GfBK-Kurz-Info Ketogene Diät Stand: Juli 2012 Zweifelsohne hat unsere Ernährung Einfluss auf das Krebsgeschehen. Allerdings gehen die Meinungen über die richtige Antikrebsdiät oft weit auseinander. In den letzten Jahren wurde eine proteinreiche Abwandlung der ursprünglichen ketogenen Diät als angeblich wirksame und wissenschaftlich belegte Krebsdiät propagiert. Bei genauer Sicht der epidemiologischen und ernährungswissenschaftlichen Studienlage scheint jedoch Vorsicht geboten. Die These, eine „ketogene Diät“ könne den Tumor „aushungern“ und das Überleben verlängern, ist wissenschaftlich nicht belegt. Im Labor werden Krebszellen bekanntlich nicht in Zuckerwasser, sondern in Kälber- oder Rinderserum gezüchtet. Der hohe Anteil an tierischem Eiweiß in der neuen ketogenen Diät dient Krebszellen als Brenn- und Baustoff, belastet den Stoffwechsel und wirkt insulinogen. Das viele Fett nährt Adipozyten wie Krebszellen gleichermaßen und kann auf Dauer eine Insulinresistenz fördern. Die ketogene Diät geht davon aus, dass durch eine Ernährungsumstellung auf eine kohlenhydratarme und fett- bzw. eiweißreiche Ernährung in Kombination mit hierfür speziell entwickelten Lebensmitteln das Wachstum von aggressiven Krebszellen und Metastasen gehemmt werden kann. Im Rahmen dieser Diät soll es vor allem wichtig sein, keine stark kohlehydrathaltigen Lebensmittel mit sogenanntem hohem glykämischen Index zu verzehren. Dabei ist von großer Bedeutung, ob der Zucker im Organismus langsam oder schnell verstoffwechselt wird. Der sogenannte glykämische Index misst, wie schnell nach dem Verzehr eines Nahrungsmittels die Zuckerkonzentration im Blut ansteigt. Die glykämische Last berücksichtigt zusätzlich wie das Verhältnis der Kohlenhydrate zu den anderen Bestandteilen in einem Lebensmittel ist. Ein Beispiel: Der Blutzuckereffekt von 100 g Baguettebrot ist wegen seines sehr hohen Kohlenhydrat-Gehalts trotz identischem glykämischen Index etwa 6 mal so groß wie der von 100 g gekochten Möhren, d.h. man muss ungefähr 600 bis 700 g Möhren zu sich nehmen, um die Blutzuckerwirkung von 100g Baguette zu erreichen. Was jedoch kaum jemand weiß: 158 g Steak führen zu einer wesentlich höheren Insulinaussschüttung als 200 g Pasta, während andererseits bei der ketogenen Diät gerade die Pasta verboten und Schweinbraten empfohlen wird. Zur Studienlage: Bisher gibt es zur Anwendung dieser Diätform nur einen Tierversuch sowie Erfahrungsberichte und keine Ergebnisse veröffentlichter klinischer Studien. Es ist zwar erwiesen, dass gerade Tumore in fortgeschrittenen Stadien einen bis zu 30-fachen Verbrauch an Zucker bzw. Glucose haben. Und seit Warburg weiß man auch, dass Krebszellen Glucose häufig nicht zu Kohlenhydraten und Wasser verbrennen können wie gesunde Zellen, sondern diese zu Milchsäure vergären. Laut neueren Forschungsergebnissen soll dabei das Gen Transketolase-like-1 (TKTL1) eine entscheidende Rolle spielen. Sind Krebszellen TKTL1-positiv, soll die Energiegewinnung vorwiegend durch Vergärung mit dem Endprodukt Milchsäure stattfinden, das wiederum Wachstum und Metastasenbildung des Krebsgeschwürs begünstigen soll (Möller,Coy / EHK 2009;58: 61-69). Kritisch ist jedoch anzumerken, dass nicht eindeutig geklärt ist, wie weit der Blutzucker (Blutglucose) − oder Insulinspiegel gesenkt werden muss, um wirklich erwünschte schädliche Wirkungen auf Krebszellen im Organismus zu erreichen und ob die Tumorzellen nicht auch auf andere Energiequellen (Eiweiße, Fette, Ketonkörper) umsteigen können, wenn nicht genügend Glucose mehr angeboten wird. Experten bemerken außerdem, dass der Tumor auf einen Zuckerentzug mit der Überproduktion von Glukosetransportern reagiert und sich dann auch bei niedrigen Blutzuckerspiegeln noch Brenn- und Baustoffe aus dem Blut holen kann, Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine Glukoseabsenkung unter normalen Bedingungen nicht ausreicht, um die Glukoseversorgung von Krebszellen zu gefährden Schwierig ist auch, dass sich nur wenige Ärzte oder Ernährungsberater wirklich fundiert mit dieser speziellen Diät auskennen. Unser Rat ist daher: Lassen Sie sich nicht verunsichern und hinterfragen Sie den Sinn einseitiger Ernährungsvorschläge genau. Besonders Krebspatienten, die an Auszehrung (Kachexie) leiden, sollten auf gar keinen Fall diese Diät umsetzen, da die Erfahrung zeigt, dass die Dünnen noch mehr abnehmen.Dass die ketogene Ernährung im Widerspruch zu ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen steht, zeigt folgendes Beispiel: So haben die Menschen der Okinawa-Inseln in Japan die nachweislich höchste Lebenserwartung und trotz deutlich höherer Lebenserwartung 80-90% weniger Herz-KreislaufErkrankungen, Brust- und Prostatakrebs. Die Ernährung der Menschen aus Okinawa (die sich pflanzen- und kohlenhydrateich, kalorien-, fett- und eiweißarm ernähren) steht dabei im krassen Gegensatz zu den genetisch verwandten kanadischen Inuits, die mit ihrer traditionellen Fett-Eiweiß-Kost die kürzeste Lebenserwartung und die meisten Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen aller Kanadier haben. Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e.V., Zentrale Beratungsstelle, Voßstr. 3, 69115 Heidelberg Tel.: 06221-13802-0 Fax: 06221-13802-20 www.biokrebs.de GfBK-Kurz-Info Ketogene Diät Die in der ketogenenDiät empfohlene erhöhte Zufuhr an Fetten und Eiweißen ist übrigens nicht unproblematisch: Denn tierisches Eiweiß in Form von Fleisch belastet im Übermaß durch Ammoniakbildung im Darm die Leber und damit den Stoffwechsel. Die China Study, die bisher umfassendste Studie über Ernährung, Lebensweise und Krankheit, bestätigt die Bedenken zum Verzehr tierischer Lebensmittel in einer einzigartigen Deutlichkeit in über 100 Originalstudien. Colin Campbell leitete die China Study, an der zwei westliche Universitäten sowie die Chinesische Akademie für Präventivmedizin beteiligt waren. Die als Buch erschienene China Study belegt eindeutig, dass das Risiko, an Darm-, Brust- und Prostatakrebs oder an einer Herzkrankheit zu erkranken, proportional mit dem Fleisch- und Milchkonsum steigt. Nähere Informationen finden Sie unter www.thechinastudy.com. Auch bei der Zufuhr von Fetten sollte man bedenken, dass allzu häufig tierische Fette mit gesundheitsschädlichen Omega-6-Fettsäuren und nicht die hochwertigen Omega-3-Fettsäuren (wie sie in Fisch, Fischöl, Leinöl und Rapsöl enthalten sind) verzehrt werden. Neue Ergebnisse der europäischen EPICStudie belegen ebenfalls die hohe Risikokorrelation zwischen Brustkrebs und Fettkonsum. So verdoppelte ein hoher Fettkonsum (Gesamtfett) das Brustkrebsrisiko der deutschen EPIC-Teilnehmerinnen (Schulz et al., 2008). Bei Französinnen führten insbesondere Transfettsäuren aus industriell verarbeiteten Lebensmitteln zu einem 75% höheren Brustkrebsrisiko (Chajès et al., 2008). Zusammenfassend legt die wissenschaftliche Datenlage nahe, dass für unsere heutigen Zivilisationskrankheiten eine abwechslungsreiche, pflanzliche Ernährungsweise die beste Medizin ist. Daher empfehlen wir lieber ein ausgewogenes an einer vollwertigen Kost orientiertes Ernährungskonzept, dass natürlich auf den einzelnen Menschen und seine Krankheitssituation abzustimmen ist. Wichtig ist, stark kohlenhydrathaltige Speisen und Getränke mit hohem glykämischem Index zu meiden, ohne dass dafür speziell entwickelte Lebensmittel zugeführt werden müssen. Vollkornprodukte, über die die Kohlenhydrate über einen längeren Zeitraum aufgenommen werden, sollten bevorzugt werden, und auch der regelmäßige Verzehr von am besten leicht gedünstetem Gemüse sollte zum alltäglichen Speiseplan gehören. Denn die Asiaten und Italiener essen neben Reis und Nudeln -die nach den Massgaben der ketogenen Diät eher nicht verzehrt werden sollten- sehr viel Gemüse. Asiaten trinken zudem viel grünen Tee. Beides trägt neben regelmäßiger körperlicher Betätigung und ausreichendem Schlaf zur Gesunderhaltung bei. Im Gegensatz zu den Verfechtern der ketogenen Diät sind wir der Ansicht, dass es eher um die sorgfältige und bewusste Auswahl und nicht um das Weglassen oder Überbetonen einzelner Nahrungsmittel geht. Außerdem ist gerade bei Krebskranken eine differenzierte Vorgehensweise erforderlich, welche das Tumorstadium, persönliche Verträglichkeiten sowie vor allem die individuelle Stoffwechselsituation berücksichtigt. Der World Cancer Research Fund (WCRF), der das globale Netzwerk von Anti-KrebsWohltätigkeitsorganisationen zur Vorbeugung und Therapie von Krebs koordiniert, und das American Institute for Cancer Research (AICR) kommen 2007 in ihrem zweiten Review (537 Seiten) zu Ernährung, Bewegung und Krebsvorbeugung zur folgenden abschließenden Empfehlungen: — Seien Sie so schlank wie möglich innerhalb eines normalen Körpergewichts! — Seien Sie täglich körperlich aktiv! — Wählen Sie Essen mit niedriger Kaloriendichte! D. h. wenig Fett! — Essen Sie überwiegend Pflanzenkost, davon mind. 600 g Gemüse (Kartoffel zählt hier nicht) und Obst sowie 25 g Ballaststoffe aus Vollkornprodukten und anderen Ballaststoffquellen. (Raffinierte Mehle und Zucker gelten nicht als Pflanzenkost). Essen Sie möglichst wenig verarbeitetes Getreide und Leguminosen mit jeder Mahlzeit! — Reduzieren Sie Fleisch auf max. 300 g pro Woche und vermeiden Sie komplett verarbeitetes Fleisch (z. B. Wurstwaren). Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e.V., Zentrale Beratungsstelle, Voßstr. 3, 69115 Heidelberg Tel.: 06221-13802-0 Fax: 06221-13802-20 www.biokrebs.de