mitochondriale Eva

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Exkurs: Die Mitochondriale Eva
Die Uhr in den Genen
Lebewesen sind (gewöhnlich) monophyletisch, d.h. zwei verschiedene Lebewesen
besitzen immer (d.h. in der Vergangenheit) einen letzten gemeinsamen Vorfahren.
Diese Erkenntnis wird in der Kladistik verwendet, um eine phylogenetische Systematik
aufzubauen (Willi Hennig).
Aussage:
Die Arten A und B haben einen gemeinsamen
Vorfahren (aus dem sie entstanden sind)
Dieser gemeinsame Vorfahre von A und B hat
mit der Art C wiederum einen gemeinsamen
Vorfahren
Die Bifurkationen im Kladogramm entsprechen Artaufspaltungsereignissen. Ist es
möglich (ohne Verfolgung eines fossilen Records) deren Zeitpunkte festzustellen?
Wie verändern sich Gene mit der Zeit?
1. Gene können sich nur zufällig ändern , was zu Mutationen führt
 Ursachen: Spontanmutation / Induzierte Mutation; Replikationsfehler
2. Zufällige Änderungen können auf jedem Genlokus mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
stattfinden. Haben sie Auswirkungen auf den Phänotyp, können sie natürlich selektiert
werden. Andernfalls findet vorerst mit der Zeit nur eine Anreicherung statt.
 je größer die Unterschiede zwischen den Gensequenzen zweier Lebewesen sind,
desto länger liegt der Zeitpunkt der Trennung vom letzten gemeinsamen
Vorfahren zurück
Sequenz A/B Trennung vor kurzer Zeit, Sequenz A/C Trennung vor längerer Zeit
Während die klassische Kladistik auf morphologische Merkmale setzt (Lebewesen A
besitzt das Merkmal, Lebewesen B nicht), erlauben Genanalyse von morphologischen
Unwegbarkeiten unabhängige Untersuchungen von Verwandtschaftsbeziehungen.
-> wenn der Austausch von Aminosäurencodes in einer Gensequenz zufällig
mit einer bestimmten Rate abläuft (die sich eichen läßt), dann kann man
anhand der tatsächlich vorhandenen Unterschieden zwischen den Genen der
Arten A und B auf den Zeitpunkt schließen, wo sich ihre Entwicklungswege
getrennt haben.
Beispiel Mensch und Ratte
Grundlegende Funktion molekularer Uhren
Die Evolution setzt nach Darwin an Populationen an. In stabilen Populationen
werden die Gene immerfort ausgetauscht, was dazu führt, daß sich zwischen
den Individuen keine allzugroßen Abweichungen in den Gensequenzen untereinander ergeben.
Werden Populationen getrennt (was zur Artbildung notwendig ist), dann entwickeln sich die Gensequenzen auseinander (sie können sich quasi nicht mehr
mischen), wodurch die „molekulare Uhr“ zu ticken beginnt.
 Die Arten A und B entfernen sich immer weiter von ihrem letzten gemeinsamen
Vorfahren, was sich in den Gensequenzen widerspiegelt, die immer weniger
übereinstimmen, je weiter der Bifurkationspunkt in der Vergangenheit liegt.
Problem: Die Ganggeschwindigkeit molekularer Uhren sind nicht einheitlich
Generationsdauer (kürzere Generationsdauer impliziert schnellere Fixierung von Mutationen)
Populationsgröße (in größeren Populationen werden mehr Mutationen ausselektiert)
...
Eichung molekularer Uhren
Die Kalibrierung molekularer Uhren ist ein schwieriges und noch nicht zufriedenstellend
gelöstes Problem.
 Die Austauschraten sind für verschiedene Arten sehr unterschiedlich (Ursache
weitgehend unerforscht, Bsp. Mensch – bestimmte Primaten Unterschied Faktor 100)
Häufig versucht man eine Kalibrierung anhand von Fossilien, deren Alter anderweitig
(z.B. radiogen) bestimmt wurden. Diese Methode ist aber auch sehr ungenau.
Beispiel: Phylogenetischer Stammbaum des
Menschen
Anwendung auf den modernen Menschen (Homo sapiens sapiens)
Gem. Schimpanse – Bonoboo: Letzter gemeinsaner Vorfahre (LGV) vor 2 Millionen
Jahren
Mensch – Schimpanse: LGV vor ca. 250000 Generationen
d.h. der Bifurkationspunkt liegt ca. 6 Millionen Jahre in der
Vergangenheit
(Mensch/Schimpanse – Gorilla): LGV vor ~ 300000 Generationen (7 Millionen (Ma) Jahre)
(Mensch/Schimpanse/Gorilla – Orang-Utan): LGV vor ~ 666000 Generationen (14 Ma)
(M/S/G/OU – LGM der Gibbons): LGV vor ~ 18 Ma
(M/SG/OU/G – Altweltaffen): LGV vor ~ 25 Ma (Oligiozän / Miozän)
(M/SG/OU/G/AWA – Neuweltaffen): LGV vor ~ 40 Ma (Eozän)
(* - Koboldmakis): LGV vor ~ 58 Ma (Paläozän)
(* - Lemuren): LGV vor ~ 63 Ma (Kurz vor der K/T – Grenze)
(* - Spitzhörnchen/Riesengleitflieger): LGV vor ~ 70 Ma (Kreidezeit)
(* - Nagetiere): LGV vor ~ 75 Ma = 15 Millionen Generationen
(* - Laurasiatheren (u.a. Schuppentiere, Fleischfresser, Unpaar- und Paarhufer) ): LGV vor 85 Ma
...
(* - Beuteltiere): LGV 140 Ma (Hoch-Zeit der Saurier) = 80 Millionen Generationen
Etwas Ahnenforschung:
Der Unterschied zwischen „Menschenstammbäumen“ und „Genstammbäumen“
Ausschnitt aus dem Stammbaum des Adelshauses Sachsen - Coburg
Jeder Mensch hat zwei Eltern, 4 Großeltern, 8 Urgroßeltern ...
 Die Ahnenreihe wird schnell unübersichtlich ...
Ein Mensch hat immer zwei Eltern, ein Gen dagegen nur ein Elternteil
Jedes Gen stammt entweder vom
Vater oder von der Mutter, von einem
und nur einem der vier Großeltern
und von einem und nur einem unserer
acht Urgroßeltern etc. pp.
Eine Familiengeschichte der Gene ist
vergleichsweise einfach im Vergleich
der Familiengeschichte eines Menschen.
Kompletter haploider Chromosomensatz eines
Menschen (23)
Gene vererben sich wie die klassischen
Familiennamen (kennzeichnet die
männliche Linie, da Frauen die Familiennamen ihrer Männer annehmen)
Die Familiengeschichte eines Gens läßt sich anhand einer
phänotypisch wirkenden Mutation verfolgen
Beispiel: Mutation eines Gens auf dem X-Chromosom, welches ein Protein codiert,
das für die Blutgerinnung zuständig ist.
Hämophilie
Alexis
„Bluter“-Stammbaum des
Adelshauses Sachsen-Coburg
Der „Edward“ wars ...
Frauen haben zwei X-Chromosomen,
bei denen eins in Ordnung ist
 werden nur zu Blutern, wenn
beide X-Chromosomen den
gleichen Gendefekt aufweisen
Männer besitzen nur ein X-Chromosom.
 werden immer zu Blutern, wenn
es den genannten Gendefekt besitzt
Der LGV der Bluterdynastie ist
Edward, Herzog von Kent
Letzter Gemeinsamer Vorfahr
Die weibliche Abstammungslinie
läßt sich über die mitochondriale
DNA verfolgen.
Prinzip
Modellpopulation mit 100 Frauen, bei der
50 ein Allel A der mtDNA in sich tragen
und 50 ein Allel B.
 In der folgenden Generation sind die
Anteile durch den zufälligerweise etwas
größeren Reproduktionserfolg der „AllelA-Frauen“ geringfügig verschoben, z. B.
51-mal Allel A und nur 49-mal Allel B, in
der darauf folgenden Generation liegen
52-mal Allel A und 48-mal Allel B vor.
 Statistisch haben nach etwa 100
Generationen alle Individuen in der
Population entweder Allel A oder B. Eines
der Allele ist infolge der Gendrift in der
Population ausgestorben, und das andere
wurde fixiert. - Monophylie -
Die mitochondriale Eva war weder die erste Frau noch die einzige Frau zu einem
bestimmten Zeitpunkt der Vergangenheit. Eva hatte viele Zeitgenossinnen; die
mitochondrialen Erblinien der anderen Frauen starben aber aus, während die
von Eva überlebte.
Deshalb kann man sagen, daß alle heute lebenden, ca. 7 Milliarden Menschen,
diese einzige Frau als letzten gemeinsamen Vorfahren haben. Alle anderen
Abstammungslinien ihrer Zeitgenossinnen sind ausgestorben.
Wann und wo lebte diese „Mitochondriale Eva“ ?
„Eva“ lebte vor 175000 +/- 50000 Jahren in Afrika (Ingman et.al. Nature (408) 2000)
„Auszug aus Afrika“ vor 52000 +/- 28000 Jahre
Diversifikation über die ganze Welt vor ~ 38500 Jahren (d.h. vor etwa 2000 Generationen)
Im Prinzip kann man für jedes Gen einen LGV ermitteln (z.B. für blaue Augen), die jeweils
zu ganz anderen Zeiten gelebt haben.
Gibt es einen wirklich „Letzten gemeinsamen Vorfahren“ ?
Last Universal Ancestor (LUA  „Urvorfahr“)
(* - Nagetiere): LGV vor ~ 75 Ma = 15 Millionen Generationen
(* - Laurasiatheren (u.a. Schuppentiere, Fleischfresser, Unpaar- und Paarhufer) ): LGV vor 85 Ma
...
(* - Beuteltiere): LGV 140 Ma (Hoch-Zeit der Saurier) = 80 Millionen Generationen
(* - Kloakentiere): LGV 180 Ma = 120 Millionen Generationen
(* - Reptilien/Vögel): LGV 310 Ma (Zweite Hälfte des Karbons) = 170 Millionen Generationen
(* - Amphibien): LGV 340 Ma (Frühes Karbon) = 175 Millionen Generationen
(* - Lungenfische): LGV 417 Ma (Devon / Silur) = 185 Millionen Generationen
(* - Quastenflosser): LGV 425 Ma (Pflanzen begannen das Land zu besiedeln) = 190 Millionen Generationen
(* - Strahlenflosser): LGV 440 Ma (Anfang Silur) = 195 Millionen Generationen
(* - Knorpelfische): LGV 460 Ma
(* - Neunaugen): LGV 530 Ma (frühes Kambrium) = 240 Millionen Generationen
(* - Lanzettfischchen): LGV ~ 560 Ma (kambr. Explosion) = 270 Millionen Generationen
(* - Seescheiden): LGV ~ 565 Ma = 275 Millionen Generationen
(* - Ambulacaria (Seesterne, Seeigel Seegurken ...): LGV vor ~ 570 Ma = 280 Millionen Generationen
(* - Protostomier (Würmer, Armfüßer, Weichtiere, Anthropoden ...): LGV vor ~590 Ma = 300 Millionen Generationen
(* - Plattwürmer): LGV ~630 Ma (Neoproterozoikum, Totalvereisung der Erde)
(* - Nesseltiere): irgendwo vor mehr als 650 Ma
(* - Rippenquallen) - ... - (* - Schwämme) - ... - (* - Pilze) - ... - (* - Pflanzen) - ... - ( * - Archaea) - ... - Urvorfahr
Aufgrund der Stetigkeit des Lebens (jede Zelle entsteht
aus einer Zelle) muß es für alle heute lebenden Organismen
einen (Aller)- Letzten gemeinsamen Vorfahren „Urvorfahr“
geben.
- lebte im Archaikum, wahrscheinlich im Bereich heißer
untermeerischer Quellen (wegen früher Abspaltung der
extremophilen Archaea)
- Er muß nicht zwangsläufig der erste existierende Organismus
gewesen sein
- Alle Nachfahren seiner Zeitgenossen sind ausgestorben,
nur ein Teil seines genetischen Materials hat bis heute
überlebt.
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