pdf-Datei

Werbung
Dr. Karsten Böhm
Münster 09.09.2012
EMDR
bei Zwangsstörungen
Das störungsspezifische Vorgehen mit EMDR
wird erarbeitet.
Inhalt
Warum EMDR?
möglicher Nutzen
Wie kann EMDR eingesetzt werden?
Reihenfolge, Bild, Therapieplanung
Was bringt EMDR?
Kosten und Nutzen
Die Unterscheidung von Zwangsgedanken und
–handlungen ist zentral für die Therapie
ICD-10: F42
1. Sind eigene Gedanken / Handlungen
Merkmale
(nicht eingegeben)
2. Unangenehm und
mind. einer übertrieben und unsinnig (ich-dyston)
3. Erfolgloser Widerstand wird geleistet
4. Ausführung nicht angenehm
Zwangsgedanken oder –handlungen
an den meisten Tagen von mind. 2 Wochen
Zeit
Leidensdruck oder reduzierte soziale / indiv. Leistungsfähigkeit
Nicht durch andere psychische Störung bedingt
1
Viele Patienten profitieren nicht (ausreichend) von den
bisherigen Behandlungsangeboten.
Warum brauchen wir neue Behandlungsmethoden?
häufige Folgen
therapieresistente Fälle
15 – 50% trotz Expositionen lege artis
Emotionsarbeit häufig problematisch
Angst vor Kontrollverlust, Schuld, Scham
Expos sind anstrengend, belastend,
für manche Patienten zu schwierig
Hoffnungslosigkeit
Therapie stagniert
Therapieabbrüche
Expositionsübungen in vivo werden nur selten eingesetzt
(Böhm, Voderholzer et al., 2008)
Versorgungsrealität
Fanden Expositionsübungen statt?
(N=56)
Zeitschrift Verhaltenstherapie
Auch bei Zwängen können häufig emotionale
Erfahrungen (Traumatisierungen) nicht integriert werden.
Blockierte Informationsverarbeitung
Knoten
implizites Gedächtnis
Kanal
2
Die Lerngeschichte scheint den größten Einfluss auf die
Entwicklung von Zwängen zu haben
Ursachen
Genetik
kann ca. 30% der Varianz aufklären
Lern- und Erziehungsstil
Lerngeschichte
(überbehütend, Sauberkeit, hohe Leistungsansprüche, Modelllernen...)
Traumata, Verluste, Stress, zwischenmenschliche Konflikte (als Auslöser)
Persönlichkeitsfaktoren (z.B. Selbstunsicherheit, Selbstzweifel,
Katastrophendenken, hohe moralische Standards, Angst vor Ablehnung)
hohe religiöse / moralische Werte & Normen
Umgang mit negativen Gefühlen (Schuld, Wertlosigkeit…)
Neurobiologie
Transmitter: Serotoninmangel
Regelschleife Frontalhirn - Basalganglien (Striatum) –
Thalamus: Dysfunktion
82% der therapieresistenten Zwangspatienten erlebten
mind. ein Trauma. 46% erfüllen die Kriterien einer PTBS
Zeuge von Gewalt
Lebensgefährdender
Unfall
Körperl. Gewalt im
Kindesalter
Sexueller Mißbrauch
im Kindesalter
körperl. Gewalt
Überfälle
Naturkatastrophen
Vergewaltigung
N = 104
Krieg
%
Gershuny BS et al.: Trauma and posttraumatic stress disorder in treatment-resistant obsessive-compulsive disorder. Depress Anxiety 2007, Feb 22
6 Monate vor Beginn der Zwangsstörung findet sich eine
Häufung kritischer Lebensereignisse (Erkrankung, Geburt)
Literatur
Komorbidität
Trauma
Traumatisierung
„minor traumatization“
uneinheitliche
Ergebnisse
keine sign.
erhöhte
Prävalenz
erhöht
nicht: Grabe et al., 2008
leicht: Cromer et al., 2007
stark: Gershuny et al., 2007
Grabe, 2001: bei PTBS erhöhte
Zwangssymptome und -störung
für Zeit vor Erkrankung sign.:
Khanna et al., 1988;
Maina et al. 1998;
McKeon et al., 1984
allgemein: stat. Patienten:
Fricke, 2007; Lochner, 2002
jedoch nicht bei amb. Pat.:
Lochner, 2007
3
EMDR sollte als Bestandteil eines GesamtBehandlungsplanes eingesetzt werden.
Behandlungsplan
alleiniger Einsatz von EMDR
bislang nur in Einzelfällen wirksam
Bekkers, 1999; Whisman, 2000; Schubbe, 2004; Hensel, 2006
bisherige Empfehlung
Kombination mit klassischen Therapiebausteinen der
Reizkonfrontation mit Reaktionsmanagement (ERP)
und / oder kognitiven Bausteinen
EMDR kann sehr gut mit klassischen Expositionsübungen
in vivo kombiniert werden.
Wann sollte EMDR eingesetzt werden?
PräMessung
PostMessung
Z-Messung
Katamnese
ERP
ERP
EMDR
EMDR + ERP
EMDR
ERP
Die Einteilung erfolgte aufgrund bisheriger klinischer
Erfahrungen
Zuweisung zur Behandlungsreihenfolge
Persönlichkeit
vorherrschende Persönlichkeitsstruktur
selbstunsicher /
dependent
erst EMDR, dann ERP
Rest
ERP und EMDR abwechselnd
• wobei Beginn mit ERP
EMDR bis Risiko der
Exposition eingegangen
werden kann
• Vermeidung reduziert
• Verantwortungsübernahme
nach Erstexpo und Übergang
ins Eigenmanagement
EMDR v.a. zur Unterstützung
des Gefühlsmanagements
4
Der Arbeitsbogen erfasst die möglichen Ansatzpunkte für
das EMDR.
Arbeitsbogen
Der Patient wird sowohl für EMDR als auch für
Expositionen in vivo gut vorbereitet.
Vorbereitung
Anamnese
Beziehungsaufbau
Allgemein
Zwänge
genaue Exploration, Psychoedukation
Verhaltensanalyse: Zwangsprotokolle
Erklärungsmodell
Hierarchie der auslösenden Situationen
EMDR
Psychoedukation zu EMDR
Voraussetzungen prüfen (Dissoziation, PTBS, Depression etc.)
EMDR-Technik vermitteln z.B. Absorptionstechnik
Umgang mit negativen Gefühlen (Schuld, Wertlosigkeit…)
Das Standardprotokoll kann auch bei Zwängen
eingesetzt werden, wird jedoch leicht abgewandelt.
Vorgehen I
traumatische Erinnerung
Bild
Exposition in sensu
zwangsauslösende
Situation / Stimulus
schlimmstes Szenario
dahinter liegende
Bewertung /
Katastrophe
Zwangshandlung imaginär blockieren
imaginatives Einweben
Zwangshandlung
kann nicht
durchgeführt werden
5
Beim EMDR verwenden wir die schlimmsten Situationen,
bei den Expositionen fangen wir bei 40-60% an.
Situationshierarchie
10
9
Toilettennutzung, Berühren im Schambereich ohne
nachfolgendes Händewaschen
Waschen der getragenen Unterwäsche
8
Toilettennutzung mit normalem Händewaschen
7
5
Anfassen des Bauchbereichs ohne nachfolgendes Händewaschen
Anfassen von Toilettenspülung, -brille
4
3
Waschen der getragenen Oberbekleidung
Anfassen der (gesäuberten) Türgriffe in Bad u. WC
2
0
Geduscht u. in sauberer Kleidung Küche o. Wohnzimmer betreten
Geduscht und frisch eingekleidet im Bett liegen
Zwangshandlungen werden auch im EMDR nicht
durchgeführt
Vorgehen II
Zentraler Zwangsgedanke kann als
negative Kognition verwendet werden
sichtbare oder gedankliche Zwangshandlungen
bleiben in Vorstellung aus
Pat. trägt das Risiko selbst
übernimmt die Verantwortung; ohne Druck
Häufig entstehen lange Kanäle, die emotionale
Beteiligung ist nicht immer sichtbar
Interweave
Pat. springt während den Stimulationen
zwischen verschiedenen Gefühlen / Bildern [Looping]
sehr langsame Änderung des Bildes
sehr lange Kanäle
Bei Sprung direkt auf
Ausgangsereignis zurückgehen;
empathisch-direktiv einweben: bitte bleiben sie nur am Bild
denken Sie an eine Bildbeschreibung
keine Kognitionen, Emotionen, etc.
Kanäle werden kürzer
Bild verändert sich;
verstärkte / schnellere Emotionsinduktion
6
Probleme in der Emotionsregulation sind meist die
zentralen aufrechterhaltenden Faktoren von Zwängen
Funktionalität: Schutz vor…
Emotionen
Angst, Scham, Schuld, Versagen, Einsamkeit, Wut, Ärger
intrapsychisch
Kompensation von genereller
Selbstwertproblematik
Suche nach Kontrolle
und Orientierung
Verantwortungsübernahme bei
Entwicklungsschritten
hohe moralische / ethische
Standards erfüllen
Langeweile, innerer Leere
interpersonell
Regulierung von Nähe und
Distanz
Ventil für unterdrückte
Aggressionen gegen andere
Schwierigkeiten der
Konfliktbewältigung
Vermeidung von Lebensaufgaben
Dysfunktionale Regulation
sozialer Defizite
Bewunderung
Hypothesen entwickeln, in den Expositionen verifizieren,
mit EMDR erlebbar machen.
Funktionalität: Konfliktperspektive
• Förderung der Distanzierung vom Zwangssystem durch
vermehrtes Verständnis biographischer Zusammenhänge
• Zwang schützt vor dem Erleben stark aversiver
Emotionen
• Nähe-/Distanzregulierung
• häufig frühe Bindungserfahrungen von Verlust,
mangelnder Geborgenheit, Ohnmacht und Demütigung
Bisher wurden 34 Zwangspatienten mit EMDR behandelt –
5 ambulant, 29 stationär
Eingeschlossene Patienten
Art der Zwänge
Y-BOCS
Kontrollzwänge
prä: 36; post: 9
Erst EMDR, dann Expo
aggressive ZG, Waschzwänge
prä: 35 (BDI: 22) post: 22
Erst EMDR, dann Expo
aggressive ZG, Kontrollzw., Rückversich.
prä: 34; post: 11
Erst EMDR, dann Expo
aggressive und sexuelle ZG, v.a. Bilder
prä: 16; post: 8 (nur ZG)
Erst Expo, dann EMDR
Kontrollzwänge
prä: 35; post: 17
aggressive ZG, Rückversicherungen
prä: 37; post: 17
Expo und EMDR abwechselnd
aggressive ZG, Kontroll-Ordnungszwänge
prä: 28; post: 16
Erst Expo, dann EMDR
Waschzwänge, Borderline-Akzentuierung
prä: 31; post: 18
Waschzwänge, Kontrollen
prä: 27; post: 15
Expo und EMDR abwechselnd
Kontrollzwänge, Sammeln u Horten
prä: 32; post: 19
Erst Expo, dann EMDR
Waschzwänge, Alkoholabhängigkeit
prä: 32; post: 25
Erst Expo, dann EMDR
prä: 28; post: 22
Expo und EMDR abwechselnd
Religiöse und aggressive Zwangsgedanken
Vorgehen
Expo und EMDR abwechselnd
Erst Expo, dann EMDR
Sexuelle Zwangsgedanken
prä: 30; post: 15
Expo und EMDR abwechselnd
Waschzwänge
prä: 36; post: 9
Expo und EMDR abwechselnd
Aggressive Zwangsgedanken
prä: 32; post: 24
Expo und EMDR abwechselnd
Aggressive Zwangsgedanken
prä: 32; post: 14
Wasch- & Kontrollzwänge
prä: 26; post: 13
Erst Expo, dann EMDR
Gedankliche Zwangshandlungen: Beten
prä: 29; post: 16
Erst EMDR, dann Expo
Horten
prä: 28; post: 18
Expo und EMDR abwechselnd
Expo und EMDR abwechselnd
Zähl- und Wiederholungszwänge
prä: 35; post: 21
Expo und EMDR abwechselnd
Wasch- & Kontrollzwänge
prä: 28; post: 16
Erst EMDR, dann Expo
7
Studiendesign
Ein- und Ausschlusskriterien
Ein
Alter zwischen 18 und 65 Jahren,
Vorliegen einer Zwangsstörung (primäre Behandlungsdiagnose),
falls Medikation dann stabile Einnahme
seit mind. 3 Monaten ohne Veränderung
Aus
im Vordergrund stehende Komorbidität,
Diagnose einer Schizophrenie,
Leben in traumatisierender Situation / Beziehung
(keine notwendige Sicherheit ist gegeben;
Dissoziation ist wichtige Coping-Strategie), Ticstörungen,
neurologische Schädigung, Intelligenzminderung (IQ<70),
Einnahme von Benzodiazepinen und/oder Neuroleptika
Es wurden Selbst- und Fremdbeurteilungsinstrumente
verwendet.
Messinstrument
Variable
SF-36
Gesundheitszustand/Lebensqualität
Y-BOCS
Schweregrad der
Zwangssymptomatik
FMP
Psychotherapiemotivation
PDS
PTBS Diagnostik
DES II
Dissoziationsneigung
BDI
Schweregrad einer mögl.
Depression
SCL-90-R
subjektiv empfundene
Beeinträchtigung durch
körperliche und psychische
Symptome
Patientenstundenbogen der
Universität Freiburg (2000)
Zufriedenheit mit Therapiesitzung
Die Symptomreduktion prä-post erreicht
41% (erst ERP), 58% (erst EMDR) und 44% (gemischt)
Y-BOCS
8
Der Einsatz von EMDR fördert die Übertragung auf die
Handlungsebene.
Was bringt EMDR?
wird als positive Erfahrung
und hilfreich wahrgenommen
motiviert;
weniger Abbrüche
unterstützt Emotionsarbeit
u. Arbeit an der Funktionalität
erleichtert
Expositionsbehandlung
Erleben von „Kontrolllosigkeit“ ist therapeutische Chance,
Förderung „automatischer“ Prozesse ohne Suggestion
Der Einsatz von EMDR bietet einige Vorteile,
sollte aber mit Expositionsübungen kombiniert werden
Artikel
Böhm K, Voderholzer U:
EMDR in der Behandlung von Zwangsstörungen:
Eine Fallserie.
Verhaltenstherapie 2010; 20:175-181
(DOI: 10.1159/000319439)
Böhm K:
Die Therapiemethode EMDR bei Zwängen.
Z-aktuell 2011; 4:6-7
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
www.klinik-friedenweiler.de
[email protected]
Privatklinik für Psychiatrie Psychotherapie Psychosomatik
9
Herunterladen