TAKO - Neuroonkologie Vorwort Der Aufgabenbereich Neuroonkologie umfaßt die Diagnostik und Therapie primärer Hirn- und Rückenmarkstumoren, sowie metastatischer und nicht-metastatischer neurologischer Komplikationen extracerebraler Tumorerkrankungen. Die Neuroonkologie stellt eine interdisziplinäre Spezialisierung aus den Fachbereichen Neurochirurgie, Neurologie, Strahlentherapie, Nuklearmedizin, Neuropathologie, Neuroradiologie, Hämato-Onkologie, Pädiatrie, Psycho-Onkologie, onkologischer Pflege, „Neuroscience“ und onkologischer Grundlagenforschung dar. In den folgenden Artikeln („Allgemeiner Teil“ Kapitel 1-11 und „Spezieller Teil“ Kapitel 12-23) wurde daher versucht diesem interdisziplinären Charakter gerecht zu werden und die verschiedenen Fachdisziplinen haben konsensuell im Rahmen der Interdisziplinären Projektgruppe Neuroonkologie der Medizinischen Universität Innsbruck Leitlinien zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der häufigsten neuroonkologischer Erkrankungen erstellt. Im Rahmen eines wöchentlich stattfindenden „Neuroonkologischen Tumorboards“ werden an der Klinik Innsbruck für Patienten mit primären ZNS-Tumoren und neurologischen Komplikationen extracerebraler Tumorerkrankungen interdisziplinär Diagnose und Therapie gemeinsam festgelegt (jeweils Mittwoch 11.30h im 3. Stock des MZA, Neurochirurgischer Besprechungsraum). Zur Teilnahme an diesem Forum sind alle neuroonkologisch interessierten Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich eingeladen. Für die intensive und gute Zusammenarbeit möchte ich mich bei allen Autoren aus diesen unterschiedlichen Fachbereichen sehr herzlich bedanken! Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer Sprecher der Interdisziplinären Projektgruppe Neuroonkologie der Medizinischen Universität Innsbruck 3 TAKO - Neuroonkologie TAKO Vorstand Obmann: Univ.-Prof. DI Dr. Peter Lukas Univ. Klinik Innsbruck – Strahlentherapie-Radioonkologie Obmann-Stv.: Prim. Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Gattringer Krankenhaus Kufstein – Innere Medizin Schriftführer: Prim. ao. Univ-Prof. Dr. Ewald Wöll Krankenhaus Zams – Innere Medizin Schriftführer-Stv.: ao. Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder Univ. Klinik Innsbruck – Hämatologie & Onkologie Kassier: ao.Univ.-Prof. Dr. Dietmar Öfner Univ. Klinik Innsbruck – Chirurgie Kassier-Stv.: Univ.-Doz. Dr. Eberhard Gunsilius Univ. Klinik Innsbruck – Hämatologie & Onkologie kooptiert: Univ.-Prof. Dr. Günther Gastl Univ. Klinik Innsbruck – Hämatologie & Onkologie Mitwirkende ANTON Jürgen-Volker, Dr. AUBERGER Thomas OA Dr. Univ.-Klinik für Neurochirurgie Univ.-Klinik für Neurochirurgie BALE Reto, Univ.-Prof. Dr. Radiologie I BERGER Thomas, Univ.-Prof. Dr. Univ.-Klinik für Neurologie DeVRIES Alexander, Ao. Univ.-Prof. Dr. Univ.-Klinik für Radioonkologie DONNEMILLER Eveline, Ass. Prof. Dr. Univ.-Klinik für Nuklearmedizin EISNER Wilhelm, Univ.-Prof. Dr. Univ.-Klinik für Neurochirurgie FELBER Stephan, Univ.-Prof. Dr. Radiologie II FIEGELE Thomas, Dr. Univ.-Klinik für Strahlentherapie FINKENSTEDT Gerd, Ass.Prof. Dr. Univ.-Klinik für Innere Medizin GOTWALD Thaddäus, OA Dr. Radiologie II HOLZNER Bernhard, Doz. DI. Dr. Univ.Klinik für Psychiatrie HUBER Elisabeth, DKS Univ.-Klinik für Neurologie HUTTERER Markus, Dr. Univ.-Klinik für Neurologie KINDL Theresa, DKS Univ.-Klinik für Neurologie KLEIN-FRANKE Andreas, Dr. Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde KOHL Claudia, OA Dr. Univ.Klinik für Psychiatrie Innsbruck KOSTRON Herwig, Univ.-Prof. Dr. Univ.-Klinik für Neurochirurgie KROPSHOFER Gabriele, Dr. Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde MAIER Hans, ao. Univ.-Prof. Dr. Institut für Pathologie MEISTER Bernhard, Univ.-Prof. Dr. Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde MUIGG Armin, OA Dr. Univ.-Klinik für Neurologie NEVINNY Meinhard, OA Dr. Univ.-Klinik für Neurochirurgie OBWEGESER Alois, Univ.-Prof. Dr., MAS, MSc Univ.-Klinik für Neurochirurgie PLANGGER Clemens, Univ.-Prof. Dr. Univ.-Klinik für Neurochirurgie SCHAUER-MAURER Gabriele, OA Dr. Univ.Klinik für Psychiatrie SPERNER-UNTERWEGER Barbara, Ao.Univ.-Prof. Dr. Univ.Klinik für Psychiatrie STAUDER Reinhard, Univ.-Prof. Dr. Univ.-Klinik für Innere Medizin STOCKHAMMER Günther, Ao. Univ.-Prof. Dr., Sprecher der AG Neuroonkologie Univ.-Klinik für Neurologie TWERDY Klaus, Univ.-Prof. Univ.-Klinik für Neurochirurgie Dr. Eugen Preuß pdl – Satz und Gestaltung, ©2007 4 TAKO - Neuroonkologie Inhalt Einteilung und Pathologie der Tumoren des Nervensystems . . . . . . . . . . . . 7 Bildgebende Diagnostik bei Hirntumorerkrankungen: . . . . . . . . . . . . . 23 CT, MRT und Angiographie . . . . . . . . . . . . . . . 23 Bildgebende Diagnostik bei Hirntumorerkrankungen. . . . . . . . . . . . . . 29 Bildgebende Diagnostik bei Hirntumorerkrankungen: Bildfusion . . . . . . . . . . . 43 Stereotaktische Biopsie zerebraler Raumforderungen . . . . . . . . . . . 51 Allgemeine Prinzipien der Chirurgischen Therapie von Hirntumoren . . . . . . . . . . 55 Radiotherapie-Grundlagen: Perkutane Strahlentherapie . . . . . . . . . . . . . 59 Radiotherapie-Grundlagen: . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Radiochirurgie und Interstitielle Strahlentherapie . . . . . . . . . . . . . . 63 Chemotherapie von ZNS-Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . 67 Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge . . . . . . . . . 73 Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung . . . . . . . . . . . . . . 81 von Patienten mit ZNS-Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Gliome . 97 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren der Pinealisregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Hypophysentumore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Meningeome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Tumoren der Nerven und Nervenscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Primäre ZNS-Lymphome . Meningosarkome . . . . . . . . . . . . . . . . Primäre Melanocytome der Meningen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Primäre Tumoren des Rückenmarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Hirnmetastasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Meningeosis Neoplastica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Spinale Metastasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Paraneoplastische neurologische Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Autoren . . . . . . . . . . . . . . . 189 . . . . . . . . . . . . 5 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie Einteilung und Pathologie der Tumoren des Nervensystems I. EINLEITUNG Tumore im Bereich des zentralen und peripheren Nervensystems können sich aus den verschiedenen Zellen des Gehirns und Rückenmark entwickeln, von umgebenden Strukturen wie den Hirnhäuten oder Teilen des Skeletts ausgehen oder von Zellen des peripheren Nerven. Ihr klinisches Verhalten ist abhängig von ihrem histologischen Typ, dem Grad der Differenzierung, der Tumorgröße, der Lokalisation und Ausbreitung in funktionell wichtige Hirngebiete, woraus sich die unterschiedliche Zugänglichkeit für eine operative Entfernung ergibt. Diese Faktoren, insbesondere die histologische Klassifikation, haben einen Einfluss auf das Ansprechen einer eventuell notwendigen Strahlentherapie oder Chemotherapie. Alle Faktoren bestimmen in Summe im Einzelfall die Prognose des Patienten. Die zahlreichen, individuell oft unterschiedlichen, Variablen machen eine allgemein gültige Bestimmung des klinischen Verlaufs einer Tumorart, vor allem bei den hirneigenen Tumoren, schwer und haben bisher immer zu mehr oder weniger großen Problemen in der Erstellung eines praktikablen Klassifikationsschemas geführt. Zu den heute gebräuchlichsten Klassifikationen zählt die Tumorklassifikation der WHO (Kleihues und Canavee. Pathology and Genetics: Tumours of the Nervous System, IARC Press Lyon 2000), die in regelmäßigen Abständen überarbeitet und dem aktuellen Wissensstand angepasst wird, zuletzt 2003. Die WHO-Klassifikation beruht auf jahrzehntelangen Erfahrenswerten bezüglich des klinischen Verlaufs und versucht, die Graduierung der Tumore nach der zu erwartenden Prognose auszurichten. Demzufolge werden die Differenzierungsgrade nach folgendem Schema unterschieden: - Tumore mit Grad I WHO: Geringe Zelldichte, leichte Zell- und Kernunregelmäßigkeiten, seltene Mitosen, Überlebenszeit von über 5 Jahren, bei bestimmten Tumoren Heilungschance. - Tumore mit Grad II WHO: Etwas höhere Zelldichte, mäßige Zell- und Kernunregelmäßigkeiten, leichte Gefäßproliferate, erhöhte Mitosezahl, eine Überlebenszeit zwischen 3 und 5 Jahren. - Tumore mit Grad III WHO: Hohe Zelldichte und deutliche Zell- und Kernunregelmäßigkeiten, Gefäßwucherungen, reichlich Mitosen mit atypischen Mitosefiguren, Nekrosen möglich, Überlebenszeit zwischen 15 Monaten und 3 Jahren. - Tumore mit Grad IV WHO: Sehr zellreich, undifferenziertes Zellbild oder hoher Grad der Zell- und Kernunregelmäßigkeiten, ausgeprägte Gefäßproliferate, Nekrosen (beim Glioblastom mit Strichnekrosen), zahlreiche (auch atypische) Mitosen, nur kurze Überlebenszeiten, im statistischen Mittel unter 15 Monaten. 7 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie Individuelle Empfindlichkeiten gegenüber Radio-/Chemotherapie können bei manchen bösartigen Tumoren zu „statistischen Ausreißern“ und günstigeren Verläufen führen. Umgekehrt kann ein histologisch äußerst gutartiger Tumor, wie das pilozytische Astrozytom, das als scharf abgegrenzter Tumor des Kleinhirns durch operative Entfernung geheilt werden kann, bei Sitz im Hirnstamm inoperabel sein und über wenige Jahre zum Tode führen. Ein Hauptargument von Kritikern der WHO-Klassifikation und –Graduierung ist deshalb, dass ein Patient mit dem Etikett einer prognostizierten Lebenserwartung versehen wird, die mit dem tatsächlichen klinischen Verlauf nicht in jedem Fall übereinstimmt. Die in den Vierziger Jahren erstellte, rein auf histologischen Kriterien aufgebaute Kernohan-Graduierung für gliale Tumore, die die Malignitätsmerkmale von Tumorzellen und ihrer Zellkerne (Größe und Form, Zahl der Zellteilungen) sowie gewebliche Veränderungen wie Nekrosen und Ausmaß von Gefäßwucherungen heranzieht, überlässt die Gesamtbeurteilung der individuellen Prognose dem Kliniker, der aus der Histologie, aus den durch die moderne Bildgebung erhobenen und aus allfälligen molekularpathologischen Befunden die entsprechenden Schlüsse zieht. Als Grundlage für die nachfolgenden Ausführungen dient jedoch trotz aller Einwände die WHO-Klassifikation, insbesondere weil sie für die Diagnostik bei internationalen Therapiestudien maßgeblich ist. Die nachfolgenden näheren Erläuterungen beschränken sich nur auf die häufigsten und klinisch wichtigen Tumore und können nicht das ganze Spektrum der selteneren Tumoren und von ungewöhnlicheren Tumorvarianten einschließen. II. KLASSIFIKATION DER TUMORE DES NERVENSYSTEMS 1. Neuroepitheliale Tumore A. Astrozytäre Tumore Diffus infiltrierende Astrozytome: Diffuses Astrozytom (Grad II WHO) Anaplastisches Astrozytom (Grad III WHO) Glioblastoma multiforme (Grad IV WHO) Pilozytisches Astrozytom (Grad I WHO) Pleomorphes Xanthoastrozytom (Grad II WHO) Subependymäres Riesenzellastrozytom (Grad I WHO) B. Oligodenrdogliale Tumore Oligodendrogliom (Grad II WHO) Anaplastisches Oligodendrogliom (Grad III WHO) Mischgliome: Oligoastrozytom (Grad II WHO) Anaplastisches Oligoastrozytom (Grad III WHO) C. Ependymale Tumore Ependymom (Grad II WHO) Anaplastisches Ependymom (Grad III WHO) Myxopapilläres Ependymom (Grad I WHO) Subependymom (Grad I WHO) 8 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie D. Tumore des Plexus chorioideus Plexuspapillom (Grad I WHO) Plexuskarzinom (Grad III WHO) E. Neuroepitheliale Tumore unsicherer Herkunft Astroblastom (ohne WHO-Graduierung) Chordoides Gliom des dritten Ventrikels (Grad II WHO) Gliomatosis cerebri (Grad III WHO) F. Neuronale und gemischt neuronal-gliale Tumore Gangliozytom (Grad I WHO) Gangliogliom (Grad I-IV WHO) Desmoplastisches infantiles Astrozytom und Gangliogliom (Grad I WHO) Dysembryoplastischer neuroepithalialer Tumor (Grad I WHO) Dysplastisches Gangliozytom des Kleinhirns (Lhermitte-Duclos) (Grad I WHO) Zentrales Neurozytom (Grad II WHO) Zerebelläres Liponeurozytom (Grad I-II WHO) Paragangliom (Grad I WHO) G. Tumore des Pinealisparenchyms Pineoblastom (Grad IV WHO) Pineozytom (Grad II WHO) Pinealis-Parenchymtumor intermediärer Differenzierung H. Embryonale Tumore Ependymoblastom (Grad IV WHO) Medulloblastom (Grad IV WHO) Supratentorielle PNETs (primitive neuroepitheliale Tumore) (Grad IV WHO) Medulloepitheliom (Grad IV WHO) Atypischer Teratoid/Rhabdoidtumor (Grad IV WHO) I. Periphere neuroblastäre Tumore Olfaktorius-Neuroblastom (Ästhesioneuroblastom) (keine WHO-Graduierung) Olfaktorius-Neuroepitheliom Neuroblastäre Tumore des sympathischen Nervensystems und der Nebenniere: 9 Neuroblastom Ganglioneuroblastom Ganglioneurom TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie 2. Tumore des kranialen und peripheren Nerven Neurinom (Schwannom) (Grad I WHO) Neurofibrom (Grad I WHO) Perineurinom (Grad I WHO) Maligner peripherer Nervenscheidentumor (MPNST) (Grad III-IV WHO) 3. Meningeale Tumore Meningeom (Grad I-III WHO) Nicht-meningeale mesenchymale Tumore (Grad I-IV WHO) Hämangioperizytom (Grad II-III WHO) Melanozytäre Tumore 4. Tumore des hämatopoetischen Systems Maligne Lymphome Plasmozytom 5. Keimzelltumore Germinom Embryonales Karzinom Dottersacktumor Choriokarzinom Reifes Teratom Unreifes Teratom Mischtumore 6. Tumore der Sellaregion Hypophysenadenom Hypophysenkarzinom Kraniopharyngeom Granularzelltumor der Neurohypophyse 7. Metastasen 10 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie III. EPIDEMIOLOGIE, HISTOLOGIE, BIOLOGISCHES VERHALTEN UND MOLEKULARE PATHOLOGIE 1. Hirneigene Tumore (Neuroepitheliale Tumore) Diese Tumore entwickeln sich aus Zellen des Zentralen Nervensystems, ihre Bezeichnungen leiten sich aus den Namen der Zellen ab. Die Stützzellen des Hirn- und Rückenmarkgewebes nennt man Gliazellen, die Gruppe der aus ihnen entwickelten Tumore allgemein Gliome. Aus den Astrozyten entsteht das Astrozytom, und aus den Oligodendrozyten, die als Markscheide die zu ihren Zielorten führenden Nervenfortsätze umhüllen, das Oligodendrogliom. Ependymzellen kleiden die inneren Ventrikelräume und den Zentralkanal des Rückenmarks aus, in denen sich die Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) befindet, und sind Ursprung der Ependymome. Die Zellen des Plexus chorioideus in den inneren Ventrikelräumen bilden die Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) und können zu Plexustumoren entarten. Nervenzellen bilden die neuronalen Tumore oder sind Bestandteil von neuronal-glialen Mischtumoren. Während sich die bisher genannten Tumoren durch Entdifferenzierung aus reifen Zellen des Nervensystesm entwickeln, bilden sich die sogenannten embryonalen Tumoren aus undifferenzierten Vorläuferzellen der Gliazellen und Nervenzellen. A. Astrozytäre Tumore a. Diffuses Astrozytom (WHO Grad II) Alter: Junge Erwachsene (Gipfel zwischen 30. und 40. Lebensjahr). Frequenz: Bis 15 % der Astrozytome. Lokalisation: Meist supratentoriell (frontal oder temporal), im Kleinhirn ungewöhnlich. Charakteristikum: endenz zu maligner Progression. Makroskopie: Infiltrierend in präexistente Strukturen. Graugelblich, oft zystisch (multiple kleine, evtl. große flüssigkeitsgefüllte Zysten). Histologie: Vermehrung von Astrozyten mit leicht vergrößerten, gering variablen Kernen. Mikrozystische Abänderung. Wenig Mitosen, keine Nekrosen oder wesentliche Gefäßproliferate. Im Wesentlichen drei Subtypen, manchmal aber keine klare Subtypisierung möglich. - Fibrilläres Astrozytom: Lockere fibrilläre Matrix, neoplastische Astrozyten mit leichten Größen- und Formschwankungen der Kerne, geringe mitotische Aktivität. Mikrozystische Textur. Immunhistochemie: Saures Gliafaserprotein (GFAP) als wichtigster Marker astroglialer Zellen in variabler Ausprägung. - Gemistozytisches Astrozytom: Tumor mit mehr als 20 % von Gemistozyten (großleibige und zytoplasmareiche Astrozyten mit exzentrischen Kernen). Dichtes fibrilläres Netzwerk, einzelne Mitosen entsprechend einer in der Regel sehr geringen proliferativen Aktivität. Allerdings neigt das gemistozytische Astrozytom zur Progression zum Glioblastom. 11 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie Molekulare Pathologie: Prognosefaktoren: Protoplasmatisches Astrozytom: Kleine, zytoplasmaarme Astrozyten mit geringer GFAP-Expression, mukoide und mikrozystische Abänderung häufig. p53-Mutationen sind bei Tumoren in Progression zu einem malignen Astrozytom oder Glioblastom häufig (60 %, bei gemistozytischem Astrozytom ca. 80 %). durchschnittliche Überlebenszeit nach Operation beträgt 6-8 Jahre. Maligne Transformation in Glioblastom meist nach 4-5 Jahren. Begünstigend gelten junges Alter und ausgedehnte Tumorresektion. Korrelation der Überlebenszeit mit der Proliferationsrate, aber nicht mit molekularen Parametern. Gemistozytische Komponente tendiert zur Progression zum Glioblastom. b. Anaplastisches Astrozytom (Grad III WHO) Alter: Gipfel im 4. Lebensjahrzehnt, also etwas höher als beim diffusen Astrozytom Grad II, aber niedriger als Glioblastom. Lokalisation: Makroskopie: Histologie: Molekularpathologie: Prognosefaktoren: wie diffuse Astrozytome. ähnlich den diffusen Astrozytomen niedrigeren Grades. diffuses Astrozytom mit zellulären und nukleären Atypien und gesteigerter Proliferation. Kleine Nekroseherde, Gefäßproliferate mit glomeruloiden Endothelwucherungen. Höhere Zellularität, Vorkommen mehrkerniger Zellen, atypische Mitosen. p53 Mutationen sind am häufigsten (>70 %). Übergang in Glioblastom verschlechtert die Prognose, Zeitintervall im Mittel 2 Jahre. Längeres Überleben bei weitreichendem operativen Entfernen und Tumoren in jüngerem Lebensalter. c. Glioblastoma multiforme (Grad IV WHO) Frequenz: häufigster Hirntumor mit bis zu 15 % aller intrakranialen Tumoren und 50-60 % aller Astrozytome. Alter: meist Erwachsene zwischen 45 und 70 Jahren. Unter 10 % der Tumoren treten bei Kindern auf. Lokalisation: Großhirnhemisphären, selten in Hirnstamm (oft Kinder), Kleinhirn oder Rückenmark. Infiltration des Balkens führt zur Ausdehnung auf die Gegenseite (Schmetterlingsgliom). Makroskopie: schlecht begrenzt, typisches buntes Schnittbild mit grauem, vitalen Tumor, gelblichen Nekrosen und rotbraunen Einblutungen. Multifokale Glioblastome sind beschrieben. Histologie: der Name „multiform“ spiegelt die sehr variable histologische Präsentation wider. Astrozyten zeigen oft hochgradige Anaplasie und heterogene Zellformen, aber kleinzellige Varianten sind bekannt. Multinukleäre Riesenzellen sind typisch und können in Einzelfällen das Bild dominieren. Hohe Zellularität und mitotische Aktivität, flächige Nekrosen und typische Strichnekrosen mit Pseudopalisaden der randständigen Tumorzellen gehören zum typischen histologischen Bild. Die Dichte der Tumorgefäße nimmt in den atsroglialen Tumoren mit dem Malignitätsgrad 12 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie Molekularpathologie: - - Prognosefaktoren: Variante: zu, ist am ausgeprägtesten beim Glioblastom und korreliert mit einer steigenden Sezernierung des Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) (Stockhammer et al. 2000). Primäre Glioblastome zeigen von Beginn an das Bild eines Glioblastoms, sekundäre entwickeln sich aus niedriggradigen Astrozytomen. Diese verschiedenen Entwicklungswege werden durch unterschiedliche molekularpathologische Befunde widergespiegelt: Primäres Glioblastom: Epidermal Growth Factor-Rezeptor (EGFR)-Amplifikation oder –Überexpression, MDM2-Überexpression, p16-Deletion, LOH (= Verlust der Hetero-zygosität) 10p und 10q, PTEN- und RB-Mutation. Sekundäres Glioblastom: p53-Mutation, Platelet-derived-growth-factor-Rezeptor (PDGFR)-Überexpression (niedriggradiges Astrozytom) -> LOH 19q und RB-Mutation (anaplastisches Astrozytom) -> LOH 10q, PTEN-Mutation, Verlust von DCC („deleted in colorectal carcinoma“, Tumorsuppressorgen), PDGFR-Amplifikation (Glioblastom). Kaum begünstigende Parameter angesichts rapidem Tumorwachstum und fatalem Verlauf. Möglichst komplette operative Entfernung verlängert das Überleben. Günstigster Parameter ist ein junges Alter unter 45 Jahren. Gliosarkom. Biphasisches Bild aus GFAP-positiven anaplastischen Astrozyten und aus spindeligen, GFAP-negativen Zellen mit dichtem Retikulinfasernetz. Beide Komponenten sind meist scharf voneinander getrennt. Bildung von Knorpel-, Knochen- oder Muskelgewebe ist beschrieben. d. Pilozytisches Astrozytom (Grad I WHO) Frequenz: Häufigstes kindliches Gliom. Alter: Typischerweise Kindes- und Jugendalter, seltener bei Erwachsenen nach dem vierten Lebensjahrzehnt. Lokalisation: Kleinhirnhemisphären, Hirnstamm, Nervus opticus, Hypothalamus, Großhirnhemisphären, seltener im Rückenmark. Makroskopie: Weiches, graues Tumorgewebe, in vielen Fällen zystisch. Im Groß- und Kleinhirn oft sehr scharf begrenzt und daher dort gut resezierbar. Optikusgliome neigen zu Einwachsen in den Subarachnoidalraum. Verkalkungen und Einblutungen können auftreten. Histologie: Astrozytom mit geringer Zelldichte und üblicherweise nur geringer mitotischer Aktivität als Zeichen für ein langsames Wachstumsverhalten. Eine Ausnahme scheinen supraselläre pilozytische Astrozytome des Jugendalters zu machen, die höhere Mitoseraten (und höheren Ki67-LI) und ein etwas aggressiveres biologisches Verhalten zeigen. Heterogene histologische Präsentation: kompakte Areale enthalten längliche, bipolare Zellen mit langen Fortsätzen, dort häufig mit Ausbildung von spindeligen oder kugeligen, eosinophilen Zelleinschlüssen, den sogenannten Rosenthal-Fasern. Diese sind zwar typisch für das pilozytische Astrozytom, aber nicht spezifisch und können auch bei reaktiven Veränderungen 13 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie Molekularpathologie: Prognose: Variante: des ZNS-Gewebes vorkommen. Mikrozystische Tumoranteile zeigen weniger piloide Zellformen, sondern rundliche Kerne, manchmal mit Oligodendrozytenartigem Aussehen vor allem in Tumoren des Kleinhirns. Die Zellkerne sind in piloiden Arealen meist monomorph, in anderen Abschnitten können sie variabel und hyperchromatisch aussehen. Ähnlichkeiten zu einem Astrozytom Grad II können bestehen. Mitosen sind in der Regel selten. Die Tumoren können sehr reich an Blutgefäßen sein, Einblutungen kommen vor. Regressive Veränderungen bei längerem klinischen Verlauf umfassen Gefäßwandhyalinosen, Siderophagen im Tumor, Verkalkungen und selten Nekrosen. Keine bisher gefundenen charakteristischen Mutationen. Meistens langsame Progredienz, in günstiger Lokalisation durch komplette Resektion heilbar. Beschrieben sind sehr selten bösartige Varianten des pilozytischen Astrozytoms mit entsprechenden histologischen Veränderungen und hoher Proliferationsrate. Pilomyxoider Subtyp. B. Oligodendrogliale Tumore: Oligodendrogliom (Grad II WHO), anaplastisches Oligodendrogliom (Grad III WHO) Frequenz: je nach Studie zwischen 4 und 18 % aller primären Hirntumore. Betrifft Erwachsene im jüngeren und mittleren Lebensalter (Mittel etwa 45 Jahre). Anaplastische Tumore in manchen Statistiken häufiger als Grad II-Oligodendrogliome, Auftreten in eher etwas höherem Lebensalter. Makroskopie: Lokalisiert meist im frontalen Großhirn, oberflächennahe in Kortex und subkortikalem Mark, Verkalkungen im Tumorrandbereich sind häufig. Histologie: Zellen mit runden Kernen und hellem, geschwollenen, optisch leer erscheinendem Zytoplasma, wodurch ein artifizielles Honigwabenmuster entsteht. Dieses ist in der Diagnostik oft ein hilfreiches Merkmal, allerdings wird dieses Bild von anderen rundzelligen Tumoren imitiert, wie dem klarzelligen Ependymom, dem zentralen Neurozytom oder dem dysembryoplastischen neuroepithelialen Tumor. Oligodendrogliome können Mikrokalzifikationen, zystische oder mukoide Abänderung sowie ein zartes Netzwerk verzweigter Kapillaren zeigen. Zelldichte und Mitoserate schwanken, gewisse Anaplasie kann vorliegen. Areale ohne Honigwabenmuster können jedoch vorherrschen, ferner Tumorzellen mit eosinophilem, ausladenden Zytoplasma vorliegen, die Gemistozyten ähneln (Mini-Gemistozyten). Schleimspeichernde Tumorzellen oder Siegelringzellen sind selten beschrieben worden. In der Hirnrinde diffuse Ausbreitung mit satellitenartiger Stellung um präexistente Nervenzellen. Infiltration der weichen Hirnhäute ist nicht ungewöhnlich. Anaplastische Oligodendrogliome zeigen Zeichen der Malignität wie höhergradige Zell- und Kernunregelmäßigkeiten, höhere Zelldichte, höhere Mitoserate, Gefäßproliferate und Auftreten von Nekrosen. 14 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie Immunhistochemie: Molekularpathologie: Üblicherweise sind Zellen des Oligodendroglioms negativ für GFAP, MiniGemistozyten hingegen sind positiv. Exprimiert werden S-100-Protein und Leu-7. Ki67-LI meist unter 5 %. Wichtigste genetische Veränderungen sind der Verlust der Heterozygosität (LOH) am langen Arm von Chromosom 19 und LOH am kurzen Arm von Chromosom 1. LOH 1p/19q ist klinisch bedeutsam, weil Tumoren mit diesem Befund empfänglicher sind für eine postoperative Chemotherapie, allerdings ist die Methodik noch nicht standardisiert und routinemäßig außerhalb weniger Tumorzentren anwendbar. In Österreich wird zur Zeit die Methodik am Klinischen Institut für Neurologie des AKH Wien sowie am St. Anna-Kinderspital etabliert und durchgeführt (Gelpi et al. 2003) und ist auch für Patienten der Innsbrucker Universitätsklinik zugänglich. Viele Oligodendrogliome haben zusätzlich eine vermehrte Expression von mRNA des EGFR-Gens. C. Mischgliome Oligoastrozytom (Grad II WHO), anaplastisches Oligoastrozytom (Grad III WHO) Mischtumoren mit signifikanter astroglialer und oligodendroglialer Komponente, die getrennt oder vermischt vorliegen können. Alter: Jüngeres bis mittleres Erwachsenenalter, lokalisiert meist in frontalen Hirnhemisphären. Molekularpathologie: komplexer als bei reinen Oligodendrogliomen, LOH 1p/19q in einem Drittel bis der Hälfte der Fälle, und zwar in beiden Tumorkomponenten. Es dürfte sich daher um Zelldifferenzierungen aus derselben Vorläuferzelle handeln und nicht um zufällig gleichzeitig entstandene, sich mischende Tumore handeln. Maligne Varianten: Die Unterscheidung zwischen Grad II- und Grad III-Tumoren erfolgt wiederum histologisch durch Evaluation von Malignitätskriterien, wie oben für Oligodendrogliome beschrieben. D. Ependymale Tumore a. Ependymom (Grad II WHO), anaplastisches Ependymom (Grad III WHO) Häufigkeit: 3-9 % aller hirneigenen Tumore, unter Kleinkindern bis 30 %. Unter den Gliomen des Rückenmarks am häufigsten. Alter: Vorkommen in allen Alterstufen, jedoch Häufigkeitsgipfel im Kindesalter (vor allem unter infratentoriellen Tumoren) und jungen Erwachsenenalter. Lokalisation: Ventrikelwände, oft intraventrikulär, am häufigsten in der hinteren Schädelgrube und im Rückenmark. Histologie: Meist monomorphe Tumore mittlerer Zelldichte, die zwei Charakteristika zeigen: um Blutgefäße radiär angeordnete Tumorzellen, deren Fortsätze strahlenartig auf 15 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie der Basalmembran anheften (perivaskuläre Pseudorosetten), und zylindrische Tumorzellen um einen kleinen oder größeren zentralen Hohlraum (echte ependymäre Rosetten und ependymäre Kanäle). Häufigste Sonderformen: Papilläres Ependymom mit Bildung von Papillen, klarzelliges Ependymom mit oligodendrogliom-artigem histologischen Bild, tanyzytisches Ependymom mit spindeligen, bipolaren Tumorzellen (meist im Rückenmark). Immunhistochemie: Meist GFAP-positiv, wenn auch heterogen innerhalb eines Tumors. Epitheliales Membran-Antigen (EMA) kann in einzelnen Zellen als kleine Granula im Zytoplasma oder im Bereich der ependymären Rosetten gesehen werden. Maligne Varianten: Die Differenzierung des anaplastischen Ependymoms kann schwierig sein, weil übliche Malignitätskriterien nicht mit klaren Unterschieden in der Überlebenszeit zwischen Grad II- und Grad III-Tumoren assoziiert sind. Verlässlichster ungünstiger Parameter scheint eine hohe Ki67-Markierungsrate zu sein. b. Myxopapilläres Ependymom (Grad I WHO) Frequenz: Bis zu 15 % der Ependymome. Alter: Gipfel im 4. Lebensjahrzehnt bei breiter Altersstreuung, Männer bevorzugt. Makroskopie: Lumbosakrales Rückenmark und Caudabereich einschließlich Filum terminale, seltener obere Spinalsegmente. Histologie: Papilläre Strukturen mit rosettenartiger Anordnung von Tumorzellen um gefäßhältiges zentrales Stroma. Dazwischen mukoide Matrix mit Zystenbildung. E. Tumore des Plexus chorioideus a. Plexuspapillom (Grad I WHO) Lokalisation: In den inneren Ventrikelräumen auftretender, papillär gebauter Tumor des Epithels des Plexus chorioideus. Hauptsymptom ist ein Hindernis des Liquorabflusses mit der Entwicklung eines Hydrozephalus (bei Kindern Erweiterung des Kopfumfangs). Alter: 80% Kinder, aber abhängig von Lokalisation; im Seitenventrikel ca. 80% unter 20 Jahre, im 4. Ventrikel in allen Altersgruppen gleichmäßig verteilt. Histologie: Gleichförmiges einschichtiges Zylinderepithel über gefäßführendem Bindegewebsstroma mit baumartig verzweigter papillomatöser Architektur. Keine Zellund Kernunregelmäßigkeiten, kaum Mitosen. Prognose: Kann durch vollständige chirurgische Entfernung geheilt werden. b. Plexuskarzinom (Grad III WHO) Lokalisation und Alter wie bei Papillom. Frequenz höchstens 20% aller Plexustumoren. Histologie: Epithel mit Zell- und Kernatypien, Mitosen, eventuell Verlust der papillären Struktur und solider Bau, invasives Wachstum. 16 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie F. Neuronale und gemischt neuronal-gliale Tumore a. Gangliozytom (Grad I WHO) Tumor aus reifen, aber neoplastischen Ganglienzellen mit sehr langsamem Wachstum. Alter, Lokalisation: Variabel. Makroskopie: Solide oder zystische Tumore, teils mit Verkalkungen, ohne wesentlichem raumforderndem Effekt. Histologie: Atypische Ganglienzellen in unregelmäßigen Gruppen, zum Teil mehrkernig, irreguläre Kerne. Perivaskuläre Lymphozyteninfiltrate oder Verkalkungen oft vorhanden. b. Gangliogliom Ganglionärer Tumor mit glialer Komponente, die den Differenzierungsgrad und damit die Prognose bestimmt. Häufig Grad I (gliale Komponente: pilozytisches Astrozytom) oder Grad II (diffuses Astrozytom), maligne Varianten mit anaplastischem Astrozytom (Grad III) oder gar Glioblastom (Grad IV) sind aber bekannt. Variante: Papillärer glioneuronaler Tumor c. Zentrales Neurozytom (Grad II WHO) Tumor aus kleinen, monomorphen Zellen mit neuronaler Differenzierung. Alter: Ca. 70 % in der 3. und 4. Dekade. Lokalisation: Typisch im Bereich der Seitenventrikel (Foramen Monroi). Makroskopie: Intraventrikulär, eventuell Verkalkungen und Einblutungen. Histologie: Kleine Zellen mit runden Kernen, meist ohne wesentliche Atypien, mit variierender Architektur. Kann ein Honigwabenmuster wie ein Oligodendrogliom zeigen oder perivaskuläre Pseudorosetten wie eine Ependymom. Unterscheidung zwischen diesen drei Entitäten ist wegen der Unterschiede in Prognose und allfälliger postoperativer Nachbehandlung wichtig. Maligne Varianten sind beschrieben. G. Tumore des Pinealisparenchyms a. Pineozytom (Grad II WHO) Tumor der Epiphyse mit langsamem Wachstum. Alter: Ca. 30. Lebensjahr. Histologie: Zellen ähneln den normalen Pineozyten der Epiphyse, monomorph ohne wesentliche Atypien, faserreiche Matrix, Zellen können Rosetten bilden. 17 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie b. Pineoblastom (Grad IV WHO) Undifferenzierter Pinealistumor mit Bild eines primitiven neuroektodermalen Tumors (PNET). Alter: Meist innerhalb der ersten zwei Lebensjahrzehnte. Histologie: Dicht liegende, unreife, zytoplasmaarme Zellen, rundliche bis irreguläre Kerne, hohe Zellularität, gelegentlich Rosettenbildung. Mitoserate kann hoch sein, Nekrosen und Mikroverkalkungen möglich, Melaninbildung sowie knorpelige und muskuläre Differenzierung selten. Prognose: Aggressives Verhalten, Metastasierung auf dem Liquorweg verschlechtert den klinischen Verlauf. H. Embryonale Tumore Undifferenzierte Tumoren meist des Kindesalters mit aggressivem Verhalten und ungünstiger Prognose. Alle Tumore entsprechen Grad IV WHO. a. Medulloblastom PNET des Kleinhirns Histologie: Hohe Zelldichte, typische Rosetten ohne zentralem Lumen, viele Mitosen und Apoptosen. Zytogenetik und Molekularpathologie: Isochromosom 17q in 50 % der Fälle sowie verschiedene Störungen auf Chromosom 1. Amplifikation von myc bei bis 20 % der Tumoren. Varianten: - Desmoplastisches Medulloblastom mit knotiger Architektur: retikulinfaserarme Tumorzonen, umgeben von dicht liegenden, hoch proliferativen Zellen mit Faserreichtum. - Großzelliges Medulloblastom. - Medullomyoblastom: mit Differenzierung zu quergestreifter Muskulatur. Prognose: Radikale Operation, keine Liquormetastasen bei Diagnosestellung und Alter über drei Jahre sind Kriterien für günstigere Prognose, die sich aufgrund weiter entwickelter postoperativer Therapie mittels Radio- und Chemotherapie zusätzlich verbessert hat. b. Supratentorielle PNETs (primitive neuroektodermale Tumore des Großhirns) Altersverteilung, Histologie und prognostische Faktoren wie bei Medulloblastom. 2. Tumore des kranialen und peripheren Nerven A. Neurinom (Schwannom) (Grad I WHO) Tumor der Schwannschen Zellen, die im peripheren Nerven die Markscheiden der Axone bilden. Alter: im 4. bis 6. Lebensjahrzehnt etwas häufiger. Lokalisation: Periphere Nerven der Extremitäten, manchmal als Hauttumor. Spinalnervenwurzeln (im Spinalkanal mit dem Meningeom der häufigste Tumor). Intrakraniell 18 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie Histologie: Prognose: von Hirnnerven, insbesondere im Kleinhirn-Brücken-Winkel ausgehend vom 8. Hirnnerv („Akustikusneurinom“). Spindelzelliger Tumor mit typischen Kernpalisaden abwechselnd mit kernfreien Zonen. Langsames Wachstum, in der Peripherie meist radikal entfernbar, problematischer intrakraniell im Bereich des Kleinhirn-Brücken-Winkels. B. Neurofibrom (Grad I WHO) Tumor aus neoplastischen Schwannzellen und Fibroblasten mit Kollagenfasern. Multiple Neurofibrome treten bei der Neurofibromatose Typ I auf. C. Maligner peripherer Nervenscheidentumor (MPNST) (Grad III-IV WHO) Maligne Variante eines Schwannoms oder Neurofibroms, histologisch Zeichen der Malignität mit hoher Zelldichte, Atypien, Mitosen und Nekrosen. Neigt zu Rezidiven und ungünstigem klinischen Verlauf. 3. Meningeale Tumore A. Meningeom a. Klassisches Meningeom Langsam wachsende, gutartige Tumore. Zahlreiche histologische Subtypen, die häufigsten sind das meningotheliomatöse und das fibroblastische Meningeom, jeweils wie die meisten Subtypen entsprechend Grad I WHO. Einzelne Varianten werden wegen eines etwas ungünstigeren klinischen Verhaltens als Grad II eingestuft (siehe unten). Alter: Meist Erwachsene des mittleren und höheren Lebensalters, Frauen häufiger betroffen als Männer. Lokalisation: Duraduplikaturen (Falx, Tentorium), Schädelbasis, Stroma des Plexus chorioideus der Ventrikel, Spinalkanal. Makroskopie: Scharf begrenzte, rundliche, feste Tumoren. Einwachsen ins Hirngewebe oder in die anhaftende Dura aber möglich, Knochenarrosion und Durchwachsen bis ins extrakranielle Weichgewebe oder in die Nasennebenhöhlen kommen vor. Histologie: Bei den häufigsten Subtypen Anordnung in durchflochtenen Zügen oder rundlichen, zwiebelschalenartig strukturierten Aggregaten. Hoher Gefäßreichtum, rundliche Verkalkungen (Psammomkörper). Mitosen selten. Varianten: - Mikrozystisches Meningeom: Kann sich mit einer großen Tumorzyste präsentieren. - Sekretorisches Meningeom: Intrazelluläre Lumina mit kugeligen runden Einschlüssen (Pseudopsammomkörper) - Chordoides Meningeom: Hat histologische Ähnlichkeit mit einem Chordom, höhere Rezidivneigung (daher Grad II WHO). - Klarzelliges Meningeom: Ohne typische Meningeomstruktur mit hellzelliger Zusammensetzung, etwas aggressiveres Verhalten (Grad II WHO). 19 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie Molekularpathologie: Etwa die Hälfte der Meningeome haben Allelverluste am Chromosom 22 und zusätzlich an anderen Chromosomen. Mutationen im NF2-Gen auf Chromosom 22 werden in ca. 60 % der Fälle gefunden. b. Atypisches Meningeom (Grad II WHO) Meningeom mit höherer Zelldichte und höherer Mitoserate (mindestens 5 Mitosen pro 10 Gesichtsfelder bei 400facher Vergrösserung [Maier et al. 1992]), auffallenden Zell- oder Kernatypien, Verlust der Zwiebelschalenstruktur, Nekrosen und/oder ungewöhnlichem aggressiven Wachstumsverhalten. Höhere Rezidivrate als die üblichen klassischen Meningeome. c. Anaplastisches (malignes) Meningeom (Grad III WHO) Meningeom mit weitgehendem Verlust der typischen Struktur, höherer Anaplasie, hoher Zelldichte, hoher Mitoserate und Nekrosen. Infiltrative Wachstumstendenz und hohe Rezidivneigung. B. Nicht-meningeale mesenchymale Tumore a. Hämangioperizytom Zumindest semimaligner Tumor der Meningen, neigt zu Rezidiven und Metastasierung, entspricht Grad II oder III nach WHO. Alter: Ca. 45. Lebensjahr, Männer etwas häufiger als Frauen. Histologie: Zellreicher Tumor aus regellos verteilt und manchmal storiform ausgebreiteten Zellen mit blasigen, hellen Zellen und dichtem Netz von Kapillaren und sinusoidalen, verzweigten Gefäßen. Deutliche proliferative Aktivität. b. Melanozytäre Tumore Melanozytome und maligne Melanome können auch von in den Meningen normalerweise vorkommenden Melanozyten ausgehen. 4. Tumore des hämatopoetischen Systems A. Maligne Lymphome Primäre maligne Non-Hodgkin-Lymphome des ZNS sind meistens hochmaligne Lymphome der B-Lymphozyten vom diffus-großzelligen Typ nach der REAL-Klassifikation. Auftreten gehäuft bei immungeschwächten Patienten oder im Alter, werden aber vermehrt bei immunkompetenten Personen diagnostiziert. B. Plasmozytom Neoplasie der Plasmazellen mit klonaler Immunglobulinproduktion einschließlich Leichtketten, die sich im Knochenmark entwickelt und ausgehend von einem Wirbelkörper sich gegen Rückenmark und Nervenwurzeln ausbreiten und neurologische Symptomatik verursachen kann. Histologisch drei Differenzierungsgrade parallel zur Zunahme der Zell- und Kernatypien. 20 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie 5. Keimzelltumore Klassifikation entsprechend der Tumoren des Hodens mit seminomatösen und nicht-seminomatösen Tumoren sowie Mischgeschwülsten. - Germinom: Entspricht dem klassischen Seminom des Hodens bzw. dem Dysgerminom des Ovars. Höchst strahlensensibel und dadurch prognostisch günstig, sofern keine andere Tumorkomponente vorliegt. Nicht-germinomatöse Keimzelltumoren (embryonales Karzinom, Dottersacktumor, Choriokarzinom, unreifes und reifes Teratom) können kombiniert oder selten einzeln auftreten, mit oder ohne GerminomKomponente. 6. Tumore der Sellaregion A. Hypophysenadenom Tumor der hormonproduzierenden Zellen des Hypophysenvorderlappens. Je nach Hormonaktivität des proliferierenden Zellklons ergeben sich charakteristische klinische Bilder: - ACTH-produzierendes Hypophysenadenom: Morbus Cushing. - HGH (Wachstumshormon)-produzierendes Hypophysenadenom: Riesenwuchs beim Kind, Akromegalie beim Erwachsenen. - Prolaktin-produzierendes Hypophysenadenom (Prolaktinom): Amenorrhoe, selten Galaktorrhoe. b. Kraniopharyngeom (Grad I WHO) Gutartiger Tumor der Sellaregion der Schädelbasis, der wahrscheinlich von Resten der sogenannten RathkeTasche, aus der sich während der Embryonalzeit der Hypophysenvorderlappen entwickelt, hervorgehen dürfte. Alter: Zwei Häufigkeitsgipfel: im Kindesalter (5 bis 14 Jahre) und bei Erwachsenen über 50 Jahre. Histologie: Solide bis zystische Tumore aus geschichtetem Plattenepithel mit Palisadenstellung der äußeren Zelllage. Kleine Zysten mit Hornkugeln kommen vor; das Epithel kann rupturieren, das im Gewebe dann frei liegende Hornmaterial führt zu einer granulomatösen Fremdkörperreaktion und im angrenzenden Hirngewebe zu ausgeprägter reaktiver Gliose. Kaum proliferative Aktivität. Prognose: Bei kompletter Resektion gut. Parameter für einen ungünstigen klinischen Verlauf sind das Ausmaß der chirurgischen Entfernung und die Tumorgröße (schlechter bei Tumoren über 5 cm). 21 TAKO - Neuroonkologie Einteilung und Pathologie 7. Metastasen Absiedlungen von Tumoren (hauptsächlich Karzinomen) anderer Körperorgane oder Gewebe kommen insbesondere bei Patienten mit Lungenkarzinomen, Mammakarzinom und malignen Tumoren der Haut vor. Im Bereich des Rückenmarks können Wirbelsäulenmetastasen gegen den Spinalkanal vorwachsen (z. B. Prostatakarzinom, Mammakarzinom). Absiedlungen können diffus die Hirnhäute befallen (Meningiosis carcinomatosa) und zu an der Dura haftenden Knoten führen oder zu soliden rundlichen Tumoren innerhalb Gehirn und Rückenmark. Hämatologische Systemerkrankungen (Non-Hodgkin-Lymphome, Leukämien) können zu einer sekundären Infiltration des Gehirns und seiner Umgebungsstrukturen führen. Häufig ist die Infiltration der Hirnhäute mit Aussaat in den Liquorraum, wobei die blastären Zellen bei einer zytologischen Untersuchung des Liquors mikroskopisch diagnostizierbar sind, aber auch die herdförmige oder diffuse Infiltration des Gehirns im Rahmen eines systemischen Lymphoms ist möglich und kann sich wie ein primäres ZNS-Lymphom präsentieren. 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Univ.-Prof. Dr. Hans Maier Neuropathologisches Labor des Instituts für Pathologie, Medizinische Universität Innsbruck Medizinzentrum Anichstrasse G03, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: +43/512/504-27391 Fax: +43/512/504-27414 E-mail: [email protected] 22 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: CT, MRT und Angiographie Bildgebende Diagnostik bei Hirntumorerkrankungen: CT, MRT und Angiographie Die Diagnostik von Hirntumoren basiert zum wesentlichen Teil auf den modernen Schnittbildverfahren CT und MRT. Diese sind nicht nur für den Nachweis, die artdiagnostische Zuordnung und die präoperative Dignitätsbeurteilung, sondern auch für die OP-Planung und postoperative Kontrollen unverzichtbar. Auf Grund der besseren Sensitivität und der multiplanaren Schichtführung hat sich die MRT gegenüber der CT als Methode der Wahl in vielen Fällen durchgesetzt. Die CT wird heute vor allen Dingen in der Notfalldiagnostik und für spezielle Indikationen (z.B. Nachweis von Verkalkungen) eingesetzt. Im Folgenden werden die Technik und Einsatzbereiche dieser beiden genannten Methoden nach heutigen Standards diskutiert. I. Computertomographie 1. Basistechnik Axiale Schichtführung in 4mm Schichtdicke. Aufnahmen nativ oder/und mit KM-Gabe (nichtionisches Kontrastmittel i.v.). Gegebenenfalls zusätzliche Knochenfensterungen mit dünnerer Schichtdicke (1-2mm). Multiplanare Rekonstruktionen aus dünnschichtigen Datensätzen insbesondere bei Fragen den Knochen betreffend. 2. Spezialtechniken A. CT-Angiographie Es handelt sich um eine computertomographische Technik mit Gabe von Kontrastmittel. Während der Gabe von Kontrastmittel mit einer motorischen Spritze wird eine dünnschichtige CT durchgeführt. Aus dieser Untersuchung können mit verschiedenen Sekundärrekonstruktionstechniken Gefäßdarstellungen rekonstruiert werden. Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die Untersuchung nach Beginn der Kontrastmittelgabe gestartet wird, können hier verschiedene Kontrastmittelphasen (arteriell, venös) dargestellt werden. Beispiele für den sinnvollen Einsatz dieser Technik: Verdacht auf Gefäßverschluß, Darstellung sehr gefäßreicher Tumoren (z.B. Hämangioblastom oder Glomustumor), aber auch zur präoperativen Operations-/oder stereotaktischen Interventionsplanung. B. CT-Perfusion Es handelt sich hierbei ebenfalls um eine computertomographische Technik mit Gabe von Kontrastmittel. Während der Gabe von Kontrastmittel wird die Anflutung des Kontrastmittels gemessen und mit spezieller Software ausgewertet. Hierbei können Areale vermehrter oder verminderter Vaskularisation dargestellt werden1. Unterschiedliche Auswerte-Algorithmen (z.B. Blutvolumen, Blutfluss, durchschnittliche Durchgangszeit) stehen zur Verfügung. Die Wertigkeit dieser Methode ist zur Abschätzung der Durchblutungsverhältnisse, z.B. bei ischämischen Veränderungen, aber auch zur Darstellung und differentialdiagnostischen Bewertung von Tumorvaskularisation. 23 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: CT, MRT und Angiographie C. Stereotaxie und intraoperative CT-Untersuchung Hier werden bei stereotaktisch geplanten Interventionen oder bei navigierten Operationen intraoperativ CT-Darstellungen angefertigt, um bereits während des Eingriffes die anatomischen Verhältnisse zu dokumentieren. 3. Allgemeine Vorteile der Computertomographie Für die computertomographische Untersuchung gibt es nur wenige Kontraindikationen (z.B. starke Unruhe des Patienten), von denen aber keine eine absolute Kontraindikation darstellt. Ein weiterer Vorteil ist die sehr kurze Untersuchungsdauer (wenige Sekunden bis Minuten). 4. Computertomographie – Kontrastmittel Es handelt sich hierbei um ein jodhältiges Kontrastmittel, welches i.v.appliziert und über die Nieren ausgeschieden wird. Kontraindikationen zur Kontrastmittelgabe in der CT-Untersuchung sind eine eingeschränkte Nierenfunktion (Kreatinin > 2mg/dcl), eine Schilddrüsenerkrankung (insbesondere latente Hyperthyreose mit möglicher Auslösung einer thyreotoxischen Krise), die Einnahme bestimmter Medikamente (orale Antidiabetika) in Zusammenschau mit einer eingeschränkten Nierenfunktion und eine Kontrastmittelallergie. Das CT-Kontrastmittel ist in der Schwangerschaft nicht zugelassen. 5. Beispiele für Indikationen zur CT-Untersuchung: - Notfalldiagnostik (epileptischer Anfall, Bewusstseinsstörung, Tumoreinblutung) Metastasen-Staging bei systemischen Malignomen Bestrahlungsplanung (Kalottendicke, Isodosenverteilung) Kraniotomie-Planung Stereotaxie-Planung Postoperative Blutungen Spinale Metastasen (Knochenbeurteilung) II. Magnetresonanztomographie Die MRT-Untersuchung gilt heute als Methode der Wahl zum Nachweis von Tumoren des ZNS, deren differentialdiagnostischer Abgrenzung, weiters zur präoperativen artdiagnostischen Zuordnung und postoperativen Rest/bzw.Rezidivtumorbeurteilung. Eine weitere Indikation zur MRT ist die Datenakquisition mit speziellen Sequenzen für die intraoperative Navigation. 1. Basistechnik Axiale Spin-Echo T1 Gewichtung und axiale Turbo-Spin-Echo T2 Gewichtung (alternativ oder additiv FLAIRSequenzen), post KM 2 Ebenen Spin-Echo T1 (Standardprogramm zur Tumordarstellung). Als Alternative zur Spin-Echo T1 kann eine 3D-Sequenz (MPRAGE) verwendet werden. Diese ist eine Gradienten- 24 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: CT, MRT und Angiographie echosequenz mit isotropen Voxeln, welche MPR-Rekonstruktionen in beliebiger Ebene erlauben. Zusätzliche T2* gewichtete Gradientenechos werden z.B. bei Verdacht auf Einblutung und bei der Differentialdiagnose einer Cavernom-Entität eingesetzt. 2. Spezielle Techniken A. Diffusionsgewichtung In der Diffusionsgewichtung wird mit einer Epiplanarsequenz die Diffusibilität von Wassergeweben dargestellt. Dies kann zur Charakterisierung von ischämischen Veränderungen (typisches zytotoxisches Ödem), aber auch Abszessbildungen oder Charakterisierung beim Epidermoid verwendet werden. Bei verschiedenen Tumorentitäten wird ebenfalls die Diffusibilität des Gewebes verändert (z.B. eingeschränkte Diffusibilität bei Meningeomen) 2,3. Eine weitere Anwendung ist das „Diffusion Tensor Imaging“ (=Traktographie). Hier wird ebenfalls mittels Bestimmung der Diffusibilität an einen bestimmten Punkt die Anisotropie des Gehirngewebes (erleichterte Diffusibilität entlang der Myelinscheiden, eingeschränkte Diffusibilität durch Myelinscheiden) verwendet um Bahnsysteme in Relation zu Tumorerkrankungen darzustellen. B. MR-Angiographie Hier stehen mehrere verschiedene Techniken zur Verfügung, typischerweise wird eine„time of flight“ (=TOF) und eine Kontrastmittel verstärkte (=KM-MRA) Technik durchgeführt. Die „time of flight“ Technik kommt ohne Gabe von Kontrastmittel aus und hat eine gute Ortsauflösung, was insbesondere zur Darstellung kleiner Aneurysmen oder feineren Gefäßstrukturen vorteilhaft ist. Nachteil der TOF-MRA ist die etwas stärkere Anfälligkeit von Artefakten z.B. bei turbulenten Blutflüssen, was zur gesteigerten Darstellung von Gefäßstenosen beiträgt. Als Alternative wird die KM-MRA verwendet, diese Methode ist eine Subtraktionstechnik, es wird eine Leermessung von nachfolgenden Kontrastmittelmessungen subtrahiert, so dass schlussendlich die arteriellen und venösen Gefäßstrukturen dargestellt sind. Vorteile sind die geringe Artefaktbelastung, Nachteile die etwas schlechtere Ortsauflösung im Vergleich zur TOF-Technik. Venöse Gefäßstrukturen werden meistens etwas besser mit der KM-MRA dargestellt. Sollte eine Kontrastmittelgabe nicht möglich sein, ist aber auch mit verschiedenen NichtKontrastmitteltechniken (PC-Angio, venöse TOF) eine venöse Darstellung möglich. C. MR-Perfusion Analog zur computertomographischen Perfusion wird hier das Durchblutungsverhalten dargestellt4. Es gibt hier Techniken mit Kontrastmittel, aber auch ohne Verwendung von Kontrastmittel (ASL = arterial spin labelling). Mit diesen Techniken können bestimmte Durchblutungsparameter (Blutvolumen, Blutfluss) von Tumoren bestimmt werden. D. Protonenspektroskopie Mit dieser Technik können bestimmte Metaboliten (z.B. Laktat, Cholin) im Hirngewebe nachgewiesen werden5. Hierdurch können Aussagen zur Differentialdiagnose Tumor versus Abszess, zum Teil artdiagnostische Zuordnungen (Gliom, Metastase, Meningeom) oder alternativ zur Differentialdiagnose Rezidivtumor und Strahlennekrose getroffen werden. 25 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: CT, MRT und Angiographie E. Funktionelles MRT (fMRT): Es können hier Aktivierungen von Hirnarealen mit bestimmten Aufgaben nachgewiesen werden. Es werden hier so genannte BOLD (Blood Oxygen Level Dependent) Effekte (vermehrte Ausschöpfung von Blutsauerstoff in aktivierten Hirnarealen und damit Veränderung des desoxygeniertem und oxygeniertem Hämoglobinanteils mit jeweils unterschiedliche MR-tomografischen Eigenschaften) zur Bildgebung verwendet. Hierbei können zur präoperativen Lokalisation bestimmte Hirnareale (visueller Kortex, Motorkortex, Sprachlateralisation) dargestellt werden6. F. Stereotaxie-Planung: Zur Stereotaxie-Planung werden räumlich hochauflösende Sequenzen (dünnschichtige T2 gewichtete Sequenz und MPR isotrope Datensätze) akquiriert. Die Bilder können entsprechend per Netzwerk in die entsprechenden Navigationssysteme eingespeist werden. 3. MR-Kontrastmittel Es handelt sich hierbei um ein Gadolinium-hältiges Präparat7. Das Kontrastmittel kann bei den meisten Patienten (Ausnahme Allergie) appliziert werden. Ein nephrotoxischer Effekt kommt erst bei stark ausgeprägter Nierenfunktionseinschränkung zum tragen. Zum Metastasen-Screening wird in bestimmten Fällen eine vermehrte Kontrastmitteldosis (doppelt oder dreifach im Vergleich zur Normaldosis) verabreicht, was die Sensitivität der Detektion von Metastasen erhöhen kann. 4. Vorteile der MRT-Untersuchung Die MRT zeigt einen hervorragenden Weichteilkontrast, was die Sensitivität von Parenchymläsionen im Vergleich zur CT-Darstellung deutlich erhöht. Ein weiterer Vorteil ist die primäre Dreidimensionalität der Untersuchung (Untersuchungsschichtebenen in jeder Orientierung). Weiters stehen auch ein größeres Armamentarium an Sequenzen (MRT und Spezialtechniken Spektroskopie, etc.) zur Verfügung8. 5. Nachteile der MRT-Untersuchung Manche Patienten können auf Grund einer Platzangst oder implantierter Geräte (z.B. Herzschrittmacher, Nervenstimulatoren) nicht untersucht werden9. Die MR-Untersuchung dauert länger (1 Sequenz zwischen 1 bis 10 Minuten), so dass bei nicht-kooperativen Patienten oft starke Bewegungsartefakte die Bildqualität einschränken können. 6. Indikation MRT - Erstdiagnose, Artdiagnose und Differentialdiagnose von tumoralen und nicht-tumoralen Erkrankungen ZNS-Metastasen-Screening Spinale Neoplasien Operations-/und Stereotaxie-Planungen Bestrahlungs-Planung Rest-/und Rezidivtumorbeurteilung Paraneoplastische Syndrome des ZNS Bewertung von Behandlungsfolgen (Chemotoxizität, Strahlentoxizität) 26 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: CT, MRT und Angiographie III. Konventionelle Katheterangiographie (DSA) Die digitale Subtraktionsangiographie spielt heute für den Tumornachweis keine primäre Rolle mehr. Sie wird eingesetzt zur Operationsplanung und den Nachweis von Tumorgefäßen (z.B. bei malignem Gliom, Glomustumor) und zum (präoperativen) endovaskulärem Verschluß von Tumorgefäßen, z.B. bei Meningeomen und Glomustumoren. Die intraarterielle Chemotherapie von malignen Gliomen wird nicht mehr eingesetzt. Literatur 1. 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Radiology 232:635-52 Verfasser: OA Dr. Thaddäus Gotwald Radiologie II, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: +43/512/504-27103 E-mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Stephan Felber Radiologie II, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: +43/512/504-27103 E-mail: [email protected] 27 TAKO - Neuroonkologie Notizen 28 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren Bildgebende Diagnostik bei Hirntumorerkrankungen I. Nuklearmedizinische Verfahren 1. Primäre Hirntumoren A. Zielsetzung 1. eine bessere Klassifizierung von Hirntumoren (davon kann im Einzelfall das therapeutische Vorgehen abhängen) 2. die differentialdiagnostische Abgrenzung von entzündlichen cerebralen Erkrankungen und 3. die Früherkennung eines Tumorrezidivs. B. Grundlagen, Hintergrundinformation Nuklearmedizinische Verfahren, insbesondere die Positronenemissionstomographie (PET), gewinnen zunehmend an Bedeutung zur differentialdiagnostischen Zuordnung von suspekten Hirnbefunden. Die PET/SPECT (Single Photon Emission Tomography) gibt Hinweise auf das biologische Verhalten von Hirntumoren. Die wichtigste Anwendung ist jedoch die posttherapeutische Unterscheidung zwischen reparativen Prozessen und Resttumor bzw. Rezidiv. Verglichen mit der Magnetresonanztomographie (MRT) ist das räumliche Auflösungsvermögen von PET und besonders von SPECT geringer. PET und SPECT erlaubt jedoch die metabole Darstellung vitalen Tumorgewebes. Das Auffinden kleinerer Herde oder von Tumoren mit niedriger Proliferationstendenz und hohem Differenzierungsgrad ist oft schwierig. Diesbezüglich kann die Bildfusion PET/MRT bzw. SPECT/MRT hilfreich sein. Mittels Bildfusion können die jeweiligen Vorteile - hohe strukturelle Auflösung in der MRT und Metabolismus in der PET/SPECT - miteinander verknüpft werden (Freitag und Schumacher 2002), Abb. 1 und 2. a b Abb.2: Glioblastoma multiforme WHO IV a) 18-F-FDG PET b) MRT c) Bildfusion PET/MRT 29 Abb.1: Bildfusion PET/MRT Gesteigerter 18-F-Fluoro-ethylL-Tyrosin Uptake in einem Astrozytom WHO-Grad II rechts temporal. c TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren Die das Hirngewebe schützende Barriere der intakten Blut-Hirn-Schranke (BHS) kann durch aktiven Transport, durch erleichterte Diffusion unter Mitwirkung von Transportproteinen, sowie durch einfache Diffusion in Richtung eines Konzentrationsgefälles überwunden werden. Radioaktiv markierte Aminosäuren werden über einen aktiven Transportmechanismus kompetitiv aufgenommen, wobei dieser Uptake bei Gliomen deutlich gesteigert ist, da Aminosäuren-Transportsysteme in Tumorzellen in einem höheren Ausmass vorhanden sind. Unter physiologischen Bedingungen ist diese Aufnahme äußerst gering, d.h. es kommt zu keiner nennenswerten Anreicherung im Gehirn. Markierte Aminosäuren (18FTyrosin, 18F-Thymidin, 11C-Methionin, 123I-Methyltyrosin) werden benutzt, um den Aminosäurentransport, den Aminosäurenmetabolismus und die Proteinsyntheserate in Hirntumoren von außen mittels PET oder SPECT zu messen, womit die Proliferationstendenz eines Tumors abgeschätzt werden kann (Abb. 1). Aufgrund des hohen Glukosestoffwechsels der normalen grauen Substanz liefern markierte Aminosäuren im Vergleich zu 18F-FDG einen deutlich höheren Kontrast und damit meist eine ausgezeichnete Abgrenzbarkeit bei intrazerebralen Tumoren. Die Beurteilung der Glukosestoffwechselaktivität eines Tumors erfolgt mittels 18F-FDG, der am häufigsten eingesetzte Tracer, welcher durch erleichterte Diffusion durch die BHS gelangt und sich besonders in hochproliferativen, zelldichten Tumoren mit einem geringen Differenzierungsgrad in hoher Konzentration anreichert (Abb. 2). Wegen des hohen Glukosestoffwechsels in der grauen Substanz ist hier das Auffinden kleiner Herde (<5 mm) oder von Tumoren, die einen hohen Differenzierungsgrad, eine niedrige Proliferationstendenz und damit einen nur gering erhöhten Energiebedarf aufweisen, oft schwierig. Ist der Tumor im Bereich der weissen Substanz (Marklager) gelegen, so gelingt eine Abgrenzung besser. Eine gestörte oder geschädigte BHS, bedingt durch maligne Tumoren, aber auch z.B. durch Entzündungen, Durchblutungsstörungen, postradiogene oder postoperative Veränderungen, lässt sich radiologisch mittels Kontrastmittel-Gabe überprüfen. Eine entscheidende Eigenschaft des Kontrastmittels Gd-DTPA für die Anwendung im Zentralen Nervensystem ist die Tatsache, dass es die intakte BHS nicht passieren kann. Bei gestörter BHS tritt das Kontrastmittel aus dem Gefässlumen in den Extrazellulärraum des Hirngewebes aus und führt zu einer Kontrastierung des erkrankten Bereiches. Eine Störung der BHS ist auch Vorraussetzung für die Anreicherung der SPECT-Tracer 201TlCl, 67Ga-Zitrat, 111In-Octreotid und 99mTc-Sestamibi, welche zur Darstellung von Gehirntumoren, die die Bluthirnschranke verletzt haben, geeignet sind und einen entsprechenden Anreicherungsmechanismus in den Tumorzellen aufweisen. C. Hirntumoren- Indikationen (PET) 1a 1b 2a 2b Differenzierung zwischen Rezidiv und Strahlennekrose bei malignen Gliomen (mit 18FDG) Erkennung der malignen Entdifferenzierung eines Gliomrezidivs (mit 18FDG) Bestimmung des Biopsieortes bei V.a. Gliom (mit 18FDG) Beurteilung der biologischen Aggressivität von Hirntumoren (mit 18FDG) Nachweis von Resttumor bei malignen Gliomen nach OP (mit 18FDG) Differenzierung zwischen Lymphomen und Toxoplasmose (mit 18FDG) Diagnostik von Gliomen (mit markierten Aminosäuren) Präoperative Lokalisation von funktionell wichtigen Hirnarealen (mit 18FDG, 150-Wasser, 15 0-Butanol, soweit verfügbar, und mit markierten Aminosäuren) Beurteilung des Tumorwachstums (mit 11C-Putrescin und Liganden für periphere Benzodiazepinrezeptoren)* 30 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren Beurteilung 1a 1b 2a 2b 3 Interpretation Angemessen, klinischer Nutzen ist erwiesen Akzeptabel, Ergebnisse deuten auf klinischer Wert hin Möglicherweise hilfreich, aber der Nutzen ist noch nicht ausreichend belegt Aufgrund unzureichender Daten noch nicht endgültig beurteilbar Meistens ohne klinischen Wert Quelle: Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin: http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/031-008.htm D. PET-Tracer a. Glukosestoffwechsel • 18F-FDG b. SSTR-Expression (Somatostatinrezeptoren) • 68Ga-DOTATOC c. Aminosäurenmetabolismus bzw. Proteinsyntheserate • 18F-Fluoroethyl-L-Tyrosin • 18F-Thymidin* • 11C-Methionin* • 11C-N-Methyl-Methylaminoisobuttersäure* • 11C-Leucin* d. Perfusion (Die Messung mit 0-15-Wasser ist – wegen der extrem kurzen HWZ des Tracers – in erster Linie wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten) • 0-15-Wasser* • 0-15-Butanol* (*) Tracer nur in Zentren mit Cyclotronbetrieb verfügbar. E. SPECT-Tracer a. 201 Thallium-Chlorid: (als alternatives Verfahren zu 18F-FDG-PET, falls PET nicht verfügbar ist) Indikation: insbesondere Restaging nach Operation oder Strahlentherapie für die Fragestellung: vitale Tumorreste? Anreicherungs-Prinzip: Thallium-201 ist ein Perfusions- und Vitalitätsmarker und wird als Kalium-Analogon in die Tumorzellen über die Na-K-Pumpe aufgenommen. Vorraussetzung ist eine gestörte BHS um an die Tumorzellen zu gelangen. Untersuchungsablauf: frühe (Perfusion) und späte (Malignitätsgrad) SPECT Etabliertes und validiertes Standardverfahren mit hoher Sensitivität und Spezifität. 2. 111 3. 123 In-Octreotid: (als alternatives Verfahren zu 68Ga-DOTATOC-PET, falls PET nicht verfügbar ist) bei (multiplen) Meningiomen, Gliomen mit SSTR-Expression I-Alpha-Methyl-Tyrosin: 123I-IMT: (als alternatives Verfahren zu 18F-FET-PET, falls PET nicht verfügbar ist) zur Bestimmung der Tumorgrenze und der Proteinsyntheserate bei Gliomen 31 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren F. Untersuchungsmethode, Vorgehensweise, Verfahren a. Informationen zur Durchführung der Untersuchung Für die optimale Interpretation der Scans sind folgende Informationen erforderlich: 1. Anamnese des Patienten (neurochirurgische Eingriffe, Strahlentherapie, Chemotherapie, intracavitäre Therapien, stattgehabte Traumata, rezenter neurologischer und psychiatrischer Status) 2. Die aktuelle morphologische Bildgebung (CT/MRT) 3. Dosierung und Einnahmeschema der aktuellen Medikation 4. Vorliegen eines Diabetes mellitus (wichtig für die 18F-FDG-PET) 5. Dauer des Nüchternzustandes (wichtig für die 18F-FDG-PET und 18FET-PET) b. Informationen des Patienten über die Durchführung der Untersuchung Der Patient wird vom Arzt detailliert über den Untersuchungsablauf vor der Patientenvorbereitung aufgeklärt. Nach erfolgter Aufklärung wird die Zustimmung des Patienten für die geplante Untersuchung per Unterschrift auf einem allgemein verständlichen Patienteneinwilligungsformular dokumentiert. c. Patientenvorbereitung Vor der Injektion des Tracers ist der wichtigste Aspekt im Rahmen der Applikationsvorbereitung ein »konstantes« Umfeld zum Zeitpunkt der Injektion und während der Phase des Traceruptakes herzustellen. Beurteilung der Kooperationsfähigkeit des Patienten 1. Vor Beginn der Untersuchung ist mit dem zuweisenden Arzt zu klären, ob der Patient überhaupt in der Lage ist für die Dauer der Untersuchung (je nach Modalität zwischen 1/2 und 1 Stunde) ruhig zu liegen. Sofern dies nicht möglich ist, muss eine entsprechende Sedierung erfolgen. Diese sollte im Untersuchungsablauf so spät wie möglich und möglichst erst nach Applikation des Tracers erfolgen. 2. Plazieren des Patienten in einem ruhigen Raum bei abgedimmtem Licht (Augen und Ohren können dann offen bleiben). 3. Optional: Anlegen einer Augenbinde und eines Schallschutz-Kopfhörers. 4. Sicherstellung einer komfortablen Liegeposition des Patienten. 5. Plazieren des i.v. Zuganges wenigstens 10 min vor der Tracerapplikation. 6. Erklärung der Relevanz des Ruhighaltens des Kopfes. 7. Instruktion des Patienten, nicht zu lesen oder zu reden. 8. Keine weitere Interaktion mit dem Patienten unmittelbar vor, während und bis zu fünf Minuten nach der Injektion. 9. Zur Vermeidung von Parainjektionen des Tracers muß bei unsicherer Lage der venösen Kanüle der venösen Zugang mittels NaCl vor der Injektion überprüft werden. 10. Kontinuierliche Überwachung dementer Patienten! 11. Patienten mit neurologischen Defiziten benötigen evtl. besondere Behandlung und Überwachung. 12. Der Patient sollte auch auf der Untersuchungsliege nach Möglichkeit fixiert werden. 13. Blasenentleerung vor Beginn der Untersuchung! Die Punkte 3., 5., 7., 8., gelten nicht für die Anwendung der Tracer 201Thallium-Chlorid, 99mTc-Sestamibi, 111InOctreotid, 68Ga-DOTATOC und 18F-Fluoroethyl-L-Tyrosin. Diesfalls verlangt der Anreicherungsmechanismus der 32 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren Substanzen keine besondere Abschirmung des Patienten vor optischen oder akustischen Reizen und auch das Intervall zwischen Dosisapplikation und Bildaquisition ist länger und kann je nach Tracer bis zu 2 Stunden betragen. d. SPECT Der Patient wird so positioniert, daß die Kameraköpfe möglichst eng um seinen Kopf rotieren können. Bei geeigneter Kopfstütze und Abbildung des Kopfes in der unteren Hälfte des Kameragesichtsfeldes ist ein Rotationsdurchmesser von 28 cm routinemässig möglich. Der Patientenkopf soll nach Möglichkeit so gekippt werden, dass die Orbito-meatal Linie parallel zu einer Bildmatrixzeile liegt (dies kann man bei seitlicher Aufnahme am Monitor überprüfen). Um Bewegungsartefakten entgegenzuwirken, soll der Patientenkopf mit hautfreundlichem Pflaster am Kinn und an der Stirn an der Kopfstütze fixiert werden. Dadurch kann eine eventuell notwendige, anschließende rechnerische Reangulation, welche die Bildqualität durch ausgiebige Bildpunktinterpolation verschlechtert, vermieden werden. Für sämtliche SPECT Untersuchungen müssen die Patienten nicht nüchtern bleiben. e. PET Die Patienten müssen sowohl vor Applikation von FDG als auch FET mindestens 4 Stunden nüchtern bleiben, um den cerebralen FDG-Uptake nicht durch die physiologische Glukoseutilisation zu verändern bzw. um ernährungsbedingte Schwankungen des Aminosäurestoffwechsels zu vermeiden und die Untersuchungsbedingungen zu standardisieren. Vor der Transferierung des Patienten zum PET-Zentrum zu einer FDG PET soll der Blutzuckerspiegel bereits stationär oder ambulant von der zuweisenden Klinik bestimmt werden, um eine eventuell bestehende Hyperglykämie (ab 160 mg/dl) rechtzeitig zu senken. Aus logistischen und zeitlichen Gründen (kurze Halbwertszeit der Tracer, zeitlich eng festgelegte Untersuchungstermine an der PET-Kamera) kann die Blutzucker-einstellung nicht im PET-Zentrum erfolgen. BZ-Kontrollen im PET-Zentrum können nur kurz vor Beginn der Aufnahme und wenn notwendig nach Beendigung der Untersuchung erfolgen. Der intravenöse Zugang soll 10 Minuten vor der FDG Applikation gelegt werden. Zwischen Verabreichung des Tracers und Start der Aufnahme soll der Patient zwecks FDG Anreicherung im Gehirn mindestens 30 Minuten komfortabel in einem abgedunkelten und ruhigen Raum liegen, und nach Möglichkeit nicht sprechen, lesen oder andere Aktivitäten setzen. Die maximale cerebrale und tumorale Anreicherung von 18F-FET ist nach 15 Minuten erreicht und bleibt dann für längere Zeit stabil, sodass die Aufnahmen optimalerweise im Zeitintervall 15-40 Minuten p.i. durchgeführt werden sollen. f. Aufnahmemodus PET 1) Vor Beginn der Aquisition muß auf eine exakte Lagerung des Patienten im Gesichtsfeld des Tomographen einerseits, andererseits auf die richtige Lagerung in den 3 Ebenen geachtet werden. Transaxial sollte die Einstellung in der (infra-) orbito-meatalen Ebene erfolgen. Eine maximal mögliche bequeme Lagerung sollte angestrebt werden, und der Patient auf die Notwendigkeit des „Nichtbewegens“ hingewiesen werden. Eine leichte Fixierung des Kopfes ist vorzunehmen. 2) Für die Transmissionsmessung muß auf eine ausreichend hohe Gesamtzahl der Impulse geachtet werden, die typischerweise mehr als 100 Mio. Ereignisse beträgt. Die Aufnahmezeiten liegen je nach verwendetem System und Modus (3D oder 2D) bei 10 bzw. 20 Minuten. Transmissionsmessungen sind für die Schwä- 33 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren 3) 4) 5) 6) chungskorrektur bzw. Quantifizierung notwendig und können vor, oder - sofern vom Untersuchungssystem her möglich - auch nach der Applikation des Radiopharmakons durchgeführt werden. Die statische Emissionsmessung beginnt 30-40 Minuten nach FDG-Gabe und jeweils nach 15, 30 und 45 Minuten nach FET-Verabreichung. Sequentielle Aufnahmen starten unmittelbar nach der FDG Applikation, zusammen mit einer arteriellen Aktivitätsbestimmung bzw. einer solchen aus durch lokale Erwärmung ausreichend arterialisiertem venösen Blut. Im Falle einer Quantifizierung ist eine Datenacquisition bis 6090 Minuten nach Applikation notwendig. Die Dauer der Aufnahme sollte sich nach der Gesamtzahl der Emissionsimpulse richten. Anzustreben sind bei der cerebralen FDG PET in Abhängigkeit von Meßsystem und Aufnahmemodus 40-150 Mio. Ereignisse. Zur semiquantitativen Abschätzung eines Tumorstoffwechsels in einer statischen Emissionsmessung kann der SUV (Standard Uptake Value) angegeben werden. Eine Transmissionsmessung ist dazu erforderlich. Der SUV errechnet sich aus der Aktivität in der Läsion, bezogen auf die gesamte injizierte Aktivität zum Zeitpunkt der Applikation (auch Messung der leeren Spritze erforderlich) und Körpergewicht bzw. Körperoberfläche. Eine Berücksichtigung der Serum-Glukosekonzentration mittels eines Korrekturfaktors ist möglich. Die Bestimmung des SUVs erfolgt an Hand einer statischen Emissionsmessung zumindest 30 Minuten p.i. nach Erreichen eines Speicherplateaus im Bereich der Läsion. Es sollte vor allem bei geplanten Kontrolluntersuchungen immer der gleiche Zeitpunkt zur Bestimmung des SUVs gewählt werden. Eine absolute Quantifizierung des FDG/Glukosemetabolismus beruht auf der Messung der arteriellen Inputfunktion der FDG, der Bestimmung des FDG und Glukose Spiegel im Plasma, der applizierten Gesamtaktivität und der Bestimmung der Körperoberfläche. Weiters muß ein Kalibrierungsfaktor bekannt sein, der eine Umrechnung der Impulse im PET System (Ereignisse/sec pro Volumselement) und der (im Bohrlochzähler) gemessenen Aktivitätskonzentration (Ereignisse/sec pro ml) erlaubt. Dies erfolgt mit Hilfe eines zylindrischen Phantoms mit bekannter Aktivitätskonzentration im Vergleich zu einer Bohrlochmessung dieser Lösung. g. Aufnahmemodus SPECT 1) Die Aufnahme sollte unbedingt mit einem für hohe Auflösung optimierten tomographischen System durchgeführt werden. Mehrkopfkameras oder dedizierte Systeme liefern in der Regel bessere Ergebnisse als Einkopfkameras. Allerdings sind auch mit diesen Systemen, wenn die Untersuchung entsprechend genau durchgeführt wird, qualitativ relativ hochwertige Aufnahmen produzierbar, wenn auch die Scanzeit entsprechend verlängert werden muss. 2) Es wird empfohlen, nur hochauflösende oder ultrahochauflösende Kollimatoren zu verwenden. Allpurpose-Kollimatoren sind nicht ausreichend. Als Grundsatz kann gelten, den Kollimator mit der höchsten Auflösung zu verwenden. 3) Fanbeam oder andere fokusierende Kollimatoren sind den Parallellochkollimatoren vorzuziehen, da sie eine höhere Auflösung bei höherer Zählrate bieten. Parallellochkollimatoren sind nur bei Acquisition einer ausreichenden hohen Countzahl akzeptabel. 4) Der kleinst mögliche durchführbare Rotationsradius sollte gewählt werden. 5) Die Datenaufnahme erfolgt immer über eine 360° Rotation. Während der Acquisition werden am besten Winkelschritte von 3 Grad verwendet. Die Größe der Pixel sollte einem Drittel bis der Hälfte der zu erwartenden Systemauflösung entsprechen. Dabei kann es erforderlich sein, ein Zoom zu verwenden, um die erwünschte Pixelgröße zu erreichen. Unterschiedliche Zoomfaktoren können bei Fanbeam-Kollimatoren 34 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren für die x- und y-Dimension angewendet werden. 6) Es ist häufig sinnvoll die Zoomfunktion auszunutzen, wobei sicherzustellen ist, daß das gesamte Gehirn in das Gesichtsfeld eingeschlossen ist. 7) Bei Multidetektorsystemen ist eine 128 x 128er oder eine größere Matrix erforderlich. 8) Vor Untersuchungsbeginn sollte der Patient die Blase entleeren. 9) In der Regel sind dem Patienten Untersuchungszeiten von ca. 30 min zumutbar. 10) Der Patient sollte mit max. Bequemlichkeit positioniert werden. Minimale Lageabweichungen des Kopfes können während der Datenverarbeitung bei den meisten Systemen ausgeglichen werden. 11) Eine leichte Fixation des Patientenkopfes ist notwendig, um Bewegungsartefakte zu minimieren. Ein völlige Bewegungsunfähig des Kopfes ist jedoch durch Fixation nicht zu erreichen, sodass in jedem Fall auch der Patienten aufgefordert werden muss zu kooperieren. 12) Im Vergleich zur Step-and-shoot-Technik ermöglicht eine kontinuierliche Datenacquisition eine kürzere Scanzeit bei gleichzeitig verminderter Kameraabnutzung. 13) Die Segmentierung der Acquisitionsdaten in mehrere sequentielle Acquisitionen ermöglicht die Entfernung von artefaktüberlagerten Daten. Literatur Asenbaum S, Universitätsklinik für Nuklearmedizin und Neurologie, Universität Wien. Leitlinie zur Anwendung von 18-F Fluordeoxyglukose (FDG) und PET bei neurologischen/psychiatrischen Erkrankungen. http://www.ogn.at/protokolle/pet/ Di Chiro G. Which (1991) PET radiopharmaceutical for brain tumors? J Nucl Med 32:1346–48 Freitag P, Schumacher T (2002) Gliale Hirntumoren im Erwachsenenalter. Bildgebende Diagnostik und Therapiekontrolle. Schweiz Med Forum 31:31 Pauleit D, Floeth F, Hamacher K, Riemenschneider MJ, Reifenberger G, Müller H-W, Zilles K, Coenen HH, Langen K-J (2005) O-(2-[18F]fluoroethyl)-L-tyrosine PET combined with MRI improves the diagnostic assessment of cerebral gliomas. Brain 128:678-687; doi:10.1093/brain/awh399 Roelcke U, von Ammon K, Hausmann O, Kaech DL, Vanloffeld W, Landolt H et al. (1999) Operated low-grade astrocytomas: a long-term PET study on the effect of radiotherapy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 66:644–47 Roelcke U, Leenders KL (2001) PET in neuro-oncology. J Cancer Res Clin Oncol 127:2–8 Weber WA, Wester HJ, Grosu AL, Herz M, Dzewas B, Feldmann HJ, et al. (2000) O-(2-[18F]fluoroethyl)-L-tyrosine and L-[methyl11C]methionine uptake in brain tumours: initial results of a comparative study. Eur J Nucl Med 27:542–49 35 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren II. LIQUORRAUMSZINTIGRAPHIE bei MENINGEOSIS NEOPLASTICA (MN) 1. Einleitung Die Liquorraumszintigraphie erlaubt eine zuverlässige Beurteilung der Liquordynamik sowie der funktionellen Anatomie der Liquorräume. 2. Prinzip der RN-Liquorflußuntersuchung Die Durchmischung und Verteilung des radioaktiven Tracers im Liquorraum erfolgt passiv durch die vorhandene Liquorströmung und kann szintigraphisch dargestellt werden. 3. Zielsetzung Ziel der Liquorraumszintigraphie ist es Veränderungen der Liquorzikulation zu erfassen. - Liquorflußverzögerung - Liquorflußblockade - Liquorstromumkehr 4. Hintergründe - - - 47% der Patienten mit MN haben eine Liquorzirkulationsstörung, am häufigsten im Bereich der basalen Zisternen, dem spinalen Subarachnoidalraum in Höhe des Conus medullaris und der Cauda equina oder über den Konvexitäten (Chamberlain & Corey-Bloom 1991). Der Nachweis von Liquorzirkulationsstörungen gelingt mit RN-Liquorflußstudien meist besser als mit konventionellen neuroradiologischen Methoden (Chamberlain 1995a). 111 In-DTPA Liquorflußstudien bei Patienten mit MN prognostizieren die intrathekale Distribution von Methotrexat und das Ansprechen auf die Therapie (Mason et al. 1998; DeAngelis 1998). Involved-field-Radiatio im Bereich der Liquorflußblockade führt bei 30% der Patienten mit spinalem Befall und bei 50% der Patienten mit intrakraniellem Befall zur Wiederherstellung der Liquorpassage. Die Überprüfung der Durchgängigkeit gelingt am besten mittels RN-Liquorflußstudien (Chamberlain & CoreyBloom 1991). Empfehlenswert nach Involved-field Bestrahlung wegen Liquorflußblock, zur Überprüfung des Ansprechens auf die Radiatio. 5. Liquordynamik Die Applikation des Tracers erfolgt - intraventrikulär (Ommaya Reservoir) oder - lumbal An jedem Punkt von den Produktions- bis zu den Resorptionsstätten des Liquors kann die freie Zirkulation des Liquors behindert werden, dies äußert sich durch eine veränderte Verteilungsgeschwindigkeit und ein atypisches Verteilungsmuster des Tracers. 36 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren 6. Kontraindikationen - Schwangerschaft Intrakranielle Druckerhöhung 7. Strenge Indikationsstellung: - Kinder Stillende Mütter Wiederholungsuntersuchung < 3 Monate 8. Durchführung vor der Injektion des radioaktiven Tracers: Aufklärung über Risiken der Punktion durch Neurologen/Neurochirurgen: Kopfschmerzen, Meningitis, Blutungskomplikationen Aufklärung über die Strahlenbelastung durch den Nuklearmediziner: Effektive Äquivalentdosis: 0.021 mSv/MBq entsprechend 0.4 mSv 9. Tracer Radionuklid: Radiopharmakon: Dosis: Indium, HWZ: 67h, Energie: 135, 173, 247 KeV In-DTPA DiethylenTriamin T Triamin PentaAcetat 18.5 MBq 111 111 10. Applikation des Tracers Unter sterilen Bedingungen durch Neurologen oder Neurochirurgen. Anschließend flache Lagerung des Patienten für mindestens 2 Stunden. 11. Bilddatenaquisition Lumbale Appl.: 2, 6, 24, 48 und ev. 72 Stunden Ventrikuläre Appl.: 10 u. 30 Minuten, nach 1, 4, 6, u. 24 Stunden Gammakameras (ADAC Vertex Plus1 und ADAC Argus2) Teilkörperaufnahmen (gesamte Neuroachse) Protokoll (ADAC Vertex): „Liquor GK“ Peaks: 173 und 247 keV, Fensterbreite 20 %, Matrix: 384x1024, Speed: 10 cm/min Einzelaufnahmen (Applikationsstellen, Schädel) Protokoll (ADAC Argus): „Liquor STATISCH“ Peaks: 173 und 247 keV, Fensterbreite 20 %, Matrix: 64x64, Counts-gesteuert: 20 kcnts 37 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren 12. Interaktionen Acetazolamid (Diamox®) blockiert das Enzym Carboanhydrase - die Liquorproduktion durch den Plexus choroideus kann dadurch abnehmen, was zu einer Änderung der Liquorflußdynamik führen kann - falsch-positive RNZisternogramm 13. Nebenwirkungen sehr selten Aseptische Meningitis, pyrogene Reaktionen 14. Vorsichtsmaßnahmen Überprüfung der Nierenfunktion Renale Elimination des Tracers: nach 24 Stunden sind 65%, nach 72 Stunden 85% ausgeschieden. 16. Aufnahmen des Schädels 38 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren 17. Aufnahmen der gesamtem Neuroachse Literatur Chamberlain MC, Corey-Bloom J (1991) Leptomeningeal metastasis: Indium-DTPA CSF flow studies. Neurology 41:1765–1769 Chamberlain MC (1994) Pediatric leptomeningeal metastasis:111Indium-DTPA CSF flow studies. J Child Neurol 9:150–154 Chamberlain MC (1995a) Comparative spine imaging in leptomeningeal metastases. 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Neurology 50:438-44 39 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren III. Ausblick: INTRACAVITÄRE RADIONUKLIDTHERAPIE Noch nicht im routinemäßigen Einsatz. Interessantes, derzeit noch eperimentells, Therapieverfahren bei rezidivierendem Glioblastoma multiforme 1. Prinzip Mit radioaktiv markierten Peptiden wird zuerst mittels diagnostischer Verfahren geprüft, ob im Tumorrezidiv eine ausreichende Somatostatin-Rezeptor-Expression vorliegt. Für die Therapie wird DOTA-TOC (DOTA-Tyr3-Oktreotid), das mit 90Y und 177Lu (Betastrahlern) markiert ist, angewendet. Das verwendete Radioisotop zerfällt unter Aussendung von Beta-Energie. Das Isotop selbst ist an ein Peptid (SSTRAnalogon - Tyr3-Oktreotid bzw. Tyr3-Octreotate) gekoppelt, welches sich nach intracavitärer Applikation in der Resektionshöhle verteilt und im zeitlichen Verlauf selektiv an SSTR exprimierendes Gewebe bindet. Durch die hochenergetische Beta-Strahlung wird lokal das Gewebe zerstört. 2. Prätherapeutische Diagnostik und Dosimetrie Szintigraphie mittels SSTR-Tracer (99mTc-HYNIC-TOC, wenn die Szintigraphie negativ ist, sollte als nächster Schritt eine Szintigraphie mit 111In-DOTA-Lanreotide durchgeführt werden). Cerebrales MRT zur Bestätigung der Läsionen und Volumenberechnung für die Dosimetrie. Dosimetrie mittels 111In-DOTA-TOC oder 68Ga-DOTA-TOC zur individuellen Dosisberechnung. 3. Therapie 90Y-DOTA-TOC wird vom Neurologen/Neurochirurgen unter sterilen Bedingungen via Reservoir intracavitär injiziert. Die Therapie wird unter vorübergehender Erhöhung der Kortison-Dosis und antiepileptischer Therapie durchgeführt. Literatur zu Peptidrezeptor-mediierten Radionuklid-Therapien Virgolini I, Britton K, Buscombe J et al. (2002) In- and Y-DOTA-lanreotide: results and implications of MAURITIUS trial. Semin Nucl Med 32:148-155 Virgolini I, Traub T, Novotny C et al. (2002) Experience with indium-111 and yttrium-90-labeled somatostatin analogs. 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Int J Cancer 92(5):628–33 41 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Nuklearmedizinische Verfahren Bodei L, Cremonesi M, Grana C, Rocca P, Bartolomei M, Chinol M, Paganelli G (2004) Receptor radionuclide therapy with [90YDOTA0-Tyr3]Oktreotide in neuroendocrine tumours. Eur J Nucl Med Mol Imaging 31:1038-46 Teunissen JJ, Kwekkeboom DJ, Krenning EP (2004) Quality of Life in Patients With Gastroenteropancreatic Tumors Treated With [177Lu-DOTA0,Tyr3]octreotate. J Clin Oncol 22(13):2724-9 Verfasser: Ass. Prof. Dr. Eveline Donnemiller Univ.-Klinik für Nuklearmedizin, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: +43/512/504-22662 Fax: +43/512/504-22683 E-mail: [email protected] 42 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Bildfusion Bildgebende Diagnostik bei Hirntumorerkrankungen: Bildfusion I. Einleitung Prinzipiell können zwei verschiedene Arten von bildgebenden Modalitäten definiert werden: Anatomische Modalitäten geben vorwiegend Information über die Morphologie, funktionelle Modalitäten über Metabolismus. Die Beziehung zwischen anatomischer und funktioneller Information ist von hohem Interesse für die Wissenschaft und zum Teil auch für die klinische Routine. Verschiedene bildgebende Modalitäten wie Röntgen, CT, MR, PET, SPECT, Ultraschall etc. basieren auf verschiedenen physikalischen Prinzipien. Jede Modalität besitzt spezielle Eigenschaften, welche zu einem besseren Verständnis der Physiologie und der Pathologie der Erkrankung beiträgt. Viele Patienten mit klinischen Zeichen und Symptomen, die auf einen Hirntumor hinweisen, durchlaufen im Laufe der Abklärung mehrere bildgebende Modalitäten wie z.B. MRI, CT, SPECT und PET wobei jede dieser bildgebenden Verfahren eine spezifische Information bieten kann. CT und MRI ergeben zum Teil komplementäre morphologische Informationen. Zum Beispiel erkennt man Weichteilstrukturen besser in der MRT, Kalzifikationen und knöcherne Strukturen besser im CT. Zusätzlich ist das CT eine wichtige Voraussetzung für die Berechnung der Dosisverteilung für die Strahlentherapie. Nuklearmedizinische Methoden (PET/SPECT) bieten Information über Funktion (z.B. Proliferationsstatus mit 201 Tl oder Rezeptorstatus mit Somatostatin-Analoga) und Metabolismus (z.B. Glukoseaufnahme beim 18FDGPET). Funktionelle Bildgebung erlaubt in vielen Fällen eine Differenzierung zwischen metabolisch aktivem und inaktivem (z.B. Nekrose) Gewebe. Üblicherweise extrahiert der Radiologe wichtige Information aus den Bilddaten und interpretiert diese entsprechend seinem Wissensstand. Verschiedene 3D Bilddatensätze werden üblicherweise am Alternator oder im PACS Seite an Seite abgebildet. Für den Arzt stellt eine mentale Fusion der verschiedenen Bilddaten eine große Herausforderung dar. Verschiedene Datensätze unterscheiden sich meist in unterschiedlicher Skalierung, Orientierung und Position. Dies erfordert einen Integrationsprozess für die korrekte räumliche Beziehung der verschiedenen Datensätze. Dieser Prozess wird als Registrierung bezeichnet. In den letzten Jahren brachten Entwicklungen auf dem Computer- und Softwaresektor neue Möglichkeiten auf dem Gebiet der Bildfusion. Speziell im Kopfbereich wird die Bildfusion für Strahlentherapieplanung, OP-Planung, anatomisches Mapping von Hirnfunktionen, und Monitoring des Ansprechens auf die Therapie bereits erfolgreich angewendet. Nach Registrierung ist ein Fusionsschritt für die integrative Darstellung der Bilddaten erforderlich1. Multimodale Bildgebung ist eine Synthese von diesen verschiedenen Modalitäten zu einem zusammengesetzten Bild. Insbesondere für das Therapiemonitoring - für die Verifikation von morphologischen und funktionellen Veränderungen im Laufe der Zeit - ist neben der multimodalen Registrierung auch die monomodale Registrierung sehr wichtig. Zusätzlich können auch Unterschiede zwischen einzelnen Individuen und Populationen untersucht werden. 43 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Bildfusion II. Methoden der Bildregistrierung Exzellente Reviews über die Bildfusion von medizinischen Daten wurden von van der Elsen2, Maintz und Viergever1 und Hanjal et al.3 publiziert. Gemäß Maintz und Viergever kann die Art der Registrierung in extrinsische und intrinsische Bilddaten-basierte und nicht-Bilddaten-basierte Registrierung eingeteilt werden. Extrinsische Registrierung bezieht sich auf externe Referenzpunkte, die in den abgebildeten Raum an – in Relation zur Patientenanatomie - jeweils identischer Stelle eingebracht werden. Diese Referenzstrukturen werden entweder invasiv oder nicht-invasiv am Patient angebracht. Im Gegensatz dazu beziehen sich intrinsische Verfahren lediglich auf die Patientendaten an sich und erlauben dadurch eine retrospektive Registrierung. Einzelne anatomische Landmarken, segmentierte Strukturen oder die Voxel selbst werden für die Registrierung herangezogen. 1. Extrinsische Methoden A. Invasive extrinsische Methoden Der Goldstandard für die Registrierungsgenauigkeit sind invasive stereotaktische Rahmen, die invasiv am Patientenkopf unter Lokalanästhesie mittels Schrauben oder Stiften angebracht werden. Diese Rahmen werden üblicherweise für stereotaktische Neurochirurgie und Radiochirurgie verwendet. Konventionelle Rahmen müssen in der Zeit zwischen Bildgebung und Therapie am Patientenkopf verweilen, die Patienten sind dadurch entsprechend lange in Narkose. Invasive Rahmen sind daher nicht für die diagnostische Bildfusion geeignet. Alternativ dazu können Schrauben als Marker bzw. Markerträger verwendet werden5,6. Mit diesen kann eine vergleichbare Genauigkeit erzielt werden. Allerdings können sie für den Patienten unangenehm sein und sie sind aufgrund der Invasivität für diagnostische Abklärung alleine ebenfalls ungeeignet. B. Nicht-invasive extrinsische Methoden Um die Nachteile der invasiven Marker zu überwinden, können kostengünstige Hautklebemarker 7,8, der Laitinen Stereoadapter9 und Gesichtsmasken10-12 verwendet werden. Die Genauigkeit ist durch die Hautverschiebungen limitiert. Das System von Hauser13, der GTC Localizer14, das Banana Bar system15 und das VBH Mundstück16 beruhen auf einem individuellen Zahnabdruck des Patienten. Das VBH Mundstück (Medical Intelligence, Schwabmünchen, Deutschland) wurde ursprünglich für computerunterstützte HNO und neurochirurgische Operationen entwickelt17,18. Es erlaubt eine stabile reproduzierbare Befestigung eines Referenzrahmens (SIP-Lab Innsbruck Frame, Medical Intelligence Inc., Schwabmünchen, Germany) mittels eines patentierten individuellen Oberkiefer-Zahnabdruckes, welcher über Unterdruck am harten Gaumen fixiert wird. Im ersten Schritt wird ein individuelles VBH Mundstück angefertigt. Während der CT-, MR-, PET- und SPECTUntersuchung trägt der Patient das Mundstück. Der universelle, mit den entsprechenden CT-, MR-, und SPECT Markern versehene SIP-Labor Referenzrahmen wird jeweils am VBH Mundstück reproduzierbar angebracht. Der Unterdruck erlaubt eine präzise Repositionierung des Zahnabdruckes mit dem daran befestigten Referenzrahmen in Relation zum Patientenkopf (Genauigkeit besser als 1 mm16). Die korrekte Repositionierung kann an dem an der Vakuumpunpe angebrachten Manometer überprüft werden. Falls das VBH Mundstück exakt am harten Gaumen plaziert wird zeigt das Manometer 0,8 bar Unterdruck an. Eine Fehlplatzierung des VBH Mundstückes führt zum Einstrom von Luft in das System mit einem daraus resultierenden Abfall des Unterdrucks, der am Manometer 44 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Bildfusion ablesbar ist, d.h. die Repositionierungsgenauigkeit kann durch Verwendung des Unterdrucksystems überprüft werden. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den Systemen die lediglich auf einem Zahnabdruck basieren („Bite block“). Die verschiedenen Bilddaten werden mittels eines speziellen Softwareprogrammes entweder manuell, semiautomatisch oder automatisch überlagert. Die Fusion basiert auf den auf dem Referenzrahmen angebrachten modalitätsspezifischen externen Markern, die in allen bildgebenden Verfahren jeweils kugelförmig zur Darstellung kommen. Im Unterschied zu automatischen Fusionsprogrammen (mutual information basiert) ist die Genauigkeit der Fusion durch den sogenannten Root Square Mean Error (RSME) quantifizierbar und damit objektivierbar. Die Bildfusion auf Basis von externen Markern ist insbesondere für Bilddaten mit einer schlechten anatomischen Auflösung von Vorteil. Im Rahmen eines einheitlichen Konzeptes können die fusionierten Bilddaten für Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrollen herangezogen werden. In einer Phantomstudie wurde ein mittlerer RSME für CT-MR Fusion von 1,19 +/- 0,76 mm und für CT-SPECT von 0,45 +/- 0,21 mm erzielt. Die mittlere Genauigkeit der CT-MR Fusion betrug 0,74 +/- 0,26 mm und für CT-SPECT 1,51 +/- 0,98 mm. Bei 30 Patienten wurde ein mittlerer RSME für CT-MR von 1,05 +/- 0,52 mm, und für CT-SPECT 1,15 +/- 0,37 mm erzielt19. Die Bildfusion dauert im Schnitt zwischen 8-10 Minuten pro Patient. Das Einbringen des VBH Mundstückes dauert pro CT/MR/SPECT/PET Scan ca. 1-3 Minuten. Die Methode wird derzeit routinemäßig zur Fokussuche bei Patienten mit Epilepsie angewendet (exakte Korrelation zwischen MR Bildern mit intra-und interiktaler Iomazenil-SPECT Untersuchung). Diese Methode bietet insbesondere für die Fusion von schlecht aufgelösten SPECT/PET Datensätzen Vorteile gegenüber anderen Fusionstechniken. Ein neuer Algorithmus erlaubt eine automatische Detektion der kugelförmigen Marker und damit eine vollautomatische extrinsische Registrierung20. Der Hauptnachteil dieser Methode ist die schlechte Repositionierungsgenauigkeit bei Zahnlosen. Ein weiterer Nachteil ist der prospektive Charakter. Die Fusion mit Datensätzen, die nicht mit dem Mundstück angefertigt wurden erfordert zusätzliche Algorithmen, die auf dem Bildinhalt selbst beruhen (= intrinsische Methoden). 2. Intrinsische Methoden A. Registrierung auf Basis von anatomischen Landmarken Die einfachste Methode ist die Verwendung von anatomischen Landmarken. Hierzu werden mehr als drei in allen zu überlagernden Modalitäten eindeutig auffindbare anatomische Referenzpunkte manuell definiert und korreliert. Aufgrund der guten anatomischen Auflösung funktioniert diese Methode sehr gut mit CT und MR Daten. PET Daten und insbesondere SPECT Daten haben eine schlechte anatomische Detailauflösung und eignen sich daher schlechter für diese Fusionstechnik. Unserer Erfahrung nachlassen sich CT und MR Datensätze mit einer Genauigkeit von 2-5 mm überlagern. Diese Erfahrung deckt sich mit publizierten Daten3. Die Definition der Marker sollte von einem erfahrenen Radiologen durchgeführt oder zumindest kontrolliert werden. B. Oberfächenbasierte Methoden Die „Head-hat“ Methode von Pelizzari et al.22 basiert auf der Segmentierung der Hautoberfläche aus verschiedenen Modalitäten. Durch identische Symmetrieachsen kann diese Methode zu hohen Ungenauigkeiten führen. Die Registrierungsgenauigkeit hängt von der Genauigkeit der Segmentierung ab. Diese ist insbesondere bei SPECT/ PET Daten ungenau. 45 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Bildfusion C. Voxel-Inhalt basierende Methoden Mutual information Methoden23,24 basieren auf den Grauwerten ohne vorhergehende Segmentierung. Dabei wird der gesamte Bildinhalt für die Registrierung verwendet. Diese Methoden funktionieren automatisch und die Genauigkeit wird nicht durch Segmentierungsschritte oder subjektive Definition von Referenzpunkten beeinflusst. Die Methode ist bei der Registrierung von CT, MR und PET Daten in der Regel ausreichend genau, anwenderfreundlich und für die tägliche Routine geeignet. Allerdings wird die Qualität der Registrierung durch die Auflösung und Artefakte beeinflusst. SPECT Bilder zeigen die Anatomie oft nur angedeutet und auch die Voxel-basierten Methoden sind von einer annähernden anatomischen Verteilung der Aktivitäten abhängig. Bei SPECT Datensätzen sind weder anatomische Landmarken noch Oberflächen präzise definierbar. Die entsprechenden Methoden sind daher nur ungenau. Das Resultat der Fusion mit anatomischen Daten kann visuell sehr gut kontrolliert werden. Bei einer Fusion mit PET und insbesondere SPECT ist eine visuelle Kontrolle aufgrund der Unschärfe naturgemäß nur eingeschränkt möglich, wodurch höhere Ungenauigkeiten nicht auffallen. 3. Gerätebasierte Registrierung (bilddatenunabhängig) A. Kombinierte PET-CT oder SPECT-CT Scanner Bilddatenunabhängige Registrierung ist möglich wenn die Koordinatensysteme zweier Scanner zueinander kalibriert sind. Kombinierte PET/CT oder SPECT/CT Scanner ergeben räumlich zueinander registrierte Bilddaten von zwei Modalitäten in einer Sitzung. Anwendung der Bildfusion in der klinischen Routine für Diagnostik und Intervention durch das interdisziplinäre stereotaktische Interventions- und Planungs Labor (SIP-Lab) Vor einigen Jahren wurde das Treon Navigationssystem (Medtronic Inc., Louisville, U.S.A.) im interdisziplinären stereotaktischen Interventions- und Planungs Labor (SIP-Lab) installiert. Das Software Modul „Cranial 4“ erlaubt eine synergistische simultane Fusion von zahlreichen CT/MR/SPECT/PET Datensätzen basierend auf „paired-point matching“ von extrinsischen Markern oder intrinsischen anatomischen Markern. Zusätzlich ist ein automatischer auf „mutual information“ basierter vollautomatischer Algorithmus für die Fusion von CT/MR/SPECT/PET Daten verfügbar. B. Ein einheitliches Konzept in der Diagnostik und Therapie von Gehirntumoren Die Anwendung des VBH Mundstückes für Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle stellt ein neues Konzept dar, welches derzeit an der Universitätsklinik Innsbruck erprobt wird. Dabei wird bei Patienten mit Verdacht auf eine zerebrale Raumforderung im ersten Schritt ein VBH Mundstück im SIPLabor angefertigt. Die notwendigen bildgebenden Untersuchungen werden mittels Mundstück und SIPLab Innsbruck Rahmen durchgeführt und die Daten werden an das Navigationssystem im SIPLabor geschickt. Die auf Basis der externen Marker fusionierten Bilddaten dienen als Grundlage für Diagnostik und Therapie. Im Falle einer therapeutischen Notwendigkeit kann das VBH Mundstück für die nicht-invasive, exakte, reproduzierbare Immobilisation des Patienten während einer Biopsie, einer Operation oder für Strahlentherapie verwendet werden. Somit dient das VBH Mundstück als Referenzstruktur für alle diagnostischen und therapeutischen Schritte im Rahmen einer Abklärung bzw. Behandlung 46 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Bildfusion eines Malignoms im Kopfbereich. Einschränkend kann dieses Konzept bei zahnlosen Patienten aufgrund der unzureichenden Repositionierungsgenauigkeit des VBH Mundstücks nur bedingt zur Anwendung kommen. Folgende Vorteile ergeben sich durch die Anwendung dieses einheitlichen Konzepts: a. Bildfusion: Die externen Marker erlauben eine präzise Bildfusion und damit eine exakte Zuordnung der funktionellen Daten zu anatomischen Strukturen. b. Biopsie: Der Goldstandard für Hirntumor-Biopsie ist die Stereotaxie. Ein Stereotaxierahmen wird invasiv am Schädel des Patienten über kleine Metallstifte angebracht. Der Patient wird mit aufgebrachtem Rahmen gescannt (CT oder MR) und muss aufgrund der fehlenden Repositionierungsmöglichkeit in derselben Sitzung operiert werden. Im Unterschied dazu können bei Verwendung der minimal-invasiven reproduzierbaren VBH Kopfhalterung Bildgebung, Eingriffsplanung und Eingriff zeitlich und räumlich getrennt werden, mit dadurch resultierender Vereinfachung des Ablaufs. Außerdem kann die Anästhesiezeit wesentlich verkürzt werden, da der Patient lediglich während der Biopsie und nicht während der CT/MR Untersuchung, Eingriffsplanung und Biopsie anästhesiert wird. Die Genauigkeiten sind im Phantomversuch und in den ersten PatientenAnwendungen mit denen der konventionellen Stereotaxie vergleichbar. b. Computerunterstützte Operation: Für computerunterstützte Eingriffe wird in vielen Kliniken am Vortag bzw. am Tag der Operation eine CT-MR Untersuchung mit Hautklebemarkern durchgeführt. Einerseits erlaubt das VBH Mundstück im Vergleich zu den Hautmarkern eine präzisere Registrierung, andererseits erlaubt die hohe Repositionierungsgenauigkeit des Mundstücks die Verwendung der diagnostischen CT/MR/SPECT/PET Daten für die Neuronavigation26. Auf ein zusätzliches Planungs-CT/MR mit Hautmarker am Vortag bzw. am OP Tag kann verzichtet werden. Zusätzlich erlaubt die Anbringung des dynamischen Referenzrahmens an das Mundstück eine intraoperative Bewegung des Patienten ohne Genauigkeitsverlust der Navigation. d. Strahlentherapie27,28: Die Anwendung der VBH Kopfhalterung erlaubt eine genauere Repositionierung des Patientenkopfes als die Maske und damit eine präzisere Bestrahlung. Durch die Verwendung des für die Diagnostik angefertigten VBH Mundstückes und die Verwendung der ursprünglichen diagnostischen CT/MR/ SPECT/PET Bilddaten für die Strahlentherapieplanung können Kosten gesenkt werden. e. Verlaufskontrollen: Das VBH Mundstück wird für CT/MR/SPECT/PET Verlaufskontrolluntersuchungen verwendet. Die dadurch ermöglichte präzise Bildfusion mit den ursprünglichen Bilddatensätzen erlaubt eine exakte Verlaufsbeurteilung (z.B. Größenprogredienz von Tumoren, Zu-/Abnahme der funktionellen Aktivität von Tumoren). 4. Zusammenfassung Aufgrund der hohen Genauigkeit ist die Fusion mittels VBH Mundstück den anderen Methoden insbesondere bei der Verwendung von SPECT Aufnahmen überlegen. Ein zusätzlicher Vorteil des VBH Mundstück ist der universelle Ansatz für die Diagnostik und Therapie. Das Mundstück wird in Innsbruck bereits routinemäßig für die Strahlentherapie und zum Teil auch für neurochirurgische Interventionen eingesetzt. Allerdings ist das VBH Mundstück nur bei bezahnten Patienten anwendbar und die Verwendung des Mundstückes erfordert einen erhöhten logistischen und finanziellen Aufwand. Zusätzlich sind die Voruntersuchungen ebenfalls nur durch intrinsische Methoden integrierbar. Die intrinsische Methode ist bei der Registrierung von CT, MR und PET Daten in der Regel ausreichend genau, anwenderfreundlich und für die tägliche Routine geeignet. 47 TAKO - Neuroonkologie Bildgebende Diagnostik: Bildfusion A. Standardisiertes Vorgehen an der Universitätsklinik Innsbruck Sämtliche Fusionen (intrinsische und extrinsische) werden vom SIP-Labor routinemäßig angeboten bzw. durchgeführt (SIP-Labor: RTA 80831). Die Befunde werden im Rahmen der Interdiziplinären Neuroonkologischen Besprechung diskutiert. Referenzbilder werden in das PACS gestellt. B. Patienten bei denen die Verwendung des Mundstücks für eine neurochirurgische Intervention / Strahlentherapie geplant ist (absolute KI: fehlende Zähne im Oberkiefer) Sämtliche diagnostische Untersuchungen werden mit dem VBH Mundstück angefertigt. Die entsprechenden Bilddaten werden dann mit Hilfe der Marker am Referenzrahmen überlagert. Eventuelle frühere Bilddaten ohne Mundstück werden mittels intrinsischen Algorithmen (antatomische Marker, mutual information) überlagert. Im Anschluss können rahmenlos stereotaktische Biopsie, rahmenlos stereotaktische Navigation und externe Strahlentherapie mittels Mundstück durchgeführt werden. C. Patienten bei denen die Verwendung des Mundstücks für eine neurochirurgische Intervention / Strahlentherapie (noch) nicht geplant ist Die Bildfusion erfolgt intrinsisch (anatomisch, mutual information) Die Biopsie erfolgt mittels eines invasiven stereotaktischen Rahmens Die rahmenlose Stereotaxie erfolgt auf Basis von Hautmarkern oder einschraubbaren Markern Die Lagerung für die Strahlentherapie erfolgt mittels thermoplastischer Maske. Aufgrund der in den meisten Fällen ausreichenden Präzision der intrinsischen Registrierung ist die Anwendung des Mundstücks für Follow-up Untersuchungen nicht erforderlich. Literatur Maintz JB, Viergever MA. A survey of medical image registration. Med Image Anal 1998;2:1-36. van den Elsen, P. A. and Viergever, M. A. Medical Image matching - a review with classification. IEEE Computer Graphics and Applications 2004;12: 26-39. Hanjal JH, Hawkes DJ, and Hill D. Medical Image Registration. [Series: Biomedical Engineering Series]. 2004. 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Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Reto Bale Radiologie I, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: +43/512/504-80540 Fax: +43/512/504-22758 E-mail: [email protected] 50 TAKO - Neuroonkologie Stereotaktische Biopsie Stereotaktische Biopsie zerebraler Raumforderungen I. Einführung Stereotaxiesysteme ermöglichen intrazerebrale Strukturen/Prozesse jeder Lokalisation mit großer Genauigkeit über eine Bohrlochtrepanation zu erreichen, um eine Gewebsprobe zu entnehmen (einen Abszeß oder ein Hämatom zu drainieren oder einen radioaktiven Strahler (Seed) oder Elektroden zu plazieren). Auf Grund des geringen Durchmesser der Instrumente (1.1 – 2.5 mm) ist eine Schädigung funktionellen Hirngewebes minimal. II. Stereotaktische Systemtypen Stereotaktische Apparate sind Rahmen, die fest am Schädeldach der Patienten fixiert sind. Sie sind maximal verwindungs- und dislokationsstabil. Mit dem Rahmen und den darauf befestigten Lokalizern erfolgt eine stereotaktische Bildgebung, deren Ziel darin besteht den dreidimensionalen Raum innerhalb der Lokalizerplatten und des stereotaktischen Grundringes möglichst präzise darzustellen. Dadurch wird aus dem Bilddatensatz ein dreidimensionaler stereotaktischer (kartesischer) Datensatz, indem jeder Punkt einer X, Y und Z Koordinate zugeordnet werden kann. Optimal ist, wenn für eine stereotaktische Biopsie ein Eintrittspunkt und ein Zielpunkt im Gehirn definiert ist, da hierdurch der Weg durch das Gehirn visualisiet werden kann und somit Gefahren (Gefäße) vor der Durchführung der Operation erkannt werden können. Wir unterscheiden heutzutage nur noch zwischen zwei verschiedenen Systemtypen: Systemtypen Lineare Systeme (Eintrittspunkt und Zielpunkt müssen definiert sein. Eine Änderung der Einstellung während der Operation bedarf einer Neuberechnung der gesamten Operation am Planungsrechner). Zielpunktzentrierte Systeme (ein gewählter – und berechneter Zielpunkt - kann über verschiedene Winkeleinstellungen erreicht werden. Eine Änderung der Einstellung während der Operation ist problemlos möglich.) In Innsbruck werden bei beiden Systemen die Einstellungen und die Genauigkeit der Instrumente an einem speziellen Phantom überprüft und somit eine hohe Präzision gewährleistet. III. Bildgebung Extraoperativ wird bei allen Patienten ein Planungs-MRI durchgeführt. Dies besteht aus einer 3D-MPRage axial mit 1.2 mm Schichten mit Kontrastverstärkung und einer axialen T2-gewichteten Sequenz („Planungsprotokoll Eisner Stereotaxie“). Intraoperativ wird nach Anlage des Stereotaxiegrundringes am Patientenkopf nach fraktionierter Kontrastmittelgabe ein stereotaktisches CCT durchgeführt. Beide Bildmodalitäten werden durch Bildfusion ineinander übergeführt, sodaß maximale Information über das zu behandelnde Patientenhirn vorliegt. Am Ende der Operation wird zur Bestätigung der korrekten Biopsie und zum Ausschluß einer operativen Komplikation ein weiteres stereotaktisches CCT durchgeführt. Weitere postoperative Kontrollen bestehen aus MRI Untersuchungen nach dem „Planungsprotokoll Eisner“, wobei es freisteht zusätzliche weitere Sequenzen durchzuführen. 51 TAKO - Neuroonkologie Stereotaktische Biopsie IV. Patientenvorbereitung Die Differentialdiagnose eines unklaren zerebralen Prozesses mit Kontrastmittelaufnahme ist: hirneigener Tumor, Metastase, Entzündung, Infektion. Nach Diagnosestellung einer histologisch abklärungsbedürtigen Raumforderung ist darauf zu achten, daß bei Verdacht auf Vorleigen eines ZNS-Lymphoms präoperativ kein Cortison verabreicht wird, da dadurch eine konklusive histologische Diagnose erschwert oder gar unmöglich wird. V. Operation Die stereotaktische Biopsie ist der häufigste stereotaktische Eingriff und wird im Folgenden exemplarisch dargestellt. Präoperativ muß in der Operationsaufklärung des Patienten eindeutig darauf hingewiesen werden, daß es sich hier um einen diagnostischen – und nicht um einen therapeutischen Eigriff handelt (Ausnahme: Abszess und Hämatom). Der Eingriff kann in Lokalanästhesie und in Intubationsanästhesie durchgeführt werden. Wir bevorzugen einen Eingriff in Allgemeinanästhesie. Nach Intubation wird der Grundring des stereotaktischen Apparates am Kopf des Patienten befestigt. Anschließend wird ein stereotaktisches CCT, nach fraktionierter Kontrastmittelgabe, durchgeführt. Nach Planung der Operation am Planungsrechner wird der Zielpunkt und der stereotaktische Zielbügel am Phantom eingestellt und die Präzision des Systems überprüft. Anschließend wird eine kleine Rasur im Bereich des Hautschnittes vorgenommen und nach sterilem Abwaschen in typischer Weise abgedeckt. Jetzt wird der Zielbügel auf den, am Patientenkopf fixierten, Stereotaxie-Grundring übertragen und die Stelle des Hautschnittes markiert. Die Haut wird mit Lokalanästhesie unterspritzt, anschließend erfolgt ein 3 bis 4 cm langer Hautschnitt. Mit dem Raspatorium wird die Galea und das Periost zur Seite geschoben und ein Hautspreitzer eingesetzt. Anschließend wird ein stereotaktisches Bohrloch mit einem am Zielbügel befestigten Bohrer angelegt, die Dura koaguliert und sternförmig eröffnet. Die Duraränder werden koaguliert und geschrumpft. Anschließend wird die Arachnoidea koaguliert und eröffnet. Das Biopsieführungsinstrument wird durch die Kortexoberfläche eingebracht und anschließend erfolgt die Durchführung einer stereotaktischen Serienbiopsie bis zum geplanten Zielpunkt. Anschließend wird Spongostan über das Führungsinstrument eingebracht um die typischen postoperativen Lufteinschlüsse zur Zielpunktbestätigung zu erhalten. Nach Wundverschluß wird ein stereotaktisches CCT durchgeführt, welches mit der Planung fusioniert wird, um die korrekte Biopsie zu bestätigen und eine operative Komplikation auszuschließen. Nach Entfernung des Stereotaxierahmen vom Kopf des Patienten werden die Wunden mit Steristrips versorgt und der Patient auf die Intensivstation oder Überwachungsstation verlegt. VI. Umgang mit den Biopsaten Diese werden am OP-Tisch in Formalin gegeben und nicht vorher in NaCl oder Ringerlößung eingelegt, da sonst Zellen zerstört werden würden. Das Präparat soll sofort formalinfixiert werden. Literatur W. Eisner, A. Muacevic. Einführung in die Stereotaxie und Neuronavigation; in Manual Neurochirurgie, HJ. Steiger & HJ Reulen (eds.); ecomed Verlag, Landsberg; 1999; S. 514-518; ISBN 3-609-51530-9 Textbook of Stereotactic and Functional Neurosurgery, Philip L. Gildenberg & Ronald R. Tasker (eds.), McGraw-Hill (New York); 1996; ISBN 0-07-023604-6 52 TAKO - Neuroonkologie Stereotaktische Biopsie Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Eisner Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] 53 TAKO - Neuroonkologie Notizen 54 TAKO - Neuroonkologie Allgemeine Prinzipien der Chirurgischen Therapie Allgemeine Prinzipien der Chirurgischen Therapie von Hirntumoren I. Zielsetzung Hauptaufgabe der chirurgischen Therapie von Hirntumoren ist die Sicherung der histologischen Diagnose und die Reduktion des durch tumoröse Raumforderungen bedingten Masseneffektes auf vitale Hirnzentren (1). Abhängig von der Dignität des resezierten Prozesses kommen kurative oder palliative chirurgische Therapiekonzepte zum Einsatz. II. Indikation Die Indikation zur chirurgischen Therapie wird primär durch die Operabilität der Raumforderung, durch eventuell vorhandene alternative Therapieoptionen (Strahlentherapie, Chemotherapie) und durch die klinische Präsentation (Allgemeinzustand, Alter ) des Patienten determiniert. Weitere Faktoren bei der chirurgischen Indikationsstellung sind die Größe der Raumforderung, die zu erwartende Progressionsgeschwindigkeit des Tumors sowie die eventuell mit dem Tumorwachstum assozierte Entwicklung eines Hydrocephalus. Prinzipiell ergibt sich die Indikationsstellung umso eher, je ausgeprägter sich die Raumforderung durch die Tumorgröße auf das umgebende Hirnparenchym entfaltet. Bei großen, hirnverdrängend wirkenden Tumoren kann auf eine chirurgische Therapie in Abhängigkeit von der Dignität nur bei Vorhandensein von rasch wirksamen Therapieverfahren (z.B. Radio/ Chemotherapie bei Germinomen) verzichtet werden (2). III. Chirurgische Optionen In Abhängigkeit von der Resektabilität, der Tumorgröße und der zu erwartenden Dignität stehen der Neurochirurgie bioptische (offene Biopsie, stereotaktische Biopsie, mikrochirurgische (subtotale/ annähernd totale Resektion) und radiochirurgische (externe fokusierte Radiochirurgie mit dem Gamma Knife oder dem Linearelektronenbeschleun iger/interstitielle Radiochirurgie mit stereotaktischer Implantation von radioaktiven Strahlern) Therapieoptionen zur Verfügung (3,4,5,6). IV. Chirurgische Instrumente und Apparaturen 1. Operationsmikroskop Der Einsatz des Operationsmikroskop seit den späten 60iger Jahren des 20. Jahrhunderts revolutionierte die moderne Neurochirurgie. Die dem Operateur bei maximaler Ausleuchtung des Operationssitus zur Verfügung stehende, detaillierte visuelle Information gestattete nun komplexeste neurochirurgische Zugangsmodalitäten bei geringer operativer Morbidität. Heute findet das Operationsmikroskop bei allen Tumoroperationen am Zentralnervensystem seine Anwendung. Eine Ausnahme bilden Tumoren der Kopfhaut der Schädelkalotte, die auch makroskopisch sicher entfernt werden können (7). 55 TAKO - Neuroonkologie Allgemeine Prinzipien der Chirurgischen Therapie 2. Mikrochirurgische Instrumente Die in der Neurochirurgie zum Einsatz kommenden Präzisionsinstrumente erlauben den Einsatz von Fäden, die weniger als 20 Mikrometer messen. Je nach Operationsart werden spezifische Operationstassen zusammengestellt, in welchen die notwendigen Instrumente zusammengefasst sind. Neben Kraniotomieinstrumenten und Retraktorsystemen werden spezifische Mikroinstrumente (Pinzetten, Scherchen, Messerchen, Nadelhalter, Dissektoren und Mikrosaugsysteme) verwendet. Weiters kommen Highspeed–Bohrsysteme zum Einsatz. 3. Monopolare und bipolare Koagulation Zum Durchtrennen von Sehnen, Faszien und Muskelgewebe wird in der Neurochirurgie eine monopolare Koagulationsmethode verwendet. Hierbei wird zur Schaffung von Zugangswegen zum Schneiden Hochfrequenzenergie über einen speziellen Stift appliziert (8). Vaskuläre Strukturen werden mittels bipolarer Koagulation okkludiert, wobei die Energie über eine isolierte Pinzette aufgetragen eine Kauterisation der Gefäßwände bewirkt (9). 4. Neuroendoskopie Endoskopische Systeme (starr/flexibel) gestatten den Einblick in Hohlräume des Zentralnervensystems über minimal invasive Zugänge. Hiermit können im Ventrikelsytem Tumoren entfernt werden. Limitationen dieser Technik ergeben sich aus Derbheit, Größe und Gefäßreichtum des Tumors (10). Kommt das Endoskop gemeinsam mit dem Mikroskop zum Einsatz, um mit Hilfe von Winkeloptiken schwer zugängliche Operationsbereiche zu visualisieren, spricht man von endoskopisch assistierter Mikrochirurgie (11). 5. Neuronavigation und intraoperative Bildgebung Um einen bestimmten Zielpunkt im Zentralnervensystem unter möglichst geringer Manipulation des Gehirns direkt zu erreichen, wurden Navigationscomputer zur Zugangsplanung in die Hirntumorchirurgie eingeführt. Als Grundprinzip für den Einsatz im Operationssaal gilt hierbei die Darstellung der intraoperativen Position von Instrumenten (z.B. Pointer, Endoskop) auf einem präoperativ gewonnenen, dreidimensionalen Bilddatensatz (CT, MRT), den man am Navigationscomputer abrufen kann. Besonders beim Aufsuchen von tiefliegenden zerebralen Raumforderungen erweist sich diese Technik als hilfreich und trägt zur Qualitätssicherung in der Hirntumorchirurgie bei (12). Der Forderung nach Ausschluss von Blutungen und Komplikationen sowie die Aktualisierung der NeuronavigationsDaten intraoperativ trug die Entwicklung von Ultraschallgeräten, CT- und MRT-Systemen Rechnung, die im Operationssaal mit Navigationscomputern gekoppelt werden können (13,14). V. Neuromonitoring Zur Überwachung der neuronalen Funktion während einer Hirntumoroperation können elektrophysiologische Methoden eingesetzt werden. Mittels Stimulation von Hirnnerven oder Hirnarealen können spezifische motorische Funktionen und Sprachfunktionen überwacht werden, wobei auch hier eine Kombination mit der Navigation möglich ist (15). Die Verwendung eines elekrophysiologischen Monitorings ist bei jeder Tumoroperation in der Nähe funktionell kritischer Areale von Nutzen. 56 TAKO - Neuroonkologie Allgemeine Prinzipien der Chirurgischen Therapie VI. Schlussfolgerung Für die chirurgische Behandlung gilt es, unter Einsatz aller notwendigen technischen Hilfsmittel therapeutische Standards zu erarbeiten, die die Entwicklung von auf den Individualfall zugeschnittenen, differenzierten Behandlungskonzepten erleichtern. Literatur (1) Salcman M. Supratentorial gliomas: Clinical features and surgical therapy. In: Wilkins R, Rengachary S eds. Neurosurgery. New York. McGraw-Hill, 1996. 777-788 (2) Steiger HJ, Gumprecht H: Chirurgische Therapie. In: Tonn JC, Kreth FW eds. Manual Hirntumoren und primäre Tumoren des Rückenmarks.W. Zuckschwerdt Verlag München Wien New York, 2004. 42-47 (3) Gunel M, Piepmeier JM: Perioperative assessment and technical considerations. In: Bernstein M, Berger MS eds. NeuroOncology: The Essentials. Thieme Medical Publishers, Inc., New York, 2000. 115-121 (4) Lindquist C. Gamma Knife Radiosurgery. Semin Radiat Oncol (1995) 5:197-202 (5) Schlegel W, Pastyr O, Bortfeld T et al. Computer systems and mechanical tools for stereotactically guided conformation therapy with linear accelerators. Int J Radiat Oncol Biol Phys (1992) 24:781-787 (6) Kreth FW, Faist M, Warnke PC et al. Interstitial radiosurgery of low-grade gliomas. J Neurosurg (1995) 82:418-429 (7) Kriss TC, Kriss VM. History of the operating microscope: From magnifying glass to microneurosurgery. Neurosurgery (1998) 42:899-908 (8) Greenwood jr. J. Two point coagulation. A new principle and instrument for applying coagulation current in surgery. Am J Surg (1940) 50:267-270 (9) Malis LI. Bipolar coagulation in micro-surgery. In: Donaghy RMP, Yasargil MG eds. Microvascular surgery. Thieme Stuttgart 1967: 126-130 (10) Gaab MR, Schroeder HWS. Neuroendoskopie und endoskopische Neurochirurgie. Nervenarzt (1997) 68:459-465 (11) Matula C, Tschabitscher M, Day JD et al. Endoscopically assisted microneurosurgery. Acta Neurochir (1995) 134 :190-195 (12) Spetzger U, Laborde G, Gilsbach JM. Frameless neuronavigation in modern neurosurgery. Minim Invas Neurosurg (1995) 38:163-166 (13) Lunsford LD. A dedicated CT system for the stereotactic operating room. Appl Neurophysiol (1982) 45:374-378 (14) Black PMcl, Alexander E, Martin C et al. Craniotomy for tumor treatment in an intraoperative magnetic resonance imaging unit. Neurosurgery (1999) 45:423-433 (15) Eisner W, Burtscher J,Bale R et al. Use of neuronavigation and electrophysiology in surgery of subcortically located lesions in the sensorimotor strip. J Neurol Neurosurg Psychiatry (2002) 72:378-381 Verfasser: Dr. Jürgen-Volker Anton Univ.-Prof. Dr. Klaus Twerdy Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] 57 TAKO - Neuroonkologie Notizen 58 TAKO - Neuroonkologie Radiotherapie-Grundlagen: Perkutane Strahlentherapie Radiotherapie-Grundlagen: Perkutane Strahlentherapie I. Allgemein Die Indikation zur perkutanen Strahlentherapie primärer und sekundärer Hirntumore ist abhängig von der Histologie und Lokalisation. Meistens wird die Strahlentherapie als postoperative adjuvante Therapie eingesetzt. Selbst bei kompletter Resektion eines malignen Hirntumors sollte eine Strahlentherapie durchgeführt werden, da sich das Überleben und auch das symptomfreie Intervall dadurch signifikant verbessern lassen (1). Bei inoperablen Tumoren, äußerst strahlensensiblen Tumoren (Germinome) und evtl. kleineren singulären Metastasen (Radiochirurgie) (2) ist eine primäre Strahlentherapie indiziert. Eine histologische Sicherung der Diagnose vor Strahlentherapie ist obligat. Ausnahme: Hirnmetastasierung bei bekanntem Primärtumor. Ebenfalls kann bei in Einzelfällen bei Tumoren im Bereich des Hirnstammes, wo die Gewinnung einer Histologie mit erheblichen Risiken verbunden ist, auf eine histologische Sicherung verzichtet werden. Die zu bestrahlenden Zielvolumina und deren Zielvolumendosen sind abhängig von Tumorgröße, Histologie und Ausbreitungscharakteristik. Die Strahlentherapie wird in der Regel mit ultraharten Photonen an einem Linearbeschleuniger durchgeführt. Um eine akzeptable Reproduzierbarkeit der Patientenpositionierung zu erreichen, werden im allgemeinen individuell angefertigte Lagerungshilfen (z.B. thermoplastische Masken, Mundstücke, bzw. Beißblöcke) verwendet. Dadurch können Sicherheitssäume evtl. verkleinert werden, was zu einer Verringerung des mitbestrahlten gesunden Hirngewebes führt. Vor der Strahlentherapie sollte eine computergestützte CT-basierte dreidimensionale Bestrahlungsplanung durchgeführt werden. Dafür wird ein CT des Patienten, in der vorgesehenen Bestrahlungsposition unter Verwendung der gewählten Lagerungshilfe, angefertigt und dann die individuelle Patientengeometrie in den Planungsrechner überführt, danach werden die Zielvolumina und die Risikostrukturen markiert. Anschließend werden mithilfe des Bestrahlungsplanungsrechners die optimale Anordnung der Bestrahlungsfelder und die individuellen Feldgrenzen definiert. Bei der Bestrahlung werden die irregulären Feldgrenzen durch individuelle Abschirmblöcke oder durch die Verwendung eines Multi-Leaf-Kollimators Leaf-Kollimators realisiert. Leaf II. Bestrahlungstechniken 1. Lokalbehandlung Tumorbett (im MR sichtbarer Tumor) mit Einschluss von Arealen mit möglicher Tumorinfiltration und Berücksichtigung der geometrischen Präzision der Bestrahlungstechnik. Bei Verwendung stereotaktischer Bestrahlungstechniken kann die geometrische Präzision erheblich gesteigert werden, sodass das Planungszielvolumen im wesentlichen dem klinischen Zielvolumen entspricht. 2. Stereotaktische Bestrahlungstechniken Der Patient wird in einem stereotaktischen Rahmensystem entweder invasiv (radiochirurgische Einzeitbestrahlung) oder nicht-invasiv, dann aber mit einer hohen Repositionierungsgenauigkeit (rigide Masken, VBH-Mundtstück; 59 TAKO - Neuroonkologie Radiotherapie-Grundlagen: Perkutane Strahlentherapie 3), fixiert. In das Rahmensystem sind Markierungen integriert, die in der CT- bzw. MR-Bildgebung als exakte Referenzpunkte erkennbar sind, danach orientiert sich ein dreidimensionales stereotaktisches Koordinatensystem. Um eine kongruente exakte Zielvolumendefinition zu erreichen, können CT- und MR-Schnitte überlagert werden. Das Ziel der stereotaktischen Bestrahlung besteht darin, eine klinisch ausreichende Dosis innerhalb des Tumors zu applizieren und eine Bestrahlung des normalen Hirngewebes zu minimieren. Die Schonung des umgebenden Normalgewebes wird bei der Einzeitbestrahlung durch aufwändige Bestrahlungstechniken (Rotationstechniken) erreicht, während bei der nicht-invasiven Fixation eine fraktionierte Bestrahlung möglich ist, die durch Ausnutzung von Fraktionierungseffekten das Normalgewebe zusätzlich schont. 3. Ganzhirnbestrahlung Die Bestrahlung des ganzen Gehirns mit zwei seitlichen Gegenfeldern ist bei malignen Systemerkrankungen (lymphoblastische Leukämien), primären Lymphomen des ZNS und - mit palliativer Indikation - bei multiplen Hirnmetastasen indiziert. Aufgrund des großen Zielvolumens ist die Zielvolumendosis, abhängig von der Einzeldosis, limitiert. In der Regel werden 40 Gy Zielvolumendosis mit einer Einzeldosis von 2 Gy (5 X wöchtl.) appliziert (4,5). Bei kleinzelligen Bronchuscarcinomen ohne nachweisbare Hirnmetastasen, die sich nach der Chemotherapie in kompletter Remission befinden, ist eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung mit einer reduzierten Zielvolumendosis von 30 Gy indiziert (6). 4. Bestrahlung des gesamten Liquorraums: Das Gehirn und der Spinalkanal werden bei Tumoren mit spinaler Aussaat (Medulloblastom, Keimzelltumoren, PNET, Pinealistumoren und Ependymom) bestrahlt. An die zwei opponierenden Ganzhirnbestrahlungsfelder wird ein von dorsal einstrahlendes Bestrahlungsfeld für den Spinalkanal angeschlossen. Reicht die mögliche Feldlänge nicht aus den ganzen Spinalkanal einzuschließen, dann muss ein zweites Feld caudal angefügt werden. Die notwendigen Feldanschlüsse müssen so geplant sein, dass es einerseits zu keinen Unterdosierungen aber auch nicht zu Überdosierungen kommt. Voraussetzung ist auch hierbei eine exakte Patientenpositionierung unter Verwendung von Lagerungshilfen (Body Fix, Bauchlagenschale) und eine rechnergestützte CT-Planung. III. Nebenwirkungen und Strahlenfolgen Bei der Bewertung der Strahlentoleranz des Gehirns sind die Größe des bestrahlten Volumens, die Fraktionierung und die Höhe der Einzel- bzw. Gesamtdosis zu berücksichtigen. Beim Erwachsenen ist eine tägliche Einzeldosis von 1,8-2,0 Gy an fünf Tagen pro Woche ein bewährtes Vorgehen. Die Gesamtdosis richtet sich nach der Grunderkrankung und der Größe des zu bestrahlenden Areals, mittelgroße Volumina können mit bis zu 60 Gy bestrahlt werden. Gesamtdosen über 60 Gy erhöhen das Risiko für radiogen bedingte Veränderungen am gesunden Hirnparenchym. Radiogene Folgen einer ZNS-Bestrahlung können endokrinologische, neuropsychologische und intellektuelle Funktionen betreffen. Die Symptome im Falle einer Schädigung sind von der Lokalisation und dem betroffenen Volumen abhängig. Entscheidend für die Vermeidung von Spätschäden ist die Verwendung niedriger Einzeldosen (7). Die Spätschäden, die erst nach Monaten oder Jahren auftreten können, sind im Gegensatz zu akuten Begleiterscheinungen in der Regel nicht reversibel. Bei der Bestrahlung von Kindern ist die verminderte Strahlentoleranz 60 TAKO - Neuroonkologie Radiotherapie-Grundlagen: Perkutane Strahlentherapie des sich noch entwickelnden Gewebes zu berücksichtigen. Daher sollten erhöhte Einzeldosen vermieden werden und die Gesamtdosen müssen dem Reifungsgrad des Gehirns angepasst werden (8). Literatur: 1. Walker MD, Green SB, Byar DP, P, et al. (1980) Randomized comparisons of radiotherapy and nitrosoureas for the treatment P of malignant glioma after surgery. N Engl J Med 303(23):1323-9 2. Boyd TS, Mehta MP (1999) Stereotactic radiosurgery for brain metastases. Oncol 13: 1397-1409 3. Sweeney RA, Bale R, Auberger T et al. (2001) A simple and non-invasive vacuum mouthpiece-based head fixation system for high precision radiotherapy. Strahlenther Onkol 177: 43-7 4. Cairncross JG, Kim JH, Posner JB (1980) Radiation therapy for brain metastases. Ann Neurol 7: 529-541 5. West J, Maor M (1980) Intracranial metastases: Behavioral patterns related to primary site and results of treatment by whole brain irradiation. Int J Radiat Oncol Biol Phys 6:11-15 6. Auperin A, Arriagada R, Pignon JP et al. (1999) Prophylactic cranial irradiation for patients with small-cell lung cancer in complete remission. Prophylactic Cranial Irradiation Overview Collaborative Group. N Engl J Med 341:476-84 7. Flickinger JC (1989) An integrated logistic formula for prediction of complications from radiosurgery. Int J Radiat Oncol Biol Phys 17(4):879-85 8. Fuss M, Poljanc K, Hug EB (2000) Full Scale IQ (FSIQ) changes in children treated with whole brain and partial brain irradiation. A review and analysis. Strahlenther Onkol 176(12):573-81 Verfasser: OA Dr. Meinhard Nevinny Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-22801 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] OA Dr. Thomas Auberger Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-22801 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] 61 TAKO - Neuroonkologie Notizen 62 TAKO - Neuroonkologie Radiotherapie-Grundlagen: Radiochirurgie und Interstitielle Strahlentherapie Radiotherapie-Grundlagen: Radiochirurgie und Interstitielle Strahlentherapie I. Einleitung Seit den 50-iger Jahren des letzten Jahrhunderts besteht der Therapieansatz intrazerebrale Raumforderungen, wie hirneigene Tumore, Metastasen, Menigeome und Neurinome, durch eine fokusierte Bestrahlung perkutan und durch eine Bestrahlung des Gewebes durch einen implantierten Strahler zu behandeln. Es haben sich hierzu die Stereotaktische Konvergenzbestrahlung, die auch Radiochirurgie genannt wird, und die Brachytherapie mit Jod125 Seeds als interstitielle Strahlentherapie etabliert. Beide Methoden benötigen eine hochpräzise Lokalisation von zerebralen Strukturen. Aus diesem Grund bedient man sich der Stereotaxie. Stereotaktische Apparate sind Rahmen, die fest am Schädeldach der Patienten fixiert sind. Sie sind maximal verwindungs- und dislokationsstabil. Mit dem Rahmen und den darauf befestigten Lokalizern erfolgt eine stereotaktische Bildgebung, deren Ziel darin besteht den dreidimensionalen Raum innerhalb der Lokalizerplatten und des stereotaktischen Grundringes möglichst präzise darzustellen. Dadurch wird aus dem Bilddatensatz ein dreidimensionaler stereotaktischer (kartesischer) Datensatz, indem jeder Punkt einer X, Y und Z Koordinate zugeordnet werden kann. Dadurch können Strukturen in ihrer räumlichen Anordnung geometrisch definiert werden. Dies ist die Grundlage dafür, daß ein exakter Bestrahlungsplan erstellt werden kann. II. Stereotaktische Konvergenzbestrahlung mit Linearbeschleuniger 1. Indikationen cerebrale Metastasen, weniger als vier, Durchmesser unter 35 mm Meningeome Akustikusneurinome (Schwannome des Kleinhirnbrückenwinkels) Hämangioblastome Plexuspapillome 2. Umschließende Isodosen (80% Isodose): 18 -20 Gy bei Metastasen 12 bis 14 Gy bei Akustikusneurinomen je nach Lage und Bezug zu Risikoorganen (N. opticus) zwischen 12 und 18 Gy bei Meningeomen 63 TAKO - Neuroonkologie Radiotherapie-Grundlagen: Radiochirurgie und Interstitielle Strahlentherapie III. Interstitielle Strahlentherapie (Brachytherapie): 1. Indikationen niedermaligne Gliome (z.B. Astrozytome WHO Grad II) mit einem Durchmesser unter 40 mm (inklusive Ödemzone in der T2 gewichteten MRT), Permanentimplantation 2. Dosis 50-70 Gy Tumorranddosis 3. Anwendungstechnik Jod125 Seeds mit 1,5 mm Durchmesser und 4,5 mm Länge werden in einem speziellen Kathetersystem so angeordnet, daß die Geometrie der Pathologie mit dem Strahlungsfeld übereinstimmt. IV. Bildgebung Extraoperativ wird bei allen Patienten ein Planungs-MRI durchgeführt. Dies besteht aus einer axialen 3D-MPRage Sequenz mit 1,2 mm Schichten mit Kontrastverstärkung und einer axialen T2-gewichteten Sequenz („Planungsprotokoll Eisner Stereotaxie“). Intraoperativ wird nach Anlage des Stereotaxiegrundringes am Patientenkopf nach fraktionierter Kontrastmittelgabe ein stereotaktisches cCT durchgeführt. Beide Bildmodalitäten werden durch Bildfusion ineinander übergeführt, sodaß maximale Information über das zu behandelnde Patientengehirn vorliegt. Am Ende der Operation wird zur Bestätigung der korrekten Biopsie und zum Ausschluß einer operativen Komplikation ein weiteres stereotaktisches cCT durchgeführt. Weitere postoperative Kontrollen bestehen aus MRI Untersuchungen nach dem „Planungsprotokoll Eisner“, wobei es freisteht zusätzliche weitere Sequenzen durchzuführen. V. Verlaufskontrollen In 2, 5, 8 und 12 Monaten nach dem Stereotaxieprotokoll Literatur Textbook of Stereotactic and Functional Neurosurgery, Philip L. Gildenberg & Ronald R. Tasker (eds.), McGraw-Hill (New York); 1996; ISBN 0-07-023604-6 Freidman WA, Buatti JM, Bova FJ, Mendenhall WM. Linac Radiosurgery, A practical guide; Springer Verlag 1997, ISBN 0-38794698-5 Sheehan J, Niranjan A, Flickinger J, Kondziolka D, Lunsford LD. The expanding role of neurosurgeons in the management of brain metastases. Surg Neurol; 2004;62:32-41 64 TAKO - Neuroonkologie Radiotherapie-Grundlagen: Radiochirurgie und Interstitielle Strahlentherapie Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Eisner Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] OA Dr. Meinhard Nevinny Dr. Thomas Fiegele OA Dr. Thomas Auberger Univ.-Klinik für Strahlentherapie, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-22801 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] E-mail: thomas.fi[email protected] E-mail: [email protected] 65 TAKO - Neuroonkologie Notizen 66 TAKO - Neuroonkologie Chemotherapie Chemotherapie von ZNS-Tumoren I. Generelle Richtlinien (für spezifische Therapieprotokolle sei auf die Kapitel der speziellen Neuroonkologie verwiesen) • • • • • • • • der Stellenwert der Chemotherapie (ChTh) in der Behandlung primärer und sekundärer ZNS-Tumoren ist immer noch ein geringerer als jener der chirurgischen Therapie und der Strahlentherapie dennoch ist in den letzten Jahren die Sichtweise zur ChTh bei Hirntumoren differenzierter geworden und einige histologische Entitäten wurden als chemosensitiv erkannt (ZNS-Lymphom, oligodendrogliale Tumoren, Medulloblastome/PNETs, Keimzelltumoren) bei den malignen astrozytären Gliomen ist der Effekt der ChTh auf das Gesamtüberleben immer noch relativ gering und wird nach dem prognostischen Profil des Patienten konkomitant zur Bestrahlung � meist mit Temozolomid in der „First line Therapie“ (Stupp et al. 2005; DeAngelis 2005) - oder seltener erst im Tumorrezidiv (Parney et al. 2003) eingesetzt maligne Gliome bieten der ChTh eine Reihe von Besonderheiten: • das lokale infiltrative Wachstum • ein hoher Anteil der Gliomzellen befindet sich in der G0-Phase des Zellzyklus • primär chemoresistente Zellpopulationen • DNA-Reparaturenzyme, wie die O(6)-Methylguanin DNA Methyltransferase (MGMT) oder ZytostatikaResistenzgene, wie das„Multidrug Resistance (MDR) Gene 1“ reduzieren das Ansprechen von Gliomzellen auf die ChTh (Tanaka et al. 2001; Hegi et al. 2005) • der Einsatz entsprechender blockierender Substanzen, wie der MGMT-Inhibitor O(6)-Benzylguanin, haben bisher noch keine sicheren Erfolge gezeigt (Esteller et al. 2000) • die Blut-Hirn-Schranke (BHS) • hohe Lipidlöslichkeit und kleine Molekülgröße sind wichtige Voraussetzungen für eine gute Liquorgängigkeit • die Durchlässigkeit der BHS ändert sich unter pathologischen Bedingungen erheblich • für maligne Gliome gilt, daß die BHS im nekrotischen Kern des Tumors und dem bildgebend sichtbaren KM-aufnehmenden Tumoranteil praktisch nicht mehr existiert, während sie in der Proliferationszone zum Hirnparenchym intakt ist, sodaß in diesen entscheidenden Randbezirken nur liquorgängige Substanzen effizient sein können • als gut liquorgängig gilt bereits, wenn ca. 30% des Serumspiegels im Liquor erreicht werden, sodaß eine hohe systemische Toxizität in Kauf genommen werden muß um wirksame Liquorspiegel zu erreichen häufigste ChTh-Applikationsform bei Hirnparenchymtumoren ist die systemische Gabe, peroral oder iv Hochdosis-ChThen mit Stammzelltransplantation haben sich - zumindest bei Erwachsenen - bislang als zu toxisch erwiesen (Lungenfibrosen und nekrotisierende Hepatopathien) Ansätze, durch eine intraarterielle ChTh dieser Organtoxizität zu entgehen, waren nicht erfolgreich, da Nitrosoharnstoffe - in hohen Dosen intraarteriell verabreicht - eine beträchtliche Neuro- und Retinatoxizität aufweisen die kurzfristige Erhöhung der Permeabilität der BHS durch intraarterielle Gabe hyperosmolarer Substanzen hat die Wirksamkeit nicht-lipophiler ChTh nicht verbessern können und ist mit einer hohen Toxizität belastet (Zunkeler et al. 1996) 67 TAKO - Neuroonkologie Chemotherapie • • • • • • • • neue experimentelle Daten zur Interaktion von Glucokorticoiden und Chemotherapeutika zeigen, daß die ChTh unter gleichzeitiger Steroidgabe ineffizienter sein dürfte, indem die BHS durch Steroide weniger durchlässig für Chemotherapeutika wird. Daher versuchen wir die Steroidmedikation unmittelbar nach oder noch während der Strahlentherapie auszuschleichen, wenn parallel zur Strahlentherapie die ChTh begonnen wird in den letzten Jahren wurden potentielle Interaktionen zwischen Chemotherapeutika und Antiepileptika erkannt (Friedmann et al. 1999). So sollten Enzym-induzierende Antikonvulsiva, wie Phenytoin und Carbamazepin, während der Gabe bestimmter Chemotherapeutika - wie Irinotecan – und RezeptorTyrosinkinase-Inhibitoren (Hutterer and Stockhammer 2006) möglichst vermieden werden. Hingegen zeigen Gabapentin und neue Antikonvulsiva, wie Levetiracetam (Keppra) und Lamotrigin (Lamictal), keine Interaktionen mit Chemotherapeutika, sodass diese derzeit im Rahmen von Studien für eine mögliche Primärtherapie der Tumorepilepsie untersucht werden Versuche durch eine intratumorale Applikation von ChTh der systemischen Toxizität zu entgehen, indem das Chemotherapeutikum als „slow release“ Präparat in Form eines „drug polymers“ postoperativ in die Resektionshöhle eingebracht wird und kontinuierlich in das umgebende resttumorhältige Hirnparenchym diffundiert (z.B. Gliadel), haben in bisherigen Studien nur einen geringen Überlebensvorteil gezeigt (Valtonen et al. 1997; Westphal et al. 2003). Die intratumorale ChTh konnte sich bisher noch nicht als Standardtherapie etablieren innerhalb der Gruppe der Gliome wurden die Oligodendrogliome und oligoastrozytären Mischgliome als chemosensitivere Tumoren erkannt und eindrucksvolle Remissionen bei Rezidiven nach Ausschöpfen aller operativen und strahlentherapeutischen Möglichkeiten erzielt, wobei bisher das PCV-Schema - bestehend aus CCNU, Procarbazin und Vincristin - am besten untersucht und dokumentiert ist (Cairncross et al. 1994) weiters ist auch ein Wandel in der Therapie des primären ZNS-Lymphoms bei immunkompetenten Patienten eingetreten. Während noch vor Jahren die alleinige Strahlentherapie nach bioptischer Verifizierung als „Standardtherapie“ angesehen wurde, ist zwischenzeitlich durch eine zusätzliche hochdosierte systemische (+/- intrathekale) ChTh eine deutliche Verbesserung der Prognose erzielt worden (Schlegel et al. 2000). Interessanterweise haben sich die „klassischen Lymphom-Therapieschemata“ (etwa das CHOP-Schema) bei ZNS-Lymphomen als unwirksam erwiesen, was wiederum die Bedeutung der BHS verdeutlicht. Durch die zunehmend geringere Morbidität und Mortalität von Hochdosis-ChThen mit Stammzelltransfusion könnte sich künftig auch bei diesen chemosensitiven Hirntumoren ein neuer Indikationsbereich etablieren in der pädiatrischen Neuroonkologie ist die ChTh seit Jahren Gegenstand klinischer Studien, um besonders bei „high risk“ Medulloblastomen und anderen sog. primitiv neuro-ektodermalen Tumoren (PNET) die noch unbefriedigende Prognose nach alleiniger operativer und strahlentherapeutischer Behandlung zu verbessern auch in der Therapie der primären intrakraniellen Keimzelltumoren ist die ChTh - anlehnend an etablierte Protokolle bei primär extrazerebralen Keimzelltumoren - eine wirksame adjuvante Behandlungsform und könnte es künftig ermöglichen, die Strahlendosis zu reduzieren, um gefürchtete ZNS-Strahlenspätschäden bei diesen in der Regel langzeitüberlebenden jungen Patienten zu verringern in der Therapie metastatischer ZNS-Tumoren ist der Einsatz der ChTh in erster Linie abhängig von der Chemosensitivität des Primärtumors und derzeit nur gesichert wirksam beim Mamma-Karzinom, beim kleinzelligen Bronchial-Karzinom und bei Keimzell-Tumoren. Die Situation, daß unter Standarddosierungen mit extrazerebraler Tumorkontrolle trotzdem Hirnmetastasen auftreten können, ist wohl durch eine Mikrometastasierung „hinter“ eine intakte BHS zu erklären, da idente Regime nach Verlust der BHS mit 68 TAKO - Neuroonkologie Chemotherapie • • • bidgebend KM-anspeichernden Läsionen Remissionen dieser Hirnmetastasen herbeiführen können. In Standarddosierungen penetrieren diese Substanzen nicht ausreichend durch die BHS, sodaß vermutlich nur Hochdosisregime hier eine zerebrale Mikrometastasierung beherrschen können. Mit Topotecan - einer Substanz aus der Gruppe der Topoisomerasehemmer – und Temozolomid � ein Alkylans, das in der Therapie der Gliome eingesetzt wird- stehen nun für Hirnmetastasen interessante Medikamente in klinischer Testung, da sie gute BHS-Gängigkeit aufweisen und auch bei unterschiedlichen soliden Tumoren Wirksamkeit gezeigt haben in der Behandlung der Meningeosis neoplastica stellt die intrathekale ChTh eine spezielle Applikationsform dar. Vor Beginn einer intrathekalen ChTh ist der Ausschluß einer Obliteration des Liquorraumes bildgebend und mittels nuklearmedizinischer Methoden erforderlich. Die intrathekale Gabe kann über eine Lumbalpunktion oder ventrikulär nach Anlage eines Rickham- oder Ommaya-Reservoirs erfolgen. Derzeit kommen nur 3 Substanzen für die intrathekale Therapie zur Anwendung: Methotrexat, AraC und Thiotepa. Eine Neuentwicklung, die derzeit auch in Österreich klinisch getestet wird und unsere therapeutische Palette für die intrathekale Therapie bald erweitern könnte, ist die liposomale Depotform von Ara-C, DepotCyteR (Glantz et al. 1999) die Verträglichkeit der ChTh hat sich seit der Einführung neuer Antiemetika und des G-CSF deutlich verbessert, sodaß nach unserer Erfahrung die meisten chemotherapeutischen Behandlungen ambulant durchgeführt werden können Zusammenfassend ist die ChTh maligner Hirntumoren immer noch limitiert durch die relative Chemoresistenz vieler Tumoren und die geringe Liquorgängigkeit der meisten derzeit verfügbaren Substanzen. Mit der Entwicklung neuer Applikationsmodalitäten und besser liquorgängigen Substanzen werden in naher Zukunft weitere therapeutische Möglichkeiten praktisch verfügbar sein und bald unser Therapiespektrum erweitern II. Häufigsten Chemotherapeutika in der Therapie von ZNS-Tumoren 1. Nitrosoharnstoffe (ACNU, BCNU, und CCNU) lipophile Alkylantien wichtigsten Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden, Myelotoxizität mit einem späten Nadir nach 4-6 Wochen, für BCNU Gefahr von Lungenfibrosen 2. Procarbazin lipohiles Alkylans wichtigsten Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden, allergische und toxische Reaktionen, insbedondere Hautausschläge können zu einem Absetzen zwingen, interstitielle Pneumonitis 3. Temozolomid lipophiles Alkylans wichtigsten Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden, Myelotoxizität (aber ohne kumulative Toxizität) 69 TAKO - Neuroonkologie Chemotherapie 4. Podophyllotoxinderivate: Etoposid (VP 16), Teniposid (VM 26) Toposiomerase-II-Hemmer in Kombination mit Nitrosoharnstoffen bei malignen Gliomen VM 26 ist lipohiler und damit ZNS-gängiger wichtigsten Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden, Mucositis, allergische Reaktionen, Myelotoxizität, Hypotension 5. Topotecan Toposiomerase-I-Hemmer Therapie von ZNS-Metastasen des Bronchuskarzinoms wichtigsten Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden, Stomatitis, Myelotoxizität 6. Irinotecan Toposiomerase-I-Hemmer derzeit in klinischer Prüfung bei malignen Gliomen wichtigsten Nebenwirkungen: gastrointestinale Syndrom Beschwerden, Myelotoxizität, akutes cholinerges 7. Vincristin Vinca-Alkaloid hydrophil und damit schlecht ZNS-gängig Bestandteil des PCV-Schema (mit CCNU und Procarbazin) soll zu einer Synchronisation im Zellzyklus der Tumorzellen und damit zu einer besseren Wirksamkeit der beiden Alkylantien führen wichtigste Nebenwirkung: kumulative Neurotoxizität mit Polyneuropathie, Cave: Paravasat! 8. Methotrexat Folsäureantagonist Therapie des primären ZNS-Lymphoms intrathekale Therapie der Meningeosis neoplastica wichtigsten Nebenwirkungen: Myelosuppression (Folsäure-Rescue), Nephrotoxizität, Neurotoxizität (Leukoencephalopathie) auch bei intrathekaler Therapie sind systemische Spiegel messbar und können zu systemischer Toxizität führen (auch hier Folsäure-Rescue durchführen) 9. Cytosin-Arabinosid Basen-Analogon Kombinationstherapie des primären ZNS-Lymphoms Kombinationstherapie maligner Gliome mit ACNU intrathekale Therapie der Meningeosis neoplastica – inzwischen auch in liposomaler Form (DepoCyteR) für die intrathekale Applikation vorliegend 70 TAKO - Neuroonkologie Chemotherapie wichtigsten Nebenwirkungen: bei Hochdosistherapie: bei i.th. Gabe: Myelosuppression, gastrointestinale Störungen akute Neurotoxizität mit reversiblem zerebellärem Syndrom kumulative Neurotoxizität ? – derzeit noch ungeklärt 10. Platinderivate: Cisplatin, Carboplatin hydrophile, interkalierende Substanzen Therapie pädiatrischer Gliome und der Medulloblastome/PNET (zB. „HIT-Protokolle“), Keimzelltumoren wichtigsten Nebenwirkungen: Myelotoxizität (vorwiegend Carboplatin), Nephro-, Neuro-, und Ototoxizität (vorwiegend Cisplatin) 11. Doxorubicin Anthrazyclin-Derivat derzeit in pegylierter liposomaler Formulierung (CaelyxR) in der Therapie von Rezidiven maligner Gliome evaluiert wichtigsten Nebenwirkungen: palmoplantare Erythrodysästhesie, Mukositis, Kardiotoxizität (in liposomaler Form deutlich geringer) Literatur Cairncross JG, Macdonald D, Ludwin S, Lee D, Cascino T, Buckner J, Fulton D, Dropcho E, Stewart D, Schold C, Wainman N, Eisenhauer E, for the National Cancer Institute of Canada Clinical Trials Group (1994) Chemotherapy for anaplastic oligodendroglioma. J Clin Oncol 12:2013–2021 DeAngelis LM 2005 Chemotherapy for brain tumors-a new beginning. 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J Neurosurg 84:494502 Verfasser: Univ.-Prof. Dr. GüntherStockhammer Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-23884 Fax: 0043-512-504-24260 E-mail: [email protected] Dr. Markus Hutterer Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-23884 Fax: 0043-512-504-24260 E-mail: [email protected] 72 TAKO - Neuroonkologie Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge I. Supportive Therapien Ziel der supportiven Therapie ist die Behandlung von Symptomen und Krankheitszuständen, welche durch die Tumorerkrankung selbst oder durch die Therapie der Tumorerkrankung bedingt sind. 1. Hirndruck, Hirnödem Zunehmende intrakranielle Drucksteigerung führt aufgrund der starren knöchernen Schädelkalotte zu lebensbedrohlicher Einklemmung von Teilen des Gehirns in den Tentoriumsschlitz (tentorielle Herniation) oder ins Foramen magnum (foraminelle Herniation). Ursache der intrakraniellen Volumenszunahme ist zum einen das Tumorwachstum selbst (solider Anteil), zum anderen das - häufig beträchtliche - Tumor-Begleit-Ödem. Das Hirnödem entsteht einerseits vasogen (gestörte Blut-Hirn-Schranke, aktiver vesikulärer Transport durch Endothelzellen) andererseits zytotoxisch (intrazelluläres Ödem von Astrozyten, Ganglienzellen, Endothelzellen) durch lokale Hypoxie. A. Klinische Hinweise auf Hirndruck sind: Kopfschmerzen (diffus) Erbrechen (schwallartig, speziell bei Lageänderung) Bewußtseinsstörung psychoorganisches Syndrom (Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, Desorientierung, Affektschwankung etc.) • Stauungspapillen • • • • B. Standardtherapie des Hirntumor-Ödems: • Dexamethason 40 mg i.v. (Bolus), dann Dexamethason 3 (-4 )x 4 (-8) mg i.v./p.o tgl. (unter obligater Magenschutztherapie) • Glycerin (45 %ig), 20 – 40 ml p.o. 4 bis 6 mal tgl. (aufgrund des unangenehmen süßen Geschmacks sollte es mit einem Geschmackstoff z.B. Aprikosen-/Zitronen-/Maracujakonzentrat versetzt sein Niereninsuffizienz zuvor ausschließen Serum-Elektrolyt und Osmolaritäts-Kontrollen Rezeptur: Glycerolum 45%, Aprikosenaroma 2%, Aqua dest. 53%, 1 l • Azetazolamid (Diamox) 500 mg 2x/Woche • Boswelliasäuren (H15) 3 x 1200 mg tgl. (Streffer et al. 2001) 73 TAKO - Neuroonkologie Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge C. bei akuter Hirndrucksymptomatik mit vitaler Bedrohung • • • • • Oberkörperhochlagerung (35°) Dexamethason 40–80 mg als Bolusgabe Mannitol (20%) 125 ml über 30 min. i.v. alle 4 – 6 Stunden ev. Intubation und milde Hyperventilation ev. Furosemid (Lasix) 20-40 mg i.v. Nach Stabilisierung des Hirnödems schrittweise Reduktion der Steroiddosis (50% der Ausgangsdosis in jeweils 4-5 Tagen), bis zur minimalen Erhaltungsdosis je nach Symptomkontrolle. Eine notwendige Dauertherapie mit Glukokortikoiden kann durch eine orale diuretische Therapie ergänzt werden (Diamox 500 mg 2x/Wo.). D. Steroid-Therapie: Nebenwirkungen nicht-n eurologisch (häufig) Appetitzunahme Sehstörung (trüb) Nykturie, Polyurie Akne Ödeme Lipomatosis Candidiasis ( oral) nicht-n eurologisch (schwerwiegend) neurologisch (häufig) GI-Blutung GI-Perforation Osteoporose aseptische Knochennekrose Glaukom, Cataract Hyperglykämie opportunistische Infektionen Pankreatitis Insommnie Myopathie Halluzinationen Tremor Sehstörung (trüb) Singultus Verhaltensstörungen neurologisch (selten) Psychose epilept . Anfälle Aguesie Anosmie 2. Tumor-Epilepsie Ein erstmaliger epileptischer Anfall im Erwachsenenalter ist in 10-20% auf einen neu diagnostizieren Hirntumor zurückzuführen. 20-50% der Patienten erleiden im Rahmen ihrer cerebralen Tumorerkrankung epileptische Anfälle (Glantz et al. 2000). Man unterscheidet einfach-fokale Anfälle (ohne Bewußtseinsstörung) mit rein motorischen, sensiblen, vegetativen oder psychischen Sensationen von komplex-fokalen Anfällen mit veränderter Bewußtseinslage („Umdämmerung“) und motorischen Phänomenen (Nesteln, Zupfen, Schmatzen, Kauen…) und diese wiederum von primär oder sekundär generalisierten epileptischen Anfällen (mit Bewußtseinsverlust, Grand Mal Anfälle). A. Die Häufigkeit ist abhängig von: Histologie: Oligodendrogliom, Gangliogliom Astrozytom maligne Gliome, Meningeom Metastasen Lymphom 74 75 % 66 % 50 % 30 % 15 % TAKO - Neuroonkologie Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge Tumorlokalisation: Andere Ursachen: Temporallappen >>Frontal- und Parietallappen Kortexnahe Tumore >> subkortiale Tumore Zunahme des Hirnödems während der Radiatio Medikamente (z.B. MTX, Gyrasehemmer, Neuroleptika, Zytokine, Theophyllin) Elektrolytentgleisungen In der Therapie der Tumorepilepsie werden (derzeit noch) die klassischen Antiepileptika bevorzugt verwendet: Carbamazepin, Oxcarbazepin, Valproinsäure, Phenytoin, Clobazepam und wegen der beträchtlichen NW kaum noch Phenobarbital. Maximal tolerierte und ausdosierte Monotherapie ist Behandlungsstrategie der Wahl. Unter gleichzeitiger Steroid und/oder Chemotherapie ist Valproinsäure als Mittel der ersten Wahl zu bevorzugen. Von den „neuen“ Antiepileptika haben sich als „add-on“ Therapie Lamotrigine, Topiramat, Levetiracetam und Gabapentin bewährt. Der Vorteil liegt in den viel selteneren Medikamenteninteraktionen. In Einzelfällen sind sie auch wegen des günstigen NW-Profils in der Monotherapie vorzuziehen. Eine Übersicht über die dzt. verfügbaren Antiepileptika ist über folgenden Link zu finden: http://www.epilepsie-netz.de/146/Epilepsie-Ratgeber/Antiepileptika.htm http://www.epileie-netz.de/85/Epilepsie_kompakt/Antikonvulsiva/_Therapieuebersicht.htm B. Akutbehandlung von epileptischen Anfällen: • 2 mg Lorazepam (Tavor) i.v. C. Therapie des Status epilepticus: • Lorazepam (Tavor) 0,1 mg/kgKG i.v. (2 mg/min.) falls ohne Erfolg • Valproinsäure (Convulex) 1000 mg i.v. unter Monitorkontrolle oder • Phenytoin (Epanutin) 20 mg/kgKG i.v. (50 mg/min.) unter Monitorkontrolle falls ohne Erfolg erneut • Phenytoin (Epanutin) 10 mg/kgKG i.v. (50 mg/min.) unter Monitorkontrolle falls ohne Erfolg • Intubation, Beatmung und Thiopental 150–250 mg über 30 Sek. i.v. • Wiederholung von Thiopental Bolusgaben 50 mg alle 2-3 min. bis zum Sistieren des Status (EEG-Kontrollen) Eine prophylaktische antikonvulsive Therapie ist bei neu diagnostizierten Hirntumoren nicht indiziert. In randomisierten, placebo-kontrollierten doppel-blinden Studien konnten durch eine Antiepileptika-Prophylaxe keine Vorteile im Vergleich zur Placebogruppe nachgewiesen werden. Eine perioperative Anfallsprophylaxe sollte bei vorbestehender Anfallsfreiheit nach der ersten postoperativen Woche ausgeschlichen werden (Glantz et al. 2000). 75 TAKO - Neuroonkologie Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge C. Fahrtauglichkeit von Patienten mit ZNS-Tumoren Bzgl. der Fahrtauglichkeit von Patienten mit ZNS-Tumoren und deren Beeinträchtigung durch die notwendige Tumortherapie (z.B. Radiatio, Chemotherapie) liegen derzeit keine Studien vor. Jedoch gibt es Empfehlungen der internationalen Liga gegen Epilepsie betreffend die Fahrtauglichkeit von Patienten mit epileptische Anfällen (Schulze-Lohne et al. 2001; Krämer et al. 2000). Demnach sollten Patienten mit symptomatischen epileptischen Anfällen während der ersten 12 Monate kein KFZ lenken. Unter ärztlicher Kontrolle, Anfallsfreiheit unter regelmässiger Medikamenteneinnahme und EEGKontrollen ist nach dieser Beobachtungszeit das Steuern eines KFZ möglich und auch juristisch vertretbar. Wird eine Begutachtung der Fahrtauglichkeit notwendig, so sieht die Fahrerlaubnisverordnung vor, dass ein fachärztliches Gutachten erstellt wird. Dies erfolgt (von Ausnahmen abgesehen) durch einen Arzt, der den Patienten bislang nicht betreut hat. Erst wenn dieses Gutachten als nicht ausreichend angesehen werden sollte, ist eine zusätzliche Begutachtung durch eine medizinisch-psychologische Untersuchungsstelle vorgesehen. Zur Verbesserung der ärztlichen Kenntnisse wurde der Erwerb einer verkehrsmedizinischen Qualifikation eingerichtet. Sie ist Voraussetzung für das Erstellen eines behördlich oder gerichtlich angeordneten verkehrsmedizinischen ärztlichen Gutachtens, enthebt den Arzt ohne Zusatzqualifikation jedoch nicht von seiner Aufklärungspflicht zur Fahrtauglichkeit gegenüber den von ihm betreuten Patienten. Ist die Fahrtauglichkeit nicht gegeben, so muss dies dem Patienten in klarer und eindeutiger Weise gegenüber mittgeteilt werden. Eine Patientenunterschrift über die erfolgte Aufklärung ist nicht notwendig. Grundsätzlich besteht ärztliche Schweigepflicht. Wie oben erwähnt, besteht keine Meldepflicht gegenüber den Straßenverkehrsbehörden. D. Fahrtauglichkeit Differenzierte Bewertung des 1. Anfalls bzw. der Epilepsie (Lewrenz 2000) Fahrpause für PKW: • Gelegenheitsanfall • Unprovozierter Anfall • beginnende Epilepsie • chronische Epilepsie 3 Monate 6 Monate 12 Monate 24 Monate 3. Thromboembolie Die meisten Tumorpatienten leiden an einer Koagulopathie. Zirkulierende Fibrinogenspaltprodukte sind bei Tumorerkrankungen in bis zu 90% nachweisbar. Bei Patienten mit Gliomen besteht eine besonders erhöhte Thromboemboliegefahr, die höher einzuschätzen ist als das postoperative Risiko bei anderen Erkrankungen. Wahrscheinlich liegt eine Veränderung spezifischer Gerinnungseigenschaften im Sinne eines paraneoplastischen Syndroms vor (Schmidt et. al. 2002; Marras et al. 2000). Zusätzlich bestehen bei Hirntumor-Patienten durch die Immobilität infolge von Paresen in der betroffenen Extremität ein mangelnder venöser Rückfluß. Vor allem in der postoperativen Phase ist das Thromboserisiko beträchtlich. Aufgrund der hohen Thromboseinzidenz bei Gliompatienten sollten allen Patienten die klinischen Kennzeichen der tiefen Beinvenenthrombose erläutert werden. 76 TAKO - Neuroonkologie Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge Als Prophylaxe empfiehlt sich niedermolekulares low-dose-heparin s.c. einmal täglich und/oder das Tragen von Stützstrümpfen. Bei Auftreten einer Beinvenenthrombose ab Kniehöhe kann ab dem 4.–5. post-OP-Tag eine Vollheparinisierung erfolgen, gefolgt von einer oralen Antikoagulantientherapie, entsprechend den üblichen Therapierichtlinien. Patienten mit primären oder sekundären Hirntumoren weisen unter AK-Therapie bzw. Vollheparinisierung kein erhöhtes intrakranielles Blutungsrisiko auf (Pruitt et al. 2005). Die Behandlung mit niedermolekularen fraktionierten Heparinen ist als besser steuerbare Therapie eine gute Alternative zur Antikoagulation mit Marcumar. Als weitere Alternative zur Thromboembolie-Prophylaxe ist noch die Möglichkeit eines Vena-cava–Schirmes zu erwähnen. Dies vorbehaltlich bei Patienten, bei denen eine AK-Therapie absolut kontraindiziert ist. Die Pulmonalembolierate ist unter dieser invasiven Prophylaxe mit 12 % weiterhin hoch. 4. Pneumozystis-Prophylaxe Bei Immunsupression durch die Gliom-Erkrankung bzw. die Tumortherapie (Chemotherapie) und/oder Hirnödemtherapie mit Steroiden besteht eine signifikant erhöhte Gefahr einer opportunistischen Pneumozystis carinii Infektion (Thomas et. al. 2004). Eine retrospektive Studie in „Non-Aids“-Patienten zeigte, dass bereits 16 mg Prednisolon über 8 Wochen mit einem signifikant erhöhten Risiko, an einer Pneumozystis carinii Pneumonie (PcP) zu erkranken, einhergeht (Yale et al. 1996). Ca. 1 % der Hirntumor-Patienten erleiden eine PcP (retrospektive Studie, John Hokins University University). Eine PcP Prophylaxe aller Hirntumor-Patienten erscheint zu weit gegriffen, Patienten mit einem erhöhte Risko zu definieren, wäre zielführender. Bisher ist keine prospektive Studie diesbezüglich verfügbar. Brauchbar und praktikabel ist die Anlehnung an das Vorgehen bei HIV-Patienten, die eine PcP-Prohpylaxe bei einem Abfall der CD4 Zellen unter 200/mm3 empfehlen (Mahindra et al. 2003). Trimethoprim–Sulfamethoxazol ist die wirksamste Therapie einer PcP und wird auch in der Prophylaxe (80/400 mg tgl. oder 160/800 mg 3x/Woche p.o.) als Mittel der ersten Wahl empfohlen. Als Alternative bei TrimethoprimSufamethoxaxol-Unverträglichkeit (Allergie!) kommen Pentamidine Aerosol Inhalationen (300 mg 1 x / Monat) oder Dapson (50 mg tgl) in Betracht. 5. Schmerz Bei Patienten mit isolierten Hirntumoren stellen Schmerzen eher selten ein therapeutische Problem dar. Viele Patienten mit fortgeschrittener systemischer Tumorerkrankung hingegen leiden an Schmerzen. Speziell epidurale Myelonkompression oder direkte Tumorinvasion in periphere Nerven, Nervenwurzeln oder Nervenplexus führen zu heftigsten Schmerzsensationen. Aufgrund der Fülle von Schmerztherapie-Literatur sollen hier nur kurz die wesentlichsten Punkte erwähnt werden: Schmerzen können in 2 Kategorien unterteilt werden. 1) nociceptiver Schmerz und 2) neuropathischer Schmerz. Ersterer spricht besser auf Opiate und/oder Nervenblockaden an, während letzterer besser mit Gabapentin, Pregabalin, Carbamazepin, Clonidin, Baclofen oder auch mit trizyklischen Antidepressiva (Amitryptilin, Imipramin, Doxepin) zu behandeln ist. Schmerzen bedingt durch Knochenarrosion sprechen am besten auf NSAR an evtl. in Verbindung mit Metamizol oder Steroiden. Vorsicht bei gleichzeitiger Gabe von NSAR und Steroiden aufgrund der deutlich erhöhten Gefahr asymptomatischer Ulcera ventriculi (Blutungsrisiko). Bei zunehmender 77 TAKO - Neuroonkologie Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge Schmerzsymtomatik sollte entsprechend dem Stufenschema der WHO zusätzlich zu NSAR Codein bzw. Oxycodein und in der Folge Morphine verabreicht werden. Bei osteolytisch bedingten Schmerzen sind Biphosphonate gut wirksam. Das therapeutische Ziel ist Schmerzfreiheit zu erzielen. 6. Emesis Pathophysiologisch erfolgt Erbrechen durch Reizung der Chemorezeptor-Trigger-Zone (CTZ) – Area postrema am Boden des 4. Ventrikels. Dies geschieht zum einen durch direkte lokale Stimulation der CTZ (Medikamente, Chemotherapeutika, Urämie, Ketoazidose, Tumorinfiltration, Meningeosis neoplastica, lokale Radiatio, Hirndruck – Verschluß-Hydrocephalus) zum anderen über Afferenzen von irritierten Organen (Magen-Darm-Trakt / Leber über N. Vagus zu CTZ). Nach Abklärung der Ursache ist eine symptomatische Behandlung mit folgenden Medikamenten notwendig (falls keine kausale Therapie wie z.B. Ventil-OP beim Verschußhydrocephalus möglich ist). Bei Erbrechen im Rahmen von akutem Hirndruck infolge eines peritumoralen Ödems sind Steroide sehr effektiv. Metaclopromid (Paspertin), Perchlorperazin (Dapotum), Levomepromazin (Nozinan) und Haloperidol (Haldol) wirken über Dopamin-Blockade (Dopamin-Antagonisten) antiemetisch und sind Mittel der ersten Wahl. Als mögliche Nebenwirkungen sind auf Störungen des Extrapyramidalen Systems (EPMS) im Sinne von Akathisie, akuter Dystonie und Parkinson-Syndrom zu achten. Weitere therapeutische Möglichkeiten bestehen in der Anwendung von Antihistaminika oder bei Opiat-bedingter Emesis von Domperidon (Motilium). 5-HT-3-Rezeptor-Antagonisten – Tropisetron (Navoban), Ondansetron (Zofran), Granisetron (Kytril) - wirken über Serotonin-Blockade antiemetisch und sind in Anbetracht der beträchtlichen Kostendifferenz zu den DopaminAntagonisten nur bei ausgeprägter, therapierefraktärer Emesis zu befürworten. Auch hier sind Störungen des EPMS in der Literatur beschrieben. Aprepitant (Emend) – ein Substanz-P-Neurokinin-1-Rezeptorantagonist – ist seit 2004 in der antiemetischen Prophylaxe bei stark emetogenen Chemotherapien (z.B. Cisplatin) nur in Kombination mit 5-HT-3-Rezeptorantagonisten und Dexamethason zugelassen. An nicht-medikamentösen Massnahmen sind auch Möglichkeiten der Ernährungs- und Diätberatung zu nennen. 7. Angst, Depression und Insomnie siehe Kapitel „Psychoonkologische und psychosoziale Begleitmassnahmen bei Patienten mit ZNS-Tumoren“ 78 TAKO - Neuroonkologie Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge II. Neurologische Rehabilitation Da viele neuroonkologische Patienten infolge fokaler Ausfälle unter einer Hemiparese, einer Sensibilitätstörung, einer Gangataxie, Dysarthrie, Aphasie oder unter Schluckstörungen leiden, sollte die meist noch während des stationären Aufenthaltes begonnene Rehabilitation in Form einer ambulanten Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie fortgeführt werden. Zusammen mit einem kognitivem Training bei neuropsychologischen Defiziten können diese Maßnahmen dazu beitragen, durch funktionelle Verbesserungen wieder mehr Selbständigkeit zu erzielen. III. Nachsorge neuroonkologischer Patienten Sowohl bei benignen als auch bei malignen Tumoren sind regelmäßige Tumor-Nachsorge-Untersuchungen mit klinischer und bildgebender (MRT, CT, PET/SPECT) Kontrolle erforderlich, um evtl. Rezidive oder therapiegbedingte Spätkomplikationen möglichst frühzeitig zu erfassen. Patienten mit benignen Tumoren sollten in jährlichen, mit semimalignen Tumoren in 6 monatlichen und mit malignen Tumoren in 3 monatlichen Abständen verlaufskontrolliert werden (klinische Kontrolle mit Bildgebung, Laborkontrolle – Blutbild, LFP, Antiepileptikaspiegel). Spezifische Tumormarker sind bei hirneigenen Tumoren - mit Ausnahme der Keimzell-Tumoren (BetaHCG, Alpha1-Fetoprotein) – nicht relevant. Vor allem nach Ganzhirn- oder Hypothalamus-Bestrahlung sind zum Ausschluß einer Hypophyseninsuffizienz endokrinologische Kontrolluntersuchungen notwendig. Neben der medizinischen Betreuung (Tumortherapie, Nebenwirkungen, Tumorkomplikationen) kommt gerade bei Patienten mit einer Hirntumorerkrankung der ärztlichen Zuwendung und das einfühlende Verständnis für die vom Patienten erlebte Angst vor Persönlichkeitsveränderung, vor drohender Behinderung und der Hilflosigkeit eine immense Bedeutung zu. Was Hirntumorpatienten von anderen Tumorpatienten häufig unterscheidet, ist die große Angst, im Laufe der Tumorerkrankung nicht mehr „Herr seiner selbst zu sein“. Die Aufklärung des Patienten und das Einbinden der Angehörigen setzt eine genaue Kenntnis der Grunderkrankung als auch der ZNS-Funktion voraus. Nur so kann es gemeinsam gelingen, die körperliche und kognitive Behinderung zu kompensieren, sie ins Alltagsleben zu integrieren und die psychische Belastung dadurch zu vermindern. Differenziertes Auseinandersetzen mit den als bedrohlich erlebten neurologischen Teilleistungsdefiziten und wiederholte Aufklärungsgespräche werden diese Angst für den Patienten reduzieren helfen. Literatur Glantz MJ, Cole BF, Forsyth PA, Recht LD, Wen PY, Chamberlain MC, Grossman SA, Cairncross JG (2000) Practice parameter: anticonvulsant prophylaxis in patients with newly diagnosed brain tumors. Report of the Quality Standards Subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology 54: 1886–1893 Krämer G (2000) Epilepsie und Führerschein: Neue Begutachtungs-Leitlinien. Akt Neurol 27:90–92 Lewrenz H (Hrsg) (2000) Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen (Mensch und Sicherheit Heft M115). Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven Mahindra AK, Grossman SA (2003) Pneumocystis carinii pneumonia in HIV negative patients with primary brain tumors. J Neuro-Oncology 63: 263–270 79 TAKO - Neuroonkologie Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge Marras LC, Geerts WH, Perry JR (2000) The risk of venous thromboembolism is increased throughout the course of malignant glioma. Cancer 89: 640–646 Pruitt AA (2005) Treatment of Medical Complications in Patients with Brain tumors. Curr Treat Options Neurol 7:323-336 Schmidt F, Faul C, Dichgans J, Weller M (2002) Low molecular weight heparin for deep vein thrombosis in glioma patients. 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Mayo Clin Proc 71:5-13 Verfasser: OA Dr. Armin Muigg Univ.-Prof. Dr. GüntherStockhammer DKS Theresa Kindl DKS Elisabeth Huber Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-23909 Fax: 0043-512-504-24260 E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] OA Dr. Gabriele Schauer-Maurer Univ.-Klinik für Psychiatrie/Psychoonkologie, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-24239 Fax: 0043-512-504-24260 E-mail: [email protected] 80 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung von Patienten mit ZNS-Tumoren I. Einleitung Eine neuroonkologische Erkrankung ist wie jede andere Tumorerkrankung für die Betroffenen mit einer Reihe von psychosozialen Belastungen verbunden. Die psychosoziale Anpassung der Patienten an eine Krebserkrankung ist individuell unterschiedlich und von sehr unterschiedlichen Faktoren abhängig: - der Persönlichkeit, den Vorerfahrungen und der Vulnerabilität des Patienten der Art und Lokalisation des Tumors dem Tumorstadium der Art der Behandlung den Behandlungsfolgen den persönlichen Ressourcen zur Bewältigung der Erkrankung (Coping) den sozialen Ressourcen im Sinne von emotionaler und praktischer Unterstützung aus dem sozialen Netzwerk (Familie, Freunde, Beruf ) der sozioökonomischen Situation. Dies bedeutet, dass die psychosoziale Situation des Patienten in das medizinische Behandlungskonzept miteinbezogen werden muss. Im Rahmen der Internationalen Konsensuskonferenz „Psychosocial and Psychotherapeutic Support in Cancer Patients“ wurden 1995 erstmals Richtlinien für die - basale psychosoziale Unterstützung von Krebspatienten, welche durch die behandelnden Ärzte, das Pflegepersonal und sonstiges an der Behandlung beteiligtes medizinisches Personal erfolgen soll und professionelle psychosoziale Unterstützung, die in besonderen Fällen zusätzlich nötig sein kann erarbeitet (Kiss et al. 1995). Diese professionelle psychosoziale Unterstützung durch Psychoonkologen wurde in den letzten Jahren auch in der Behandlung von Patienten mit neuroonkologischen Erkrankungen zunehmend bedeutsam. Die Österreichische Plattform für Psychoonkologie definiert in ihren Leitlinien Psychoonkologie wie folgt: Die Psychoonkologie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die in Behandlung und Forschung die Psyche und die sozialen Belange von KrebspatientInnen und deren Bezugspersonen zum Gegenstand hat. Psychoonkologie arbeitet mit Methoden der klinischen Psychologie und Psychotherapie (verschiedene Schulen), der Gesundheitspsychologie, der Psychiatrie und der Kommunikationswissenschaft. Diese werden spezifisch abgestimmt auf die unterschiedlichen und wechselnden Bedürfnisse der Betroffenen. Dabei ist eine Anpassung der psychoonkologischen Behandlungskonzepte an die körperliche Befindlichkeit von PatientInnen, an die notwendigen medizinischen Behandlungen und Rahmenbedingungen erforderlich (Österreichische Plattform für Psychoonkologie 2003). 81 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung Psychosoziale Interventionen in der Onkologie sind somit auch abhängig vom Stadium der Erkrankung (Verdachts- bzw. Diagnostikphase, Diagnose, Therapiephase, Nachsorgephase – Rehabilitation/Heilung oder Progrediente Phase i.S. eines Rezidives oder einer Metastasierung, Palliative Behandlung, Terminales Stadium, Sterbephase). II. Besonderheiten der psychosozialen Betreuung in der Neuroonkologie: Tumorerkrankungen im Bereich des ZNS beeinflussen die zerebralen Funktionen des Patienten per se, aber auch die multimodale Behandlung kann auf körperliche, kognitive und emotionale Bereiche und Funktionen negativ einwirken, was in der psychoonkologischen Betreuung speziell berücksichtigt werden muss. Da nur wenige der neuroonkologischen Erkrankungen kurativ behandelt werden können, spielt die Lebensqualität des Patienten im Rahmen der Behandlung eine entscheidende Rolle, insbesondere für Tumore aus der Gruppe der malignen Gliome (Dögel et al. 2004). Hierbei ist das Hauptziel der Therapie, in der verbleibenden Lebenszeit krankheitsbedingte Einschränkungen zu reduzieren bzw. die Funktionen für die Ausführung von täglichen Aktivitäten aufrecht zu erhalten (MacDonald et al. 2005). Zur psychischen Belastung bei Patienten mit ZNS–Tumoren gibt es kaum Daten in der Literatur; es gibt - trotz hoher Prävalenz psychiatrischer Störungen - nur wenige Studien zur Lebensqualität (LQ) und Depression. So finden Massie et al. bei 44% der untersuchten Tumorpatienten eine organisch bedingte psychische Symptomatik, bei 26% Anpassungsstörungen und bei 11% eine Major Depression (Massie & Holland 1990). Eine andere Studie bei neuroonkologischen Patienten zeigte eine noch höhere Depressionsrate von 38%, wobei sich depressive Symptome als wichtigster Prädiktor für eine schlechte LQ dargstellen (Pelletier et al. 2002). Dass depressive Verstimmungen eine wichtige Rolle bei der Bewertung der LQ bei Patienten mit primärem Hirntumor spielen, zeigte auch eine frühere Studie, wobei die Autorin die depressive Symptomatik als Reaktion auf beeinträchtigte physische und kognitive Leistungen wertete (Giovagnoli 1999). Neben den nachvollziehbaren adäquaten Anpassungsreaktionen (wie Schockiertheit, Trauer, Wut, Abwehr, Verdrängung) der Betroffenen, die mit ihrer schwerwiegenden Erkrankung umgehen müssen, finden wir in der klinischen Routine häufig folgende psychiatrische Störungen: • Anpassungsstörungen – kurze (max. 1 Monat) / längere depressive Reaktion (max. 2 Jahre) – Angst und depressive Reaktion gemischt • Wiederauftreten oder Verstärkung einer schon bestehenden psychischen Erkrankung (Depression, Angsterkrankung, Psychose,...) • Schlafstörungen • Organische psychische Störungen, z.B. in Form von affektiven, wahnhaften/schizophreniformen oder emotional labilen/asthenischen Störungen auf Grund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder als Therapienebenwirkung (etwa durch Cortison oder Antiepileptika) • Kognitive Defizite, Dementielle Syndrome • Persönlichkeitsveränderungen • Depression 82 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung 1. Depression In der Praxis oft schwierig ist die Unterscheidung zwischen Depression, krankheits- bzw. therapiebedingtem Fatigue-Syndrom und organisch bedingter psychischer Störung mit depressiver Symptomatik (Wellisch et al. 2002): Eine Depression drückt sich aus durch gedrückte Stimmung, Interessensverlust, Freudlosigkeit, Verminderung des Antriebs, verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit, negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken/-handlungen, Selbstverletzung, Somatisches Syndrom (Schlafstörungen, verminderter Appetit und Gewichtsabnahme). Differentialdiagnostisch berücksichtigt werden sollte das bei Tumorpatienten häufige Fatigue-Syndrom mit Müdigkeit und Erschöpfung: Der Patient fühlt sich müder als normal, Erschöpfung tritt schon bei leichten Tätigkeiten auf, ja sogar im Zustand der Ruhe. Alltägliche Tätigkeiten, Gehen, Sprechen, Konzentration sind erschwert, es kommt zu einer Verlangsamung beim Fühlen, Denken und Handeln. Die Symptomatik kann auch durch ausreichenden Schlaf nicht behoben werden. Eine depressive Anpassungsstörung kann häufig sekundär entstehen. Eine organisch bedingte depressive Symptomatik muss ebenfalls in die Überlegungen miteinbezogen werden. Daher muss die Diagnostik auf einer Gesamtbeurteilung der Situation beruhen, für die Einschätzung einer depressiven Symptomatik und eine adäquate (psychotherapeutische, psychopharmakologische und/oder soziotherapeutische) Behandlung ist eine eingehende biopsychosoziale Anamnese mit Patienten und Bezugspersonen notwendig. 2. Suizidalität Es wird häufig die Frage gestellt, ob Krebspatienten ein erhöhtes Suizidrisiko haben. Dazu gibt es in der Literatur unterschiedliche Einschätzungen. Einige Autoren konstatieren keine erhöhte Suizidrate im Vergleich zur Normalbevölkerung (Plumb & Holland 1981), andere eine bis zu einer 2-4 fachen Erhöhung (Mann 2002). In einem Review zu diesem Thema finden sich lediglich sechs als qualitativ gut eingestufte Studien, auch hier variieren die Einschätzungen (Stenager & Stenager 2000). Eine norwegische Arbeitsgruppe untersuchte anhand von Daten aus dem norwegischen Tumorregister die Suizidrate von Krebspatienten für den Zeitraum von 1960 bis 1997. Dabei kommen die Autoren zum Schluss, dass eine Krebserkrankung einen (von 60 verschiedenen !) Risikofaktor für einen Suizid darstellt, insbesondere kurz nach Diagnosestellung. Allerdings fanden sie auch eine Verminderung dieses Risikos während des oben genannten Zeitraums, was in der Diskussion einerseits mit der verbesserten Tumortherapie, andererseits mit dem offeneren Umgang mit Krebs in Beziehung gesetzt wird (Hem et al. 2004). Dies deckt sich auch mit anderen Untersuchungen, die zeigen, dass Aufklärung und offene Kommunikation die Suizidrate nicht erhöhen. Es ist bekannt, dass bei etwa der Hälfte der Menschen, die einen Selbstmord verüben, eine schwere Depression vorliegt (Guze & Robins 1970). Dies betrifft natürlich auch Patienten mit neuroonkologischen Erkrankungen. Daneben spielen bei onkologischen Patienten auch ungelinderte Schmerzen als Ursache für einen Suizidversuch eine große Rolle (Bolund, 1985). 83 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung Praktisch jeder, der unheilbar Kranke behandelt, wird mit dem Problem von Suizidgedanken und dem Wunsch nach Beendigung des Leidens konfrontiert. Selbstmordgedanken sind häufig bei Tumorpatienten mit weit fortgeschrittener inkurabler Erkrankung. Sie scheinen die Funktion eines Ventils zu haben: „Falls es zu schlimm wird, nehme ich mir das Leben“ (Husebo 2003). Suizide können verhindert werden, wenn dieses Thema zum richtigen Zeitpunkt angesprochen wird (Breitbart 1994). Spricht der Behandler aus Angst das Problem nicht an, fühlt sich der Patient noch einsamer mit seinen Gedanken. Es ist bekannt, dass Isolation zu zunehmender suizidaler Einengung führt. Ist ein offenes Gespräch möglich, dann kann der Patient seine Gedanken äußern, warum er sich – gerade jetzt – das Leben nehmen möchte, die Situation kann differenziert betrachtet und eine Lösung erarbeitet werden, sei es durch die Linderung dessen, was das Leben im Moment unwürdig oder unerträglich macht, sei es durch eine verbesserte Schmerztherapie oder das Miteinbeziehen der Angehörigen oder anderer wichtiger Bezugspersonen. Häufig geben Patienten an, dass sie nicht länger eine Last für ihre Familie sein möchten, weil sie sehen, wie die Angehörigen mitleiden, aus diesem Grund möchten sie als Lösung das eigene Leben beenden. Eine gute, professionelle Unterstützung, etwa durch Verbesserung der ambulanten palliativen Betreuung oder der Aufnahme in ein Hospiz kann den Patienten deutlich entlasten und seinen Lebenswillen stärken. 3. Schlechte Prognose / schnelle Progredienz Den Patienten trifft eine Tumorerkrankung oft plötzlich und aus voller Gesundheit heraus, er und sein Umfeld sind zum Teil schon bei der Diagnosestellung mit einer sehr schlechten Prognose konfrontiert. Hier ist es außerordentlich wichtig, dem Patienten und seinen Angehörigen die nötige Zeit zuzugestehen, um sich neu zu orientieren. In dieser Phase ist es für den Behandler wichtig, „innerlich einen Schritt zurück zu machen“ und sich an der momentanen Befindlichkeit des Patienten zu orientieren, „Befund“ und „Befinden“ dürfen nicht gleichgesetzt werden. Der Wunsch nach Kommunikation über die Diagnose, die Behandlung und Prognose mag individuell unterschiedlich sein, dennoch wollen mehr als 90% der Krebspatienten offen informiert werden (Cassileth et al. 1980). Aufklärung sollte als Prozess gesehen werden, in dem man den Patienten begleitet und sich an der individuellen Bewältigunsstrategie orientiert. Eine offene und einfühlsame Kommunikation ermöglicht dem Patienten, gut informiert zu wichtigen Entscheidungen zu kommen (Blanchard et al. 1988). 4. Angst Schwerkranke Patienten haben Angst vor dem Fortschreiten der Erkrankung, vor Schmerzen, Kontrollverlust, Einsamkeit und vor Verletzung ihrer Integrität und ihrer Autonomie. Meist steht diese Angst in Zusammenhang mit den medizinischen Problemen, daneben gibt es allerdings zusätzliche Belastungen, die nur indirekt mit der Krankheit zu tun, jedoch großen Einfluss auf deren Verlauf haben können. Dabei spielen vor allem Verlusterfahrungen (Verluste von Beziehungen, der gewohnten sozialen Funktionen, aber auch Verluste im Körperbild) eine wichtige Rolle. Bei Angstsymptomatik sollte der Behandler neben der medizinischen die psychosoziale Situation des Patienten überblicken und in die Therapieplanung miteinbeziehen. So ist es möglich, die den Ängsten des Patienten zugrundeliegenden Ursachen (Krankheitsentwicklung, Symptome, Unsicherheit bezogen auf Diagnose, Prognose und Behandlung, Nebenwirkungen der Behandlung, Informationsmangel, Vorgeschichte des Patienten, familiäre 84 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung Probleme) zu erkennen und direkt anzusprechen. Dadurch kann meist eine Verminderung der Angst erreicht werden. Daneben sollte auch der Einsatz einer anxiolytischen Therapie erwogen werden, je nach klinischem Bild werden dabei vor allem kurz- bis mittellang wirksame Benzodiazepine eingesetzt, insbesondere wegen ihrer guten Verträglichkeit und großen therapeutischen Breite. Die Gefahr einer Medikamentenabhängigkeit ist in dieser Situation kaum gegeben. Aber auch Neuroleptika oder eine Modifikation der Schmerztherapie können hilfreich sein. In erster Linie sollte aber bei depressiven oder ängstlichen Anpassungsreaktionen die menschliche und psychosoziale Betreuung im Mittelpunkt stehen (Husebo 2003). 5. Symptomatische Epilepsie Anfallsgeschehen und die entsprechende Therapie müssen von ärztlicher Seite ausführlich besprochen werden. Wichtig dabei ist das subjektive Erleben von Patient und Angehörigen, insbesondere von Kindern, die durch das (Mit-) Erleben eines Anfalls stark beeindruckt, z.T traumatisiert (Todesangst!) werden können. Die Angst vor einem Anfall bzw. die Bedeutung eines solchen Ereignisses für das tägliche Leben steht für die Betroffenen im Vordergrund. Der häufig mit epileptischen Anfällen verbundene soziale Rückzug muss thematisiert werden. Eine gute Anfallskontrolle ist Voraussetzung dafür, dass Patienten und Angehörige ermutigt werden, ihr früheres, insbesondere auch gesellschaftliches Leben weiterzuführen. Nebenwirkungen der Anfallsprophylaxe sollten diskutiert werden, dabei geht es für den Patienten vor allem um die Minimierung unerwünschter Effekte wie Müdigkeit und kognitiver Einbußen bei bestmöglicher Anfallskontrolle. Dies bestärkt viele Hirntumorpatienten in ihrem subjektiven Gefühl, „den Tumor unter Kontrolle zu haben“ – unabhängig vom jeweiligen Befund. 6. Sprachliche Defizite/Aphasien Die Beeinträchtigung der Kommunikation durch sprachliche Defizite erfordert vom Patienten und dessen Umfeld eine enorme Anpassungsleistung und bedeutet auch für die Behandler eine große Herausforderung. Die Kommunikation im Arzt-Patient-Kontakt ist stark reduziert, umso wichtiger ist hier die emotionale Zuwendung und das gemeinsame Bemühen, unter enger Einbeziehung der Angehörigen den Bedürfnissen des Patienten gerecht zu werden. Besprechungen und Therapieentscheidungen sollten gemeinsam mit dem Patienten erfolgen, trotz des sprachlichen Defizites ist der Patient der erste Ansprechpartner. Er ist hier in seiner Situation besonders sensibel dafür, übergangen zu werden, deshalb sollte eine separate Information der Angehörigen vermieden werden, auch wenn dies vordergründig einfacher zu sein scheint oder weil man glaubt, damit den Patienten zu schonen. Auf diese Weise untergräbt man das Vertrauen des Patienten – gegenüber seinen Behandlern, und noch schlimmer - gegenüber seinen Bezugspersonen und vergrößert seine durch die Symptomatik schon bestehende Isolation. 85 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung 7. Motorische Defizite / Umgang mit Behinderung Sowohl durch die Erkrankung selbst als auch durch eine Biopsie oder Operation kann es zu motorischen Defiziten kommen. Bei letzterem ist sowohl eine entsprechende Aufklärung und Vorbereitung vor der Behandlung als auch eine nachfolgende Betreuung unumgänglich, da durch ein operationsbedingtes motorisches Defizit das Vertrauen zum behandelnden Arzt massiv erschüttert werden kann. Kommt es zu einer schwerwiegenden Komplikation, ist es wichtig, diese – wenn nötig mehrfach - anzusprechen und mögliche Hilfen zu diskutieren. Wird die Kommunikation vom behandelnden Arzt nach einem Zwischenfall reduziert oder abgebrochen, bedeutet dies für den Patienten eine enorme Kränkung und kann den gesamten weiteren Krankheits- und Therapieverlauf negativ beeinflussen. Eine motorische Behinderung bedeutet für Patienten immer eine Einschränkung in der persönlichen Lebensgestaltung, heißt auf die Hilfe von außen angewiesen zu sein. Für Hirntumorpatienten ist diese auch eine ständige Erinnerung an ihre lebensbedrohliche Erkrankung. Neben psychotherapeutischer Betreuung, die genügend Raum für die emotionalen Reaktionen des Patienten zur Verfügung stellen, daneben jedoch auch auf die persönlichen Ressourcen des Patienten fokussieren soll, ist hier ganz praktische Unterstützung für das tägliche Leben notwendig. Eine Beratung durch eine Sozialarbeiterin sollte immer angeboten werden. 8. Persönlichkeitsveränderungen, kognitive Defizite und Organische psychische Störungen („Organisches Psychosyndrom“) Veränderungen der geistigen Funktionen sind häufig und vielfältig. Patienten können durch unangemessene Irritierbarkeit, emotionale Labilität, geistigeTrägheit, Vergesslichkeit, Umständlichkeit, durch geringe Eigeninitiative, Antriebslosigkeit oder unangemessene Schläfrigkeit auffallen. Die Patienten beschreiben sich selbst als schwach und müde, Angehörige berichten von für sie unerwarteten Veränderungen früherer für den Patienten typischen Interessen, Vorlieben und Verhaltensweisen. Andererseits können Patienten dysphorisch, ungewohnt aggressiv und aufbrausend sein. Kognitive Defizite führen nicht selten zu einer depressiven Anpassungsstörung und schränken die individuellen Bewältigungsmöglichkeiten ein. Dabei kommt es nicht selten zu paranoiden Reaktionen. Angehörige können diese Veränderungen der Persönlichkeit oft nur schwer nachvollziehen bzw. einordnen, sie fühlen sich verunsichert und überfordert. Es kommt zu Beziehungsstörungen, die häufig mit starken Kränkungen einhergehen. Hier ist eine gute Aufklärung der Angehörigen über die Ursachen der Symptome notwendig, damit es diesen möglich wird, Verständnis für Verhaltensstörungen zu haben und diese zu differenzieren. Angehörige müssen durch psychosoziale Maßnahmen in der Pflege unterstützt werden, vor allem brauchen sie immer wieder die Bestätigung, dass sie das möglichste für den Patienten tun, und dass es legitim ist, sich Hilfe zu organisieren. Eine medikamentöse Behandlung der Verhaltensstörungen sollte auf jeden Fall versucht werden, oft kommt es dadurch zu deutlicher Erleichterung für Patienten und Angehörige. Persönlichkeitsveränderungen und Verhaltensauffälligkeiten haben natürlich auch erhebliche Auswirkungen auf 86 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung die Arzt-Patient-Beziehung. Die Behandler müssen für Entscheidungen im Krankheits- und Therapieverlauf auf die Hilfe der Angehörigen zurückgreifen. Dennoch sollte auch bei reduzierten geistigen Fähigkeiten des Patienten das Bemühen im Vordergrund stehen, zu den notwendigen Entscheidungen zu kommen, auch wenn der Patient z.B. mit einem detaillierten Aufklärungsbogen zu einer bestimmten Therapie überfordert zu sein scheint. Solche Gespräche sollten im Beisein einer Vertrauensperson des Patienten stattfinden und benötigen vor allem Zeit. Die klinische Praxis zeigt, dass es meist möglich ist, mit dem Patienten so zu kommunizieren, dass er sich zu einer bestimmten Fragestellung äußern und seinen Willen kundtun kann. Falls es jedoch Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Patienten gibt, sollte ein Facharzt für Psychiatrie beigezogen werden. Bei durch die Grunderkrankung bedingter Beeinträchtigung der Geschäftsfähigkeit kann manchmal – auch als vorübergehende Massnahme - eine Besachwalterung des Patienten angestrebt werden. Dies ist an das zuständige Gericht zu melden, daraufhin wird eine psychiatrische Begutachtung des Patienten durch einen vom Gericht bestellten Gutachter durchgeführt. Zu Fragen zur Bestellung eines Sachwalters empfiehlt es sich, den Verein für Sachwalterschaft zu kontaktieren. In diesem Zusammenhang ist auch die Testierfähigkeit eines Patienten von Bedeutung. Es liegt in der Verantwortung des behandelnden Arztes, einen schwer erkrankten Patienten rechtzeitig darauf hinzuweisen, persönliche Belange zu regeln (Patientenverfügung, Testament). Kommt es durch die neuroonkologische Erkrankung zu schwerwiegender psychischer Symptomatik (Psychose, delirante Verwirrtheit) mit Selbst- und/oder Fremdgefährdung, so kann eine Anhaltung in einer geschlossenen Abteilung notwendig werden: Gemäß §3 UbG darf nur in einer Anstalt untergebracht werden, wer an einer psychischen Erkrankung leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann (Unterbringungsgesetz – UbG, BGBl 155/1990). Hier ist im stationären Setting der Konsiliarpsychiater, im niedergelassenen Bereich ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt (z.B. Sprengelarzt) oder Polizeiarzt hinzuzuziehen. 9. Krebs als „chronische Erkrankung“ Auch in der Neuroonkologie gibt es Tumore mit phasenhaftem Verlauf und zum Teil jahrelangen stabilen Phasen, in denen Patienten „nur“ zur regelmäßigen MRI-Untersuchung kommen. Die psychische Belastung durch Kontrollen im Rahmen der Nachsorge beschreiben die meisten Patienten allerdings als außerordentlich groß. Erinnerungen an Erstdiagnose mit „Retraumatisierungen“, Angst vor einem Rezidiv und Unsicherheit in bezug auf die Zukunft kommen auch bei Patienten mit stabilen Verläufen vor, dies sollte vom behandelnden Arzt im Patientengespräch berücksichtigt werden. 87 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung III. Psychosoziale Betreuung in der Neuroonkologie: Für die psychische Betreuung von Krebspatienten werden in den letzten Jahren zunehmend Psychoonkologen eingesetzt, von ihrer Grundausbildung her meist Ärzte oder Klinische Psychologen mit Psychotherapeutischer Ausbildung und Fortbildungen im Bereich der Psychoonkologie. Für den Bereich der Neuroonkologie ist eine Ausbildung zum oder die enge Zusammenarbeit mit einem Psychiater von großem Vorteil. 1. Psychoonkologie im Akutkrankenhaus Als interdisziplinäres Kooperationsmodell hat sich im Akutkrankenhaus neben dem psychoonkologischen Konsiliardienst vor allem der Liaisondienst bewährt, der gekennzeichnet ist durch • Personelle Kontinuität des Psychoonkologen an der jeweiligen Station/Ambulanz • Interdisziplinäre Besprechungen • Teilnahme an Visiten • Patientenbetreuung • Angehörigenbetreuung • Intervision, Fortbildung 2. Ziele der psychosozialen Betreuung • • • aus der Sicht des Patienten: subjektive Entlastung, Erhaltung/Verbesserung der Lebensqualität aus Sicht des Umfeldes: Erhalten der familiären und sozialen Anpassung, dabei steht die Angehörigenbetreuung oft im Vordergrund (Krisenintervention, Einzel-, Paar- und Familienberatung, Trauerbegleitung) aus ärztlicher Sicht: optimale Unterstützung des Patienten, auch im Hinblick auf seine Kooperation für die Abklärung und Behandlung der Erkrankung 3. Psychosoziale Betreuung bedeutet Unterstützung des Patienten • • • • • • • bei der Krankheitsverarbeitung (Coping) in allen Phasen der Erkrankung zur Bewältigung von Funktionseinschränkungen und Defiziten durch Erkrankung und Therapie um Strategien zur Symptomkontrolle zu entwickeln bei psychischer Symptomatik (Angst, Depression) bei der krankheitsbedingt notwendigen Neuorientierung in Partnerschaft/ Familie/ Freundeskreis bei der krankheitsbedingt notwendigen Neuorientierung im Beruf/Studium bei Progredienz der Erkrankung, bei Therapieabbruch, in der palliativen Phase bis hin zur Sterbephase 88 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung 4. Psychotherapie Psychotherapeutisches Arbeiten ist der wichtigste Bestandteil der Psychoonkologie, wobei sich die Form der Behandlung stark von der klassischen Psychotherapie unterscheidet. Psychoonkologen gestalten ihre Betreuung aktiv und passen sich an die jeweilige krankheitsbedingte Situation des Patienten an, sind in ihrem Setting flexibel und arbeiten vor allem an den Ressourcen der Patienten. Die Gegenwart steht in der Betreuung im Vordergrund. Daneben wird auf die persönliche Geschichte und dabei insbesondere auf das individuelle Krankheitskonzept des Patienten eingegangen, Deutungen werden jedoch vermieden. Psychoonkologen verwenden Techniken der Krisenintervention und der focussierten Interventionen, längerfristige psychotherapeutische Behandlungen sind im stationären Setting selten. Folgende psychotherapeutische Richtungen haben sich in der Psychoonkologie etabliert: • Supportive Gesprächstherapie • Verhaltenstherapie • Psychodynamische Verfahren • Entspannungstherapie (Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Hypnotherapie) • Systemische Therapie (Paar-/Familientherapie) • Kurztherapieverfahren (verschiedene Schulen) Neben der Behandlung der Patienten hat sich im Bereich der Neuroonkologie besonders die Betreuung der Angehörigen als wichtiges Arbeitsfeld für Psychoonkologen herausgestellt. 5. Psychopharmakologische Therapie Psychopharmakologische Massnahmen können notwendig werden bei: A. affektiven Störungen (depressive, maniforme, dysphorische Symptomatik, affektive Labilität) Antidepressiva: - - - Selektive Serotonin-Rückaufnahmehemmer (SSRI´s) • Citalopram (Seropram) – wenig Interaktionen, auch parenteral zur Verfügung • Escitalopram (Cipralex) • Sertralin (Gladem, Tresleen) • Fluoxetin (Fluctine, Mutan) - cave lange HWZ! • Paroxetin (Seroxat) Serotonin/Noradrenalinrückaufnahmehemmer (NASSA) • Venlafaxin (Efectin) • Milnacipran (Ixel) Selektiver Noradrenalinrückaufnahmehemmer (SNRI´s) • Reboxetin (Edronax) Heterozyklika, zB: • Trazodon (Trittico) Tetrazyklische Antidepressiva 89 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung - Antipsychotika Tranquilizer • • • • • • • • • • • Mianserin (Tolvon) • Mirtazapin (Remeron, Mirtabene) Trizyklische Antidepressiva: • Amitryptilin (Saroten, Tryptizol) – nur mehr niedrigdosiert in der Schmerzbehandlung zu empfehlen, abgesehen davon sollte heute auf trizyklische Antidepressiva verzichtet werden! cave Interaktionen, anticholinerge NW! Risperidon (Risperdal) Olanzapin (Zyprexa) Quetiapine (Seroquel) Ziprasidon (Zeldox) auch i.m. Amisulpirid (Solian) Lorazepam (Tavor, Temesta) kurz wirksam Oxazepam(Praxiten, Anxiolyt) kurz wiksam Alprazolam (Xanor) mittellang wirksam Bromazepam (Lexotanil) mittellang wirksam Diazepam (Valium, Psychopax) lang wirksam B. paranoid-halluzinatorischen Symptomen (Wahnideen, wahnhafte Reaktionsbereitschaft, psychotische Symptomatik) Antipsychotika: Tranquilizer: Risperidon, Olanzapin, Ziprasidon, Quetiapine, Haldol Lorazepam, Oxazepam – cave paradoxe Reaktion! C. Verwirrtheit / Deliranter Symptomatik Antipsychotika: Risperidon, Olanzapin, Ziprasidon, Quetiapine, Haldol Tranquilizer: Lorazepam, Oxazepam – cave paradoxe Reaktion! Evaluation der bestehenden Medikation, ev. Absetzversuch! Modifikation der Schmerztherapie D. Insomnie Cinolazepam (Gerodorm), Triazolam (Halcion), Brotizolam (Lendorm), Flunitrazepam (Rohypnol, Somnubene), Zolpidem (Ivadal, Zoldem) Niederpotente Antipsychotika: Prothipendyl (Dominal), Melperon (Buronil) cave anticholinerge NW! Tranquilizer: E. Angst Tranquilizer Neuroleptika SSRIs 90 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung IV. PSYCHOSOZIALE EVALUATION DER NEUROONKOLOGISCHEN GESAMTBEHANDLUNG: SCHWERPUNKT LEBENSQUALITÄT 1. Lebensqualität als Evaluationskriterium in der Onkologie Spätestens seit der Ergänzung onkologischer-therapeutischer Zielvorstellungen durch das Konzept „Lebensqualität“ wurde bio-psycho-soziales Denken in der Onkologie unumgänglich. Im Rahmen der WHODefinition von Gesundheit wird die Lebensqualität als mehrdimensionales Konstrukt beschrieben. Dieses inkludiert eine physische, eine emotionale, eine soziale sowie eine funktionale Ebene (Ravens-Sieberer & Bullinger 1995). In der Onkologie wird seit langem das Ziel verfolgt die Lebensqualität des Patienten zu verbessern, jedoch ist es relativ neu, die Lebensqualität als zu messendes Kriterium in die Evaluation von Therapien oder Interventionen einzubeziehen (Wasner 2002). Die Lebensqualitätsforschung verfolgt in der Onkologie verschiedene Ziele. Sie soll die Bewertung von Therapien nach psychosozialen Kriterien erreichen, als Basis im Entscheidungsfindungsprozess bei konkurrierenden Therapien helfen und letztendlich der Verbesserung der psychosozialen Versorgung der Patienten dienen (Wasner 2002). Lebensqualitätsstudien erlauben somit Aussagen darüber, welche Patientengruppen von welchen Behandlungsstrategien hinsichtlich ihrer Lebenssituation am meisten profitieren. Früher wurden in erster Linie Fremdbeurteilungsskalen zur Feststellung des Funktionsstatus als Instrumente zur Lebensqualitätserfassung verwendet. Am häufigsten eingesetzt wird nach wie vor die Karnofsky Performance Status Scale zur Beurteilung der Einschränkung des Patienten in seiner Alltagsbewältigung, dies sowohl in klinischen Studien, aber vor allem auch in der klinischen Routine als Hilfsmittel für eine prognostische Einschätzung und damit verbundenen Therapieentscheidungen (Schaafsma et al 1994). Stand derzeitiger Forschung ist, dass die Lebensqualität onkologischer Patienten in erster Linie aus der subjektiven Sicht des Patienten beurteilt werden muss. Diesbezüglich sind zur validen und reliablen Messung des Konstruktes ‚Lebensqualität’ standardisierte und international akzeptierte Fragebogeninventare entwickelt worden (Aaronson et al. 1993, Cella et al. 1993, Osoba et al. 1997, Greimel et al. 2003). Einer der meist verwendeten Lebensqualitätsfragebogen ist der von der European Organisation for Research and Treatment of Cancer entwickelte EORTC QLQ-C30 (Aaronson et al. 1993). Dieser Fragebogen ist modular aufgebaut. Als Basis dient ein Kernmodul für alle Krebsdiagnosegruppen „EORTC QLQ-C30“ (Aaronson et al. 1993). Dieses beinhaltet 15 Subskalen bestehend jeweils aus mehreren Items: 5 Funktionssubskalen (Physisches Funktionieren, Rollenfunktion, Emotionales Funktionieren, Kognitives Funktionieren, Soziales Funktionieren), eine Subskala für die globale Einschätzung der Lebensqualität, 8 Subskalen zu Krankheitssymptomen (Fatigue, Schmerz, Erbrechen bzw. Übelkeit, Dyspnoe, Schlafstörungen, Appetitverlust, Verstopfung, Diarrhoe) und eine Subskala die finanziellen Auswirkungen der Erkrankung betreffend. Der EORTC QLQ-C30 ist auch für den deutschen Sprachraum validiert und wird in zahlreichen internationalen Studien im Bereich der Onkologie eingesetzt (Kaasa et al. 1995, Osoba et al. 1997, Zhao et al. 2004, Holzner et al. 2004). Somit können Auswirkungen von Krankheit und Therapie auf die Lebensqualität systematisch dargestellt und verglichen werden (Casali et al. 1997). 91 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung A. Die Messung der Lebensqualität bei neuroonkologischen Patienten Lebensqualitätsdaten haben das Verständnis von den Auswirkungen onkologischer Erkrankungen und deren Behandlung verbessert (Kopp et al. 2000, Holzner et al. 2001, Holzner et al. 2002). In der Neuroonkologie spielt auf Grund der häufig schlechten Prognose der Erhalt der Lebensqualität eine entscheidende Rolle für die Wahl der therapeutischen Maßnahmen. Damit kommt auch der Messung des Konstruktes Lebensqualität bei Hirntumorpatienten eine entscheidende Bedeutung zu. Von verschiedenen standardisierten Lebensqualitätsinventaren wurden spezifische Module für den Einsatz bei Hirntumorpatienten entwickelt. Z.B. additiv zum Kernfragebogen EORTC QLQ-C30 kann das Zusatzmodul EORTC BN 20 bei Hirntumorpatienten eingesetzt werden. Bei den meisten bisherigen Lebensqualitätsstudien in der Onkologie wird die Lebensqualität des Patienten und/ oder die Lebensqualität der Angehörigen untersucht, jedoch wird keine Fremdbeurteilung der Lebensqualität der Patienten durch einen Angehörigen durchgeführt (Dögel et al. 2004). Neben der Selbsteinschätzung ist die Fremdeinschätzung als ergänzend zu bewerten (Harrer 1993). Dies ist besonders im Bereich der Neuroonkologie wesentlich, da bei den Patienten im Zuge der Erkrankung und Behandlung kognitive Defizite auftreten können, welche die Urteilsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen und daher die Validität der Selbstwahrnehmung reduzieren. B. Computergestützte Erhebungen der Lebensqualität in der Neuroonkologie Im Gegensatz zum Einsatz in klinischen Studien finden Lebensqualitätserhebungen in der klinisch-onkologischen Routine bis dato noch wenig Verwendung (Davis & Cella 2002). Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die routinemäßige, computergestützte Erhebung und Auswertung von individuellen Lebensqualitätsdaten (in erster Linie in graphischer Form) durchführbar und von vielschichtigem Nutzen sind (Buxton et al. 1998, Chang et al. 2002, Detmar et al. 1998, 2002; Wright et al. 2003). Die Vorteile beziehen sich neben einer Standardisierung des Screenings potentieller physischer und psychischer Probleme onkologischer Patienten und einer Verbesserung der Kommunikation zwischen Behandler und Patienten, auf eine individuelle Fokussierung von onkologischen Behandlungsschritten und deren Evaluation (Velikova et al. 1999, 2002; Taenzer et al. 2000, Higginson et al. 2001). Zur technischen Umsetzung für die Datenerhebung und Datenaufbereitung solcher Projekte ist der Einsatz einer spezielle Computersoftware notwendig. In verschiedenen onkologischen Einrichtungen wird z.B. das sogenannte „Computer-based Health Evaluation System“ (CHES, siehe Abbildung) eingesetzt. Dieses dient zur Sammlung, Speicherung und graphischen Aufbereitung von medizinischen und psychosozialen Daten in den verschiedensten Bereichen der Onkologie (z.B. Neuroonkologie, geriatrische Onkologie…). Abb. CHES (Computer-based Health Evaluation System): Hauptmenü, graphisch aufbereitete Lebensqualitätsprofile 92 TAKO - Neuroonkologie Psychoonkologische und Psychosoziale Betreuung Mit Hilfe von CHES können individuelle Patienten- und Behandlungsdaten (z.B. Laborwerte, Daten von medizinischen Interventionen, Fragebogendaten, etc.) computergestützt erfasst und unter Einbeziehung von Norm-, Referenz- und Cut-off Werten graphisch dargestellt werden. Damit wird dem Behandler in Real-Time auf übersichtliche Weise standardisiert ein Überblick über die Situation des Patienten geliefert. Medizinische Behandlungsschritte und psychosoziale Interventionen können somit besser auf den Patienten abgestimmt werden. Zudem werden alle erhobenen Daten in einer Datenbank systematisch gespeichert und stehen jederzeit zur Beantwortung verschiedenster wissenschaftlicher Fragestellungen zur Verfügung. Aufgrund der bisher genannten Erkenntnisse von Lebensqualitätserhebungen in der Onkologie im allgemeinen und der Neuroonkologie im speziellen, wird derzeit an der Neuroonkologischen Ambulanz der Universitätsklinik für Neurologie Innsbruck ein Projekt durchgeführt, im Rahmen dessen die Lebensqualität von Hirntumorpatienten (inklusive eines Fremdratings von seiten der Angehörigen) computergestützt, standardisiert und longitudinal erhoben wird. Die graphische aufbereiteten Daten sollen einerseits unmittelbar in die klinische Routine einfließen und damit der Verbesserung der individuellen Patientenversorgung dienen, andererseits soll der so gewonnene Datenpool zu Beantwortung verschiedenster wissenschaftlicher Fragestellungen herangezogen werden können. Literatur Aaronson N, Ahmedzai S, Bergman B et al. (1993) The European Organization for Research and Treatment of Cancer QLQ-C30: A Quality of life instrument for use in international trials in oncology. Cancer Inst 85: 365-376 Blanchard CG, Labrecque MS, Ruckdeschel JC, Blanchard EB (1988) Information and decision-making preferences of hospitalized adult caner patients. Soc Sci Med 27: 1139-1145 Bolund C (1985) Suicide and cancer II. Medical and care factors in suicide by cancer patients in Sweden 1973-1976. J Psychosoc Onc 3: 17-30 Breitbart W, Passik S (1994) Psychiatric aspects of palliative care. 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Dr. Bernhard Holzner OA Dr. Claudia Kohl Ao.Univ.-Prof. Dr. Barbara Sperner-Unterweger Arbeitsgruppe für Psychoonkologie und Psychoimmunologie Abteilung für Biologische Psychiatrie, Univ.Klinik für Psychiatrie Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel. 0512/ 504 -23691 Fax 0512/504 – 23691 E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] E-Mail: [email protected] 95 TAKO - Neuroonkologie Notizen 96 TAKO - Neuroonkologie Gliome Gliome I. Definition und Begriffsbestimmung • • • entsprechend der WHO-Klassifikation werden diese Tumoren in Gliome niedriger (WHO I und II) und Gliome hoher (WHO III und IV) Malignität unterteilt (Kleihues und Cavenee 2000) bei Erwachsenen stellen unter den niedriggradigen Gliomen WHO Grad II diffuse Astrozytome, Oligodendrogliome und Oligoastrozytome, und unter den höhergradigen Gliomen des WHO Grads III anaplastische Astrozytome, anaplastische Oligodendrogliome, anaplastische Oligoastrozytome und das Glioblastom WHO Grad IV die häufigsten Tumorentitäten dar diese Leitlinien beschränken sich auf die wichtigsten und häufigsten Gliome des Erwachsenenalters. Das überwiegend im Kindesalter vorkommende pilozytische Astrozytom (WHO Grad I) wird - ebenso wie das Hirnstammgliom - im Kapitel „Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter“ behandelt II. Epidemiologie • • III. • • • Gliome bilden 50% aller primären Hirntumoren ((Athanassiou et al. 2005) Gesamtinzidenz der Gliome beträgt etwa 6/100.000 Einwohner/Jahr Früherkennung und Prävention haben bei Gliomen derzeit noch keinen Stellenwert, da Gliom-spezifische Tumormarker nicht zur Verfügung stehen und ein Screening mittels CT oder MRT erscheint nicht sinnvoll, da sich Glioblastome innerhalb weniger Wochen entwickeln können Ausnahme: lediglich bei einzelnen sehr seltenen hereditären Tumor-Syndromen mit deutlich erhöhter Inzidenz von Gliomen (Neurofibromatose, Li-Fraumeni-Syndrom, Turcot-Syndrom) werden bildgebende Verfahren als Screening-Methode eingesetzt bei Verdacht auf ein hereditäres Tumor-Syndrom sollten zudem eine humangenetische Beratung und Diagnostik in Betracht gezogen werden 97 TAKO - Neuroonkologie Gliome IV. Klinik und Diagnostik 1. Symptomatik • • • bei der Anamneseerhebung ist die Erfassung der ersten durch den Tumor bedingten Symptome und deren weitere Entwicklung wichtig je nach kognitivem Status des Patienten ist die Aussenanamnese oft von besonderer Bedeutung Klinische Verdachtssymptome: • neu aufgetretene epileptische Anfälle • neurologische Herdsymptome • Persönlichkeitsveränderungen und psychoorganisches Syndrom • Zeichen des erhöhten Hirndrucks 2. Klinische Untersuchung • • • • neurologische Untersuchung neuropsychologische Untersuchung Karnofsky-Index internistische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Differentialdiagnose primär extrazerebraler, metastasierender Tumoren und zur Beurteilung der Operationsfähigkeit 3. Neuroradiologische Diagnostik • • • • bei klinischem Verdacht auf einen Hirntumor: MRT-Untersuchung ohne und mit Kontrastmittelgabe. MRT ist die Methode der Wahl. CT ohne und mit Kontrastmittel bei KI gegen MRT PET und/oder SPECT können zusätzliche Informationen für die Differentialdiagnose und das biologische Verhalten einer Raumforderung geben und somit etwa für die Stereotaktische Biopsie-Planung hilfreich sein Magnetresonanz-Spektroskopie (MRS): kann zur Abgrezung gegenüber Hirnabszessen hilfreich sein funktionelles MRT (fMRT): zur OP-Planung bei Tumorlokalisation in eloquenten Hirnregionen 4. EEG • • dient als Parameter für die Anfallsbereitschaft und ist hilfreich für die Abklärung und Therapie von Anfällen ein unauffälliges EEG schließt eine Hirntumorerkrankung nicht aus! 98 TAKO - Neuroonkologie Gliome 5. Liquordiagnostik • • kann in Einzelfällen zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung einer entzündlichen Erkrankung (Enzephalitis, Hirnabszeß), eines primären ZNS-Lymphoms oder eines Keimzelltumors und zum Nachweis einer leptomeningealen Tumoraussaat wesentliche Hinweise geben Cave: KONTRAINDIZIERT bei Zeichen einer intrakranieller Drucksteigerung V. Allgemeine Leitlinien zur Gliomtherapie 1. Prä-/perioperative supportive Therapie • • • • • • • • • • • zur Behandlung des peritumoralen Hirnödems sowie zur Prophylaxe oder zur Reduktion des durch die operative Manipulation hervorgerufenen postoperativen Hirnödems ist eine medikamentöse antiödematöse Therapie erforderlich Mittel der Wahl in der Akuttherapie ist Dexamethason, bei ausgeprägtem Hirndruck initial mit einem iv Bolus von 40-100 mg, danach mit 12-32 mg iv oder per os täglich und langsamer Reduktion auf 4–12 mg täglich in Fällen eines ausgeprägten Hirnödems zusätzliche Gabe von Osmodiuretika (Mannitol) zur Vermeidung von Kortison-Nebenwirkungen sollte bei jeder Kontrolle die Notwendigkeit der Steroidgabe kritisch geprüft werden („so wenig wie möglich und so viel wie für die Symptomkontrolle erforderlich“) bei längerfristig erforderlicher Therapie mit höheren Steroiddosen kann eine Begleittherapie mit oralem Glyzerin helfen, die Steroiddosis geringer zu halten auch für das Boswellia serrata Präparat H15 (1200 mg/ 3x täglich per os) wurde eine antiödematöse Wirkung bei Glioblastompatienten während der Tumorprogression und der onkologischen Therapie festgestellt (Streffer et al. 2001) wenn differentialdiagnostisch ein primäres ZNS-Lymphom in Betracht gezogen werden muss, sollte auf die Gabe von Kortison verzichtet werden, weil ansonsten die histopathologische Diagnostik deutlich erschwert wird. Soweit klinisch vertretbar sollten bis zur Diagnosesicherung (meist mittels stereotaktischer Biopsie) nur Osmodiuretika eingesetzt werden bei Vorliegen einer symptomatischen Epilepsie besteht die Indikation zur antiepileptischen Therapie häufig wird perioperativ eine „Antikonvulsiva-Prophylaxe“ auch bei Patienten, die zuvor keinen Anfall erlitten, durchgeführt; meist wird hierzu Phenytoin verwendet. Bei Anfallsfreiheit sollte diese „AntikonvulsivaProphylaxe“ postoperativ ausgeschlichen werden Enzym-induzierende Antiepileptika, wie Phenytoin und Carbamazepin, sollten wegen MedikamentenInteraktionen mit dem Metabolismus anderer Pharmaka besonders unter bestimmten Chemotherapien und neuen Therapieansätzen mit Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren nicht eingesetzt werden (Friedmann et al. 1999; Hutterer et al. 2006) Clonazepam und andere Benzodiazepine sollten nur kurzfristig, etwa in der Umstellungsphase von Antiepileptika, eingesetzt werden 99 TAKO - Neuroonkologie Gliome 2. Operative Therapie: Biopsie vs. Operation • • • • • • • • • • • • • die histologische Diagnose ist Vorausetzung zur Erstellung eines spezifischen neuroonkologischen Therapiekonzeptes und nur in Ausnahmefällen kann auf eine histologische Diagnosesicherung verzichtet werden mittels (in Lokalanästhesie durchgeführter) stereotaktischer Biopsie ist auch bei Patienten in weniger gutem Allgemeinzustand eine histologische Diagnose als Grundlage für Therapieentscheidungen mit relativ geringem Risiko möglich und anzustreben. Stereotaktische Biopsien führen in ca. 90% aller Patienten zu einer histologischen Diagnose. Sie sind mit Morbiditätsraten von 3–4% und Mortalitätsraten unter 1% assoziiert (Hall et al. 1998; Sawin et al. 1998) abwartendes oder palliatives Vorgehen ohne histologische Sicherung der Diagnose ist lediglich indiziert, wenn das Interventionsrisiko gegenüber dem Nutzen einer histologischen Diagnose als gravierender eingeschätzt wird, als das Informationsdefizit durch die fehlende histologische Diagnose (z.B. Hirnstammgliom) während stereotaktische Eingriffe ausschließlich diagnostischen Zwecken dienen (Ausnahme: interstitielle Strahlentherapie), werden offene Operationen – in Abhängigkeit vom Alter des Patienten, sowie der Artdiagnose und Lokalisation des Tumors – meist mit therapeutischer Intention (Zytoreduktion) durchgeführt Indikationen zur stereotaktischen Biopsie: bei ungünstig lokalisierten Läsionen, bei multiplen Läsionen, die Metastasen entsprechen könnten, bei Läsionen, die neuroradiologisch in erster Linie an ein primäres ZNSLymphom denken lassen, und bei älteren Patienten in schlechtem Allgemeinzustand der Allgemeinzustand der Patienten, vor allem Alter und Begleiterkrankungen, kann die Therapiemöglichkeiten ebenfalls begrenzen. Eine allgemeine Altersbegrenzung kann nicht angegeben werden. Diese Gesichtspunkte sollten in die Beurteilung der Operationsindikation eingehen. Schlechter Allgemeinzustand (niedriger Karnofsky-Index) und höheres Alter sind vor allem bei höhergradigen Gliomen negative prädiktive Faktoren (DeAngelis et al. 1998) Indikationen zur offenen Operation: bei bildgebendem Verdacht auf ein supratentorielles Gliom und geeigneter Lokalisation sollte möglichst eine Tumorresektion zur Reduktion der Tumormasse, Entlastung des Hirndrucks und zur Verbesserung/Wiederherstellung einer ungestörten neurologischen Funktion erfolgen der offene Eingriff wird vorwiegend über eine osteoplastische (Knochendeckelreplantation in einer Sitzung), seltener über eine osteoklastische (Replantation nach Tagen oder Wochen mit Eigenknochen oder Knochenplastik) Kraniotomie durchgeführt angestrebt wird eine möglichst radikale Tumorresektion (mikrochirurgische Operationstechniken) bei maximaler Erhaltung der Funktionen, wobei aufgrund des invasiven Wachstums eine radikale Entfernung selten möglich ist die Verhinderung neuer permanenter neurologischer Defizite hat bei der Operationsplanung Vorrang gegenüber der operativen Radikalität („Funktionserhaltung vor Radikalität“) in funktionell eloquenten Arealen ist ein Monitoring der jeweiligen Hirnfunktion nützlich: intraoperative Stimulation und Wachoperation mit Sprachmonitoring für die intraoperative Tumorlokalisation werden Neuronavigation, Ultraschalldiagnostik und intraoperative Bildgebung eingesetzt die Bestimmung des Resttumors sowie der Nachweis möglicher postoperativer Frühkomplikationen mittels MRT (oder falls nicht möglich mittels CT) ohne und mit KM sollte innerhalb der ersten 48 Stunden erfolgen ((Albert et al. 1994) 100 TAKO - Neuroonkologie Gliome 3. Pathologie • • • • die histologische Diagnose wird entsprechend den Richtlinien der WHO-Klassifikation der Tumoren des Nervensystems gestellt (Kleihues und Cavenee 2000). Wesentlich ist neben der Artdiagnose die Zuordnung der biologischen Wertigkeit des Tumorgewebes zu den Tumorgraden WHO Grad I–IV („Grading“). Dabei werden Zell- und Kernpolymorphie, erhöhte Zelldichte, erhöhte Mitoserate, das Auftreten pathologischer Mitosen, mikrovaskuläre Proliferate sowie Tumorgewebsnekrosen als Zeichen zunehmender Anaplasie gewertet im Einzelfall sind immunhistochemische Spezialfärbungen zum Nachweis zell- bzw. gewebsspezifischer Differenzierungsmarker von Bedeutung in der differenzialdiagnostischen Abgrenzung zu anderen Tumorentitäten, insbesondere bei der Beurteilung kleiner stereotaktischer Biopsate zur Beurteilung der Proliferationsaktivität der Gliome wird häufig das Proliferations-assoziierte nukleäre Antigen Ki-67 bestimmt. Diese Untersuchung kann z.B. bei der Differenzierung zwischen WHO Grad II- und WHO Grad III Gliomen hilfreiche Zusatzinformationen liefern in der molekularen Pathologie der Gliome steht mit der Bestimmung des Allelverlustes („Loss of Heterozygosity“, LOH) auf den Chromosomenabschnitten 1p und 19q ein Marker zur Verfügung, der prognostische Information über den klinischen Verlauf bei Oligodendrogliomen geben könnte. In retrospektiven Analysen (Cairncross et al., 1998) war der Verlust genetischen Materials auf 1p und 19q mit hoher Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf Chemotherapie assoziiert. Da das Fehlen dieser molekularen Veränderung aber vermutlich keinen hohen negativen prädiktiven Wert besitzt, stellt derzeit ein solcher Befund kein Kriterium dar, Patienten mit anaplastischen Oligodendrogliomen die Chemotherapie vorzuenthalten. Schließlich ist bisher nicht geklärt, ob die positive prädiktive Aussage nur für Ansprechen auf die Chemotherapie nach dem PCV-Schema oder auch für Ansprechen auf andere Chemotherapien und Strahlentherapie und für die Gesamtüberlebenszeit gilt. Diese molekularen Marker können daher derzeit (noch) nicht zur Entscheidung über Strahlen- und Chemotherapie herangezogen werden 4. Strahlentherapie • • • • • • Gliome wachsen primär meist unifokal und 90% der Gliomrezidive nehmen vom Tumorrand ihren Ursprung. Die lokale Tumor-Kontrolle ist deshalb von zentraler Bedeutung obwohl Gliome nur eine relativ geringe Strahlenempfindlichkeit besitzen, verlängert die Strahlentherapie, insbesondere bei geringer Resttumormasse, signifikant die Überlebenszeit bei guter Lebensqualität die Indikation zur Durchführung der Strahlentherapie richtet sich nach dem histologischen Grad (WHOKlassifikation) und nach Prognose-Parametern wie Alter, Karnofsky-Index und Radikalität der Operation neuere Methoden der fokussierten Strahlentherapie oder Radiochirurgie erlauben eine Dosis-Eskalation gegenüber konventioneller fraktionierter externer Strahlentherapie. Ein genereller Überlebensvorteil bei Einsatz dieser Methoden wurde bisher nicht belegt die Ganzhirnbestrahlung führt bei den Gliomen nicht zu einer Verbesserung der Ergebnisse gegenüber einer lokalen Strahlentherapie („involved field“) und ist daher obsolet (eine Ausnahme können multifokale Gliome darstellen) die Festlegung des Zielvolumens erfolgt anhand der prä- und postoperativen Bildgebung. Insbesondere bei höhergradigen Gliomen ist eine Tumorzellinfiltration über die Randzonen der Signalabnormalität T2- 101 TAKO - Neuroonkologie Gliome • • • • gewichteter MRT-Bilder hinaus nachgewiesen, sodass ein zusätzlicher Sicherheitssaum (in der Regel von 2 cm), sinnvoll ist besonders wichtig zur Minimierung der Radiotoxizität ist die exakte und reproduzierbare Patienten-Repositionierung während der Planung und Durchführung der Behandlung (z. B. mit „Head-Holder“, Gesichtsmasken) die Bestrahlungsplanung erfordert die Durchführung eines Planungs-CT in Behandlungsposition, die CTgestützte Anpassung der Isodosenverteilung an das Zielvolumen und Übertragung mittels Therapiesimulator. Eine dreidimensionale Dosisanpassung wird durchgeführt die Strahlentoleranz des Gehirngewebes hängt auch von der Fraktionierung ab. Bei konventioneller Fraktionierung mit Einzeldosis von 1,8–2 Gy und 60 Gy Zieldosis in 6 Wochen beträgt das Nebenwirkungsrisiko ca. 5% innerhalb von 5 Jahren = TD 5/5 (Posner 1994) bei der Aufklärung zur Strahlentherapie des ZNS ist auf akute und späte Nebenwirkungen einzugehen und auch auf mögliche Potenzierung der Therapiefolgen durch eine gleichzeitig oder später verabreichte Chemotherapie hinzuweisen 5. Chemotherapie • • • • • • • die Chemotherapie besitzt auch heute noch in der Gliomtherapie einen geringeren Stellenwert als die Strahlentherapie; eine wichtige Ausnahme stellen die oligodendroglialen Tumoren dar, die deutlich chemosensitiver sind als die rein astrozytären Tumoren bei malignen Gliomen empfehlen wir vor allem jüngeren Patienten und Patienten mit einem Karnofsky-Index von =/> 70 die Chemotherapie (DeAngelis et al., 1998) in der Primärtherapie rein astrozytärer Gliome setzen wir die Monochemotherapie mit Temodal ein, bei oligodendroglialen Gliomen geben wir dem PCV-Protokoll den Vorzug die Voraussetzungen zur chemotherapeutischen Behandlung von Gliomen sind ident zur Chemotherapie anderer Malignome: Leukozyten > 3000/ul und Thrombozyten > 100.000/ul, ausreichende Leber- sowie Nierenfunktion und das Fehlen schwerwiegender pulmonaler und kardialer Erkrankungen unter der Chemotherapie sind regelmäßige (meist wöchentliche) Blutbildkontrollen erforderlich besonders bei Nitrosoharnstoffderivaten (ACNU, BCNU, CCNU) kann es zu protrahierten und kumulativen Leuko- und Thrombopenien kommen, die eine Dosisreduktion oder einen Wechsel des Therapieschemas erforderlich machen die Aufklärung über Nebenwirkungen der Chemotherapie sollte allgemeine Hinweise zu Übelkeit und Myelosuppression enthalten sowie substanzspezifische Toxizitäten wie Lungenschädigung (Nitrosoharnstoffe) und Polyneuropathie (Vincristin) erläutern 6. Experimentelle Therapien Zahlreiche experimentelle Therapien werden derzeit in der Gliomtherapie untersucht und sollten nur im Rahmen klinischer Studien zum Einsatz kommen: • Metalloproteinase-Inhibitoren (Groves et al. 2002) • Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren (Hutterer et al. 2006) 102 TAKO - Neuroonkologie Gliome • • • • • Angiogenesehemmung (Graff et al. 2005) Gentherapie (Stockhammer et al. 1997; Hutterer et al. 2006) Immuntherapie (Yajima et al. 2005) intratumorale Antisense-Therapie (Schlingensiepen et al. 2005) intratumorale Immunotoxin-Konjugate (Laske Laske et al. 1997 1997) VI. Spezifische Therapie der häufigsten Gliome 1. Gliome niedriger Malignität • • • • Pilozytisches Astrozytom WHO Grad I Astrozytom WHO Grad II (diffuse Astrozytome; histologische Subtypen: fibrillär, protoplasmatisch, gemistozytisch) Oligodendrogliom WHO Grad II oligoastrozytäres Mischgliom WHO Grad II A. Diffuses Astrozytom WHO Grad II • • • • • • • • • • diese Tumoren stellen sich in den bildgebenden Verfahren (MRT, CT) als mehr oder weniger umschriebene fokale Signal- (MRT) oder Dichte- (CT) Änderung meist ohne Kontrastmittelaufnahme dar die Therapie der niedriggradigen diffusen Astrozytome (WHO Grad II) wird weiterhin kontrovers diskutiert, vor allem Zeitpunkt und Radikalität des neurochirurgischen Vorgehens und der Zeitpunkt der Strahlentherapie neuroradiologisch nachgewiesene Läsionen, die mit einem diffusen Astrozytom (WHO Grad II) vereinbar sind, sollten histologisch abgeklärt werden jeder neurochirurgische Eingriff bei diesen Tumoren sollte unter der Vorgabe erfolgen, dass die Vermeidung neuer permanenter neurologischer Defizite wichtiger ist, als die Radikalität des operativen Eingriffs symptomatische, radiologisch zirkumskripte Läsionen an operativ gut zugänglicher Lokalisation sollten mikrochirurgisch reseziert werden je nach Lokalisation und Zeitintervall nach einem vorhergehenden Eingriff können auch wiederholte Resektionen eines Astrozytoms sinnvoll sein bioptisch/operativ gesicherte in-toto inoperable diffuse Astrozytome, die klinisch bis auf Anfälle asymptomatisch sind, und eine gute Anfallskontrolle gegeben ist, können bis zur klinischen oder bildgebenden Progression beobachtet werden („Wait and Watch“ Strategie) klinisch symptomatische oder progrediente Läsionen werden bestrahlt, wenn chirurgische Optionen mit einem hohen Risiko neurologischer Morbidität verbunden sind die Patienten profitieren nach inkompletter Resektion von der Strahlentherapie hinsichtlich der lokalen Tumorkontrolle, nicht jedoch hinsichtlich der Überlebenszeit (Bauman et al. 1999; Karim et al. 2002). Eine unmittelbar postoperative Strahlentherapie hat somit vermutlich keinen Vorteil gegenüber einem abwartenden Verhalten nach Sicherung der Diagnose (durch stereotaktische Biopsie oder offene Resektion) und postoperativer Strahlentherapie im Falle einer klinischen oder bildgebenden Progression in Abhängigkeit vom Bestrahlungsvolumen werden Dosen zwischen 50 und 60 Gy empfohlen 103 TAKO - Neuroonkologie Gliome • • • • • • • • aufgrund der längeren Überlebenszeiten bei den niedriggradigen Gliomen im Vergleich zu Glioblastomen und den meist jüngeren Patienten muss eine potentielle Langzeittoxizität bei der Strahlentherapieplanung besonders beachtet werden da das prä-strahlentherapeutische Resttumorvolumen ein prognostischer Faktor für die lokale Tumorkontrolle ist, ist der Versuch der operativen Zytoreduktion vor der Strahlentherapie sinnvoll bei umschriebeneren kleinen Tumoren ist bei tiefem Sitz auch die Möglichkeit einer interstitiellen Strahlentherapie (Brachytherapie) zu prüfen eine Chemotherapie ist in der Primärtherapie der diffusen Astrozytome WHO Grad II nicht indiziert im Rezidiv sollte die Reoperation erwogen und - falls noch nicht erfolgt - die Strahlentherapie angeschlossen werden bei Auftreten eines Rezidivs nach Strahlentherapie ist der Versuch einer Chemotherapie gerechtfertigt und insbesondere dann sinnvoll, wenn radiologisch Hinweise auf eine Malignisierung vorliegen. Zum Einsatz kommt hier vor allem die Temozolomid-Monotherapie und Nitrosoharnstoffe, auch als Polychemotherapie nach dem PCV-Schema (siehe Chemotherapie maligner Gliome) wenn das Rezidiv histologisch ein anaplastisches Gliom oder Glioblastom zeigt, wird unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Therapie gemäß den nachfolgenden Empfehlungen für diese Tumorentitäten behandelt Nachsorge: zumindest in den ersten 5 Jahren klinisch-neurologische Untersuchung und MRT in 6monatigen Intervallen B. Klinische Studie a. „Low Grade Glioma“ Studie, EORTC Trial 22033-26033 „Primary chemotherapy with temolozomide vs radiotherapy in patients with low grade gliomas after stratification for genetic 1p loss: a phase III study“ Studiendesign: multizentrische, internationale, offene Phase III Studie Beginn der Studie für 2007 geplant b. Oligodendrogliom und Oligoastrozytom WHO Grad II • beide Tumorentitäten werden ident behandelt, weil das Vorliegen eines oligodendroglialen Tumors die bessere Prognose im Vergleich zu den rein astrozytären Tumoren des gleichen Malignitätsgrades bedingt (Cairncross et al. 1994) • im Gegensatz zu den reinen Astrozytomen ist der bildgebende Nachweis von Verkalkungen häufig (70% der Patienten) • grundsätzlich gelten für die Therapie ähnliche Leitlinien wie bei den diffusen Grad II-Astrozytomen mit folgenden Besonderheiten: • da oligodendrogliale Tumoren häufiger als rein astrozytäre Tumoren über viele Jahre indolente Verläufe aufweisen, ist bei guter Symptomkontrolle (meist symptomatische Epilepsie im Vordergrund) ein abwartendes Verhalten („Wait and Watch“ Strategie) gerechtfertigt • die Radikalität der Operation ist vermutlich aufgrund der meist hohen Strahlen-/Chemosensitivität von geringerer Bedeutung für die Langzeitprognose • sollte eine adjuvante onkologische Therapie indiziert sein, wird bei jüngeren Patienten der 104 TAKO - Neuroonkologie Gliome • Chemotherapie (derzeit meist (noch) nach dem PCV-Schema) der Vorzug gegeben. Alternativ und insbesondere bei älteren Patienten kann die Strahlentherapie als erste adjuvante Maßnahme erfolgen. Im neuroonkologischen Tumorboard sollte hierzu interdisziplinär individuell die spezifische adjuvante Therapie festgelegt werden Nachsorge: zumindest in den ersten 5 Jahren klinisch-neurologische Untersuchung und zerebrale Bildgebung mit MRT in 6-monatigen Intervallen 2. Gliome hoher Malignität • • • • anaplastisches Astrozytom WHO Grad III anaplastisches Oligodendrogliom WHO Grad III oligoastrozytäres Mischgliom WHO Grad III Glioblastoma multiforme WHO Grad IV A. Anaplastisches Astrozytom WHO Grad III • • • • • • • • • die Häufigkeit beträgt 15 % der Gliome und der Altersgipfel liegt bei 45-50 Jahren weisen bildgebend meist eine deutliche Kontrastmittelaufnahme und ein perifokales Ödem auf die Therapieempfehlungen zum anaplastischen Astrozytom werden kontrovers diskutiert. Unbestritten ist der Stellenwert der Resektion/Biopsie, gefolgt von der Strahlentherapie der erweiterten Tumorregion. Chemotherapie ist beim anaplastischen Astrozytom wirksam, aber der optimale Zeitpunkt (Primärtherapie oder Rezidivtherapie) der Chemotherapie ist ungewiss. Eine Metaanalyse (Fine et al. 1993) kam zu dem Schluss, dass sich ein Überlebensvorteil der kombiniert behandelten Patienten gegenüber alleiniger Strahlentherapie 6–18 Monate nach Diagnose belegen lässt. Demgegenüber ließ sich in der MRC-Studie zur (modifizierten) PCV-Chemotherapie in der Primärtherapie zusätzlich zur Strahlentherapie keine Wirksamkeit belegen (Medical Research Council Brain Tumor Working Party 2001) wir führen die Therapie grundsätzlich ähnlich den Leitlinien zum Glioblastoma multiforme WHO IV durch, mit Resektion (oder Biopsie bei inoperablen Tumoren) mit nachfolgender Strahlen-/Chemotherapie (Tumorfeldbestrahlung mit 54–60 Gy in 1,8–2-Gy Fraktionen; Chemotherapie mit Temozolomid in der Primärtherapie und nach dem PCV-Protokoll in der Rezidiv-Behandlung) wichtigste günstige prognostische Faktoren sind junges Alter und hoher Karnofsky-Index, sowie der histologische Nachweis einer oligodendroglialen Komponente (siehe nächster Abschnitt) bei Auftreten eines Rezidivs sollte zunächst die Möglichkeit einer erneuten Operation geprüft werden für einzelne Patienten mit umschriebenen Läsionen kommt auch eine nochmalige Strahlentherapie in Frage, vor allem bei Aufterten eines Rezidivs ausserhalb des ursprünglichen Bestrahlungsfeldes (Shepherd et al. 1997) für das Rezidiv nach Strahlentherapie ist die Wirksamkeit der Chemotherapie belegt. Etablierte Regime sind die Temozolomid-Monotherapie (Wong et al. 1999), die Nitrosoharnstoff-Monotherapie und die PCVChemotherapie (Levin et al., 1990) Unklar ist derzeit auch noch die Dauer der Chemotherapie. Wir streben bei guter Verträglichkeit und Remission oder „Stable disease“ 6 Zyklen Nitrosoharnstoff-haltige Therapie oder 12 Zyklen Temozolomid an. Manche Zentren führen diese Behandlung auch bis zur Progression durch 105 TAKO - Neuroonkologie Gliome • • • Nachsorge: entsprechend dem Glioblastom Ergebnisse: Die mittlere Überlebenszeit der WHO Grad III Astrozytome beträgt 22 Monate, wobei Patienten unter 45 Jahre und gutem Karnofsky-Index (> 70 %) eine mittlere Überlebenszeit von 36 Monaten zeigen 5-Jahres-Überlebenszeit 15% B. Anaplastisches Oligodendrogliom und anaplastisches Oligoastrozytom WHO-Grad III • • • beide Tumorentitäten werden hier - wie oben für die WHO Grad II-Tumoren erläutert - gleich behandelt obwohl sich bei den Oligodendrogliomen molekulare Prognose-Marker (LOH 1p/19q) abzeichnen (Cairncross et al. 1998), ist es verfrüht, Patienten mit prognostisch ungünstiger Konstellation dieser Marker eine gesichert wirksame Chemotherapie (PCV-Protokoll) aufgrund dieses Befunds vorzuenthalten für die Therapie gelten grundsätzlich ähnliche Überlegungen wie für die anaplastischen Astrozytome WHO Grad III mit den folgenden Abweichungen (ähnlich den Rationalen zu den niedrigradigen Oligodendrogliomen): • da oligodendrogliale Tumoren in der Regel radio- und chemosensitiv sind, ist radikales chirurgisches Vorgehen weniger indiziert als bei den rein astrozytären WHO-Grad III-Gliomen • in der adjuvanten Therapie setzen wir in der kombinierten postoperativen Radio-/Chemotherapie als „Firstline“ Chemotherapie das PCV-Protokoll ein oder vor allem bei jungen Patienten zuerst eine alleinige PCVChemotherapie und eine Radiotherapie erst bei Tumorprogression • PVC-Schema: • CCNU (Lucostin) 110 mg/m2 Tag 1 • Vincristin (Oncovin) 2 mg Tag 8 und 29 • Procarbazin (Natulan) 150 mg/m2 Tag 8-21 Wiederholung alle 6 Wochen • Temozolomid setzen wir (derzeit noch) bevorzugt erst in der Rezidivtherapie ein • Nachsorge: bei Fehlen klinischer Hinweise auf Progression oder Rezidiv führen wir bildgebende Kontrollen in 3-monatlichen Abständen durch, bei längerem Verlauf ohne Zeichen der Progression oder des Rezidivs können diese Abstände verlängert werden C. Glioblastoma multiforme WHO Grad IV • mit 50% aller Gliome und 25% aller primären Hirntumoren ist das Glioblastom der häufigste hirneigene Tumor (ca. 350 Neuerkrankungen in Österreich / Jahr) • Häufigkeitsgipfel: zwischen dem 55. und 70. Lebensjahr • hoch maligner, stark vaskularisierter Tumor, mit einer Volumsverdoppelungszeit von ca. 3 Wochen • Fern-Metastasierung (Knochen, Lunge) sehr selten • bildgebend (CT, MRT) meist kontrastmittelaufnehmende Raumforderungen von inhomogener Struktur mit Nekrosen und Einblutungen und oft mit einem ausgedehnten perifokalen Ödem Therapiekonzept: • chirurgische Zytoreduktion, gefolgt von einer postoperativen kombinierten Radio-/Chemotherapie • die meisten Studien identifizierten das Ausmaß der Resektion als positiven Prädiktor für die Überlebenszeit (Neuro-Oncology Working Group (NOA) of the German Cancer Society 2003; Hess 1999) 106 TAKO - Neuroonkologie Gliome • • • • • • • • • • • • • Standard der postoperativen Strahlentherapie besteht in Dosierungen von 54–60 Gy, nach Möglichkeit 60 Gy, in 1,8–2 Gy-Fraktionen ob eine Chemotherapie bereits in der Primärbehandlung oder erst im Rezidiv eingestzt werden soll, wird kontrovers diskutiert in der Primärtherapie wird der Stellenwert der Chemotherapie - zusätzlich zur Strahlentherapie - nicht einheitlich als Standard definiert, da eine zusätzliche Chemotherapie zu einer Verlängerung der medianen Überlebenszeit um nur 2-3 Monate führt (Fine et al., 1993; Glioma Meta-analysis Trialists (GMT) Group 2002, Stupp et al. 2005). Da mittels Chemotherapie der Anteil der Patienten, die nach 18 Monaten noch am Leben sind, jedoch signifikant höher liegt und dies zumindest bei neueren Protokollen mit guter Lebensqualität (DeAngelis 2005; Stupp et al. 2005; Athanassiou et al. 2005; Hassler et al. 2006), setzen wir die Chemotherapie in Form einer Temozolomid-Monotherapie routinemässig bei jüngeren Patienten und Patienten mit Karnofsky-Index >/= 70 ein in der adjuvanten Primärtherapie verabreichen wir Temozolomid (Temodal) konkomitant zur Radiotherapie (Stupp et al. 2005) mit 75 mg/m2 KOF täglich, gefolgt von zyklischen Gaben nach Radiatio mit 200 mg/m2 an den Tagen 1-5 in 4-wöchigen Abständen, mindestens 6 Zyklen während der konkomitanten Therapie empfiehlt sich eine Pneumocystis carinii-Pneumonie-Prophylaxe. Diese ist jedenfalls bei Patienten erforderlich, die eine Lymphozytenzahl < 500/mm3 aufweisen, besonders wenn sie auch eine Therapie mit Steroiden erhalten. Für diese Prophylaxe kommen folgende Protokolle in Frage: 1 Tbl. Trimethoprim-Sulfamethoxazol (Bactrim® forte) 3x/Woche oder Pentamidin-Inhalationen (Pentacarinat®) 300 mg alle 4 Wochen mittels Ultravernebler Leitlinien zum Einsatz von Temozolomid in der Therapie maligner Gliome wurden von einem österreichischen Expertenteam kürzlich erarbeitet und in einem Konsensupapier veröffentlicht (Marosi et al. 2006) eine Intensivierung der Temozolomid-Therapie, wie z.B. mit 150 mg/m2 KOF an den Tagen 1-5 und 1519 in 4-wöchigen Abständen ((Athanassiou et al. 2005), oder mit 75-100 mg/m2 KOF an den Tagen 1-21 in 4-wöchigen Abständen - wie derzeit im Rahmen von EORTC-Studien geprüft wird - , könnte künftig die Ergebnisse der postoperativen Strahlen-/Chemotherapie weiter verbessern DNA-Reparaturenzyme, wie die O(6)-Methylguanin DNA Methyltransferase (MGMT) reduzieren das Ansprechen von Gliomzellen auf die Chemotherapie (Esteller et al. 2000) die Bestimmung des MGMT-Methylierungsstatus könnte künftig als Prädiktor für den ChemotherapieResponse dienen (Hegi et al. 2005) bei Auftreten eines Rezidivs sollte nach unseren Erfahrungen zunächst auch die Möglichkeit einer erneuten Operation geprüft werden für einzelne Patienten mit umschriebenen Läsionen sollte in der Rezidivsituation auch eine nochmalige Strahlentherapie diskutiert werden, insbesondere wenn eine stereotaktische hypofraktionierte Strahlentherapie möglich ist (Shepherd et al. 1997) als „Second-line“ Chemotherapie verwenden wir vorzugsweise das PCV-Protokoll (CCNU 110 mg/m2/Tag 1, Procarbazine 60 mg/m2 Tag 8-21 und Vincristine 2 mg Tag 8+29) in 6–8 wöchigen Abständen, mit 6 Zyklen als weitere Chemotherapie-Protokolle sind ACNU-Monotherapie (100 mg/ m2 Tag 1 alle 6 Wochen) oder ACNU (90 mg/m2 Tag 1) in Kombination mit Alexan (120 mg/m2 Tag 1-3), die Kombination von ACNU (90 mg/m2 Tag 1) und VM26 (60 mg/m2 Tag 1-3) und die BCNU-Montherapie (80 mg/m2 Tag 1-3) alle 6 Wochen gut belegt. Bei jüngeren Patienten bevorzugen wir die Kombinationstherapien („Risiko-adaptierte Therapie“ entsprechend den Ergebnissen der Deutsch-Österreichischen Gliomstudie) und streben jeweils 6-8 Zyklen an 107 TAKO - Neuroonkologie Gliome • im Rezidiv ist der Wert der Chemotherapie besser belegt. Eine Metaanalyse verschiedener Phase IIRezidivstudien ergab ein mittleres progressionsfreies Intervall von 9 Wochen und ein progressionsfreies Überleben nach 6 Monaten von 15% (Wong et al. 1999). Demgegenüber wurden mit Temozolomid ein mittleres progressionsfreies Intervall von etwa 11 Wochen und ein progressionsfreies Überleben von 21% erzielt (Yung et al. 2000). Ein Unterschied in der Wirksamkeit zwischen Temozolomid und einem Nitrosoharnstoff-haltigen Protokoll in der Rezidivtherapie des Glioblastoms wurde bisher nicht belegt. Entsprechende Studien fehlen • die interstitielle Chemotherapie mit BCNU (Gliadel®) hat in einer randomisierten Studie nur einen marginalen Effekt gezeigt und kann nicht generell empfohlen werden (Valtonen Valtonen et al. 1997 1997) • bei Wirksamkeit (Remission, „Stable disease“) führen wir 6 Zyklen Nitrosoharnstoff-haltiger Therapie bzw. 6-12 Zyklen Temozolomid durch. Einzelne Zentren befürworten die Fortführung der Chemotherapie bis zur Tumorprogression, sofern keine relevante Myelosuppression auftritt Prognose: • mittlere Überlebenszeit beträgt 12-15 Monate ab Diagnosestellung, 5-Jahres Überlebenszeit 2 % D. Klinische Studien zu malignen Gliomen Laufende oder geplante experimentelle Therapie-Studien – „Temozolomid und pegyliertes (PEG)-liposomales Doxorubicin in der Ersttherapie von Patienten mit Glioblastom WHO Grad IV“ (Phase I/II-Studie; Fabel et al., 2001) Patientengruppe: Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom Studienleiter in Innsbruck: Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer – TransMID-Studie „A Phase III Multicenter Study of Intratumoral/Interstitial Therapy with TransMIDTM Compared to Best Standard of Care in Patients with Progressive and/or Recurrent, Non-Resectable Glioblastoma Multiforme“ Konzept: intratumorale Applikation eines Transferrin-Diphterietoxin Immunkomplex Patientengruppe: Lokal-Rezidiv eines Glioblastoma multiforme Studienleiter in Innsbruck: Univ.-Prof. Dr. Herwig Kostron – Antisense TGF-beta Studie „Multinationale, multizentrische, offene, aktiv kontrollierte, randomisierte Parallelgruppen-Dosisfindungstudie zur Evaluation der Wirksamkeit und Sicherheit zweier unterschiedlicher Dosierungen von AP 12009 bei erwachsenen Patienten mit Rezidiven hoch maligner Gliome, intratumoral verabreicht als kontinuierliche Hochfluss-Mikroperfusion über einen Zeitraum von sieben Tagen jede zweite Woche“ für Erstrezidive maligner Gliome (Patientenrekrutierung beendet) je nach Ergebnis der Phase II Daten geplante Nachfolgestudie als Phase III Studie ab 2007 Studienleiter in Innsbruck: Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer 108 TAKO - Neuroonkologie Gliome – Fluoreszenzgesteuerte Tumorresektion gefolgt von intraoperativer Photodynamischer Therapie Studienleiter: Univ.-Prof. Dr. Herwig Kostron – Radioimmuntherapie in Form einer intracavitären Radionuklidtherapie für Patienten mit zystischen Glioblastom-Rezidiven Prinzip: mit radioaktiv markierten Peptiden wird zuerst mittels diagnostischer Verfahren geprüft, ob im Tumorrezidiv eine ausreichende Somatostatin-Rezeptor-Expression vorliegt. Für die Therapie wird DOTA-TOC (Octreotid-Derivat), das mit 90Y und 177Lu (Beta-Strahlern) markiert ist, angewendet – „A Randomized Phase 3 Study of Enzastaurin versus Lomustine in the Treatment of Recurrent, Intracranial Glioblastoma Multiforme” Konzept: Enzastaurin ist ein Proteinkinase-C Inhibitor mit potenter anti-angiogener Wirksamkeit Patientengruppe: Patienten mit Rezidiv eines Glioblastoma multiforme Studienleiter: Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer – „A Prospective, Multi-center Trial of NovoTTF-100A Compared to Best Standard of Care in Patients with Progressive or Recurrent GBM“ Prinzip: durch Elektroden, die auf die Kopfhaut angebracht werden, werden elektrische Felder induziert, die die Zellteilung hemmen sollen Patientengruppe: Patienten mit Rezidiv eines Glioblastoma multiforme Studienleiter in Innsbruck: Univ.-Prof. Dr. Herwig Kostron VII. Supportive Therapie 1. Hirndruck und Kortikosteroide • • bei erhöhtem Hirndruck mit Einklemmungsgefahr Gabe hoher Dosen von Steroiden (z.B. Fortecortin 100mg als Initialbolus, gefolgt von 4x 8mg/d) und ggf. Osmotherapeutika wegen der erheblichen Steroid-Nebenwirkungen bei chronischer Behandlung ist die Indikation zu einer Fortführung der Cortison-Therapie im weiteren Verlauf immer wieder kritisch zu prüfen 2. Symptomatische Epilepsie und Einsatz von Antikonvulsiva siehe „Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge“ 3. Thrombo-Embolien und Einsatz von gerinnungshemmenden Medikamenten siehe „Supportive Therapie, Rehabilitation und neuroonkologische Nachsorge“ 109 TAKO - Neuroonkologie Gliome 4. Psychosoziale Betreuung siehe „Psychoonkologische und psychosoziale Betreuung bei Patienten mit ZNS-Tumoren“ 5. Nachsorge • • • • klinische Verlaufskontrollen in 3-Monats Intervallen bei fehlender klinischer Progression MRT-Kontrollen (oder CT-Kontrollen bei KI gegen MRT) in 3-monatlichen Intervallen bei längerem Verlauf ohne Zeichen der Progression oder des Rezidivs können die Intervalle verlängert werden und sollten interdisziplinär festgelegt werden MRT-Verlaufsbeurteilung nach Macdonald Kriterien (Macdonald et al. 1990) • Progression (PD): Tumorvergrösserung um ≥ 25% • Stabiler Befund (SD): Progression um < 25% oder Remission um < 50 % über > 8 Wochen • Partielles Ansprechen: Remission um ≥ 50% über > 8 Wochen • Komplettes Ansprechen: komplette makroskopische Remission über > 8 Wochen 6. Rehabilitation • • während und vor allem nach Abschluss der tumorspezifischen Therapie eines Glioms ist die Indikation zu einer Rehabilitation neurologischer und neuropsychologischer Defizite zu prüfen einer ambulanten Rehabilitation sollte hierbei der Vorzug gegeben werden 7. Palliative Therapie in der Terminalphase • • • • • • in fortgeschrittenen Stadien der Tumorerkrankung sind spezifische antineoplastische Maßnahmen nicht mehr angezeigt stattdessen ist eine kompetente palliativmedizinische Betreuung mit Maßnahmen der Symptomkontrolle erforderlich grundlegend sind dabei der Einsatz von Antiemetika, Steroiden und Antikonvulsiva bei zunehmendem Hirndruck ist neben der Gabe von Steroiden und Antiemetika auch der Einsatz von Opiaten (regelmäßig und in ausreichender Dosierung) indiziert die Linderung von Schmerzen und anderen Symptomen hat in dieser Situation Vorrang vor den möglichen Nebenwirkungen dieser Medikamente intensive psychosoziale Unterstützung sowohl der Patienten als auch der pflegenden Angehörigen. Dazu gehören die Organisation der häuslichen Versorgung, die Hilfsmittelversorgung, das Einbinden palliativmedizinisch spezialisierter Ärzte, Pflegedienste und Hospizhelfer falls erforderlich, und gegebenenfalls die Einweisung auf eine Palliativstation oder in ein stationäres Hospiz 110 TAKO - Neuroonkologie Gliome Literatur Albert FK, Forsting M, Sartor K, Adams HP, Kunze S (1994) Early postoperative magnetic resonance imaging after resection of malignant glioma: objective evaluation of residual tumor and its influence on regrowth and prognosis. Neurosurgery 34:45–61 Athanassiou H, Synodinou M, Maragoudakis E, et al. (2005) Randomized phase II study of temozolomide and radiotherapy compared with radiotherapy alone in newly diagnosed glioblastoma multiforme. 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Br J Cancer 83:588–593 Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-23884 Fax: 0043-512-504-24260 E-mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Herwig Kostron Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] OA Dr. Meinhard Nevinny Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-22801 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] 113 TAKO - Neuroonkologie Notizen 114 TAKO - Neuroonkologie Tumoren der Pinealisregion Tumoren der Pinealisregion I. Einführung Tumoren der Pinealisregion machen etwa 1% aller intrakraniellen Tumoren und 3-11% der kindlichen Hirntumoren aus (1,2,3). Prozesse der Pinealisregion bilden pathologisch eine heterogene Gruppe (Tabelle 1). Tabelle 1: Tumoren der Pinealisregion Parenchymale Tumoren Keimzell-Tumoren Gliale und meningeale Tumoren Andere Tumorentitäten Nicht-neoplastische Läsionen Pineozytom WHO-Grad II Pineoblastom WHO-Grad IV Parenchymale Tumoren mit intermediärer Differenzierung Germinom Embryonalkarzinom Endodermalsinus-Tumor Chorionkarzinom Reifes Teratom Unreifes Teratom Pilozytisches Astrozytom WHO-Grad I Astrozytome WHO-Grad II Ependymome WHO-Grad II und III Meningeom WHO-Grad I Hämangioperizytom WHO-Grad II oder III Metastasen Lymphome Pinealiszyste Arachnoidalzyste Ateriovenöse Malformationen und Aneurysmen II. Diagnostik 1. Klinische Symptomatik • • • • • Hirndrucksymptomatik mit Kopfschmerz, Übelkeit, Erbrechen (Pinealis-Raumforderung führt zu Verschlußhydrocephalus) Parinaud-Syndrom: Kombinationen von Störungen des Aufwärts- und Abwärtsblicken, Störungen der Konvergenz und Akkomodation sowie Pupillenanomalien Stauungspapille bis Optikusatrophie mit Visusverlust Vermehrtes Schlafbedürfnis, Leistungsschwäche, Abschlagenheit Pubertas praecox bei Knaben durch beta-human-chorionic-Gonadotropin (beta-HCG) Produktion 115 TAKO - Neuroonkologie Tumoren der Pinealisregion 2. Augenärztliche Abklärung • • • Funduskopie Visusbestimmung Okulomotorik 3. Bildgebung • • • • MRT cerebral + MR-Angio) MRT spinal (Staging spinaler Dissemination) Angiographie (bei Verdacht auf Kompression des innerern Venensystems und geplanter operativer Therapie) Insgesamt ist eine verlässliche diagnostische Einordnung der Pinealistumoren über bildgebende Verfahren alleine nicht möglich 4. Tumormarker • • Bestimmung der Serumspiegel für beta-human-chorionic-Gonadotropin (beta-HCG) und alpha-Fetoprotein (AFP) Beziehungen zwischen Tumorentität und Tumormarker siehe Tabelle 2 Tabelle 2: Tumorhistologie und Tumormarker Tumor Germinom Reifes Teratom Malignes Teratom Chorionkarzinom Endodermaler Sinustumor Embryonalkarzinom AFP +/+ + Beta-HCG +/+/+ + 5. Stereotaktische Biopsie In ausgewählten Fällen, rahmengeführte Gewebeentnahme durch stereotaktisch ausgebildeten Neurochirurgen, nach dreidimensionaler präoperativer Eingriffsplanung (CT, MRT, MR-Angiographie) mit Bildfusion. Perioperative Letalität 1,3-1,9%, permanente Morbidität 1-4,7% (2,3) 116 TAKO - Neuroonkologie Tumoren der Pinealisregion III. Therapieoptionen • • • • • • Stereotaktische Biopsie in Kombination mit einer Ventrikulozysternostomie bei Verschlußhydrocephalus Stereotaktische Biopsie in Kombination mit einer Jod125 Seed Implantation Mikrochirurgische Resektion bei ausgedehntem Masseneffekt über - infratentoriellen/suprazerebellären Zugang (4,5) - okzipitalen/transtentoriellen Zugang (6) VP-Shunt oder Ventrikulozysternostomie bei Hydrocephalus Primäre Strahlentherapie (kranial oder kraniospinal) Kombinierte Radio-Chemotherapie Tabelle3: Therapeutische Strategien TUMOR Germinome STRATEGIE Stereotaktsiche Biopsie + Strahlentherapie / kombinierte Radio Chemotherapie Tumorresektion Chemotherapie + lokale Bestrahlung mit 54 Gy (+ evtl. kraniospinale Bestrahlung) Kinder: SIOP CNS GCT 96 Protokoll, Tumorresektion bei ausgeprägtem Masseneffekt PROGNOSE (2,7,8) 5-Jahres Überlebensrate >90% Pineozytom >3,5cm Tumorresektion <3,5cm Jod125 Seed Implantation alternativ: stereotaktische Radiotherapie Radiochirurgie. Gamma-Knife LINAC 5-Jahres Überlebensrate: 70-90% Pineoblastom Kraniospinale Bestrahlung + Chemotherapie Tumorresektion bei ausgeprägtem Masseneffekt 5-Jahres Überlebensrate 50-60% Reifes Teratom Sezernierende Keimzelltumoren Bei kompletter Resektion günstig Ungünstig, meist palliative Therapie IV. Nachsorge Bei Tumorresektion: postoperative MRT innerhalb von 48 Std, nach 3 Monaten Bei adjuvanter Therapie: MRT 1 Monat nach Abschluß der Radiotherapie/Radiochirurgie Klinische und bildgebende Kontrollen anfänglich nach 3, dann 6, dann 12 Monate 117 TAKO - Neuroonkologie Tumoren der Pinealisregion Literatur (1) Fuller BG, Kap DS, Cox R (1994) Radiation therapy of pineal region tumors: 25 cases and a review of 208 previously reported cases. Int J Radiat Oncol Biol Phys 28: 229-245 (2) Kreth FW, Schätz CR, Pagenstecher A et al. (1996) Stereotactic management of lesions of the pinela region. Neurosurgery 39: 280-291 (3) Regis J, Bouillot P, Rouby-Volot F et al. 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Neurosurgery 51: 44-55 Verfasser: Dr. Jürgen-Volker Anton Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] OA Dr. Meinhard Nevinny Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-22801 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] 118 TAKO - Neuroonkologie Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter I. Einleitung Hirntumoren (oder besser: intrakranielle Neubildungen) stellen im Kindesalter nach den Leukämien die zweitgrößte Gruppe maligner Erkrankungen dar. In diesem Alter sind gutartige gliale Tumoren häufig, insbesondere pilozytische Astrozytome und sehr bösartige, so genannte embryonale Tumoren. Der Hirntumor ist eine intrakranielle Raumforderung (RF), die sich raumersetzend oder raumverdrängend ausbreitet. Er kann abgegrenzt oder infiltrierend wachsen, selten aber auch diffus (Gliomatose). Die Histologie der hirneigenen Tumoren wird nach WHO klassifiziert; die histologische Dignität wird dabei durch die Grade I bis IV angegeben (Grad I und II: niedriggradig, Grad III und IV: hochgradig). Eine Metastasierung entlang der Liquorräume tritt vor allem bei Grad III- und Grad IV-Tumoren auf, wird aber mit einem geringen Prozentsatz auch bei niedriggradigen Tumoren beobachtet. Die weiterführende Diagnostik und anschließende Therapie wird im Rahmen von Therapieoptimierungsstudien der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie durchgeführt. Folgende Therapieoptimierungsstudien werden derzeit durchgeführt: 1. HIT 2000: Patienten bis 21 Jahre mit intrakraniell lokalisiertem Medulloblastom/PNET oder Ependymom. Ziele sind das Erreichen einer vergleichsweise hohen Überlebenswahrscheinlichkeit durch Intensivierung der Chemotherapie und/oder Bestrahlung, durch risikoadaptierte Therapie bei exakt definierter Risikogruppenzuordnung sowie durch verbesserte Qualitätskontrollen von Operation, Bestrahlung und Chemotherapie. 2. SIOP-LGG 2004 zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einem Gliom niedrigen Malignitätsgrades. Ziel: bestmögliche und angepasste Therapie im Rahmen eines umfassenden Gesamtkonzeptes. 3. SIOP-CNS GCT 96 zur Behandlung von intrakraniellen Keimzelltumoren 4. HIT-GBM-D zur Behandlung von malignen Gliomen und Ponsgliomen des Kindes und Jugendalters. 5. Kraniopharyngeom 2000: prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie von Kindern und Jugendlichen mit Kraniopharyngeom. 6. HIT-REZ 97: Therapiepersistenz oder Rezidiv eines neuroektodermalen Hirntumors. Daher sollte die Therapie nur in an den Studien teilnehmenden Therapiezentren erfolgen. II. Klinische Präsentation und Diagnostik kindlicher Hirntumoren Durch Tumormasse, peritumorales Ödem und v. a. durch eine Blockade des Liquorflusses kommt es zu Symptomen aufgrund gesteigerten intrakraniellen Drucks. Hierzu gehören Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen (v.a. morgendliches Nüchternerbrechen, Wesensveränderung und Strabismus mit Doppelbildern, und bei Säuglingen eine vorgewölbte Fontanelle und ein abnormes Kopfwachstum. Der Nachweis einer Stauungspapille ist für einen gesteigerten intrakraniellen Druck beweisend. 119 TAKO - Neuroonkologie Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter Abhängig von der Lokalisation finden sich folgende Symptome: • Bei supratentoriellen Tumoren: epileptische Anfälle. • Bei suprasellärem Sitz: endokrinologische und visuelle Ausfallserscheinungen und früh Hirndruckerscheinungen. • Bei Sitz im Hypothalamus: Abmagerungssyndrom, Essstörungen und zunehmende Adipositas, SchlafWach-Umkehr, endokrine Symptome. • Bei Tumoren des kaudalen Hirnstamms: die Trias Hirnnervenparesen, seitengekreuzte Ausfälle langer Bahnen und ataktische Symptome. • Bei Tumoren des IV. Ventrikels und Vermis cerebelli: früh Hirndrucksymptome, Ataxie, Störungen des kaudalen Hirnstamms. • Bei Tumoren der Kleinhirnhemisphäre: ataktische Symptome, Nystagmus, erst später erhöhter intrakranieller Druck. • Hirnnervenparesen können lokalisierende Bedeutung haben, können aber auch Folge der intrakraniellen Drucksteigerung sein. Bei Kindern mit rezidivierenden Kopfschmerzen, insbesondere von Druckcharakter und mit morgendlicher Betonung, ist eine bildgebende Untersuchung erforderlich. Prinzipiell stehen die folgenden diagnostischen Maßnahmen zur Verfügung: MRT und CT. 1. Notwendige postoperative Resttumordiagnostik Kraniale MRT vor und nach Kontrastmittel zur Resttumorbestimmung. Die Untersuchung muss innerhalb der ersten 48 Stunden post-operativ durchgeführt werden, da eine sichere Interpretation wegen unspezifischer postoperativer Schrankenstörungen später nicht mehr gelingt. 2. Notwendige Metastasendiagnostik Spinales MRT Liquorzytologie von Patienten der HIT Studie: aus postoperativ, lumbal gewonnenem Liquor. Sind in diesem Liquor Tumorzellen nachweisbar, dann muss eine Untersuchung unmittelbar vor Beginn der postoperativen Therapie – in der Regel am 14. postoperativen Tag- erfolgen. Eine Referenzbeurteilung der Liquorpräparate erfolgt durch die Studienzentrale. III. Nachsorge Regelmäßige Kontrolluntersuchungen dienen nach der Erstdiagnose der onkologischen Verlaufsbeurteilung, der Feststellung und Behandlung von neurologischen und neuropsychologischen Funktionsstörungen und Behinderungen. 120 TAKO - Neuroonkologie Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter IV. Spezifische Tumorentitäten 1. Medulloblastom im Kindes- und Jugendalter Häufigster maligner Hirntumor im Kindes- und Jugendalter, Lokalisation im Kleinhirn und IV. Ventrikel. Häufigkeitsgipfel um das fünfte Lebensjahr, männliche Prädisposition 1,5:1. Wächst lokal infiltrierend, z. B. in den unteren Hirnstamm, aber auch per continuitatem entlang der Liquorwege; metastasiert in den gesamten Liquorraum, sodass in Abhängigkeit vom Alter bei bis zu einem Drittel der Patienten bereits primär solide ZNSMetastasen und bei einem Viertel der Patienten initial maligne Zellen im lumbal gewonnenen Liquor nachgewiesen werden können; systemische Metastasierung, z. B. in Knochen oder im Knochenmark, ist bei Erstdiagnose sehr selten. a. Lokale und regionale Therapie Basistherapie sind die primäre Resektion sowie die kraniospinale Bestrahlung mit lokalem Tumorboost. b. Neurochirurgische Therapie Da Kinder mit Medulloblastom durch die lokale Raumforderung und Liquorzirkulationsstörung vital bedroht sind, kommt der primären Resektion eine zunächst lebensrettende Bedeutung zu. Es ist eine operationsmikroskopisch totale Resektion anzustreben, da Kinder ohne Resttumor ein niedrigeres Rezidivrisiko haben. c. Strahlentherapie Da bei jedem Kind mit Medulloblastom mit einer okkulten Mikrometastasierung über die Liquorwege gerechnet werden muss, erfolgt die Bestrahlung des gesamten Liquorraumes unter Einschluss von Gehirn und Rückenmark. Als Standard galt bislang die kraniospinale Bestrahlung von 36 Gy bei einer Einzeldosis von 1,6-1,8 Gy/Tag, gefolgt von einer Aufsättigung im Primärtumorbereich auf 54 Gy zur Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle. In der modernen Behandlung des Medulloblastoms wird eine Therapieintensivierung durch hyperfraktionierte Bestrahlung angestrebt. d. Chemotherapie Bei Kindern unter 4 Jahren dient die Chemotherapie dazu, die Bestrahlung zu ersetzen. Bei allen Patienten soll die Chemotherapie das Auftreten systemischer Metastasen verhindern. Die adjuvante Chemotherapie mit Cisplatin, CCNU und Vincristin nach postoperativer Strahlentherapie kann derzeit bei Kindern über 3 Jahren als Standardtherapie des Medulloblastoms ohne Metastasen angesehen werden. 2. Gliome niedrigen Malignitätsgrades im Kindes- und Jugendalter Gliome niedrigen Malignitätsgrades stellen 30-40% der primären Hirntumoren des Kindesalters und kommen in allen Abschnitten des ZNS vor. Das Wachstum der Tumoren ist meist lokal. Der Terminus „Gliome niedrigen Malignitätsgrades“ steht als Sammelbegriff für eine Gruppe glialer Hirntumoren, die gemäß der WHO-Klassifikation von 2000 als Grad I und Grad II eingestuft werden: Infolge der möglichen Tumorlokalisation im gesamten ZNS rufen Gliome niedrigen Malignitätsgrades vielfältige oben beschriebene ZNS-Symptome hervor. 121 TAKO - Neuroonkologie Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter Grundsätzlich anzustreben ist die vollständige Tumorresektion. Für Tumoren, die nicht ohne schwere neurologische Folgeschäden und Läsionen vitaler Zentren resezierbar sind, wurden Konzepte zur nicht-chirurgischen Therapie entwickelt. Das primäre Ziel der Chemotherapie ist die Verschiebung des Zeitpunktes, zu dem eine Radiotherapie erfolgt. 3. Ependymome im Kindes- und Jugendalter Unter den primären intrakraniellen Tumoren sind die Ependymome mit einer Häufigkeit von 10% im Kindesalter vertreten. Ependymome wachsen meist lokal invasiv. Daher kommt der lokalen Tumorkontrolle eine besondere Rolle zu. Die Lokalrezidivrate ist aber auch nach einer vollständigen Resektion so hoch, dass eine lokale Nachbestrahlung durchgeführt wird. Heute wird bei allen nicht metastasierten Ependymomen eine Lokalbehandlung durchgeführt. Aktuell wird eine lokale Strahlentherapie empfohlen, unter Einbeziehung des Tumors und eines Sicherheitssaumes von 2 cm. Die 2x tägliche Applikation von kleinen, schonenderen Fraktionen von 1,0 Gy erlaubt eine Gesamtdosis von bis zu 68 Gy Bei persistierendem Resttumor, der gegen Ende der Radiatio mittels MR oder CT evaluiert werden kann, sollte zunächst eine Dosissteigerung kleinvolumig bis 72 Gy, dann ggf. eine stereotaktische Aufsättigung des Restgewebes erwogen werden. a. Klassifikation gemäß WHO, ICD-10 Code und ICD-O-3-M Code • Subependymom (Grad I°) D43.2 M9383/1 • Myxopapilläres Ependymom (Grad I°) D43.2 M9394/1 • Ependymom (Grad II°) C71.9 M9391/3 • Anaplastisches Ependymom (Grad III°) C71.9 M9392/3 b. Neurochirurgische Tumorresektion Aufgrund der äußerst schlechten Prognose nach inkompletter Tumorresektion muss unbedingt eine komplette Resektion angestrebt werden. Wie bei allen Hirntumoren gilt der Grundsatz, so aggressiv wie nötig und so schonend wie möglich vorzugehen, um Langzeitschäden zu vermeiden. c. Nicht-chirugische Therapie Grundsätze nicht-chirurgischer Therapie: Strahlen-/Chemotherapie Die vor den 1960er Jahren ausschließlich operative Therapie ergab nur unbefriedigende Therapieergebnisse mit maximal 20% überlebenden Kindern nach drei Jahren. Die alleinige Resektion war nur selten kurativ, insbesondere bei niedriggradigen, superfiziell in den Großhirnhemisphären gelegenen Tumoren. Die Einführung der postoperativen Strahlentherapie ergab ein PFS (progressionsfreies Überleben) von 30% bis 40% nach 10 Jahren. Mit einer kompletten Resektion und Nachbestrahlung wurden PFS zwischen 60% und 75% nach fünf Jahren und zwischen 50% und 60% nach zehn Jahren erzielt. Seither gehört die Strahlenbehandlung unverzichtbar zur adjuvanten Therapie der Ependymome. Zielvolumen: Strittig ist der Umfang des Bestrahlungsvolumens; wegen der Gefahr der ZNS Disseminierung wurden zunächst Kranium und Spinalkanal bestrahlt. Später wurden nur anaplastische Ependymome infratento- 122 TAKO - Neuroonkologie Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter rieller Lokalisation kraniospinal bestrahlt, wobei ein Vorteil gegenüber der lokalen Strahlentherapie nicht belegt werden konnte. Heute wird bei allen nicht metastasierten Ependymomen eine Lokalbehandlung durchgeführt, nachdem unabhängig von Histologie, Lokalisation und Bestrahlungsvolumen nahezu ausschließlich Lokalrezidive auftraten. Die damit verbundene Senkung von Spätfolgen der Behandlung bezüglich physischer und psychosozialer Entwicklung ermutigt zusätzlich. Die Chemotherapie hat in der Vergangenheit in klinischen Studien keinen sicheren Überlebensvorteil gezeigt, aber ein Response ist belegt für junge Kinder und auch in Rezidivsituationen. 4. Gliome mit hoher Malignität und Ponstumoren Der Begriff „malignes Gliom“ stellt einen klinisch häufig verwendeten Sammelbegriff für verschiedene, histologisch definierte Gehirntumoren dar. Gemeinsam ist ihnen, dass sie von glialen Zellen ausgehen, Zeichen der Anaplasie aufweisen und für eine schlechte Prognose bekannt sind. Maligne Gliome sollten so weit wie möglich reseziert werden. Diffus intrinsische Ponsgliome mit kurzer Anamnese, typischer Radiomorphologie und Klinik: keine Operation sondern sofort Beginn mit Chemo-/Radio-Therapie. Bei Tumoren dieser Lokalisation ist das Morbiditätsrisiko von Operationen hoch und die prognostische Relevanz der Histomorphologie gering. Daher werden sie in erster Linie radiomorphologisch klassifiziert: 1. 2. 3. 4. Typische diffuse intrinsische Ponsgliome Typische Mittelhirn- (Mesenzephalon-) Gliome Dorsal exophytische zerebello-medulläre Gliome Untypische Hirnstammgliome ad 1: Das typische diffuse intrinsische Ponsgliom ist in der Brücke lokalisiert. Die Tumorgrenzen sind im CTnur schwerlich auszumachen, der Tumor scheint vielmehr die Pons diffus aufzutreiben. Er erscheint im CT hypodens, in T1-gewichteter Kernspintomographie hypointens und in T2-gewichteter Kernspintomographie hyperintens. Eine Kontastmittelanreicherung findet sich typischerweise anfangs nicht. Diese Tumoren haben eine ausgesprochen schlechte Prognose. ad 2 und 3: Mesenzephale Hirnstammgliome und dorsal exophytische zerebello-medulläre Tumoren sind typischerweise nur langsam progredient - siehe Leitlinien für niedriggradige Gliome. ad 4: Einige Hirnstammgliome können in keine der oben genannten Gruppen eingeordnet werden. Dies gilt insbesondere für exophytische Ponstumoren, oder bei primärer Kontrastmittelanreicherung. Bei diesen Tumoren ist eine histologische Abklärung notwendig. 123 TAKO - Neuroonkologie Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter Literatur ZNS-Tumoren J. Kühl, R. Korinthenberg S777-822 in Gadner, Gaedicke, Niemeyer, Ritter: Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. (Springer 2005). Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Bernhard Meister Dr. Gabriele Kropshofer Dr. Andreas Klein-Franke Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-81570 Fax: 0043-512-504-24934 E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Alois Obwegeser Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Alexander DeVries Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-22801 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] 124 TAKO - Neuroonkologie Hypophysentumore Hypophysentumore I. Einführung und Klassifikation Raumforderungen im Bereich der Sella turcica können primär hypophysär-adenomatösen, zystischen, granulomatösen oder anderen Zellursprungs sein (Tab. 1). Tabelle 1: Raumforderungen im Bereich der Hypophyse Hypophysenadenome Hypophysenkarzinome (sehr selten) Ontogenetische Zellresttumoren Zysten und Fehlbildungen Primitive Keimzelltumoren Vaskuläre Veränderungen Entzündungen und Granulome Sonstige Tumoren Hormonaktiv Hormoninaktiv Hormonaktiv Hormoninaktiv Kraniopharyngeome, Epidermoide, Chordome, Zyste der Rathke`schen Tasche Dermoidzyste, Kolloidzysten, sphenoidale Mukozele, Arachnoidalzyste Germinome, Teratome, ektopes Pinealome Aneurysma, Blutungen, Hämangiome Abszesse, Sarkoidose, Tuberkulome, Histiozytosis X, Echinokokkus-Zysten, Hypophysitis, Riesenzellgranulom Gliome, Meningeome, Metastase Das hypophysäre Inzidentalom eine Raumforderung im Sellabereich, die “zufällig” bei einer CT/MRT Untersuchung des Schädels mit nichthypophysärer Fragestellung gefunden wird; inkludiert auch chronische Kopfschmerzen als Untersuchungsgrund (außer neu innerhalb der letzten 4 Wochen aufgetretene Kopfschmerzen). Abklärung und Therapie wie Hypophysenadenome. II. Hypophysenadenome stellen rund 80% der hypophysären Raumforderungen dar 1. Prävalenz Okkulte Adenome 10–20 % (Autopsie- und MRT-Serien) Klinisch manifeste Adenome 40–70 pro 100.000 Einwohner. 125 TAKO - Neuroonkologie Hypophysentumore Tabelle 2a: Häufigkeitsverteilung klinisch manifester Hypophysenadenome Prolaktinom Hormoninaktiv Akromegalie M. Cushing Thyreotropinom Gonadotropinom 55 % 30 % 10 % 5% 1% 1% Tabelle 2b: Klassifikation von Hypophysenadenomen Tumorgröße < 1 cm >1 – 4 cmcm cm > 4 cm Mikroadenom Makroadenom Riesenadenom Ausdehnung intrasellär parasellär suprasellär sphenoidal subfrontal retrosellär mit Metastasen Hypophysenkarzinom Hormonaktivität klinisch inaktiv Keine Hormonsekretion FSH/(LH)-produzierend klinisch aktiv Prolaktin-produzierend hGH-produzierend ACTH-produzierend TSH-produzierend Mischadenom Immunhistologie Null-Zell-Adenome e (hormoninaktiv) Onkozytom (hormoninaktiv) Prolaktin-speichernd hGH-speichernd ACTH-speichernd TSH-speichernd FSH/LH-speichernd (klinisch inaktiv) mehrere Hormone speichernd 2. Klinische Symptomatik Hormonelle Störung: Hormonüberschuss: Raumfordernder Effekt: Partielle oder komplette Hypophyseninsuffizienz (Tab. 3) Akromegalie, M. Cushing, Hyperprolaktinämie, Hyperthyreose Sehstörung (Schleier- oder Nebelsehen, Gesichtsfelddefekte), Hirnnervenlähmungen, Kopfschmerzen 126 TAKO - Neuroonkologie Hypophysentumore Tabelle 3: Symptome einer Hypophysenvorderlappeninsuffizienz Ausfall der somatotropen Funktion Minderwuchs im Kindes- und Jugendalter, veränderte Körperzusammensetzung mit reduzierter Muskelmasse und vermehrter abdomineller Fetteinlagerung; Fettstoffwechselstörung: erhöhtes LDL und erniedrigtes HDL, erhöhtes Arterioskleroserisiko, reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit, verminderte Lebenserwartung Ausfall der gonadotroph hen Funktion verminderte oder fehlende Achsel-und Schambehaarung, vermehrte periokuläre und periorale Fältelung der Haut; bei der Frau: OligoAmenorrhö, Mammaatrophie, Infertilität beim Mann: Infertilität, Libido- und Potenzminderung, kleine, weiche Testes, Abnahme der Muskelkraft Ausfall der thyreotroph hen Funktion Kälteintoleranz, Neigung zur Gewichtszunahme, Müdigkeit, Lethargie, Wesensveränderung, Bradykardie, Hypercholesterinämie Ausfall der kortikotroph hen Funktion blasses Hautkolorit, Schwäche, Müdigkeit, Apathie ApathieAdynamie, Gewichtsverlust, Übelkeit, Erbrechen in Stresssituationen, Hypoglykämien (bei gleichzeitigem GH-Mangel) GH-produzierende Hypophysenadenome: Gigantismus/Akromegalie Vergrößerung der Akren, Progenie, vergröberte Gesichtszüge, Kopfschmerzen, Hyperhidrosis, Artikulationsstörungen bei Makroglossie, Struma, Viszeromegalie, Kolonpolypen, Kardiomyopathie, nächtliche Schlafapnoe, Hypertonie, Glukosetoleranzstörung, Arthrosen Prolaktinome: Hyperprolaktinämie Galaktorrhö und Symptome des Hypogonadismus: Oligo - oder Amenorrhö, Libidoverlust bzw. Potenzverlust, Infertilität, Osteoporose ACTH-produzierende Hypophysenadenome: Morbus Cushing Symptome des Glukokorticoidexzesses: Stammbetonte Fettsucht, Vollmondgesicht, Striae rubrae, Büffelnacken, Hyperlipidämie Glukosetoleranzstörung, Hypertonie, Osteoporose TSH-produzierende Hypophysenadenome (Thyreotropinome): Symptome der Hyperthyreose: Schwäche, Gewichtsverlust, Tremor, Palpitationen, Schwitzen, Hitzeintoleranz, Hypocholesterinämie FSH/(LH)-produzierende Hypophysenadenome (Gonadotropinome): klinisch hormoninaktiv 127 TAKO - Neuroonkologie Hypophysentumore 3. Diagnostik A. Hormonanalytik Bei allen Hypophysentumoren Bestimmung der Hypophysen- und nachgeordneten Hormone basal (ACTH, Kortisol, DHEAS; PRL, hGH, IGF-1; fT3, fT4, TSH; Ö2/Testo (fTesto), LH/FSH; optional alpha Subunit; 24h freies Harnkortisol; zusätzlich low dose Synacthentest (Plasmakortisol 30 Min. nach 1 µg Synacthen® iv); Bei vermuteter Übersekretion Suppressionstests B. Bildgebende Diagnostik MRT; ergänzend evtl. CT, MR/CT-Angio, evtl. konventionelle Angiographie C. Ophthalmologische Untersuchung Gesichtsfelder, Visus, Fundi; in Eizellfällen evozierte visuelle Potentiale D. Neurologische Untersuchung bei Hirnnervenlähmung und Hirndrucksymptomatik – GH-produzierende Hypophysenadenome Hormonanalytik: Basales IGF-1 und GH (optional IGFBP-3) Supressionstest: Oraler Glucosetoleranztest (OGTT) mit 75g Glucose (bei Normalpersonen Supression des GH auf unter 0,3 µg/l – gemessen mit immunometrischen Assays) Bei Diabetikern kein OGTT, stattdessen GH-Stundenprofil (GHRH Bestimmung bei negativem Hypophysen-MRT) Zusätzliche Untersuchungen: Echokardiografie, Schilddrüsensonografie Kolonoskopie, Schlaflabor, Wirbelsäulenröntgen, Osteodensitometrie – Prolaktinome Hormonanalytik: Basales Prolaktin Zusätzliche Untersuchungen: Osteodensitometrie – ACTH-produzierende Hypophysenadenome Hormonanalytik: Basales ACTH, Kortisol, 24 h freies Harnkortisol und siehe Tab. 4 Zusätzliche Untersuchungen: Wirbelsäulenröntgen, Osteodensitometrie 128 TAKO - Neuroonkologie Hypophysentumore Tabelle 4: Stufendiagnostik Cushing-Syndrom Ausschluss Verdachtsdiagnose Over Nnight low dose Dexamethasonhemmtest 1 mg Dexamethason um 23 h mit morgendlicher Bestimmung des Serumkortisols Bei adäquater Suppression des Serumkortisols auf <20ng/ml ist ein (endogenes) Cushing-Syndrom ausgeschlossen; Grauzone 20 – 50 ng/ml Diagnosesicherung Over Night low dose Dexamethasonhemmtest Mangelhafte Suppression Kortisolausscheidung Freies Kortisol im 24 Std Urin Erhöhte Ausscheidung von freiem Kortisol bei jeder Form des endogenen CushingSyndroms Niedrigdosierter 2 TagesDexamethasonhemmtest 4x 0,5mg Dexamethason über 2 Tage Mangelnde Suppression des Serumkortisols und Harnkortisols bei jeder Form des endogenen Cushing-Syndroms Kortisoltagesrhythh hmik Bestimmung des Serumkortisols um 8.00 h und 24.00 h unter stationären Bedingungen Aufgehobene Tagesrhythmik (Mitternachtskortisol < 50% unter 8.00 h Kortisol, bzw. > 75 ng/ml) bei jeder Form des endogenen Hyperkortisolismus, im Gegensatz zu Pseudo-Cushing, etc. ACTH-Plasmakonzentration - Supprimiert bei Kortisol-sezernierendem Nebennierenrindenadenom – oder karzinom - Normal oder leicht erhöht bei Morbus Cushing - meist exzessiv erhöht bei CushingSyndrom aufgrund einer ektopen ACTHSekretion CRH-Test Injektion von 100µg CRH i.v. oder 1µg/kg KG, Bestimmung von Kortisol und ACTH nach 0, 15, 30, 45, 60 und 60 90 min - Anstieg von ACTH (ca 35%) und Kortisol (ca. 20%)gegenüber dem Ausgangswert bei Morbus Cushing - Keine Modulation von ACTH und Kortisol bei ektopem Cushing-Syndrom Optional Differentialdiagnose Hochdosierter 2 Tages- Serumkortisol, Harnkortisol (und ACTH) Dexamethasonhemmtest partiell supprimiert bei Morbus Cushing 4 x 2mg über 2 Tage;; - Keine Modulation von ACTH und Kortisol alternativ auch 8mg in einer 23 Uhr Dosis bei ektopem Cushing-Syndrom (over night high dose Dexamethasontest) Bei Mikroadenom und Cushing zur Diagnosesicherung gefordert (besser als Stimulations/ Hemmtests) Sinus-petrosus inferior Katheterisierung Kombination mit CRH-Test Zentrale und periphere ACTHBestimmung 129 - ACTH-Gradient zwischen zentral und peripher bei Morbus Cushing (basal > 2,0 , nach CRH > 3,0) - Kein Gradient zwischen zentral und peripher bei ektoper ACTH-Bildung TAKO - Neuroonkologie Hypophysentumore – TSH-produzierende Hypophysenadenome Hormonanalytik: fT3, fT4, TSH; TSH typischerweise absolut/relativ hoch im Verhältnis zu fT3 und fT4; alphaSubunit meist erhöht – molare Subunit/TSH Ratio meist erhöht; TRH Test mit 400 µg, meist keine Stimulation. Bei Mikroadenomen Ausschluss einer T4 Resistenz notwendig Zusätzliche Untersuchungen: Schilddrüsensonographie – FSH/(LH)-produzierende Hypophysenadenome: Hormonanalytik: LH/FSH; alpha Subunit (+ GnRH Test) III. Allgemeine Therapie der Hypophysenadenome Ziel: Beseitigung der Raumforderung Normalisierung von Visus und Gesichtsfeld Normalisierung der Hormonübersekretion Erhaltung oder Wiederherstellung der Hypophysenfunktionen Als primäre Behandlungen stehen zur Verfügung: 1.) Operative Therapie: Transnasal-transsphenoidale Operation, in besonderen Fällen transkraniell-subfrontale Operation 2.) Radiotherapie: a.) Radiochirurgie: Gamma-knife, Linearelektronenbeschleuniger (Tumor < 25mm) b.) Konventionelle Strahlentherapie: Stereotaktisch fraktioniert und dreidimensional, konformal 3.) Medikamentöse Therapie: beim Prolaktinom; u. U. bei Akromegalie, TSH-, FSH/(LH)om IV. Spezifische Therapie der Hypophysenadenome 1. GH-produzierende Hypophysenadenome A. Operative Therapie 1. Wahl B. In Einzelfällen primäre medikamentöse und/oder Radiotherapie Medikamentöse Therapie (primär oder nach nicht erfolgreicher Operation): a) Dopaminagonisten (einfache Applikation, geringe Kosten) Cabergolin (Dostinex®, Cabaseril®): einschleichend, 0,25 mg 2x/Woche bis 1,0 mg tgl. abends b) Lang wirkende Somatostatin-Analoga (hohe Kosten) Vortestung mit kurz wirksamem s.c. Sandostatin wünschenswert. Octreotid (Sandostatin LAR®): 10-40 mg intramuskulär alle 4 Wochen oder Lanreotid (Somatuline Autogel®): 60-180 mg alle 4 Wochen tief s.c. c) bei nicht ausreichender Wirkung Kombination von a und b versuchen Cabergolin und Somatostatinanaloga können auch eine Tumorverkleinerung bewirken 130 TAKO - Neuroonkologie Hypophysentumore d) bei nicht ausreichender Wirkung GH-Rezeptorantagonist (Pegvisomant, Somavert®, sehr hohe Kosten) 10-30 (40) mg tgl. s.c.; dosisabhängige IGF-1 Suppression (GH in Therapiekontrolle nicht brauchbar); engmaschige Kontrolle der LFP in den ersten Behandlungsmonaten C. bei unzureichendem operativem Ergebnis sollte Strahlentherapie bei jüngeren PatientInnen und bei erhaltener Hypophysenfunktion wegen möglicher Langzeitnebenwirkungen hinausgeschoben werden D. Präoperative Vorbehandlung über einige Monate mit Somatostatinanaloga bei PatientInnen mit hochflorider Akromegalie und Makroadenomen Remissionskriterien: normales alters-/geschlechtsspezifisches IGF-1, basales GH < 1,0 µg/L, OGTT GH < 1,0 µg/L (GH mit immunometrischem Assay) 2. Prolaktinome A. Medikamentöse Therapie 1. Wahl: Dopaminagonisten hemmen die Prolaktinsekretion und führen zu einer Tumorverkleinerung Cabergolin (Dostinex®): 0,25-0,5mg 2-4x/Woche abends Bei Unverträglichkeit andere DA-Agonisten versuchen, z. B. Bromocriptin (Parlodel®) 2,5-40mg tgl. oder Quinagolid (Norprolac®), etc. B. Operative Therapie: Indikation: Unverträglichkeit der medikamentösen Therapie, nicht ausreichende Wirkung der medikamentösen Therapie, rasch progredienter Visusverlust, großer, zystischer Tumoranteil Prolaktinom und geplante Schwangerschaft • • • Mikroprolaktinom: Bromocriptintherapie (Parlodel®, ist in der Gravidität zugelassen) um Konzeption zu ermöglichen; soll bei eingetretener Gravidität abgesetzt werden; kann bei Bedarf wieder begonnen werden Makroprolaktinom ohne Beziehung zum Chiasma: Bromocriptintherapie zur Adenomschrumpfung, dann wie Mikroprolaktinom Großes Makroprolaktinom mit Beziehung zum Chiasma: transsphenoidale operative Tumorverkleinerung, evtl mit Strahlentherapie vor geplanter Konzeption und/oder andauernder Bromocriptintherapie um die potentielle Gefahr einer neurologischen Komplikation durch Hypophysenschwellung in der Schwangerschaft zu vermindern Klinische Kontrollen in Schwangerschaft notwendig, bei großen Makroadenomen monatliche Gesichtsfeldkontrollen, bei Bedarf MRT. 131 TAKO - Neuroonkologie Hypophysentumore 3. ACTH-produzierende Hypophysenadenome: A. Operative Therapie 1. Wahl Remissionskriterium: postoperative sekundäre NNR-Insuffizienz bzw. normales Harnkortisol und vollständige Kortisolsuppression nach low dose Dexamethason B. Medikamentöse Therapie bei Misserfolg der operativen Therapie Hemmung der adrenalen Steroidsynthese mit Ketoconazol (Nizoral® aus Deutschland) 2x200 bis 3x400 mg tgl., oder Metyrapon (Metopiron®) oder Aminoglutethimid (Orimeten®), oder Mitotane (op-DDD, Lysodren® aus USA) oder eine Kombination dieser Mittel (kleinere Einzeldosen, bessere Verträglichkeit) Wenn i.v. Applikation notwendig: Ethomidate (Hypnomidate®) Dauerinfusion SOM230, neues Somatostatinanalogen zur Hemmung der ACTH Sekretion in Erprobung C. Radiotherapie: besonders zu empfehlen, wenn Adrenalektomie geplant ist D. Bei Persistenz des Hyperkortisolismus: beidseitige laparoskopische Adrenalektomie als Ultima Ratio (Cave: Entwicklung eines Nelson-Syndroms) 4. TSH produzierende Hypophysenadenome: A. Operative Therapie 1. Wahl B. Medikamentöse Therapie bei unzureichendem operativen Ergebnis mit Somatostatin-Analoga; Cabergolin kann in Einzelfällen hilfreich sein C. Radiotherapie 5. Hormoninaktive Hypophysenadenome: A. Abwartende Haltung bei kleinen, zufällig entdeckten Inzidentalomen, die nicht zu Partialfunktionsstörung oder zu neurologischen Symptomen geführt haben B. Operative Therapie bei Makroadenomen C. Medikamentöser Therapieversuch bei FSH/(LH) oder Alphaketten produzierenden Adenomen mit Somatostatin-Analoga, evtl in Kombination mit Cabergolin D. Radiotherapie 132 TAKO - Neuroonkologie Hypophysentumore V. Kraniopharyngeome Inzidenz bis zum 14. Lebensjahr 1,2/1.000.000 Histologisch finden sich vorwiegend adamantinöse (ca. 90%) und selten papilläre (ca. 10%, praktisch immer suprasellär) Kraniopharyngeome 1. Klinische Symptomatik Hormonelle Ausfälle häufig: bei Kindern Minderwuchs und Pubertätsverzögerung im Vordergrund, bei Erwachsenen Hypogonadismus; auch Diabetes insipidus Sehstörungen: Verminderte Sehleistung, Gesichtsfelddefekte, Doppelbilder Kopfschmerzen, Hirndrucksymptomatik 2. Diagnostik analog zu den Hypophysenadenomen; CT zur Darstellung der Verkalkungen sinnvoll. Kalzifikationen und Zystenbildung charakteristisch 3. Therapie A. Operative Therapie 1. Wahl: radikal soweit ohne großes Risiko möglich a) transkranielle oder transsphenoidale Tumorexstirpation b) Druckentlastung (Shunt-OP) bei Hydrocephalus occlusus c) stereotaktische Zystenentfernung und innere Shuntung (bei zystischen Kraniopharyngeomen) B. Radiotherapie bei kleinen Tumoren oder postoperativ bei inkompletter Tumorentfernung a) stereotaktische fraktionierte Strahlentherapie bei jüngeren Patienten b) dreidimensionale Strahlentherapie mit nonplanaren Einstrahlrichtungen und hochenergetischen Photonen (Gesamtdosis 50,4-54 Gy, Einzeldosis 1,8-2 Gy 5x/Woche) C. Operation mit nachfolgender Strahlentherapie häufig notwendig 133 TAKO - Neuroonkologie Hypophysentumore VI. Hormonsubstitutionstherapie Eine Insuffizienz des kortikotropen und thyreotropen Systems muss präoperativ substituiert werden. Postoperativ ist eine komplette Evaluierung der hypophysären Hormonsysteme (inklusive Wachstumshormon) mittels Funktionstests notwendig. Hormondefizite müssen substituiert werden. Tabelle 5: Substitutionstherapie Partialfunktion Antidiuretisches Hormon (ADH) Substitutionstherapie Desmopressin (z.B. Minirin®) 5-2x20 μg intranasal; auch perorale oder intravenöse Applikatotion möglich Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse Hydrocortison (Hydrocortone®) 15-30 mg tgl. p.o.; 2/3 der Dosis am Morgen, 1/3 am Nachmittag DHEA 25 (-50) mg tgl. p. o. Wachstumshormon (GH) Hypophysen-Gonaden-Achse Rekombinantes GH s.c., angepasst an IGF-1 Mann: Testosteron als Testogel® 50 mg tgl. transdermal oder Nebido® alle 10-14 Wochen i. m. Frau: Östrogen/Gestagen Kombination oder Kontrazeptivum p. o. oder transdermal Hypophysen-Schilddrüsen-Achse L-Thyroxin 50 -200 μg p.o. tgl. Cave: zur Therapiekontrolle fT3 und fT4 Bestimmung, TSH nicht geeignet! PatientInnen mit Kortikotropinmangel brauchen einen Notfallsausweis, aus dem die Substitutionsbedürftigkeit und die Notwendigkeit höherer Kortisondosen in Stresssituationen hervorgeht. VII. Nachsorge Bildgebung: MRT nach 2-3, (6), 12 Monaten; weiterhin jährlich oder in größeren Intervallen Hormonelle Diagnostik: Hypophysenfunktionstest (inklusive Wachstumshormon) nach 2-3 Monaten; meistens regelmäßige endokrinologische Kontrollen erforderlich, insbesondere bei PatientInnen mit Hypophyseninsuffizienz und nach Radiotherapie Opthalmologische Kontrolle: nach 2-3 Monaten, später nach Bedarf In Abhängigkeit davon weiterführende, interdisziplinäre neurochirurgische strahlentherapeutische und endokrinologische Therapie 134 TAKO - Neuroonkologie Hypophysentumore Verfasser: Dr. Jürgen-Volker Anton Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] OA Dr. Meinhard Nevinny Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-22801 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] Ass.Prof. Dr. Gerd Finkenstedt Univ.-Klinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Endokrinologische Ambulanz, Ambulanzzeiten Mo – Fr. 8 – 10 h, telefonische Anmeldung erforderlich Tel: 0043-512-504-24109 Fax: 0043-512-504-24105 E-mail: gerd.fi[email protected] 135 TAKO - Neuroonkologie Notizen 136 TAKO - Neuroonkologie Meningeome Meningeome I. Epidemiologie Meningeome werden als gutartige Tumoren betrachtet und repräsentieren 10-19% aller Hirntumoren. Meningiome stellen den Großteil der Schädelbasistumoren dar, sodaß der Terminus der „anatomischen Malignität“ im Gegensatz zur biologischen Malignität, in diesem Bereiche für Meningiome anzuwenden ist. Die Altersverteilung ist homogen, bei Kindern kommen sie jedoch nur unter 2% vor. II. Lokalisation Die Prädilektions-Lokalisation liegt in 50-60% im Bereich der cerebralen Konvexität und der Falx, in 25-40% im Bereiche der Lamina cribrosa (Olfactoriusmengiom) und der vorderen Schädelgrube und in 15% im Bereich des Tentoriums und der hinteren Schädelgrube. In 5% der Fälle treten sie multipel auf. In diesem Falle wird in der Regel ein Defekt am Chromosom 21 nachgewiesen. III. Histologie Neben den histologischen Subtypen werden die Meningeome nach ihrem biologischen Verhalten eingeteilt: typische (WHO Grad I), atypische (Grad II) und maligne (WHO Grad III). Die Häufigkeit dieser einzelnen Graduierungen liegt bei 89%, 10% und 1%. Eine Metastasierung der malignen Meningiome in andere Organe kommt in 0,1% vor (3 Eigenbeobachtungen). IV. Symptomatik Je nach Lokalisation werden die Meningiome mit einem epileptischen Anfall, psychischen Veränderungen, fokalen neurologischen Ausfällen oder -charakteristisch -mit einer Geruchsstörung symptomatisch. V. Diagnostik Klinische neurologische Untersuchung, CT, MRT und in ausgewählten Fällen cerebrale Angiographie 137 TAKO - Neuroonkologie Meningeome VI. Therapie Anzustreben ist die chirurgische Radikaloperation, wobei auch der Ansatz mitreseziert werden muß (Simpson Graduierung I-V; von radikal mit Resektion des Ansatzes bis hin zur Biopsie). Menigiome im Bereiche der Schädelbasis gehören zu den schwierigsten neurochirurgischen Eingriffen, wobei vielfach nur eine Teilresektion des Tumors gelingt. In manchen Fällen kann eine präoperative angiographisch durchgeführte Tumor-Embolisation hilfreich sein. Im Falle eines Rezidivtumors wird in erster Linie wiederum die Reoperation anzustreben sein, gefolgt von einer Strahlentherapie bis 60 Gy oder Radiochirurgie. Experimentelle Therapien werden mit Progestesteronrezeptorenblockern oder Hydroxyurea durchgeführt. Da 70% der Meningiome Progesteron-Rezeptoren exprimieren, wird an einigen Zentren gemäß eines experimentellen Protokolles ein Antiprogesteron (Mifepristone-RU 486) mit wechselndem Erfolg eingesetzt. Hydroxyurea zeigte an unserer Institution keinen Effekt. VII. Klinische Therapie-Studie 1. Meningeoma Trial 26021- 22021 (EORTC Studie) „Observation vs conventional-fractionated radiotherapy after surgery after non-radical surgery for benign meningeomas: a phase III study study“ Studiendesign: multizentrische, offene Phase III Studie. Die Patienten werden nach subtotaler Resektion eines benignen Meningeoms (WHO I) in eine Kontrollgruppe oder in einen Bestrahlungsarm randomisiert. Studienleiter in Innsbruck: Univ.-Prof. Dr. H. Kostron 2. Ergebnisse Die mittlere Überlebenszeit beträgt 12 Jahre. Die chirurgische Mortalität erreicht in Abhängigkeit der Lokalisation bis zu 14%. Die Rezidivrate aller Meningeome beträgt innerhalb von 25 Jahren 9-55%. Typische Meningeome weisen eine Rezidivrate von 3% innerhalb von 5 Jahren und 21% nach 25 Jahren auf, atypische 38% nach 5 Jahren und maligne Meningiome bis zu 78% innerhalb von 5 Jahren. 138 TAKO - Neuroonkologie Meningeome Meningosarkome Seltener Tumor des Kindes und Adoleszenzalters, mit multilokalem Befall, welcher häufig auch den Spinalkanal betrifft. Bei raumforderder Wirkung wird die operative Dekompression angestrebt, eine externe Bestrahlung kann versucht werden, die Prognose ist jedoch schlecht. Primäre Melanocytome der Meningen Diese seltenen Tumorformen umfassen meningeale Melanocytome (melanocytische Meningiome) und die meningeale Melanose, sowie primäre maligne Melanome. Während die Prognose der Erstgenannten der der atypischen Meningiome entspricht, ist die Prognose des letzteren infaust. Literatur Kreil W, Luggin J, Fuchs I, Weigl V, Eustacchio S, Papaefthymiou G. (2005) Long term experience of gamma knife radiosurgery for benign skull base meningiomas. J Neurol Neurosurg Psychiatry 76:1425-30 (Review) Maiuri F, Cappabianca P, Iaconetta G, Esposito F, Messina A (2005) Simultaneous presentation of meningiomas with other intracranial tumours. Br J Neurosurg 19:368-75 Mendenhall WM, Friedman WA, Amdur RJ, Foote KD. (2004) Management of benign skull base meningiomas: a review. Skull Base 14:53-60 Morita A, Coffey RJ, Foote RL, Schiff D, Gorman D. (1999) Risk of injury to cranial nerves after gamma knife radiosurgery for skull base meningiomas: experience in 88 patients. J Neurosurg 90:42-9 Shenoy SN, Munish KG, Raja A (2004) High dose radiation induced meningioma. Br J Neurosurg 18:617-21 Stafford SL, et al. (1998) Primarily resected meningiomas: outcome and prognostic factors in 581 Mayo Clinic patients, 1978 through 1988. Mayo Clin Proc 73:936-42 Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Herwig Kostron Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] OA Dr. Meinhard Nevinny Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-22801 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] 139 TAKO - Neuroonkologie Notizen 140 TAKO - Neuroonkologie Tumoren der Nerven und Nervenscheiden Tumoren der Nerven und Nervenscheiden Neurinome bzw. Schwannome sind seltene, langsam und verdrängend wachsende, gutartige Geschwülste der Nerven. Lediglich bei Neurofibromatose findet sich ein gehäuftes und multilokuläres Auftreten. Schwannome enstehen im Bereiche der Übergangszone Oligodendroglia-Schwannzelle und finden sich am häufigsten als Schwannom des N. vestibularis (Akustikusneurinom). Obwohl Neurinome bzw. Schwannome prinzipiell an allen Nerven auftreten können, ergibt sich eine wesentliche klinische Relevanz bezüglich ihrer Häufigkeit, Lokalisation und Symptomatik meist nur bei den Akustikusneurinomen oder auch vestibulären Schwannomen. Im Bereich anderer Hirnnerven, wie z. B. dem N. trigeminus, N. abducens oder N. glossopharyngeus sind Neurinome selten. Es sollen hier deshalb die Akustikusneurinome in Stellvertretung der anderen Neurinome der Hirnnerven im Zentrum der Betrachtung stehen. I. Akustikusneurinome (vestibuläre Schwannome) Mit einer Inzidenz von ca. 1 pro 100.000 machen Akustikusneurinome etwa 8-10% aller intrakraniellen Tumoren aus und sind vor allem im mittleren Lebensalter zu finden. Sie gehen meist von der Pars superior des N. vestibularis aus, liegen somit unmittelbar vor dem Porus acusticus internus und sind in mehr als 90% der Fälle einseitig. Beidseitige Akustikusneurinome treten bei einer Neurofibromatose Typ II auf. 1. Klinik Akustikusneurinome zeichnen sich meist durch eine langsam zunehmende, einseitige Hörminderung, einen hochfrequenten Tinnitus und einen langsam zunehmenden Schwankschwindel mit Gangstörungen und Fallneigung zur betroffenen Seite aus. Nur bei einem kleinen Teil der Patienten kommt es zu einer akuten Hypakusis durch Ischämie der A. labyrinthi oder zu Symptomen auf Grund einer Kompression benachbarter Hirnnerven und des Hirnstammes (Sensibilitätsstörungen, Parästhesien, Gangstörung und/ oder Kleinhirnzeichen). Erst bei sehr fortgeschrittenen Akustikusneurinomen können auch Hirndrucksymptome im Rahmen einer Liquorabflußstörung auftreten. Differentialdiagnostisch ist an Meningeome oder andere raumfordernde Kleinhirnbrückenwinkeltumo re, wie z.B. Epidermoide oder Metastasen, zu denken. 2. Diagnose Radiologische Spezialaufnahmen des Felsenbeins in Schüller-Stenvers-Technik zur Beurteilung des Porus acusticus internus wurden zwischenzeitlich durch hochauflösende CT-Feinschichtungen ersetzt. Als beste bildgebende Methode steht heute aber die MRT der hinteren Schädelgrube mit einer 1mm dicken axialen und coronaren Schichtung in T1 mit Kontrastmittel, mit der auch kleine intrameatale Neurinome dargestellt werden können, und in T2 zum Ausschluß eines Hirnstamm-Ödems bei größeren Neurinomen zur Verfügung. Neben der klinisch-neurologischen Befundung gehören eine audiologische Untersuchung und die Untersuchung akustisch evozierter Potenziale (beide in 90% der Erkrankungsfälle pathologisch), sowie eine Elektronystagmografie mit kalorischer Prüfung zum Spektrum der funktionalen Untersuchung. 141 TAKO - Neuroonkologie Tumoren der Nerven und Nervenscheiden 3. Therapie Wesentliches Ziel der Therapie ist es, den Tumor entweder chirurgisch zu entfernen oder durch eine geignete Form der Radiotherapie am Wachstum zu hindern. Es gilt dabei die Funktion des N. fazialis als auch das Gehör des betroffenen Ohres zu erhalten. Allerdings ist beim neurochirurgischen Eingriff wie bei der Radiochirurgie häufig eine Hörverschlechterung um einen Grad nach der von Samii und Matthies angegebenen Skala (Samii Samii et al. 1997 1997) zu erwarten. Auch Ertaubungen sind sowohl bei Operation als auch bei Bestrahlung möglich. Gelegentlich lassen sich aber auch Verbesserungen des Hörvermögens mittels der stereotaktischen Radiotherapie erreichen (Niranjan et al. 1999; Poen et al. 1999). 4. „Wait and see“ Prinzipiell besteht die Möglichkeit, Akustikusneurinome zunächst nur zu beobachten da die Wachstumsgeschwindigkeit von Neurinomen bei ca. 4mm/Jahr liegt. Die lokale Kontrolle ohne Therapie liegt aber nur bei 24%. Bei 40% der Patienten sind im weiteren Verlauf dann doch Operationen oder Strahlentherapien erforderlich, wobei infolge der Größenzunahme die therapiebedingten Nebenwirkungen ansteigen. Der Hörerhalt nach 4 Jahren ist ähnlich wie nach einer primären fraktionierten Radiotherapie (Shirato et al. 1999). Es wird deshalb unsererseits eine abwartende Strategie bei Tumoren größer als 8 mm nicht mehr empfohlen. 5. Chirurgie Mittels eines mikrochirurgischen Eingriffes, der über drei Zugangswege gelingt, liegt heute die Rate der kompletten Tumorektomien mit postoperativer Erhaltung des Hörvermögens bei 24-57% (Samii Samii et al. 1997 1997). In bis zu 93% ist eine Erhaltung des N. fazialis möglich, wenn auch die Hälfte der Patienten in der frühen postoperativen Phase eine später rückläufige Fazialisparese aufweist. Ausfälle oder Einschränkungen anderer Hirnnerven sind selten (<3%). Eine Beeinträchtigung der Hirnstammfunktion wurde bei 8,5% der operierten Patienten beobachtet. Ähnlich liegen die Komplikationsraten für Liquorfisteln oder Nachblutungen. Die Operationsmortalität liegt heute bei 0%. Bei sehr großen Tumoren, wo die Gefahr der Nervschädigung sehr groß ist, wird der Tumor verkleinert und eine Strahlentherapie angeschlossen. 6. Strahlentherapie A. Radiochirurgie Durch die Einführung der stereotaktischen Radiotherapie bzw. der Radiochirurgie, ist es heute möglich, Akustikusneurinome bei optimaler Schonung des umgebenden Normalgewebes mit hohen Einzeldosen oder, wie im Falle der Radiochirurgie, mit einer Einzeldosis zu bestrahlen, und hierdurch die Therapieergebnisse der herkömmlichen Strahlentherapie mit konventioneller Fraktionierung zu übertreffen. Von einer stereotaktischen Radiotherapie spricht man, wenn das zu bestrahlende Volumen über externe Koordinaten bestimmt wird, die z.B. auf einem mit dem Kopf (mittels Knochenschrauben) fest verbundenen 142 TAKO - Neuroonkologie Tumoren der Nerven und Nervenscheiden Rahmen markiert sind. Die hiermit zu erreichende Präzision des Strahls liegt bei einer Abweichung von ca. 1mm. Diese Präzisionsbestrahlung kann sowohl mittels eines Gamma-Knife-Gerätes als auch mittels eines speziell ausgerüsteten Lineabeschleunigers erfolgen. Eine in verschiedenen Studien beschriebene geringfügig niedrigere Kontrollrate (und Nebenwirkungsrate) bei Einzeittherapie mittels Linearbschleuniger gegenüber dem GammaKnife trotz gleicher Nominaldosis kann auf eine historisch unterschiedliche Dosis-Normierung zurückgeführt werden und wurde in jüngeren Studien mit gleicher Dosis-Normierung nicht bestätigt (Suh et al. 2000). Im Vergleich der Therapieergebnisse zwischen Mikrochirurgie und Radiochirurgie schneidet die Radiochirurgie hinsichtlich der Langzeitkontrollraten und insbesondere hinsichtlich des Toxizitätsprofils besser ab. Ein Vergleich der Behandlungsergebnisse der Universität Pittsburgh zeigte bei Tumoren < 3cm eine deutlich bessere Erhaltung des Gehörs und eine signifikant geringere Nervschädigung nach Radiochirurgie. Die Langzeit-Tumorkontrollraten lagen bei 85-90%. Neuere Langzeituntersuchungen ergaben Kontrollraten von 95%. Ein aktueller nicht-randomisierter Vergleich zwischen Gamma-Knife-Einzeit-Radiotherapie und Operation bei geringerer Nachbeobachtungszeit in der operierten Gruppe ergab gleiche Kontrollraten nach OP und RT, aber ebenfalls ein deutlich günstigeres Toxizitätsprofil (Karpinos et al. 2002). Das Risiko einer Fazialisparese nach Radiochirurgie liegt heute unter 1%. Die Höhe der Einzeldosis bei einer Radiochirurgie ist noch in Diskussion. Um die Rate der beschriebenen Langzeitschäden (Neuropathien) auf unter 5% zu senken, wurden in den letzten Jahren die Dosen auf 9-15 Gy gesenkt (Kondziolka et al. 2001). B. Fraktionierte stereotaktische Radiotherapie Vorteilhaft zeigt sich bezüglich der Nebenwirkungen, insbesondere hinsichtlich des Hörverlustes, die fraktionierte stereotaktische Radiotherapie mit mehreren Einzeldosen von 5-6 Gy (hypofraktionierte Radiotherapie), oder mit einer Normalfraktionierung mit Einzeldosen von 1,8 Gy bis zu einer Gesamtdosis bis 57,6 Gy. Hierbei wird zwar durch die Wiederholung der Bestrahlung eine etwas geringere Präzision erzielt, da eine wiederholte Lagerung mittels Knochenschrauben in einem Stereotaxie-Ring ausscheidet, jedoch kann bei gutem Zahnstatus über einen Oberkiefer-Zahnabdruck, der mittels eines Vakuumsystems am Gaumen angesaugt wird, immerhin eine Genauigkeit von 1-2 mm erreicht werden. Die lokalen Kontrollraten nach hypofraktionierter und konventionell fraktionierter Radiotherapie liegen bei 91 und 92% nach 5 Jahren (Shirato et al. 2000; Meijer et al. 2000) mit einer Größenreduktion des Tumors bei ca. 45% der Patienten, und mit 4% Komplettremissionen. Die Erhaltung des Hörvermögens am bestrahlten Ohr gelang nach 5 Jahren bei 85% der Patienten (ohne Neurofibromatose 100%, mit Neurofibromatose 56%) während nach Radiochirugie hier nur Raten zwischen 36 und 51% angegeben werden (Fuss et al. 2000). Die Rate der Fazialisparesen lag in diesen Studien nur bei 2%, diejenige der Trigeminusneuralgien nur bei 3 bzw. 4%. Einen gewissen Einfluss auf die Art des Vorgehens hat vor allem die Tumorgröße, da mit einer Größenzunahme die Nebenwirkungen auf Grund des sich ebenfalls vergrößernden Bestrahlungsvolumens zunehmen. So ergeben sich Vorteile einer fraktionierten Radiotherapie vor allem ab einer Tumorgröße von >2cm. Somit scheint sich die fraktionierte Strahlentherapie gegenüber der Radiochirugie oder Einzeitbestrahlung (am Gamma-Knife oder am Linearbeschleuniger) durchzusetzen. Endgültige Ergebnisse zum klinischen Vergleich zwischen Radiochirurgie und fraktionierter stereotaktischer Radiotherapie liegen aber trotz länger laufender Studien (Ito et al. 1997; Varlotto et al. 1996) derzeit noch nicht vor, da nur in wenigen Serien längere Beobachtungszeiten von mehr als 12 Jahren erreicht wurden. 143 TAKO - Neuroonkologie Tumoren der Nerven und Nervenscheiden C. Postoperative Radiotherapie Mit einer postoperativen, konventionell fraktionierten Strahlentherapie konnten bei inkomplett operierten Patienten die Lokalrezidivraten von 46% auf 6% vermindert werden (Wallner Wallner et al. 1987 1987). Übliche Bestrahlungsdosen sind 50-55 Gy in Einzeldosen zu 1,8 Gy. Bei nahezu vollständiger Resektion ist ein Zuwarten gerechtfertigt. D. Andere Lokalisationen: Auch Neurinome anderer Hirnnerven können radiochirurgisch behandelt werden. Indikationen bestehen vor allem bei kleinen, operativ schwer zugänglichen oder inkomplett operierten Tumoren. Günstig sind die Ergebnisse bei Trigeminus-Neurinomen. Allerdings sind die beobachteten Fallzahlen hier noch klein. II. Maligne Schwannome Maligne Schwannome können von allen peripheren Nerven bzw. Nervenscheiden ausgehen und zeigen einen malignen Verlauf mit rascher Rezidivierung und Metastasierung. Therapie Eine Radikalexstirpation (soweit möglich) und eine postoperative Radiotherapie mit Gesamtdosen über 60 Gy (auch nach in sano-Resektion) in Einzeldosen von 1,8-2,0 Gy, sowie eine sequentielle oder auch simultane Chemotherapie mit Ifosfamid sind die geeigneten aggressiven Therapieformen. In der Palliation kommen eine primäre Radiotherapie oder eine primäre Chemotherapie mit Ifosfamid mit jeweils reduzierten Dosen in Frage. Therapieverlauf und Prognose entsprechen im Wesentlichen dem von anderen Weichteilsarkomen (siehe auch TAKO-Protokoll Weichteilsarkome). III. Anaplastische Neurofibrome Anaplastische Neurofibrome sind extrem selten und weisen einen malignen Verlauf auf. Die konventionelle Strahlentherapie ist im wesentlichen wirkungslos, einen guten Effekt zeigt gemäß ersten Berichten die Radiochirurgie mittels Gamma-Knife oder Linearbeschleuniger. Studienergebnisse mit größeren Patientenzahlen liegen hierzu jedoch noch nicht vor. Die Therapie entspricht derjenigen der Neurinome. Anhang: Neurofibromatose 1. Neurofibromatose Typ 1 repräsentiert 90 % aller Neurofibromatosefälle wird autosomal dominant vererbt und weist eine Häufigkeit von 1 auf 3.000 auf in der Regel zeigt sich die NF-1 innerhalb der ersten 5 Lebensjahre 144 TAKO - Neuroonkologie Tumoren der Nerven und Nervenscheiden Diagnostische Kriterien: 2 oder mehr der folgenden Merkmale 6 oder mehr Café-au-lait-Flecken 2 oder mehr Neurofibrome „Sommersprossen“ in der Axilla oder Leiste Opticus-Gliom 2 oder mehr Lisch-Knötchen Dysplasie des Os spenoidale oder der langen Röhrenknochen Verwandschaftverhälntis Grad 1 mit einer an NF-1 erkrankten Person 2. Neurofibromatose Typ 2 gilt als zentrale Form der NF und trifft 1 aus 50.000 und repräsentiert 10% der NF wird ebenso autosomal dominant vererbt Molekularbiologisch findet sich ein Defekt am Chromosom 22. In 25 % treten Meningiome assoziert zur NF-2 auf. Diagnostische Kriterien: 2 oder mehr Merkmale weisen auf eine NF-2 hin beidseitiges Akustikusneurinom Verwandtschaftsverhältnis Grad 1 mit einer an NF-2 erkrankten Person einseitiges Akustikusneurinom oder 2 der folgenden Tumoren: Neurofibrom, Meningiom, Gliom, Schwannom, preseniler Katarakt Literatur Andrews DW, Suarez O, Goldman HW et al. (2001) Stereotactic radiosurgery and fractionated stereotacitic radiotherapy for the reatment of acoustic schwannomas: comparative observation of 125 patients treated at one institution. Int J Radiat Oncol Biol Phys 50:1265 -1278 Fuss M, Debus J, Lohr F, Huber P, Rhein B, Engenhart-Cabillic R, Wannenmacher M (2000) Conventionally fractionated stereotactic radiotherapy (FSRT) for acoustic neuromas. Int J Radiat Oncol Biol Phys 48:1381-7 Ito K, Kurita H, Sugasawa K, Mizuno M, Sasaki T (1997) Analysis of neurootological complications after radiosurgery for acoustic neurinomas. 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Es besteht eine Assoziation mit einem angeborenen oder erworbenen Immundefekt und zu Epstein Bar Virus Infektionen. PZNSL zeigen eine Zunahme in den letzten Jahren, sowohl bei immunkompetenten als auch bei immunsupprimierten Personen. Die Inzidenz beträgt ca. 2 bis 5% aller primären intrakraniellen Tumoren mit einem Häufigkeitsgipfel im 5. bis 7. Lebensjahrzehnt. Bei Patienten mit AIDS treten PZNSL dagegen bei 0,4% bis 1% aller Erkrankten auf. Die mediane Überlebenszeit ohne Therapie beträgt 1-2 Monate und mit Steroidtherapie 2-3 Monate. Klinisch zeigen mehr als 50% der Patienten ein hirnorganisches Psychosyndrom, seltener sind fokale neurologische Symptome, Anfälle und Hirnnervensymptome. Die Kernspintomographie ist die sensitivste Nachweismethode der in der Regel intensiv Kontrastmittel aufnehmenden, oft periventrikulär lokalisierten unilokulären oder multilokulären Raumforderungen. Der Liquor zeigt in weniger als der Hälfte der Fälle einen pathologischen Befund, wobei ein sicherer zytopathomorphologischer oder immunzytochemischer Nachweis (mit CD20 Antikörpern) selten gelingt. II. Untersuchungen - - klinisch-neurologische Untersuchung MRT ohne und mit Gadolinium Liquordiagnostik, inklusive einer immunzytochemischen Färbung des Zellzentrifugates mit Markern gegen B-Zell-, T-Zell- und Pan-Lymphozyten-Oberflächenantigene. Letztere Untersuchung ist nur bei erhöhter Zellzahl sinnvoll. Augenärztliche Untersuchung, inklusive Spaltlampenuntersuchung HIV-Test, Immunstatus bei Verdacht auf Immunsuppression histologische Diagnosesicherung mittels stereotaktischer Biopsie Vor der Stereotaxie muß die Gabe von Steroiden, wenn möglich, vermieden werden, da diese die histologische Diagnose eines Lymphoms erschwert oder verhindert1. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn mit einer Osmotherapie allein eine Hirndrucksymptomatik nicht beherrscht werden kann. Im Einzelfall erforderlich Bei Nachweis einer neu aufgetretenen parenchymatösen Raumforderung im Gehirn, die histologisch als Lymphom diagnostiziert wird, ist bei Patienten mit bis zu diesem Zeitpunkt blander Anamnese in Bezug auf ein systemisches Lymphom von einem PZNSL auszugehen. Ein Staging zum Nachweis oder Ausschluß eines systemischen Lymphoms ist dann nicht erforderlich. 147 TAKO - Neuroonkologie Primäre ZNS-Lymphome Bei primärer leptomeningealer Aussaat werden jedoch folgende Staging-Untersuchungen empfohlen: - - CT Hals/Thorax/Abdomen/kleines Becken Palpation und Sonographie von Lymphknotenstationen Knochenmarkpunktion mit Zytologie und Histologie Klinische und gegebenenfalls weitergehende Untersuchungen zum Ausschluss einer weiteren extranodalen Manifestation wie beispielsweise des Hoden (Palpation, Sonographie), des Knochen (Hyperkalzämie, Osteolyse, Knochenschmerz) oder der Haut HNO-ärztliche Untersuchung Erst bei fehlendem Nachweis eines systemischen Lymphoms durch dieses Staging wird die Diagnose eines PZNSL gestellt. Bei Nachweis von Lymphomzellen im Glaskörper nach Glaskörperspiration oder Vitrektomie i.R. eines okulären Befalles oder von Lymphomzellen im Liquorzytozentrifugat wird bei charakteristischer klinischer und bildgebender Situation die definitive Diagnose auch ohne stereotaktische Biopsie gestellt. Diese Situation ist selten. III. Therapie 1. Steroide Typisch, aber nicht spezifisch für PZNSL ist eine Remission der zerebralen Läsionen nach Gabe von Steroiden in ca. 40% der Fälle. Diese Remissionen dauern in der Regel nur wenige Wochen oder Monate, können aber in Ausnahmen mehrere Jahre anhalten. Eine stereotaktische Biopsie ist nach Rückbildung zerebraler Läsionen unter Steroiden nicht aussichtsreich und sollte erst bei erneuter Progredienz durchgeführt werden1. 2. Operative Intervention Die neurochirurgische Exstirpation eines zerebralen Lymphoms ist nicht indiziert und hat keinen Einfluss auf die Prognose. Methode der Wahl ist die stereotaktische Biopsie der meist periventrikulär lokalisierten Raumforderung(en). 3. Konventionelle Strahlentherapie Bei ca. 80% der Patienten mit PZNSL läßt sich durch eine alleinige Strahlenbehandlung mit 40 bis 60 Gy eine vollständige Tumorremission erreichen. „Die Strahlentherapie ist jedoch nicht kurativ, da Rezidive bei mehr als 90% der Patienten auftreten und in ca. 80% lokoregional die bestrahlte Region betreffen2. Die mediane Überlebenszeit nach alleiniger Strahlentherapie beträgt 12–18 Monate und ist für über 60-jährige Patienten noch kürzer. Diese Ergebnisse können weder durch eine Modifikation der Strahlentherapie (Ganzhirnbestrahlung mit 148 TAKO - Neuroonkologie Primäre ZNS-Lymphome lokalem “boost“, Bestrahlung der gesamten Neuroachse) noch durch eine Dosiserhöhung über 50 Gy Ganzhirnbestrahlung verbessert werden. Neurotoxische Folgeschäden betreffen mindestens 10% aller Patienten. Obwohl die alleinige Strahlentherapie nicht randomisiert mit einer alleinigen Chemotherapie oder mit einer Kombination von Chemotherapie und Strahlentherapie verglichen wurde, ist sie heute nicht mehr als Therapie der ersten Wahl nach Diagnose eines PZNSL bei immunkompetenten Patienten anzusehen1. 4. Chemotherapie Zahlreiche unizentrische und oligozentrische Serien belegen die Wirksamkeit einer alleinigen Chemotherapie beim PZNSL, darunter die Daten der einzigen systematischen, prospektiven, multizentrischen Studie zur Chemotherapie durch die NOA (Neuro-Onkologische Arbeitsgruppe der Deutschen Krebsgesellschaft; NOA-03Studie). Dabei wurde die Wirksamkeit einer systemischen Monotherapie mit Methotrexat in einer Einzeldosis von 8 g/m2 KOF über mehrere Zyklen untersucht. Die Gesamt-Remissionsrate lag bei 35%. Deshalb wurde die Studie nach 37 evaluierbaren Patienten vorzeitig abgebrochen3. Die Zwischen-Evaluation einer anderen deutschen oligozentrischen Studie4 zur Überprüfung der Wirksamkeit einer kombinierten systemischen und intraventrikulären Polychemotherapie unter Einschluß von hochdosiertem Methotrexat und Cytarabin ergab nach 65 evaluierbaren Patienten eine Gesamtremissionsrate von 69% und eine mediane Überlebenszeit von 50 Monaten. Aus der aktuellen Datenlage zur alleinigen Chemotherapie der PZNSL können folgende Schlußfolgerungen Schlu folgerungen gezogen werden: - Chemotherapieprotokolle, die bei hochmalignen extraneuralen Non-Hodgkin Lymphomen wirksam sind, sind beim PZNSL ineffektiv. die wirksamste Chemotherapie bei PZNSL ist Hochdosis-Methotrexat, mindestens 1,5g/m2 KOF pro Einzeldosis. nach den deutschen Erfahrungen3 führt Methotrexat allein jedoch nur bei ca. 35% der Patienten zu einer Remission. die Kombination von Methotrexat mit Cytarabin ist wahrscheinlich wirkungsvoller als die Monotherapie mit Methotrexat5. Hinweise für einen Nutzen einer zusätzlich zur systemischen, hochdosierten MTX-Chemotherapie applizierten intraventrikulären Chemotherapie gibt es nicht5. 5. Chemotherapie in Kombination mit Strahlentherapie Um die Behandlungsergebnisse alleiniger Strahlentherapie zu verbessern, wurde in zahlreichen, teils unizentrisch, teils multizentrisch untersuchten Behandlungs-konzepten eine Kombination aus Strahlentherapie und Chemotherapie durchgeführt. Eine weite Verbreitung hatte das „DeAngelis“-Protokoll gefunden, das eine systemische und intraventrikuläre Methotrexat-Therapie, gefolgt von einer Ganzhirnbestrahlung unter Dexamethasongabe, mit einer anschließenden systemischen Hochdosis-Cytarabin Therapie kombinierte und unizentrisch eine mediane Gesamtüberlebenszeit von 44,5 Monaten erzielte. Das Protokoll ist heute wegen der bei über 60-jährigen deutlich vermehrt auftretenden Spätneurotoxizität umstritten6. Ob andere Protokolle, die sich auf 149 TAKO - Neuroonkologie Primäre ZNS-Lymphome systemische Methotrexat-Gabe plus Ganzhirnbestrahlung beschränken und eine mediane Überlebenszeit von 3045 Monate erzielen, späte Neurotoxizität weitgehend vermeiden, ist ungeklärt, da systematische Untersuchungen zur Langzeit-Neurotoxizität fehlen. Auf jeden Fall wird eine Chemotherapie nach Ganzhirnbestrahlung in den neuen Protokollen vermieden. Alleinige Chemotherapie ist bislang nur in einer Studie randomisiert mit einer Kombinationstherapie aus Chemotherapie und Strahlentherapie verglichen worden7. Diese wurde nach Einschluss von 56 Patienten vorzeitig geschlossen. In einer Nachfogestudie wird derzeit in Deutschland multizentrisch prospektiv und randomisiert eine sofortige adjuvante Schädelbestrahlung mit 45 Gy (in 30 Fraktionen a 1,5 Gy) versus Schädelbestrahlung im Rezidiv nach einer systemischen Methotrexat Monotherapie mit 4g/m2 KOF pro Einzeldosis (mit Dexamethason im Zyklus 1) über 6 Zyklen verglichen (G-PZNSL-SG1-Studie). Eine weitere prospektive Phase II Studie4 unter Leitung der Medizinischen Klinik der Universität Freiburg kombiniert für Patienten bis zum 65. Lebensjahr eine Chemotherapie mit Methotrexat, dann Cytarabin, gefolgt von einer myeloablativen Thiotepa- und BCNU-Gabe mit autologem Stammzell Rescue und nachfolgender Ganzhirnbestrahlung von 45-50 Gy. Die Remissionsrate liegt bei 90%. Das Konzept der Hochdosistherapie mit autologer Stammzell-Therapie wird auch von anderen Studiengruppen verfolgt14, wobei die kleinen Fallzahlen noch keine eindeutige Bewertung erlauben. IV. Praktisches Vorgehen Bei klinischem und radiologischem Verdacht auf ein PZNSL ist das Vorgehen weitgehend standardisiert: - Vermeiden einer Steroidgabe sofern möglich Diagnosesicherung durch stereotaktische Biopsie, nur in Ausnahmefällen durch Liquorzytologie oder Vitrektomie (s.o.) bereits möglich danach Steroidgabe Augenärztliche Untersuchung, inklusive Spaltlampenuntersuchung HIV-Test Einleitung der Therapie ohne Verzögerung, da ein PZNSL sehr rasch wachsen kann ein durch die Tumorerkrankung niedriger Karnofsky-Index (< 50) ist kein Grund zur Therapiezurückhaltung, wenn keine anderen Einschränkungen vorliegen da die Frage, welche Therapie bei PZNSL am wirksamsten und gleichzeitig am wenigsten toxisch ist, zur Zeit nicht beantwortet werden kann, sollten die Patienten in Therapiestudien eingeschlossen werden können oder wollen Patienten nicht in Studien eingeschlossen werden, ist der Einschluß von systemisch appliziertem Methotrexat in einer Einzeldosis von mindestens 1,5g/m2 KOF in den Therapieplan sinnvoll im Einzelfall sollte die Therapie im Rahmen des „Interdisziplinären neuroonkologischen Tumorboards“ (jeweils Mittwoch 11.30 im Seminarraum der Neurochirurgie, 3. Stock, MZA) festgelegt werden. 150 TAKO - Neuroonkologie Primäre ZNS-Lymphome V. Besondere Behandlungssituationen 1. HIV Infektion Eine standardisierte Therapieempfehlung kann nicht gegeben werden. Die Spontanprognose und die therapeutischen Erfolge sind beim PZNSL im Rahmen der HIV Infektion viel schlechter als bei immunkompetenten Patienten. Bei schwer immundefizienten Patienten mit AIDS definierenden Erkrankungen muß damit gerechnet werden, dass ein Drittel bereits unter einer palliativen Radiatio (z.B. mit 10 x 3 Gy) verstirbt. Ist noch keine oder nur eine unzureichende antiretrovirale Therapie eingeleitet, wird die Initiierung bzw. die Optimierung einer hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) empfohlen8. Bei HIV-positiven Patienten ohne opportunistische Infektion, in gutem klinischem Zustand und mit einer CD4 Zellzahl von >200/mm3 ist die Kombination von Strahlentherapie und einer Chemotherapie mit Procarbazin, CCNU und Vincristin oder auch eine Hochdosis-Methotrexat Therapie vertretbar. Nur einzelne Patienten profitieren von dieser Therapie. Bei Schwerstkranken sollte die Beschränkung auf rein palliative Maßnahmen als Therapieoption in Erwägung gezogen werden. 2. PZNSL über 75 Jahre Mit Ausnahme der G-PZNSL-SG1-Studie ist ein Lebensalter über 75 Jahre ein Ausschlußkriterium für die deutschen Therapiestudien. Eine Strahlentherapie ist möglich, wird in der Regel jedoch nur wenige Monate überlebt und führt möglicherweise bei langem Überleben in dieser Patientengruppe zu relevanter Neurotoxizität. Individuelle Chemotherapieversuche mit systemischen Methotrexat-Gaben >1,5 g/m2 KOF pro Einzeldosis5 können ebenso wie andere Chemotherapieprotokolle (z.B. Procarbazin, CCNU und Vincristin) oder Temozolomid9 allein im Einzelfall versucht werden. Allgemeingültige Therapieempfehlungen sind nicht möglich. 3. Okulärer Befall In welchem Umfang Cytarabin und Methotrexat, die beim PZNSL eingesetzt werden, zytotoxische Konzentrationen in Glaskörper und Uvea erreichen, ist ungeklärt. Die lokale Instillation von Methotrexat in den Glaskörper ist experimentell. Die Therapie der Wahl ist die Chemotherapie analog der bei intrazerebralem PZNSL verwendeten. Ist damit keine komplette Remmission zu erzielen, sieht das Therapieprotokoll ohnehin eine konsolidierende Strahlentherapie vor oder tritt im Verlauf ein isoliertes okuläres Rezidiv auf, wird die Bestrahlung der Orbita bds. mit einer Gesamtdosis von 30 (bis 45 Gy) in konventioneller Fraktionierung mit 1,8 Gy pro Fraktion empfohlen, wobei das Zielvolumen Glaskörper, Retina und Uvea umfasst. Zur Schonung von Linse und Schlemm’schem Kanal wird nach Applikation von 30 Gy die Ausblockung der vorderen Augenkammer empfohlen. 151 TAKO - Neuroonkologie Primäre ZNS-Lymphome 4. Therapie im Rezidiv Eine verbindliche Empfehlung zur Rezidivtherapie ist ebenfalls nicht möglich. Sicher ist jedoch, dass Patienten insgesamt von einer Therapie im Rezidiv profitieren10. Die mediane Überlebenszeit nach Rezidiv ohne Therapie beträgt ca. 2 Monate, mit Therapie mehr als ein Jahr (mit sehr heterogenen Therapiekonzepten). Ein langes Zeitintervall bis zum Eintritt des Rezidivs ist prognostisch günstig. Bei ausschließlich chemotherapierten Patienten ist in der Rezidivsituation eine Ganzhirnbestrahlung mit z.B. 20 x 2 Gy oder bei jungen Patienten (<65) mit gutem Allgemeinzustand eine myeloablative Hochdosischemotherapie mit nachfolgender Transfusion autologer hämatopoetischer Stammzellen möglich. Ist bereits kombiniert oder allein strahlentherapeutisch behandelt worden, ist also eine weitere Strahlentherapie nicht möglich, kann chemotherapeutisch behandelt werden: Günstige unizentrische Erfahrungen wurden mit Procarbazin, CCNU und Vincristin (PCV) gesammelt11, eine Hochdosis MTX Therapie kommt nach einem langen Rezidiv-freien Intervall ebenfalls in Frage. Sicher müssen in der Rezidivsituation Individualentscheidungen getroffen werden, die sich an der Gesamtsituation vor Eintritt des Rezidivs orientieren. VI. Nachsorge MRT, neurologische Untersuchung, Liquordiagnostik und augenärztliche Untersuchung sollen im ersten Jahr nach Abschluß der Therapie alle 4 Monate, in der Folgezeit halbjährlich durchgeführt werden. Zur Einschätzung potentieller neurotoxischer Spätfolgen sollte die neurologische Untersuchung jeweils auch einen Minimental State Test oder besser eine neurosychologische Testung umfassen. 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J Neurol Neurosurg Psychiatry 2001;71:118-22 Verfasser: OA Dr. Armin Muigg Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-23909 Fax: 0043-512-504-24260 E-mail: [email protected] OA Dr. Meinhard Nevinny Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-22801 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder Univ.-Klinik für Innere Medizin, Abteilung für Hämato-Onkologie, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-23255 E-mail: [email protected] 153 TAKO - Neuroonkologie Notizen 154 TAKO - Neuroonkologie Primäre Tumoren des Rückenmarks Primäre Tumoren des Rückenmarks I. Extramedulläre Tumoren 1. Meningeome und Schwannome A. Epidemiologie Rückenmarkstumoren finden sich in allen Bereichen des Spinalkanals. Intradurale Rückenmarkstumoren machen etwa 15% der Tumoren des Zentralnervensystems aus (Sloof et al. 1964). Die Inzidenz von primären Tumoren des Rückenmarks beträgt 2/100.000 Einwohner/Jahr. Etwa 2/3 der Rückenmarstumoren des Erwachsenen sind extramedullär. Der Großteil der extramedullären Tumoren rekrutiert sich aus Neurinomen (etwa 30% aller intraduralen spinalen Tumoren) und Meningeomen (etwa 25%). B. Diagnose a. Klinisch-neurologische Untersuchung Die klinisch neurologische Symptomatik hängt vom Stadium der Erkrankung und von der Höhe der Läsion im Spinalkanal ab. Neben der klassischen Entwicklung über eine langsam progrediente Querschnittslähmung sind auch bei extramedullären Tumoren plötzliche klinische Verschlechterungen beschrieben und auf die Kompression von Rückenmark-versorgende Gefäße zurückzuführen. Als erstes Symptom eines extramedullären Tumors geben die meisten Patienten Schmerzen an. Das zweithäufigste initiale Symptom ist eine Gangataxie. Weitere Symptome sind Gefühlsstörungen, Schwäche in Armen oder Beinen oder Störungen der Blasen- oder Darmfunktion. b. Präoperative Diagnostik - Nativ-Röntgen der WS Bei intraduralen Tumoren sind Zeichen einer Raumforderung im Röntgenbild bei Erwachsenen nur dann erkennbar, wenn der Tumor langsam gewachsen ist und zu Reaktionen am umgebenden Knochen geführt hat. - MRT Diagnostikum der Wahl ist die MRT. Es muß dabei auch bei thorakalen Tumoren die genaue Höhenlokalisation möglich sein. Eine Artdiagnose ist nur in Ausnahmefällen möglich. - - kann ein MR nicht durchgeführt werden: CT mit i. v. KM oder Myelographie mit Post-Myelographie-CT. Die Myelographie mit anschließender computertomographischer Darstellung der betroffenen Höhe ist bei allen Tumoren, bei denen eine Beziehung zwischen nervalen Strukturen und Knochen besteht, hilfreich. evtl. Angiographie mit Embolisation bei Verdacht auf Vorliegen eines sehr gefäßreichen Tumorknotens. Evozierte Potentiale 155 TAKO - Neuroonkologie Primäre Tumoren des Rückenmarks C. Pathologie Klassifikation nach WHO D. Therapie a. Operative Therapie: Laminektomie, ev. Hemilaminektomie oder Laminotomie Patienten mit intraduralen Tumoren der Brust- oder Lendenwirbelsäule werden in Bauchlage operiert, bei Tumoren der Halswirbelsäule in Concorde-Position. Sobald die Dura dargestellt ist, können mit intraoperativem Ultraschall der Tumor und das Rückenmark lokalisiert werden. Ziel ist eine möglichst radikale Entfernung. Ist der Tumor dargestellt, empfiehlt es sich, ihn zunächst zu enukleieren. Bei Neurinomen sollte der Versuch unternommen werden, die Nervenwurzel, von der der Tumor ausgeht, zu erhalten. Meningeome sind meist breit mit der Dura verwachsen. Bei Dermoidzysten sollte der Zysteninhalt nicht in den Subarachnoidalraum gelangen, da dadurch eine aseptische Meningitis verursacht werden kann. Bei Arachnoidalzysten genügt meistens eine Fensterung der Zystenwand. Patienten mit gutartigen extramedullären Tumoren sind bei radikaler Exstirpation des Tumors geheilt. Es besteht eine klare Korrelation zwischen Ausmaß der Tumorentfernung und der Rezidivhäufigkeit. Die chirurgische Mortalität lieg in modernen Patientenserien im Bereich weniger Prozent. An Komplikationen können Wunddehiszenzen, Wundinfektionen und Liquorfisteln vorkommen. b. Strahlentherapie: Bei malignen Tumoren postoperativ, sonst wenn „non in sano“ reseziert oder bei Rezidiv! ZVD 50,4 Gy. E. Nachsorge MR-Kontrolle postoperativ, nach 6 Monaten, dann jährlich. 156 TAKO - Neuroonkologie Primäre Tumoren des Rückenmarks II. Intramedulläre Tumoren Ein Drittel der Rückenmarkstumoren des Erwachsenen sind intramedullär lokalisiert. Bei den intramedullären Tumoren kann man zwei Hauptentitäten unterscheiden: die Ependymome und die Astrozytome (ca. 20% aller intraduralen Tumoren, ca. 70% aller intramedullären Tumoren). Deutlich seltener sind noch Angioblastome anzutreffen, während alle anderen Histologien Raritäten darstellen. 1. Diagnose Klinisch-neurologische Untersuchung Der klinische Verlauf ist meistens langsam progredient. Die häufigsten Symptome sind Sensibilitätsstörungen, Gangstörungen, Dysästhesien, Schmerzen und Sphinkterstörungen. 2. Präoperative Diagnostik MR Neben der Höhenlokalisation ist die Darstellung des soliden Tumoranteils entscheidend. Eine Artdiagnose und präoperative Aussage über die Resezierbarkeit lässt sich auch im MRT nur bedingt treffen. Das intramedulläre Ependymom nimmt relativ homogen Kontrastmittel auf, ist zum Myelon scharf begrenzt, liegt im Axialbild zentral im Mark und wird sehr häufig von einer Syrinx begleitet. Demgegenüber zeigt das Astrozytom meist eine geringere und ungleichmäßigere Kontrastmittelanreicherung, ist unschärfer zum Mark begrenzt und seltener mit einer Syrinx verbunden. 3. Pathologie Klassifikation nach WHO 4. Therapie a. Operative Therapie - Laminektomie oder Laminotomie - intraoperativer Ultraschall Bei intramedullären Tumoren wird unter dem Operationsmikroskop das Rückenmark in der Mittellinie gespalten. Bei an der Oberfläche sichtbaren Tumoren wird der Tumor direkt angegangen. Ist der Tumor erreicht, gibt es je nach Wachstumsverhalten und Vaskularisation unterschiedliche Strategien: - Wenn sich die Grenze zwischen Tumor und Mark bestimmen läßt, erfolgt die möglichst vollständige Entfernung des Tumors (Epstein et al., 1992; Epstein et al., 1993). 157 TAKO - Neuroonkologie Primäre Tumoren des Rückenmarks - - Läßt sich jedoch die Begrenzung nur teilweise oder überhaupt nicht identifizieren, sollte man es bei einer intratumoralen Verkleinerung des Prozesses belassen. 90% der Tumoren sind gutartig und wachsen sehr langsam. Das Operationsergebnis hängt unter anderem vom präoperativen neurologischen Status und der Lokalisation des Tumors ab. Die operative Morbidität hängt vom präoperativen Zustand ab und das Operationsrisiko steigt mit zunehmenden Funktioneinbußen exponentiell an (Herrmann et al. 1988; Samii u. Klekamp 1994). Bei Patienten mit intramedullären Tumoren kann es postoperativ vorübergehend zu einer Verschlechterung der neurologischen Ausfälle kommen. Eine Abschätzung des postoperativ verbleibenden Defizits sollte aber erst drei Monate nach der Operation erfolgen. Maligne intramedulläre Tumoren rezidivieren trotz Nachbestrahlung zu 100% und bilden im Verlauf häufig eine Aussaat über den Subarachnoidalraum. b. Strahlentherapie: - Postoperative Nachbestrahlung bei Patienten mit Tumoren WHO Grad III oder IV, oder wenn keine OP möglich auch primär! Reduzierte Einzeldosis auf 1,8 Gy, um die Nebenwirkungswahrscheinlichkeit zu reduzieren. Zielvolumendosis 50,4 Gy! Ependymome: Postoperative Strahlentherapie, wenn „OP non in sano“! Bei meningealer Aussaat Bestrahlung der Neuroachse (30,6 Gy bis zu 39,6 Gy) evtl. mit lokaler Aufdosierung auf 50,4 Gy 5. Nachsorge MR-Ko postop, nach 6 Monaten, dann jährlich bzw. je nach Radikalität der Entfernung des Tumors und der Histologie 6. Tumorrezidive Sowohl bei den intramedullären als auch extramedullären Tumoren sind die Ergebnisse bei Rezidiveingriffen schlechter. 7. Patienten mit Systemerkrankungen Es handelt sich vor allem um Patienten mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom und der Neurofibromatose. Da eine Systemerkrankung vorliegt, muss nicht nur mit multiplen Tumoren gerechnet werden, sondern auch mit einer extrem hohen Rezidivrate (Klekamp und Samii, 1998). Patienten mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom können neben den Angioblastomen im Zentralnerversystem extraspinale und extrakranielle Herde zeigen. Bei Patienten mit einer Neurofibromatose Typ 1 findet man im Bereich des Spinalkanals neben Neurofibromen (79%) Astrozytome (14%) oder Meningeome (7%). Die Neurofibromatose Typ 2 geht häufig mit multiplen spinalen Tumoren einher, die sowohl intramedullär als extramedullär liegen können (Pulst et al. 1991). 158 TAKO - Neuroonkologie Primäre Tumoren des Rückenmarks Literatur Epstein FJ, Farmer JP, Freed D (1992) Adult intramedullary astrocytomas of the spinal cord. J Neurosurg 77:355-9 Epstein FJ, Farmer JP, Freed D (1993) Adult intramedullary spinal cord ependymomas: the result of surgery in 38 patients. J Neurosurg 79: 204-9 Herrmann HD, Neuss M, Winkler D (1988) Intramedullary spinal cord tumors resected with CO2 laser microsurgical technique: recent experience in fifteen patients. Neurosurgery 22: 518-22 Klekamp J, Samii M (1998) Surgery of spinal nerve sheath tumors with special reference to neurofibromatosis. Neurosurgery 42: 279-89 (Discussion: 289-90) Klekamp J, Samii M (2005) Tumoren des Spinalkanals. In: Moskopp D, Wassmann H (Hrsg.) Neurochirurgie. 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Saunders Trappe AE, Frank AM, Grosu AL, Hiller E, Jaschke H, Mayer TE, Weinzierl FX (2004) MANUAL Hirntumoren und primäre Tumoren des Rückenmarks. München: W. Zuckschwerdt Verlag; 158-165 Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Clemens Plangger Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] OA Dr. Meinhard Nevinny Univ.-Klinik für Strahlentherapie, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-22801 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] 159 TAKO - Neuroonkologie Notizen 160 TAKO - Neuroonkologie Hirnmetastasen Hirnmetastasen I. Epidemiologie Hirnmetastasen gehören zu den häufigsten Hirntumoren und treten in ca. 25% aller Patienten mit Karzinomen auf. Durch verbesserte Frühdiagnostik kleinerer Läsionen mittels MRT und verbesserten Behandlungsmethoden des Primärtumors steigt auch die Anzahl der Neuerkrankungen1. Die Inzidenz liegt derzeit bei ca. 10/100.000. Patienten mit kleinzelligem und nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom, Mammakarzinom und malignen Melanomen, sowie Nierenzellkarzinom sind am häufigsten betroffen, wobei die einzelnen Primärtumoren unterschiedlich häufig sind. Die Inzidenz an Hirnmetastasen ist zunehmend, da PatientInnen auf Grund verbesserter Therapiemöglichkeiten und Beherrschung ihres Primärtumors die Hirnmetastasierung zunehmend häufiger erleben. Zu Hirnmetastasen sind die Literaturangaben recht unterschiedlich. Primärtumor Lungenkarzinom Mammakarzinom Melanom Nierenzellkarzinom Unbekanntes Primum in % aller Hirnmetastasen 30%-60 % 5-30% 5-21% 5-10% 5-38% % der Metastasierung des Tumors ins Gehirn 16-65% 20-30% 6-43% 5-10% - Auf Grund neurologischer Ausfälle wird eine Hirnmetastase nicht selten vor dem Primärtumor entdeckt2. Je nach Anzahl der Metastasen unterscheidet man solitäre Hirnmetastasen (nur eine Metastase im Gehirn), singuläre Hirnmetastasen (eine Metastase im Gehirn, aber noch andere Metastasen in anderen Organen) und multiple Metastasen. II. Pathophysiologie Die Metastasierung ins Gehirn erfolgt vorwiegend hämatogen, daher entspricht die Verteilung in etwa der Blutversorgung im Gehirn (75-80% hemispheriell, 16-18% in der hinteren Schädelgrube, 2-10% im Hirnstamm). Manche Tumorzellen („seed“) zeigen jedoch eine Vorliebe für bestimmte Gewebe („soil“). In der „seed and soil“ Hypothese nimmt man an, dass eine Subpopulation des Tumors die Möglichkeit zur Metastasierung besitzt, diese Zellen anschließend die Blutzirkulation überleben und sich im entfernten Kapillargebiet ansiedeln. Das weitere Wachstum ist abhängig von der Interaktion der metastatischen Zellen mit dem umgebenden Gewebe, daraus würde sich auch die für verschiedene Tumoren unterschiedliche Metastasierungshäufigkeit ins Gehirn erklären2. 161 TAKO - Neuroonkologie Hirnmetastasen III. Symptomatik Die meisten Metastasen im Gehirn wachsen als kompakte Masse, dadurch wird das Hirngewebe verdrängt, jedoch nicht sofort zerstört. Zusätzlich kommt es zur Ausbildung eines vasogenen Hirnödems. Sowohl die Raumforderung selbst, als auch das Hirnödem bedingen in der Folge neurologische Ausfälle. Abhängig von der Lokalisation stehen dabei folgende Symptome im Vordergrund: Kopfschmerz, Hemisymptomatik, Wesensveränderung und kognitive Störungen, epileptische Anfälle, Hirndruckzeichen oder Hirnnervenausfälle. Symptome - Hirnmetastasen (363 Pat.) Kopfschmerzen Motorische Schwäche Kognitive Störungen Gangstörung Epileptische Anfälle Sprachstörung Sehstörung Sensibilitätsstörung Koordiationsstörung % 49 30 32 21 18 12 6 6 6 Neurologischer Befund - Hirnmetastasen Kognitive Störungen Hemiparese Hemihypästhäsie Papillenödem Gangataxie Aphasie Gesichsfeldstörung Extremitätenataxie Bewußtseinsstörung % 58 59 21 20 19 18 7 6 4 Literatur: Caincross et. al., 19803 ; Young et. al., 19744 Bei etwa der Hälfte aller Patienten mit Hirnmetastasen liegen laut CT und MRI singuläre Metastasen vor. Abhängig von der Ausdehnung der Grunderkrankung, der Anzahl der Metastasen und der Lokalisation derselben, ist die Prognose sehr unterschiedlich. Einzelne Patienten überleben 5 Jahre Rezidiv-frei, meist liegt die Lebenserwartung jedoch unter einem Jahr1,2,3,4,5,6,7. IV. Diagnostik • Klinisch–neurologische Untersuchung • Allgemeine Untersuchung in Hinblick auf den Primärtumor und extrazerebrale Metastasen • MRT (oder bei Kontraindikation CT) mit und ohne KM V. Vor der Therapieentscheidung • • • Staging des Primärtumors oder Suche nach Primärtumor Liquoruntersuchung bei Verdacht auf Meningeosis carcinomatosa Gemeinsame Besprechung der Fachärzte verschiedener Disziplinen (Neurochirurgie, Neurologie, Onkologie, Pathologie, Radiologie, Strahlentherapie; an der Medizinischen Universität Innsbruck: wöchentliches „Interdisziplinäres Neuroonkologisches Tumorboard“ . Ist der Befund nicht eindeutig (Metastase, Primärtumor, Entzündung), ist eine histologische Sicherung unbedingt notwendig. Diese Probengewinnung kann durch eine offene Operation mit Entfernung des Tumors oder durch eine stereotaktische Biopsie durchgeführt werden. 162 TAKO - Neuroonkologie Hirnmetastasen VI. Therapie Zur Therapie arbeiten Fachärzte unterschiedlicher Gebiete zusammen, da sowohl der Primärtumor als auch die Metastasen berücksichtigt werden müssen. Im Vordergrund sollte dabei die Lebensqualität und nicht nur die Lebensverlängerung stehen. Vielfach ist auch nur eine supportive Therapie sinnvoll8. Das Outcome ist vom Zustand des Patienten und von der Anzahl der Metastasen abhängig1. Folgende Therapieoptionen stehen zur Verfügung: 1. Supportive Medikamentöse Therapie Die medikamentöse Therapie ist palliativ und zielt auf eine Verringerung des Hirnödems und Vermeidung von Anfällen ab: • Kortikosteroide • Gegebenfalls Anfallstherapie 2. Operation Die Operation hat einen sicheren Stellenwert in der Behandlung von Metastasen, da sie sowohl die Entfernung der Metastase als auch die histologische Diagnose ermöglicht1,2,5 Bei folgenden Konstellationen sollte eine operative Therapie in Betracht gezogen werden: • Singuläre oder solitäre Metastase (nur im Ausnahmefall ist eine palliative Operation bei multiplen Metastasen angezeigt) • Guter Allgemeinzustand sowie stabiler Primärtumor • Unbekannter Primärtumor oder Zweifel an der bildgebenden Diagnose • Operativ gut zugängliche Läsion • Bei Patienten mit Hoden- und Keimzelltumoren oder Lymphom ist eine Operation nur zur histologischen Diagnose sinnvoll, nicht jedoch zur Therapie, da diese Tumoren strahlen- und chemotherapiesensibel sind. Ähnliches ist auch bei kleinen (<3cm) Läsionen zu bedenken, da solche Metastasen meist radiochirurgisch behandelbar sind. Auch kleinzellige Bronchialkarzinome sind strahlen- und chemotherapiesensibel, eine Operation ist daher nicht immer notwendig2 3. Radiochirurgie Vor allem für kleine, singuläre Läsionen und tief liegenden Metastasen bietet sich die radiochirugische Behandlung an. Die radiochirurgische Behandlung wird mittels LINAC oder Gamma–knife durchgeführt und wirkt sowohl bei radiosensitiven als auch bei radioresistenten Tumoren. Auch bei multiplen Metastasen kann die Radiochirurgie mit Erfolg eingesetzt werden9. 163 TAKO - Neuroonkologie Hirnmetastasen 4. Fraktionierte Bestrahlung Die fraktionierte Strahlentherapie wird sowohl als Primärtheapie bei multiplen Metastasen als auch adjuvant nach der chirurgischen Entfernung von Metastasen angewandt1,3,4,6. Die Indikation zur Strahlentherapie nach kompletter Resektion ist jedoch umstritten, da das mediane Überleben nicht beeinflusst wird und eine therapieinduzierte Morbidität besteht. Indikationen für eine primäre Strahlentherapie sind vor allem: Multiple Metastasen, Lymphome und das kleinzellige Bronchialkarzinom 5. Chemotherapie Die Wirksamkeit der Chemotherapie ist vor allem für das kleinzellige Bronchialkarzinom und das Mammakarzinom belegt. Ein Ansprechen im Bereich von 20-30% ist auch für das nicht-kleinzellige Bronchialkarzinom und dass Melanom belegt. Kuratives Potential hat die Chemotherapie in der Behandlung der Hoden- und Keimzelltumoren. Grundsätzlich werden Protokolle verwendet, die auch in der Therapie des Primärtumors Wirksamkeit zeigen1. Neben Temozolomid ist eine Wirksamkeit bei ZNS-Metastasen auch für Topotecan, Cisplatin und Fotemustin etabliert. Derzeit wird bei Hirnmetastasen unterschiedlicher Primärtumoren der Stellenwert von Temozolomid, zusätzlich zur Radiotherapie, untersucht. Auch die Medizinische Universität Innsbruck nimmt derzeit an einer solchen multizentrischen Studie beim NichtKleinzelligen Lungenkarzinom mit ZNS-Metastasierung teil: „P04071: Randomized Phase II Study: Temozolomide (TMZ) concomitant to Radiotherapy followed by sequential TMZ in advanced NSCLC patients with CNS metastasis versus radiotherapy alone“ Studienleiter in Innsbruck: Univ.-Prof. Dr. Peter Lukas, Radioonkologie VII. Nachsorge Klinische und bildgebende Kontrolle alle 3 Monate8. 164 TAKO - Neuroonkologie Hirnmetastasen Literatur 1. Kaal et al. (2005) Therapeutic management of brain metastases. Lancet Neurol 4: 289-98 2. Intracranial Metastasis: current management strategies: Raymond Sawana (ed). Blackwell Futura (Massachusetts), 2004 3. Caincross et al. (1980) Radiation therapy of brain metastases. Ann Neurol 7:529-541 4. Young et al. (1974) Rapid-course radiation therapy of cerebral metastases: results and complications. Cancer 34:1069-76 5. Patchell et al. 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Dr. Alois Obwegeser, MAS, MSc Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] OA Dr. Meinhard Nevinny Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-22801 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder Univ.-Klinik für Innere Medizin, Abteilung für Hämato-Onkologie, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-23255 E-mail: [email protected] 165 TAKO - Neuroonkologie Notizen 166 TAKO - Neuroonkologie Meningeosis Neoplastica Meningeosis Neoplastica I. Definition und Charakteristika • • • • • • • metastatische Ausbreitung von Tumorzellen im Subarachnoidalraum mit diffusem oder multilokulärem Tumorwachstum im Bereich der Leptomeningen, meist am stärksten ausgeprägt in den basalen Zisternen, der Sylvischen Fissur und der Cauda equina (Stockhammer et al. 1998) gefürchtete neurologische Komplikation metastasierender und hirneigener Tumoren mit hoher Morbidität und Mortalität (Posner 1995) Entstehung über hämatogene Metastasierung in die Leptomeningen, über Migration aus soliden Hirnparenchymmetastasen oder Plexus choroideus Metastasen, über die Hirnnerven oder per continuitatem aus knöchernen Metastasen der Kalotte oder der Wirbelsäule (Weller et al. 2001) meist bei fortgeschrittenen Primärtumoren, vereinzelt auch als erstes Zeichen einer Fernmetastasierung oder ganz selten als Primärmanifestation einer systemischen Tumorerkrankung bei der Hälfte der Patienten gleichzeitig Hirnparenchym-Metastasen 2/3 der Patienten weisen zudem extrazerebrale Metastasen auf Gesamthäufigkeit: 3-8% aller Neoplasien (DeAngelis et al. 1998) häufigsten Primärtumoren: • • • Mammakarzinome, Bronchialkarzinome, Melanome Lymphome und Leukämien primäre Hirntumoren, insbesondere Medulloblastome/primitiv neurektodermale Tumoren (PNET), Germinome und primäre ZNS-Lymphome, seltener im Verlauf bei Ependymomen und malignen Gliomen (DeAngelis et al. 1998; Weller et al. 2001) II. Diagnosestellung • • • • • klinisch-neurologische Untersuchung mit besonderem Augenmerk auf Zeichen erhöhten intrakraniellen Drucks, Hirnnervenparesen, spinale und radikuläre Ausfälle; typisch sind multifokale Symptome und klinische Befunde, die auf einen multilokulären ZNS-Befall hinweisen internistische Untersuchung auf extrazerebrale Tumormanifestationen MRT der gesamten Neuroachse (Sensitivität 70%) charakteristische Befunde, aber per se unspezifisch: Kontrastmittelanreicherung oder noduläre Raumforderungen im Bereich der Meningen, dem Ependym oder ein Hydrozephalus (Posner 1995) die MRT Diagnostik sollte vor der LP durchgeführt werden Liquoruntersuchung (rasche Verarbeitung!!) Cave Hirndruckzeichen! Evtl. Vorbehandlung mit Steroid 167 TAKO - Neuroonkologie Meningeosis Neoplastica • Zusendung von Material an folgende Labors: 5 ml Liquor+Serum (weisses Röhrchen) an das Liquorlabor (4. Stock, alte Neurologie/Psychiatrie; Routineliquordiagnostik) 1ml Liquor an die Pathologie (Zytologie/Immunzytologie) je nach Primärtumor auch 0,5 ml Liquor+Serum (weisses Röhrchen) an das Zentrallabor (Tumormarker) Liquor+Serum ad Hygiene (Erreger-Diagnostik, KBRs) • Liquor-Druckmessung • Zytologie Goldstandard und beweisend ist auch heute noch der direkte Tumorzell-Nachweis im Liquor (Posner1995; Stockhammer et al. 1998), der jedoch nur bei ca. 50-60% der Patienten nach initialer Lumbalpunktion gelingt. Nach 3x Liquorpunktion erhöht sich die Trefferquote auf 90% • Gesamtprotein in > 80% erhöht • Glukose-Ratio in 30% erniedrigt • Albumin-Quotient als Ausdruck der Blut-Liquor-Schranke meist erhöht • IgG-Index meist erhöht • Laktat meist erhöht • Tumormarker: Tabelle (Interpretation nur bei gleichzeitiger Bestimmung in Liquor und Serum möglich!) Die wichtigsten Liquor-Tumormarker bei Meningeosis neoplastica Biochemische Marker Spezifische Marker Carcinoembryonales Antigen (CEA) Alpha-Fetoprotein (AFP) ß-Humanes Choriongonadotropin (ß-HCG) Melanin CA–125 CA–15-3 Unspezifische Marker ß-Glucuronidase Isoenzym V der Laktatdehydrogenase ß2-Mikroglobulin VEGF Tumorerkrankung Viele solide Tumoren Keimzelltumoren Chorion-, Embryonal- und Terato-Karzinom Melanom Ovarialkarzinom Mammakarzinom Hämatologische Neoplasien Hämatologische Neoplasien Hämatologische Neoplasien Solide Tumoren (Quelle: Posner 1995; Stockhammer et al. 2000) • • zusätzlich zur Routinediagnostik können weitere spezifische Zusatzuntersuchungen des Liquor hilfreich sein: wiederholte Liquoruntersuchungen unter Zuhilfenahme spezifischer Techniken: • Immunzytochemie erhöht geringfügig die Sensitivität der Zytologie, etwa durch Identifizieren von Karzinomzellen mittels Expression von Zytokeratin (Posner 1995) • FISH- und FACS-Analysen (Lestou et al. 2003; Urbanits et al. 2002) 168 TAKO - Neuroonkologie Meningeosis Neoplastica • • Radionuklid-Liquorfluß-Studien mit 111Indium-DTPA oder 99Technetium-DTPA zur Therapieplanung, um vor Beginn einer intrathekalen Chemotherapie Liquorzirkulationsstörungen zu identifizieren (Chamberlain 1998a) Leptomeningealbiopsie nur in Ausnahmesituationen bei Patienten ohne sonst diagnostizierte Tumorerkrankung und dem dringenden Verdacht auf eine Meningeosis neoplastica III. Differentialdiagnosen Meningitis (Tuberkulose, Pilze) Sarkoidose Borreliose Vaskulitis IV. Therapie und Verlauf 1. Parameter für die Therapieentscheidung • • • • • • Grunderkrankung und onkologische Gesamtprognose Allgemeinstatus und neurologischer Status begleitende Hirnparenchymmetastasierung noduläre leptomeningeale Absiedlungen vorausgegangene Therapie Die Therapie sollte interdisziplinär in Abhängigkeit der oben angeführten Parameter festgelegt werden (Interdisziplinäres Interdisziplinäres Neuroonkologisches Tumorboard jeweils Mittwoch 11.30, Seminarraum Neurochirurgie, MZA 3.Stock) 2. Supportive Therapie • • die meisten Patienten profitieren klinisch von Steroiden, z.B. Dexamethason, 2-3x2-4 mg/Tag, bzw. je nach Klinik keine prophylaktische Behandlung mit Antikonvulsiva. Nach dem ersten Anfall Einleiten einer antiepileptischen Behandlung 3. Strahlentherapie • Bestrahlung des Gehirns und der zerebralen Liquorräume als Ganzhirnbestrahlung in Form eines Helmfelds (Gehirn unter Einschluß der Lamina cribrosa, der Schädelbasis mit den basalen Zisternen sowie die Halswirbelkörper 1 und 2) 169 TAKO - Neuroonkologie Meningeosis Neoplastica • • • • • • fokale spinale Läsionen werden mit einem kraniokaudalen Sicherheitsabstand von 1-2 Wirbelkörperhöhen bestrahlt Neuroachsenbestrahlung (Liquorraumbestrahlung) wird in der Regel nur bei Patienten mit leptomeningealer Aussaat primärer Hirntumoren eingesetzt bei der Neuroachsenbestrahlung wird auf parallele systemische Chemotherapie meist, auf parallele intrathekale Chemotherapie immer, verzichtet Ganzhirnbestrahlung in 2 Gy-Fraktionen bis zu einer Gesamtdosis von 40 Gy solide spinale Läsionen werden in der Regel mit 2 Gy-Fraktionen bis zu einer Gesamtdosis von 40 Gy bestrahlt kontrollierte Studien zur Wirksamkeit der Strahlentherapie fehlen, bei den Studien zur intrathekalen Chemotherapie wurde Strahlentherapie individualisiert verabreicht und in ihrer Auswirkung auf das Therapieergebnis nicht systematisch erfasst 4. intrathekale Chemotherapie (i.th. CT) • • • die Chemotherapie wird meist in Form einer i.th. Therapie durchgeführt, entweder direkt in den lumbalen Liquor oder über ein intraventrikuläres Reservoir lumbale versus intraventrikuläre Therapie: empirische Daten zeigen eine Überlegenheit der ventrikulären gegenüber der lumbalen Therapie (Posner 1995) intraventrikuläres Reservoir (Rickham, Ommaya) bei zu erwartendem guten Ansprechen und längerdauernder i.th. Therapie A. Vorteile • • kein „CSF-Leakage“, keine versehentlichen epi/subduralen Gaben, homogenere Verteilung des Chemotherapeutikums, höhere Konzentrationen ventrikulär und geringere Blutungskomplikationen bei Thrombopenie Anlage unter stereotaktischen Bedingungen bei engen Ventrikeln B. Komplikationen Blutung (<1%), Katheterdislokation, Infektionen (ca. 5%): Keimbesiedelung des Reservoirs (S. aureus, S. epidermidis), eitrige Meningitis C. Praktische Durchführung der i.th. CT • • • • • im Falle einer zu erwartedenden längerdauernden i.th. CT Anlage eines intraventrikulären Katheters vor der ersten intraventrikulärer Therapie Lage des Katheters prüfen und Ausschluss einer fälschlichen intraparenchyalen Applikation des Chemotherapeutikums durch Instillation von verdünntem KM unter CTKontrolle Entnahme eines Liquoraliquots entsprechend der Injektionsmenge die Applikation der für die i.th. Behandlung zugelassenen Zytostatika erfolgt in der vom Hersteller gelieferten Trägerlösung unter sterilen Bedingungen, ohne Zusatz von Steroiden. unter Vermischung des Chemtherapeutikums mit Liquor langsame i.th. Injektion. 170 TAKO - Neuroonkologie Meningeosis Neoplastica D. Substanzen Methotrexat (12-15mg), Cytosin-Arabinosid (AraC, 40-50mg; liposomales Ara-C, DepoCyte®, 50 mg) und Thiotepa (10mg) sind die zur i.th. CT zugelassenen Zytostatika • • • • • • • • • • • • MTX wird derzeit (noch) am häufigsten verwendet. MTX Einzeldosen 12mg ventrikulär und 15mg lumbal. Zur Prävention systemischer Nebenwirkungen von MTX wird oral Folinsäure, 15 mg, alle 6 h für 48 h, erstmals 6 h nach der MTX-Injektion, verabreicht („Leukovorin-Rescue“) wenn die Therapiestrategie eine ZNS-Bestrahlung in Kombination mit i.th. MTX vorsieht wird zunächst, meist über 3 Wochen, 2x/Woche die i.th. CT verabreicht bevor die Helmfeldbestrahlung beginnt. wegen des stark erhöhten Risikos der Leukoencephalopathie während Radiatio möglichst kein i.th. MTX bei Kombinationstherapie - ist nur gerechtfertigt, wenn bis zum Beginn der Strahlentherapie durch die bis dahin erfolgte i.th. CT keine Sanierung des Liquors erfolgte und nur mit 1x-igen wöchentlichen Applikationen vertretbar die Fortführung der i.th. CT nach Ganzhirnbestrahlung wird individualisiert geplant. Wir führen meist Injektionsintervalle 2x/Woche bis zur „Liquorsanierung“ durch. Danach verlängern wir die Injektionsintervalle unter laufenden Liquorkontrollen, klinischen und bildgebenden Kontrollen bis auf alle 1-3 Monate. Gesamtdosis MTX 150 mg der Sinn einer „Erhaltungs-CT“ wird unterschiedlich beurteilt, wir führen eine solche zuerst in 1-Monats-, dann in 3-Monats-Intervallen durch bei der MTX-Therapie sollte das Serum-Kreatinin unter 1,5 mg/dl liegen. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, so muß die Therapie unter intensivierten Kontrollen erfolgen die Leukozytenwerte sollten vor Beginn der (lumbalen) i.th. CT über 3.000/µl und die Thrombozytenwerte über 80.000/µl liegen bei fehlendem Ansprechen auf MTX kann die Therapie bei hämatoproliferativen Grunderkrankungen auf Cytosin-Arabinosid (Einzeldosen 40-50mg) und bei soliden Tumoren auf Thiotepa (Einzeldosis 10mg) umgestellt werden alternativ Ara-C, eher bei lymphohämatopoietischen Erkrankungen, und Thiotepa, eher bei soliden Tumoren keines dieser 3 Medikamente hat sich in einer kontrollierten Studie einem anderen der Medikamente gegenüber als überlegen erwiesen (Grossman et al. 1993) eine Depotform von Ara-C (liposomales Ara-C, DepoCyte®), die in kontrollierten Studien Vorteile gegenüber konventioneller Ara-C-Therapie gezeigt hat und gegenüber MTX zumindest gleichwertig war (Glantz et al. 1999a; Glantz et al. 1999b), ist inzwischen in Österreich zugelassen. Alternativ zu MTX wird liposomales DepotAra-C (DepoCyte®, 50 mg) bereits an unserer Klinik eingesetzt mit dem grossen Vorteil, dass es nur alle 2 Wochen appliziert werden muss. Aufgrund der häufiger zu beobachtenden reaktiven Arachnitis wird eine Begleitmedikation mit einem oralem Steroid, z.B. Dexamethason 3x4 mg für 3 Tage empfohlen (Glantz et al. 1999b, Murry et al. 2000) im Rahmen einer geplanten Studie zur kombinierten Strahlen-/Chemotherapie mit Ganzhirnbestrahlung und i.th. DepoCyte® soll bei Patienten mit Meningeosis neoplastica solider Tumoren die Verträglichkeit und Wirksamkeit dieser Kombinationstherapie untersucht werden: „A phase II prospective multicenter clinical study to determine the safety of intrathecal liposomal cytarabine (DepoCyte®) in combination with whole brain radiotherapy (WBRT) for the treatment of solid tumor neoplastic 171 TAKO - Neuroonkologie Meningeosis Neoplastica • • • • meningitis with or without parenchymal CNS metastasis“. (Studienleiter in Innsbruck: Prof. Dr. G. Stockhammer und OA Dr. M.Nevinny) eine kombinierte i.th. CT ist nicht indiziert (Hitchins Hitchins et al. 1987; Stewart et al. 1987 1987) die „Liquorsanierung“ ist theoretisch der beste Parameter zur Beurteilung der Wirksamkeit einer i.th. Chemotherapie, weil klinische Befundänderungen durch viele andere Faktoren beeinflußt werden eine Beendigung der i.th. CT ist sinnvoll, wenn 2-3 aufeinanderfolgende Liquorpunktionen nicht mehr zum Nachweis zuvor nachgewiesener Tumorzellen führen im Rezidivfall sollte zunächst das Zytostatikum eingesetzt werden, das zuvor eine „Liquorsanierung“ erzielte 5. Systemische Chemotherapie • • • solide leptomeningeale Metastasen sprechen nicht schlechter auf systemische CT an als andere (extrazerebrale) Metastasen gemäß den Richtlinien für den jeweiligen Primärtumor ist dies eine sinnvolle Therapieoption (Bokstein et al. 1998). Insbesondere für Patientinnen mit Mammakarzinom wird - die Durchführung einer systemischen CT vorausgesetzt - der Wert der i.th. CT kontrovers diskutiert. Vielversprechende Ergebnisse mit systemischer Hochdosis-Methotrexat-Therapie (Glantz et al. 1998) bedürfen weiterer Bestätigungen eine Hormon-Therapie kann bei einzelnen Patienten mit Mamma- und Prostata-Karzinom auch zu Remissionen einer Meningeosis neoplastica führen V. Nachsorge • • • MRT individualisiert nach Klinik oder alle 3 Monate Liquorkontrollen je nach Klinik Überprüfung der Indikation zu Steroid- und Antiepileptika-Behandlung VI. Prognose • • • • ohne spezifische Therapie liegt die mediane Überlebenszeit bei soliden Tumoren bei 6-8 Wochen, bei lymphohämatopoietischen Tumorerkrankungen etwas günstiger die Prognose der Meningeosis neoplastica bei soliden Tumoren ist trotz maximaler Therapie, meist in Form einer kombinierten Radio-/Chemotherapie, im Gesamtkollektiv weiterhin sehr ungünstig mit medianen Überlebenszeiten von 6-7 Monaten (Posner 1995). Weniger als 15% der Patienten sind nach 1 Jahr noch am Leben (Stockhammer et al. 1998) Patienten mit Mammakarzinomen und lymphohämatopoietischen Neoplasien sprechen besser auf die Radio/Chemotherapie an als Patienten mit Nicht-Kleinzelligen Bronchialkarzinomen und malignen Melanomen mit Therapie gelingt bei 75% der Patienten eine Symptomkontrolle mit partieller Remmission für Monate, 25% der Patienten zeigen trotz Therapie eine Progression 172 TAKO - Neuroonkologie Meningeosis Neoplastica • • 2/3 der Patienten, deren Meningeosis neoplastica spezifisch behandelt wird, sterben nicht an den Folgen der Meningeosis, sondern an der systemischen Tumorprogression negative prognostische Faktoren für die Überlebenszeit: niedriger Karnofsky-Index, Hirnnervenparesen, hohes Alter, niedrige Liquor-Glukose und hohes Liquor-Protein (Balm und Hammack 1996) Literatur Balm M, Hammack J (1996) Leptomeningeal carcinomatosis. Presenting features and prognostic factors. 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Aktuelle Neurol 28:265-272 Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-3884 Fax: 0043-512-504-4260 E-mail: [email protected] Dr. Markus Hutterer Univ.-Klinik für Neurologie, Neurologisches Forschungslabor, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-23884 Fax: 0043-512-504-24260 E-mail: [email protected] OA Dr. Meinhard Nevinny Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-22801 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] 174 TAKO - Neuroonkologie Spinale Metastasen Spinale Metastasen I. Präambel Spinale Metastasen stellen für eine Vielzahl von onkologischen Patienten ein großes Problem dar, da Metastasen der Wirbelsäule die häufigsten Knochenmetastasen sind, und die Bedrängung des Rückenmarkes zu massiven neurologischen Beeinträchtigungen führt1. In Autopsieserien findet man Wirbelsäulenmetastasen abhängig vom Primärtumor in unterschiedlichen Prozentsätzen. Führend sind das Prostatakarzinom (90%), gefolgt von Brustkrebs (75%), Melanom (55%) und Lungenkarzinom (45%)2. In etwa 10-20% aller Tumorpatienten führt die Rückenmarkskompression zu neurologischen Ausfällen1,3. II. Lokalisation Über 90% spinaler Metastasen finden sich extradural, nur ein geringer Prozentsatz ist intradural gelegen. Extadurale Metastasen betreffen meist die Wirbelkörper oder Pedikel (85%), zum Teil auch isoliert den Epiduralraum oder posteriore Anteile der Wirbelsäule3. Bei den intraduralen Tumoren lassen sich wiederum intra- und extramedulläre Tumoren unterscheiden. Die operative Therapie der intraduralen Metastasen ist ähnlich der Therapie intraduraler Tumoren. III. Symptomatik Ein lokalisierter Schmerz ist bei über 90% aller Patienten die Erstsymptomatik, zur Zeit der Diagnosestellung haben jedoch bereits ein Grossteil der Patienten Paresen. Daher ist eine frühzeitige Abklärung von Kreuzschmerzen und anderen Wirbelsäulenbeschwerden bei allen Tumorpatienten besonders wichtig. Weitere schwere Symptome sind neurogene Blasenstörungen und Sphinkterschwächen, welche ebenfalls erst nach längerer Erkrankung auftreten. Der Grad der Beeinträchtigung wird meist nach der „American Spinal Injury Association“ (A-E) angegeben: A=komplette Querschnittsymptomatik, E=Normale Motorik und Sensorik, welche sich aus der Frankel Graduierung entwickelt hat3,4. Bei einer komplett ausgebildeten Querschnittsymptomatik ist eine Aussicht auf Besserung durch etwaige Therapien praktisch nicht vorhanden. IV. Diagnostik • Klinisch-neurologische Untersuchung • Allgemeine Untersuchung in Hinblick auf den Primärtumor und andere Metastasen • Bildgebende Abklärung–vorzugsweise MRI der Wirbelsäule, zumindest jedoch LWS Röntgen bei allen Patienten mit neu aufgetretenen Rückenschmerzen und malignen Erkrankungen, bei negativem Befund im LWS Röntgen 175 TAKO - Neuroonkologie Spinale Metastasen und länger andauernden Beschwerden ist ein MRI oder CT durchzuführen5. Eine weitere Möglichkeit der Abklärung stellen nuklearmedizinische Verfahren dar. • Zur Tumorlokalisation und zum Tumorscreening eignen sich Verfahren wie die Szintigraphie oder FDG-PET, aber auch konventionelle Röntgenbilder der Wirbelsäule, CT und vorzugsweise Ganzkörper-MRI, welches die beste Sensitivität zeigt, allerdings schwerer verfügbar ist. V. Vor der Therapieentscheidung • Staging des Primärtumors oder Suche nach Primärtumor • Gemeinsame Besprechung der Fachärzte verschiedener Disziplinen im Rahmen des wöchentlichen „Interdisziplinären Neuroonkologischen Tumorboards“ • Ist der Befund nicht eindeutig (Metastase, Primärtumor, Entzündung) ist eine histologische Sicherung notwendig. Diese Probengewinnung kann durch eine Biopsie oder eine offene Operation durchgeführt werden. VI. Therapie Für die Therapie der Wirbelsäulenmatastasen gilt ähnliches wie für Hirnmetastasen. Die Therapieentscheidung sollte immer unter Berücksichtigung der Gesamtsituation des Patienten erfolgen. Im Wesentlichen stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung: 1. Palliative medikamentöse Therapie A. Steroidtherapie: Die Gabe von Dexamethason hat sich in mehreren randomisierten Studien als positiv erwiesen, und ist somit evidenzbasiert als Klasse I zu empfehlen. Die Dosierung wird unterschiedlich empfohlen und liegt bei ca. 16 mg/d3. B. Schmerztherapie: Die Schmerztherapie stellt einen wichtigen Aspekt in der Therapie aller Tumorerkrankungen dar, und sollte nach den gängigen Stufenschemata erfolgen. Speziell bei Knochenmetastasen bieten sich jedoch zusätzliche Therapiemöglichkeiten an, die in Abhängigeit vom Primärtumor eingesetzt werden können. Zusätzliche Therapien wären: Hormontherapie, Biphosphonate, Nervenblockaden und intrathekale oder epidurale Schmerzpumpen6. 2. Operation • Früher wurde vor allem die Tumorlaminektomie durchgeführt, mehrere Studien zeigten jedoch keinen Benefit im Vergleich zur Strahlentherapie. Daher ist die Tumorlaminektomie nur bei streng posterior gelegenen 176 TAKO - Neuroonkologie Spinale Metastasen Prozessen zu empfehlen3. • Die zirkumferentielle Dekompression des Rückenmarkes zeigte in randomisierten Studien eine deutliche Überlegenheit gegenüber der alleinigen Strahlentherapie und ist somit als Klasse I zu empfehlen. Voraussetzungen einer solchen Therapie, welche anteriore und laterale Zugänge zur Wirbelsäule favorisiert, sind allerdings eine entsprechende Lebenserwartung und ein entsprechender Allgemeinzustand des Patienten, sowie abgegrenzte Raumforderungen7,8,9. • Vertebroplastie und Kyphoplastie: Unter Vertebroplastie und Kyphoblastie versteht man chirurgische Verfahren, bei denen Knochenzement in den Wirbelkörper eingebracht wird. Indikationen sind vorwiegend osteoporotische Frakturen der Wirbelsäule, allerdings kann diese Methode als palliative Maßnahme auch im Rahmen von Wirbelsäulenmetastasen und pathologischen Frakturen den Patienten Erleichterung bringen10. Folgende Faktoren beeinflussen das chirurgische Ergebnis: Präoperatives Defizit, Dauer der Symptomatik, Histologie des Primärtumors, Lokalisation des Tumors und Kontrolle des Primärtumors. Im allgemeinen sollte eine operative Therapie nur bei einer Lebenserwartung >3 Monate und inkomplettem Querschnitt erwogen werden3,7. Falls eine Operation geplant ist, sollte diese vor der Strahlentherapie durchgeführt werden11. 3. Radiotherapie Die konventionelle Radiotherapie stellt in der Mehrzahl der Fälle die wesentliche Therapieoption bei der Behandlung von Wirbelsäulenmetastasen dar. Der Benefit der Radiotherapie wurde in mehreren Studien mit Klasse I belegt1,3. Indikationen für die Radiotherapie sind vor allem strahlensensible Tumoren wie: Lymphome, multiples Myelom, kleinzelliges Lungenkarzinom, Seminome und Neuroblastome, sowie Ewing Sarkome1. Auch bei Patienten mit geringer Lebenserwartung und diffuser Metastasierung, sowie bei Patienten ohne chirugische Behandlungsmöglichkeit ist die Radiotherapie die Therapie der Wahl1. 4. Chemoptherapie Zu den chemotherapiesensitiven Tumoren zählen vor allem das multiple Myelom und das Non-Hodgkin Lymphom. Vorbehaltlich einer notwendigen neurochirurgischen Intervention stellt die Chemotherapie bei diesen beiden Entitäten die Therapie der Wahl dar, die bei klinischer Notwendigkeit auch in Kombination mit der Radiotherapie erfolgen kann. In der Behandlung spinaler Metastasen anderer solider Tumoren ist die Chemotherapie in das Gesamtkonzept der onkologischen Betreuung des Patienten einzubetten, wobei die Wirksamkeit der Chemotherapie vor allem für das kleinzellige Bronchialkarzinom und das Mammakarzinom belegt ist. Die Beherrschung lokaler Komplikationen durch neurochirurgische und radiotherapeutische Maßnahmen steht jedoch im Vordergrund der therapeutischen Bemühungen. Für die Therapie von tumorbedingten Knochenosteolysen mit Hilfe von Biphosphonaten gibt es gute Evidenzen. VII. Nachsorge In Abhängigkeit von der Grunderkrankung und von der Ausprägung des Primärtumors. 177 TAKO - Neuroonkologie Epidemiologie Literatur 1. Klimo P Jr, Kestle JR, Schmidt MH. Treatment of metastatic spinal epidural disease: a review of the literature. Neurosurg Focus 2003, 15(5):Art. 1 2. Wong DA, Fornasier VL, MacNab I. Spinal metastases: the obvious, the occult, and the impostors. Spine 1990 Jan;15(1):14. 3. Timothy C. Ryken, Kurt M. Eichholz, Peter C. Gerszten, William C. Welch, Ziya L. Gokaslan, and Daniel K. Resnick. Evidencebased review of the surgical management of vertebral column metastatic disease. Neurosurg. Focus 2003, 15(5): Art. 11 4. American Spinal Injury Association. International standards for neurological classification of spinal cord injury revised 2000. Chicago: American Spinal Injury Association, 2002 5. 6. Andreula C, Murrone M. Metastatic disease of the spine. Eur Radiol 2005 Mar;15(3):627-32. Schuster J et al.: Medical management and adjuvant therapies in spinal metastatic disease. Neurosurg Focus 2001, 11(6): Art. 3 7. Vrionis FD, Small J. Surgical management of metastatic spinal neoplasms. Neurosurg Focus 2003, 15(5):Art. 12 8. 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Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Alois Obwegeser Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] OA Dr. Meinhard Nevinny Univ.-Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-22801 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder Univ.-Klinik für Innere Medizin, Abteilung für Hämato-Onkologie, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-23255 E-mail: [email protected] 178 TAKO - Neuroonkologie Paraneoplastische neurologische Syndrome Paraneoplastische neurologische Syndrome I. Definition, Einteilung und klinische Charakteristika • • • • • • indirekte Komplikationen von Tumorerkrankungen, welche nicht durch den Tumor, seine Metastasen, vaskuläre, infektiöse, metabolische oder therapiebedingte Ursachen hervorgerufen werden seltene, aber charakteristische Krankheitsbilder, die einer Tumordiagnose oft um Monate oder sogar Jahre vorausgehen können (Voltz 2002) zugrundeliegender Tumor beim Auftreten der neurologischen Symptomatik oft noch so klein, daß er allen bildgebenden Methoden entgehen kann das klinische Bild einzelner paraneoplastischer neurologischer Syndrome kann zu einer höheren Morbidität führen als der zugrundeliegende Tumor und oft irreversible neurologische Ausfälle verursachen bei Zusammentreffen von neurologischer Symptomatik und positivem Antikörpernachweis kann ein Tumor mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden und die Befundkonstellation auf eine bestimmte Tumorentität hinweisen paraneoplastische neurologische Syndrome können jeden Abschnitt des Nervensystems, den neuromuskulären Übergang und die Muskulatur betreffen (Darnell et al. 2006) Tabelle 1: Einteilung der paraneoplastischen neurologischen Syndrome (nur die häufigsten „klassischen“ aufgelistet) • • • • Syndrome des zentralen Nervensystems Limbische Enzephalitis (LE) Hirnstammenzephalitis Kleinhirndegeneration (KHD) Opsoklonus-Myoklonus Syndrom Myelitis Tumor-assoziierte Retinopathie „Stiff-Person-Syndrome“ Syndrome des peripheren Nervensystems Subakute sensorische Neuronopathie Sensomotorische Polyneuropathie Autonome Polyneuropathie Vorderhornzellerkrankungen Syndrome des neuromuskulären Übergangs und des Muskels Lambert Eaton myasthenes Syndrom (LEMS) Dermatomyositis/Polymyositis die neurologischen Symptome zeigen typischerweise einen subakuten Verlauf paraneoplastische Syndrome können sehr bunt und heterogen verlaufen und erheblich fluktuieren insbesondere bei folgenden Symptomen sollte an ein paraneoplastisches neurologisches Syndrom gedacht werden, wenn die Beschwerden nicht anderweitig ätiologisch zugeordnet werden können: • Merkfähigkeitsstörung und epileptische Anfälle: Limbische Enzephalitis • paralytischer Ileus: Autonome Polyneuropathie • muskuläre Schwäche und Mundtrockenheit: LEMS bei etwa 2/3 der Patienten sind spezifische Antikörper im Serum (und Liquor) nachweisbar 179 TAKO - Neuroonkologie Paraneoplastische neurologische Syndrome II. Empfehlungen zur Antikörperbestimmung • • • der klinische Verdacht kann durch den Nachweis von assoziierten Autoantikörpern erhärtet werden (Tabelle 2). ein fehlender Nachweis anti-neuronaler Antikörper schliesst jedoch ein paraneoplastisches Syndrom nicht aus in der Literatur werden zwei Arten der Nomenklatur verwendet, einmal die ersten beiden Buchstaben des Indexpatienten (Hu, Yo, Ma etc.), alternativ entsprechend der immunhistochemischen Färbung (ANNA = antinukleäre neuronale Antikörper). Wir verwenden die Nomenklatur nach Posner (anti-Hu, Yo, Ma etc; Posner 1995) Tabelle 2: Gut charakterisierte, mit paraneoplastischen neurologischen Syndromen assoziierte, antineuronale Antikörper Antikörper Anti-Hu (ANNA-1) Anti-Yo (PCA-1) Anti-Ri (ANNA-2) Anti-Ta/Ma2 Anti-Tr (PCA-Tr) Anti-CV2 (anti-CRMP5) Anti-Recoverin Anti-Amphiphysin Neurologisches Syndrom LE, Enzephalomyelitis, KHD, Neuropathie KHD Hirnstammenzephalitis LE, Hirnstammenzephalitis, KHD KHD LE, KHD, Neuropathie Retinopathie „Stiff-Person-Syndrome“ Häufigste Tumorerkrankungen SCLC Ovar, Mamma, Uterus, SCLC Mamma, SCLC Hoden, SCLC M.Hodgkin SCLC, Thymom Lunge Mamma, SCLC Abkürzungen: KHD=Kleinhirndegeneration, LE=limbische Enzephalitis, SCLC=kleinzelliges Lungenkarzinom • zur Durchführung der Antikörperbestimmungen (anti-Hu, anti-Yo, anti-Ri und anti-Ta): Zusendung von Serum (weisses Röhrchen) und - falls vorhanden - Liquor (1ml) an das Neurologische Routinelabor (4. Stock, alte Neurologie/Psychiatrie) • bei klinischem Verdacht sollten gezielt anti-neuronale Antikörper bestimmt werden, diese wiederum können auf spezifische Tumorentitäten hinweisen (Tabelle 3) 180 TAKO - Neuroonkologie Paraneoplastische neurologische Syndrome Tabelle 3: Die häufigsten paraneoplastischen neurologischen Syndrome, assoziierte Antikörper (nach Häufigkeit des Vorkommens) und zugrundeliegende Tumorentitäten (häufigsten Tumoren): Paraneopl neurol Sy Antikörper häufigsten Tumorentitäten Retinopathie Anti-Recoverin Lunge Anti-Hu SCLC, Prostata-Ca, Neuroblastom Anti-Hu SCLC, Prostata-Ca, Neuroblastom Anti-Ta Seminom Anti-CV2 SCLC, Thymom Anti-Hu SCLC Anti-Ta Seminom Anti-Ri Mamma-Ca, Ovarial-Ca Anti-Yo Ovarial-Ca, Mamma-Ca, Uterus-Ca Anti-Hu SCLC, Prostata-Ca, Neuroblastom Anti-Tr Morbus Hodgkin Anti-Ta Seminom Anti-CV2 SCLC, Thymom Anti-Ri Mamma-Ca, Ovarial-Ca Anti-Yo Mamma-Ca, Ovarial-Ca Anti-Hu SCLC, Prostata-Ca, Neuroblastom Anti-Ta Seminom Anti-CV2 SCLC, Thymom Polyneuropathie Anti-Hu SCLC (autonom, sensibel, sensomotorisch) Anti-CV2 SCLC, Thymom LEMS Anti-VGCC SCLC Anti-Amphiphysin SCLC Anti-Hu SCLC, Prostata-Ca, Neuroblastom Anti-GAD Mamma-Ca limbische Enzephalitis Hirnstammenzephalitis Kleinhirndegeneration Opsoklonus/Myoklonus „Stiff-Person-Syndrome“ Anti-Amphiphysin Abkürzungen: SCLC=kleinzelliges Lungenkarzinom, VGCC=“voltage gated calcium channels“, GAD=Glutamatdecarboxylase, LEMS=Lambert Eaton myasthenes Syndrom III. Kombinationen von paraneoplastischen neurologischen Syndromen: • • • paraneoplastische Enzephalomyelitis und sensible Neuropathie, assoziiert mit anti-Hu Antikörper paraneoplastische Kleinhirndegeneration und LEMS bei SCLC (mit oder ohne anti-Hu Antikörper) paraneoplastische limbische Enzephalitis und Hirnstammenzephalitis, assoziiert mit anti-Hu, anti-Ma oder anti-Ta Antikörper 181 TAKO - Neuroonkologie Paraneoplastische neurologische Syndrome IV. Empfohlene Tumordiagnostik in Abhängigkeit von der wahrscheinlich zugrundeliegenden Tumorentität • • • • bei Verdacht auf ein paraneoplastisches neurologisches Syndrom ist die rasche Identifizierung des zugrundeliegenden Tumors essentiell der Tumornachweis kann sich schwierig gestalten und es können auch serielle Untersuchungen erforderlich werden, da die Tumoren für lange Zeit klein und klinisch stumm bleiben können wenn bei einem Antikörper-positiven Patienten ein Tumor gefunden wird, der nicht zu dem bekannten Tumorspektrum des entsprechenden Antikörpers passt, muss an die Möglichkeit eines Zweittumors gedacht werden Ganzkörper-FDG-PET ist für eine raschere Tumordiagnostik bei anti-Hu positiven Patienten oder bei klinisch vermutetem paraneoplastischem neurologischem Syndrom hilfreich ((Antoine et al. 2000) Tabelle 4: Empfohlene Tumordiagnostik SCLC NSCLC Prostata-Ca Neuroblastom Mamma-Ca Ovarial-Ca Zervix-/Uterus-Ca Keimzell-TU Hoden M. Hodgkin Thymom Tumormarker (NSE), Thorax-CT, FDG-PET Tumormarker (CYFRA, CEA, SCC), Thorax-CT, FDG-PET Tumormarker (PSA), Tastbefund, Sonographie Harn-Katecholamine und Metaboliten, Thorax/Abdomen-CT, MIBG-Szintigraphie, Octreotid-Szintigraphie, FDG-PET Tastbefund, Mammographie, Tumormarker (CEA, CA15-3), Sonographie, MRT, FDGPET Sonographie, Tumormarker (CA125), CT, FDG-PET klinischer Befund, Becken-CT, FDG-PET Tastbefund, Sonographie, Tumormarker (betaHCG, AFP), Abdomen-CT Klinik, CT, FDG-PET Thorax-CT, Octreotid-Szintigraphie V. Therapie 1. Allgemeine Charakteristika • • • der natürliche Verlauf eines paraneoplastischen neurologischen Syndroms kann sehr variabel und fluktuierend sein, auch spontane Besserungen neurologischer Symptome und spontane Tumorremissionen wurden beschrieben sehr unterschiedliches Ansprechen auf die Therapie (eine limbische Enzephalitis spricht besser auf eine Tumortherapie und/oder Immunmodulation als eine Kleinhirndegeneration an) die Behandlung von paraneoplastischen neurologischen Syndromen, vor allem jener des ZNS, muss rasch erfolgen. Je früher die immuntherapeutischen Massnahmen begonnen werden, desto eher besteht Aussicht auf Remission/fehlende Progression 182 TAKO - Neuroonkologie Paraneoplastische neurologische Syndrome 2. Tumortherapie • die Tumor-spezifische onkologische Behandlung ist die Hauptsäule der Behandlung - auch für die Behandlung der neurologischen Symptome 3. Immuntherapie • • • • • • • • • • die Immunmodulation bei Erkrankungen des neuromuskulären Übergangs und der Muskulatur (LEMS, Myasthenia gravis, Polymyositis, Neuromyotonie) erfolgt nach etablierten Kriterien wie bei nicht-paraneoplastischer Ätiologie dieser Syndrome auch bei den Erkrankungen des ZNS erscheint eine immunmodulatorische oder immunsuppressive Behandlung aufgrund der Hinweise für eine Autoimmunpathogenese sinnvoll (Darnell 1996; Darnell et al. 2006) leider zeigen die bisher verfügbaren Therapieoptionen nur wenig Effekt bei der Mehrheit der Patienten, Erfolge bei einzelnen Patienten sind jedoch möglich eine Vielzahl von Immuntherapien ist bisher versucht worden: Steroide, iv Immunglobuline, Cyclophosphamid und Plasmapherese für das „Stiff-Person Syndrome“ ist eine Behandlung mit iv Immunglobulinen indiziert (Dalakas et al. 2001) aufgrund des nur fraglichen Erfolges und des Mangels an evidenzbasierten Daten empfehlen wir – in Anlehnung an die Therapie der Multiplen Sklerose - einen Zyklus mit hochdosiertem Steroid (1000mg Methylprednisolon iv/Tag für 3 Tage) durchzuführen sollte sich unter dieser Therapie eine Stabilisierung oder gar Besserung der neurologischen Symptome ergeben, kann diese Behandlung alle 6-8 Wochen wiederholt werden bei fehlender Besserung verabreichen wir einen Zyklus iv Immunglobuline bei weiterhin negativem Erfolg kann im Einzelfall eine Plasmapherese oder eine Behandlung mit Cyclophosphamid (z.B. 750 mg iv /m2 KOF alle 4 Wochen) erwogen werden symptomatische Therapien sind der Tabelle 5 zusammengefasst Tabelle 5: Symptomatische Therapie LEMS Opsoklonus Myoklonus Sensible Neuropathie Limbische Enzepahlitis Myasthenia gravis „Stiff-Person Syndrome“ Neuromyotonie 3,4-Diaminopyridin (bis 60 mg/d) Pyridostigmin (bis 600 mg/d) Clonazepam (3 x 0,5-2 mg/d) Propranolol (3 x 40-80 mg/d) Trihexyphenidyl (3 x 1 mg - 35 mg/d) Benzatropin (3 x 1 - 3 mg/d) Valproinsäure (2 x 300 - 3 x 1200 mg/d) Carbamazepin (200 bis 800 mg/d) Amitryptilin (bis 75 mg/d) Antiepileptika Antidepressiva Pyridostigmin (bis 600 mg/d) Diazepam (20 - 100 mg/d) Carbamazepin oder Phenytoin 183 TAKO - Neuroonkologie Paraneoplastische neurologische Syndrome VI. Kurze Darstellung einzelner paraneoplastischer neurologischer Syndrome 1. Limbische Enzephalitis (LE) • • • • • • • subakut progredienter Verlauf mit mnestischen Störungen, partiell komplexen und generalisierten Anfällen, Verwirrtheitszuständen, Depression, Persönlichkeitsveränderungen und Halluzinationen (Benke et al. 2004, Voltz 2004) in ca. 40% kommt es zu einer Beteiligung anderer neurologischer Systeme (Gultekin et al. 2000) in ca. 1/4 dieser Patienten treten assoziiert Hirnstammsymptome auf (Gultekin et al. 2000) ein pathologisches Ergebnis von Liquor, MRT oder EEG sind häufig (Graus et al., 2001) die anti-neuronalen Antikörper anti-Hu und anti-Ta/Ma2 sind am häufigsten nachweisbar (Graus et al. 2001; Voltz et al. 1999) ein Tumor wird bei mehr als der Hälfte der Patienten erst nach Beginn der neurologischen Symptome diagnostiziert, davon 50% in der Lunge (80% SCLC), 20% im Hoden und 8% in der Mamma die meisten Tumoren sind lokal begrenzt 2. Kleinhirndegeneration (KHD) • • • • • • • neuropathologisch im Vordergrund steht ein selektiver Verlust der Purkinjezellen subakute pancerebelläre Symptomatik mit Koordinations-, Bewegungs-, Gleichgewichts-, Sprech- und Schluckstörungen eine sich subakut entwickelnde Kleinhirnsymptomatik bei einer Frau über 50 ist in 2/3 der Fälle paraneoplastischer Genese (Posner 1995) ein klassisches Überlappungssyndrom besteht zwischen einer KHD und einem LEMS bei Patienten mit einem SCLC (Mason Mason et al. 1997 1997). Dies ist aufgrund des guten Ansprechens von LEMS auf immunmodulatorische Maßnahmen bei schlechtem Ansprechen der paraneoplastischen KHD von therapeutischer Relevanz (Bain et al. 1996) das Fehlen einer Atrophie im MRT bei Kleinhirnerkrankungen mit normalem Liquor ist in frühen Stadien die Regel und schliesst daher eine paraneoplastische Genese nicht aus als Primärtumore stehen gynäkologische Tumoren, Hodgkin Lymphome und SCLC im Vordergrund und sind am häufigsten mit anti-Yo, anti-Tr oder anti-Hu Antikörpern assoziiert. Ovarial-Karzinome können dabei lange okkult bleiben und nur laparoskopisch nachweisbar sein ein Ansprechen der neurologischen Symptomatik auf immunsuppressive Therapie, inklusive Plasmapherese, wurde nur in Einzelfällen berichtet. Meist persistiert die neurologische Symptomatik und weist eine hohe Morbidität auf 3. Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom • hierbei kommt es neben myoklonen Muskelkontraktionen, die ungeordnete willkürliche Bewegungen verursachen, zu tanzenden, ruckartigen Augenbewegungen mit Sehstörungen („dancing eyes and dancing feet“) 184 TAKO - Neuroonkologie Paraneoplastische neurologische Syndrome • • • • • • • • entsteht wahrscheinlich durch eine Funktionsstörung im Nucleus fastigii des Kleinhirns als pathologisches Substrat wurden sowohl eine Verminderung der Purkinjezellen im Kleinhirn als auch entzündliche Infiltrate in unterschiedlichen Arealen mit Betonung im Hirnstamm beschrieben die Opsoklonus-Myoklonus-Ataxie wurde initial bei Kindern mit einem Neuroblastom beschrieben (Mitchell et al. 2002) im Erwachsenenalter tritt dieses paraneoplastische neurologische Syndrom ebenfalls auf. Eine kürzlich erschienene Arbeit beschreibt 24 Patienten, 10 davon mit einer idiopathischen, 14 mit einer paraneoplastischen Genese (Bataller et al. 2001) die am häufigsten assoziierten Tumoren waren Lunge (10/14) und Mamma (2/14) spezifische Antikörper fanden sich nur bei 2 der 14 paraneoplastischen Patienten zusätzlich zur Tumorbehandlung führen Corticoide oder ACTH und iv Immunglobuline zu neurologischen Verbesserungen (Mitchell et al. 2002) zur symptomatischen Therapie der Myoklonien wird Clonazepam (Rivotril) eingesetzt 4. „Stiff-Person-Syndrome“ (SMS) • • • • dieses phänomenologisch besonders interessante paraneoplastische neurologische Syndrom ist eine Störung des Zentralnervensystems, die führenden Symptome kommen jedoch von Seiten der Skelettmuskulatur mit Steifheit, Spasmen und Muskelstarre sowie Schmerzen kann sowohl paraneoplastisch (meist bei Mammakarzinomen), aber auch ohne Tumor-Assoziation vorkommen. Anti-GAD (Glutamatdekarboxylase) Antikörper sind serologische Marker eines idiopathischen SMS in seiner paraneoplastischen Form können die Patienten Antikörper gegen Amphiphysin (mit oder ohne antiGAD) zeigen. Dies ist dann ein Marker für ein zugrundeliegendes Mammakarzinom (Folli et al. 1993) therapeutische Erfolge sind in Zusammenhang mit erfolgreicher Tumortherapie beschrieben. Ergebnisse mit Steroiden, Muskelrelaxantien und Clonazepam werden unterschiedlich bewertet. Iv Immunoglobuline stellen eine wesentliche Therapieoption beim SMS dar (Dalakas et al. 2001) 5. Subakute sensorische Neuronopathie • • • • • die klassische paraneoplastische Polyneuropathie ist eine sensorische Neuronopathie, initial 1948 von DennyBrown beschrieben es ist eine rasch progrediente, schwere Neuropathie, der ein entzündlicher Befall der Spinalganglienzellen zugrunde liegt typischerweise beginnt sie als asymmetrische, schmerzhafte, sensible Neuropathie, die sich dann zu einem meist vollständigen Verlust der Propriozeption weiterentwickelt. Innerhalb weniger Tage kann sie zu hochgradiger Ataxie mit Pseudoathetose führen in den meisten Fällen finden sich anti-Hu-Antikörper, die eine diagnostische Spezifität von 99% und eine Sensitivität von 82% haben (Molinuevo et al. 1998) Therapieversuche sind bei voll ausgeprägter Symptomatik meist wirkungslos 185 TAKO - Neuroonkologie Paraneoplastische neurologische Syndrome 6. Lambert Eaton myasthenes Syndrom (LEMS) • • • • • • • gilt als Paradebeispiel eines autoimmunologisch verursachten paraneoplastischen Syndroms etwa 60% der Patienten mit einem LEMS haben einen assoziierten Tumor, meist ein SCLC oder ein Lymphom die SCLC haben eine bessere Prognose, wenn ein LEMS assoziiert ist (Maddison et al. 1999) hierbei treten vorwiegend eine proximale Muskelschwäche und autonome Symptome wie Mundtrockenheit und Impotenz auf klinisch findet sich bei Reflexprüfung das einzigartige Phänomen der Fazilitierung; d.h. hochgradig abgeschwächte oder fehlende Muskelreflexe können durch vorausgehende Anspannung oder mehrfaches Beklopfen wieder ausgelöst und sogar lebhaft werden leider gibt es keinen serologischen Marker für die paraneoplastische Ätiologie von LEMS die Prävalenz von LEMS bei allen Patienten mit SCLC beträgt etwa 3% und sollte aufgrund der therapeutischen Relevanz nicht übersehen werden (Bain et al. 1996). Dies gilt vor allem für das Überlappungs-Syndrom mit antiHu; hier ist die Bestimmung von anti-VGCC besonders indiziert (Mason Mason et al. 1997 1997) Literatur Antoine JC, Cinotti L, Tilikete C, Bouhour F, Camdessanche JP, Confavreux C, Vighetto A, Renault-Mannel V, Michel D, Honnorat J (2000) [18F]fluorodeoxyglucose positron emission tomography in the diagnosis of cancer in patients with paraneoplastic neurological syndrome and anti-Hu antibodies. Ann Neurol 48:105-108 Bain PG, MotomuraM, Newsom-Davis J et al. (1996) Effects of intravenous immunoglobulin on muscle weakness and calciumchannel autoantibodies in the Lambert-Eaton myasthenic syndrome. Neurology 47:678–683 Bataller L, Graus F, Saiz A,Vilchez JJ, Spanish Opsoclonus-Myoclonus Study Group (2001) Clinical outcome in adult onset idiopathic or paraneoplastic opsoclonus-myoclonus. 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The Lancet Neurology 1:294–305 Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Günther Stockhammer Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-23867 Fax: 0043-512-504-24260 E-mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger Univ.-Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-23860 Fax: 0043-512-504-24260 E-mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder Abteilung für Hämatologie und Onkologie, Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-23255 E-mail: [email protected] 187 TAKO - Neuroonkologie Notizen 188 TAKO - Neuroonkologie Autoren ANTON Jürgen-Volker, Dr. DONNEMILLER Eveline, Ass. Prof. Dr. Univ.-Klinik für Neurochirurgie Univ.-Klinik für Nuklearmedizin Medizinische Universität Innsbruck Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Anichstrasse 35 Tel: 0043-512-504-27452 6020 Innsbruck Fax: 0043-512-504-27453 Tel: +43/512/504-22662 E-mail: [email protected] Fax: +43/512/504-22683 E-mail: [email protected] AUBERGER Thomas OA Dr. EISNER Wilhelm, Univ.-Prof. Dr. Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Universität Innsbruck, Univ.-Klinik für Neurochirurgie Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Medizinische Universität Innsbruck Tel: 0043-512-504-22801 Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Fax: 0043-512-504-22812 Tel: 0043-512-504-27452 E-mail: [email protected] Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] BALE Reto, Univ.-Prof. Dr. FELBER Stephan, Univ.-Prof. Dr. Radiologie I Radiologie II Medizinische Universität Innsbruck Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35 Anichstrasse 35 6020 Innsbruck 6020 Innsbruck Tel: +43/512/504-80540 Tel: +43/512/504-27103 Fax: +43/512/504-22758 E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] BERGER Thomas, Univ.-Prof. Dr. FIEGELE Thomas, Dr. Univ.-Klinik für Neurologie Univ.-Klinik für Strahlentherapie Medizinische Universität Innsbruck Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-23860 Tel: 0043-512-504-22801 Fax: 0043-512-504-24260 Fax: 0043-512-504-22812 E-mail: [email protected] E-mail: thomas.fi[email protected] DeVRIES Alexander, Ao. Univ.-Prof. Dr. FINKENSTEDT Gerd, Ass.Prof. Dr. Univ.-Klinik für Radioonkologie Univ.-Klinik für Innere Medizin Medizinische Universität Innsbruck Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-22801 Endokrinologische Ambulanz Fax: 0043-512-504-22812 Tel: 0043-512-504-24109 E-mail: [email protected] Fax: 0043-512-504-24105 E-mail: gerd.fi[email protected] 189 TAKO - Neuroonkologie Autoren GOTWALD Thaddäus, OA Dr. KLEIN-FRANKE Andreas, Dr. Radiologie II Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde Medizinische Universität Innsbruck Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35 Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-81089 Tel: +43/512/504-27103 Fax: 0043-512-504-24934 E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] HOLZNER Bernhard, Doz. DI. Dr. KOHL Claudia, OA Dr. Arbeitsgruppe für Psychoonkologie und Arbeitsgruppe für Psychoonkologie und Psychoimmunologie Psychoimmunologie Abteilung für Biologische Psychiatrie Abteilung für Biologische Psychiatrie Univ.Klinik für Psychiatrie Innsbruck Univ.Klinik für Psychiatrie Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel. 0512/ 504 -23691 Tel. 0512/ 504-23691 Fax 0512/504 – 23691 Fax 0512/504–23691 E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] HUBER Elisabeth, DKS KOSTRON Herwig, Univ.-Prof. Dr. Univ.-Klinik für Neurologie Univ.-Klinik für Neurochirurgie Medizinische Universität Innsbruck Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-24239 Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-24260 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] HUTTERER Markus, Dr. KROPSHOFER Gabriele, Dr. Univ.-Klinik für Neurologie Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde Medizinische Universität Innsbruck Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-23884 Tel: 0043-512-504-80828 Fax: 0043-512-504-24260 Fax: 0043-512-504-24934 E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] KINDL Theresa, DKS MAIER Hans, ao. Univ.-Prof. Dr. Univ.-Klinik für Neurologie Neuropathologisches Labor des Instituts für Pathologie Medizinische Universität Innsbruck Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Medizinzentrum Anichstrasse G03 Tel: 0043-512-504-24239 Anichstrasse 35 Fax: 0043-512-504-24260 6020 Innsbruck E-mail: [email protected] Tel: +43/512/504-27391 Fax: +43/512/504-27414 E-mail: [email protected] 190 TAKO - Neuroonkologie Autoren MEISTER Bernhard, Univ.-Prof. Dr. SCHAUER-MAURER Gabriele, OA Dr. Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde Arbeitsgruppe für Psychoonkologie und Medizinische Universität Innsbruck Psychoimmunologie Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Abteilung für Biologische Psychiatrie Tel: 0043-512-504-81570 Univ.Klinik für Psychiatrie Innsbruck Fax: 0043-512-504-24934 Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria E-mail: [email protected] Tel. 0512/ 504 -23691 Fax 0512/504 - 23691 MUIGG Armin, OA Dr. E-mail: [email protected] Univ.-Klinik für Neurologie Medizinische Universität Innsbruck SPERNER-UNTERWEGER Barbara, Ao.Univ.-Prof. Dr. Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-23909 Fax: 0043-512-504-24260 Arbeitsgruppe für Psychoonkologie und E-mail: [email protected] Psychoimmunologie Abteilung für Biologische Psychiatrie NEVINNY Meinhard, OA Dr. Univ.Klinik für Psychiatrie Innsbruck Univ.-Klinik für Neurochirurgie, Universität Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel. 0512/ 504 -23691 Tel: 0043-512-504-22801 Fax 0512/504 – 23691 Fax: 0043-512-504-22812 E-Mail: [email protected] E-mail: [email protected] OBWEGESER Alois, Univ.-Prof. Dr., MAS, MSc STAUDER Reinhard, Univ.-Prof. Dr. Univ.-Klinik für Neurochirurgie Univ.-Klinik für Innere Medizin Medizinische Universität Innsbruck Abteilung für Hämato-Onkologie Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Medizinische Universität Innsbruck Tel: 0043-512-504-27452 Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Fax: 0043-512-504-27453 Tel: 0043-512-504-23255 E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] PLANGGER Clemens, Univ.-Prof. Dr. STOCKHAMMER Günther, Ao. Univ.-Prof. Dr. Univ.-Klinik für Neurochirurgie Univ.-Klinik für Neurologie Medizinische Universität Innsbruck Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck Tel: 0043-512-504-27452 Tel: 0043-512-504-23884 Fax: 0043-512-504-27453 Fax: 0043-512-504-24260 E-mail: [email protected] E-mail: [email protected] 191 TAKO - Neuroonkologie Autoren TWERDY Klaus, Univ.-Prof. Univ.-Klinik für Neurochirurgie Medizinische Universität Innsbruck Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria Tel: 0043-512-504-27452 Fax: 0043-512-504-27453 E-mail: [email protected] 192