenil-SPECT Untersuchung).
Diese Methode bietet insbesondere für die Fusion von schlecht aufgelösten SPECT/PET Datensätzen Vorteile
gegenüber anderen Fusionstechniken. Ein neuer Algorithmus erlaubt eine automatische Detektion der
kugelförmigen Marker und damit eine vollautomatische extrinsische Registrierung20.
Der Hauptnachteil dieser Methode ist die schlechte Repositionierungsgenauigkeit bei Zahnlosen. Ein weiterer
Nachteil ist der prospektive Charakter. Die Fusion mit Datensätzen, die nicht mit dem Mundstück angefertigt
wurden erfordert zusätzliche Algorithmen, die auf dem Bildinhalt selbst beruhen (= intrinsische Methoden).
2. Intrinsische Methoden
A. Registrierung auf Basis von anatomischen Landmarken
Die einfachste Methode ist die Verwendung von anatomischen Landmarken. Hierzu werden mehr als drei in
allen zu überlagernden Modalitäten eindeutig auffindbare anatomische Referenzpunkte manuell definiert und
korreliert. Aufgrund der guten anatomischen Auflösung funktioniert diese Methode sehr gut mit CT und MR
Daten. PET Daten und insbesondere SPECT Daten haben eine schlechte anatomische Detailauflösung und eignen
sich daher schlechter für diese Fusionstechnik. Unserer Erfahrung nachlassen sich CT und MR Datensätze mit einer
Genauigkeit von 2-5 mm überlagern. Diese Erfahrung deckt sich mit publizierten Daten3. Die Definition der Marker
sollte von einem erfahrenen Radiologen durchgeführt oder zumindest kontrolliert werden.
B. Oberfächenbasierte Methoden
Die „Head-hat“ Methode von Pelizzari et al.22 basiert auf der Segmentierung der Hautoberfläche aus verschiedenen
Modalitäten. Durch identische Symmetrieachsen kann diese Methode zu hohen Ungenauigkeiten führen. Die
Registrierungsgenauigkeit hängt von der Genauigkeit der Segmentierung ab. Diese ist insbesondere bei SPECT/
PET Daten ungenau.
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TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Bildfusion
C. Voxel-Inhalt basierende Methoden
Mutual information Methoden23,24 basieren auf den Grauwerten ohne vorhergehende Segmentierung. Dabei
wird der gesamte Bildinhalt für die Registrierung verwendet. Diese Methoden funktionieren automatisch und
die Genauigkeit wird nicht durch Segmentierungsschritte oder subjektive Definition von Referenzpunkten
beeinflusst. Die Methode ist bei der Registrierung von CT, MR und PET Daten in der Regel ausreichend genau,
anwenderfreundlich und für die tägliche Routine geeignet. Allerdings wird die Qualität der Registrierung durch
die Auflösung und Artefakte beeinflusst.
SPECT Bilder zeigen die Anatomie oft nur angedeutet und auch die Voxel-basierten Methoden sind von einer
annähernden anatomischen Verteilung der Aktivitäten abhängig. Bei SPECT Datensätzen sind weder anatomische
Landmarken noch Oberflächen präzise definierbar. Die entsprechenden Methoden sind daher nur ungenau.
Das Resultat der Fusion mit anatomischen Daten kann visuell sehr gut kontrolliert werden. Bei einer Fusion mit
PET und insbesondere SPECT ist eine visuelle Kontrolle aufgrund der Unschärfe naturgemäß nur eingeschränkt
möglich, wodurch höhere Ungenauigkeiten nicht auffallen.
3. Gerätebasierte Registrierung (bilddatenunabhängig)
A. Kombinierte PET-CT oder SPECT-CT Scanner
Bilddatenunabhängige Registrierung ist möglich wenn die Koordinatensysteme zweier Scanner zueinander
kalibriert sind. Kombinierte PET/CT oder SPECT/CT Scanner ergeben räumlich zueinander registrierte Bilddaten
von zwei Modalitäten in einer Sitzung.
Anwendung der Bildfusion in der klinischen Routine für Diagnostik und Intervention durch das
interdisziplinäre stereotaktische Interventions- und Planungs Labor (SIP-Lab)
Vor einigen Jahren wurde das Treon Navigationssystem (Medtronic Inc., Louisville, U.S.A.) im interdisziplinären
stereotaktischen Interventions- und Planungs Labor (SIP-Lab) installiert. Das Software Modul „Cranial 4“ erlaubt
eine synergistische simultane Fusion von zahlreichen CT/MR/SPECT/PET Datensätzen basierend auf „paired-point
matching“ von extrinsischen Markern oder intrinsischen anatomischen Markern. Zusätzlich ist ein automatischer
auf „mutual information“ basierter vollautomatischer Algorithmus für die Fusion von CT/MR/SPECT/PET Daten
verfügbar.
B. Ein einheitliches Konzept in der Diagnostik und Therapie von Gehirntumoren
Die Anwendung des VBH Mundstückes für Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle stellt ein neues Konzept
dar, welches derzeit an der Universitätsklinik Innsbruck erprobt wird. Dabei wird bei Patienten mit Verdacht auf
eine zerebrale Raumforderung im ersten Schritt ein VBH Mundstück im SIPLabor angefertigt. Die notwendigen
bildgebenden Untersuchungen werden mittels Mundstück und SIPLab Innsbruck Rahmen durchgeführt und die
Daten werden an das Navigationssystem im SIPLabor geschickt. Die auf Basis der externen Marker fusionierten
Bilddaten dienen als Grundlage für Diagnostik und Therapie. Im Falle einer therapeutischen Notwendigkeit kann
das VBH Mundstück für die nicht-invasive, exakte, reproduzierbare Immobilisation des Patienten während einer
Biopsie, einer Operation oder für Strahlentherapie verwendet werden. Somit dient das VBH Mundstück als Referenzstruktur für alle diagnostischen und therapeutischen Schritte im Rahmen einer Abklärung bzw. Behandlung
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TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Bildfusion
eines Malignoms im Kopfbereich. Einschränkend kann dieses Konzept bei zahnlosen Patienten aufgrund der
unzureichenden Repositionierungsgenauigkeit des VBH Mundstücks nur bedingt zur Anwendung kommen.
Folgende Vorteile ergeben sich durch die Anwendung dieses einheitlichen Konzepts:
a. Bildfusion: Die externen Marker erlauben eine präzise Bildfusion und damit eine exakte Zuordnung der
funktionellen Daten zu anatomischen Strukturen.
b. Biopsie: Der Goldstandard für Hirntumor-Biopsie ist die Stereotaxie. Ein Stereotaxierahmen wird invasiv am
Schädel des Patienten über kleine Metallstifte angebracht. Der Patient wird mit aufgebrachtem Rahmen
gescannt (CT oder MR) und muss aufgrund der fehlenden Repositionierungsmöglichkeit in derselben Sitzung
operiert werden. Im Unterschied dazu können bei Verwendung der minimal-invasiven reproduzierbaren VBH
Kopfhalterung Bildgebung, Eingriffsplanung und Eingriff zeitlich und räumlich getrennt werden, mit dadurch
resultierender Vereinfachung des Ablaufs. Außerdem kann die Anästhesiezeit wesentlich verkürzt werden,
da der Patient lediglich während der Biopsie und nicht während der CT/MR Untersuchung, Eingriffsplanung
und Biopsie anästhesiert wird. Die Genauigkeiten sind im Phantomversuch und in den ersten PatientenAnwendungen mit denen der konventionellen Stereotaxie vergleichbar.
b. Computerunterstützte Operation: Für computerunterstützte Eingriffe wird in vielen Kliniken am Vortag bzw.
am Tag der Operation eine CT-MR Untersuchung mit Hautklebemarkern durchgeführt. Einerseits erlaubt
das VBH Mundstück im Vergleich zu den Hautmarkern eine präzisere Registrierung, andererseits erlaubt die
hohe Repositionierungsgenauigkeit des Mundstücks die Verwendung der diagnostischen CT/MR/SPECT/PET
Daten für die Neuronavigation26. Auf ein zusätzliches Planungs-CT/MR mit Hautmarker am Vortag bzw. am OP
Tag kann verzichtet werden. Zusätzlich erlaubt die Anbringung des dynamischen Referenzrahmens an das
Mundstück eine intraoperative Bewegung des Patienten ohne Genauigkeitsverlust der Navigation.
d. Strahlentherapie27,28: Die Anwendung der VBH Kopfhalterung erlaubt eine genauere Repositionierung des
Patientenkopfes als die Maske und damit eine präzisere Bestrahlung. Durch die Verwendung des für die
Diagnostik angefertigten VBH Mundstückes und die Verwendung der ursprünglichen diagnostischen CT/MR/
SPECT/PET Bilddaten für die Strahlentherapieplanung können Kosten gesenkt werden.
e. Verlaufskontrollen: Das VBH Mundstück wird für CT/MR/SPECT/PET Verlaufskontrolluntersuchungen
verwendet. Die dadurch ermöglichte präzise Bildfusion mit den ursprünglichen Bilddatensätzen erlaubt eine
exakte Verlaufsbeurteilung (z.B. Größenprogredienz von Tumoren, Zu-/Abnahme der funktionellen Aktivität
von Tumoren).
4. Zusammenfassung
Aufgrund der hohen Genauigkeit ist die Fusion mittels VBH Mundstück den anderen Methoden insbesondere
bei der Verwendung von SPECT Aufnahmen überlegen. Ein zusätzlicher Vorteil des VBH Mundstück ist der
universelle Ansatz für die Diagnostik und Therapie. Das Mundstück wird in Innsbruck bereits routinemäßig für die
Strahlentherapie und zum Teil auch für neurochirurgische Interventionen eingesetzt.
Allerdings ist das VBH Mundstück nur bei bezahnten Patienten anwendbar und die Verwendung des Mundstückes
erfordert einen erhöhten logistischen und finanziellen Aufwand. Zusätzlich sind die Voruntersuchungen ebenfalls
nur durch intrinsische Methoden integrierbar. Die intrinsische Methode ist bei der Registrierung von CT, MR und
PET Daten in der Regel ausreichend genau, anwenderfreundlich und für die tägliche Routine geeignet.
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TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Bildfusion
A. Standardisiertes Vorgehen an der Universitätsklinik Innsbruck
Sämtliche Fusionen (intrinsische und extrinsische) werden vom SIP-Labor routinemäßig angeboten bzw.
durchgeführt (SIP-Labor: RTA 80831).
Die Befunde werden im Rahmen der Interdiziplinären Neuroonkologischen Besprechung diskutiert. Referenzbilder
werden in das PACS gestellt.
B. Patienten bei denen die Verwendung des Mundstücks für eine neurochirurgische Intervention / Strahlentherapie geplant ist (absolute KI: fehlende Zähne im Oberkiefer)
Sämtliche diagnostische Untersuchungen werden mit dem VBH Mundstück angefertigt. Die entsprechenden
Bilddaten werden dann mit Hilfe der Marker am Referenzrahmen überlagert. Eventuelle frühere Bilddaten ohne
Mundstück werden mittels intrinsischen Algorithmen (antatomische Marker, mutual information) überlagert.
Im Anschluss können rahmenlos stereotaktische Biopsie, rahmenlos stereotaktische Navigation und externe
Strahlentherapie mittels Mundstück durchgeführt werden.
C. Patienten bei denen die Verwendung des Mundstücks für eine neurochirurgische Intervention / Strahlentherapie (noch) nicht geplant ist
Die Bildfusion erfolgt intrinsisch (anatomisch, mutual information)
Die Biopsie erfolgt mittels eines invasiven stereotaktischen Rahmens
Die rahmenlose Stereotaxie erfolgt auf Basis von Hautmarkern oder einschraubbaren Markern
Die Lagerung für die Strahlentherapie erfolgt mittels thermoplastischer Maske.
Aufgrund der in den meisten Fällen ausreichenden Präzision der intrinsischen Registrierung ist die Anwendung
des Mundstücks für Follow-up Untersuchungen nicht erforderlich.
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49
TAKO - Neuroonkologie
Bildgebende Diagnostik: Bildfusion
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Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Reto Bale
Radiologie I, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: +43/512/504-80540
Fax: +43/512/504-22758
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50
TAKO - Neuroonkologie
Stereotaktische Biopsie
Stereotaktische Biopsie zerebraler Raumforderungen
I. Einführung
Stereotaxiesysteme ermöglichen intrazerebrale Strukturen/Prozesse jeder Lokalisation mit großer Genauigkeit
über eine Bohrlochtrepanation zu erreichen, um eine Gewebsprobe zu entnehmen (einen Abszeß oder ein
Hämatom zu drainieren oder einen radioaktiven Strahler (Seed) oder Elektroden zu plazieren). Auf Grund des
geringen Durchmesser der Instrumente (1.1 – 2.5 mm) ist eine Schädigung funktionellen Hirngewebes minimal.
II. Stereotaktische Systemtypen
Stereotaktische Apparate sind Rahmen, die fest am Schädeldach der Patienten fixiert sind. Sie sind maximal
verwindungs- und dislokationsstabil. Mit dem Rahmen und den darauf befestigten Lokalizern erfolgt eine stereotaktische Bildgebung, deren Ziel darin besteht den dreidimensionalen Raum innerhalb der Lokalizerplatten und
des stereotaktischen Grundringes möglichst präzise darzustellen. Dadurch wird aus dem Bilddatensatz ein dreidimensionaler stereotaktischer (kartesischer) Datensatz, indem jeder Punkt einer X, Y und Z Koordinate zugeordnet
werden kann. Optimal ist, wenn für eine stereotaktische Biopsie ein Eintrittspunkt und ein Zielpunkt im Gehirn
definiert ist, da hierdurch der Weg durch das Gehirn visualisiet werden kann und somit Gefahren (Gefäße) vor der
Durchführung der Operation erkannt werden können. Wir unterscheiden heutzutage nur noch zwischen zwei
verschiedenen Systemtypen:
Systemtypen Lineare Systeme (Eintrittspunkt und Zielpunkt müssen definiert sein. Eine Änderung
der Einstellung während der Operation bedarf einer Neuberechnung der gesamten Operation am Planungsrechner). Zielpunktzentrierte Systeme (ein gewählter – und berechneter Zielpunkt - kann über verschiedene
Winkeleinstellungen erreicht werden. Eine Änderung der Einstellung während der Operation ist problemlos
möglich.) In Innsbruck werden bei beiden Systemen die Einstellungen und die Genauigkeit der Instrumente an
einem speziellen Phantom überprüft und somit eine hohe Präzision gewährleistet.
III. Bildgebung
Extraoperativ wird bei allen Patienten ein Planungs-MRI durchgeführt. Dies besteht aus einer 3D-MPRage axial mit
1.2 mm Schichten mit Kontrastverstärkung und einer axialen T2-gewichteten Sequenz („Planungsprotokoll Eisner
Stereotaxie“).
Intraoperativ wird nach Anlage des Stereotaxiegrundringes am Patientenkopf nach fraktionierter Kontrastmittelgabe ein stereotaktisches CCT durchgeführt. Beide Bildmodalitäten werden durch Bildfusion ineinander
übergeführt, sodaß maximale Information über das zu behandelnde Patientenhirn vorliegt. Am Ende der Operation
wird zur Bestätigung der korrekten Biopsie und zum Ausschluß einer operativen Komplikation ein weiteres stereotaktisches CCT durchgeführt. Weitere postoperative Kontrollen bestehen aus MRI Untersuchungen nach dem
„Planungsprotokoll Eisner“, wobei es freisteht zusätzliche weitere Sequenzen durchzuführen.
51
TAKO - Neuroonkologie
Stereotaktische Biopsie
IV. Patientenvorbereitung
Die Differentialdiagnose eines unklaren zerebralen Prozesses mit Kontrastmittelaufnahme ist: hirneigener Tumor,
Metastase, Entzündung, Infektion. Nach Diagnosestellung einer histologisch abklärungsbedürtigen Raumforderung
ist darauf zu achten, daß bei Verdacht auf Vorleigen eines ZNS-Lymphoms präoperativ kein Cortison verabreicht
wird, da dadurch eine konklusive histologische Diagnose erschwert oder gar unmöglich wird.
V. Operation
Die stereotaktische Biopsie ist der häufigste stereotaktische Eingriff und wird im Folgenden exemplarisch
dargestellt. Präoperativ muß in der Operationsaufklärung des Patienten eindeutig darauf hingewiesen werden,
daß es sich hier um einen diagnostischen – und nicht um einen therapeutischen Eigriff handelt (Ausnahme:
Abszess und Hämatom). Der Eingriff kann in Lokalanästhesie und in Intubationsanästhesie durchgeführt werden.
Wir bevorzugen einen Eingriff in Allgemeinanästhesie. Nach Intubation wird der Grundring des stereotaktischen
Apparates am Kopf des Patienten befestigt. Anschließend wird ein stereotaktisches CCT, nach fraktionierter
Kontrastmittelgabe, durchgeführt. Nach Planung der Operation am Planungsrechner wird der Zielpunkt und der
stereotaktische Zielbügel am Phantom eingestellt und die Präzision des Systems überprüft. Anschließend wird
eine kleine Rasur im Bereich des Hautschnittes vorgenommen und nach sterilem Abwaschen in typischer Weise
abgedeckt. Jetzt wird der Zielbügel auf den, am Patientenkopf fixierten, Stereotaxie-Grundring übertragen und
die Stelle des Hautschnittes markiert. Die Haut wird mit Lokalanästhesie unterspritzt, anschließend erfolgt ein 3
bis 4 cm langer Hautschnitt. Mit dem Raspatorium wird die Galea und das Periost zur Seite geschoben und ein
Hautspreitzer eingesetzt. Anschließend wird ein stereotaktisches Bohrloch mit einem am Zielbügel befestigten
Bohrer angelegt, die Dura koaguliert und sternförmig eröffnet. Die Duraränder werden koaguliert und geschrumpft.
Anschließend wird die Arachnoidea koaguliert und eröffnet. Das Biopsieführungsinstrument wird durch die Kortexoberfläche eingebracht und anschließend erfolgt die Durchführung einer stereotaktischen Serienbiopsie bis zum
geplanten Zielpunkt. Anschließend wird Spongostan über das Führungsinstrument eingebracht um die typischen
postoperativen Lufteinschlüsse zur Zielpunktbestätigung zu erhalten. Nach Wundverschluß wird ein stereotaktisches CCT durchgeführt, welches mit der Planung fusioniert wird, um die korrekte Biopsie zu bestätigen und eine
operative Komplikation auszuschließen. Nach Entfernung des Stereotaxierahmen vom Kopf des Patienten werden
die Wunden mit Steristrips versorgt und der Patient auf die Intensivstation oder Überwachungsstation verlegt.
VI. Umgang mit den Biopsaten
Diese werden am OP-Tisch in Formalin gegeben und nicht vorher in NaCl oder Ringerlößung eingelegt, da sonst
Zellen zerstört werden würden. Das Präparat soll sofort formalinfixiert werden.
Literatur
W. Eisner, A. Muacevic. Einführung in die Stereotaxie und Neuronavigation; in Manual Neurochirurgie, HJ. Steiger & HJ Reulen
(eds.); ecomed Verlag, Landsberg; 1999; S. 514-518; ISBN 3-609-51530-9
Textbook of Stereotactic and Functional Neurosurgery, Philip L. Gildenberg & Ronald R. Tasker (eds.), McGraw-Hill (New York);
1996; ISBN 0-07-023604-6
52
TAKO - Neuroonkologie
Stereotaktische Biopsie
Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Eisner
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck
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53
TAKO - Neuroonkologie
Notizen
54
TAKO - Neuroonkologie
Allgemeine Prinzipien der Chirurgischen Therapie
Allgemeine Prinzipien der Chirurgischen Therapie von Hirntumoren
I. Zielsetzung
Hauptaufgabe der chirurgischen Therapie von Hirntumoren ist die Sicherung der histologischen Diagnose und die
Reduktion des durch tumoröse Raumforderungen bedingten Masseneffektes auf vitale Hirnzentren (1). Abhängig
von der Dignität des resezierten Prozesses kommen kurative oder palliative chirurgische Therapiekonzepte zum
Einsatz.
II. Indikation
Die Indikation zur chirurgischen Therapie wird primär durch die Operabilität der Raumforderung, durch eventuell
vorhandene alternative Therapieoptionen (Strahlentherapie, Chemotherapie) und durch die klinische Präsentation
(Allgemeinzustand, Alter ) des Patienten determiniert. Weitere Faktoren bei der chirurgischen Indikationsstellung
sind die Größe der Raumforderung, die zu erwartende Progressionsgeschwindigkeit des Tumors sowie die
eventuell mit dem Tumorwachstum assozierte Entwicklung eines Hydrocephalus. Prinzipiell ergibt sich die
Indikationsstellung umso eher, je ausgeprägter sich die Raumforderung durch die Tumorgröße auf das umgebende
Hirnparenchym entfaltet. Bei großen, hirnverdrängend wirkenden Tumoren kann auf eine chirurgische Therapie
in Abhängigkeit von der Dignität nur bei Vorhandensein von rasch wirksamen Therapieverfahren (z.B. Radio/
Chemotherapie bei Germinomen) verzichtet werden (2).
III. Chirurgische Optionen
In Abhängigkeit von der Resektabilität, der Tumorgröße und der zu erwartenden Dignität stehen der Neurochirurgie
bioptische (offene Biopsie, stereotaktische Biopsie, mikrochirurgische (subtotale/ annähernd totale Resektion) und
radiochirurgische (externe fokusierte Radiochirurgie mit dem Gamma Knife oder dem Linearelektronenbeschleun
iger/interstitielle Radiochirurgie mit stereotaktischer Implantation von radioaktiven Strahlern) Therapieoptionen
zur Verfügung (3,4,5,6).
IV. Chirurgische Instrumente und Apparaturen
1. Operationsmikroskop
Der Einsatz des Operationsmikroskop seit den späten 60iger Jahren des 20. Jahrhunderts revolutionierte die
moderne Neurochirurgie. Die dem Operateur bei maximaler Ausleuchtung des Operationssitus zur Verfügung
stehende, detaillierte visuelle Information gestattete nun komplexeste neurochirurgische Zugangsmodalitäten
bei geringer operativer Morbidität. Heute findet das Operationsmikroskop bei allen Tumoroperationen am
Zentralnervensystem seine Anwendung. Eine Ausnahme bilden Tumoren der Kopfhaut der Schädelkalotte, die
auch makroskopisch sicher entfernt werden können (7).
55
TAKO - Neuroonkologie
Allgemeine Prinzipien der Chirurgischen Therapie
2. Mikrochirurgische Instrumente
Die in der Neurochirurgie zum Einsatz kommenden Präzisionsinstrumente erlauben den Einsatz von Fäden, die
weniger als 20 Mikrometer messen. Je nach Operationsart werden spezifische Operationstassen zusammengestellt,
in welchen die notwendigen Instrumente zusammengefasst sind. Neben Kraniotomieinstrumenten und
Retraktorsystemen werden spezifische Mikroinstrumente (Pinzetten, Scherchen, Messerchen, Nadelhalter,
Dissektoren und Mikrosaugsysteme) verwendet. Weiters kommen Highspeed–Bohrsysteme zum Einsatz.
3. Monopolare und bipolare Koagulation
Zum Durchtrennen von Sehnen, Faszien und Muskelgewebe wird in der Neurochirurgie eine monopolare
Koagulationsmethode verwendet. Hierbei wird zur Schaffung von Zugangswegen zum Schneiden
Hochfrequenzenergie über einen speziellen Stift appliziert (8).
Vaskuläre Strukturen werden mittels bipolarer Koagulation okkludiert, wobei die Energie über eine isolierte
Pinzette aufgetragen eine Kauterisation der Gefäßwände bewirkt (9).
4. Neuroendoskopie
Endoskopische Systeme (starr/flexibel) gestatten den Einblick in Hohlräume des Zentralnervensystems über
minimal invasive Zugänge. Hiermit können im Ventrikelsytem Tumoren entfernt werden. Limitationen dieser
Technik ergeben sich aus Derbheit, Größe und Gefäßreichtum des Tumors (10). Kommt das Endoskop gemeinsam
mit dem Mikroskop zum Einsatz, um mit Hilfe von Winkeloptiken schwer zugängliche Operationsbereiche zu
visualisieren, spricht man von endoskopisch assistierter Mikrochirurgie (11).
5. Neuronavigation und intraoperative Bildgebung
Um einen bestimmten Zielpunkt im Zentralnervensystem unter möglichst geringer Manipulation des Gehirns
direkt zu erreichen, wurden Navigationscomputer zur Zugangsplanung in die Hirntumorchirurgie eingeführt.
Als Grundprinzip für den Einsatz im Operationssaal gilt hierbei die Darstellung der intraoperativen Position von
Instrumenten (z.B. Pointer, Endoskop) auf einem präoperativ gewonnenen, dreidimensionalen Bilddatensatz (CT,
MRT), den man am Navigationscomputer abrufen kann. Besonders beim Aufsuchen von tiefliegenden zerebralen
Raumforderungen erweist sich diese Technik als hilfreich und trägt zur Qualitätssicherung in der Hirntumorchirurgie
bei (12).
Der Forderung nach Ausschluss von Blutungen und Komplikationen sowie die Aktualisierung der NeuronavigationsDaten intraoperativ trug die Entwicklung von Ultraschallgeräten, CT- und MRT-Systemen Rechnung, die im
Operationssaal mit Navigationscomputern gekoppelt werden können (13,14).
V. Neuromonitoring
Zur Überwachung der neuronalen Funktion während einer Hirntumoroperation können elektrophysiologische
Methoden eingesetzt werden. Mittels Stimulation von Hirnnerven oder Hirnarealen können spezifische motorische
Funktionen und Sprachfunktionen überwacht werden, wobei auch hier eine Kombination mit der Navigation
möglich ist (15). Die Verwendung eines elekrophysiologischen Monitorings ist bei jeder Tumoroperation in der
Nähe funktionell kritischer Areale von Nutzen.
56
TAKO - Neuroonkologie
Allgemeine Prinzipien der Chirurgischen Therapie
VI. Schlussfolgerung
Für die chirurgische Behandlung gilt es, unter Einsatz aller notwendigen technischen Hilfsmittel therapeutische
Standards zu erarbeiten, die die Entwicklung von auf den Individualfall zugeschnittenen, differenzierten
Behandlungskonzepten erleichtern.
Literatur
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(7) Kriss TC, Kriss VM. History of the operating microscope: From magnifying glass to microneurosurgery. Neurosurgery (1998)
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(8) Greenwood jr. J. Two point coagulation. A new principle and instrument for applying coagulation current in surgery. Am J
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(9) Malis LI. Bipolar coagulation in micro-surgery. In: Donaghy RMP, Yasargil MG eds. Microvascular surgery. Thieme Stuttgart
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(10) Gaab MR, Schroeder HWS. Neuroendoskopie und endoskopische Neurochirurgie. Nervenarzt (1997) 68:459-465
(11) Matula C, Tschabitscher M, Day JD et al. Endoscopically assisted microneurosurgery. Acta Neurochir (1995) 134 :190-195
(12) Spetzger U, Laborde G, Gilsbach JM. Frameless neuronavigation in modern neurosurgery. Minim Invas Neurosurg (1995)
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(13) Lunsford LD. A dedicated CT system for the stereotactic operating room. Appl Neurophysiol (1982) 45:374-378
(14) Black PMcl, Alexander E, Martin C et al. Craniotomy for tumor treatment in an intraoperative magnetic resonance imaging
unit. Neurosurgery (1999) 45:423-433
(15) Eisner W, Burtscher J,Bale R et al. Use of neuronavigation and electrophysiology in surgery of subcortically located lesions
in the sensorimotor strip. J Neurol Neurosurg Psychiatry (2002) 72:378-381
Verfasser: Dr. Jürgen-Volker Anton
Univ.-Prof. Dr. Klaus Twerdy
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-27452
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TAKO - Neuroonkologie
Notizen
58
TAKO - Neuroonkologie
Radiotherapie-Grundlagen: Perkutane Strahlentherapie
Radiotherapie-Grundlagen: Perkutane Strahlentherapie
I. Allgemein
Die Indikation zur perkutanen Strahlentherapie primärer und sekundärer Hirntumore ist abhängig von der
Histologie und Lokalisation. Meistens wird die Strahlentherapie als postoperative adjuvante Therapie eingesetzt.
Selbst bei kompletter Resektion eines malignen Hirntumors sollte eine Strahlentherapie durchgeführt werden,
da sich das Überleben und auch das symptomfreie Intervall dadurch signifikant verbessern lassen (1). Bei
inoperablen Tumoren, äußerst strahlensensiblen Tumoren (Germinome) und evtl. kleineren singulären Metastasen
(Radiochirurgie) (2) ist eine primäre Strahlentherapie indiziert.
Eine histologische Sicherung der Diagnose vor Strahlentherapie ist obligat. Ausnahme: Hirnmetastasierung bei
bekanntem Primärtumor. Ebenfalls kann bei in Einzelfällen bei Tumoren im Bereich des Hirnstammes, wo die
Gewinnung einer Histologie mit erheblichen Risiken verbunden ist, auf eine histologische Sicherung verzichtet
werden.
Die zu bestrahlenden Zielvolumina und deren Zielvolumendosen sind abhängig von Tumorgröße, Histologie und
Ausbreitungscharakteristik. Die Strahlentherapie wird in der Regel mit ultraharten Photonen an einem Linearbeschleuniger durchgeführt. Um eine akzeptable Reproduzierbarkeit der Patientenpositionierung zu erreichen,
werden im allgemeinen individuell angefertigte Lagerungshilfen (z.B. thermoplastische Masken, Mundstücke, bzw.
Beißblöcke) verwendet. Dadurch können Sicherheitssäume evtl. verkleinert werden, was zu einer Verringerung
des mitbestrahlten gesunden Hirngewebes führt.
Vor der Strahlentherapie sollte eine computergestützte CT-basierte dreidimensionale Bestrahlungsplanung
durchgeführt werden. Dafür wird ein CT des Patienten, in der vorgesehenen Bestrahlungsposition unter
Verwendung der gewählten Lagerungshilfe, angefertigt und dann die individuelle Patientengeometrie in den
Planungsrechner überführt, danach werden die Zielvolumina und die Risikostrukturen markiert. Anschließend
werden mithilfe des Bestrahlungsplanungsrechners die optimale Anordnung der Bestrahlungsfelder und die
individuellen Feldgrenzen definiert.
Bei der Bestrahlung werden die irregulären Feldgrenzen durch individuelle Abschirmblöcke oder durch die
Verwendung eines Multi-Leaf-Kollimators
Leaf-Kollimators realisiert.
Leaf
II. Bestrahlungstechniken
1. Lokalbehandlung
Tumorbett (im MR sichtbarer Tumor) mit Einschluss von Arealen mit möglicher Tumorinfiltration und Berücksichtigung der geometrischen Präzision der Bestrahlungstechnik. Bei Verwendung stereotaktischer Bestrahlungstechniken kann die geometrische Präzision erheblich gesteigert werden, sodass das Planungszielvolumen im
wesentlichen dem klinischen Zielvolumen entspricht.
2. Stereotaktische Bestrahlungstechniken
Der Patient wird in einem stereotaktischen Rahmensystem entweder invasiv (radiochirurgische Einzeitbestrahlung)
oder nicht-invasiv, dann aber mit einer hohen Repositionierungsgenauigkeit (rigide Masken, VBH-Mundtstück;
59
TAKO - Neuroonkologie
Radiotherapie-Grundlagen: Perkutane Strahlentherapie
3), fixiert. In das Rahmensystem sind Markierungen integriert, die in der CT- bzw. MR-Bildgebung als exakte
Referenzpunkte erkennbar sind, danach orientiert sich ein dreidimensionales stereotaktisches Koordinatensystem.
Um eine kongruente exakte Zielvolumendefinition zu erreichen, können CT- und MR-Schnitte überlagert werden.
Das Ziel der stereotaktischen Bestrahlung besteht darin, eine klinisch ausreichende Dosis innerhalb des Tumors
zu applizieren und eine Bestrahlung des normalen Hirngewebes zu minimieren. Die Schonung des umgebenden
Normalgewebes wird bei der Einzeitbestrahlung durch aufwändige Bestrahlungstechniken (Rotationstechniken)
erreicht, während bei der nicht-invasiven Fixation eine fraktionierte Bestrahlung möglich ist, die durch Ausnutzung
von Fraktionierungseffekten das Normalgewebe zusätzlich schont.
3. Ganzhirnbestrahlung
Die Bestrahlung des ganzen Gehirns mit zwei seitlichen Gegenfeldern ist bei malignen Systemerkrankungen
(lymphoblastische Leukämien), primären Lymphomen des ZNS und - mit palliativer Indikation - bei multiplen
Hirnmetastasen indiziert. Aufgrund des großen Zielvolumens ist die Zielvolumendosis, abhängig von der
Einzeldosis, limitiert. In der Regel werden 40 Gy Zielvolumendosis mit einer Einzeldosis von 2 Gy (5 X wöchtl.)
appliziert (4,5). Bei kleinzelligen Bronchuscarcinomen ohne nachweisbare Hirnmetastasen, die sich nach der
Chemotherapie in kompletter Remission befinden, ist eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung mit einer
reduzierten Zielvolumendosis von 30 Gy indiziert (6).
4. Bestrahlung des gesamten Liquorraums:
Das Gehirn und der Spinalkanal werden bei Tumoren mit spinaler Aussaat (Medulloblastom, Keimzelltumoren,
PNET, Pinealistumoren und Ependymom) bestrahlt. An die zwei opponierenden Ganzhirnbestrahlungsfelder
wird ein von dorsal einstrahlendes Bestrahlungsfeld für den Spinalkanal angeschlossen. Reicht die mögliche
Feldlänge nicht aus den ganzen Spinalkanal einzuschließen, dann muss ein zweites Feld caudal angefügt werden.
Die notwendigen Feldanschlüsse müssen so geplant sein, dass es einerseits zu keinen Unterdosierungen aber
auch nicht zu Überdosierungen kommt. Voraussetzung ist auch hierbei eine exakte Patientenpositionierung unter
Verwendung von Lagerungshilfen (Body Fix, Bauchlagenschale) und eine rechnergestützte CT-Planung.
III. Nebenwirkungen und Strahlenfolgen
Bei der Bewertung der Strahlentoleranz des Gehirns sind die Größe des bestrahlten Volumens, die Fraktionierung
und die Höhe der Einzel- bzw. Gesamtdosis zu berücksichtigen. Beim Erwachsenen ist eine tägliche Einzeldosis
von 1,8-2,0 Gy an fünf Tagen pro Woche ein bewährtes Vorgehen. Die Gesamtdosis richtet sich nach der Grunderkrankung und der Größe des zu bestrahlenden Areals, mittelgroße Volumina können mit bis zu 60 Gy bestrahlt
werden. Gesamtdosen über 60 Gy erhöhen das Risiko für radiogen bedingte Veränderungen am gesunden
Hirnparenchym.
Radiogene Folgen einer ZNS-Bestrahlung können endokrinologische, neuropsychologische und intellektuelle
Funktionen betreffen. Die Symptome im Falle einer Schädigung sind von der Lokalisation und dem betroffenen
Volumen abhängig. Entscheidend für die Vermeidung von Spätschäden ist die Verwendung niedriger Einzeldosen
(7). Die Spätschäden, die erst nach Monaten oder Jahren auftreten können, sind im Gegensatz zu akuten Begleiterscheinungen in der Regel nicht reversibel. Bei der Bestrahlung von Kindern ist die verminderte Strahlentoleranz
60
TAKO - Neuroonkologie
Radiotherapie-Grundlagen: Perkutane Strahlentherapie
des sich noch entwickelnden Gewebes zu berücksichtigen. Daher sollten erhöhte Einzeldosen vermieden werden
und die Gesamtdosen müssen dem Reifungsgrad des Gehirns angepasst werden (8).
Literatur:
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Verfasser: OA Dr. Meinhard Nevinny
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel: 0043-512-504-22801
Fax: 0043-512-504-22812
E-mail: [email protected]
OA Dr. Thomas Auberger
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel: 0043-512-504-22801
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TAKO - Neuroonkologie
Notizen
62
TAKO - Neuroonkologie
Radiotherapie-Grundlagen: Radiochirurgie und Interstitielle Strahlentherapie
Radiotherapie-Grundlagen:
Radiochirurgie und Interstitielle Strahlentherapie
I. Einleitung
Seit den 50-iger Jahren des letzten Jahrhunderts besteht der Therapieansatz intrazerebrale Raumforderungen,
wie hirneigene Tumore, Metastasen, Menigeome und Neurinome, durch eine fokusierte Bestrahlung perkutan
und durch eine Bestrahlung des Gewebes durch einen implantierten Strahler zu behandeln. Es haben sich hierzu
die Stereotaktische Konvergenzbestrahlung, die auch Radiochirurgie genannt wird, und die Brachytherapie mit
Jod125 Seeds als interstitielle Strahlentherapie etabliert. Beide Methoden benötigen eine hochpräzise Lokalisation
von zerebralen Strukturen. Aus diesem Grund bedient man sich der Stereotaxie. Stereotaktische Apparate sind
Rahmen, die fest am Schädeldach der Patienten fixiert sind. Sie sind maximal verwindungs- und dislokationsstabil. Mit dem Rahmen und den darauf befestigten Lokalizern erfolgt eine stereotaktische Bildgebung, deren Ziel
darin besteht den dreidimensionalen Raum innerhalb der Lokalizerplatten und des stereotaktischen Grundringes
möglichst präzise darzustellen. Dadurch wird aus dem Bilddatensatz ein dreidimensionaler stereotaktischer
(kartesischer) Datensatz, indem jeder Punkt einer X, Y und Z Koordinate zugeordnet werden kann. Dadurch
können Strukturen in ihrer räumlichen Anordnung geometrisch definiert werden. Dies ist die Grundlage dafür,
daß ein exakter Bestrahlungsplan erstellt werden kann.
II. Stereotaktische Konvergenzbestrahlung mit Linearbeschleuniger
1. Indikationen
cerebrale Metastasen, weniger als vier, Durchmesser unter 35 mm
Meningeome
Akustikusneurinome (Schwannome des Kleinhirnbrückenwinkels)
Hämangioblastome
Plexuspapillome
2. Umschließende Isodosen (80% Isodose):
18 -20 Gy bei Metastasen
12 bis 14 Gy bei Akustikusneurinomen
je nach Lage und Bezug zu Risikoorganen (N. opticus) zwischen 12 und 18 Gy bei Meningeomen
63
TAKO - Neuroonkologie
Radiotherapie-Grundlagen: Radiochirurgie und Interstitielle Strahlentherapie
III. Interstitielle Strahlentherapie (Brachytherapie):
1. Indikationen
niedermaligne Gliome (z.B. Astrozytome WHO Grad II) mit einem Durchmesser unter 40 mm (inklusive Ödemzone
in der T2 gewichteten MRT), Permanentimplantation
2. Dosis
50-70 Gy Tumorranddosis
3. Anwendungstechnik
Jod125 Seeds mit 1,5 mm Durchmesser und 4,5 mm Länge werden in einem speziellen Kathetersystem so
angeordnet, daß die Geometrie der Pathologie mit dem Strahlungsfeld übereinstimmt.
IV. Bildgebung
Extraoperativ wird bei allen Patienten ein Planungs-MRI durchgeführt. Dies besteht aus einer axialen 3D-MPRage
Sequenz mit 1,2 mm Schichten mit Kontrastverstärkung und einer axialen T2-gewichteten Sequenz („Planungsprotokoll Eisner Stereotaxie“).
Intraoperativ wird nach Anlage des Stereotaxiegrundringes am Patientenkopf nach fraktionierter Kontrastmittelgabe ein stereotaktisches cCT durchgeführt. Beide Bildmodalitäten werden durch Bildfusion ineinander
übergeführt, sodaß maximale Information über das zu behandelnde Patientengehirn vorliegt. Am Ende der
Operation wird zur Bestätigung der korrekten Biopsie und zum Ausschluß einer operativen Komplikation ein
weiteres stereotaktisches cCT durchgeführt. Weitere postoperative Kontrollen bestehen aus MRI Untersuchungen
nach dem „Planungsprotokoll Eisner“, wobei es freisteht zusätzliche weitere Sequenzen durchzuführen.
V. Verlaufskontrollen
In 2, 5, 8 und 12 Monaten nach dem Stereotaxieprotokoll
Literatur
Textbook of Stereotactic and Functional Neurosurgery, Philip L. Gildenberg & Ronald R. Tasker (eds.), McGraw-Hill (New York);
1996; ISBN 0-07-023604-6
Freidman WA, Buatti JM, Bova FJ, Mendenhall WM. Linac Radiosurgery, A practical guide; Springer Verlag 1997, ISBN 0-38794698-5
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64
TAKO - Neuroonkologie
Radiotherapie-Grundlagen: Radiochirurgie und Interstitielle Strahlentherapie
Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Eisner
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel: 0043-512-504-27452
Fax: 0043-512-504-27453
E-mail: [email protected]
OA Dr. Meinhard Nevinny
Dr. Thomas Fiegele
OA Dr. Thomas Auberger
Univ.-Klinik für Strahlentherapie, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel: 0043-512-504-22801
Fax: 0043-512-504-22812
E-mail: [email protected]
E-mail: thomas.fi[email protected]
E-mail: [email protected]
65
TAKO - Neuroonkologie
Notizen
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TAKO - Neuroonkologie
Chemotherapie
Chemotherapie von ZNS-Tumoren
I. Generelle Richtlinien
(für spezifische Therapieprotokolle sei auf die Kapitel der speziellen Neuroonkologie verwiesen)
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der Stellenwert der Chemotherapie (ChTh) in der Behandlung primärer und sekundärer ZNS-Tumoren ist immer
noch ein geringerer als jener der chirurgischen Therapie und der Strahlentherapie
dennoch ist in den letzten Jahren die Sichtweise zur ChTh bei Hirntumoren differenzierter geworden und
einige histologische Entitäten wurden als chemosensitiv erkannt (ZNS-Lymphom, oligodendrogliale Tumoren,
Medulloblastome/PNETs, Keimzelltumoren)
bei den malignen astrozytären Gliomen ist der Effekt der ChTh auf das Gesamtüberleben immer noch relativ
gering und wird nach dem prognostischen Profil des Patienten konkomitant zur Bestrahlung � meist mit
Temozolomid in der „First line Therapie“ (Stupp et al. 2005; DeAngelis 2005) - oder seltener erst im Tumorrezidiv
(Parney et al. 2003) eingesetzt
maligne Gliome bieten der ChTh eine Reihe von Besonderheiten:
• das lokale infiltrative Wachstum
• ein hoher Anteil der Gliomzellen befindet sich in der G0-Phase des Zellzyklus
• primär chemoresistente Zellpopulationen
• DNA-Reparaturenzyme, wie die O(6)-Methylguanin DNA Methyltransferase (MGMT) oder ZytostatikaResistenzgene, wie das„Multidrug Resistance (MDR) Gene 1“ reduzieren das Ansprechen von Gliomzellen
auf die ChTh (Tanaka et al. 2001; Hegi et al. 2005)
• der Einsatz entsprechender blockierender Substanzen, wie der MGMT-Inhibitor O(6)-Benzylguanin,
haben bisher noch keine sicheren Erfolge gezeigt (Esteller et al. 2000)
• die Blut-Hirn-Schranke (BHS)
• hohe Lipidlöslichkeit und kleine Molekülgröße sind wichtige Voraussetzungen für eine gute
Liquorgängigkeit
• die Durchlässigkeit der BHS ändert sich unter pathologischen Bedingungen erheblich
• für maligne Gliome gilt, daß die BHS im nekrotischen Kern des Tumors und dem bildgebend sichtbaren
KM-aufnehmenden Tumoranteil praktisch nicht mehr existiert, während sie in der Proliferationszone
zum Hirnparenchym intakt ist, sodaß in diesen entscheidenden Randbezirken nur liquorgängige
Substanzen effizient sein können
• als gut liquorgängig gilt bereits, wenn ca. 30% des Serumspiegels im Liquor erreicht werden, sodaß eine
hohe systemische Toxizität in Kauf genommen werden muß um wirksame Liquorspiegel zu erreichen
häufigste ChTh-Applikationsform bei Hirnparenchymtumoren ist die systemische Gabe, peroral oder iv
Hochdosis-ChThen mit Stammzelltransplantation haben sich - zumindest bei Erwachsenen - bislang als zu
toxisch erwiesen (Lungenfibrosen und nekrotisierende Hepatopathien)
Ansätze, durch eine intraarterielle ChTh dieser Organtoxizität zu entgehen, waren nicht erfolgreich, da
Nitrosoharnstoffe - in hohen Dosen intraarteriell verabreicht - eine beträchtliche Neuro- und Retinatoxizität
aufweisen
die kurzfristige Erhöhung der Permeabilität der BHS durch intraarterielle Gabe hyperosmolarer Substanzen
hat die Wirksamkeit nicht-lipophiler ChTh nicht verbessern können und ist mit einer hohen Toxizität belastet
(Zunkeler et al. 1996)
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TAKO - Neuroonkologie
Chemotherapie
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•
neue experimentelle Daten zur Interaktion von Glucokorticoiden und Chemotherapeutika zeigen, daß
die ChTh unter gleichzeitiger Steroidgabe ineffizienter sein dürfte, indem die BHS durch Steroide weniger
durchlässig für Chemotherapeutika wird. Daher versuchen wir die Steroidmedikation unmittelbar nach oder
noch während der Strahlentherapie auszuschleichen, wenn parallel zur Strahlentherapie die ChTh begonnen
wird
in den letzten Jahren wurden potentielle Interaktionen zwischen Chemotherapeutika und Antiepileptika
erkannt (Friedmann et al. 1999). So sollten Enzym-induzierende Antikonvulsiva, wie Phenytoin und
Carbamazepin, während der Gabe bestimmter Chemotherapeutika - wie Irinotecan – und RezeptorTyrosinkinase-Inhibitoren (Hutterer and Stockhammer 2006) möglichst vermieden werden. Hingegen zeigen
Gabapentin und neue Antikonvulsiva, wie Levetiracetam (Keppra) und Lamotrigin (Lamictal), keine Interaktionen
mit Chemotherapeutika, sodass diese derzeit im Rahmen von Studien für eine mögliche Primärtherapie der
Tumorepilepsie untersucht werden
Versuche durch eine intratumorale Applikation von ChTh der systemischen Toxizität zu entgehen, indem
das Chemotherapeutikum als „slow release“ Präparat in Form eines „drug polymers“ postoperativ in die
Resektionshöhle eingebracht wird und kontinuierlich in das umgebende resttumorhältige Hirnparenchym
diffundiert (z.B. Gliadel), haben in bisherigen Studien nur einen geringen Überlebensvorteil gezeigt (Valtonen
et al. 1997; Westphal et al. 2003). Die intratumorale ChTh konnte sich bisher noch nicht als Standardtherapie
etablieren
innerhalb der Gruppe der Gliome wurden die Oligodendrogliome und oligoastrozytären Mischgliome als
chemosensitivere Tumoren erkannt und eindrucksvolle Remissionen bei Rezidiven nach Ausschöpfen aller
operativen und strahlentherapeutischen Möglichkeiten erzielt, wobei bisher das PCV-Schema - bestehend aus
CCNU, Procarbazin und Vincristin - am besten untersucht und dokumentiert ist (Cairncross et al. 1994)
weiters ist auch ein Wandel in der Therapie des primären ZNS-Lymphoms bei immunkompetenten Patienten
eingetreten. Während noch vor Jahren die alleinige Strahlentherapie nach bioptischer Verifizierung als
„Standardtherapie“ angesehen wurde, ist zwischenzeitlich durch eine zusätzliche hochdosierte systemische
(+/- intrathekale) ChTh eine deutliche Verbesserung der Prognose erzielt worden (Schlegel et al. 2000).
Interessanterweise haben sich die „klassischen Lymphom-Therapieschemata“ (etwa das CHOP-Schema) bei
ZNS-Lymphomen als unwirksam erwiesen, was wiederum die Bedeutung der BHS verdeutlicht. Durch die
zunehmend geringere Morbidität und Mortalität von Hochdosis-ChThen mit Stammzelltransfusion könnte
sich künftig auch bei diesen chemosensitiven Hirntumoren ein neuer Indikationsbereich etablieren
in der pädiatrischen Neuroonkologie ist die ChTh seit Jahren Gegenstand klinischer Studien, um besonders bei
„high risk“ Medulloblastomen und anderen sog. primitiv neuro-ektodermalen Tumoren (PNET) die noch
unbefriedigende Prognose nach alleiniger operativer und strahlentherapeutischer Behandlung zu verbessern
auch in der Therapie der primären intrakraniellen Keimzelltumoren ist die ChTh - anlehnend an etablierte
Protokolle bei primär extrazerebralen Keimzelltumoren - eine wirksame adjuvante Behandlungsform und
könnte es künftig ermöglichen, die Strahlendosis zu reduzieren, um gefürchtete ZNS-Strahlenspätschäden bei
diesen in der Regel langzeitüberlebenden jungen Patienten zu verringern
in der Therapie metastatischer ZNS-Tumoren ist der Einsatz der ChTh in erster Linie abhängig von der
Chemosensitivität des Primärtumors und derzeit nur gesichert wirksam beim Mamma-Karzinom, beim
kleinzelligen Bronchial-Karzinom und bei Keimzell-Tumoren. Die Situation, daß unter Standarddosierungen
mit extrazerebraler Tumorkontrolle trotzdem Hirnmetastasen auftreten können, ist wohl durch eine
Mikrometastasierung „hinter“ eine intakte BHS zu erklären, da idente Regime nach Verlust der BHS mit
68
TAKO - Neuroonkologie
Chemotherapie
•
•
•
bidgebend KM-anspeichernden Läsionen Remissionen dieser Hirnmetastasen herbeiführen können. In
Standarddosierungen penetrieren diese Substanzen nicht ausreichend durch die BHS, sodaß vermutlich
nur Hochdosisregime hier eine zerebrale Mikrometastasierung beherrschen können. Mit Topotecan - einer
Substanz aus der Gruppe der Topoisomerasehemmer – und Temozolomid � ein Alkylans, das in der Therapie
der Gliome eingesetzt wird- stehen nun für Hirnmetastasen interessante Medikamente in klinischer Testung,
da sie gute BHS-Gängigkeit aufweisen und auch bei unterschiedlichen soliden Tumoren Wirksamkeit gezeigt
haben
in der Behandlung der Meningeosis neoplastica stellt die intrathekale ChTh eine spezielle Applikationsform
dar. Vor Beginn einer intrathekalen ChTh ist der Ausschluß einer Obliteration des Liquorraumes bildgebend und
mittels nuklearmedizinischer Methoden erforderlich. Die intrathekale Gabe kann über eine Lumbalpunktion
oder ventrikulär nach Anlage eines Rickham- oder Ommaya-Reservoirs erfolgen. Derzeit kommen nur
3 Substanzen für die intrathekale Therapie zur Anwendung: Methotrexat, AraC und Thiotepa. Eine
Neuentwicklung, die derzeit auch in Österreich klinisch getestet wird und unsere therapeutische Palette für
die intrathekale Therapie bald erweitern könnte, ist die liposomale Depotform von Ara-C, DepotCyteR (Glantz
et al. 1999)
die Verträglichkeit der ChTh hat sich seit der Einführung neuer Antiemetika und des G-CSF deutlich verbessert,
sodaß nach unserer Erfahrung die meisten chemotherapeutischen Behandlungen ambulant durchgeführt
werden können
Zusammenfassend ist die ChTh maligner Hirntumoren immer noch limitiert durch die relative Chemoresistenz
vieler Tumoren und die geringe Liquorgängigkeit der meisten derzeit verfügbaren Substanzen. Mit der
Entwicklung neuer Applikationsmodalitäten und besser liquorgängigen Substanzen werden in naher Zukunft
weitere therapeutische Möglichkeiten praktisch verfügbar sein und bald unser Therapiespektrum erweitern
II. Häufigsten Chemotherapeutika in der Therapie von ZNS-Tumoren
1. Nitrosoharnstoffe (ACNU, BCNU, und CCNU)
lipophile Alkylantien
wichtigsten Nebenwirkungen:
gastrointestinale Beschwerden, Myelotoxizität mit einem späten Nadir nach
4-6 Wochen, für BCNU Gefahr von Lungenfibrosen
2. Procarbazin
lipohiles Alkylans
wichtigsten Nebenwirkungen:
gastrointestinale Beschwerden, allergische und toxische Reaktionen,
insbedondere Hautausschläge können zu einem Absetzen zwingen,
interstitielle Pneumonitis
3. Temozolomid
lipophiles Alkylans
wichtigsten Nebenwirkungen:
gastrointestinale Beschwerden, Myelotoxizität (aber ohne kumulative
Toxizität)
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TAKO - Neuroonkologie
Chemotherapie
4. Podophyllotoxinderivate: Etoposid (VP 16), Teniposid (VM 26)
Toposiomerase-II-Hemmer
in Kombination mit Nitrosoharnstoffen bei malignen Gliomen
VM 26 ist lipohiler und damit ZNS-gängiger
wichtigsten Nebenwirkungen:
gastrointestinale Beschwerden, Mucositis, allergische Reaktionen, Myelotoxizität, Hypotension
5. Topotecan
Toposiomerase-I-Hemmer
Therapie von ZNS-Metastasen des Bronchuskarzinoms
wichtigsten Nebenwirkungen:
gastrointestinale Beschwerden, Stomatitis, Myelotoxizität
6. Irinotecan
Toposiomerase-I-Hemmer
derzeit in klinischer Prüfung bei malignen Gliomen
wichtigsten Nebenwirkungen:
gastrointestinale
Syndrom
Beschwerden,
Myelotoxizität,
akutes
cholinerges
7. Vincristin
Vinca-Alkaloid
hydrophil und damit schlecht ZNS-gängig
Bestandteil des PCV-Schema (mit CCNU und Procarbazin)
soll zu einer Synchronisation im Zellzyklus der Tumorzellen und damit zu einer besseren Wirksamkeit der
beiden Alkylantien führen
wichtigste Nebenwirkung:
kumulative Neurotoxizität mit Polyneuropathie, Cave: Paravasat!
8. Methotrexat
Folsäureantagonist
Therapie des primären ZNS-Lymphoms
intrathekale Therapie der Meningeosis neoplastica
wichtigsten Nebenwirkungen:
Myelosuppression (Folsäure-Rescue), Nephrotoxizität, Neurotoxizität
(Leukoencephalopathie)
auch bei intrathekaler Therapie sind systemische Spiegel messbar und können zu systemischer Toxizität führen
(auch hier Folsäure-Rescue durchführen)
9. Cytosin-Arabinosid
Basen-Analogon
Kombinationstherapie des primären ZNS-Lymphoms
Kombinationstherapie maligner Gliome mit ACNU
intrathekale Therapie der Meningeosis neoplastica – inzwischen auch in liposomaler Form (DepoCyteR) für die
intrathekale Applikation vorliegend
70
TAKO - Neuroonkologie
Chemotherapie
wichtigsten Nebenwirkungen:
bei Hochdosistherapie:
bei i.th. Gabe:
Myelosuppression, gastrointestinale Störungen
akute Neurotoxizität mit reversiblem zerebellärem Syndrom
kumulative Neurotoxizität ? – derzeit noch ungeklärt
10. Platinderivate: Cisplatin, Carboplatin
hydrophile, interkalierende Substanzen
Therapie pädiatrischer Gliome und der Medulloblastome/PNET (zB. „HIT-Protokolle“), Keimzelltumoren
wichtigsten Nebenwirkungen:
Myelotoxizität (vorwiegend Carboplatin), Nephro-, Neuro-, und Ototoxizität
(vorwiegend Cisplatin)
11. Doxorubicin
Anthrazyclin-Derivat
derzeit in pegylierter liposomaler Formulierung (CaelyxR) in der Therapie von Rezidiven maligner Gliome
evaluiert
wichtigsten Nebenwirkungen:
palmoplantare Erythrodysästhesie, Mukositis, Kardiotoxizität (in liposomaler
Form deutlich geringer)
Literatur
Cairncross JG, Macdonald D, Ludwin S, Lee D, Cascino T, Buckner J, Fulton D, Dropcho E, Stewart D, Schold C, Wainman N,
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TAKO - Neuroonkologie
Chemotherapie
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barrier disruption in baboons: an in vivo study using positron emission tomography and rubidium-82. J Neurosurg 84:494502
Verfasser: Univ.-Prof. Dr. GüntherStockhammer
Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-23884
Fax: 0043-512-504-24260
E-mail: [email protected]
Dr. Markus Hutterer
Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-23884
Fax: 0043-512-504-24260
E-mail: [email protected]
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TAKO - Neuroonkologie
Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge
Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge
I. Supportive Therapien
Ziel der supportiven Therapie ist die Behandlung von Symptomen und Krankheitszuständen, welche durch die
Tumorerkrankung selbst oder durch die Therapie der Tumorerkrankung bedingt sind.
1. Hirndruck, Hirnödem
Zunehmende intrakranielle Drucksteigerung führt aufgrund der starren knöchernen Schädelkalotte zu lebensbedrohlicher Einklemmung von Teilen des Gehirns in den Tentoriumsschlitz (tentorielle Herniation) oder ins
Foramen magnum (foraminelle Herniation). Ursache der intrakraniellen Volumenszunahme ist zum einen
das Tumorwachstum selbst (solider Anteil), zum anderen das - häufig beträchtliche - Tumor-Begleit-Ödem.
Das Hirnödem entsteht einerseits vasogen (gestörte Blut-Hirn-Schranke, aktiver vesikulärer Transport durch
Endothelzellen) andererseits zytotoxisch (intrazelluläres Ödem von Astrozyten, Ganglienzellen, Endothelzellen)
durch lokale Hypoxie.
A. Klinische Hinweise auf Hirndruck sind:
Kopfschmerzen (diffus)
Erbrechen (schwallartig, speziell bei Lageänderung)
Bewußtseinsstörung
psychoorganisches Syndrom (Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, Desorientierung, Affektschwankung etc.)
• Stauungspapillen
•
•
•
•
B. Standardtherapie des Hirntumor-Ödems:
• Dexamethason 40 mg i.v. (Bolus), dann Dexamethason 3 (-4 )x 4 (-8) mg i.v./p.o tgl. (unter obligater Magenschutztherapie)
• Glycerin (45 %ig), 20 – 40 ml p.o. 4 bis 6 mal tgl. (aufgrund des unangenehmen süßen Geschmacks sollte es
mit einem Geschmackstoff z.B. Aprikosen-/Zitronen-/Maracujakonzentrat versetzt sein
Niereninsuffizienz zuvor ausschließen
Serum-Elektrolyt und Osmolaritäts-Kontrollen
Rezeptur: Glycerolum 45%, Aprikosenaroma 2%, Aqua dest. 53%, 1 l
• Azetazolamid (Diamox) 500 mg 2x/Woche
• Boswelliasäuren (H15) 3 x 1200 mg tgl. (Streffer et al. 2001)
73
TAKO - Neuroonkologie
Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge
C. bei akuter Hirndrucksymptomatik mit vitaler Bedrohung
•
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Oberkörperhochlagerung (35°)
Dexamethason 40–80 mg als Bolusgabe
Mannitol (20%) 125 ml über 30 min. i.v. alle 4 – 6 Stunden
ev. Intubation und milde Hyperventilation
ev. Furosemid (Lasix) 20-40 mg i.v.
Nach Stabilisierung des Hirnödems schrittweise Reduktion der Steroiddosis (50% der Ausgangsdosis in jeweils 4-5
Tagen), bis zur minimalen Erhaltungsdosis je nach Symptomkontrolle. Eine notwendige Dauertherapie mit Glukokortikoiden kann durch eine orale diuretische Therapie ergänzt werden (Diamox 500 mg 2x/Wo.).
D. Steroid-Therapie: Nebenwirkungen
nicht-n eurologisch
(häufig)
Appetitzunahme
Sehstörung (trüb)
Nykturie, Polyurie
Akne
Ödeme
Lipomatosis
Candidiasis ( oral)
nicht-n eurologisch
(schwerwiegend)
neurologisch
(häufig)
GI-Blutung
GI-Perforation
Osteoporose
aseptische Knochennekrose
Glaukom, Cataract
Hyperglykämie
opportunistische Infektionen
Pankreatitis
Insommnie
Myopathie
Halluzinationen
Tremor
Sehstörung (trüb)
Singultus
Verhaltensstörungen
neurologisch
(selten)
Psychose
epilept . Anfälle
Aguesie
Anosmie
2. Tumor-Epilepsie
Ein erstmaliger epileptischer Anfall im Erwachsenenalter ist in 10-20% auf einen neu diagnostizieren Hirntumor
zurückzuführen. 20-50% der Patienten erleiden im Rahmen ihrer cerebralen Tumorerkrankung epileptische Anfälle
(Glantz et al. 2000).
Man unterscheidet einfach-fokale Anfälle (ohne Bewußtseinsstörung) mit rein motorischen, sensiblen, vegetativen
oder psychischen Sensationen von komplex-fokalen Anfällen mit veränderter Bewußtseinslage („Umdämmerung“)
und motorischen Phänomenen (Nesteln, Zupfen, Schmatzen, Kauen…) und diese wiederum von primär oder
sekundär generalisierten epileptischen Anfällen (mit Bewußtseinsverlust, Grand Mal Anfälle).
A. Die Häufigkeit ist abhängig von:
Histologie:
Oligodendrogliom, Gangliogliom
Astrozytom
maligne Gliome, Meningeom
Metastasen
Lymphom
74
75 %
66 %
50 %
30 %
15 %
TAKO - Neuroonkologie
Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge
Tumorlokalisation:
Andere Ursachen:
Temporallappen >>Frontal- und Parietallappen
Kortexnahe Tumore >> subkortiale Tumore
Zunahme des Hirnödems während der Radiatio
Medikamente (z.B. MTX, Gyrasehemmer, Neuroleptika, Zytokine, Theophyllin)
Elektrolytentgleisungen
In der Therapie der Tumorepilepsie werden (derzeit noch) die klassischen Antiepileptika bevorzugt verwendet:
Carbamazepin, Oxcarbazepin, Valproinsäure, Phenytoin, Clobazepam und wegen der beträchtlichen NW kaum
noch Phenobarbital. Maximal tolerierte und ausdosierte Monotherapie ist Behandlungsstrategie der Wahl. Unter
gleichzeitiger Steroid und/oder Chemotherapie ist Valproinsäure als Mittel der ersten Wahl zu bevorzugen.
Von den „neuen“ Antiepileptika haben sich als „add-on“ Therapie Lamotrigine, Topiramat, Levetiracetam und
Gabapentin bewährt. Der Vorteil liegt in den viel selteneren Medikamenteninteraktionen. In Einzelfällen sind sie
auch wegen des günstigen NW-Profils in der Monotherapie vorzuziehen.
Eine Übersicht über die dzt. verfügbaren Antiepileptika ist über folgenden Link zu finden:
http://www.epilepsie-netz.de/146/Epilepsie-Ratgeber/Antiepileptika.htm
http://www.epileie-netz.de/85/Epilepsie_kompakt/Antikonvulsiva/_Therapieuebersicht.htm
B. Akutbehandlung von epileptischen Anfällen:
• 2 mg Lorazepam (Tavor) i.v.
C. Therapie des Status epilepticus:
• Lorazepam (Tavor) 0,1 mg/kgKG i.v. (2 mg/min.)
falls ohne Erfolg
• Valproinsäure (Convulex) 1000 mg i.v. unter Monitorkontrolle
oder
• Phenytoin (Epanutin) 20 mg/kgKG i.v. (50 mg/min.) unter Monitorkontrolle
falls ohne Erfolg erneut
• Phenytoin (Epanutin) 10 mg/kgKG i.v. (50 mg/min.) unter Monitorkontrolle
falls ohne Erfolg
• Intubation, Beatmung und Thiopental 150–250 mg über 30 Sek. i.v.
• Wiederholung von Thiopental Bolusgaben 50 mg alle 2-3 min. bis zum Sistieren des Status (EEG-Kontrollen)
Eine prophylaktische antikonvulsive Therapie ist bei neu diagnostizierten Hirntumoren nicht indiziert. In
randomisierten, placebo-kontrollierten doppel-blinden Studien konnten durch eine Antiepileptika-Prophylaxe
keine Vorteile im Vergleich zur Placebogruppe nachgewiesen werden.
Eine perioperative Anfallsprophylaxe sollte bei vorbestehender Anfallsfreiheit nach der ersten postoperativen
Woche ausgeschlichen werden (Glantz et al. 2000).
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TAKO - Neuroonkologie
Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge
C. Fahrtauglichkeit von Patienten mit ZNS-Tumoren
Bzgl. der Fahrtauglichkeit von Patienten mit ZNS-Tumoren und deren Beeinträchtigung durch die notwendige
Tumortherapie (z.B. Radiatio, Chemotherapie) liegen derzeit keine Studien vor. Jedoch gibt es Empfehlungen
der internationalen Liga gegen Epilepsie betreffend die Fahrtauglichkeit von Patienten mit epileptische Anfällen
(Schulze-Lohne et al. 2001; Krämer et al. 2000).
Demnach sollten Patienten mit symptomatischen epileptischen Anfällen während der ersten 12 Monate kein
KFZ lenken. Unter ärztlicher Kontrolle, Anfallsfreiheit unter regelmässiger Medikamenteneinnahme und EEGKontrollen ist nach dieser Beobachtungszeit das Steuern eines KFZ möglich und auch juristisch vertretbar.
Wird eine Begutachtung der Fahrtauglichkeit notwendig, so sieht die Fahrerlaubnisverordnung vor, dass ein
fachärztliches Gutachten erstellt wird. Dies erfolgt (von Ausnahmen abgesehen) durch einen Arzt, der den
Patienten bislang nicht betreut hat. Erst wenn dieses Gutachten als nicht ausreichend angesehen werden sollte,
ist eine zusätzliche Begutachtung durch eine medizinisch-psychologische Untersuchungsstelle vorgesehen.
Zur Verbesserung der ärztlichen Kenntnisse wurde der Erwerb einer verkehrsmedizinischen Qualifikation
eingerichtet. Sie ist Voraussetzung für das Erstellen eines behördlich oder gerichtlich angeordneten verkehrsmedizinischen ärztlichen Gutachtens, enthebt den Arzt ohne Zusatzqualifikation jedoch nicht von seiner Aufklärungspflicht zur Fahrtauglichkeit gegenüber den von ihm betreuten Patienten. Ist die Fahrtauglichkeit nicht
gegeben, so muss dies dem Patienten in klarer und eindeutiger Weise gegenüber mittgeteilt werden. Eine Patientenunterschrift über die erfolgte Aufklärung ist nicht notwendig. Grundsätzlich besteht ärztliche Schweigepflicht.
Wie oben erwähnt, besteht keine Meldepflicht gegenüber den Straßenverkehrsbehörden.
D. Fahrtauglichkeit Differenzierte Bewertung des 1. Anfalls bzw. der Epilepsie (Lewrenz 2000)
Fahrpause für PKW:
• Gelegenheitsanfall
• Unprovozierter Anfall
• beginnende Epilepsie
• chronische Epilepsie
3 Monate
6 Monate
12 Monate
24 Monate
3. Thromboembolie
Die meisten Tumorpatienten leiden an einer Koagulopathie. Zirkulierende Fibrinogenspaltprodukte sind bei
Tumorerkrankungen in bis zu 90% nachweisbar. Bei Patienten mit Gliomen besteht eine besonders erhöhte
Thromboemboliegefahr, die höher einzuschätzen ist als das postoperative Risiko bei anderen Erkrankungen.
Wahrscheinlich liegt eine Veränderung spezifischer Gerinnungseigenschaften im Sinne eines paraneoplastischen
Syndroms vor (Schmidt et. al. 2002; Marras et al. 2000).
Zusätzlich bestehen bei Hirntumor-Patienten durch die Immobilität infolge von Paresen in der betroffenen
Extremität ein mangelnder venöser Rückfluß. Vor allem in der postoperativen Phase ist das Thromboserisiko
beträchtlich.
Aufgrund der hohen Thromboseinzidenz bei Gliompatienten sollten allen Patienten die klinischen Kennzeichen
der tiefen Beinvenenthrombose erläutert werden.
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Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge
Als Prophylaxe empfiehlt sich niedermolekulares low-dose-heparin s.c. einmal täglich und/oder das Tragen von
Stützstrümpfen.
Bei Auftreten einer Beinvenenthrombose ab Kniehöhe kann ab dem 4.–5. post-OP-Tag eine Vollheparinisierung
erfolgen, gefolgt von einer oralen Antikoagulantientherapie, entsprechend den üblichen Therapierichtlinien.
Patienten mit primären oder sekundären Hirntumoren weisen unter AK-Therapie bzw. Vollheparinisierung kein
erhöhtes intrakranielles Blutungsrisiko auf (Pruitt et al. 2005). Die Behandlung mit niedermolekularen fraktionierten
Heparinen ist als besser steuerbare Therapie eine gute Alternative zur Antikoagulation mit Marcumar.
Als weitere Alternative zur Thromboembolie-Prophylaxe ist noch die Möglichkeit eines Vena-cava–Schirmes zu
erwähnen. Dies vorbehaltlich bei Patienten, bei denen eine AK-Therapie absolut kontraindiziert ist. Die Pulmonalembolierate ist unter dieser invasiven Prophylaxe mit 12 % weiterhin hoch.
4. Pneumozystis-Prophylaxe
Bei Immunsupression durch die Gliom-Erkrankung bzw. die Tumortherapie (Chemotherapie) und/oder Hirnödemtherapie mit Steroiden besteht eine signifikant erhöhte Gefahr einer opportunistischen Pneumozystis
carinii Infektion (Thomas et. al. 2004). Eine retrospektive Studie in „Non-Aids“-Patienten zeigte, dass bereits 16 mg
Prednisolon über 8 Wochen mit einem signifikant erhöhten Risiko, an einer Pneumozystis carinii Pneumonie (PcP)
zu erkranken, einhergeht (Yale et al. 1996). Ca. 1 % der Hirntumor-Patienten erleiden eine PcP (retrospektive Studie,
John Hokins University
University). Eine PcP Prophylaxe aller Hirntumor-Patienten erscheint zu weit gegriffen, Patienten mit
einem erhöhte Risko zu definieren, wäre zielführender. Bisher ist keine prospektive Studie diesbezüglich verfügbar.
Brauchbar und praktikabel ist die Anlehnung an das Vorgehen bei HIV-Patienten, die eine PcP-Prohpylaxe bei
einem Abfall der CD4 Zellen unter 200/mm3 empfehlen (Mahindra et al. 2003).
Trimethoprim–Sulfamethoxazol ist die wirksamste Therapie einer PcP und wird auch in der Prophylaxe (80/400
mg tgl. oder 160/800 mg 3x/Woche p.o.) als Mittel der ersten Wahl empfohlen. Als Alternative bei TrimethoprimSufamethoxaxol-Unverträglichkeit (Allergie!) kommen Pentamidine Aerosol Inhalationen (300 mg 1 x / Monat)
oder Dapson (50 mg tgl) in Betracht.
5. Schmerz
Bei Patienten mit isolierten Hirntumoren stellen Schmerzen eher selten ein therapeutische Problem dar. Viele
Patienten mit fortgeschrittener systemischer Tumorerkrankung hingegen leiden an Schmerzen. Speziell epidurale
Myelonkompression oder direkte Tumorinvasion in periphere Nerven, Nervenwurzeln oder Nervenplexus führen
zu heftigsten Schmerzsensationen. Aufgrund der Fülle von Schmerztherapie-Literatur sollen hier nur kurz die
wesentlichsten Punkte erwähnt werden:
Schmerzen können in 2 Kategorien unterteilt werden. 1) nociceptiver Schmerz und 2) neuropathischer Schmerz.
Ersterer spricht besser auf Opiate und/oder Nervenblockaden an, während letzterer besser mit Gabapentin,
Pregabalin, Carbamazepin, Clonidin, Baclofen oder auch mit trizyklischen Antidepressiva (Amitryptilin, Imipramin,
Doxepin) zu behandeln ist. Schmerzen bedingt durch Knochenarrosion sprechen am besten auf NSAR an
evtl. in Verbindung mit Metamizol oder Steroiden. Vorsicht bei gleichzeitiger Gabe von NSAR und Steroiden
aufgrund der deutlich erhöhten Gefahr asymptomatischer Ulcera ventriculi (Blutungsrisiko). Bei zunehmender
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Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge
Schmerzsymtomatik sollte entsprechend dem Stufenschema der WHO zusätzlich zu NSAR Codein bzw. Oxycodein
und in der Folge Morphine verabreicht werden. Bei osteolytisch bedingten Schmerzen sind Biphosphonate gut
wirksam. Das therapeutische Ziel ist Schmerzfreiheit zu erzielen.
6. Emesis
Pathophysiologisch erfolgt Erbrechen durch Reizung der Chemorezeptor-Trigger-Zone (CTZ) – Area postrema am Boden des 4. Ventrikels. Dies geschieht zum einen durch direkte lokale Stimulation der CTZ (Medikamente,
Chemotherapeutika, Urämie, Ketoazidose, Tumorinfiltration, Meningeosis neoplastica, lokale Radiatio, Hirndruck –
Verschluß-Hydrocephalus) zum anderen über Afferenzen von irritierten Organen (Magen-Darm-Trakt / Leber über
N. Vagus zu CTZ). Nach Abklärung der Ursache ist eine symptomatische Behandlung mit folgenden Medikamenten
notwendig (falls keine kausale Therapie wie z.B. Ventil-OP beim Verschußhydrocephalus möglich ist).
Bei Erbrechen im Rahmen von akutem Hirndruck infolge eines peritumoralen Ödems sind Steroide sehr effektiv.
Metaclopromid (Paspertin), Perchlorperazin (Dapotum), Levomepromazin (Nozinan) und Haloperidol (Haldol)
wirken über Dopamin-Blockade (Dopamin-Antagonisten) antiemetisch und sind Mittel der ersten Wahl. Als
mögliche Nebenwirkungen sind auf Störungen des Extrapyramidalen Systems (EPMS) im Sinne von Akathisie,
akuter Dystonie und Parkinson-Syndrom zu achten. Weitere therapeutische Möglichkeiten bestehen in der
Anwendung von Antihistaminika oder bei Opiat-bedingter Emesis von Domperidon (Motilium).
5-HT-3-Rezeptor-Antagonisten – Tropisetron (Navoban), Ondansetron (Zofran), Granisetron (Kytril) - wirken über
Serotonin-Blockade antiemetisch und sind in Anbetracht der beträchtlichen Kostendifferenz zu den DopaminAntagonisten nur bei ausgeprägter, therapierefraktärer Emesis zu befürworten. Auch hier sind Störungen des
EPMS in der Literatur beschrieben.
Aprepitant (Emend) – ein Substanz-P-Neurokinin-1-Rezeptorantagonist – ist seit 2004 in der antiemetischen
Prophylaxe bei stark emetogenen Chemotherapien (z.B. Cisplatin) nur in Kombination mit 5-HT-3-Rezeptorantagonisten und Dexamethason zugelassen.
An nicht-medikamentösen Massnahmen sind auch Möglichkeiten der Ernährungs- und Diätberatung zu nennen.
7. Angst, Depression und Insomnie
siehe Kapitel „Psychoonkologische und psychosoziale Begleitmassnahmen bei Patienten mit ZNS-Tumoren“
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Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge
II. Neurologische Rehabilitation
Da viele neuroonkologische Patienten infolge fokaler Ausfälle unter einer Hemiparese, einer Sensibilitätstörung,
einer Gangataxie, Dysarthrie, Aphasie oder unter Schluckstörungen leiden, sollte die meist noch während des
stationären Aufenthaltes begonnene Rehabilitation in Form einer ambulanten Physio- und Ergotherapie sowie
Logopädie fortgeführt werden. Zusammen mit einem kognitivem Training bei neuropsychologischen Defiziten
können diese Maßnahmen dazu beitragen, durch funktionelle Verbesserungen wieder mehr Selbständigkeit zu
erzielen.
III. Nachsorge neuroonkologischer Patienten
Sowohl bei benignen als auch bei malignen Tumoren sind regelmäßige Tumor-Nachsorge-Untersuchungen mit
klinischer und bildgebender (MRT, CT, PET/SPECT) Kontrolle erforderlich, um evtl. Rezidive oder therapiegbedingte
Spätkomplikationen möglichst frühzeitig zu erfassen. Patienten mit benignen Tumoren sollten in jährlichen,
mit semimalignen Tumoren in 6 monatlichen und mit malignen Tumoren in 3 monatlichen Abständen
verlaufskontrolliert werden (klinische Kontrolle mit Bildgebung, Laborkontrolle – Blutbild, LFP, Antiepileptikaspiegel). Spezifische Tumormarker sind bei hirneigenen Tumoren - mit Ausnahme der Keimzell-Tumoren (BetaHCG, Alpha1-Fetoprotein) – nicht relevant.
Vor allem nach Ganzhirn- oder Hypothalamus-Bestrahlung sind zum Ausschluß einer Hypophyseninsuffizienz
endokrinologische Kontrolluntersuchungen notwendig.
Neben der medizinischen Betreuung (Tumortherapie, Nebenwirkungen, Tumorkomplikationen) kommt gerade
bei Patienten mit einer Hirntumorerkrankung der ärztlichen Zuwendung und das einfühlende Verständnis für die
vom Patienten erlebte Angst vor Persönlichkeitsveränderung, vor drohender Behinderung und der Hilflosigkeit
eine immense Bedeutung zu. Was Hirntumorpatienten von anderen Tumorpatienten häufig unterscheidet, ist die
große Angst, im Laufe der Tumorerkrankung nicht mehr „Herr seiner selbst zu sein“. Die Aufklärung des Patienten
und das Einbinden der Angehörigen setzt eine genaue Kenntnis der Grunderkrankung als auch der ZNS-Funktion
voraus. Nur so kann es gemeinsam gelingen, die körperliche und kognitive Behinderung zu kompensieren, sie
ins Alltagsleben zu integrieren und die psychische Belastung dadurch zu vermindern. Differenziertes Auseinandersetzen mit den als bedrohlich erlebten neurologischen Teilleistungsdefiziten und wiederholte Aufklärungsgespräche werden diese Angst für den Patienten reduzieren helfen.
Literatur
Glantz MJ, Cole BF, Forsyth PA, Recht LD, Wen PY, Chamberlain MC, Grossman SA, Cairncross JG (2000) Practice parameter:
anticonvulsant prophylaxis in patients with newly diagnosed brain tumors. Report of the Quality Standards Subcommittee
of the American Academy of Neurology. Neurology 54: 1886–1893
Krämer G (2000) Epilepsie und Führerschein: Neue Begutachtungs-Leitlinien. Akt Neurol 27:90–92
Lewrenz H (Hrsg) (2000) Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen (Mensch
und Sicherheit Heft M115). Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven
Mahindra AK, Grossman SA (2003) Pneumocystis carinii pneumonia in HIV negative patients with primary brain tumors. J
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TAKO - Neuroonkologie
Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge
Marras LC, Geerts WH, Perry JR (2000) The risk of venous thromboembolism is increased throughout the course of malignant
glioma. Cancer 89: 640–646
Pruitt AA (2005) Treatment of Medical Complications in Patients with Brain tumors. Curr Treat Options Neurol 7:323-336
Schmidt F, Faul C, Dichgans J, Weller M (2002) Low molecular weight heparin for deep vein thrombosis in glioma patients. J
Neurol 249: 1409–1412
Schulze-Lohne M, Bauer J (2001) Recht und Epilepsie. Urteile der Rechtsprechung in der BRD zwischen 1952 und 2000.
Nervenarzt 72:782–786
Streffer JR, Bitzer M, Schabet M, Dichgans J, Weller M. (2001) Response of radiochemotherapy-associated cerebral edema to a
phytotherapeutic agent H15. Neurology56:1219-21 Thomas CF, Limper AH (2004) Pneumocystis Pneumonia. N Engl J Med
350:2487-98
Yale SH, Limper AH (1996) Pneumocystis carinii pneumonia in patients without acquired immunodeficiency syndrome:
associated illness and prior corticosteroid therapy. Mayo Clin Proc 71:5-13
Verfasser: OA Dr. Armin Muigg
Univ.-Prof. Dr. GüntherStockhammer
DKS Theresa Kindl
DKS Elisabeth Huber
Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel: 0043-512-504-23909
Fax: 0043-512-504-24260
E-mail: [email protected]
E-mail: [email protected]
E-mail: [email protected]
OA Dr. Gabriele Schauer-Maurer
Univ.-Klinik für Psychiatrie/Psychoonkologie, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel: 0043-512-504-24239
Fax: 0043-512-504-24260
E-mail: [email protected]
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Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
von Patienten mit ZNS-Tumoren
I. Einleitung
Eine neuroonkologische Erkrankung ist wie jede andere Tumorerkrankung für die Betroffenen mit einer Reihe von
psychosozialen Belastungen verbunden. Die psychosoziale Anpassung der Patienten an eine Krebserkrankung ist
individuell unterschiedlich und von sehr unterschiedlichen Faktoren abhängig:
-
der Persönlichkeit, den Vorerfahrungen und der Vulnerabilität des Patienten
der Art und Lokalisation des Tumors
dem Tumorstadium
der Art der Behandlung
den Behandlungsfolgen
den persönlichen Ressourcen zur Bewältigung der Erkrankung (Coping)
den sozialen Ressourcen im Sinne von emotionaler und praktischer Unterstützung aus dem sozialen Netzwerk
(Familie, Freunde, Beruf )
der sozioökonomischen Situation.
Dies bedeutet, dass die psychosoziale Situation des Patienten in das medizinische Behandlungskonzept
miteinbezogen werden muss.
Im Rahmen der Internationalen Konsensuskonferenz „Psychosocial and Psychotherapeutic Support in Cancer
Patients“ wurden 1995 erstmals Richtlinien für die
-
basale psychosoziale Unterstützung von Krebspatienten, welche durch die behandelnden Ärzte, das
Pflegepersonal und sonstiges an der Behandlung beteiligtes medizinisches Personal erfolgen soll
und
professionelle psychosoziale Unterstützung, die in besonderen Fällen zusätzlich nötig sein kann
erarbeitet (Kiss et al. 1995). Diese professionelle psychosoziale Unterstützung durch Psychoonkologen wurde in
den letzten Jahren auch in der Behandlung von Patienten mit neuroonkologischen Erkrankungen zunehmend
bedeutsam.
Die Österreichische Plattform für Psychoonkologie definiert in ihren Leitlinien Psychoonkologie wie folgt:
Die Psychoonkologie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die in Behandlung und Forschung die Psyche und
die sozialen Belange von KrebspatientInnen und deren Bezugspersonen zum Gegenstand hat. Psychoonkologie
arbeitet mit Methoden der klinischen Psychologie und Psychotherapie (verschiedene Schulen), der Gesundheitspsychologie, der Psychiatrie und der Kommunikationswissenschaft. Diese werden spezifisch abgestimmt auf
die unterschiedlichen und wechselnden Bedürfnisse der Betroffenen. Dabei ist eine Anpassung der psychoonkologischen Behandlungskonzepte an die körperliche Befindlichkeit von PatientInnen, an die notwendigen
medizinischen Behandlungen und Rahmenbedingungen erforderlich (Österreichische Plattform für Psychoonkologie 2003).
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TAKO - Neuroonkologie
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
Psychosoziale Interventionen in der Onkologie sind somit auch abhängig vom Stadium der Erkrankung
(Verdachts- bzw. Diagnostikphase, Diagnose, Therapiephase, Nachsorgephase – Rehabilitation/Heilung oder
Progrediente Phase i.S. eines Rezidives oder einer Metastasierung, Palliative Behandlung, Terminales Stadium,
Sterbephase).
II. Besonderheiten der psychosozialen Betreuung in der Neuroonkologie:
Tumorerkrankungen im Bereich des ZNS beeinflussen die zerebralen Funktionen des Patienten per se, aber auch
die multimodale Behandlung kann auf körperliche, kognitive und emotionale Bereiche und Funktionen negativ
einwirken, was in der psychoonkologischen Betreuung speziell berücksichtigt werden muss.
Da nur wenige der neuroonkologischen Erkrankungen kurativ behandelt werden können, spielt die Lebensqualität
des Patienten im Rahmen der Behandlung eine entscheidende Rolle, insbesondere für Tumore aus der Gruppe der
malignen Gliome (Dögel et al. 2004). Hierbei ist das Hauptziel der Therapie, in der verbleibenden Lebenszeit krankheitsbedingte Einschränkungen zu reduzieren bzw. die Funktionen für die Ausführung von täglichen Aktivitäten
aufrecht zu erhalten (MacDonald et al. 2005).
Zur psychischen Belastung bei Patienten mit ZNS–Tumoren gibt es kaum Daten in der Literatur; es gibt - trotz
hoher Prävalenz psychiatrischer Störungen - nur wenige Studien zur Lebensqualität (LQ) und Depression.
So finden Massie et al. bei 44% der untersuchten Tumorpatienten eine organisch bedingte psychische Symptomatik,
bei 26% Anpassungsstörungen und bei 11% eine Major Depression (Massie & Holland 1990). Eine andere Studie
bei neuroonkologischen Patienten zeigte eine noch höhere Depressionsrate von 38%, wobei sich depressive
Symptome als wichtigster Prädiktor für eine schlechte LQ dargstellen (Pelletier et al. 2002). Dass depressive
Verstimmungen eine wichtige Rolle bei der Bewertung der LQ bei Patienten mit primärem Hirntumor spielen,
zeigte auch eine frühere Studie, wobei die Autorin die depressive Symptomatik als Reaktion auf beeinträchtigte
physische und kognitive Leistungen wertete (Giovagnoli 1999).
Neben den nachvollziehbaren adäquaten Anpassungsreaktionen (wie Schockiertheit, Trauer, Wut, Abwehr,
Verdrängung) der Betroffenen, die mit ihrer schwerwiegenden Erkrankung umgehen müssen, finden wir in der
klinischen Routine häufig folgende psychiatrische Störungen:
• Anpassungsstörungen
– kurze (max. 1 Monat) / längere depressive Reaktion (max. 2 Jahre)
– Angst und depressive Reaktion gemischt
• Wiederauftreten oder Verstärkung einer schon bestehenden psychischen Erkrankung (Depression, Angsterkrankung, Psychose,...)
• Schlafstörungen
• Organische psychische Störungen, z.B. in Form von affektiven, wahnhaften/schizophreniformen oder
emotional labilen/asthenischen Störungen auf Grund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns
oder als Therapienebenwirkung (etwa durch Cortison oder Antiepileptika)
• Kognitive Defizite, Dementielle Syndrome
• Persönlichkeitsveränderungen
• Depression
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Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
1. Depression
In der Praxis oft schwierig ist die Unterscheidung zwischen Depression, krankheits- bzw. therapiebedingtem
Fatigue-Syndrom und organisch bedingter psychischer Störung mit depressiver Symptomatik (Wellisch et al.
2002):
Eine Depression drückt sich aus durch gedrückte Stimmung, Interessensverlust, Freudlosigkeit, Verminderung des
Antriebs, verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen,
Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit, negative und pessimistische Zukunftsperspektiven,
Suizidgedanken/-handlungen, Selbstverletzung, Somatisches Syndrom (Schlafstörungen, verminderter Appetit
und Gewichtsabnahme).
Differentialdiagnostisch berücksichtigt werden sollte das bei Tumorpatienten häufige Fatigue-Syndrom
mit Müdigkeit und Erschöpfung: Der Patient fühlt sich müder als normal, Erschöpfung tritt schon bei leichten
Tätigkeiten auf, ja sogar im Zustand der Ruhe. Alltägliche Tätigkeiten, Gehen, Sprechen, Konzentration sind
erschwert, es kommt zu einer Verlangsamung beim Fühlen, Denken und Handeln. Die Symptomatik kann auch
durch ausreichenden Schlaf nicht behoben werden. Eine depressive Anpassungsstörung kann häufig sekundär
entstehen.
Eine organisch bedingte depressive Symptomatik muss ebenfalls in die Überlegungen miteinbezogen
werden.
Daher muss die Diagnostik auf einer Gesamtbeurteilung der Situation beruhen, für die Einschätzung einer
depressiven Symptomatik und eine adäquate (psychotherapeutische, psychopharmakologische und/oder
soziotherapeutische) Behandlung ist eine eingehende biopsychosoziale Anamnese mit Patienten und
Bezugspersonen notwendig.
2. Suizidalität
Es wird häufig die Frage gestellt, ob Krebspatienten ein erhöhtes Suizidrisiko haben. Dazu gibt es in der Literatur
unterschiedliche Einschätzungen. Einige Autoren konstatieren keine erhöhte Suizidrate im Vergleich zur
Normalbevölkerung (Plumb & Holland 1981), andere eine bis zu einer 2-4 fachen Erhöhung (Mann 2002). In einem
Review zu diesem Thema finden sich lediglich sechs als qualitativ gut eingestufte Studien, auch hier variieren die
Einschätzungen (Stenager & Stenager 2000).
Eine norwegische Arbeitsgruppe untersuchte anhand von Daten aus dem norwegischen Tumorregister die
Suizidrate von Krebspatienten für den Zeitraum von 1960 bis 1997. Dabei kommen die Autoren zum Schluss, dass
eine Krebserkrankung einen (von 60 verschiedenen !) Risikofaktor für einen Suizid darstellt, insbesondere kurz nach
Diagnosestellung. Allerdings fanden sie auch eine Verminderung dieses Risikos während des oben genannten
Zeitraums, was in der Diskussion einerseits mit der verbesserten Tumortherapie, andererseits mit dem offeneren
Umgang mit Krebs in Beziehung gesetzt wird (Hem et al. 2004). Dies deckt sich auch mit anderen Untersuchungen,
die zeigen, dass Aufklärung und offene Kommunikation die Suizidrate nicht erhöhen.
Es ist bekannt, dass bei etwa der Hälfte der Menschen, die einen Selbstmord verüben, eine schwere Depression
vorliegt (Guze & Robins 1970). Dies betrifft natürlich auch Patienten mit neuroonkologischen Erkrankungen.
Daneben spielen bei onkologischen Patienten auch ungelinderte Schmerzen als Ursache für einen Suizidversuch
eine große Rolle (Bolund, 1985).
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TAKO - Neuroonkologie
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
Praktisch jeder, der unheilbar Kranke behandelt, wird mit dem Problem von Suizidgedanken und dem Wunsch
nach Beendigung des Leidens konfrontiert. Selbstmordgedanken sind häufig bei Tumorpatienten mit weit
fortgeschrittener inkurabler Erkrankung. Sie scheinen die Funktion eines Ventils zu haben: „Falls es zu schlimm
wird, nehme ich mir das Leben“ (Husebo 2003).
Suizide können verhindert werden, wenn dieses Thema zum richtigen Zeitpunkt angesprochen wird (Breitbart
1994). Spricht der Behandler aus Angst das Problem nicht an, fühlt sich der Patient noch einsamer mit seinen
Gedanken. Es ist bekannt, dass Isolation zu zunehmender suizidaler Einengung führt. Ist ein offenes Gespräch
möglich, dann kann der Patient seine Gedanken äußern, warum er sich – gerade jetzt – das Leben nehmen möchte,
die Situation kann differenziert betrachtet und eine Lösung erarbeitet werden, sei es durch die Linderung dessen,
was das Leben im Moment unwürdig oder unerträglich macht, sei es durch eine verbesserte Schmerztherapie
oder das Miteinbeziehen der Angehörigen oder anderer wichtiger Bezugspersonen. Häufig geben Patienten an,
dass sie nicht länger eine Last für ihre Familie sein möchten, weil sie sehen, wie die Angehörigen mitleiden, aus
diesem Grund möchten sie als Lösung das eigene Leben beenden. Eine gute, professionelle Unterstützung, etwa
durch Verbesserung der ambulanten palliativen Betreuung oder der Aufnahme in ein Hospiz kann den Patienten
deutlich entlasten und seinen Lebenswillen stärken.
3. Schlechte Prognose / schnelle Progredienz
Den Patienten trifft eine Tumorerkrankung oft plötzlich und aus voller Gesundheit heraus, er und sein Umfeld
sind zum Teil schon bei der Diagnosestellung mit einer sehr schlechten Prognose konfrontiert. Hier ist es außerordentlich wichtig, dem Patienten und seinen Angehörigen die nötige Zeit zuzugestehen, um sich neu zu
orientieren. In dieser Phase ist es für den Behandler wichtig, „innerlich einen Schritt zurück zu machen“ und sich an
der momentanen Befindlichkeit des Patienten zu orientieren, „Befund“ und „Befinden“ dürfen nicht gleichgesetzt
werden. Der Wunsch nach Kommunikation über die Diagnose, die Behandlung und Prognose mag individuell
unterschiedlich sein, dennoch wollen mehr als 90% der Krebspatienten offen informiert werden (Cassileth et
al. 1980). Aufklärung sollte als Prozess gesehen werden, in dem man den Patienten begleitet und sich an der
individuellen Bewältigunsstrategie orientiert. Eine offene und einfühlsame Kommunikation ermöglicht dem
Patienten, gut informiert zu wichtigen Entscheidungen zu kommen (Blanchard et al. 1988).
4. Angst
Schwerkranke Patienten haben Angst vor dem Fortschreiten der Erkrankung, vor Schmerzen, Kontrollverlust,
Einsamkeit und vor Verletzung ihrer Integrität und ihrer Autonomie. Meist steht diese Angst in Zusammenhang
mit den medizinischen Problemen, daneben gibt es allerdings zusätzliche Belastungen, die nur indirekt mit der
Krankheit zu tun, jedoch großen Einfluss auf deren Verlauf haben können. Dabei spielen vor allem Verlusterfahrungen (Verluste von Beziehungen, der gewohnten sozialen Funktionen, aber auch Verluste im Körperbild) eine
wichtige Rolle.
Bei Angstsymptomatik sollte der Behandler neben der medizinischen die psychosoziale Situation des Patienten
überblicken und in die Therapieplanung miteinbeziehen. So ist es möglich, die den Ängsten des Patienten
zugrundeliegenden Ursachen (Krankheitsentwicklung, Symptome, Unsicherheit bezogen auf Diagnose, Prognose
und Behandlung, Nebenwirkungen der Behandlung, Informationsmangel, Vorgeschichte des Patienten, familiäre
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TAKO - Neuroonkologie
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
Probleme) zu erkennen und direkt anzusprechen. Dadurch kann meist eine Verminderung der Angst erreicht
werden.
Daneben sollte auch der Einsatz einer anxiolytischen Therapie erwogen werden, je nach klinischem Bild werden
dabei vor allem kurz- bis mittellang wirksame Benzodiazepine eingesetzt, insbesondere wegen ihrer guten
Verträglichkeit und großen therapeutischen Breite. Die Gefahr einer Medikamentenabhängigkeit ist in dieser
Situation kaum gegeben.
Aber auch Neuroleptika oder eine Modifikation der Schmerztherapie können hilfreich sein.
In erster Linie sollte aber bei depressiven oder ängstlichen Anpassungsreaktionen die menschliche und
psychosoziale Betreuung im Mittelpunkt stehen (Husebo 2003).
5. Symptomatische Epilepsie
Anfallsgeschehen und die entsprechende Therapie müssen von ärztlicher Seite ausführlich besprochen werden.
Wichtig dabei ist das subjektive Erleben von Patient und Angehörigen, insbesondere von Kindern, die durch das
(Mit-) Erleben eines Anfalls stark beeindruckt, z.T traumatisiert (Todesangst!) werden können.
Die Angst vor einem Anfall bzw. die Bedeutung eines solchen Ereignisses für das tägliche Leben steht für die
Betroffenen im Vordergrund. Der häufig mit epileptischen Anfällen verbundene soziale Rückzug muss thematisiert
werden. Eine gute Anfallskontrolle ist Voraussetzung dafür, dass Patienten und Angehörige ermutigt werden, ihr
früheres, insbesondere auch gesellschaftliches Leben weiterzuführen. Nebenwirkungen der Anfallsprophylaxe
sollten diskutiert werden, dabei geht es für den Patienten vor allem um die Minimierung unerwünschter Effekte
wie Müdigkeit und kognitiver Einbußen bei bestmöglicher Anfallskontrolle. Dies bestärkt viele Hirntumorpatienten
in ihrem subjektiven Gefühl, „den Tumor unter Kontrolle zu haben“ – unabhängig vom jeweiligen Befund.
6. Sprachliche Defizite/Aphasien
Die Beeinträchtigung der Kommunikation durch sprachliche Defizite erfordert vom Patienten und dessen
Umfeld eine enorme Anpassungsleistung und bedeutet auch für die Behandler eine große Herausforderung. Die
Kommunikation im Arzt-Patient-Kontakt ist stark reduziert, umso wichtiger ist hier die emotionale Zuwendung
und das gemeinsame Bemühen, unter enger Einbeziehung der Angehörigen den Bedürfnissen des Patienten
gerecht zu werden. Besprechungen und Therapieentscheidungen sollten gemeinsam mit dem Patienten erfolgen,
trotz des sprachlichen Defizites ist der Patient der erste Ansprechpartner. Er ist hier in seiner Situation besonders
sensibel dafür, übergangen zu werden, deshalb sollte eine separate Information der Angehörigen vermieden
werden, auch wenn dies vordergründig einfacher zu sein scheint oder weil man glaubt, damit den Patienten zu
schonen. Auf diese Weise untergräbt man das Vertrauen des Patienten – gegenüber seinen Behandlern, und noch
schlimmer - gegenüber seinen Bezugspersonen und vergrößert seine durch die Symptomatik schon bestehende
Isolation.
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TAKO - Neuroonkologie
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
7. Motorische Defizite / Umgang mit Behinderung
Sowohl durch die Erkrankung selbst als auch durch eine Biopsie oder Operation kann es zu motorischen Defiziten
kommen.
Bei letzterem ist sowohl eine entsprechende Aufklärung und Vorbereitung vor der Behandlung als auch eine
nachfolgende Betreuung unumgänglich, da durch ein operationsbedingtes motorisches Defizit das Vertrauen
zum behandelnden Arzt massiv erschüttert werden kann. Kommt es zu einer schwerwiegenden Komplikation,
ist es wichtig, diese – wenn nötig mehrfach - anzusprechen und mögliche Hilfen zu diskutieren. Wird die
Kommunikation vom behandelnden Arzt nach einem Zwischenfall reduziert oder abgebrochen, bedeutet dies für
den Patienten eine enorme Kränkung und kann den gesamten weiteren Krankheits- und Therapieverlauf negativ
beeinflussen.
Eine motorische Behinderung bedeutet für Patienten immer eine Einschränkung in der persönlichen
Lebensgestaltung, heißt auf die Hilfe von außen angewiesen zu sein. Für Hirntumorpatienten ist diese auch eine
ständige Erinnerung an ihre lebensbedrohliche Erkrankung.
Neben psychotherapeutischer Betreuung, die genügend Raum für die emotionalen Reaktionen des Patienten zur
Verfügung stellen, daneben jedoch auch auf die persönlichen Ressourcen des Patienten fokussieren soll, ist hier
ganz praktische Unterstützung für das tägliche Leben notwendig. Eine Beratung durch eine Sozialarbeiterin sollte
immer angeboten werden.
8. Persönlichkeitsveränderungen, kognitive Defizite und Organische psychische Störungen
(„Organisches Psychosyndrom“)
Veränderungen der geistigen Funktionen sind häufig und vielfältig. Patienten können durch unangemessene
Irritierbarkeit, emotionale Labilität, geistigeTrägheit, Vergesslichkeit, Umständlichkeit, durch geringe Eigeninitiative,
Antriebslosigkeit oder unangemessene Schläfrigkeit auffallen. Die Patienten beschreiben sich selbst als schwach
und müde, Angehörige berichten von für sie unerwarteten Veränderungen früherer für den Patienten typischen
Interessen, Vorlieben und Verhaltensweisen.
Andererseits können Patienten dysphorisch, ungewohnt aggressiv und aufbrausend sein.
Kognitive Defizite führen nicht selten zu einer depressiven Anpassungsstörung und schränken die individuellen
Bewältigungsmöglichkeiten ein. Dabei kommt es nicht selten zu paranoiden Reaktionen.
Angehörige können diese Veränderungen der Persönlichkeit oft nur schwer nachvollziehen bzw. einordnen, sie
fühlen sich verunsichert und überfordert. Es kommt zu Beziehungsstörungen, die häufig mit starken Kränkungen
einhergehen.
Hier ist eine gute Aufklärung der Angehörigen über die Ursachen der Symptome notwendig, damit es diesen
möglich wird, Verständnis für Verhaltensstörungen zu haben und diese zu differenzieren.
Angehörige müssen durch psychosoziale Maßnahmen in der Pflege unterstützt werden, vor allem brauchen sie
immer wieder die Bestätigung, dass sie das möglichste für den Patienten tun, und dass es legitim ist, sich Hilfe zu
organisieren.
Eine medikamentöse Behandlung der Verhaltensstörungen sollte auf jeden Fall versucht werden, oft kommt es
dadurch zu deutlicher Erleichterung für Patienten und Angehörige.
Persönlichkeitsveränderungen und Verhaltensauffälligkeiten haben natürlich auch erhebliche Auswirkungen auf
86
TAKO - Neuroonkologie
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
die Arzt-Patient-Beziehung. Die Behandler müssen für Entscheidungen im Krankheits- und Therapieverlauf auf die
Hilfe der Angehörigen zurückgreifen. Dennoch sollte auch bei reduzierten geistigen Fähigkeiten des Patienten
das Bemühen im Vordergrund stehen, zu den notwendigen Entscheidungen zu kommen, auch wenn der Patient
z.B. mit einem detaillierten Aufklärungsbogen zu einer bestimmten Therapie überfordert zu sein scheint.
Solche Gespräche sollten im Beisein einer Vertrauensperson des Patienten stattfinden und benötigen vor allem
Zeit. Die klinische Praxis zeigt, dass es meist möglich ist, mit dem Patienten so zu kommunizieren, dass er sich zu
einer bestimmten Fragestellung äußern und seinen Willen kundtun kann.
Falls es jedoch Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Patienten gibt, sollte ein Facharzt für Psychiatrie beigezogen
werden.
Bei durch die Grunderkrankung bedingter Beeinträchtigung der Geschäftsfähigkeit kann manchmal – auch als
vorübergehende Massnahme - eine Besachwalterung des Patienten angestrebt werden. Dies ist an das zuständige
Gericht zu melden, daraufhin wird eine psychiatrische Begutachtung des Patienten durch einen vom Gericht
bestellten Gutachter durchgeführt. Zu Fragen zur Bestellung eines Sachwalters empfiehlt es sich, den Verein für
Sachwalterschaft zu kontaktieren.
In diesem Zusammenhang ist auch die Testierfähigkeit eines Patienten von Bedeutung. Es liegt in der Verantwortung
des behandelnden Arztes, einen schwer erkrankten Patienten rechtzeitig darauf hinzuweisen, persönliche Belange
zu regeln (Patientenverfügung, Testament).
Kommt es durch die neuroonkologische Erkrankung zu schwerwiegender psychischer Symptomatik (Psychose,
delirante Verwirrtheit) mit Selbst- und/oder Fremdgefährdung, so kann eine Anhaltung in einer geschlossenen
Abteilung notwendig werden:
Gemäß §3 UbG darf nur in einer Anstalt untergebracht werden, wer an einer psychischen Erkrankung leidet und
im Zusammenhang damit sein Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und nicht in
anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann
(Unterbringungsgesetz – UbG, BGBl 155/1990).
Hier ist im stationären Setting der Konsiliarpsychiater, im niedergelassenen Bereich ein im öffentlichen
Sanitätsdienst stehender Arzt (z.B. Sprengelarzt) oder Polizeiarzt hinzuzuziehen.
9. Krebs als „chronische Erkrankung“
Auch in der Neuroonkologie gibt es Tumore mit phasenhaftem Verlauf und zum Teil jahrelangen stabilen Phasen,
in denen Patienten „nur“ zur regelmäßigen MRI-Untersuchung kommen.
Die psychische Belastung durch Kontrollen im Rahmen der Nachsorge beschreiben die meisten Patienten
allerdings als außerordentlich groß. Erinnerungen an Erstdiagnose mit „Retraumatisierungen“, Angst vor einem
Rezidiv und Unsicherheit in bezug auf die Zukunft kommen auch bei Patienten mit stabilen Verläufen vor, dies
sollte vom behandelnden Arzt im Patientengespräch berücksichtigt werden.
87
TAKO - Neuroonkologie
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
III. Psychosoziale Betreuung in der Neuroonkologie:
Für die psychische Betreuung von Krebspatienten werden in den letzten Jahren zunehmend Psychoonkologen
eingesetzt, von ihrer Grundausbildung her meist Ärzte oder Klinische Psychologen mit Psychotherapeutischer
Ausbildung und Fortbildungen im Bereich der Psychoonkologie. Für den Bereich der Neuroonkologie ist eine
Ausbildung zum oder die enge Zusammenarbeit mit einem Psychiater von großem Vorteil.
1. Psychoonkologie im Akutkrankenhaus
Als interdisziplinäres Kooperationsmodell hat sich im Akutkrankenhaus neben dem psychoonkologischen
Konsiliardienst vor allem der Liaisondienst bewährt, der gekennzeichnet ist durch
• Personelle Kontinuität des Psychoonkologen an der jeweiligen Station/Ambulanz
• Interdisziplinäre Besprechungen
• Teilnahme an Visiten
• Patientenbetreuung
• Angehörigenbetreuung
• Intervision, Fortbildung
2. Ziele der psychosozialen Betreuung
•
•
•
aus der Sicht des Patienten:
subjektive Entlastung, Erhaltung/Verbesserung der Lebensqualität
aus Sicht des Umfeldes:
Erhalten der familiären und sozialen Anpassung, dabei steht die Angehörigenbetreuung oft im Vordergrund
(Krisenintervention, Einzel-, Paar- und Familienberatung, Trauerbegleitung)
aus ärztlicher Sicht:
optimale Unterstützung des Patienten, auch im Hinblick auf seine Kooperation für die Abklärung und
Behandlung der Erkrankung
3. Psychosoziale Betreuung bedeutet Unterstützung des Patienten
•
•
•
•
•
•
•
bei der Krankheitsverarbeitung (Coping) in allen Phasen der Erkrankung
zur Bewältigung von Funktionseinschränkungen und Defiziten durch Erkrankung und Therapie
um Strategien zur Symptomkontrolle zu entwickeln
bei psychischer Symptomatik (Angst, Depression)
bei der krankheitsbedingt notwendigen Neuorientierung in Partnerschaft/ Familie/ Freundeskreis
bei der krankheitsbedingt notwendigen Neuorientierung im Beruf/Studium
bei Progredienz der Erkrankung, bei Therapieabbruch, in der palliativen Phase bis hin zur Sterbephase
88
TAKO - Neuroonkologie
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
4. Psychotherapie
Psychotherapeutisches Arbeiten ist der wichtigste Bestandteil der Psychoonkologie, wobei sich die Form der
Behandlung stark von der klassischen Psychotherapie unterscheidet. Psychoonkologen gestalten ihre Betreuung
aktiv und passen sich an die jeweilige krankheitsbedingte Situation des Patienten an, sind in ihrem Setting flexibel
und arbeiten vor allem an den Ressourcen der Patienten. Die Gegenwart steht in der Betreuung im Vordergrund.
Daneben wird auf die persönliche Geschichte und dabei insbesondere auf das individuelle Krankheitskonzept
des Patienten eingegangen, Deutungen werden jedoch vermieden. Psychoonkologen verwenden Techniken der
Krisenintervention und der focussierten Interventionen, längerfristige psychotherapeutische Behandlungen sind
im stationären Setting selten.
Folgende psychotherapeutische Richtungen haben sich in der Psychoonkologie etabliert:
• Supportive Gesprächstherapie
• Verhaltenstherapie
• Psychodynamische Verfahren
• Entspannungstherapie (Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Hypnotherapie)
• Systemische Therapie (Paar-/Familientherapie)
• Kurztherapieverfahren (verschiedene Schulen)
Neben der Behandlung der Patienten hat sich im Bereich der Neuroonkologie besonders die Betreuung der
Angehörigen als wichtiges Arbeitsfeld für Psychoonkologen herausgestellt.
5. Psychopharmakologische Therapie
Psychopharmakologische Massnahmen können notwendig werden bei:
A. affektiven Störungen (depressive, maniforme, dysphorische Symptomatik, affektive Labilität)
Antidepressiva:
-
-
-
Selektive Serotonin-Rückaufnahmehemmer (SSRI´s)
• Citalopram (Seropram) – wenig Interaktionen, auch parenteral zur Verfügung
• Escitalopram (Cipralex)
• Sertralin (Gladem, Tresleen)
• Fluoxetin (Fluctine, Mutan) - cave lange HWZ!
• Paroxetin (Seroxat)
Serotonin/Noradrenalinrückaufnahmehemmer (NASSA)
• Venlafaxin (Efectin)
• Milnacipran (Ixel)
Selektiver Noradrenalinrückaufnahmehemmer (SNRI´s)
• Reboxetin (Edronax)
Heterozyklika, zB:
• Trazodon (Trittico)
Tetrazyklische Antidepressiva
89
TAKO - Neuroonkologie
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
-
Antipsychotika
Tranquilizer
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
• Mianserin (Tolvon)
• Mirtazapin (Remeron, Mirtabene)
Trizyklische Antidepressiva:
• Amitryptilin (Saroten, Tryptizol) – nur mehr niedrigdosiert in der
Schmerzbehandlung zu empfehlen, abgesehen davon sollte heute auf
trizyklische Antidepressiva verzichtet werden!
cave Interaktionen, anticholinerge NW!
Risperidon (Risperdal)
Olanzapin (Zyprexa)
Quetiapine (Seroquel)
Ziprasidon (Zeldox) auch i.m.
Amisulpirid (Solian)
Lorazepam (Tavor, Temesta) kurz wirksam
Oxazepam(Praxiten, Anxiolyt) kurz wiksam
Alprazolam (Xanor) mittellang wirksam
Bromazepam (Lexotanil) mittellang wirksam
Diazepam (Valium, Psychopax) lang wirksam
B. paranoid-halluzinatorischen Symptomen (Wahnideen, wahnhafte Reaktionsbereitschaft, psychotische
Symptomatik)
Antipsychotika:
Tranquilizer:
Risperidon, Olanzapin, Ziprasidon, Quetiapine, Haldol
Lorazepam, Oxazepam – cave paradoxe Reaktion!
C. Verwirrtheit / Deliranter Symptomatik
Antipsychotika:
Risperidon, Olanzapin, Ziprasidon, Quetiapine, Haldol
Tranquilizer:
Lorazepam, Oxazepam – cave paradoxe Reaktion!
Evaluation der bestehenden Medikation, ev. Absetzversuch!
Modifikation der Schmerztherapie
D. Insomnie
Cinolazepam (Gerodorm), Triazolam (Halcion), Brotizolam (Lendorm), Flunitrazepam
(Rohypnol, Somnubene), Zolpidem (Ivadal, Zoldem)
Niederpotente Antipsychotika: Prothipendyl (Dominal), Melperon (Buronil)
cave anticholinerge NW!
Tranquilizer:
E. Angst
Tranquilizer
Neuroleptika
SSRIs
90
TAKO - Neuroonkologie
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
IV. PSYCHOSOZIALE EVALUATION DER NEUROONKOLOGISCHEN
GESAMTBEHANDLUNG: SCHWERPUNKT LEBENSQUALITÄT
1. Lebensqualität als Evaluationskriterium in der Onkologie
Spätestens seit der Ergänzung onkologischer-therapeutischer Zielvorstellungen durch das Konzept
„Lebensqualität“ wurde bio-psycho-soziales Denken in der Onkologie unumgänglich. Im Rahmen der WHODefinition von Gesundheit wird die Lebensqualität als mehrdimensionales Konstrukt beschrieben. Dieses inkludiert
eine physische, eine emotionale, eine soziale sowie eine funktionale Ebene (Ravens-Sieberer & Bullinger 1995).
In der Onkologie wird seit langem das Ziel verfolgt die Lebensqualität des Patienten zu verbessern, jedoch ist es
relativ neu, die Lebensqualität als zu messendes Kriterium in die Evaluation von Therapien oder Interventionen
einzubeziehen (Wasner 2002).
Die Lebensqualitätsforschung verfolgt in der Onkologie verschiedene Ziele. Sie soll die Bewertung von Therapien
nach psychosozialen Kriterien erreichen, als Basis im Entscheidungsfindungsprozess bei konkurrierenden
Therapien helfen und letztendlich der Verbesserung der psychosozialen Versorgung der Patienten dienen (Wasner
2002). Lebensqualitätsstudien erlauben somit Aussagen darüber, welche Patientengruppen von welchen Behandlungsstrategien hinsichtlich ihrer Lebenssituation am meisten profitieren.
Früher wurden in erster Linie Fremdbeurteilungsskalen zur Feststellung des Funktionsstatus als Instrumente zur
Lebensqualitätserfassung verwendet.
Am häufigsten eingesetzt wird nach wie vor die Karnofsky Performance Status Scale zur Beurteilung der
Einschränkung des Patienten in seiner Alltagsbewältigung, dies sowohl in klinischen Studien, aber vor allem auch
in der klinischen Routine als Hilfsmittel für eine prognostische Einschätzung und damit verbundenen Therapieentscheidungen (Schaafsma et al 1994).
Stand derzeitiger Forschung ist, dass die Lebensqualität onkologischer Patienten in erster Linie aus der subjektiven
Sicht des Patienten beurteilt werden muss.
Diesbezüglich sind zur validen und reliablen Messung des Konstruktes ‚Lebensqualität’ standardisierte und
international akzeptierte Fragebogeninventare entwickelt worden (Aaronson et al. 1993, Cella et al. 1993, Osoba
et al. 1997, Greimel et al. 2003). Einer der meist verwendeten Lebensqualitätsfragebogen ist der von der European
Organisation for Research and Treatment of Cancer entwickelte EORTC QLQ-C30 (Aaronson et al. 1993).
Dieser Fragebogen ist modular aufgebaut. Als Basis dient ein Kernmodul für alle Krebsdiagnosegruppen „EORTC
QLQ-C30“ (Aaronson et al. 1993). Dieses beinhaltet 15 Subskalen bestehend jeweils aus mehreren Items: 5 Funktionssubskalen (Physisches Funktionieren, Rollenfunktion, Emotionales Funktionieren, Kognitives Funktionieren,
Soziales Funktionieren), eine Subskala für die globale Einschätzung der Lebensqualität, 8 Subskalen zu Krankheitssymptomen (Fatigue, Schmerz, Erbrechen bzw. Übelkeit, Dyspnoe, Schlafstörungen, Appetitverlust, Verstopfung,
Diarrhoe) und eine Subskala die finanziellen Auswirkungen der Erkrankung betreffend.
Der EORTC QLQ-C30 ist auch für den deutschen Sprachraum validiert und wird in zahlreichen internationalen
Studien im Bereich der Onkologie eingesetzt (Kaasa et al. 1995, Osoba et al. 1997, Zhao et al. 2004, Holzner et al.
2004).
Somit können Auswirkungen von Krankheit und Therapie auf die Lebensqualität systematisch dargestellt und
verglichen werden (Casali et al. 1997).
91
TAKO - Neuroonkologie
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
A. Die Messung der Lebensqualität bei neuroonkologischen Patienten
Lebensqualitätsdaten haben das Verständnis von den Auswirkungen onkologischer Erkrankungen und deren
Behandlung verbessert (Kopp et al. 2000, Holzner et al. 2001, Holzner et al. 2002).
In der Neuroonkologie spielt auf Grund der häufig schlechten Prognose der Erhalt der Lebensqualität eine
entscheidende Rolle für die Wahl der therapeutischen Maßnahmen. Damit kommt auch der Messung des
Konstruktes Lebensqualität bei Hirntumorpatienten eine entscheidende Bedeutung zu. Von verschiedenen
standardisierten Lebensqualitätsinventaren wurden spezifische Module für den Einsatz bei Hirntumorpatienten
entwickelt. Z.B. additiv zum Kernfragebogen EORTC QLQ-C30 kann das Zusatzmodul EORTC BN 20 bei Hirntumorpatienten eingesetzt werden.
Bei den meisten bisherigen Lebensqualitätsstudien in der Onkologie wird die Lebensqualität des Patienten und/
oder die Lebensqualität der Angehörigen untersucht, jedoch wird keine Fremdbeurteilung der Lebensqualität
der Patienten durch einen Angehörigen durchgeführt (Dögel et al. 2004). Neben der Selbsteinschätzung ist die
Fremdeinschätzung als ergänzend zu bewerten (Harrer 1993). Dies ist besonders im Bereich der Neuroonkologie
wesentlich, da bei den Patienten im Zuge der Erkrankung und Behandlung kognitive Defizite auftreten können,
welche die Urteilsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen und daher die Validität der Selbstwahrnehmung
reduzieren.
B. Computergestützte Erhebungen der Lebensqualität in der Neuroonkologie
Im Gegensatz zum Einsatz in klinischen Studien finden Lebensqualitätserhebungen in der klinisch-onkologischen
Routine bis dato noch wenig Verwendung (Davis & Cella 2002). Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen belegen,
dass die routinemäßige, computergestützte Erhebung und Auswertung von individuellen Lebensqualitätsdaten
(in erster Linie in graphischer Form) durchführbar und von vielschichtigem Nutzen sind (Buxton et al. 1998, Chang
et al. 2002, Detmar et al. 1998, 2002; Wright et al. 2003). Die Vorteile beziehen sich neben einer Standardisierung des
Screenings potentieller physischer und psychischer Probleme onkologischer Patienten und einer Verbesserung
der Kommunikation zwischen Behandler und Patienten, auf eine individuelle Fokussierung von onkologischen
Behandlungsschritten und deren Evaluation (Velikova et al. 1999, 2002; Taenzer et al. 2000, Higginson et al. 2001).
Zur technischen Umsetzung für die Datenerhebung und Datenaufbereitung solcher Projekte ist der Einsatz einer
spezielle Computersoftware notwendig. In verschiedenen onkologischen Einrichtungen wird z.B. das sogenannte
„Computer-based Health Evaluation System“ (CHES, siehe Abbildung) eingesetzt. Dieses dient zur Sammlung,
Speicherung und graphischen Aufbereitung von medizinischen und psychosozialen Daten in den verschiedensten
Bereichen der Onkologie (z.B. Neuroonkologie, geriatrische Onkologie…).
Abb. CHES (Computer-based Health Evaluation System): Hauptmenü, graphisch aufbereitete Lebensqualitätsprofile
92
TAKO - Neuroonkologie
Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung
Mit Hilfe von CHES können individuelle Patienten- und Behandlungsdaten (z.B. Laborwerte, Daten von
medizinischen Interventionen, Fragebogendaten, etc.) computergestützt erfasst und unter Einbeziehung von
Norm-, Referenz- und Cut-off Werten graphisch dargestellt werden. Damit wird dem Behandler in Real-Time auf
übersichtliche Weise standardisiert ein Überblick über die Situation des Patienten geliefert. Medizinische Behandlungsschritte und psychosoziale Interventionen können somit besser auf den Patienten abgestimmt werden.
Zudem werden alle erhobenen Daten in einer Datenbank systematisch gespeichert und stehen jederzeit zur
Beantwortung verschiedenster wissenschaftlicher Fragestellungen zur Verfügung.
Aufgrund der bisher genannten Erkenntnisse von Lebensqualitätserhebungen in der Onkologie im allgemeinen
und der Neuroonkologie im speziellen, wird derzeit an der Neuroonkologischen Ambulanz der Universitätsklinik
für Neurologie Innsbruck ein Projekt durchgeführt, im Rahmen dessen die Lebensqualität von Hirntumorpatienten
(inklusive eines Fremdratings von seiten der Angehörigen) computergestützt, standardisiert und longitudinal
erhoben wird. Die graphische aufbereiteten Daten sollen einerseits unmittelbar in die klinische Routine einfließen
und damit der Verbesserung der individuellen Patientenversorgung dienen, andererseits soll der so gewonnene
Datenpool zu Beantwortung verschiedenster wissenschaftlicher Fragestellungen herangezogen werden können.
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Verfasser: OA Dr. Gabriele Schauer-Maurer
Doz. DI. Dr. Bernhard Holzner
OA Dr. Claudia Kohl
Ao.Univ.-Prof. Dr. Barbara Sperner-Unterweger
Arbeitsgruppe für Psychoonkologie und Psychoimmunologie
Abteilung für Biologische Psychiatrie, Univ.Klinik für Psychiatrie Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel. 0512/ 504 -23691
Fax 0512/504 – 23691
E-mail: [email protected]
E-mail: [email protected]
E-mail: [email protected]
E-Mail: [email protected]
95
TAKO - Neuroonkologie
Notizen
96
TAKO - Neuroonkologie
Gliome
Gliome
I. Definition und Begriffsbestimmung
•
•
•
entsprechend der WHO-Klassifikation werden diese Tumoren in Gliome niedriger (WHO I und II) und Gliome
hoher (WHO III und IV) Malignität unterteilt (Kleihues und Cavenee 2000)
bei Erwachsenen stellen unter den niedriggradigen Gliomen WHO Grad II diffuse Astrozytome, Oligodendrogliome und Oligoastrozytome, und unter den höhergradigen Gliomen des WHO Grads III anaplastische
Astrozytome, anaplastische Oligodendrogliome, anaplastische Oligoastrozytome und das Glioblastom WHO
Grad IV die häufigsten Tumorentitäten dar
diese Leitlinien beschränken sich auf die wichtigsten und häufigsten Gliome des Erwachsenenalters. Das
überwiegend im Kindesalter vorkommende pilozytische Astrozytom (WHO Grad I) wird - ebenso wie das
Hirnstammgliom - im Kapitel „Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter“ behandelt
II. Epidemiologie
•
•
III.
•
•
•
Gliome bilden 50% aller primären Hirntumoren ((Athanassiou et al. 2005)
Gesamtinzidenz der Gliome beträgt etwa 6/100.000 Einwohner/Jahr
Früherkennung und Prävention
haben bei Gliomen derzeit noch keinen Stellenwert, da Gliom-spezifische Tumormarker nicht zur Verfügung
stehen und ein Screening mittels CT oder MRT erscheint nicht sinnvoll, da sich Glioblastome innerhalb weniger
Wochen entwickeln können
Ausnahme: lediglich bei einzelnen sehr seltenen hereditären Tumor-Syndromen mit deutlich erhöhter Inzidenz
von Gliomen (Neurofibromatose, Li-Fraumeni-Syndrom, Turcot-Syndrom) werden bildgebende Verfahren als
Screening-Methode eingesetzt
bei Verdacht auf ein hereditäres Tumor-Syndrom sollten zudem eine humangenetische Beratung und
Diagnostik in Betracht gezogen werden
97
TAKO - Neuroonkologie
Gliome
IV. Klinik und Diagnostik
1. Symptomatik
•
•
•
bei der Anamneseerhebung ist die Erfassung der ersten durch den Tumor bedingten Symptome und deren
weitere Entwicklung wichtig
je nach kognitivem Status des Patienten ist die Aussenanamnese oft von besonderer Bedeutung
Klinische Verdachtssymptome:
• neu aufgetretene epileptische Anfälle
• neurologische Herdsymptome
• Persönlichkeitsveränderungen und psychoorganisches Syndrom
• Zeichen des erhöhten Hirndrucks
2. Klinische Untersuchung
•
•
•
•
neurologische Untersuchung
neuropsychologische Untersuchung
Karnofsky-Index
internistische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Differentialdiagnose primär extrazerebraler, metastasierender Tumoren und zur Beurteilung der Operationsfähigkeit
3. Neuroradiologische Diagnostik
•
•
•
•
bei klinischem Verdacht auf einen Hirntumor: MRT-Untersuchung ohne und mit Kontrastmittelgabe. MRT ist
die Methode der Wahl. CT ohne und mit Kontrastmittel bei KI gegen MRT
PET und/oder SPECT können zusätzliche Informationen für die Differentialdiagnose und das biologische
Verhalten einer Raumforderung geben und somit etwa für die Stereotaktische Biopsie-Planung hilfreich sein
Magnetresonanz-Spektroskopie (MRS): kann zur Abgrezung gegenüber Hirnabszessen hilfreich sein
funktionelles MRT (fMRT): zur OP-Planung bei Tumorlokalisation in eloquenten Hirnregionen
4. EEG
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dient als Parameter für die Anfallsbereitschaft und ist hilfreich für die Abklärung und Therapie von Anfällen
ein unauffälliges EEG schließt eine Hirntumorerkrankung nicht aus!
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TAKO - Neuroonkologie
Gliome
5. Liquordiagnostik
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kann in Einzelfällen zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung einer entzündlichen Erkrankung (Enzephalitis,
Hirnabszeß), eines primären ZNS-Lymphoms oder eines Keimzelltumors und zum Nachweis einer leptomeningealen Tumoraussaat wesentliche Hinweise geben
Cave: KONTRAINDIZIERT bei Zeichen einer intrakranieller Drucksteigerung
V. Allgemeine Leitlinien zur Gliomtherapie
1. Prä-/perioperative supportive Therapie
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zur Behandlung des peritumoralen Hirnödems sowie zur Prophylaxe oder zur Reduktion des durch die
operative Manipulation hervorgerufenen postoperativen Hirnödems ist eine medikamentöse antiödematöse
Therapie erforderlich
Mittel der Wahl in der Akuttherapie ist Dexamethason, bei ausgeprägtem Hirndruck initial mit einem iv Bolus
von 40-100 mg, danach mit 12-32 mg iv oder per os täglich und langsamer Reduktion auf 4–12 mg täglich
in Fällen eines ausgeprägten Hirnödems zusätzliche Gabe von Osmodiuretika (Mannitol)
zur Vermeidung von Kortison-Nebenwirkungen sollte bei jeder Kontrolle die Notwendigkeit der Steroidgabe
kritisch geprüft werden („so wenig wie möglich und so viel wie für die Symptomkontrolle erforderlich“)
bei längerfristig erforderlicher Therapie mit höheren Steroiddosen kann eine Begleittherapie mit oralem
Glyzerin helfen, die Steroiddosis geringer zu halten
auch für das Boswellia serrata Präparat H15 (1200 mg/ 3x täglich per os) wurde eine antiödematöse Wirkung
bei Glioblastompatienten während der Tumorprogression und der onkologischen Therapie festgestellt (Streffer
et al. 2001)
wenn differentialdiagnostisch ein primäres ZNS-Lymphom in Betracht gezogen werden muss, sollte auf die
Gabe von Kortison verzichtet werden, weil ansonsten die histopathologische Diagnostik deutlich erschwert
wird. Soweit klinisch vertretbar sollten bis zur Diagnosesicherung (meist mittels stereotaktischer Biopsie) nur
Osmodiuretika eingesetzt werden
bei Vorliegen einer symptomatischen Epilepsie besteht die Indikation zur antiepileptischen Therapie
häufig wird perioperativ eine „Antikonvulsiva-Prophylaxe“ auch bei Patienten, die zuvor keinen Anfall erlitten,
durchgeführt; meist wird hierzu Phenytoin verwendet. Bei Anfallsfreiheit sollte diese „AntikonvulsivaProphylaxe“ postoperativ ausgeschlichen werden
Enzym-induzierende Antiepileptika, wie Phenytoin und Carbamazepin, sollten wegen MedikamentenInteraktionen mit dem Metabolismus anderer Pharmaka besonders unter bestimmten Chemotherapien und
neuen Therapieansätzen mit Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren nicht eingesetzt werden (Friedmann et al.
1999; Hutterer et al. 2006)
Clonazepam und andere Benzodiazepine sollten nur kurzfristig, etwa in der Umstellungsphase von
Antiepileptika, eingesetzt werden
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TAKO - Neuroonkologie
Gliome
2. Operative Therapie: Biopsie vs. Operation
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die histologische Diagnose ist Vorausetzung zur Erstellung eines spezifischen neuroonkologischen Therapiekonzeptes und nur in Ausnahmefällen kann auf eine histologische Diagnosesicherung verzichtet werden
mittels (in Lokalanästhesie durchgeführter) stereotaktischer Biopsie ist auch bei Patienten in weniger gutem
Allgemeinzustand eine histologische Diagnose als Grundlage für Therapieentscheidungen mit relativ
geringem Risiko möglich und anzustreben. Stereotaktische Biopsien führen in ca. 90% aller Patienten zu einer
histologischen Diagnose. Sie sind mit Morbiditätsraten von 3–4% und Mortalitätsraten unter 1% assoziiert
(Hall et al. 1998; Sawin et al. 1998)
abwartendes oder palliatives Vorgehen ohne histologische Sicherung der Diagnose ist lediglich indiziert, wenn
das Interventionsrisiko gegenüber dem Nutzen einer histologischen Diagnose als gravierender eingeschätzt
wird, als das Informationsdefizit durch die fehlende histologische Diagnose (z.B. Hirnstammgliom)
während stereotaktische Eingriffe ausschließlich diagnostischen Zwecken dienen (Ausnahme: interstitielle
Strahlentherapie), werden offene Operationen – in Abhängigkeit vom Alter des Patienten, sowie der Artdiagnose
und Lokalisation des Tumors – meist mit therapeutischer Intention (Zytoreduktion) durchgeführt
Indikationen zur stereotaktischen Biopsie: bei ungünstig lokalisierten Läsionen, bei multiplen Läsionen, die
Metastasen entsprechen könnten, bei Läsionen, die neuroradiologisch in erster Linie an ein primäres ZNSLymphom denken lassen, und bei älteren Patienten in schlechtem Allgemeinzustand
der Allgemeinzustand der Patienten, vor allem Alter und Begleiterkrankungen, kann die Therapiemöglichkeiten ebenfalls begrenzen. Eine allgemeine Altersbegrenzung kann nicht angegeben werden. Diese
Gesichtspunkte sollten in die Beurteilung der Operationsindikation eingehen. Schlechter Allgemeinzustand
(niedriger Karnofsky-Index) und höheres Alter sind vor allem bei höhergradigen Gliomen negative prädiktive
Faktoren (DeAngelis et al. 1998)
Indikationen zur offenen Operation: bei bildgebendem Verdacht auf ein supratentorielles Gliom und geeigneter
Lokalisation sollte möglichst eine Tumorresektion zur Reduktion der Tumormasse, Entlastung des Hirndrucks
und zur Verbesserung/Wiederherstellung einer ungestörten neurologischen Funktion erfolgen
der offene Eingriff wird vorwiegend über eine osteoplastische (Knochendeckelreplantation in einer
Sitzung), seltener über eine osteoklastische (Replantation nach Tagen oder Wochen mit Eigenknochen oder
Knochenplastik) Kraniotomie durchgeführt
angestrebt wird eine möglichst radikale Tumorresektion (mikrochirurgische Operationstechniken) bei
maximaler Erhaltung der Funktionen, wobei aufgrund des invasiven Wachstums eine radikale Entfernung
selten möglich ist
die Verhinderung neuer permanenter neurologischer Defizite hat bei der Operationsplanung Vorrang
gegenüber der operativen Radikalität („Funktionserhaltung vor Radikalität“)
in funktionell eloquenten Arealen ist ein Monitoring der jeweiligen Hirnfunktion nützlich: intraoperative
Stimulation und Wachoperation mit Sprachmonitoring
für die intraoperative Tumorlokalisation werden Neuronavigation, Ultraschalldiagnostik und intraoperative
Bildgebung eingesetzt
die Bestimmung des Resttumors sowie der Nachweis möglicher postoperativer Frühkomplikationen mittels
MRT (oder falls nicht möglich mittels CT) ohne und mit KM sollte innerhalb der ersten 48 Stunden erfolgen
((Albert et al. 1994)
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TAKO - Neuroonkologie
Gliome
3. Pathologie
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die histologische Diagnose wird entsprechend den Richtlinien der WHO-Klassifikation der Tumoren des
Nervensystems gestellt (Kleihues und Cavenee 2000). Wesentlich ist neben der Artdiagnose die Zuordnung der
biologischen Wertigkeit des Tumorgewebes zu den Tumorgraden WHO Grad I–IV („Grading“). Dabei werden
Zell- und Kernpolymorphie, erhöhte Zelldichte, erhöhte Mitoserate, das Auftreten pathologischer Mitosen,
mikrovaskuläre Proliferate sowie Tumorgewebsnekrosen als Zeichen zunehmender Anaplasie gewertet
im Einzelfall sind immunhistochemische Spezialfärbungen zum Nachweis zell- bzw. gewebsspezifischer Differenzierungsmarker von Bedeutung in der differenzialdiagnostischen Abgrenzung zu anderen Tumorentitäten,
insbesondere bei der Beurteilung kleiner stereotaktischer Biopsate
zur Beurteilung der Proliferationsaktivität der Gliome wird häufig das Proliferations-assoziierte nukleäre
Antigen Ki-67 bestimmt. Diese Untersuchung kann z.B. bei der Differenzierung zwischen WHO Grad II- und
WHO Grad III Gliomen hilfreiche Zusatzinformationen liefern
in der molekularen Pathologie der Gliome steht mit der Bestimmung des Allelverlustes („Loss of Heterozygosity“,
LOH) auf den Chromosomenabschnitten 1p und 19q ein Marker zur Verfügung, der prognostische Information
über den klinischen Verlauf bei Oligodendrogliomen geben könnte. In retrospektiven Analysen (Cairncross et
al., 1998) war der Verlust genetischen Materials auf 1p und 19q mit hoher Wahrscheinlichkeit des Ansprechens
auf Chemotherapie assoziiert. Da das Fehlen dieser molekularen Veränderung aber vermutlich keinen
hohen negativen prädiktiven Wert besitzt, stellt derzeit ein solcher Befund kein Kriterium dar, Patienten mit
anaplastischen Oligodendrogliomen die Chemotherapie vorzuenthalten. Schließlich ist bisher nicht geklärt,
ob die positive prädiktive Aussage nur für Ansprechen auf die Chemotherapie nach dem PCV-Schema oder
auch für Ansprechen auf andere Chemotherapien und Strahlentherapie und für die Gesamtüberlebenszeit
gilt. Diese molekularen Marker können daher derzeit (noch) nicht zur Entscheidung über Strahlen- und
Chemotherapie herangezogen werden
4. Strahlentherapie
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Gliome wachsen primär meist unifokal und 90% der Gliomrezidive nehmen vom Tumorrand ihren Ursprung.
Die lokale Tumor-Kontrolle ist deshalb von zentraler Bedeutung
obwohl Gliome nur eine relativ geringe Strahlenempfindlichkeit besitzen, verlängert die Strahlentherapie,
insbesondere bei geringer Resttumormasse, signifikant die Überlebenszeit bei guter Lebensqualität
die Indikation zur Durchführung der Strahlentherapie richtet sich nach dem histologischen Grad (WHOKlassifikation) und nach Prognose-Parametern wie Alter, Karnofsky-Index und Radikalität der Operation
neuere Methoden der fokussierten Strahlentherapie oder Radiochirurgie erlauben eine Dosis-Eskalation
gegenüber konventioneller fraktionierter externer Strahlentherapie. Ein genereller Überlebensvorteil bei
Einsatz dieser Methoden wurde bisher nicht belegt
die Ganzhirnbestrahlung führt bei den Gliomen nicht zu einer Verbesserung der Ergebnisse gegenüber einer
lokalen Strahlentherapie („involved field“) und ist daher obsolet (eine Ausnahme können multifokale Gliome
darstellen)
die Festlegung des Zielvolumens erfolgt anhand der prä- und postoperativen Bildgebung. Insbesondere
bei höhergradigen Gliomen ist eine Tumorzellinfiltration über die Randzonen der Signalabnormalität T2-
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TAKO - Neuroonkologie
Gliome
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gewichteter MRT-Bilder hinaus nachgewiesen, sodass ein zusätzlicher Sicherheitssaum (in der Regel von 2 cm),
sinnvoll ist
besonders wichtig zur Minimierung der Radiotoxizität ist die exakte und reproduzierbare Patienten-Repositionierung während der Planung und Durchführung der Behandlung (z. B. mit „Head-Holder“, Gesichtsmasken)
die Bestrahlungsplanung erfordert die Durchführung eines Planungs-CT in Behandlungsposition, die CTgestützte Anpassung der Isodosenverteilung an das Zielvolumen und Übertragung mittels Therapiesimulator.
Eine dreidimensionale Dosisanpassung wird durchgeführt
die Strahlentoleranz des Gehirngewebes hängt auch von der Fraktionierung ab. Bei konventioneller
Fraktionierung mit Einzeldosis von 1,8–2 Gy und 60 Gy Zieldosis in 6 Wochen beträgt das Nebenwirkungsrisiko
ca. 5% innerhalb von 5 Jahren = TD 5/5 (Posner 1994)
bei der Aufklärung zur Strahlentherapie des ZNS ist auf akute und späte Nebenwirkungen einzugehen
und auch auf mögliche Potenzierung der Therapiefolgen durch eine gleichzeitig oder später verabreichte
Chemotherapie hinzuweisen
5. Chemotherapie
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die Chemotherapie besitzt auch heute noch in der Gliomtherapie einen geringeren Stellenwert als die Strahlentherapie; eine wichtige Ausnahme stellen die oligodendroglialen Tumoren dar, die deutlich chemosensitiver sind als die rein astrozytären Tumoren
bei malignen Gliomen empfehlen wir vor allem jüngeren Patienten und Patienten mit einem Karnofsky-Index
von =/> 70 die Chemotherapie (DeAngelis et al., 1998)
in der Primärtherapie rein astrozytärer Gliome setzen wir die Monochemotherapie mit Temodal ein, bei oligodendroglialen Gliomen geben wir dem PCV-Protokoll den Vorzug
die Voraussetzungen zur chemotherapeutischen Behandlung von Gliomen sind ident zur Chemotherapie
anderer Malignome: Leukozyten > 3000/ul und Thrombozyten > 100.000/ul, ausreichende Leber- sowie
Nierenfunktion und das Fehlen schwerwiegender pulmonaler und kardialer Erkrankungen
unter der Chemotherapie sind regelmäßige (meist wöchentliche) Blutbildkontrollen erforderlich
besonders bei Nitrosoharnstoffderivaten (ACNU, BCNU, CCNU) kann es zu protrahierten und kumulativen
Leuko- und Thrombopenien kommen, die eine Dosisreduktion oder einen Wechsel des Therapieschemas
erforderlich machen
die Aufklärung über Nebenwirkungen der Chemotherapie sollte allgemeine Hinweise zu Übelkeit und Myelosuppression enthalten sowie substanzspezifische Toxizitäten wie Lungenschädigung (Nitrosoharnstoffe) und
Polyneuropathie (Vincristin) erläutern
6. Experimentelle Therapien
Zahlreiche experimentelle Therapien werden derzeit in der Gliomtherapie untersucht und sollten nur im Rahmen
klinischer Studien zum Einsatz kommen:
• Metalloproteinase-Inhibitoren (Groves et al. 2002)
• Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren (Hutterer et al. 2006)
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Gliome
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Angiogenesehemmung (Graff et al. 2005)
Gentherapie (Stockhammer et al. 1997; Hutterer et al. 2006)
Immuntherapie (Yajima et al. 2005)
intratumorale Antisense-Therapie (Schlingensiepen et al. 2005)
intratumorale Immunotoxin-Konjugate (Laske
Laske et al. 1997
1997)
VI. Spezifische Therapie der häufigsten Gliome
1. Gliome niedriger Malignität
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Pilozytisches Astrozytom WHO Grad I
Astrozytom WHO Grad II (diffuse Astrozytome; histologische Subtypen: fibrillär, protoplasmatisch,
gemistozytisch)
Oligodendrogliom WHO Grad II
oligoastrozytäres Mischgliom WHO Grad II
A. Diffuses Astrozytom WHO Grad II
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diese Tumoren stellen sich in den bildgebenden Verfahren (MRT, CT) als mehr oder weniger umschriebene
fokale Signal- (MRT) oder Dichte- (CT) Änderung meist ohne Kontrastmittelaufnahme dar
die Therapie der niedriggradigen diffusen Astrozytome (WHO Grad II) wird weiterhin kontrovers diskutiert,
vor allem Zeitpunkt und Radikalität des neurochirurgischen Vorgehens und der Zeitpunkt der Strahlentherapie
neuroradiologisch nachgewiesene Läsionen, die mit einem diffusen Astrozytom (WHO Grad II) vereinbar
sind, sollten histologisch abgeklärt werden
jeder neurochirurgische Eingriff bei diesen Tumoren sollte unter der Vorgabe erfolgen, dass die Vermeidung
neuer permanenter neurologischer Defizite wichtiger ist, als die Radikalität des operativen Eingriffs
symptomatische, radiologisch zirkumskripte Läsionen an operativ gut zugänglicher Lokalisation sollten
mikrochirurgisch reseziert werden
je nach Lokalisation und Zeitintervall nach einem vorhergehenden Eingriff können auch wiederholte
Resektionen eines Astrozytoms sinnvoll sein
bioptisch/operativ gesicherte in-toto inoperable diffuse Astrozytome, die klinisch bis auf Anfälle
asymptomatisch sind, und eine gute Anfallskontrolle gegeben ist, können bis zur klinischen oder
bildgebenden Progression beobachtet werden („Wait and Watch“ Strategie)
klinisch symptomatische oder progrediente Läsionen werden bestrahlt, wenn chirurgische Optionen mit
einem hohen Risiko neurologischer Morbidität verbunden sind
die Patienten profitieren nach inkompletter Resektion von der Strahlentherapie hinsichtlich der lokalen
Tumorkontrolle, nicht jedoch hinsichtlich der Überlebenszeit (Bauman et al. 1999; Karim et al. 2002).
Eine unmittelbar postoperative Strahlentherapie hat somit vermutlich keinen Vorteil gegenüber einem
abwartenden Verhalten nach Sicherung der Diagnose (durch stereotaktische Biopsie oder offene Resektion)
und postoperativer Strahlentherapie im Falle einer klinischen oder bildgebenden Progression
in Abhängigkeit vom Bestrahlungsvolumen werden Dosen zwischen 50 und 60 Gy empfohlen
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TAKO - Neuroonkologie
Gliome
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aufgrund der längeren Überlebenszeiten bei den niedriggradigen Gliomen im Vergleich zu Glioblastomen
und den meist jüngeren Patienten muss eine potentielle Langzeittoxizität bei der Strahlentherapieplanung
besonders beachtet werden
da das prä-strahlentherapeutische Resttumorvolumen ein prognostischer Faktor für die lokale
Tumorkontrolle ist, ist der Versuch der operativen Zytoreduktion vor der Strahlentherapie sinnvoll
bei umschriebeneren kleinen Tumoren ist bei tiefem Sitz auch die Möglichkeit einer interstitiellen Strahlentherapie (Brachytherapie) zu prüfen eine Chemotherapie ist in der Primärtherapie der diffusen Astrozytome WHO Grad II nicht indiziert
im Rezidiv sollte die Reoperation erwogen und - falls noch nicht erfolgt - die Strahlentherapie angeschlossen
werden
bei Auftreten eines Rezidivs nach Strahlentherapie ist der Versuch einer Chemotherapie gerechtfertigt und
insbesondere dann sinnvoll, wenn radiologisch Hinweise auf eine Malignisierung vorliegen. Zum Einsatz
kommt hier vor allem die Temozolomid-Monotherapie und Nitrosoharnstoffe, auch als Polychemotherapie
nach dem PCV-Schema (siehe Chemotherapie maligner Gliome)
wenn das Rezidiv histologisch ein anaplastisches Gliom oder Glioblastom zeigt, wird unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Therapie gemäß den nachfolgenden Empfehlungen für diese Tumorentitäten
behandelt
Nachsorge: zumindest in den ersten 5 Jahren klinisch-neurologische Untersuchung und MRT in 6monatigen Intervallen
B. Klinische Studie
a. „Low Grade Glioma“ Studie, EORTC Trial 22033-26033
„Primary chemotherapy with temolozomide vs radiotherapy in patients with low grade gliomas after stratification
for genetic 1p loss: a phase III study“
Studiendesign: multizentrische, internationale, offene Phase III Studie
Beginn der Studie für 2007 geplant
b. Oligodendrogliom und Oligoastrozytom WHO Grad II
• beide Tumorentitäten werden ident behandelt, weil das Vorliegen eines oligodendroglialen Tumors die
bessere Prognose im Vergleich zu den rein astrozytären Tumoren des gleichen Malignitätsgrades bedingt
(Cairncross et al. 1994)
• im Gegensatz zu den reinen Astrozytomen ist der bildgebende Nachweis von Verkalkungen häufig (70%
der Patienten)
• grundsätzlich gelten für die Therapie ähnliche Leitlinien wie bei den diffusen Grad II-Astrozytomen mit
folgenden Besonderheiten:
• da oligodendrogliale Tumoren häufiger als rein astrozytäre Tumoren über viele Jahre indolente Verläufe
aufweisen, ist bei guter Symptomkontrolle (meist symptomatische Epilepsie im Vordergrund) ein
abwartendes Verhalten („Wait and Watch“ Strategie) gerechtfertigt
• die Radikalität der Operation ist vermutlich aufgrund der meist hohen Strahlen-/Chemosensitivität von
geringerer Bedeutung für die Langzeitprognose
• sollte eine adjuvante onkologische Therapie indiziert sein, wird bei jüngeren Patienten der
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TAKO - Neuroonkologie
Gliome
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Chemotherapie (derzeit meist (noch) nach dem PCV-Schema) der Vorzug gegeben. Alternativ und
insbesondere bei älteren Patienten kann die Strahlentherapie als erste adjuvante Maßnahme erfolgen.
Im neuroonkologischen Tumorboard sollte hierzu interdisziplinär individuell die spezifische adjuvante
Therapie festgelegt werden
Nachsorge: zumindest in den ersten 5 Jahren klinisch-neurologische Untersuchung und zerebrale
Bildgebung mit MRT in 6-monatigen Intervallen
2. Gliome hoher Malignität
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anaplastisches Astrozytom WHO Grad III
anaplastisches Oligodendrogliom WHO Grad III
oligoastrozytäres Mischgliom WHO Grad III
Glioblastoma multiforme WHO Grad IV
A. Anaplastisches Astrozytom WHO Grad III
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die Häufigkeit beträgt 15 % der Gliome und der Altersgipfel liegt bei 45-50 Jahren
weisen bildgebend meist eine deutliche Kontrastmittelaufnahme und ein perifokales Ödem auf
die Therapieempfehlungen zum anaplastischen Astrozytom werden kontrovers diskutiert. Unbestritten
ist der Stellenwert der Resektion/Biopsie, gefolgt von der Strahlentherapie der erweiterten Tumorregion.
Chemotherapie ist beim anaplastischen Astrozytom wirksam, aber der optimale Zeitpunkt (Primärtherapie
oder Rezidivtherapie) der Chemotherapie ist ungewiss. Eine Metaanalyse (Fine et al. 1993) kam zu dem
Schluss, dass sich ein Überlebensvorteil der kombiniert behandelten Patienten gegenüber alleiniger Strahlentherapie 6–18 Monate nach Diagnose belegen lässt. Demgegenüber ließ sich in der MRC-Studie zur
(modifizierten) PCV-Chemotherapie in der Primärtherapie zusätzlich zur Strahlentherapie keine Wirksamkeit
belegen (Medical Research Council Brain Tumor Working Party 2001)
wir führen die Therapie grundsätzlich ähnlich den Leitlinien zum Glioblastoma multiforme WHO IV durch,
mit Resektion (oder Biopsie bei inoperablen Tumoren) mit nachfolgender Strahlen-/Chemotherapie
(Tumorfeldbestrahlung mit 54–60 Gy in 1,8–2-Gy Fraktionen; Chemotherapie mit Temozolomid in der
Primärtherapie und nach dem PCV-Protokoll in der Rezidiv-Behandlung)
wichtigste günstige prognostische Faktoren sind junges Alter und hoher Karnofsky-Index, sowie der
histologische Nachweis einer oligodendroglialen Komponente (siehe nächster Abschnitt)
bei Auftreten eines Rezidivs sollte zunächst die Möglichkeit einer erneuten Operation geprüft werden
für einzelne Patienten mit umschriebenen Läsionen kommt auch eine nochmalige Strahlentherapie in
Frage, vor allem bei Aufterten eines Rezidivs ausserhalb des ursprünglichen Bestrahlungsfeldes (Shepherd
et al. 1997)
für das Rezidiv nach Strahlentherapie ist die Wirksamkeit der Chemotherapie belegt. Etablierte Regime
sind die Temozolomid-Monotherapie (Wong et al. 1999), die Nitrosoharnstoff-Monotherapie und die PCVChemotherapie (Levin et al., 1990)
Unklar ist derzeit auch noch die Dauer der Chemotherapie. Wir streben bei guter Verträglichkeit und
Remission oder „Stable disease“ 6 Zyklen Nitrosoharnstoff-haltige Therapie oder 12 Zyklen Temozolomid
an. Manche Zentren führen diese Behandlung auch bis zur Progression durch
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TAKO - Neuroonkologie
Gliome
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Nachsorge: entsprechend dem Glioblastom
Ergebnisse: Die mittlere Überlebenszeit der WHO Grad III Astrozytome beträgt 22 Monate, wobei Patienten
unter 45 Jahre und gutem Karnofsky-Index (> 70 %) eine mittlere Überlebenszeit von 36 Monaten zeigen
5-Jahres-Überlebenszeit 15%
B. Anaplastisches Oligodendrogliom und anaplastisches Oligoastrozytom WHO-Grad III
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beide Tumorentitäten werden hier - wie oben für die WHO Grad II-Tumoren erläutert - gleich behandelt
obwohl sich bei den Oligodendrogliomen molekulare Prognose-Marker (LOH 1p/19q) abzeichnen (Cairncross
et al. 1998), ist es verfrüht, Patienten mit prognostisch ungünstiger Konstellation dieser Marker eine gesichert
wirksame Chemotherapie (PCV-Protokoll) aufgrund dieses Befunds vorzuenthalten
für die Therapie gelten grundsätzlich ähnliche Überlegungen wie für die anaplastischen Astrozytome WHO
Grad III mit den folgenden Abweichungen (ähnlich den Rationalen zu den niedrigradigen Oligodendrogliomen):
• da oligodendrogliale Tumoren in der Regel radio- und chemosensitiv sind, ist radikales chirurgisches
Vorgehen weniger indiziert als bei den rein astrozytären WHO-Grad III-Gliomen
• in der adjuvanten Therapie setzen wir in der kombinierten postoperativen Radio-/Chemotherapie als „Firstline“ Chemotherapie das PCV-Protokoll ein oder vor allem bei jungen Patienten zuerst eine alleinige PCVChemotherapie und eine Radiotherapie erst bei Tumorprogression
• PVC-Schema:
• CCNU (Lucostin) 110 mg/m2 Tag 1
• Vincristin (Oncovin) 2 mg Tag 8 und 29
• Procarbazin (Natulan) 150 mg/m2 Tag 8-21
Wiederholung alle 6 Wochen
• Temozolomid setzen wir (derzeit noch) bevorzugt erst in der Rezidivtherapie ein
• Nachsorge: bei Fehlen klinischer Hinweise auf Progression oder Rezidiv führen wir bildgebende Kontrollen
in 3-monatlichen Abständen durch, bei längerem Verlauf ohne Zeichen der Progression oder des Rezidivs
können diese Abstände verlängert werden
C. Glioblastoma multiforme WHO Grad IV
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mit 50% aller Gliome und 25% aller primären Hirntumoren ist das Glioblastom der häufigste hirneigene
Tumor (ca. 350 Neuerkrankungen in Österreich / Jahr)
• Häufigkeitsgipfel: zwischen dem 55. und 70. Lebensjahr
• hoch maligner, stark vaskularisierter Tumor, mit einer Volumsverdoppelungszeit von ca. 3 Wochen
• Fern-Metastasierung (Knochen, Lunge) sehr selten
• bildgebend (CT, MRT) meist kontrastmittelaufnehmende Raumforderungen von inhomogener Struktur mit
Nekrosen und Einblutungen und oft mit einem ausgedehnten perifokalen Ödem
Therapiekonzept:
• chirurgische Zytoreduktion, gefolgt von einer postoperativen kombinierten Radio-/Chemotherapie
• die meisten Studien identifizierten das Ausmaß der Resektion als positiven Prädiktor für die Überlebenszeit
(Neuro-Oncology Working Group (NOA) of the German Cancer Society 2003; Hess 1999)
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Gliome
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Standard der postoperativen Strahlentherapie besteht in Dosierungen von 54–60 Gy, nach Möglichkeit 60
Gy, in 1,8–2 Gy-Fraktionen
ob eine Chemotherapie bereits in der Primärbehandlung oder erst im Rezidiv eingestzt werden soll, wird
kontrovers diskutiert
in der Primärtherapie wird der Stellenwert der Chemotherapie - zusätzlich zur Strahlentherapie - nicht
einheitlich als Standard definiert, da eine zusätzliche Chemotherapie zu einer Verlängerung der medianen
Überlebenszeit um nur 2-3 Monate führt (Fine et al., 1993; Glioma Meta-analysis Trialists (GMT) Group 2002,
Stupp et al. 2005). Da mittels Chemotherapie der Anteil der Patienten, die nach 18 Monaten noch am Leben
sind, jedoch signifikant höher liegt und dies zumindest bei neueren Protokollen mit guter Lebensqualität
(DeAngelis 2005; Stupp et al. 2005; Athanassiou et al. 2005; Hassler et al. 2006), setzen wir die Chemotherapie
in Form einer Temozolomid-Monotherapie routinemässig bei jüngeren Patienten und Patienten mit
Karnofsky-Index >/= 70 ein
in der adjuvanten Primärtherapie verabreichen wir Temozolomid (Temodal) konkomitant zur Radiotherapie
(Stupp et al. 2005) mit 75 mg/m2 KOF täglich, gefolgt von zyklischen Gaben nach Radiatio mit 200 mg/m2 an
den Tagen 1-5 in 4-wöchigen Abständen, mindestens 6 Zyklen
während der konkomitanten Therapie empfiehlt sich eine Pneumocystis carinii-Pneumonie-Prophylaxe.
Diese ist jedenfalls bei Patienten erforderlich, die eine Lymphozytenzahl < 500/mm3 aufweisen, besonders
wenn sie auch eine Therapie mit Steroiden erhalten. Für diese Prophylaxe kommen folgende Protokolle
in Frage: 1 Tbl. Trimethoprim-Sulfamethoxazol (Bactrim® forte) 3x/Woche oder Pentamidin-Inhalationen
(Pentacarinat®) 300 mg alle 4 Wochen mittels Ultravernebler
Leitlinien zum Einsatz von Temozolomid in der Therapie maligner Gliome wurden von einem österreichischen Expertenteam kürzlich erarbeitet und in einem Konsensupapier veröffentlicht (Marosi et al. 2006)
eine Intensivierung der Temozolomid-Therapie, wie z.B. mit 150 mg/m2 KOF an den Tagen 1-5 und 1519 in 4-wöchigen Abständen ((Athanassiou et al. 2005), oder mit 75-100 mg/m2 KOF an den Tagen 1-21 in
4-wöchigen Abständen - wie derzeit im Rahmen von EORTC-Studien geprüft wird - , könnte künftig die
Ergebnisse der postoperativen Strahlen-/Chemotherapie weiter verbessern
DNA-Reparaturenzyme, wie die O(6)-Methylguanin DNA Methyltransferase (MGMT) reduzieren das
Ansprechen von Gliomzellen auf die Chemotherapie (Esteller et al. 2000)
die Bestimmung des MGMT-Methylierungsstatus könnte künftig als Prädiktor für den ChemotherapieResponse dienen (Hegi et al. 2005)
bei Auftreten eines Rezidivs sollte nach unseren Erfahrungen zunächst auch die Möglichkeit einer erneuten
Operation geprüft werden
für einzelne Patienten mit umschriebenen Läsionen sollte in der Rezidivsituation auch eine nochmalige
Strahlentherapie diskutiert werden, insbesondere wenn eine stereotaktische hypofraktionierte Strahlentherapie möglich ist (Shepherd et al. 1997)
als „Second-line“ Chemotherapie verwenden wir vorzugsweise das PCV-Protokoll (CCNU 110 mg/m2/Tag 1,
Procarbazine 60 mg/m2 Tag 8-21 und Vincristine 2 mg Tag 8+29) in 6–8 wöchigen Abständen, mit 6 Zyklen
als weitere Chemotherapie-Protokolle sind ACNU-Monotherapie (100 mg/ m2 Tag 1 alle 6 Wochen) oder
ACNU (90 mg/m2 Tag 1) in Kombination mit Alexan (120 mg/m2 Tag 1-3), die Kombination von ACNU (90
mg/m2 Tag 1) und VM26 (60 mg/m2 Tag 1-3) und die BCNU-Montherapie (80 mg/m2 Tag 1-3) alle 6 Wochen
gut belegt. Bei jüngeren Patienten bevorzugen wir die Kombinationstherapien („Risiko-adaptierte Therapie“
entsprechend den Ergebnissen der Deutsch-Österreichischen Gliomstudie) und streben jeweils 6-8 Zyklen
an
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TAKO - Neuroonkologie
Gliome
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im Rezidiv ist der Wert der Chemotherapie besser belegt. Eine Metaanalyse verschiedener Phase IIRezidivstudien ergab ein mittleres progressionsfreies Intervall von 9 Wochen und ein progressionsfreies
Überleben nach 6 Monaten von 15% (Wong et al. 1999). Demgegenüber wurden mit Temozolomid ein
mittleres progressionsfreies Intervall von etwa 11 Wochen und ein progressionsfreies Überleben von 21%
erzielt (Yung et al. 2000). Ein Unterschied in der Wirksamkeit zwischen Temozolomid und einem Nitrosoharnstoff-haltigen Protokoll in der Rezidivtherapie des Glioblastoms wurde bisher nicht belegt. Entsprechende
Studien fehlen
• die interstitielle Chemotherapie mit BCNU (Gliadel®) hat in einer randomisierten Studie nur einen marginalen
Effekt gezeigt und kann nicht generell empfohlen werden (Valtonen
Valtonen et al. 1997
1997)
• bei Wirksamkeit (Remission, „Stable disease“) führen wir 6 Zyklen Nitrosoharnstoff-haltiger Therapie bzw.
6-12 Zyklen Temozolomid durch. Einzelne Zentren befürworten die Fortführung der Chemotherapie bis zur
Tumorprogression, sofern keine relevante Myelosuppression auftritt
Prognose:
• mittlere Überlebenszeit beträgt 12-15 Monate ab Diagnosestellung, 5-Jahres Überlebenszeit 2 %
D. Klinische Studien zu malignen Gliomen
Laufende oder geplante experimentelle Therapie-Studien
– „Temozolomid und pegyliertes (PEG)-liposomales Doxorubicin in der Ersttherapie von Patienten mit
Glioblastom WHO Grad IV“ (Phase I/II-Studie; Fabel et al., 2001)
Patientengruppe: Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom
Studienleiter in Innsbruck: Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer
– TransMID-Studie
„A Phase III Multicenter Study of Intratumoral/Interstitial Therapy with TransMIDTM Compared to Best Standard of
Care in Patients with Progressive and/or Recurrent, Non-Resectable Glioblastoma Multiforme“
Konzept: intratumorale Applikation eines Transferrin-Diphterietoxin Immunkomplex
Patientengruppe: Lokal-Rezidiv eines Glioblastoma multiforme
Studienleiter in Innsbruck: Univ.-Prof. Dr. Herwig Kostron
– Antisense TGF-beta Studie
„Multinationale, multizentrische, offene, aktiv kontrollierte, randomisierte Parallelgruppen-Dosisfindungstudie zur
Evaluation der Wirksamkeit und Sicherheit zweier unterschiedlicher Dosierungen von AP 12009 bei erwachsenen
Patienten mit Rezidiven hoch maligner Gliome, intratumoral verabreicht als kontinuierliche Hochfluss-Mikroperfusion
über einen Zeitraum von sieben Tagen jede zweite Woche“
für Erstrezidive maligner Gliome (Patientenrekrutierung beendet)
je nach Ergebnis der Phase II Daten geplante Nachfolgestudie als Phase III Studie ab 2007
Studienleiter in Innsbruck: Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer
108
TAKO - Neuroonkologie
Gliome
– Fluoreszenzgesteuerte Tumorresektion gefolgt von intraoperativer Photodynamischer Therapie
Studienleiter: Univ.-Prof. Dr. Herwig Kostron
– Radioimmuntherapie in Form einer intracavitären Radionuklidtherapie
für Patienten mit zystischen Glioblastom-Rezidiven
Prinzip: mit radioaktiv markierten Peptiden wird zuerst mittels diagnostischer Verfahren geprüft, ob im
Tumorrezidiv eine ausreichende Somatostatin-Rezeptor-Expression vorliegt. Für die Therapie wird
DOTA-TOC (Octreotid-Derivat), das mit 90Y und 177Lu (Beta-Strahlern) markiert ist, angewendet
– „A Randomized Phase 3 Study of Enzastaurin versus Lomustine in the Treatment of Recurrent, Intracranial
Glioblastoma Multiforme”
Konzept: Enzastaurin ist ein Proteinkinase-C Inhibitor mit potenter anti-angiogener Wirksamkeit
Patientengruppe: Patienten mit Rezidiv eines Glioblastoma multiforme
Studienleiter: Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer
– „A Prospective, Multi-center Trial of NovoTTF-100A Compared to Best Standard of Care in Patients with
Progressive or Recurrent GBM“
Prinzip: durch Elektroden, die auf die Kopfhaut angebracht werden, werden elektrische Felder induziert, die
die Zellteilung hemmen sollen
Patientengruppe: Patienten mit Rezidiv eines Glioblastoma multiforme
Studienleiter in Innsbruck: Univ.-Prof. Dr. Herwig Kostron
VII. Supportive Therapie
1. Hirndruck und Kortikosteroide
•
•
bei erhöhtem Hirndruck mit Einklemmungsgefahr Gabe hoher Dosen von Steroiden (z.B. Fortecortin 100mg
als Initialbolus, gefolgt von 4x 8mg/d) und ggf. Osmotherapeutika
wegen der erheblichen Steroid-Nebenwirkungen bei chronischer Behandlung ist die Indikation zu einer
Fortführung der Cortison-Therapie im weiteren Verlauf immer wieder kritisch zu prüfen
2. Symptomatische Epilepsie und Einsatz von Antikonvulsiva
siehe „Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge“
3. Thrombo-Embolien und Einsatz von gerinnungshemmenden Medikamenten
siehe „Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge“
109
TAKO - Neuroonkologie
Gliome
4. Psychosoziale Betreuung
siehe „Psychoonkologische und psychosoziale Betreuung bei Patienten mit ZNS-Tumoren“
5. Nachsorge
•
•
•
•
klinische Verlaufskontrollen in 3-Monats Intervallen
bei fehlender klinischer Progression MRT-Kontrollen (oder CT-Kontrollen bei KI gegen MRT) in 3-monatlichen
Intervallen
bei längerem Verlauf ohne Zeichen der Progression oder des Rezidivs können die Intervalle verlängert
werden und sollten interdisziplinär festgelegt werden
MRT-Verlaufsbeurteilung nach Macdonald Kriterien (Macdonald et al. 1990)
• Progression (PD): Tumorvergrösserung um ≥ 25%
• Stabiler Befund (SD): Progression um < 25% oder Remission um < 50 % über > 8 Wochen
• Partielles Ansprechen: Remission um ≥ 50% über > 8 Wochen
• Komplettes Ansprechen: komplette makroskopische Remission über > 8 Wochen
6. Rehabilitation
•
•
während und vor allem nach Abschluss der tumorspezifischen Therapie eines Glioms ist die Indikation zu
einer Rehabilitation neurologischer und neuropsychologischer Defizite zu prüfen
einer ambulanten Rehabilitation sollte hierbei der Vorzug gegeben werden
7. Palliative Therapie in der Terminalphase
•
•
•
•
•
•
in fortgeschrittenen Stadien der Tumorerkrankung sind spezifische antineoplastische Maßnahmen nicht
mehr angezeigt
stattdessen ist eine kompetente palliativmedizinische Betreuung mit Maßnahmen der Symptomkontrolle
erforderlich
grundlegend sind dabei der Einsatz von Antiemetika, Steroiden und Antikonvulsiva
bei zunehmendem Hirndruck ist neben der Gabe von Steroiden und Antiemetika auch der Einsatz von
Opiaten (regelmäßig und in ausreichender Dosierung) indiziert
die Linderung von Schmerzen und anderen Symptomen hat in dieser Situation Vorrang vor den möglichen
Nebenwirkungen dieser Medikamente
intensive psychosoziale Unterstützung sowohl der Patienten als auch der pflegenden Angehörigen. Dazu
gehören die Organisation der häuslichen Versorgung, die Hilfsmittelversorgung, das Einbinden palliativmedizinisch spezialisierter Ärzte, Pflegedienste und Hospizhelfer falls erforderlich, und gegebenenfalls die
Einweisung auf eine Palliativstation oder in ein stationäres Hospiz
110
TAKO - Neuroonkologie
Gliome
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of temozolomide vs. procarbazine in patients with glioblastoma multiforme at first relapse. Br J Cancer 83:588–593
Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer
Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-23884
Fax: 0043-512-504-24260
E-mail: [email protected]
Univ.-Prof. Dr. Herwig Kostron
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-27452
Fax: 0043-512-504-27453
E-mail: [email protected]
OA Dr. Meinhard Nevinny
Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-22801
Fax: 0043-512-504-22812
E-mail: [email protected]
113
TAKO - Neuroonkologie
Notizen
114
TAKO - Neuroonkologie
Tumoren der Pinealisregion
Tumoren der Pinealisregion
I. Einführung
Tumoren der Pinealisregion machen etwa 1% aller intrakraniellen Tumoren und 3-11% der kindlichen Hirntumoren
aus (1,2,3). Prozesse der Pinealisregion bilden pathologisch eine heterogene Gruppe (Tabelle 1).
Tabelle 1: Tumoren der Pinealisregion
Parenchymale Tumoren
Keimzell-Tumoren
Gliale und meningeale Tumoren
Andere Tumorentitäten
Nicht-neoplastische Läsionen
Pineozytom WHO-Grad II
Pineoblastom WHO-Grad IV
Parenchymale Tumoren mit intermediärer Differenzierung
Germinom
Embryonalkarzinom
Endodermalsinus-Tumor
Chorionkarzinom
Reifes Teratom
Unreifes Teratom
Pilozytisches Astrozytom WHO-Grad I
Astrozytome WHO-Grad II
Ependymome WHO-Grad II und III
Meningeom WHO-Grad I
Hämangioperizytom WHO-Grad II oder III
Metastasen
Lymphome
Pinealiszyste
Arachnoidalzyste
Ateriovenöse Malformationen und Aneurysmen
II. Diagnostik
1. Klinische Symptomatik
•
•
•
•
•
Hirndrucksymptomatik mit Kopfschmerz, Übelkeit, Erbrechen (Pinealis-Raumforderung führt zu
Verschlußhydrocephalus)
Parinaud-Syndrom: Kombinationen von Störungen des Aufwärts- und Abwärtsblicken, Störungen der
Konvergenz und Akkomodation sowie Pupillenanomalien
Stauungspapille bis Optikusatrophie mit Visusverlust
Vermehrtes Schlafbedürfnis, Leistungsschwäche, Abschlagenheit
Pubertas praecox bei Knaben durch beta-human-chorionic-Gonadotropin (beta-HCG) Produktion
115
TAKO - Neuroonkologie
Tumoren der Pinealisregion
2. Augenärztliche Abklärung
•
•
•
Funduskopie
Visusbestimmung
Okulomotorik
3. Bildgebung
•
•
•
•
MRT cerebral + MR-Angio)
MRT spinal (Staging spinaler Dissemination)
Angiographie (bei Verdacht auf Kompression des innerern Venensystems und geplanter operativer
Therapie)
Insgesamt ist eine verlässliche diagnostische Einordnung der Pinealistumoren über bildgebende Verfahren
alleine nicht möglich
4. Tumormarker
•
•
Bestimmung der Serumspiegel für beta-human-chorionic-Gonadotropin (beta-HCG) und alpha-Fetoprotein
(AFP)
Beziehungen zwischen Tumorentität und Tumormarker siehe Tabelle 2
Tabelle 2: Tumorhistologie und Tumormarker
Tumor
Germinom
Reifes Teratom
Malignes Teratom
Chorionkarzinom
Endodermaler Sinustumor
Embryonalkarzinom
AFP
+/+
+
Beta-HCG
+/+/+
+
5. Stereotaktische Biopsie
In ausgewählten Fällen, rahmengeführte Gewebeentnahme durch stereotaktisch ausgebildeten Neurochirurgen,
nach dreidimensionaler präoperativer Eingriffsplanung (CT, MRT, MR-Angiographie) mit Bildfusion.
Perioperative Letalität 1,3-1,9%, permanente Morbidität 1-4,7% (2,3)
116
TAKO - Neuroonkologie
Tumoren der Pinealisregion
III. Therapieoptionen
•
•
•
•
•
•
Stereotaktische Biopsie in Kombination mit einer Ventrikulozysternostomie bei Verschlußhydrocephalus
Stereotaktische Biopsie in Kombination mit einer Jod125 Seed Implantation
Mikrochirurgische Resektion bei ausgedehntem Masseneffekt über
- infratentoriellen/suprazerebellären Zugang (4,5)
- okzipitalen/transtentoriellen Zugang (6)
VP-Shunt oder Ventrikulozysternostomie bei Hydrocephalus
Primäre Strahlentherapie (kranial oder kraniospinal)
Kombinierte Radio-Chemotherapie
Tabelle3: Therapeutische Strategien
TUMOR
Germinome
STRATEGIE
Stereotaktsiche Biopsie + Strahlentherapie /
kombinierte Radio Chemotherapie
Tumorresektion
Chemotherapie + lokale Bestrahlung
mit 54 Gy (+ evtl. kraniospinale Bestrahlung)
Kinder: SIOP CNS GCT 96 Protokoll,
Tumorresektion bei ausgeprägtem Masseneffekt
PROGNOSE (2,7,8)
5-Jahres Überlebensrate >90%
Pineozytom
>3,5cm Tumorresektion
<3,5cm Jod125 Seed Implantation
alternativ: stereotaktische Radiotherapie
Radiochirurgie. Gamma-Knife
LINAC
5-Jahres Überlebensrate:
70-90%
Pineoblastom
Kraniospinale Bestrahlung + Chemotherapie
Tumorresektion bei ausgeprägtem Masseneffekt
5-Jahres Überlebensrate
50-60%
Reifes Teratom
Sezernierende
Keimzelltumoren
Bei kompletter Resektion günstig
Ungünstig,
meist palliative Therapie
IV. Nachsorge
Bei Tumorresektion: postoperative MRT innerhalb von 48 Std, nach 3 Monaten
Bei adjuvanter Therapie: MRT 1 Monat nach Abschluß der Radiotherapie/Radiochirurgie
Klinische und bildgebende Kontrollen anfänglich nach 3, dann 6, dann 12 Monate
117
TAKO - Neuroonkologie
Tumoren der Pinealisregion
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Verfasser: Dr. Jürgen-Volker Anton
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-27452
Fax: 0043-512-504-27453
E-mail: [email protected]
OA Dr. Meinhard Nevinny
Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
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Fax: 0043-512-504-27453
E-mail: [email protected]
118
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Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter
Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter
I. Einleitung
Hirntumoren (oder besser: intrakranielle Neubildungen) stellen im Kindesalter nach den Leukämien die zweitgrößte
Gruppe maligner Erkrankungen dar. In diesem Alter sind gutartige gliale Tumoren häufig, insbesondere pilozytische
Astrozytome und sehr bösartige, so genannte embryonale Tumoren.
Der Hirntumor ist eine intrakranielle Raumforderung (RF), die sich raumersetzend oder raumverdrängend
ausbreitet. Er kann abgegrenzt oder infiltrierend wachsen, selten aber auch diffus (Gliomatose). Die Histologie
der hirneigenen Tumoren wird nach WHO klassifiziert; die histologische Dignität wird dabei durch die Grade
I bis IV angegeben (Grad I und II: niedriggradig, Grad III und IV: hochgradig). Eine Metastasierung entlang der
Liquorräume tritt vor allem bei Grad III- und Grad IV-Tumoren auf, wird aber mit einem geringen Prozentsatz auch
bei niedriggradigen Tumoren beobachtet.
Die weiterführende Diagnostik und anschließende Therapie wird im Rahmen von Therapieoptimierungsstudien
der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie durchgeführt. Folgende Therapieoptimierungsstudien
werden derzeit durchgeführt:
1. HIT 2000: Patienten bis 21 Jahre mit intrakraniell lokalisiertem Medulloblastom/PNET oder Ependymom.
Ziele sind das Erreichen einer vergleichsweise hohen Überlebenswahrscheinlichkeit durch Intensivierung der
Chemotherapie und/oder Bestrahlung, durch risikoadaptierte Therapie bei exakt definierter Risikogruppenzuordnung sowie durch verbesserte Qualitätskontrollen von Operation, Bestrahlung und Chemotherapie.
2. SIOP-LGG 2004 zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einem Gliom niedrigen Malignitätsgrades. Ziel: bestmögliche und angepasste Therapie im Rahmen eines umfassenden Gesamtkonzeptes.
3. SIOP-CNS GCT 96 zur Behandlung von intrakraniellen Keimzelltumoren
4. HIT-GBM-D zur Behandlung von malignen Gliomen und Ponsgliomen des Kindes und Jugendalters.
5. Kraniopharyngeom 2000: prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie von Kindern und Jugendlichen
mit Kraniopharyngeom.
6. HIT-REZ 97: Therapiepersistenz oder Rezidiv eines neuroektodermalen Hirntumors.
Daher sollte die Therapie nur in an den Studien teilnehmenden Therapiezentren erfolgen.
II. Klinische Präsentation und Diagnostik kindlicher Hirntumoren
Durch Tumormasse, peritumorales Ödem und v. a. durch eine Blockade des Liquorflusses kommt es zu Symptomen
aufgrund gesteigerten intrakraniellen Drucks. Hierzu gehören Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen (v.a.
morgendliches Nüchternerbrechen, Wesensveränderung und Strabismus mit Doppelbildern, und bei Säuglingen
eine vorgewölbte Fontanelle und ein abnormes Kopfwachstum. Der Nachweis einer Stauungspapille ist für einen
gesteigerten intrakraniellen Druck beweisend.
119
TAKO - Neuroonkologie
Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter
Abhängig von der Lokalisation finden sich folgende Symptome:
• Bei supratentoriellen Tumoren: epileptische Anfälle.
• Bei suprasellärem Sitz: endokrinologische und visuelle Ausfallserscheinungen und früh Hirndruckerscheinungen.
• Bei Sitz im Hypothalamus: Abmagerungssyndrom, Essstörungen und zunehmende Adipositas, SchlafWach-Umkehr, endokrine Symptome.
• Bei Tumoren des kaudalen Hirnstamms: die Trias Hirnnervenparesen, seitengekreuzte Ausfälle langer
Bahnen und ataktische Symptome.
• Bei Tumoren des IV. Ventrikels und Vermis cerebelli: früh Hirndrucksymptome, Ataxie, Störungen des
kaudalen Hirnstamms.
• Bei Tumoren der Kleinhirnhemisphäre: ataktische Symptome, Nystagmus, erst später erhöhter intrakranieller Druck.
• Hirnnervenparesen können lokalisierende Bedeutung haben, können aber auch Folge der intrakraniellen
Drucksteigerung sein.
Bei Kindern mit rezidivierenden Kopfschmerzen, insbesondere von Druckcharakter und mit morgendlicher
Betonung, ist eine bildgebende Untersuchung erforderlich. Prinzipiell stehen die folgenden diagnostischen
Maßnahmen zur Verfügung: MRT und CT.
1. Notwendige postoperative Resttumordiagnostik
Kraniale MRT vor und nach Kontrastmittel zur Resttumorbestimmung. Die Untersuchung muss innerhalb der
ersten 48 Stunden post-operativ durchgeführt werden, da eine sichere Interpretation wegen unspezifischer
postoperativer Schrankenstörungen später nicht mehr gelingt.
2. Notwendige Metastasendiagnostik
Spinales MRT
Liquorzytologie von Patienten der HIT Studie: aus postoperativ, lumbal gewonnenem Liquor. Sind in diesem Liquor
Tumorzellen nachweisbar, dann muss eine Untersuchung unmittelbar vor Beginn der postoperativen Therapie – in
der Regel am 14. postoperativen Tag- erfolgen. Eine Referenzbeurteilung der Liquorpräparate erfolgt durch die
Studienzentrale.
III. Nachsorge
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen dienen nach der Erstdiagnose der onkologischen Verlaufsbeurteilung,
der Feststellung und Behandlung von neurologischen und neuropsychologischen Funktionsstörungen und
Behinderungen.
120
TAKO - Neuroonkologie
Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter
IV. Spezifische Tumorentitäten
1. Medulloblastom im Kindes- und Jugendalter
Häufigster maligner Hirntumor im Kindes- und Jugendalter, Lokalisation im Kleinhirn und IV. Ventrikel.
Häufigkeitsgipfel um das fünfte Lebensjahr, männliche Prädisposition 1,5:1. Wächst lokal infiltrierend, z. B. in
den unteren Hirnstamm, aber auch per continuitatem entlang der Liquorwege; metastasiert in den gesamten
Liquorraum, sodass in Abhängigkeit vom Alter bei bis zu einem Drittel der Patienten bereits primär solide ZNSMetastasen und bei einem Viertel der Patienten initial maligne Zellen im lumbal gewonnenen Liquor nachgewiesen
werden können; systemische Metastasierung, z. B. in Knochen oder im Knochenmark, ist bei Erstdiagnose sehr
selten.
a. Lokale und regionale Therapie
Basistherapie sind die primäre Resektion sowie die kraniospinale Bestrahlung mit lokalem Tumorboost.
b. Neurochirurgische Therapie
Da Kinder mit Medulloblastom durch die lokale Raumforderung und Liquorzirkulationsstörung vital bedroht sind,
kommt der primären Resektion eine zunächst lebensrettende Bedeutung zu. Es ist eine operationsmikroskopisch
totale Resektion anzustreben, da Kinder ohne Resttumor ein niedrigeres Rezidivrisiko haben.
c. Strahlentherapie
Da bei jedem Kind mit Medulloblastom mit einer okkulten Mikrometastasierung über die Liquorwege gerechnet
werden muss, erfolgt die Bestrahlung des gesamten Liquorraumes unter Einschluss von Gehirn und Rückenmark.
Als Standard galt bislang die kraniospinale Bestrahlung von 36 Gy bei einer Einzeldosis von 1,6-1,8 Gy/Tag,
gefolgt von einer Aufsättigung im Primärtumorbereich auf 54 Gy zur Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle.
In der modernen Behandlung des Medulloblastoms wird eine Therapieintensivierung durch hyperfraktionierte
Bestrahlung angestrebt.
d. Chemotherapie
Bei Kindern unter 4 Jahren dient die Chemotherapie dazu, die Bestrahlung zu ersetzen. Bei allen Patienten soll die
Chemotherapie das Auftreten systemischer Metastasen verhindern. Die adjuvante Chemotherapie mit Cisplatin,
CCNU und Vincristin nach postoperativer Strahlentherapie kann derzeit bei Kindern über 3 Jahren als Standardtherapie des Medulloblastoms ohne Metastasen angesehen werden.
2. Gliome niedrigen Malignitätsgrades im Kindes- und Jugendalter
Gliome niedrigen Malignitätsgrades stellen 30-40% der primären Hirntumoren des Kindesalters und kommen in
allen Abschnitten des ZNS vor. Das Wachstum der Tumoren ist meist lokal.
Der Terminus „Gliome niedrigen Malignitätsgrades“ steht als Sammelbegriff für eine Gruppe glialer Hirntumoren,
die gemäß der WHO-Klassifikation von 2000 als Grad I und Grad II eingestuft werden:
Infolge der möglichen Tumorlokalisation im gesamten ZNS rufen Gliome niedrigen Malignitätsgrades vielfältige
oben beschriebene ZNS-Symptome hervor.
121
TAKO - Neuroonkologie
Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter
Grundsätzlich anzustreben ist die vollständige Tumorresektion. Für Tumoren, die nicht ohne schwere neurologische
Folgeschäden und Läsionen vitaler Zentren resezierbar sind, wurden Konzepte zur nicht-chirurgischen Therapie
entwickelt. Das primäre Ziel der Chemotherapie ist die Verschiebung des Zeitpunktes, zu dem eine Radiotherapie
erfolgt.
3. Ependymome im Kindes- und Jugendalter
Unter den primären intrakraniellen Tumoren sind die Ependymome mit einer Häufigkeit von 10% im Kindesalter
vertreten. Ependymome wachsen meist lokal invasiv. Daher kommt der lokalen Tumorkontrolle eine besondere
Rolle zu.
Die Lokalrezidivrate ist aber auch nach einer vollständigen Resektion so hoch, dass eine lokale Nachbestrahlung
durchgeführt wird. Heute wird bei allen nicht metastasierten Ependymomen eine Lokalbehandlung durchgeführt.
Aktuell wird eine lokale Strahlentherapie empfohlen, unter Einbeziehung des Tumors und eines Sicherheitssaumes
von 2 cm. Die 2x tägliche Applikation von kleinen, schonenderen Fraktionen von 1,0 Gy erlaubt eine Gesamtdosis
von bis zu 68 Gy Bei persistierendem Resttumor, der gegen Ende der Radiatio mittels MR oder CT evaluiert werden
kann, sollte zunächst eine Dosissteigerung kleinvolumig bis 72 Gy, dann ggf. eine stereotaktische Aufsättigung
des Restgewebes erwogen werden.
a. Klassifikation gemäß WHO, ICD-10 Code und ICD-O-3-M Code
• Subependymom (Grad I°)
D43.2
M9383/1
• Myxopapilläres Ependymom (Grad I°)
D43.2
M9394/1
• Ependymom (Grad II°)
C71.9
M9391/3
• Anaplastisches Ependymom (Grad III°) C71.9
M9392/3
b. Neurochirurgische Tumorresektion
Aufgrund der äußerst schlechten Prognose nach inkompletter Tumorresektion muss unbedingt eine komplette
Resektion angestrebt werden. Wie bei allen Hirntumoren gilt der Grundsatz, so aggressiv wie nötig und so
schonend wie möglich vorzugehen, um Langzeitschäden zu vermeiden.
c. Nicht-chirugische Therapie
Grundsätze nicht-chirurgischer Therapie: Strahlen-/Chemotherapie
Die vor den 1960er Jahren ausschließlich operative Therapie ergab nur unbefriedigende Therapieergebnisse mit maximal 20% überlebenden Kindern nach drei Jahren. Die alleinige Resektion war nur selten kurativ,
insbesondere bei niedriggradigen, superfiziell in den Großhirnhemisphären gelegenen Tumoren. Die Einführung
der postoperativen Strahlentherapie ergab ein PFS (progressionsfreies Überleben) von 30% bis 40% nach 10
Jahren. Mit einer kompletten Resektion und Nachbestrahlung wurden PFS zwischen 60% und 75% nach fünf Jahren
und zwischen 50% und 60% nach zehn Jahren erzielt. Seither gehört die Strahlenbehandlung unverzichtbar zur
adjuvanten Therapie der Ependymome.
Zielvolumen: Strittig ist der Umfang des Bestrahlungsvolumens; wegen der Gefahr der ZNS Disseminierung
wurden zunächst Kranium und Spinalkanal bestrahlt. Später wurden nur anaplastische Ependymome infratento-
122
TAKO - Neuroonkologie
Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter
rieller Lokalisation kraniospinal bestrahlt, wobei ein Vorteil gegenüber der lokalen Strahlentherapie nicht belegt
werden konnte. Heute wird bei allen nicht metastasierten Ependymomen eine Lokalbehandlung durchgeführt,
nachdem unabhängig von Histologie, Lokalisation und Bestrahlungsvolumen nahezu ausschließlich Lokalrezidive
auftraten. Die damit verbundene Senkung von Spätfolgen der Behandlung bezüglich physischer und psychosozialer
Entwicklung ermutigt zusätzlich.
Die Chemotherapie hat in der Vergangenheit in klinischen Studien keinen sicheren Überlebensvorteil gezeigt,
aber ein Response ist belegt für junge Kinder und auch in Rezidivsituationen.
4. Gliome mit hoher Malignität und Ponstumoren
Der Begriff „malignes Gliom“ stellt einen klinisch häufig verwendeten Sammelbegriff für verschiedene, histologisch
definierte Gehirntumoren dar. Gemeinsam ist ihnen, dass sie von glialen Zellen ausgehen, Zeichen der Anaplasie
aufweisen und für eine schlechte Prognose bekannt sind.
Maligne Gliome sollten so weit wie möglich reseziert werden.
Diffus intrinsische Ponsgliome mit kurzer Anamnese, typischer Radiomorphologie und Klinik: keine Operation
sondern sofort Beginn mit Chemo-/Radio-Therapie. Bei Tumoren dieser Lokalisation ist das Morbiditätsrisiko von
Operationen hoch und die prognostische Relevanz der Histomorphologie gering. Daher werden sie in erster Linie
radiomorphologisch klassifiziert:
1.
2.
3.
4.
Typische diffuse intrinsische Ponsgliome
Typische Mittelhirn- (Mesenzephalon-) Gliome
Dorsal exophytische zerebello-medulläre Gliome
Untypische Hirnstammgliome
ad 1: Das typische diffuse intrinsische Ponsgliom ist in der Brücke lokalisiert. Die Tumorgrenzen sind im CTnur
schwerlich auszumachen, der Tumor scheint vielmehr die Pons diffus aufzutreiben. Er erscheint im CT hypodens, in
T1-gewichteter Kernspintomographie hypointens und in T2-gewichteter Kernspintomographie hyperintens. Eine
Kontastmittelanreicherung findet sich typischerweise anfangs nicht. Diese Tumoren haben eine ausgesprochen
schlechte Prognose.
ad 2 und 3: Mesenzephale Hirnstammgliome und dorsal exophytische zerebello-medulläre Tumoren sind
typischerweise nur langsam progredient - siehe Leitlinien für niedriggradige Gliome.
ad 4: Einige Hirnstammgliome können in keine der oben genannten Gruppen eingeordnet werden. Dies gilt
insbesondere für exophytische Ponstumoren, oder bei primärer Kontrastmittelanreicherung. Bei diesen Tumoren
ist eine histologische Abklärung notwendig.
123
TAKO - Neuroonkologie
Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter
Literatur
ZNS-Tumoren J. Kühl, R. Korinthenberg S777-822 in Gadner, Gaedicke, Niemeyer, Ritter: Pädiatrische Hämatologie und
Onkologie. (Springer 2005).
Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Bernhard Meister
Dr. Gabriele Kropshofer
Dr. Andreas Klein-Franke
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-81570
Fax: 0043-512-504-24934
E-mail: [email protected]
E-mail: [email protected]
E-mail: [email protected]
Univ.-Prof. Dr. Alois Obwegeser
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-27452
Fax: 0043-512-504-27453
E-mail: [email protected]
Univ.-Prof. Dr. Alexander DeVries
Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-22801
Fax: 0043-512-504-22812
E-mail: [email protected]
124
TAKO - Neuroonkologie
Hypophysentumore
Hypophysentumore
I. Einführung und Klassifikation
Raumforderungen im Bereich der Sella turcica können primär hypophysär-adenomatösen, zystischen,
granulomatösen oder anderen Zellursprungs sein (Tab. 1).
Tabelle 1: Raumforderungen im Bereich der Hypophyse
Hypophysenadenome
Hypophysenkarzinome
(sehr selten)
Ontogenetische
Zellresttumoren
Zysten und Fehlbildungen
Primitive Keimzelltumoren
Vaskuläre Veränderungen
Entzündungen und
Granulome
Sonstige Tumoren
Hormonaktiv
Hormoninaktiv
Hormonaktiv
Hormoninaktiv
Kraniopharyngeome, Epidermoide, Chordome,
Zyste der Rathke`schen Tasche
Dermoidzyste, Kolloidzysten, sphenoidale Mukozele, Arachnoidalzyste
Germinome, Teratome, ektopes Pinealome
Aneurysma, Blutungen, Hämangiome
Abszesse, Sarkoidose, Tuberkulome, Histiozytosis X,
Echinokokkus-Zysten, Hypophysitis, Riesenzellgranulom
Gliome, Meningeome, Metastase
Das hypophysäre Inzidentalom
eine Raumforderung im Sellabereich, die “zufällig” bei einer CT/MRT Untersuchung des Schädels mit nichthypophysärer Fragestellung gefunden wird; inkludiert auch chronische Kopfschmerzen als Untersuchungsgrund
(außer neu innerhalb der letzten 4 Wochen aufgetretene Kopfschmerzen).
Abklärung und Therapie wie Hypophysenadenome.
II. Hypophysenadenome
stellen rund 80% der hypophysären Raumforderungen dar
1. Prävalenz
Okkulte Adenome 10–20 % (Autopsie- und MRT-Serien)
Klinisch manifeste Adenome 40–70 pro 100.000 Einwohner.
125
TAKO - Neuroonkologie
Hypophysentumore
Tabelle 2a: Häufigkeitsverteilung klinisch manifester Hypophysenadenome
Prolaktinom
Hormoninaktiv
Akromegalie
M. Cushing
Thyreotropinom
Gonadotropinom
55 %
30 %
10 %
5%
1%
1%
Tabelle 2b: Klassifikation von Hypophysenadenomen
Tumorgröße
< 1 cm
>1 – 4 cmcm
cm
> 4 cm
Mikroadenom
Makroadenom
Riesenadenom
Ausdehnung
intrasellär
parasellär
suprasellär
sphenoidal
subfrontal
retrosellär
mit Metastasen
Hypophysenkarzinom
Hormonaktivität
klinisch inaktiv
Keine Hormonsekretion
FSH/(LH)-produzierend
klinisch aktiv
Prolaktin-produzierend
hGH-produzierend
ACTH-produzierend
TSH-produzierend
Mischadenom
Immunhistologie
Null-Zell-Adenome
e (hormoninaktiv)
Onkozytom (hormoninaktiv)
Prolaktin-speichernd
hGH-speichernd
ACTH-speichernd
TSH-speichernd
FSH/LH-speichernd (klinisch inaktiv)
mehrere Hormone speichernd
2. Klinische Symptomatik
Hormonelle Störung:
Hormonüberschuss:
Raumfordernder Effekt:
Partielle oder komplette Hypophyseninsuffizienz (Tab. 3)
Akromegalie, M. Cushing, Hyperprolaktinämie, Hyperthyreose
Sehstörung (Schleier- oder Nebelsehen, Gesichtsfelddefekte), Hirnnervenlähmungen, Kopfschmerzen
126
TAKO - Neuroonkologie
Hypophysentumore
Tabelle 3: Symptome einer Hypophysenvorderlappeninsuffizienz
Ausfall der somatotropen Funktion
Minderwuchs im Kindes- und Jugendalter, veränderte
Körperzusammensetzung mit reduzierter Muskelmasse und
vermehrter abdomineller Fetteinlagerung; Fettstoffwechselstörung:
erhöhtes LDL und erniedrigtes HDL, erhöhtes Arterioskleroserisiko,
reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit, verminderte
Lebenserwartung
Ausfall der gonadotroph
hen Funktion
verminderte oder fehlende Achsel-und Schambehaarung, vermehrte
periokuläre und periorale Fältelung der Haut; bei der Frau: OligoAmenorrhö, Mammaatrophie, Infertilität beim Mann: Infertilität,
Libido- und Potenzminderung, kleine, weiche Testes, Abnahme der
Muskelkraft
Ausfall der thyreotroph
hen Funktion
Kälteintoleranz, Neigung zur Gewichtszunahme, Müdigkeit,
Lethargie, Wesensveränderung, Bradykardie, Hypercholesterinämie
Ausfall der kortikotroph
hen Funktion
blasses Hautkolorit, Schwäche, Müdigkeit, Apathie
ApathieAdynamie,
Gewichtsverlust, Übelkeit, Erbrechen in Stresssituationen,
Hypoglykämien (bei gleichzeitigem GH-Mangel)
GH-produzierende Hypophysenadenome: Gigantismus/Akromegalie
Vergrößerung der Akren, Progenie, vergröberte Gesichtszüge, Kopfschmerzen, Hyperhidrosis, Artikulationsstörungen bei Makroglossie, Struma, Viszeromegalie, Kolonpolypen, Kardiomyopathie, nächtliche Schlafapnoe,
Hypertonie, Glukosetoleranzstörung, Arthrosen
Prolaktinome: Hyperprolaktinämie
Galaktorrhö und Symptome des Hypogonadismus: Oligo - oder Amenorrhö, Libidoverlust bzw. Potenzverlust,
Infertilität, Osteoporose
ACTH-produzierende Hypophysenadenome: Morbus Cushing
Symptome des Glukokorticoidexzesses:
Stammbetonte Fettsucht, Vollmondgesicht,
Striae rubrae, Büffelnacken, Hyperlipidämie
Glukosetoleranzstörung, Hypertonie, Osteoporose
TSH-produzierende Hypophysenadenome (Thyreotropinome):
Symptome der Hyperthyreose: Schwäche, Gewichtsverlust, Tremor, Palpitationen, Schwitzen, Hitzeintoleranz,
Hypocholesterinämie
FSH/(LH)-produzierende Hypophysenadenome (Gonadotropinome):
klinisch hormoninaktiv
127
TAKO - Neuroonkologie
Hypophysentumore
3. Diagnostik
A. Hormonanalytik
Bei allen Hypophysentumoren Bestimmung der Hypophysen- und nachgeordneten Hormone basal (ACTH,
Kortisol, DHEAS; PRL, hGH, IGF-1; fT3, fT4, TSH; Ö2/Testo (fTesto), LH/FSH; optional alpha Subunit; 24h
freies Harnkortisol; zusätzlich low dose Synacthentest (Plasmakortisol 30 Min. nach 1 µg Synacthen® iv);
Bei vermuteter Übersekretion Suppressionstests
B. Bildgebende Diagnostik
MRT; ergänzend evtl. CT, MR/CT-Angio, evtl. konventionelle Angiographie
C. Ophthalmologische Untersuchung
Gesichtsfelder, Visus, Fundi; in Eizellfällen evozierte visuelle Potentiale
D. Neurologische Untersuchung
bei Hirnnervenlähmung und Hirndrucksymptomatik
– GH-produzierende Hypophysenadenome
Hormonanalytik:
Basales IGF-1 und GH (optional IGFBP-3)
Supressionstest: Oraler Glucosetoleranztest (OGTT) mit 75g Glucose
(bei Normalpersonen Supression des GH auf unter 0,3 µg/l – gemessen mit
immunometrischen Assays)
Bei Diabetikern kein OGTT, stattdessen GH-Stundenprofil
(GHRH Bestimmung bei negativem Hypophysen-MRT)
Zusätzliche Untersuchungen: Echokardiografie, Schilddrüsensonografie
Kolonoskopie, Schlaflabor, Wirbelsäulenröntgen, Osteodensitometrie
– Prolaktinome
Hormonanalytik:
Basales Prolaktin
Zusätzliche Untersuchungen: Osteodensitometrie
– ACTH-produzierende Hypophysenadenome
Hormonanalytik:
Basales ACTH, Kortisol, 24 h freies Harnkortisol und siehe Tab. 4
Zusätzliche Untersuchungen: Wirbelsäulenröntgen, Osteodensitometrie
128
TAKO - Neuroonkologie
Hypophysentumore
Tabelle 4: Stufendiagnostik Cushing-Syndrom
Ausschluss
Verdachtsdiagnose
Over Nnight low dose
Dexamethasonhemmtest
1 mg Dexamethason um 23 h mit
morgendlicher Bestimmung des
Serumkortisols
Bei adäquater Suppression des
Serumkortisols auf <20ng/ml ist
ein (endogenes) Cushing-Syndrom
ausgeschlossen; Grauzone 20 – 50 ng/ml
Diagnosesicherung
Over Night low dose
Dexamethasonhemmtest
Mangelhafte Suppression
Kortisolausscheidung
Freies Kortisol im 24 Std Urin
Erhöhte Ausscheidung von freiem Kortisol
bei jeder Form des endogenen CushingSyndroms
Niedrigdosierter 2 TagesDexamethasonhemmtest
4x 0,5mg Dexamethason über 2 Tage
Mangelnde Suppression des Serumkortisols
und Harnkortisols bei jeder Form des
endogenen Cushing-Syndroms
Kortisoltagesrhythh
hmik
Bestimmung des Serumkortisols um
8.00 h und 24.00 h unter stationären
Bedingungen
Aufgehobene Tagesrhythmik
(Mitternachtskortisol < 50% unter 8.00 h
Kortisol, bzw. > 75 ng/ml) bei jeder Form
des endogenen Hyperkortisolismus, im
Gegensatz zu Pseudo-Cushing, etc.
ACTH-Plasmakonzentration
- Supprimiert bei Kortisol-sezernierendem
Nebennierenrindenadenom – oder
karzinom
- Normal oder leicht erhöht bei Morbus
Cushing
- meist exzessiv erhöht bei CushingSyndrom aufgrund einer ektopen ACTHSekretion
CRH-Test
Injektion von 100µg CRH i.v. oder
1µg/kg KG, Bestimmung von Kortisol
und ACTH nach 0, 15, 30, 45, 60 und 60
90 min
- Anstieg von ACTH (ca 35%) und Kortisol
(ca. 20%)gegenüber dem Ausgangswert
bei Morbus Cushing
- Keine Modulation von ACTH und Kortisol
bei ektopem Cushing-Syndrom
Optional
Differentialdiagnose
Hochdosierter 2 Tages- Serumkortisol, Harnkortisol (und ACTH)
Dexamethasonhemmtest
partiell supprimiert bei Morbus Cushing
4 x 2mg über 2 Tage;;
- Keine Modulation von ACTH und Kortisol
alternativ auch 8mg in einer 23 Uhr Dosis bei ektopem Cushing-Syndrom
(over night high dose
Dexamethasontest)
Bei Mikroadenom
und Cushing zur
Diagnosesicherung
gefordert (besser
als Stimulations/
Hemmtests)
Sinus-petrosus inferior
Katheterisierung
Kombination mit CRH-Test
Zentrale und periphere ACTHBestimmung
129
- ACTH-Gradient zwischen zentral und
peripher bei Morbus Cushing
(basal > 2,0 , nach CRH > 3,0)
- Kein Gradient zwischen zentral und
peripher bei ektoper ACTH-Bildung
TAKO - Neuroonkologie
Hypophysentumore
– TSH-produzierende Hypophysenadenome
Hormonanalytik: fT3, fT4, TSH; TSH typischerweise absolut/relativ hoch im Verhältnis zu fT3 und fT4; alphaSubunit meist erhöht – molare Subunit/TSH Ratio meist erhöht; TRH Test mit 400 µg, meist keine Stimulation.
Bei Mikroadenomen Ausschluss einer T4 Resistenz notwendig
Zusätzliche Untersuchungen: Schilddrüsensonographie
– FSH/(LH)-produzierende Hypophysenadenome:
Hormonanalytik: LH/FSH; alpha Subunit (+ GnRH Test)
III. Allgemeine Therapie der Hypophysenadenome
Ziel: Beseitigung der Raumforderung
Normalisierung von Visus und Gesichtsfeld
Normalisierung der Hormonübersekretion
Erhaltung oder Wiederherstellung der Hypophysenfunktionen
Als primäre Behandlungen stehen zur Verfügung:
1.) Operative Therapie: Transnasal-transsphenoidale Operation, in besonderen Fällen transkraniell-subfrontale
Operation
2.) Radiotherapie:
a.) Radiochirurgie: Gamma-knife, Linearelektronenbeschleuniger (Tumor < 25mm)
b.) Konventionelle Strahlentherapie: Stereotaktisch fraktioniert und dreidimensional, konformal
3.) Medikamentöse Therapie: beim Prolaktinom; u. U. bei Akromegalie, TSH-, FSH/(LH)om
IV. Spezifische Therapie der Hypophysenadenome
1. GH-produzierende Hypophysenadenome
A. Operative Therapie 1. Wahl
B. In Einzelfällen primäre medikamentöse und/oder Radiotherapie
Medikamentöse Therapie (primär oder nach nicht erfolgreicher Operation):
a) Dopaminagonisten (einfache Applikation, geringe Kosten)
Cabergolin (Dostinex®, Cabaseril®): einschleichend, 0,25 mg 2x/Woche bis 1,0 mg tgl. abends
b) Lang wirkende Somatostatin-Analoga (hohe Kosten)
Vortestung mit kurz wirksamem s.c. Sandostatin wünschenswert.
Octreotid (Sandostatin LAR®): 10-40 mg intramuskulär alle 4 Wochen oder
Lanreotid (Somatuline Autogel®): 60-180 mg alle 4 Wochen tief s.c.
c) bei nicht ausreichender Wirkung Kombination von a und b versuchen
Cabergolin und Somatostatinanaloga können auch eine Tumorverkleinerung bewirken
130
TAKO - Neuroonkologie
Hypophysentumore
d) bei nicht ausreichender Wirkung GH-Rezeptorantagonist (Pegvisomant, Somavert®, sehr hohe Kosten)
10-30 (40) mg tgl. s.c.; dosisabhängige IGF-1 Suppression (GH in Therapiekontrolle nicht brauchbar);
engmaschige Kontrolle der LFP in den ersten Behandlungsmonaten
C. bei unzureichendem operativem Ergebnis sollte Strahlentherapie bei jüngeren PatientInnen und bei erhaltener
Hypophysenfunktion wegen möglicher Langzeitnebenwirkungen hinausgeschoben werden
D. Präoperative Vorbehandlung über einige Monate mit Somatostatinanaloga bei PatientInnen mit hochflorider
Akromegalie und Makroadenomen
Remissionskriterien: normales alters-/geschlechtsspezifisches IGF-1, basales GH < 1,0 µg/L, OGTT GH < 1,0 µg/L
(GH mit immunometrischem Assay)
2. Prolaktinome
A. Medikamentöse Therapie 1. Wahl: Dopaminagonisten
hemmen die Prolaktinsekretion und führen zu einer Tumorverkleinerung
Cabergolin (Dostinex®): 0,25-0,5mg 2-4x/Woche abends
Bei Unverträglichkeit andere DA-Agonisten versuchen, z. B. Bromocriptin (Parlodel®) 2,5-40mg tgl. oder
Quinagolid (Norprolac®), etc.
B. Operative Therapie:
Indikation: Unverträglichkeit der medikamentösen Therapie,
nicht ausreichende Wirkung der medikamentösen Therapie, rasch progredienter Visusverlust, großer, zystischer
Tumoranteil
Prolaktinom und geplante Schwangerschaft
•
•
•
Mikroprolaktinom: Bromocriptintherapie (Parlodel®, ist in der Gravidität zugelassen) um Konzeption zu
ermöglichen; soll bei eingetretener Gravidität abgesetzt werden; kann bei Bedarf wieder begonnen werden
Makroprolaktinom ohne Beziehung zum Chiasma: Bromocriptintherapie zur Adenomschrumpfung, dann wie
Mikroprolaktinom
Großes Makroprolaktinom mit Beziehung zum Chiasma: transsphenoidale operative Tumorverkleinerung,
evtl mit Strahlentherapie vor geplanter Konzeption und/oder andauernder Bromocriptintherapie um die
potentielle Gefahr einer neurologischen Komplikation durch Hypophysenschwellung in der Schwangerschaft
zu vermindern
Klinische Kontrollen in Schwangerschaft notwendig, bei großen Makroadenomen monatliche Gesichtsfeldkontrollen, bei Bedarf MRT.
131
TAKO - Neuroonkologie
Hypophysentumore
3. ACTH-produzierende Hypophysenadenome:
A. Operative Therapie 1. Wahl
Remissionskriterium: postoperative sekundäre NNR-Insuffizienz bzw. normales Harnkortisol und vollständige
Kortisolsuppression nach low dose Dexamethason
B. Medikamentöse Therapie
bei Misserfolg der operativen Therapie Hemmung der adrenalen Steroidsynthese mit Ketoconazol (Nizoral® aus
Deutschland) 2x200 bis 3x400 mg tgl., oder Metyrapon (Metopiron®) oder Aminoglutethimid (Orimeten®), oder
Mitotane (op-DDD, Lysodren® aus USA) oder eine Kombination dieser Mittel (kleinere Einzeldosen, bessere
Verträglichkeit)
Wenn i.v. Applikation notwendig: Ethomidate (Hypnomidate®) Dauerinfusion
SOM230, neues Somatostatinanalogen zur Hemmung der ACTH Sekretion in Erprobung
C. Radiotherapie: besonders zu empfehlen, wenn Adrenalektomie geplant ist
D. Bei Persistenz des Hyperkortisolismus:
beidseitige laparoskopische Adrenalektomie als Ultima Ratio (Cave: Entwicklung eines Nelson-Syndroms)
4. TSH produzierende Hypophysenadenome:
A. Operative Therapie 1. Wahl
B. Medikamentöse Therapie bei unzureichendem operativen Ergebnis mit Somatostatin-Analoga; Cabergolin
kann in Einzelfällen hilfreich sein
C. Radiotherapie
5. Hormoninaktive Hypophysenadenome:
A. Abwartende Haltung bei kleinen, zufällig entdeckten Inzidentalomen, die nicht zu Partialfunktionsstörung
oder zu neurologischen Symptomen geführt haben
B. Operative Therapie bei Makroadenomen
C. Medikamentöser Therapieversuch bei FSH/(LH) oder Alphaketten produzierenden Adenomen mit
Somatostatin-Analoga, evtl in Kombination mit Cabergolin
D. Radiotherapie
132
TAKO - Neuroonkologie
Hypophysentumore
V. Kraniopharyngeome
Inzidenz bis zum 14. Lebensjahr 1,2/1.000.000
Histologisch finden sich vorwiegend adamantinöse (ca. 90%) und selten papilläre (ca. 10%, praktisch immer
suprasellär) Kraniopharyngeome
1. Klinische Symptomatik
Hormonelle Ausfälle häufig: bei Kindern Minderwuchs und Pubertätsverzögerung im Vordergrund, bei
Erwachsenen Hypogonadismus; auch Diabetes insipidus
Sehstörungen: Verminderte Sehleistung, Gesichtsfelddefekte, Doppelbilder
Kopfschmerzen, Hirndrucksymptomatik
2. Diagnostik
analog zu den Hypophysenadenomen; CT zur Darstellung der Verkalkungen sinnvoll. Kalzifikationen und
Zystenbildung charakteristisch
3. Therapie
A. Operative Therapie 1. Wahl: radikal soweit ohne großes Risiko möglich
a) transkranielle oder transsphenoidale Tumorexstirpation
b) Druckentlastung (Shunt-OP) bei Hydrocephalus occlusus
c) stereotaktische Zystenentfernung und innere Shuntung (bei zystischen Kraniopharyngeomen)
B. Radiotherapie bei kleinen Tumoren oder postoperativ bei inkompletter Tumorentfernung
a) stereotaktische fraktionierte Strahlentherapie bei jüngeren Patienten
b) dreidimensionale Strahlentherapie mit nonplanaren Einstrahlrichtungen und hochenergetischen Photonen
(Gesamtdosis 50,4-54 Gy, Einzeldosis 1,8-2 Gy 5x/Woche)
C. Operation mit nachfolgender Strahlentherapie häufig notwendig
133
TAKO - Neuroonkologie
Hypophysentumore
VI. Hormonsubstitutionstherapie
Eine Insuffizienz des kortikotropen und thyreotropen Systems muss präoperativ substituiert werden.
Postoperativ ist eine komplette Evaluierung der hypophysären Hormonsysteme (inklusive Wachstumshormon)
mittels Funktionstests notwendig. Hormondefizite müssen substituiert werden.
Tabelle 5: Substitutionstherapie
Partialfunktion
Antidiuretisches Hormon (ADH)
Substitutionstherapie
Desmopressin (z.B. Minirin®) 5-2x20 μg intranasal; auch perorale
oder intravenöse Applikatotion möglich
Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse
Hydrocortison (Hydrocortone®) 15-30 mg tgl. p.o.; 2/3 der Dosis am
Morgen, 1/3 am Nachmittag
DHEA 25 (-50) mg tgl. p. o.
Wachstumshormon (GH)
Hypophysen-Gonaden-Achse
Rekombinantes GH s.c., angepasst an IGF-1
Mann: Testosteron als Testogel® 50 mg tgl. transdermal oder
Nebido® alle 10-14 Wochen i. m.
Frau: Östrogen/Gestagen Kombination oder Kontrazeptivum p.
o. oder transdermal
Hypophysen-Schilddrüsen-Achse
L-Thyroxin 50 -200 μg p.o. tgl.
Cave: zur Therapiekontrolle fT3 und fT4 Bestimmung, TSH nicht
geeignet!
PatientInnen mit Kortikotropinmangel brauchen einen Notfallsausweis, aus dem die Substitutionsbedürftigkeit
und die Notwendigkeit höherer Kortisondosen in Stresssituationen hervorgeht.
VII. Nachsorge
Bildgebung: MRT nach 2-3, (6), 12 Monaten; weiterhin jährlich oder in größeren Intervallen
Hormonelle Diagnostik: Hypophysenfunktionstest (inklusive Wachstumshormon) nach 2-3 Monaten; meistens
regelmäßige endokrinologische Kontrollen erforderlich, insbesondere bei PatientInnen mit Hypophyseninsuffizienz und nach Radiotherapie
Opthalmologische Kontrolle: nach 2-3 Monaten, später nach Bedarf
In Abhängigkeit davon weiterführende, interdisziplinäre neurochirurgische strahlentherapeutische und endokrinologische Therapie
134
TAKO - Neuroonkologie
Hypophysentumore
Verfasser: Dr. Jürgen-Volker Anton
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-27452
Fax: 0043-512-504-27453
E-mail: [email protected]
OA Dr. Meinhard Nevinny
Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-22801
Fax: 0043-512-504-22812
E-mail: [email protected]
Ass.Prof. Dr. Gerd Finkenstedt
Univ.-Klinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Endokrinologische Ambulanz, Ambulanzzeiten Mo – Fr. 8 – 10 h, telefonische Anmeldung erforderlich
Tel: 0043-512-504-24109
Fax: 0043-512-504-24105
E-mail: gerd.fi[email protected]
135
TAKO - Neuroonkologie
Notizen
136
TAKO - Neuroonkologie
Meningeome
Meningeome
I. Epidemiologie
Meningeome werden als gutartige Tumoren betrachtet und repräsentieren 10-19% aller Hirntumoren. Meningiome
stellen den Großteil der Schädelbasistumoren dar, sodaß der Terminus der „anatomischen Malignität“ im
Gegensatz zur biologischen Malignität, in diesem Bereiche für Meningiome anzuwenden ist. Die Altersverteilung
ist homogen, bei Kindern kommen sie jedoch nur unter 2% vor.
II. Lokalisation
Die Prädilektions-Lokalisation liegt in 50-60% im Bereich der cerebralen Konvexität und der Falx, in 25-40% im
Bereiche der Lamina cribrosa (Olfactoriusmengiom) und der vorderen Schädelgrube und in 15% im Bereich des
Tentoriums und der hinteren Schädelgrube.
In 5% der Fälle treten sie multipel auf. In diesem Falle wird in der Regel ein Defekt am Chromosom 21
nachgewiesen.
III. Histologie
Neben den histologischen Subtypen werden die Meningeome nach ihrem biologischen Verhalten eingeteilt:
typische (WHO Grad I), atypische (Grad II) und maligne (WHO Grad III). Die Häufigkeit dieser einzelnen Graduierungen
liegt bei 89%, 10% und 1%. Eine Metastasierung der malignen Meningiome in andere Organe kommt in 0,1% vor
(3 Eigenbeobachtungen).
IV. Symptomatik
Je nach Lokalisation werden die Meningiome mit einem epileptischen Anfall, psychischen Veränderungen, fokalen
neurologischen Ausfällen oder -charakteristisch -mit einer Geruchsstörung symptomatisch.
V. Diagnostik
Klinische neurologische Untersuchung, CT, MRT und in ausgewählten Fällen cerebrale Angiographie
137
TAKO - Neuroonkologie
Meningeome
VI. Therapie
Anzustreben ist die chirurgische Radikaloperation, wobei auch der Ansatz mitreseziert werden muß (Simpson
Graduierung I-V; von radikal mit Resektion des Ansatzes bis hin zur Biopsie).
Menigiome im Bereiche der Schädelbasis gehören zu den schwierigsten neurochirurgischen Eingriffen, wobei
vielfach nur eine Teilresektion des Tumors gelingt.
In manchen Fällen kann eine präoperative angiographisch durchgeführte Tumor-Embolisation hilfreich sein.
Im Falle eines Rezidivtumors wird in erster Linie wiederum die Reoperation anzustreben sein, gefolgt von einer
Strahlentherapie bis 60 Gy oder Radiochirurgie.
Experimentelle Therapien werden mit Progestesteronrezeptorenblockern oder Hydroxyurea durchgeführt. Da 70%
der Meningiome Progesteron-Rezeptoren exprimieren, wird an einigen Zentren gemäß eines experimentellen
Protokolles ein Antiprogesteron (Mifepristone-RU 486) mit wechselndem Erfolg eingesetzt. Hydroxyurea zeigte
an unserer Institution keinen Effekt.
VII. Klinische Therapie-Studie
1. Meningeoma Trial 26021- 22021 (EORTC Studie)
„Observation vs conventional-fractionated radiotherapy after surgery after non-radical surgery for benign
meningeomas: a phase III study
study“
Studiendesign: multizentrische, offene Phase III Studie. Die Patienten werden nach subtotaler Resektion eines
benignen Meningeoms (WHO I) in eine Kontrollgruppe oder in einen Bestrahlungsarm randomisiert.
Studienleiter in Innsbruck: Univ.-Prof. Dr. H. Kostron
2. Ergebnisse
Die mittlere Überlebenszeit beträgt 12 Jahre. Die chirurgische Mortalität erreicht in Abhängigkeit der Lokalisation
bis zu 14%. Die Rezidivrate aller Meningeome beträgt innerhalb von 25 Jahren 9-55%. Typische Meningeome
weisen eine Rezidivrate von 3% innerhalb von 5 Jahren und 21% nach 25 Jahren auf, atypische 38% nach 5 Jahren
und maligne Meningiome bis zu 78% innerhalb von 5 Jahren.
138
TAKO - Neuroonkologie
Meningeome
Meningosarkome
Seltener Tumor des Kindes und Adoleszenzalters, mit multilokalem Befall, welcher häufig auch den Spinalkanal
betrifft. Bei raumforderder Wirkung wird die operative Dekompression angestrebt, eine externe Bestrahlung kann
versucht werden, die Prognose ist jedoch schlecht.
Primäre Melanocytome der Meningen
Diese seltenen Tumorformen umfassen meningeale Melanocytome (melanocytische Meningiome) und die
meningeale Melanose, sowie primäre maligne Melanome. Während die Prognose der Erstgenannten der der
atypischen Meningiome entspricht, ist die Prognose des letzteren infaust.
Literatur
Kreil W, Luggin J, Fuchs I, Weigl V, Eustacchio S, Papaefthymiou G. (2005) Long term experience of gamma knife radiosurgery for
benign skull base meningiomas. J Neurol Neurosurg Psychiatry 76:1425-30 (Review)
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Mendenhall WM, Friedman WA, Amdur RJ, Foote KD. (2004) Management of benign skull base meningiomas: a review. Skull
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through 1988. Mayo Clin Proc 73:936-42
Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Herwig Kostron
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
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OA Dr. Meinhard Nevinny
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139
TAKO - Neuroonkologie
Notizen
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TAKO - Neuroonkologie
Tumoren der Nerven und Nervenscheiden
Tumoren der Nerven und Nervenscheiden
Neurinome bzw. Schwannome sind seltene, langsam und verdrängend wachsende, gutartige Geschwülste der
Nerven. Lediglich bei Neurofibromatose findet sich ein gehäuftes und multilokuläres Auftreten. Schwannome
enstehen im Bereiche der Übergangszone Oligodendroglia-Schwannzelle und finden sich am häufigsten als
Schwannom des N. vestibularis (Akustikusneurinom).
Obwohl Neurinome bzw. Schwannome prinzipiell an allen Nerven auftreten können, ergibt sich eine wesentliche
klinische Relevanz bezüglich ihrer Häufigkeit, Lokalisation und Symptomatik meist nur bei den Akustikusneurinomen
oder auch vestibulären Schwannomen. Im Bereich anderer Hirnnerven, wie z. B. dem N. trigeminus, N. abducens
oder N. glossopharyngeus sind Neurinome selten. Es sollen hier deshalb die Akustikusneurinome in Stellvertretung
der anderen Neurinome der Hirnnerven im Zentrum der Betrachtung stehen.
I. Akustikusneurinome (vestibuläre Schwannome)
Mit einer Inzidenz von ca. 1 pro 100.000 machen Akustikusneurinome etwa 8-10% aller intrakraniellen Tumoren
aus und sind vor allem im mittleren Lebensalter zu finden. Sie gehen meist von der Pars superior des N. vestibularis
aus, liegen somit unmittelbar vor dem Porus acusticus internus und sind in mehr als 90% der Fälle einseitig.
Beidseitige Akustikusneurinome treten bei einer Neurofibromatose Typ II auf.
1. Klinik
Akustikusneurinome zeichnen sich meist durch eine langsam zunehmende, einseitige Hörminderung, einen
hochfrequenten Tinnitus und einen langsam zunehmenden Schwankschwindel mit Gangstörungen und
Fallneigung zur betroffenen Seite aus. Nur bei einem kleinen Teil der Patienten kommt es zu einer akuten Hypakusis
durch Ischämie der A. labyrinthi oder zu Symptomen auf Grund einer Kompression benachbarter Hirnnerven und
des Hirnstammes (Sensibilitätsstörungen, Parästhesien, Gangstörung und/ oder Kleinhirnzeichen). Erst bei sehr
fortgeschrittenen Akustikusneurinomen können auch Hirndrucksymptome im Rahmen einer Liquorabflußstörung
auftreten. Differentialdiagnostisch ist an Meningeome oder andere raumfordernde Kleinhirnbrückenwinkeltumo
re, wie z.B. Epidermoide oder Metastasen, zu denken.
2. Diagnose
Radiologische Spezialaufnahmen des Felsenbeins in Schüller-Stenvers-Technik zur Beurteilung des Porus acusticus
internus wurden zwischenzeitlich durch hochauflösende CT-Feinschichtungen ersetzt. Als beste bildgebende
Methode steht heute aber die MRT der hinteren Schädelgrube mit einer 1mm dicken axialen und coronaren
Schichtung in T1 mit Kontrastmittel, mit der auch kleine intrameatale Neurinome dargestellt werden können, und
in T2 zum Ausschluß eines Hirnstamm-Ödems bei größeren Neurinomen zur Verfügung.
Neben der klinisch-neurologischen Befundung gehören eine audiologische Untersuchung und die Untersuchung
akustisch evozierter Potenziale (beide in 90% der Erkrankungsfälle pathologisch), sowie eine Elektronystagmografie
mit kalorischer Prüfung zum Spektrum der funktionalen Untersuchung.
141
TAKO - Neuroonkologie
Tumoren der Nerven und Nervenscheiden
3. Therapie
Wesentliches Ziel der Therapie ist es, den Tumor entweder chirurgisch zu entfernen oder durch eine geignete
Form der Radiotherapie am Wachstum zu hindern. Es gilt dabei die Funktion des N. fazialis als auch das Gehör des
betroffenen Ohres zu erhalten. Allerdings ist beim neurochirurgischen Eingriff wie bei der Radiochirurgie häufig
eine Hörverschlechterung um einen Grad nach der von Samii und Matthies angegebenen Skala (Samii
Samii et al. 1997
1997)
zu erwarten. Auch Ertaubungen sind sowohl bei Operation als auch bei Bestrahlung möglich. Gelegentlich lassen
sich aber auch Verbesserungen des Hörvermögens mittels der stereotaktischen Radiotherapie erreichen (Niranjan
et al. 1999; Poen et al. 1999).
4. „Wait and see“
Prinzipiell besteht die Möglichkeit, Akustikusneurinome zunächst nur zu beobachten da die Wachstumsgeschwindigkeit von Neurinomen bei ca. 4mm/Jahr liegt. Die lokale Kontrolle ohne Therapie liegt aber nur bei
24%. Bei 40% der Patienten sind im weiteren Verlauf dann doch Operationen oder Strahlentherapien erforderlich,
wobei infolge der Größenzunahme die therapiebedingten Nebenwirkungen ansteigen. Der Hörerhalt nach
4 Jahren ist ähnlich wie nach einer primären fraktionierten Radiotherapie (Shirato et al. 1999). Es wird deshalb
unsererseits eine abwartende Strategie bei Tumoren größer als 8 mm nicht mehr empfohlen.
5. Chirurgie
Mittels eines mikrochirurgischen Eingriffes, der über drei Zugangswege gelingt, liegt heute die Rate der kompletten
Tumorektomien mit postoperativer Erhaltung des Hörvermögens bei 24-57% (Samii
Samii et al. 1997
1997). In bis zu 93% ist
eine Erhaltung des N. fazialis möglich, wenn auch die Hälfte der Patienten in der frühen postoperativen Phase eine
später rückläufige Fazialisparese aufweist. Ausfälle oder Einschränkungen anderer Hirnnerven sind selten (<3%).
Eine Beeinträchtigung der Hirnstammfunktion wurde bei 8,5% der operierten Patienten beobachtet. Ähnlich
liegen die Komplikationsraten für Liquorfisteln oder Nachblutungen. Die Operationsmortalität liegt heute bei 0%.
Bei sehr großen Tumoren, wo die Gefahr der Nervschädigung sehr groß ist, wird der Tumor verkleinert und eine
Strahlentherapie angeschlossen.
6. Strahlentherapie
A. Radiochirurgie
Durch die Einführung der stereotaktischen Radiotherapie bzw. der Radiochirurgie, ist es heute möglich,
Akustikusneurinome bei optimaler Schonung des umgebenden Normalgewebes mit hohen Einzeldosen oder,
wie im Falle der Radiochirurgie, mit einer Einzeldosis zu bestrahlen, und hierdurch die Therapieergebnisse der
herkömmlichen Strahlentherapie mit konventioneller Fraktionierung zu übertreffen.
Von einer stereotaktischen Radiotherapie spricht man, wenn das zu bestrahlende Volumen über externe
Koordinaten bestimmt wird, die z.B. auf einem mit dem Kopf (mittels Knochenschrauben) fest verbundenen
142
TAKO - Neuroonkologie
Tumoren der Nerven und Nervenscheiden
Rahmen markiert sind. Die hiermit zu erreichende Präzision des Strahls liegt bei einer Abweichung von ca. 1mm.
Diese Präzisionsbestrahlung kann sowohl mittels eines Gamma-Knife-Gerätes als auch mittels eines speziell
ausgerüsteten Lineabeschleunigers erfolgen. Eine in verschiedenen Studien beschriebene geringfügig niedrigere
Kontrollrate (und Nebenwirkungsrate) bei Einzeittherapie mittels Linearbschleuniger gegenüber dem GammaKnife trotz gleicher Nominaldosis kann auf eine historisch unterschiedliche Dosis-Normierung zurückgeführt
werden und wurde in jüngeren Studien mit gleicher Dosis-Normierung nicht bestätigt (Suh et al. 2000).
Im Vergleich der Therapieergebnisse zwischen Mikrochirurgie und Radiochirurgie schneidet die Radiochirurgie
hinsichtlich der Langzeitkontrollraten und insbesondere hinsichtlich des Toxizitätsprofils besser ab. Ein Vergleich der
Behandlungsergebnisse der Universität Pittsburgh zeigte bei Tumoren < 3cm eine deutlich bessere Erhaltung des
Gehörs und eine signifikant geringere Nervschädigung nach Radiochirurgie. Die Langzeit-Tumorkontrollraten lagen
bei 85-90%. Neuere Langzeituntersuchungen ergaben Kontrollraten von 95%. Ein aktueller nicht-randomisierter
Vergleich zwischen Gamma-Knife-Einzeit-Radiotherapie und Operation bei geringerer Nachbeobachtungszeit
in der operierten Gruppe ergab gleiche Kontrollraten nach OP und RT, aber ebenfalls ein deutlich günstigeres
Toxizitätsprofil (Karpinos et al. 2002). Das Risiko einer Fazialisparese nach Radiochirurgie liegt heute unter 1%.
Die Höhe der Einzeldosis bei einer Radiochirurgie ist noch in Diskussion. Um die Rate der beschriebenen
Langzeitschäden (Neuropathien) auf unter 5% zu senken, wurden in den letzten Jahren die Dosen auf 9-15 Gy
gesenkt (Kondziolka et al. 2001).
B. Fraktionierte stereotaktische Radiotherapie
Vorteilhaft zeigt sich bezüglich der Nebenwirkungen, insbesondere hinsichtlich des Hörverlustes, die fraktionierte
stereotaktische Radiotherapie mit mehreren Einzeldosen von 5-6 Gy (hypofraktionierte Radiotherapie), oder mit
einer Normalfraktionierung mit Einzeldosen von 1,8 Gy bis zu einer Gesamtdosis bis 57,6 Gy. Hierbei wird zwar
durch die Wiederholung der Bestrahlung eine etwas geringere Präzision erzielt, da eine wiederholte Lagerung
mittels Knochenschrauben in einem Stereotaxie-Ring ausscheidet, jedoch kann bei gutem Zahnstatus über
einen Oberkiefer-Zahnabdruck, der mittels eines Vakuumsystems am Gaumen angesaugt wird, immerhin eine
Genauigkeit von 1-2 mm erreicht werden.
Die lokalen Kontrollraten nach hypofraktionierter und konventionell fraktionierter Radiotherapie liegen bei 91
und 92% nach 5 Jahren (Shirato et al. 2000; Meijer et al. 2000) mit einer Größenreduktion des Tumors bei ca. 45% der
Patienten, und mit 4% Komplettremissionen.
Die Erhaltung des Hörvermögens am bestrahlten Ohr gelang nach 5 Jahren bei 85% der Patienten (ohne
Neurofibromatose 100%, mit Neurofibromatose 56%) während nach Radiochirugie hier nur Raten zwischen 36
und 51% angegeben werden (Fuss et al. 2000). Die Rate der Fazialisparesen lag in diesen Studien nur bei 2%,
diejenige der Trigeminusneuralgien nur bei 3 bzw. 4%.
Einen gewissen Einfluss auf die Art des Vorgehens hat vor allem die Tumorgröße, da mit einer Größenzunahme die
Nebenwirkungen auf Grund des sich ebenfalls vergrößernden Bestrahlungsvolumens zunehmen. So ergeben sich
Vorteile einer fraktionierten Radiotherapie vor allem ab einer Tumorgröße von >2cm.
Somit scheint sich die fraktionierte Strahlentherapie gegenüber der Radiochirugie oder Einzeitbestrahlung (am
Gamma-Knife oder am Linearbeschleuniger) durchzusetzen.
Endgültige Ergebnisse zum klinischen Vergleich zwischen Radiochirurgie und fraktionierter stereotaktischer
Radiotherapie liegen aber trotz länger laufender Studien (Ito et al. 1997; Varlotto et al. 1996) derzeit noch nicht vor,
da nur in wenigen Serien längere Beobachtungszeiten von mehr als 12 Jahren erreicht wurden.
143
TAKO - Neuroonkologie
Tumoren der Nerven und Nervenscheiden
C. Postoperative Radiotherapie
Mit einer postoperativen, konventionell fraktionierten Strahlentherapie konnten bei inkomplett operierten
Patienten die Lokalrezidivraten von 46% auf 6% vermindert werden (Wallner
Wallner et al. 1987
1987). Übliche Bestrahlungsdosen
sind 50-55 Gy in Einzeldosen zu 1,8 Gy. Bei nahezu vollständiger Resektion ist ein Zuwarten gerechtfertigt.
D. Andere Lokalisationen:
Auch Neurinome anderer Hirnnerven können radiochirurgisch behandelt werden. Indikationen bestehen vor
allem bei kleinen, operativ schwer zugänglichen oder inkomplett operierten Tumoren. Günstig sind die Ergebnisse
bei Trigeminus-Neurinomen. Allerdings sind die beobachteten Fallzahlen hier noch klein.
II. Maligne Schwannome
Maligne Schwannome können von allen peripheren Nerven bzw. Nervenscheiden ausgehen und zeigen einen
malignen Verlauf mit rascher Rezidivierung und Metastasierung.
Therapie
Eine Radikalexstirpation (soweit möglich) und eine postoperative Radiotherapie mit Gesamtdosen über 60
Gy (auch nach in sano-Resektion) in Einzeldosen von 1,8-2,0 Gy, sowie eine sequentielle oder auch simultane
Chemotherapie mit Ifosfamid sind die geeigneten aggressiven Therapieformen.
In der Palliation kommen eine primäre Radiotherapie oder eine primäre Chemotherapie mit Ifosfamid mit jeweils
reduzierten Dosen in Frage.
Therapieverlauf und Prognose entsprechen im Wesentlichen dem von anderen Weichteilsarkomen (siehe auch
TAKO-Protokoll Weichteilsarkome).
III. Anaplastische Neurofibrome
Anaplastische Neurofibrome sind extrem selten und weisen einen malignen Verlauf auf. Die konventionelle
Strahlentherapie ist im wesentlichen wirkungslos, einen guten Effekt zeigt gemäß ersten Berichten die
Radiochirurgie mittels Gamma-Knife oder Linearbeschleuniger. Studienergebnisse mit größeren Patientenzahlen
liegen hierzu jedoch noch nicht vor. Die Therapie entspricht derjenigen der Neurinome.
Anhang: Neurofibromatose
1. Neurofibromatose Typ 1
repräsentiert 90 % aller Neurofibromatosefälle
wird autosomal dominant vererbt und weist eine Häufigkeit von 1 auf 3.000 auf
in der Regel zeigt sich die NF-1 innerhalb der ersten 5 Lebensjahre
144
TAKO - Neuroonkologie
Tumoren der Nerven und Nervenscheiden
Diagnostische Kriterien:
2 oder mehr der folgenden Merkmale
6 oder mehr Café-au-lait-Flecken
2 oder mehr Neurofibrome
„Sommersprossen“ in der Axilla oder Leiste
Opticus-Gliom
2 oder mehr Lisch-Knötchen
Dysplasie des Os spenoidale oder der langen Röhrenknochen
Verwandschaftverhälntis Grad 1 mit einer an NF-1 erkrankten Person
2. Neurofibromatose Typ 2
gilt als zentrale Form der NF und trifft 1 aus 50.000 und repräsentiert 10% der NF
wird ebenso autosomal dominant vererbt
Molekularbiologisch findet sich ein Defekt am Chromosom 22. In 25 % treten Meningiome assoziert zur NF-2 auf.
Diagnostische Kriterien:
2 oder mehr Merkmale weisen auf eine NF-2 hin
beidseitiges Akustikusneurinom
Verwandtschaftsverhältnis Grad 1 mit einer an NF-2 erkrankten Person
einseitiges Akustikusneurinom
oder 2 der folgenden Tumoren: Neurofibrom, Meningiom, Gliom, Schwannom, preseniler Katarakt
Literatur
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reatment of acoustic schwannomas: comparative observation of 125 patients treated at one institution. Int J Radiat Oncol
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Ito K, Kurita H, Sugasawa K, Mizuno M, Sasaki T (1997) Analysis of neurootological complications after radiosurgery for acoustic
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Karpinos M, Teh BS, Zeck O, Carpenter LS, Phan C, Mai WY, Lu HH, Chiu JK, Butler EB, Gormley WB, Woo SY (2002) Treatment of
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Meijer OW, Wolbers JG, Baayen JC et al. (2000) Fractionated stereotactic radiation therapy and single high-dose radiosurgery
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TAKO - Neuroonkologie
Tumoren der Nerven und Nervenscheiden
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Shirato H, Sakamoto T, Sawamura Y (2000) Comparison between observation policy and fractionated sterotactic radiotherapy
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neurilemnomas. J Neurosurg 67:858-863
Verfasser: OA Dr. Thomas Auberger
Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
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Univ.-Prof. Dr. Herwig Kostron
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146
TAKO - Neuroonkologie
Primäre ZNS-Lymphome
Primäre ZNS-Lymphome
I. Definition
Primäre Lymphome des ZNS (PZNSL) sind Lymphome, die bei Diagnosestellung auf das Gehirnparenchym, die
Meningen und/oder das Rückenmark beschränkt sind. In ca. 10 bis 20% der Fälle sind initial die Augen in Form
einer Glaskörper- oder Uveainfiltration betroffen. PZNSL sind in mehr als 95% Non-Hodgkin-Lymphome vom BZell Typ, die überwiegend den hochmalignen diffusen großzelligen Lymphomen zugeordnet werden. Es besteht
eine Assoziation mit einem angeborenen oder erworbenen Immundefekt und zu Epstein Bar Virus Infektionen.
PZNSL zeigen eine Zunahme in den letzten Jahren, sowohl bei immunkompetenten als auch bei immunsupprimierten
Personen. Die Inzidenz beträgt ca. 2 bis 5% aller primären intrakraniellen Tumoren mit einem Häufigkeitsgipfel im
5. bis 7. Lebensjahrzehnt. Bei Patienten mit AIDS treten PZNSL dagegen bei 0,4% bis 1% aller Erkrankten auf. Die
mediane Überlebenszeit ohne Therapie beträgt 1-2 Monate und mit Steroidtherapie 2-3 Monate. Klinisch zeigen
mehr als 50% der Patienten ein hirnorganisches Psychosyndrom, seltener sind fokale neurologische Symptome,
Anfälle und Hirnnervensymptome. Die Kernspintomographie ist die sensitivste Nachweismethode der in der
Regel intensiv Kontrastmittel aufnehmenden, oft periventrikulär lokalisierten unilokulären oder multilokulären
Raumforderungen. Der Liquor zeigt in weniger als der Hälfte der Fälle einen pathologischen Befund, wobei
ein sicherer zytopathomorphologischer oder immunzytochemischer Nachweis (mit CD20 Antikörpern) selten
gelingt.
II. Untersuchungen
-
-
klinisch-neurologische Untersuchung
MRT ohne und mit Gadolinium
Liquordiagnostik, inklusive einer immunzytochemischen Färbung des Zellzentrifugates mit Markern gegen
B-Zell-, T-Zell- und Pan-Lymphozyten-Oberflächenantigene. Letztere Untersuchung ist nur bei erhöhter
Zellzahl sinnvoll.
Augenärztliche Untersuchung, inklusive Spaltlampenuntersuchung
HIV-Test, Immunstatus bei Verdacht auf Immunsuppression
histologische Diagnosesicherung mittels stereotaktischer Biopsie
Vor der Stereotaxie muß die Gabe von Steroiden, wenn möglich, vermieden werden, da diese die
histologische Diagnose eines Lymphoms erschwert oder verhindert1. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn
mit einer Osmotherapie allein eine Hirndrucksymptomatik nicht beherrscht werden kann.
Im Einzelfall erforderlich
Bei Nachweis einer neu aufgetretenen parenchymatösen Raumforderung im Gehirn, die histologisch als
Lymphom diagnostiziert wird, ist bei Patienten mit bis zu diesem Zeitpunkt blander Anamnese in Bezug auf
ein systemisches Lymphom von einem PZNSL auszugehen. Ein Staging zum Nachweis oder Ausschluß eines
systemischen Lymphoms ist dann nicht erforderlich.
147
TAKO - Neuroonkologie
Primäre ZNS-Lymphome
Bei primärer leptomeningealer Aussaat werden jedoch folgende Staging-Untersuchungen empfohlen:
-
-
CT Hals/Thorax/Abdomen/kleines Becken
Palpation und Sonographie von Lymphknotenstationen
Knochenmarkpunktion mit Zytologie und Histologie
Klinische und gegebenenfalls weitergehende Untersuchungen zum Ausschluss einer weiteren extranodalen
Manifestation wie beispielsweise des Hoden (Palpation, Sonographie), des Knochen (Hyperkalzämie,
Osteolyse, Knochenschmerz) oder der Haut
HNO-ärztliche Untersuchung
Erst bei fehlendem Nachweis eines systemischen Lymphoms durch dieses Staging wird die Diagnose eines PZNSL
gestellt.
Bei Nachweis von Lymphomzellen im Glaskörper nach Glaskörperspiration oder Vitrektomie i.R. eines okulären
Befalles oder von Lymphomzellen im Liquorzytozentrifugat wird bei charakteristischer klinischer und bildgebender
Situation die definitive Diagnose auch ohne stereotaktische Biopsie gestellt. Diese Situation ist selten.
III. Therapie
1. Steroide
Typisch, aber nicht spezifisch für PZNSL ist eine Remission der zerebralen Läsionen nach Gabe von Steroiden
in ca. 40% der Fälle. Diese Remissionen dauern in der Regel nur wenige Wochen oder Monate, können aber in
Ausnahmen mehrere Jahre anhalten. Eine stereotaktische Biopsie ist nach Rückbildung zerebraler Läsionen unter
Steroiden nicht aussichtsreich und sollte erst bei erneuter Progredienz durchgeführt werden1.
2. Operative Intervention
Die neurochirurgische Exstirpation eines zerebralen Lymphoms ist nicht indiziert und hat keinen Einfluss
auf die Prognose. Methode der Wahl ist die stereotaktische Biopsie der meist periventrikulär lokalisierten
Raumforderung(en).
3. Konventionelle Strahlentherapie
Bei ca. 80% der Patienten mit PZNSL läßt sich durch eine alleinige Strahlenbehandlung mit 40 bis 60 Gy eine
vollständige Tumorremission erreichen. „Die Strahlentherapie ist jedoch nicht kurativ, da Rezidive bei mehr
als 90% der Patienten auftreten und in ca. 80% lokoregional die bestrahlte Region betreffen2. Die mediane
Überlebenszeit nach alleiniger Strahlentherapie beträgt 12–18 Monate und ist für über 60-jährige Patienten noch
kürzer. Diese Ergebnisse können weder durch eine Modifikation der Strahlentherapie (Ganzhirnbestrahlung mit
148
TAKO - Neuroonkologie
Primäre ZNS-Lymphome
lokalem “boost“, Bestrahlung der gesamten Neuroachse) noch durch eine Dosiserhöhung über 50 Gy Ganzhirnbestrahlung verbessert werden. Neurotoxische Folgeschäden betreffen mindestens 10% aller Patienten. Obwohl die
alleinige Strahlentherapie nicht randomisiert mit einer alleinigen Chemotherapie oder mit einer Kombination von
Chemotherapie und Strahlentherapie verglichen wurde, ist sie heute nicht mehr als Therapie der ersten Wahl nach
Diagnose eines PZNSL bei immunkompetenten Patienten anzusehen1.
4. Chemotherapie
Zahlreiche unizentrische und oligozentrische Serien belegen die Wirksamkeit einer alleinigen Chemotherapie
beim PZNSL, darunter die Daten der einzigen systematischen, prospektiven, multizentrischen Studie zur
Chemotherapie durch die NOA (Neuro-Onkologische Arbeitsgruppe der Deutschen Krebsgesellschaft; NOA-03Studie). Dabei wurde die Wirksamkeit einer systemischen Monotherapie mit Methotrexat in einer Einzeldosis von
8 g/m2 KOF über mehrere Zyklen untersucht. Die Gesamt-Remissionsrate lag bei 35%. Deshalb wurde die Studie
nach 37 evaluierbaren Patienten vorzeitig abgebrochen3. Die Zwischen-Evaluation einer anderen deutschen
oligozentrischen Studie4 zur Überprüfung der Wirksamkeit einer kombinierten systemischen und intraventrikulären
Polychemotherapie unter Einschluß von hochdosiertem Methotrexat und Cytarabin ergab nach 65 evaluierbaren
Patienten eine Gesamtremissionsrate von 69% und eine mediane Überlebenszeit von 50 Monaten.
Aus der aktuellen Datenlage zur alleinigen Chemotherapie der PZNSL können folgende Schlußfolgerungen
Schlu folgerungen
gezogen werden:
-
Chemotherapieprotokolle, die bei hochmalignen extraneuralen Non-Hodgkin Lymphomen wirksam sind,
sind beim PZNSL ineffektiv.
die wirksamste Chemotherapie bei PZNSL ist Hochdosis-Methotrexat, mindestens 1,5g/m2 KOF pro
Einzeldosis.
nach den deutschen Erfahrungen3 führt Methotrexat allein jedoch nur bei ca. 35% der Patienten zu einer
Remission.
die Kombination von Methotrexat mit Cytarabin ist wahrscheinlich wirkungsvoller als die Monotherapie
mit Methotrexat5.
Hinweise für einen Nutzen einer zusätzlich zur systemischen, hochdosierten MTX-Chemotherapie
applizierten intraventrikulären Chemotherapie gibt es nicht5.
5. Chemotherapie in Kombination mit Strahlentherapie
Um die Behandlungsergebnisse alleiniger Strahlentherapie zu verbessern, wurde in zahlreichen, teils
unizentrisch, teils multizentrisch untersuchten Behandlungs-konzepten eine Kombination aus Strahlentherapie
und Chemotherapie durchgeführt. Eine weite Verbreitung hatte das „DeAngelis“-Protokoll gefunden, das
eine systemische und intraventrikuläre Methotrexat-Therapie, gefolgt von einer Ganzhirnbestrahlung unter
Dexamethasongabe, mit einer anschließenden systemischen Hochdosis-Cytarabin Therapie kombinierte und
unizentrisch eine mediane Gesamtüberlebenszeit von 44,5 Monaten erzielte. Das Protokoll ist heute wegen der bei
über 60-jährigen deutlich vermehrt auftretenden Spätneurotoxizität umstritten6. Ob andere Protokolle, die sich auf
149
TAKO - Neuroonkologie
Primäre ZNS-Lymphome
systemische Methotrexat-Gabe plus Ganzhirnbestrahlung beschränken und eine mediane Überlebenszeit von 3045 Monate erzielen, späte Neurotoxizität weitgehend vermeiden, ist ungeklärt, da systematische Untersuchungen
zur Langzeit-Neurotoxizität fehlen. Auf jeden Fall wird eine Chemotherapie nach Ganzhirnbestrahlung in den
neuen Protokollen vermieden.
Alleinige Chemotherapie ist bislang nur in einer Studie randomisiert mit einer Kombinationstherapie aus
Chemotherapie und Strahlentherapie verglichen worden7. Diese wurde nach Einschluss von 56 Patienten vorzeitig
geschlossen. In einer Nachfogestudie wird derzeit in Deutschland multizentrisch prospektiv und randomisiert
eine sofortige adjuvante Schädelbestrahlung mit 45 Gy (in 30 Fraktionen a 1,5 Gy) versus Schädelbestrahlung im
Rezidiv nach einer systemischen Methotrexat Monotherapie mit 4g/m2 KOF pro Einzeldosis (mit Dexamethason
im Zyklus 1) über 6 Zyklen verglichen (G-PZNSL-SG1-Studie).
Eine weitere prospektive Phase II Studie4 unter Leitung der Medizinischen Klinik der Universität Freiburg
kombiniert für Patienten bis zum 65. Lebensjahr eine Chemotherapie mit Methotrexat, dann Cytarabin, gefolgt
von einer myeloablativen Thiotepa- und BCNU-Gabe mit autologem Stammzell Rescue und nachfolgender
Ganzhirnbestrahlung von 45-50 Gy. Die Remissionsrate liegt bei 90%. Das Konzept der Hochdosistherapie mit
autologer Stammzell-Therapie wird auch von anderen Studiengruppen verfolgt14, wobei die kleinen Fallzahlen
noch keine eindeutige Bewertung erlauben.
IV. Praktisches Vorgehen
Bei klinischem und radiologischem Verdacht auf ein PZNSL ist das Vorgehen weitgehend standardisiert:
-
Vermeiden einer Steroidgabe sofern möglich
Diagnosesicherung durch stereotaktische Biopsie, nur in Ausnahmefällen durch Liquorzytologie oder
Vitrektomie (s.o.) bereits möglich
danach Steroidgabe
Augenärztliche Untersuchung, inklusive Spaltlampenuntersuchung
HIV-Test
Einleitung der Therapie ohne Verzögerung, da ein PZNSL sehr rasch wachsen kann
ein durch die Tumorerkrankung niedriger Karnofsky-Index (< 50) ist kein Grund zur Therapiezurückhaltung,
wenn keine anderen Einschränkungen vorliegen
da die Frage, welche Therapie bei PZNSL am wirksamsten und gleichzeitig am wenigsten toxisch ist, zur Zeit
nicht beantwortet werden kann, sollten die Patienten in Therapiestudien eingeschlossen werden
können oder wollen Patienten nicht in Studien eingeschlossen werden, ist der Einschluß von systemisch
appliziertem Methotrexat in einer Einzeldosis von mindestens 1,5g/m2 KOF in den Therapieplan sinnvoll
im Einzelfall sollte die Therapie im Rahmen des „Interdisziplinären neuroonkologischen Tumorboards“ (jeweils
Mittwoch 11.30 im Seminarraum der Neurochirurgie, 3. Stock, MZA) festgelegt werden.
150
TAKO - Neuroonkologie
Primäre ZNS-Lymphome
V. Besondere Behandlungssituationen
1. HIV Infektion
Eine standardisierte Therapieempfehlung kann nicht gegeben werden. Die Spontanprognose und die
therapeutischen Erfolge sind beim PZNSL im Rahmen der HIV Infektion viel schlechter als bei immunkompetenten
Patienten. Bei schwer immundefizienten Patienten mit AIDS definierenden Erkrankungen muß damit gerechnet
werden, dass ein Drittel bereits unter einer palliativen Radiatio (z.B. mit 10 x 3 Gy) verstirbt. Ist noch keine oder nur
eine unzureichende antiretrovirale Therapie eingeleitet, wird die Initiierung bzw. die Optimierung einer hochaktiven
antiretroviralen Therapie (HAART) empfohlen8. Bei HIV-positiven Patienten ohne opportunistische Infektion, in
gutem klinischem Zustand und mit einer CD4 Zellzahl von >200/mm3 ist die Kombination von Strahlentherapie
und einer Chemotherapie mit Procarbazin, CCNU und Vincristin oder auch eine Hochdosis-Methotrexat Therapie
vertretbar. Nur einzelne Patienten profitieren von dieser Therapie. Bei Schwerstkranken sollte die Beschränkung
auf rein palliative Maßnahmen als Therapieoption in Erwägung gezogen werden.
2. PZNSL über 75 Jahre
Mit Ausnahme der G-PZNSL-SG1-Studie ist ein Lebensalter über 75 Jahre ein Ausschlußkriterium für die deutschen
Therapiestudien. Eine Strahlentherapie ist möglich, wird in der Regel jedoch nur wenige Monate überlebt und
führt möglicherweise bei langem Überleben in dieser Patientengruppe zu relevanter Neurotoxizität. Individuelle
Chemotherapieversuche mit systemischen Methotrexat-Gaben >1,5 g/m2 KOF pro Einzeldosis5 können ebenso
wie andere Chemotherapieprotokolle (z.B. Procarbazin, CCNU und Vincristin) oder Temozolomid9 allein im Einzelfall
versucht werden. Allgemeingültige Therapieempfehlungen sind nicht möglich.
3. Okulärer Befall
In welchem Umfang Cytarabin und Methotrexat, die beim PZNSL eingesetzt werden, zytotoxische Konzentrationen in Glaskörper und Uvea erreichen, ist ungeklärt. Die lokale Instillation von Methotrexat in den Glaskörper ist
experimentell. Die Therapie der Wahl ist die Chemotherapie analog der bei intrazerebralem PZNSL verwendeten.
Ist damit keine komplette Remmission zu erzielen, sieht das Therapieprotokoll ohnehin eine konsolidierende
Strahlentherapie vor oder tritt im Verlauf ein isoliertes okuläres Rezidiv auf, wird die Bestrahlung der Orbita bds.
mit einer Gesamtdosis von 30 (bis 45 Gy) in konventioneller Fraktionierung mit 1,8 Gy pro Fraktion empfohlen,
wobei das Zielvolumen Glaskörper, Retina und Uvea umfasst. Zur Schonung von Linse und Schlemm’schem Kanal
wird nach Applikation von 30 Gy die Ausblockung der vorderen Augenkammer empfohlen.
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TAKO - Neuroonkologie
Primäre ZNS-Lymphome
4. Therapie im Rezidiv
Eine verbindliche Empfehlung zur Rezidivtherapie ist ebenfalls nicht möglich. Sicher ist jedoch, dass Patienten
insgesamt von einer Therapie im Rezidiv profitieren10. Die mediane Überlebenszeit nach Rezidiv ohne Therapie
beträgt ca. 2 Monate, mit Therapie mehr als ein Jahr (mit sehr heterogenen Therapiekonzepten). Ein langes
Zeitintervall bis zum Eintritt des Rezidivs ist prognostisch günstig. Bei ausschließlich chemotherapierten Patienten
ist in der Rezidivsituation eine Ganzhirnbestrahlung mit z.B. 20 x 2 Gy oder bei jungen Patienten (<65) mit gutem
Allgemeinzustand eine myeloablative Hochdosischemotherapie mit nachfolgender Transfusion autologer
hämatopoetischer Stammzellen möglich. Ist bereits kombiniert oder allein strahlentherapeutisch behandelt
worden, ist also eine weitere Strahlentherapie nicht möglich, kann chemotherapeutisch behandelt werden:
Günstige unizentrische Erfahrungen wurden mit Procarbazin, CCNU und Vincristin (PCV) gesammelt11, eine
Hochdosis MTX Therapie kommt nach einem langen Rezidiv-freien Intervall ebenfalls in Frage. Sicher müssen in
der Rezidivsituation Individualentscheidungen getroffen werden, die sich an der Gesamtsituation vor Eintritt des
Rezidivs orientieren.
VI. Nachsorge
MRT, neurologische Untersuchung, Liquordiagnostik und augenärztliche Untersuchung sollen im ersten Jahr
nach Abschluß der Therapie alle 4 Monate, in der Folgezeit halbjährlich durchgeführt werden. Zur Einschätzung
potentieller neurotoxischer Spätfolgen sollte die neurologische Untersuchung jeweils auch einen Minimental
State Test oder besser eine neurosychologische Testung umfassen.
Literatur:
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TAKO - Neuroonkologie
Primäre ZNS-Lymphome
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report: primary central nervous system lymphoma: standards of care and future perspectives. Onkologie. 2005;28:109-11
(16) Schlegel U, Pels H, Glasmacher A, et al.: Combined systemic and intraventricular chemotherapy in primary ZNS lymphoma:
a pilot study. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2001;71:118-22
Verfasser: OA Dr. Armin Muigg
Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-23909
Fax: 0043-512-504-24260
E-mail: [email protected]
OA Dr. Meinhard Nevinny
Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-22801
Fax: 0043-512-504-22812
E-mail: [email protected]
Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder
Univ.-Klinik für Innere Medizin, Abteilung für Hämato-Onkologie, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-23255
E-mail: [email protected]
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TAKO - Neuroonkologie
Notizen
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TAKO - Neuroonkologie
Primäre Tumoren des Rückenmarks
Primäre Tumoren des Rückenmarks
I. Extramedulläre Tumoren
1. Meningeome und Schwannome
A. Epidemiologie
Rückenmarkstumoren finden sich in allen Bereichen des Spinalkanals. Intradurale Rückenmarkstumoren machen
etwa 15% der Tumoren des Zentralnervensystems aus (Sloof et al. 1964). Die Inzidenz von primären Tumoren
des Rückenmarks beträgt 2/100.000 Einwohner/Jahr. Etwa 2/3 der Rückenmarstumoren des Erwachsenen sind
extramedullär.
Der Großteil der extramedullären Tumoren rekrutiert sich aus Neurinomen (etwa 30% aller intraduralen spinalen
Tumoren) und Meningeomen (etwa 25%).
B. Diagnose
a. Klinisch-neurologische Untersuchung
Die klinisch neurologische Symptomatik hängt vom Stadium der Erkrankung und von der Höhe der Läsion im
Spinalkanal ab.
Neben der klassischen Entwicklung über eine langsam progrediente Querschnittslähmung sind auch bei
extramedullären Tumoren plötzliche klinische Verschlechterungen beschrieben und auf die Kompression von
Rückenmark-versorgende Gefäße zurückzuführen.
Als erstes Symptom eines extramedullären Tumors geben die meisten Patienten Schmerzen an.
Das zweithäufigste initiale Symptom ist eine Gangataxie. Weitere Symptome sind Gefühlsstörungen, Schwäche
in Armen oder Beinen oder Störungen der Blasen- oder Darmfunktion.
b. Präoperative Diagnostik
- Nativ-Röntgen der WS
Bei intraduralen Tumoren sind Zeichen einer Raumforderung im Röntgenbild bei Erwachsenen nur dann
erkennbar, wenn der Tumor langsam gewachsen ist und zu Reaktionen am umgebenden Knochen geführt
hat.
- MRT
Diagnostikum der Wahl ist die MRT. Es muß dabei auch bei thorakalen Tumoren die genaue Höhenlokalisation möglich sein. Eine Artdiagnose ist nur in Ausnahmefällen möglich.
-
-
kann ein MR nicht durchgeführt werden:
CT mit i. v. KM oder Myelographie mit Post-Myelographie-CT. Die Myelographie mit anschließender
computertomographischer Darstellung der betroffenen Höhe ist bei allen Tumoren, bei denen eine
Beziehung zwischen nervalen Strukturen und Knochen besteht, hilfreich.
evtl. Angiographie mit Embolisation bei Verdacht auf Vorliegen eines sehr gefäßreichen Tumorknotens.
Evozierte Potentiale
155
TAKO - Neuroonkologie
Primäre Tumoren des Rückenmarks
C. Pathologie
Klassifikation nach WHO
D. Therapie
a. Operative Therapie:
Laminektomie, ev. Hemilaminektomie oder Laminotomie
Patienten mit intraduralen Tumoren der Brust- oder Lendenwirbelsäule werden in Bauchlage operiert, bei
Tumoren der Halswirbelsäule in Concorde-Position.
Sobald die Dura dargestellt ist, können mit intraoperativem Ultraschall der Tumor und das Rückenmark
lokalisiert werden.
Ziel ist eine möglichst radikale Entfernung.
Ist der Tumor dargestellt, empfiehlt es sich, ihn zunächst zu enukleieren. Bei Neurinomen sollte der Versuch
unternommen werden, die Nervenwurzel, von der der Tumor ausgeht, zu erhalten. Meningeome sind meist
breit mit der Dura verwachsen. Bei Dermoidzysten sollte der Zysteninhalt nicht in den Subarachnoidalraum
gelangen, da dadurch eine aseptische Meningitis verursacht werden kann. Bei Arachnoidalzysten genügt
meistens eine Fensterung der Zystenwand.
Patienten mit gutartigen extramedullären Tumoren sind bei radikaler Exstirpation des Tumors geheilt. Es
besteht eine klare Korrelation zwischen Ausmaß der Tumorentfernung und der Rezidivhäufigkeit.
Die chirurgische Mortalität lieg in modernen Patientenserien im Bereich weniger Prozent.
An Komplikationen können Wunddehiszenzen, Wundinfektionen und Liquorfisteln vorkommen.
b. Strahlentherapie:
Bei malignen Tumoren postoperativ, sonst wenn „non in sano“ reseziert oder bei Rezidiv! ZVD 50,4 Gy.
E. Nachsorge
MR-Kontrolle postoperativ, nach 6 Monaten, dann jährlich.
156
TAKO - Neuroonkologie
Primäre Tumoren des Rückenmarks
II. Intramedulläre Tumoren
Ein Drittel der Rückenmarkstumoren des Erwachsenen sind intramedullär lokalisiert. Bei den intramedullären
Tumoren kann man zwei Hauptentitäten unterscheiden: die Ependymome und die Astrozytome (ca. 20% aller
intraduralen Tumoren, ca. 70% aller intramedullären Tumoren). Deutlich seltener sind noch Angioblastome
anzutreffen, während alle anderen Histologien Raritäten darstellen.
1. Diagnose
Klinisch-neurologische Untersuchung
Der klinische Verlauf ist meistens langsam progredient. Die häufigsten Symptome sind Sensibilitätsstörungen,
Gangstörungen, Dysästhesien, Schmerzen und Sphinkterstörungen.
2. Präoperative Diagnostik
MR
Neben der Höhenlokalisation ist die Darstellung des soliden Tumoranteils entscheidend. Eine Artdiagnose und
präoperative Aussage über die Resezierbarkeit lässt sich auch im MRT nur bedingt treffen. Das intramedulläre
Ependymom nimmt relativ homogen Kontrastmittel auf, ist zum Myelon scharf begrenzt, liegt im Axialbild
zentral im Mark und wird sehr häufig von einer Syrinx begleitet. Demgegenüber zeigt das Astrozytom meist eine
geringere und ungleichmäßigere Kontrastmittelanreicherung, ist unschärfer zum Mark begrenzt und seltener mit
einer Syrinx verbunden.
3. Pathologie
Klassifikation nach WHO
4. Therapie
a. Operative Therapie
- Laminektomie oder Laminotomie
- intraoperativer Ultraschall
Bei intramedullären Tumoren wird unter dem Operationsmikroskop das Rückenmark in der Mittellinie
gespalten. Bei an der Oberfläche sichtbaren Tumoren wird der Tumor direkt angegangen.
Ist der Tumor erreicht, gibt es je nach Wachstumsverhalten und Vaskularisation unterschiedliche
Strategien:
- Wenn sich die Grenze zwischen Tumor und Mark bestimmen läßt, erfolgt die möglichst vollständige
Entfernung des Tumors (Epstein et al., 1992; Epstein et al., 1993).
157
TAKO - Neuroonkologie
Primäre Tumoren des Rückenmarks
-
-
Läßt sich jedoch die Begrenzung nur teilweise oder überhaupt nicht identifizieren, sollte man es bei
einer intratumoralen Verkleinerung des Prozesses belassen.
90% der Tumoren sind gutartig und wachsen sehr langsam.
Das Operationsergebnis hängt unter anderem vom präoperativen neurologischen Status und der Lokalisation
des Tumors ab. Die operative Morbidität hängt vom präoperativen Zustand ab und das Operationsrisiko
steigt mit zunehmenden Funktioneinbußen exponentiell an (Herrmann et al. 1988; Samii u. Klekamp 1994).
Bei Patienten mit intramedullären Tumoren kann es postoperativ vorübergehend zu einer Verschlechterung der neurologischen Ausfälle kommen. Eine Abschätzung des postoperativ verbleibenden Defizits
sollte aber erst drei Monate nach der Operation erfolgen. Maligne intramedulläre Tumoren rezidivieren
trotz Nachbestrahlung zu 100% und bilden im Verlauf häufig eine Aussaat über den Subarachnoidalraum.
b. Strahlentherapie:
- Postoperative Nachbestrahlung bei Patienten mit Tumoren WHO Grad III oder IV, oder wenn keine OP
möglich auch primär!
Reduzierte Einzeldosis auf 1,8 Gy, um die Nebenwirkungswahrscheinlichkeit zu reduzieren. Zielvolumendosis 50,4 Gy!
Ependymome: Postoperative Strahlentherapie, wenn „OP non in sano“! Bei meningealer Aussaat Bestrahlung
der Neuroachse (30,6 Gy bis zu 39,6 Gy) evtl. mit lokaler Aufdosierung auf 50,4 Gy
5. Nachsorge
MR-Ko postop, nach 6 Monaten, dann jährlich bzw. je nach Radikalität der Entfernung des Tumors und der
Histologie
6. Tumorrezidive
Sowohl bei den intramedullären als auch extramedullären Tumoren sind die Ergebnisse bei Rezidiveingriffen
schlechter.
7. Patienten mit Systemerkrankungen
Es handelt sich vor allem um Patienten mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom und der Neurofibromatose. Da eine
Systemerkrankung vorliegt, muss nicht nur mit multiplen Tumoren gerechnet werden, sondern auch mit einer
extrem hohen Rezidivrate (Klekamp und Samii, 1998). Patienten mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom können neben
den Angioblastomen im Zentralnerversystem extraspinale und extrakranielle Herde zeigen. Bei Patienten mit
einer Neurofibromatose Typ 1 findet man im Bereich des Spinalkanals neben Neurofibromen (79%) Astrozytome
(14%) oder Meningeome (7%). Die Neurofibromatose Typ 2 geht häufig mit multiplen spinalen Tumoren einher,
die sowohl intramedullär als extramedullär liegen können (Pulst et al. 1991).
158
TAKO - Neuroonkologie
Primäre Tumoren des Rückenmarks
Literatur
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Herrmann HD, Neuss M, Winkler D (1988) Intramedullary spinal cord tumors resected with CO2 laser microsurgical technique:
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Pulst SM, Riccardi VM, Fain P et al. (1991) Familial spinal neurofibromatosis: clinical and DNA linkage analysis. Neurology
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Sloof JL, Kernohan JW, MacCarthy CS (1964) Primary Intramedullary Tumors of the Spinal Cord and Filum Terminale. Philadelphia,
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Trappe AE, Frank AM, Grosu AL, Hiller E, Jaschke H, Mayer TE, Weinzierl FX (2004) MANUAL Hirntumoren und primäre Tumoren
des Rückenmarks. München: W. Zuckschwerdt Verlag; 158-165
Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Clemens Plangger
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel: 0043-512-504-27452
Fax: 0043-512-504-27453
E-mail: [email protected]
OA Dr. Meinhard Nevinny
Univ.-Klinik für Strahlentherapie, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel: 0043-512-504-22801
Fax: 0043-512-504-22812
E-mail: [email protected]
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TAKO - Neuroonkologie
Notizen
160
TAKO - Neuroonkologie
Hirnmetastasen
Hirnmetastasen
I. Epidemiologie
Hirnmetastasen gehören zu den häufigsten Hirntumoren und treten in ca. 25% aller Patienten mit Karzinomen
auf.
Durch verbesserte Frühdiagnostik kleinerer Läsionen mittels MRT und verbesserten Behandlungsmethoden des
Primärtumors steigt auch die Anzahl der Neuerkrankungen1. Die Inzidenz liegt derzeit bei ca. 10/100.000. Patienten
mit kleinzelligem und nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom, Mammakarzinom und malignen Melanomen, sowie
Nierenzellkarzinom sind am häufigsten betroffen, wobei die einzelnen Primärtumoren unterschiedlich häufig sind.
Die Inzidenz an Hirnmetastasen ist zunehmend, da PatientInnen auf Grund verbesserter Therapiemöglichkeiten
und Beherrschung ihres Primärtumors die Hirnmetastasierung zunehmend häufiger erleben. Zu Hirnmetastasen
sind die Literaturangaben recht unterschiedlich.
Primärtumor
Lungenkarzinom
Mammakarzinom
Melanom
Nierenzellkarzinom
Unbekanntes Primum
in %
aller Hirnmetastasen
30%-60 %
5-30%
5-21%
5-10%
5-38%
% der Metastasierung
des Tumors ins Gehirn
16-65%
20-30%
6-43%
5-10%
-
Auf Grund neurologischer Ausfälle wird eine Hirnmetastase nicht selten vor dem Primärtumor entdeckt2.
Je nach Anzahl der Metastasen unterscheidet man solitäre Hirnmetastasen (nur eine Metastase im Gehirn),
singuläre Hirnmetastasen (eine Metastase im Gehirn, aber noch andere Metastasen in anderen Organen) und
multiple Metastasen.
II. Pathophysiologie
Die Metastasierung ins Gehirn erfolgt vorwiegend hämatogen, daher entspricht die Verteilung in etwa der
Blutversorgung im Gehirn (75-80% hemispheriell, 16-18% in der hinteren Schädelgrube, 2-10% im Hirnstamm).
Manche Tumorzellen („seed“) zeigen jedoch eine Vorliebe für bestimmte Gewebe („soil“). In der „seed and soil“
Hypothese nimmt man an, dass eine Subpopulation des Tumors die Möglichkeit zur Metastasierung besitzt, diese
Zellen anschließend die Blutzirkulation überleben und sich im entfernten Kapillargebiet ansiedeln. Das weitere
Wachstum ist abhängig von der Interaktion der metastatischen Zellen mit dem umgebenden Gewebe, daraus
würde sich auch die für verschiedene Tumoren unterschiedliche Metastasierungshäufigkeit ins Gehirn erklären2.
161
TAKO - Neuroonkologie
Hirnmetastasen
III. Symptomatik
Die meisten Metastasen im Gehirn wachsen als kompakte Masse, dadurch wird das Hirngewebe verdrängt, jedoch
nicht sofort zerstört. Zusätzlich kommt es zur Ausbildung eines vasogenen Hirnödems.
Sowohl die Raumforderung selbst, als auch das Hirnödem bedingen in der Folge neurologische Ausfälle. Abhängig
von der Lokalisation stehen dabei folgende Symptome im Vordergrund: Kopfschmerz, Hemisymptomatik,
Wesensveränderung und kognitive Störungen, epileptische Anfälle, Hirndruckzeichen oder Hirnnervenausfälle.
Symptome - Hirnmetastasen (363 Pat.)
Kopfschmerzen
Motorische Schwäche
Kognitive Störungen
Gangstörung
Epileptische Anfälle
Sprachstörung
Sehstörung
Sensibilitätsstörung
Koordiationsstörung
%
49
30
32
21
18
12
6
6
6
Neurologischer Befund - Hirnmetastasen
Kognitive Störungen
Hemiparese
Hemihypästhäsie
Papillenödem
Gangataxie
Aphasie
Gesichsfeldstörung
Extremitätenataxie
Bewußtseinsstörung
%
58
59
21
20
19
18
7
6
4
Literatur: Caincross et. al., 19803 ; Young et. al., 19744
Bei etwa der Hälfte aller Patienten mit Hirnmetastasen liegen laut CT und MRI singuläre Metastasen vor.
Abhängig von der Ausdehnung der Grunderkrankung, der Anzahl der Metastasen und der Lokalisation
derselben, ist die Prognose sehr unterschiedlich. Einzelne Patienten überleben 5 Jahre Rezidiv-frei, meist liegt die
Lebenserwartung jedoch unter einem Jahr1,2,3,4,5,6,7.
IV. Diagnostik
• Klinisch–neurologische Untersuchung
• Allgemeine Untersuchung in Hinblick auf den Primärtumor und extrazerebrale Metastasen
• MRT (oder bei Kontraindikation CT) mit und ohne KM
V. Vor der Therapieentscheidung
•
•
•
Staging des Primärtumors oder Suche nach Primärtumor
Liquoruntersuchung bei Verdacht auf Meningeosis carcinomatosa
Gemeinsame Besprechung der Fachärzte verschiedener Disziplinen (Neurochirurgie, Neurologie, Onkologie,
Pathologie, Radiologie, Strahlentherapie; an der Medizinischen Universität Innsbruck: wöchentliches „Interdisziplinäres Neuroonkologisches Tumorboard“ . Ist der Befund nicht eindeutig (Metastase, Primärtumor,
Entzündung), ist eine histologische Sicherung unbedingt notwendig. Diese Probengewinnung kann durch
eine offene Operation mit Entfernung des Tumors oder durch eine stereotaktische Biopsie durchgeführt
werden.
162
TAKO - Neuroonkologie
Hirnmetastasen
VI. Therapie
Zur Therapie arbeiten Fachärzte unterschiedlicher Gebiete zusammen, da sowohl der Primärtumor als auch
die Metastasen berücksichtigt werden müssen. Im Vordergrund sollte dabei die Lebensqualität und nicht nur
die Lebensverlängerung stehen. Vielfach ist auch nur eine supportive Therapie sinnvoll8. Das Outcome ist vom
Zustand des Patienten und von der Anzahl der Metastasen abhängig1.
Folgende Therapieoptionen stehen zur Verfügung:
1. Supportive Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie ist palliativ und zielt auf eine Verringerung des Hirnödems und Vermeidung von
Anfällen ab:
• Kortikosteroide
• Gegebenfalls Anfallstherapie
2. Operation
Die Operation hat einen sicheren Stellenwert in der Behandlung von Metastasen, da sie sowohl die Entfernung der
Metastase als auch die histologische Diagnose ermöglicht1,2,5
Bei folgenden Konstellationen sollte eine operative Therapie in Betracht gezogen werden:
• Singuläre oder solitäre Metastase (nur im Ausnahmefall ist eine palliative Operation bei multiplen
Metastasen angezeigt)
• Guter Allgemeinzustand sowie stabiler Primärtumor
• Unbekannter Primärtumor oder Zweifel an der bildgebenden Diagnose
• Operativ gut zugängliche Läsion
• Bei Patienten mit Hoden- und Keimzelltumoren oder Lymphom ist eine Operation nur zur histologischen
Diagnose sinnvoll, nicht jedoch zur Therapie, da diese Tumoren strahlen- und chemotherapiesensibel sind.
Ähnliches ist auch bei kleinen (<3cm) Läsionen zu bedenken, da solche Metastasen meist radiochirurgisch
behandelbar sind. Auch kleinzellige Bronchialkarzinome sind strahlen- und chemotherapiesensibel, eine
Operation ist daher nicht immer notwendig2
3. Radiochirurgie
Vor allem für kleine, singuläre Läsionen und tief liegenden Metastasen bietet sich die radiochirugische Behandlung
an. Die radiochirurgische Behandlung wird mittels LINAC oder Gamma–knife durchgeführt und wirkt sowohl bei
radiosensitiven als auch bei radioresistenten Tumoren. Auch bei multiplen Metastasen kann die Radiochirurgie
mit Erfolg eingesetzt werden9.
163
TAKO - Neuroonkologie
Hirnmetastasen
4. Fraktionierte Bestrahlung
Die fraktionierte Strahlentherapie wird sowohl als Primärtheapie bei multiplen Metastasen als auch adjuvant nach
der chirurgischen Entfernung von Metastasen angewandt1,3,4,6. Die Indikation zur Strahlentherapie nach kompletter
Resektion ist jedoch umstritten, da das mediane Überleben nicht beeinflusst wird und eine therapieinduzierte
Morbidität besteht.
Indikationen für eine primäre Strahlentherapie sind vor allem:
Multiple Metastasen, Lymphome und das kleinzellige Bronchialkarzinom
5. Chemotherapie
Die Wirksamkeit der Chemotherapie ist vor allem für das kleinzellige Bronchialkarzinom und das Mammakarzinom
belegt. Ein Ansprechen im Bereich von 20-30% ist auch für das nicht-kleinzellige Bronchialkarzinom und dass
Melanom belegt. Kuratives Potential hat die Chemotherapie in der Behandlung der Hoden- und Keimzelltumoren.
Grundsätzlich werden Protokolle verwendet, die auch in der Therapie des Primärtumors Wirksamkeit zeigen1.
Neben Temozolomid ist eine Wirksamkeit bei ZNS-Metastasen auch für Topotecan, Cisplatin und Fotemustin
etabliert.
Derzeit wird bei Hirnmetastasen unterschiedlicher Primärtumoren der Stellenwert von Temozolomid, zusätzlich
zur Radiotherapie, untersucht.
Auch die Medizinische Universität Innsbruck nimmt derzeit an einer solchen multizentrischen Studie beim NichtKleinzelligen Lungenkarzinom mit ZNS-Metastasierung teil:
„P04071: Randomized Phase II Study: Temozolomide (TMZ) concomitant to Radiotherapy followed by sequential TMZ in
advanced NSCLC patients with CNS metastasis versus radiotherapy alone“
Studienleiter in Innsbruck: Univ.-Prof. Dr. Peter Lukas, Radioonkologie
VII. Nachsorge
Klinische und bildgebende Kontrolle alle 3 Monate8.
164
TAKO - Neuroonkologie
Hirnmetastasen
Literatur
1.
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6.
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Management of brain metastases: Posner JB. Rev Neurol (Paris) 148: 477-487, 1992
8.
Kamar F (2004) Brain Metastases. Semin Neurol 24:347-62
9.
Jawahar et al. (2005) Role of stereotactic radiosurgery as a primary treatment option in the management of newly
diagnosed multiple (3-6) intracranial metastases. Surg Neurol 64:207-12
Verfasser: Univ.-Doz. Dr. Alois Obwegeser, MAS, MSc
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-27452
Fax: 0043-512-504-27453
E-mail: [email protected]
OA Dr. Meinhard Nevinny
Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-22801
Fax: 0043-512-504-22812
E-mail: [email protected]
Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder
Univ.-Klinik für Innere Medizin, Abteilung für Hämato-Onkologie, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-23255
E-mail: [email protected]
165
TAKO - Neuroonkologie
Notizen
166
TAKO - Neuroonkologie
Meningeosis Neoplastica
Meningeosis Neoplastica
I. Definition und Charakteristika
•
•
•
•
•
•
•
metastatische Ausbreitung von Tumorzellen im Subarachnoidalraum mit diffusem oder multilokulärem
Tumorwachstum im Bereich der Leptomeningen, meist am stärksten ausgeprägt in den basalen Zisternen, der
Sylvischen Fissur und der Cauda equina (Stockhammer et al. 1998)
gefürchtete neurologische Komplikation metastasierender und hirneigener Tumoren mit hoher Morbidität
und Mortalität (Posner 1995)
Entstehung über hämatogene Metastasierung in die Leptomeningen, über Migration aus soliden Hirnparenchymmetastasen oder Plexus choroideus Metastasen, über die Hirnnerven oder per continuitatem aus
knöchernen Metastasen der Kalotte oder der Wirbelsäule (Weller et al. 2001)
meist bei fortgeschrittenen Primärtumoren, vereinzelt auch als erstes Zeichen einer Fernmetastasierung oder
ganz selten als Primärmanifestation einer systemischen Tumorerkrankung
bei der Hälfte der Patienten gleichzeitig Hirnparenchym-Metastasen
2/3 der Patienten weisen zudem extrazerebrale Metastasen auf
Gesamthäufigkeit: 3-8% aller Neoplasien (DeAngelis et al. 1998)
häufigsten Primärtumoren:
•
•
•
Mammakarzinome, Bronchialkarzinome, Melanome
Lymphome und Leukämien
primäre Hirntumoren, insbesondere Medulloblastome/primitiv neurektodermale Tumoren (PNET),
Germinome und primäre ZNS-Lymphome, seltener im Verlauf bei Ependymomen und malignen Gliomen
(DeAngelis et al. 1998; Weller et al. 2001)
II. Diagnosestellung
•
•
•
•
•
klinisch-neurologische Untersuchung mit besonderem Augenmerk auf Zeichen erhöhten intrakraniellen
Drucks, Hirnnervenparesen, spinale und radikuläre Ausfälle; typisch sind multifokale Symptome und klinische
Befunde, die auf einen multilokulären ZNS-Befall hinweisen
internistische Untersuchung auf extrazerebrale Tumormanifestationen
MRT der gesamten Neuroachse (Sensitivität 70%)
charakteristische Befunde, aber per se unspezifisch: Kontrastmittelanreicherung oder noduläre Raumforderungen im Bereich der Meningen, dem Ependym oder ein Hydrozephalus (Posner 1995)
die MRT Diagnostik sollte vor der LP durchgeführt werden
Liquoruntersuchung (rasche Verarbeitung!!)
Cave Hirndruckzeichen! Evtl. Vorbehandlung mit Steroid
167
TAKO - Neuroonkologie
Meningeosis Neoplastica
•
Zusendung von Material an folgende Labors:
5 ml Liquor+Serum (weisses Röhrchen) an das Liquorlabor (4. Stock, alte Neurologie/Psychiatrie;
Routineliquordiagnostik)
1ml Liquor an die Pathologie (Zytologie/Immunzytologie)
je nach Primärtumor auch 0,5 ml Liquor+Serum (weisses Röhrchen) an das Zentrallabor (Tumormarker)
Liquor+Serum ad Hygiene (Erreger-Diagnostik, KBRs)
• Liquor-Druckmessung
• Zytologie
Goldstandard und beweisend ist auch heute noch der direkte Tumorzell-Nachweis im Liquor (Posner1995;
Stockhammer et al. 1998), der jedoch nur bei ca. 50-60% der Patienten nach initialer Lumbalpunktion
gelingt. Nach 3x Liquorpunktion erhöht sich die Trefferquote auf 90%
• Gesamtprotein in > 80% erhöht
• Glukose-Ratio in 30% erniedrigt
• Albumin-Quotient als Ausdruck der Blut-Liquor-Schranke meist erhöht
• IgG-Index meist erhöht
• Laktat meist erhöht
• Tumormarker: Tabelle (Interpretation nur bei gleichzeitiger Bestimmung in Liquor und Serum
möglich!)
Die wichtigsten Liquor-Tumormarker bei Meningeosis neoplastica
Biochemische Marker
Spezifische Marker
Carcinoembryonales Antigen (CEA)
Alpha-Fetoprotein (AFP)
ß-Humanes Choriongonadotropin (ß-HCG)
Melanin
CA–125
CA–15-3
Unspezifische Marker
ß-Glucuronidase
Isoenzym V der Laktatdehydrogenase
ß2-Mikroglobulin
VEGF
Tumorerkrankung
Viele solide Tumoren
Keimzelltumoren
Chorion-, Embryonal- und Terato-Karzinom
Melanom
Ovarialkarzinom
Mammakarzinom
Hämatologische Neoplasien
Hämatologische Neoplasien
Hämatologische Neoplasien
Solide Tumoren
(Quelle: Posner 1995; Stockhammer et al. 2000)
•
•
zusätzlich zur Routinediagnostik können weitere spezifische Zusatzuntersuchungen des Liquor
hilfreich sein:
wiederholte Liquoruntersuchungen unter Zuhilfenahme spezifischer Techniken:
• Immunzytochemie erhöht geringfügig die Sensitivität der Zytologie, etwa durch Identifizieren von
Karzinomzellen mittels Expression von Zytokeratin (Posner 1995)
• FISH- und FACS-Analysen (Lestou et al. 2003; Urbanits et al. 2002)
168
TAKO - Neuroonkologie
Meningeosis Neoplastica
•
•
Radionuklid-Liquorfluß-Studien mit 111Indium-DTPA oder 99Technetium-DTPA zur Therapieplanung,
um vor Beginn einer intrathekalen Chemotherapie Liquorzirkulationsstörungen zu identifizieren
(Chamberlain 1998a)
Leptomeningealbiopsie nur in Ausnahmesituationen bei Patienten ohne sonst diagnostizierte
Tumorerkrankung und dem dringenden Verdacht auf eine Meningeosis neoplastica
III. Differentialdiagnosen
Meningitis (Tuberkulose, Pilze)
Sarkoidose
Borreliose
Vaskulitis
IV. Therapie und Verlauf
1. Parameter für die Therapieentscheidung
•
•
•
•
•
•
Grunderkrankung und onkologische Gesamtprognose
Allgemeinstatus und neurologischer Status
begleitende Hirnparenchymmetastasierung
noduläre leptomeningeale Absiedlungen
vorausgegangene Therapie
Die Therapie sollte interdisziplinär in Abhängigkeit der oben angeführten Parameter festgelegt werden
(Interdisziplinäres
Interdisziplinäres Neuroonkologisches Tumorboard jeweils Mittwoch 11.30, Seminarraum Neurochirurgie,
MZA 3.Stock)
2. Supportive Therapie
•
•
die meisten Patienten profitieren klinisch von Steroiden, z.B. Dexamethason, 2-3x2-4 mg/Tag, bzw. je nach
Klinik
keine prophylaktische Behandlung mit Antikonvulsiva. Nach dem ersten Anfall Einleiten einer antiepileptischen Behandlung
3. Strahlentherapie
•
Bestrahlung des Gehirns und der zerebralen Liquorräume als Ganzhirnbestrahlung in Form eines Helmfelds
(Gehirn unter Einschluß der Lamina cribrosa, der Schädelbasis mit den basalen Zisternen sowie die Halswirbelkörper 1 und 2)
169
TAKO - Neuroonkologie
Meningeosis Neoplastica
•
•
•
•
•
•
fokale spinale Läsionen werden mit einem kraniokaudalen Sicherheitsabstand von 1-2 Wirbelkörperhöhen
bestrahlt
Neuroachsenbestrahlung (Liquorraumbestrahlung) wird in der Regel nur bei Patienten mit leptomeningealer
Aussaat primärer Hirntumoren eingesetzt
bei der Neuroachsenbestrahlung wird auf parallele systemische Chemotherapie meist, auf parallele intrathekale
Chemotherapie immer, verzichtet
Ganzhirnbestrahlung in 2 Gy-Fraktionen bis zu einer Gesamtdosis von 40 Gy
solide spinale Läsionen werden in der Regel mit 2 Gy-Fraktionen bis zu einer Gesamtdosis von 40 Gy bestrahlt
kontrollierte Studien zur Wirksamkeit der Strahlentherapie fehlen, bei den Studien zur intrathekalen
Chemotherapie wurde Strahlentherapie individualisiert verabreicht und in ihrer Auswirkung auf das Therapieergebnis nicht systematisch erfasst
4. intrathekale Chemotherapie (i.th. CT)
•
•
•
die Chemotherapie wird meist in Form einer i.th. Therapie durchgeführt, entweder direkt in den lumbalen
Liquor oder über ein intraventrikuläres Reservoir
lumbale versus intraventrikuläre Therapie: empirische Daten zeigen eine Überlegenheit der ventrikulären
gegenüber der lumbalen Therapie (Posner 1995)
intraventrikuläres Reservoir (Rickham, Ommaya) bei zu erwartendem guten Ansprechen und längerdauernder
i.th. Therapie
A. Vorteile
•
•
kein „CSF-Leakage“, keine versehentlichen epi/subduralen Gaben, homogenere Verteilung des Chemotherapeutikums, höhere Konzentrationen ventrikulär und geringere Blutungskomplikationen bei
Thrombopenie
Anlage unter stereotaktischen Bedingungen bei engen Ventrikeln
B. Komplikationen
Blutung (<1%), Katheterdislokation, Infektionen (ca. 5%): Keimbesiedelung des Reservoirs (S. aureus, S.
epidermidis), eitrige Meningitis
C. Praktische Durchführung der i.th. CT
•
•
•
•
•
im Falle einer zu erwartedenden längerdauernden i.th. CT Anlage eines intraventrikulären Katheters
vor der ersten intraventrikulärer Therapie Lage des Katheters prüfen und Ausschluss einer fälschlichen
intraparenchyalen Applikation des Chemotherapeutikums durch Instillation von verdünntem KM unter CTKontrolle
Entnahme eines Liquoraliquots entsprechend der Injektionsmenge
die Applikation der für die i.th. Behandlung zugelassenen Zytostatika erfolgt in der vom Hersteller
gelieferten Trägerlösung unter sterilen Bedingungen, ohne Zusatz von Steroiden.
unter Vermischung des Chemtherapeutikums mit Liquor langsame i.th. Injektion.
170
TAKO - Neuroonkologie
Meningeosis Neoplastica
D. Substanzen
Methotrexat (12-15mg), Cytosin-Arabinosid (AraC, 40-50mg; liposomales Ara-C, DepoCyte®, 50 mg) und
Thiotepa (10mg) sind die zur i.th. CT zugelassenen Zytostatika
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
MTX wird derzeit (noch) am häufigsten verwendet. MTX Einzeldosen 12mg ventrikulär und 15mg lumbal. Zur
Prävention systemischer Nebenwirkungen von MTX wird oral Folinsäure, 15 mg, alle 6 h für 48 h, erstmals 6 h
nach der MTX-Injektion, verabreicht („Leukovorin-Rescue“)
wenn die Therapiestrategie eine ZNS-Bestrahlung in Kombination mit i.th. MTX vorsieht wird zunächst, meist
über 3 Wochen, 2x/Woche die i.th. CT verabreicht bevor die Helmfeldbestrahlung beginnt.
wegen des stark erhöhten Risikos der Leukoencephalopathie während Radiatio möglichst kein i.th. MTX
bei Kombinationstherapie - ist nur gerechtfertigt, wenn bis zum Beginn der Strahlentherapie durch die bis
dahin erfolgte i.th. CT keine Sanierung des Liquors erfolgte und nur mit 1x-igen wöchentlichen Applikationen
vertretbar
die Fortführung der i.th. CT nach Ganzhirnbestrahlung wird individualisiert geplant. Wir führen meist Injektionsintervalle 2x/Woche bis zur „Liquorsanierung“ durch. Danach verlängern wir die Injektionsintervalle unter
laufenden Liquorkontrollen, klinischen und bildgebenden Kontrollen bis auf alle 1-3 Monate. Gesamtdosis
MTX 150 mg
der Sinn einer „Erhaltungs-CT“ wird unterschiedlich beurteilt, wir führen eine solche zuerst in 1-Monats-, dann
in 3-Monats-Intervallen durch
bei der MTX-Therapie sollte das Serum-Kreatinin unter 1,5 mg/dl liegen. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt,
so muß die Therapie unter intensivierten Kontrollen erfolgen
die Leukozytenwerte sollten vor Beginn der (lumbalen) i.th. CT über 3.000/µl und die Thrombozytenwerte über
80.000/µl liegen
bei fehlendem Ansprechen auf MTX kann die Therapie bei hämatoproliferativen Grunderkrankungen auf
Cytosin-Arabinosid (Einzeldosen 40-50mg) und bei soliden Tumoren auf Thiotepa (Einzeldosis 10mg) umgestellt
werden
alternativ Ara-C, eher bei lymphohämatopoietischen Erkrankungen, und Thiotepa, eher bei soliden Tumoren
keines dieser 3 Medikamente hat sich in einer kontrollierten Studie einem anderen der Medikamente gegenüber
als überlegen erwiesen (Grossman et al. 1993)
eine Depotform von Ara-C (liposomales Ara-C, DepoCyte®), die in kontrollierten Studien Vorteile gegenüber
konventioneller Ara-C-Therapie gezeigt hat und gegenüber MTX zumindest gleichwertig war (Glantz et al.
1999a; Glantz et al. 1999b), ist inzwischen in Österreich zugelassen. Alternativ zu MTX wird liposomales DepotAra-C (DepoCyte®, 50 mg) bereits an unserer Klinik eingesetzt mit dem grossen Vorteil, dass es nur alle 2 Wochen
appliziert werden muss. Aufgrund der häufiger zu beobachtenden reaktiven Arachnitis wird eine Begleitmedikation mit einem oralem Steroid, z.B. Dexamethason 3x4 mg für 3 Tage empfohlen (Glantz et al. 1999b, Murry et
al. 2000)
im Rahmen einer geplanten Studie zur kombinierten Strahlen-/Chemotherapie mit Ganzhirnbestrahlung
und i.th. DepoCyte® soll bei Patienten mit Meningeosis neoplastica solider Tumoren die Verträglichkeit und
Wirksamkeit dieser Kombinationstherapie untersucht werden:
„A phase II prospective multicenter clinical study to determine the safety of intrathecal liposomal cytarabine
(DepoCyte®) in combination with whole brain radiotherapy (WBRT) for the treatment of solid tumor neoplastic
171
TAKO - Neuroonkologie
Meningeosis Neoplastica
•
•
•
•
meningitis with or without parenchymal CNS metastasis“. (Studienleiter in Innsbruck: Prof. Dr. G. Stockhammer
und OA Dr. M.Nevinny)
eine kombinierte i.th. CT ist nicht indiziert (Hitchins
Hitchins et al. 1987; Stewart et al. 1987
1987)
die „Liquorsanierung“ ist theoretisch der beste Parameter zur Beurteilung der Wirksamkeit einer i.th.
Chemotherapie, weil klinische Befundänderungen durch viele andere Faktoren beeinflußt werden
eine Beendigung der i.th. CT ist sinnvoll, wenn 2-3 aufeinanderfolgende Liquorpunktionen nicht mehr zum
Nachweis zuvor nachgewiesener Tumorzellen führen
im Rezidivfall sollte zunächst das Zytostatikum eingesetzt werden, das zuvor eine „Liquorsanierung“ erzielte
5. Systemische Chemotherapie
•
•
•
solide leptomeningeale Metastasen sprechen nicht schlechter auf systemische CT an als andere (extrazerebrale)
Metastasen
gemäß den Richtlinien für den jeweiligen Primärtumor ist dies eine sinnvolle Therapieoption (Bokstein et al.
1998). Insbesondere für Patientinnen mit Mammakarzinom wird - die Durchführung einer systemischen CT
vorausgesetzt - der Wert der i.th. CT kontrovers diskutiert. Vielversprechende Ergebnisse mit systemischer
Hochdosis-Methotrexat-Therapie (Glantz et al. 1998) bedürfen weiterer Bestätigungen
eine Hormon-Therapie kann bei einzelnen Patienten mit Mamma- und Prostata-Karzinom auch zu Remissionen
einer Meningeosis neoplastica führen
V. Nachsorge
•
•
•
MRT individualisiert nach Klinik oder alle 3 Monate
Liquorkontrollen je nach Klinik
Überprüfung der Indikation zu Steroid- und Antiepileptika-Behandlung
VI. Prognose
•
•
•
•
ohne spezifische Therapie liegt die mediane Überlebenszeit bei soliden Tumoren bei 6-8 Wochen, bei lymphohämatopoietischen Tumorerkrankungen etwas günstiger
die Prognose der Meningeosis neoplastica bei soliden Tumoren ist trotz maximaler Therapie, meist in Form
einer kombinierten Radio-/Chemotherapie, im Gesamtkollektiv weiterhin sehr ungünstig mit medianen
Überlebenszeiten von 6-7 Monaten (Posner 1995). Weniger als 15% der Patienten sind nach 1 Jahr noch am
Leben (Stockhammer et al. 1998)
Patienten mit Mammakarzinomen und lymphohämatopoietischen Neoplasien sprechen besser auf die Radio/Chemotherapie an als Patienten mit Nicht-Kleinzelligen Bronchialkarzinomen und malignen Melanomen
mit Therapie gelingt bei 75% der Patienten eine Symptomkontrolle mit partieller Remmission für Monate, 25%
der Patienten zeigen trotz Therapie eine Progression
172
TAKO - Neuroonkologie
Meningeosis Neoplastica
•
•
2/3 der Patienten, deren Meningeosis neoplastica spezifisch behandelt wird, sterben nicht an den Folgen der
Meningeosis, sondern an der systemischen Tumorprogression
negative prognostische Faktoren für die Überlebenszeit:
niedriger Karnofsky-Index, Hirnnervenparesen, hohes Alter, niedrige Liquor-Glukose und hohes Liquor-Protein
(Balm und Hammack 1996)
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TAKO - Neuroonkologie
Meningeosis Neoplastica
Stockhammer G, Muigg A, Schletterer K, Poewe W. Gentherapeutische Ansätze in der Behandlung der Meningeosis neoplastica.
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Weller M., Thömke F (2001) Meningeosis neoplastica. Aktuelle Neurol 28:265-272
Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer
Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-3884
Fax: 0043-512-504-4260
E-mail: [email protected]
Dr. Markus Hutterer
Univ.-Klinik für Neurologie, Neurologisches Forschungslabor, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-23884
Fax: 0043-512-504-24260
E-mail: [email protected]
OA Dr. Meinhard Nevinny
Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-22801
Fax: 0043-512-504-22812
E-mail: [email protected]
174
TAKO - Neuroonkologie
Spinale Metastasen
Spinale Metastasen
I. Präambel
Spinale Metastasen stellen für eine Vielzahl von onkologischen Patienten ein großes Problem dar, da Metastasen
der Wirbelsäule die häufigsten Knochenmetastasen sind, und die Bedrängung des Rückenmarkes zu massiven
neurologischen Beeinträchtigungen führt1. In Autopsieserien findet man Wirbelsäulenmetastasen abhängig
vom Primärtumor in unterschiedlichen Prozentsätzen. Führend sind das Prostatakarzinom (90%), gefolgt von
Brustkrebs (75%), Melanom (55%) und Lungenkarzinom (45%)2. In etwa 10-20% aller Tumorpatienten führt die
Rückenmarkskompression zu neurologischen Ausfällen1,3.
II. Lokalisation
Über 90% spinaler Metastasen finden sich extradural, nur ein geringer Prozentsatz ist intradural gelegen. Extadurale
Metastasen betreffen meist die Wirbelkörper oder Pedikel (85%), zum Teil auch isoliert den Epiduralraum oder
posteriore Anteile der Wirbelsäule3.
Bei den intraduralen Tumoren lassen sich wiederum intra- und extramedulläre Tumoren unterscheiden. Die
operative Therapie der intraduralen Metastasen ist ähnlich der Therapie intraduraler Tumoren.
III. Symptomatik
Ein lokalisierter Schmerz ist bei über 90% aller Patienten die Erstsymptomatik, zur Zeit der Diagnosestellung haben
jedoch bereits ein Grossteil der Patienten Paresen. Daher ist eine frühzeitige Abklärung von Kreuzschmerzen und
anderen Wirbelsäulenbeschwerden bei allen Tumorpatienten besonders wichtig.
Weitere schwere Symptome sind neurogene Blasenstörungen und Sphinkterschwächen, welche ebenfalls erst
nach längerer Erkrankung auftreten.
Der Grad der Beeinträchtigung wird meist nach der „American Spinal Injury Association“ (A-E) angegeben:
A=komplette Querschnittsymptomatik, E=Normale Motorik und Sensorik, welche sich aus der Frankel Graduierung
entwickelt hat3,4.
Bei einer komplett ausgebildeten Querschnittsymptomatik ist eine Aussicht auf Besserung durch etwaige
Therapien praktisch nicht vorhanden.
IV. Diagnostik
• Klinisch-neurologische Untersuchung
• Allgemeine Untersuchung in Hinblick auf den Primärtumor und andere Metastasen
• Bildgebende Abklärung–vorzugsweise MRI der Wirbelsäule, zumindest jedoch LWS Röntgen bei allen Patienten
mit neu aufgetretenen Rückenschmerzen und malignen Erkrankungen, bei negativem Befund im LWS Röntgen
175
TAKO - Neuroonkologie
Spinale Metastasen
und länger andauernden Beschwerden ist ein MRI oder CT durchzuführen5. Eine weitere Möglichkeit der
Abklärung stellen nuklearmedizinische Verfahren dar.
• Zur Tumorlokalisation und zum Tumorscreening eignen sich Verfahren wie die Szintigraphie oder FDG-PET,
aber auch konventionelle Röntgenbilder der Wirbelsäule, CT und vorzugsweise Ganzkörper-MRI, welches die
beste Sensitivität zeigt, allerdings schwerer verfügbar ist.
V. Vor der Therapieentscheidung
• Staging des Primärtumors oder Suche nach Primärtumor
• Gemeinsame Besprechung der Fachärzte verschiedener Disziplinen im Rahmen des wöchentlichen „Interdisziplinären Neuroonkologischen Tumorboards“
• Ist der Befund nicht eindeutig (Metastase, Primärtumor, Entzündung) ist eine histologische Sicherung
notwendig. Diese Probengewinnung kann durch eine Biopsie oder eine offene Operation durchgeführt
werden.
VI. Therapie
Für die Therapie der Wirbelsäulenmatastasen gilt ähnliches wie für Hirnmetastasen. Die Therapieentscheidung
sollte immer unter Berücksichtigung der Gesamtsituation des Patienten erfolgen.
Im Wesentlichen stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
1. Palliative medikamentöse Therapie
A. Steroidtherapie:
Die Gabe von Dexamethason hat sich in mehreren randomisierten Studien als positiv erwiesen, und ist somit
evidenzbasiert als Klasse I zu empfehlen. Die Dosierung wird unterschiedlich empfohlen und liegt bei ca. 16
mg/d3.
B. Schmerztherapie:
Die Schmerztherapie stellt einen wichtigen Aspekt in der Therapie aller Tumorerkrankungen dar, und sollte
nach den gängigen Stufenschemata erfolgen. Speziell bei Knochenmetastasen bieten sich jedoch zusätzliche
Therapiemöglichkeiten an, die in Abhängigeit vom Primärtumor eingesetzt werden können. Zusätzliche
Therapien wären: Hormontherapie, Biphosphonate, Nervenblockaden und intrathekale oder epidurale
Schmerzpumpen6.
2. Operation
• Früher wurde vor allem die Tumorlaminektomie durchgeführt, mehrere Studien zeigten jedoch keinen Benefit
im Vergleich zur Strahlentherapie. Daher ist die Tumorlaminektomie nur bei streng posterior gelegenen
176
TAKO - Neuroonkologie
Spinale Metastasen
Prozessen zu empfehlen3.
• Die zirkumferentielle Dekompression des Rückenmarkes zeigte in randomisierten Studien eine deutliche
Überlegenheit gegenüber der alleinigen Strahlentherapie und ist somit als Klasse I zu empfehlen. Voraussetzungen einer solchen Therapie, welche anteriore und laterale Zugänge zur Wirbelsäule favorisiert, sind
allerdings eine entsprechende Lebenserwartung und ein entsprechender Allgemeinzustand des Patienten,
sowie abgegrenzte Raumforderungen7,8,9.
• Vertebroplastie und Kyphoplastie: Unter Vertebroplastie und Kyphoblastie versteht man chirurgische Verfahren,
bei denen Knochenzement in den Wirbelkörper eingebracht wird. Indikationen sind vorwiegend osteoporotische Frakturen der Wirbelsäule, allerdings kann diese Methode als palliative Maßnahme auch im Rahmen von
Wirbelsäulenmetastasen und pathologischen Frakturen den Patienten Erleichterung bringen10.
Folgende Faktoren beeinflussen das chirurgische Ergebnis:
Präoperatives Defizit, Dauer der Symptomatik, Histologie des Primärtumors, Lokalisation des Tumors und Kontrolle
des Primärtumors. Im allgemeinen sollte eine operative Therapie nur bei einer Lebenserwartung >3 Monate und
inkomplettem Querschnitt erwogen werden3,7. Falls eine Operation geplant ist, sollte diese vor der Strahlentherapie durchgeführt werden11.
3. Radiotherapie
Die konventionelle Radiotherapie stellt in der Mehrzahl der Fälle die wesentliche Therapieoption bei der Behandlung
von Wirbelsäulenmetastasen dar. Der Benefit der Radiotherapie wurde in mehreren Studien mit Klasse I belegt1,3.
Indikationen für die Radiotherapie sind vor allem strahlensensible Tumoren wie: Lymphome, multiples Myelom,
kleinzelliges Lungenkarzinom, Seminome und Neuroblastome, sowie Ewing Sarkome1.
Auch bei Patienten mit geringer Lebenserwartung und diffuser Metastasierung, sowie bei Patienten ohne
chirugische Behandlungsmöglichkeit ist die Radiotherapie die Therapie der Wahl1.
4. Chemoptherapie
Zu den chemotherapiesensitiven Tumoren zählen vor allem das multiple Myelom und das Non-Hodgkin Lymphom.
Vorbehaltlich einer notwendigen neurochirurgischen Intervention stellt die Chemotherapie bei diesen beiden
Entitäten die Therapie der Wahl dar, die bei klinischer Notwendigkeit auch in Kombination mit der Radiotherapie
erfolgen kann. In der Behandlung spinaler Metastasen anderer solider Tumoren ist die Chemotherapie in
das Gesamtkonzept der onkologischen Betreuung des Patienten einzubetten, wobei die Wirksamkeit der
Chemotherapie vor allem für das kleinzellige Bronchialkarzinom und das Mammakarzinom belegt ist. Die
Beherrschung lokaler Komplikationen durch neurochirurgische und radiotherapeutische Maßnahmen steht
jedoch im Vordergrund der therapeutischen Bemühungen. Für die Therapie von tumorbedingten Knochenosteolysen mit Hilfe von Biphosphonaten gibt es gute Evidenzen.
VII. Nachsorge
In Abhängigkeit von der Grunderkrankung und von der Ausprägung des Primärtumors.
177
TAKO - Neuroonkologie
Epidemiologie
Literatur
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11. Aebi M. Spinal metastasis in the elderly. Eur Spine J. 2003 Oct;12 Suppl 2:S202-13. Epub 2003 Sep 23.
Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Alois Obwegeser
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-27452
Fax: 0043-512-504-27453
E-mail: [email protected]
OA Dr. Meinhard Nevinny
Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-22801
Fax: 0043-512-504-22812
E-mail: [email protected]
Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder
Univ.-Klinik für Innere Medizin, Abteilung für Hämato-Onkologie, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-23255
E-mail: [email protected]
178
TAKO - Neuroonkologie
Paraneoplastische neurologische Syndrome
Paraneoplastische neurologische Syndrome
I. Definition, Einteilung und klinische Charakteristika
•
•
•
•
•
•
indirekte Komplikationen von Tumorerkrankungen, welche nicht durch den Tumor, seine Metastasen, vaskuläre,
infektiöse, metabolische oder therapiebedingte Ursachen hervorgerufen werden
seltene, aber charakteristische Krankheitsbilder, die einer Tumordiagnose oft um Monate oder sogar Jahre
vorausgehen können (Voltz 2002)
zugrundeliegender Tumor beim Auftreten der neurologischen Symptomatik oft noch so klein, daß er allen
bildgebenden Methoden entgehen kann
das klinische Bild einzelner paraneoplastischer neurologischer Syndrome kann zu einer höheren Morbidität
führen als der zugrundeliegende Tumor und oft irreversible neurologische Ausfälle verursachen
bei Zusammentreffen von neurologischer Symptomatik und positivem Antikörpernachweis kann ein Tumor
mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden und die Befundkonstellation auf eine bestimmte
Tumorentität hinweisen
paraneoplastische neurologische Syndrome können jeden Abschnitt des Nervensystems, den neuromuskulären Übergang und die Muskulatur betreffen (Darnell et al. 2006)
Tabelle 1: Einteilung der paraneoplastischen neurologischen Syndrome (nur die häufigsten „klassischen“
aufgelistet)
•
•
•
•
Syndrome des zentralen Nervensystems
Limbische Enzephalitis (LE)
Hirnstammenzephalitis
Kleinhirndegeneration (KHD)
Opsoklonus-Myoklonus Syndrom
Myelitis
Tumor-assoziierte Retinopathie
„Stiff-Person-Syndrome“
Syndrome des peripheren Nervensystems
Subakute sensorische Neuronopathie
Sensomotorische Polyneuropathie
Autonome Polyneuropathie
Vorderhornzellerkrankungen
Syndrome des neuromuskulären Übergangs und
des Muskels
Lambert Eaton myasthenes Syndrom (LEMS)
Dermatomyositis/Polymyositis
die neurologischen Symptome zeigen typischerweise einen subakuten Verlauf
paraneoplastische Syndrome können sehr bunt und heterogen verlaufen und erheblich fluktuieren
insbesondere bei folgenden Symptomen sollte an ein paraneoplastisches neurologisches Syndrom gedacht
werden, wenn die Beschwerden nicht anderweitig ätiologisch zugeordnet werden können:
• Merkfähigkeitsstörung und epileptische Anfälle: Limbische Enzephalitis
• paralytischer Ileus: Autonome Polyneuropathie
• muskuläre Schwäche und Mundtrockenheit: LEMS
bei etwa 2/3 der Patienten sind spezifische Antikörper im Serum (und Liquor) nachweisbar
179
TAKO - Neuroonkologie
Paraneoplastische neurologische Syndrome
II. Empfehlungen zur Antikörperbestimmung
•
•
•
der klinische Verdacht kann durch den Nachweis von assoziierten Autoantikörpern erhärtet werden (Tabelle
2).
ein fehlender Nachweis anti-neuronaler Antikörper schliesst jedoch ein paraneoplastisches Syndrom nicht
aus
in der Literatur werden zwei Arten der Nomenklatur verwendet, einmal die ersten beiden Buchstaben des
Indexpatienten (Hu, Yo, Ma etc.), alternativ entsprechend der immunhistochemischen Färbung (ANNA = antinukleäre neuronale Antikörper). Wir verwenden die Nomenklatur nach Posner (anti-Hu, Yo, Ma etc; Posner
1995)
Tabelle 2: Gut charakterisierte, mit paraneoplastischen neurologischen Syndromen assoziierte, antineuronale
Antikörper
Antikörper
Anti-Hu (ANNA-1)
Anti-Yo (PCA-1)
Anti-Ri (ANNA-2)
Anti-Ta/Ma2
Anti-Tr (PCA-Tr)
Anti-CV2 (anti-CRMP5)
Anti-Recoverin
Anti-Amphiphysin
Neurologisches Syndrom
LE, Enzephalomyelitis, KHD, Neuropathie
KHD
Hirnstammenzephalitis
LE, Hirnstammenzephalitis, KHD
KHD
LE, KHD, Neuropathie
Retinopathie
„Stiff-Person-Syndrome“
Häufigste Tumorerkrankungen
SCLC
Ovar, Mamma, Uterus, SCLC
Mamma, SCLC
Hoden, SCLC
M.Hodgkin
SCLC, Thymom
Lunge
Mamma, SCLC
Abkürzungen: KHD=Kleinhirndegeneration, LE=limbische Enzephalitis, SCLC=kleinzelliges Lungenkarzinom
•
zur Durchführung der Antikörperbestimmungen (anti-Hu, anti-Yo, anti-Ri und anti-Ta): Zusendung von Serum
(weisses Röhrchen) und - falls vorhanden - Liquor (1ml) an das Neurologische Routinelabor (4. Stock, alte
Neurologie/Psychiatrie)
•
bei klinischem Verdacht sollten gezielt anti-neuronale Antikörper bestimmt werden, diese wiederum können
auf spezifische Tumorentitäten hinweisen (Tabelle 3)
180
TAKO - Neuroonkologie
Paraneoplastische neurologische Syndrome
Tabelle 3: Die häufigsten paraneoplastischen neurologischen Syndrome, assoziierte Antikörper (nach Häufigkeit
des Vorkommens) und zugrundeliegende Tumorentitäten (häufigsten Tumoren):
Paraneopl neurol Sy
Antikörper
häufigsten Tumorentitäten
Retinopathie
Anti-Recoverin
Lunge
Anti-Hu
SCLC, Prostata-Ca, Neuroblastom
Anti-Hu
SCLC, Prostata-Ca, Neuroblastom
Anti-Ta
Seminom
Anti-CV2
SCLC, Thymom
Anti-Hu
SCLC
Anti-Ta
Seminom
Anti-Ri
Mamma-Ca, Ovarial-Ca
Anti-Yo
Ovarial-Ca, Mamma-Ca, Uterus-Ca
Anti-Hu
SCLC, Prostata-Ca, Neuroblastom
Anti-Tr
Morbus Hodgkin
Anti-Ta
Seminom
Anti-CV2
SCLC, Thymom
Anti-Ri
Mamma-Ca, Ovarial-Ca
Anti-Yo
Mamma-Ca, Ovarial-Ca
Anti-Hu
SCLC, Prostata-Ca, Neuroblastom
Anti-Ta
Seminom
Anti-CV2
SCLC, Thymom
Polyneuropathie
Anti-Hu
SCLC
(autonom, sensibel, sensomotorisch)
Anti-CV2
SCLC, Thymom
LEMS
Anti-VGCC
SCLC
Anti-Amphiphysin
SCLC
Anti-Hu
SCLC, Prostata-Ca, Neuroblastom
Anti-GAD
Mamma-Ca
limbische Enzephalitis
Hirnstammenzephalitis
Kleinhirndegeneration
Opsoklonus/Myoklonus
„Stiff-Person-Syndrome“
Anti-Amphiphysin
Abkürzungen: SCLC=kleinzelliges Lungenkarzinom, VGCC=“voltage gated calcium channels“, GAD=Glutamatdecarboxylase, LEMS=Lambert
Eaton myasthenes Syndrom
III. Kombinationen von paraneoplastischen neurologischen Syndromen:
•
•
•
paraneoplastische Enzephalomyelitis und sensible Neuropathie, assoziiert mit anti-Hu Antikörper
paraneoplastische Kleinhirndegeneration und LEMS bei SCLC (mit oder ohne anti-Hu Antikörper)
paraneoplastische limbische Enzephalitis und Hirnstammenzephalitis, assoziiert mit anti-Hu, anti-Ma oder
anti-Ta Antikörper
181
TAKO - Neuroonkologie
Paraneoplastische neurologische Syndrome
IV. Empfohlene Tumordiagnostik in Abhängigkeit von der wahrscheinlich
zugrundeliegenden Tumorentität
•
•
•
•
bei Verdacht auf ein paraneoplastisches neurologisches Syndrom ist die rasche Identifizierung des zugrundeliegenden Tumors essentiell
der Tumornachweis kann sich schwierig gestalten und es können auch serielle Untersuchungen erforderlich
werden, da die Tumoren für lange Zeit klein und klinisch stumm bleiben können
wenn bei einem Antikörper-positiven Patienten ein Tumor gefunden wird, der nicht zu dem bekannten
Tumorspektrum des entsprechenden Antikörpers passt, muss an die Möglichkeit eines Zweittumors gedacht
werden
Ganzkörper-FDG-PET ist für eine raschere Tumordiagnostik bei anti-Hu positiven Patienten oder bei klinisch
vermutetem paraneoplastischem neurologischem Syndrom hilfreich ((Antoine et al. 2000)
Tabelle 4: Empfohlene Tumordiagnostik
SCLC
NSCLC
Prostata-Ca
Neuroblastom
Mamma-Ca
Ovarial-Ca
Zervix-/Uterus-Ca
Keimzell-TU Hoden
M. Hodgkin
Thymom
Tumormarker (NSE), Thorax-CT, FDG-PET
Tumormarker (CYFRA, CEA, SCC), Thorax-CT, FDG-PET
Tumormarker (PSA), Tastbefund, Sonographie
Harn-Katecholamine und Metaboliten, Thorax/Abdomen-CT, MIBG-Szintigraphie,
Octreotid-Szintigraphie, FDG-PET
Tastbefund, Mammographie, Tumormarker (CEA, CA15-3), Sonographie, MRT, FDGPET
Sonographie, Tumormarker (CA125), CT, FDG-PET
klinischer Befund, Becken-CT, FDG-PET
Tastbefund, Sonographie, Tumormarker (betaHCG, AFP), Abdomen-CT
Klinik, CT, FDG-PET
Thorax-CT, Octreotid-Szintigraphie
V. Therapie
1. Allgemeine Charakteristika
•
•
•
der natürliche Verlauf eines paraneoplastischen neurologischen Syndroms kann sehr variabel und fluktuierend
sein, auch spontane Besserungen neurologischer Symptome und spontane Tumorremissionen wurden
beschrieben
sehr unterschiedliches Ansprechen auf die Therapie (eine limbische Enzephalitis spricht besser auf eine
Tumortherapie und/oder Immunmodulation als eine Kleinhirndegeneration an)
die Behandlung von paraneoplastischen neurologischen Syndromen, vor allem jener des ZNS, muss rasch
erfolgen. Je früher die immuntherapeutischen Massnahmen begonnen werden, desto eher besteht Aussicht
auf Remission/fehlende Progression
182
TAKO - Neuroonkologie
Paraneoplastische neurologische Syndrome
2. Tumortherapie
•
die Tumor-spezifische onkologische Behandlung ist die Hauptsäule der Behandlung - auch für die Behandlung
der neurologischen Symptome
3. Immuntherapie
•
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•
•
•
die Immunmodulation bei Erkrankungen des neuromuskulären Übergangs und der Muskulatur (LEMS,
Myasthenia gravis, Polymyositis, Neuromyotonie) erfolgt nach etablierten Kriterien wie bei nicht-paraneoplastischer Ätiologie dieser Syndrome
auch bei den Erkrankungen des ZNS erscheint eine immunmodulatorische oder immunsuppressive Behandlung
aufgrund der Hinweise für eine Autoimmunpathogenese sinnvoll (Darnell 1996; Darnell et al. 2006)
leider zeigen die bisher verfügbaren Therapieoptionen nur wenig Effekt bei der Mehrheit der Patienten, Erfolge
bei einzelnen Patienten sind jedoch möglich
eine Vielzahl von Immuntherapien ist bisher versucht worden: Steroide, iv Immunglobuline, Cyclophosphamid
und Plasmapherese
für das „Stiff-Person Syndrome“ ist eine Behandlung mit iv Immunglobulinen indiziert (Dalakas et al. 2001)
aufgrund des nur fraglichen Erfolges und des Mangels an evidenzbasierten Daten empfehlen wir – in Anlehnung
an die Therapie der Multiplen Sklerose - einen Zyklus mit hochdosiertem Steroid (1000mg Methylprednisolon
iv/Tag für 3 Tage) durchzuführen
sollte sich unter dieser Therapie eine Stabilisierung oder gar Besserung der neurologischen Symptome ergeben,
kann diese Behandlung alle 6-8 Wochen wiederholt werden
bei fehlender Besserung verabreichen wir einen Zyklus iv Immunglobuline
bei weiterhin negativem Erfolg kann im Einzelfall eine Plasmapherese oder eine Behandlung mit Cyclophosphamid (z.B. 750 mg iv /m2 KOF alle 4 Wochen) erwogen werden
symptomatische Therapien sind der Tabelle 5 zusammengefasst
Tabelle 5: Symptomatische Therapie
LEMS
Opsoklonus
Myoklonus
Sensible Neuropathie
Limbische Enzepahlitis
Myasthenia gravis
„Stiff-Person Syndrome“
Neuromyotonie
3,4-Diaminopyridin (bis 60 mg/d)
Pyridostigmin (bis 600 mg/d)
Clonazepam (3 x 0,5-2 mg/d)
Propranolol (3 x 40-80 mg/d)
Trihexyphenidyl (3 x 1 mg - 35 mg/d)
Benzatropin (3 x 1 - 3 mg/d)
Valproinsäure (2 x 300 - 3 x 1200 mg/d)
Carbamazepin (200 bis 800 mg/d)
Amitryptilin (bis 75 mg/d)
Antiepileptika
Antidepressiva
Pyridostigmin (bis 600 mg/d)
Diazepam (20 - 100 mg/d)
Carbamazepin oder Phenytoin
183
TAKO - Neuroonkologie
Paraneoplastische neurologische Syndrome
VI. Kurze Darstellung einzelner paraneoplastischer neurologischer Syndrome
1. Limbische Enzephalitis (LE)
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subakut progredienter Verlauf mit mnestischen Störungen, partiell komplexen und generalisierten Anfällen,
Verwirrtheitszuständen, Depression, Persönlichkeitsveränderungen und Halluzinationen (Benke et al. 2004,
Voltz 2004)
in ca. 40% kommt es zu einer Beteiligung anderer neurologischer Systeme (Gultekin et al. 2000)
in ca. 1/4 dieser Patienten treten assoziiert Hirnstammsymptome auf (Gultekin et al. 2000)
ein pathologisches Ergebnis von Liquor, MRT oder EEG sind häufig (Graus et al., 2001)
die anti-neuronalen Antikörper anti-Hu und anti-Ta/Ma2 sind am häufigsten nachweisbar (Graus et al. 2001;
Voltz et al. 1999)
ein Tumor wird bei mehr als der Hälfte der Patienten erst nach Beginn der neurologischen Symptome
diagnostiziert, davon 50% in der Lunge (80% SCLC), 20% im Hoden und 8% in der Mamma
die meisten Tumoren sind lokal begrenzt
2. Kleinhirndegeneration (KHD)
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neuropathologisch im Vordergrund steht ein selektiver Verlust der Purkinjezellen
subakute pancerebelläre Symptomatik mit Koordinations-, Bewegungs-, Gleichgewichts-, Sprech- und Schluckstörungen
eine sich subakut entwickelnde Kleinhirnsymptomatik bei einer Frau über 50 ist in 2/3 der Fälle paraneoplastischer Genese (Posner 1995)
ein klassisches Überlappungssyndrom besteht zwischen einer KHD und einem LEMS bei Patienten mit einem
SCLC (Mason
Mason et al. 1997
1997). Dies ist aufgrund des guten Ansprechens von LEMS auf immunmodulatorische
Maßnahmen bei schlechtem Ansprechen der paraneoplastischen KHD von therapeutischer Relevanz (Bain et
al. 1996)
das Fehlen einer Atrophie im MRT bei Kleinhirnerkrankungen mit normalem Liquor ist in frühen Stadien die
Regel und schliesst daher eine paraneoplastische Genese nicht aus
als Primärtumore stehen gynäkologische Tumoren, Hodgkin Lymphome und SCLC im Vordergrund und sind
am häufigsten mit anti-Yo, anti-Tr oder anti-Hu Antikörpern assoziiert. Ovarial-Karzinome können dabei lange
okkult bleiben und nur laparoskopisch nachweisbar sein
ein Ansprechen der neurologischen Symptomatik auf immunsuppressive Therapie, inklusive Plasmapherese,
wurde nur in Einzelfällen berichtet. Meist persistiert die neurologische Symptomatik und weist eine hohe
Morbidität auf
3. Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom
•
hierbei kommt es neben myoklonen Muskelkontraktionen, die ungeordnete willkürliche Bewegungen
verursachen, zu tanzenden, ruckartigen Augenbewegungen mit Sehstörungen („dancing eyes and dancing
feet“)
184
TAKO - Neuroonkologie
Paraneoplastische neurologische Syndrome
•
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entsteht wahrscheinlich durch eine Funktionsstörung im Nucleus fastigii des Kleinhirns
als pathologisches Substrat wurden sowohl eine Verminderung der Purkinjezellen im Kleinhirn als auch
entzündliche Infiltrate in unterschiedlichen Arealen mit Betonung im Hirnstamm beschrieben
die Opsoklonus-Myoklonus-Ataxie wurde initial bei Kindern mit einem Neuroblastom beschrieben (Mitchell et
al. 2002)
im Erwachsenenalter tritt dieses paraneoplastische neurologische Syndrom ebenfalls auf. Eine kürzlich
erschienene Arbeit beschreibt 24 Patienten, 10 davon mit einer idiopathischen, 14 mit einer paraneoplastischen Genese (Bataller et al. 2001)
die am häufigsten assoziierten Tumoren waren Lunge (10/14) und Mamma (2/14)
spezifische Antikörper fanden sich nur bei 2 der 14 paraneoplastischen Patienten
zusätzlich zur Tumorbehandlung führen Corticoide oder ACTH und iv Immunglobuline zu neurologischen
Verbesserungen (Mitchell et al. 2002)
zur symptomatischen Therapie der Myoklonien wird Clonazepam (Rivotril) eingesetzt
4. „Stiff-Person-Syndrome“ (SMS)
•
•
•
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dieses phänomenologisch besonders interessante paraneoplastische neurologische Syndrom ist eine Störung
des Zentralnervensystems, die führenden Symptome kommen jedoch von Seiten der Skelettmuskulatur mit
Steifheit, Spasmen und Muskelstarre sowie Schmerzen
kann sowohl paraneoplastisch (meist bei Mammakarzinomen), aber auch ohne Tumor-Assoziation vorkommen.
Anti-GAD (Glutamatdekarboxylase) Antikörper sind serologische Marker eines idiopathischen SMS
in seiner paraneoplastischen Form können die Patienten Antikörper gegen Amphiphysin (mit oder ohne antiGAD) zeigen. Dies ist dann ein Marker für ein zugrundeliegendes Mammakarzinom (Folli et al. 1993)
therapeutische Erfolge sind in Zusammenhang mit erfolgreicher Tumortherapie beschrieben. Ergebnisse mit
Steroiden, Muskelrelaxantien und Clonazepam werden unterschiedlich bewertet. Iv Immunoglobuline stellen
eine wesentliche Therapieoption beim SMS dar (Dalakas et al. 2001)
5. Subakute sensorische Neuronopathie
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die klassische paraneoplastische Polyneuropathie ist eine sensorische Neuronopathie, initial 1948 von DennyBrown beschrieben
es ist eine rasch progrediente, schwere Neuropathie, der ein entzündlicher Befall der Spinalganglienzellen
zugrunde liegt
typischerweise beginnt sie als asymmetrische, schmerzhafte, sensible Neuropathie, die sich dann zu einem meist
vollständigen Verlust der Propriozeption weiterentwickelt. Innerhalb weniger Tage kann sie zu hochgradiger
Ataxie mit Pseudoathetose führen
in den meisten Fällen finden sich anti-Hu-Antikörper, die eine diagnostische Spezifität von 99% und eine
Sensitivität von 82% haben (Molinuevo et al. 1998)
Therapieversuche sind bei voll ausgeprägter Symptomatik meist wirkungslos
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TAKO - Neuroonkologie
Paraneoplastische neurologische Syndrome
6. Lambert Eaton myasthenes Syndrom (LEMS)
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gilt als Paradebeispiel eines autoimmunologisch verursachten paraneoplastischen Syndroms
etwa 60% der Patienten mit einem LEMS haben einen assoziierten Tumor, meist ein SCLC oder ein Lymphom
die SCLC haben eine bessere Prognose, wenn ein LEMS assoziiert ist (Maddison et al. 1999)
hierbei treten vorwiegend eine proximale Muskelschwäche und autonome Symptome wie Mundtrockenheit
und Impotenz auf
klinisch findet sich bei Reflexprüfung das einzigartige Phänomen der Fazilitierung; d.h. hochgradig
abgeschwächte oder fehlende Muskelreflexe können durch vorausgehende Anspannung oder mehrfaches
Beklopfen wieder ausgelöst und sogar lebhaft werden
leider gibt es keinen serologischen Marker für die paraneoplastische Ätiologie von LEMS
die Prävalenz von LEMS bei allen Patienten mit SCLC beträgt etwa 3% und sollte aufgrund der therapeutischen
Relevanz nicht übersehen werden (Bain et al. 1996). Dies gilt vor allem für das Überlappungs-Syndrom mit antiHu; hier ist die Bestimmung von anti-VGCC besonders indiziert (Mason
Mason et al. 1997
1997)
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Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer
Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
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Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger
Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel: 0043-512-504-23860
Fax: 0043-512-504-24260
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Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder
Abteilung für Hämatologie und Onkologie, Medizinische Universität Innsbruck
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Tel: 0043-512-504-23255
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TAKO - Neuroonkologie
Notizen
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TAKO - Neuroonkologie
Autoren
ANTON Jürgen-Volker, Dr.
DONNEMILLER Eveline, Ass. Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
Univ.-Klinik für Nuklearmedizin
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Anichstrasse 35
Tel: 0043-512-504-27452
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AUBERGER Thomas OA Dr.
EISNER Wilhelm, Univ.-Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Universität Innsbruck,
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Medizinische Universität Innsbruck
Tel: 0043-512-504-22801
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Fax: 0043-512-504-22812
Tel: 0043-512-504-27452
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Fax: 0043-512-504-27453
E-mail: [email protected]
BALE Reto, Univ.-Prof. Dr.
FELBER Stephan, Univ.-Prof. Dr.
Radiologie I
Radiologie II
Medizinische Universität Innsbruck
Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35
Anichstrasse 35
6020 Innsbruck
6020 Innsbruck
Tel: +43/512/504-80540
Tel: +43/512/504-27103
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BERGER Thomas, Univ.-Prof. Dr.
FIEGELE Thomas, Dr.
Univ.-Klinik für Neurologie
Univ.-Klinik für Strahlentherapie
Medizinische Universität Innsbruck
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Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
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Tel: 0043-512-504-22801
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DeVRIES Alexander, Ao. Univ.-Prof. Dr.
FINKENSTEDT Gerd, Ass.Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Radioonkologie
Univ.-Klinik für Innere Medizin
Medizinische Universität Innsbruck
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Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
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Endokrinologische Ambulanz
Fax: 0043-512-504-22812
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Autoren
GOTWALD Thaddäus, OA Dr.
KLEIN-FRANKE Andreas, Dr.
Radiologie II
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde
Medizinische Universität Innsbruck
Medizinische Universität Innsbruck
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Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
6020 Innsbruck
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Tel: +43/512/504-27103
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HOLZNER Bernhard, Doz. DI. Dr.
KOHL Claudia, OA Dr.
Arbeitsgruppe für Psychoonkologie und
Arbeitsgruppe für Psychoonkologie und
Psychoimmunologie
Psychoimmunologie
Abteilung für Biologische Psychiatrie
Abteilung für Biologische Psychiatrie
Univ.Klinik für Psychiatrie Innsbruck
Univ.Klinik für Psychiatrie Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel. 0512/ 504 -23691
Tel. 0512/ 504-23691
Fax 0512/504 – 23691
Fax 0512/504–23691
E-mail: [email protected]
E-mail: [email protected]
HUBER Elisabeth, DKS
KOSTRON Herwig, Univ.-Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Neurologie
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
Medizinische Universität Innsbruck
Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-24239
Tel: 0043-512-504-27452
Fax: 0043-512-504-24260
Fax: 0043-512-504-27453
E-mail: [email protected]
HUTTERER Markus, Dr.
KROPSHOFER Gabriele, Dr.
Univ.-Klinik für Neurologie
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde
Medizinische Universität Innsbruck
Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-23884
Tel: 0043-512-504-80828
Fax: 0043-512-504-24260
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KINDL Theresa, DKS
MAIER Hans, ao. Univ.-Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Neurologie
Neuropathologisches Labor des Instituts für Pathologie
Medizinische Universität Innsbruck
Medizinische Universität Innsbruck
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Medizinzentrum Anichstrasse G03
Tel: 0043-512-504-24239
Anichstrasse 35
Fax: 0043-512-504-24260
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E-mail: [email protected]
Tel: +43/512/504-27391
Fax: +43/512/504-27414
E-mail: [email protected]
190
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Autoren
MEISTER Bernhard, Univ.-Prof. Dr.
SCHAUER-MAURER Gabriele, OA Dr.
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde
Arbeitsgruppe für Psychoonkologie und
Medizinische Universität Innsbruck
Psychoimmunologie
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Abteilung für Biologische Psychiatrie
Tel: 0043-512-504-81570
Univ.Klinik für Psychiatrie Innsbruck
Fax: 0043-512-504-24934
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
E-mail: [email protected]
Tel. 0512/ 504 -23691
Fax 0512/504 - 23691
MUIGG Armin, OA Dr.
E-mail: [email protected]
Univ.-Klinik für Neurologie
Medizinische Universität Innsbruck
SPERNER-UNTERWEGER Barbara,
Ao.Univ.-Prof. Dr.
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel: 0043-512-504-23909
Fax: 0043-512-504-24260
Arbeitsgruppe für Psychoonkologie und
E-mail: [email protected]
Psychoimmunologie
Abteilung für Biologische Psychiatrie
NEVINNY Meinhard, OA Dr.
Univ.Klinik für Psychiatrie Innsbruck
Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Universität Innsbruck,
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Tel. 0512/ 504 -23691
Tel: 0043-512-504-22801
Fax 0512/504 – 23691
Fax: 0043-512-504-22812
E-Mail: [email protected]
E-mail: [email protected]
OBWEGESER Alois, Univ.-Prof. Dr., MAS, MSc
STAUDER Reinhard, Univ.-Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
Univ.-Klinik für Innere Medizin
Medizinische Universität Innsbruck
Abteilung für Hämato-Onkologie
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Medizinische Universität Innsbruck
Tel: 0043-512-504-27452
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
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Tel: 0043-512-504-23255
E-mail: [email protected]
E-mail: [email protected]
PLANGGER Clemens, Univ.-Prof. Dr.
STOCKHAMMER Günther, Ao. Univ.-Prof. Dr.
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
Univ.-Klinik für Neurologie
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Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria
Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck
Tel: 0043-512-504-27452
Tel: 0043-512-504-23884
Fax: 0043-512-504-27453
Fax: 0043-512-504-24260
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E-mail: [email protected]
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TAKO - Neuroonkologie
Autoren
TWERDY Klaus, Univ.-Prof.
Univ.-Klinik für Neurochirurgie
Medizinische Universität Innsbruck
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