1 • 2016 Fortbildung COPD – Tipps für die medikamentöse Therapie Von Dr. med. Thomas Hausen Facharzt für Allgemeinmedizin D-45239 Essen Chronischer Husten, Auswurf und Atemnot sind die Definition (NVL COPD 2010) Hauptsymptome der chronisch obstruktiven LunDie COPD ist eine chronische Lungenkrankheit mit progredienter, nach Gabe von Bronchodilatatoren und/oder Kortikosteroiden nicht vollständig reversibler Atemwegsobstruktion auf dem Boden einer chronischen Bronchitis und/oder eines Lungenemphysems. Hauptsymptome sind chronischer Husten, Auswurf und Atemnot, anfangs nur unter Belastung. genkrankheit COPD. Bis heute stehen noch keine Pharmaka zur Verfügung, die die Entzündung der Schleimhaut und damit die Progression der COPD beeinflussen können. Wie sich die Beschwerden der Patienten mit den vorhandenen Medikamenten lindern lassen, ist Thema dieses Beitrags. Tabelle 1: Wirkunterschiede der Bronchodilatatoren und der inhalierbaren Kortikosteroide Die Therapie der COPD ist rein symptomatisch. Sie steht dabei auf 4 Säulen und kann nur in ihrer Gesamtheit das Optimum der Möglichkeiten erzielen. 1. Ausschalten der Noxe Bronchodilatation Hemmung von Entzündungsmediatoren Stimulierung der Zilientätigkeit Besserung der Prognose Das Ausschalten der auslösenden Noxe stellt immer noch die beste und einzige Möglichkeit dar, die Progression der COPD positiv zu beeinflussen. 2. Rehabilitation/Patientensport Der Erhalt und Aufbau der Muskulatur und körperlichen Leis- Betaagonist +++ Anti cholinergika ++ ICS ø ø + ø ø ø ø ø–? (s.o.) ø ø ausser bei Exazebation tungsfähigkeit ist das Ziel der Rehabilitation. Wie bei einem Sportler kann auch beim COPD-Patienten regelmässige kör- Die medikamentöse Therapie verfolgt grundsätzlich 2 Ziele: perliche Belastung den Sauerstoffbedarf ökonomisieren und 1. Beschwerdelinderung damit die Belastbarkeit steigern und das Auftreten von limi- Luftnot: Besserung durch optimale Bronchodilatation. tierender Luftnot in eine höhere Belastungsstufe verschieben. Husten: oft positiver Nebeneffekt der Bronchodilatation. 3. Impfung gegen Influenza und Pneumokokken Antitussiva werden nicht allgemein empfohlen! Jeder Infekt kann zu einer Exazerbation führen, die einen ir- Auswurf: Besserung durch die Betaagonisten durch Steige- reversiblen Verlust von Lungenfunktion verursacht. Die In- rung der Zilientätigkeit oder zusätzliche Massnahmen wie In- fektvermeidung ist somit eines der wichtigsten Ziele. halation von Kochsalz und Physiotherapie. Mukolytika und 4. Medikamentöse Therapie Sekretolytika werden nicht allgemein empfohlen Mit einer korrekten medikamentösen Therapie können die 2. Verhinderung/Reduktion von Exazerbationen in Zahl, In- Beschwerden des Patienten gelindert und die Häufigkeit von tensität und Dauer Exazerbationen reduziert werden. Inhalationstherapie steht im Vordergrund Die Therapie der COPD ist eigentlich einfacher, als es die aktuellen Empfehlungen der Pneumologen vermuten lassen. Wichtige Abkürzungen Diese Empfehlungen geben den gegenwärtigen Stand der SABA LABA SAMA LAMA ICS pMDI/DA DPI RABA Short Acting Beta-Agonist Long Acting Beta-Agonist Short Acting Anticholinergic Long Acting Anticholinergic Inhaled Corticosteroid Pressurized Metered Dose Inhalter Dry Powder Inhaler Rapid Acting Beta-Agonist Kurz wirkender Betaagonist Lang wirkender Betaagonist Kurz wirkendes Anticholinergikum Lang wirkendes Anticholinergikum Inhalierbares Kortison Dosieraerosol Trockenpulver-Inhalierer Schnell wirkender Betaagonist wissenschaftlichen Literatur wieder. Leider fehlt diesen Empfehlungen die Praktikabilität für die Hetze in einer Hausarztpraxis, was selbst von Pneumologen für ihre Praxis so empfunden wird. So sollte der Hausarzt vorgehen: • Aushändigen eines Fragebogens (CAT) zur Beurteilung des Gesundheitszustandes. Auswertung CAT. – 28 – 1 • 2016 Fortbildung Tabelle 2: Pharmakologische Unterschiede der Betaagonisten RABA* Wirkeintritt nach Wirkmaximum Wirkdauer SABA Fenoterol Salbutamol Terbutalin 1–2 min ca. 15 min 4–6 h Formoterol LABA Salmeterol Olodaterol LABA24 Indacaterol Vilanterol 3–10 min ca. 20 min 9–12 h 10–20 min ca. 30 min 9–12 h 5 min 2–4 h > 24 h 5 min 30–120 min 24 h 15 min 1h 24 h * RABA = SABA + Formoterol (LAB) • Beurteilung des Schweregrades mithilfe von Lungenfunk- weise werden die meisten Substanzen in verschiedenen tion, CAT und Zahl der Exazerbationen. Geräten angeboten, sodass diese Maxime relativ leicht zu • Bestimmung der Therapie mithilfe der entsprechenden befolgen ist. Empfehlungen (für dieses Vorgehen sind alleine 3 FormuWeitere Therapeutika lare bzw. Diagramme auf Vorrat zu halten). Eine orale Applikation bleibt nur wenigen schwer kranken Umsetzung in der Praxis Patienten oder bestimmten Situationen vorbehalten, sodass Was aber helfen die besten Empfehlungen, wenn sie man- diese Substanzen hier nur kurz erwähnt werden sollen: gels Praktikabilität nicht umgesetzt werden? Aus der Sicht • Der Phosphodiesterase-4-Hemmer (Roflumilast) wird emp- des Autors ist die folgende Vorgehensweise zwar nicht wis- fohlen bei schwerer und sehr schwerer COPD mit Husten, senschaftlich belegt, aus der Erfahrung aber vergleichbar erfolgreich, wenn nicht sogar erfolgreicher, allein wegen der Tabelle 3: leichteren Umsetzbarkeit in der Praxis: Die Betaagonisten zur Inhalation und einige der dazu angebotenen Präparate und Inhaliersysteme 1. Beginne mit einem lang wirkenden Bronchodilatator (LAMA oder LABA). Welcher dies ist, hängt von den Vorlieben des Therapeuten und den Nebenwirkungen und sich daraus RABA Substanz Fenoterol Salbutamol Terbutalin Formoterol SABA ergebenden Einschränkungen ab. 2. Ergänze einen zweiten lang wirkenden Bronchodilatator LABA (LAMA + LABA) bei unzureichender Wirkung (Symptome, Lungenfunktion). Indacaterol Olodaterol Handelsname Berotec® Ventolin®, Bricanyl® Oxis®, Foradil® Forair® Serevent® Seretide® Onbrez®, Striverdi® Vilaterol Relvar® Salmeterol 3. Bei häufigen Exazerbationen (> 2/Jahr) ergänze ein inhaLABA 24 lierbares Kortikoid (ICS). Bei ausbleibendem Erfolg des ICS sollte auch das Absetzen dieser ineffektiven Therapie in Betracht gezogen werden. 4. Ergänzende Massnahmen sollen in Erwägung gezogen System DA DA DPI, DA DPI, DPI, DA DA Inhaliersystem DA DA Turbohaler® Turbohaler® Aerolizer® Diskus® DA DPI Breezhaler® Soft-Mist- Respimat® Inhaler DPI Ellipta® * RABA = SBA + Formoterol (LABA) werden (z.B. Sauerstofflangzeittherapie, Medikamente, chirurgische Massnahmen). Tabelle 4: Die wichtigsten Informationen zu den Anticholinergika Inhalation – der Goldstandard Die Vorteile der Inhalation sind: Substanz SAMA Ipratropium Aclidinium • Die Substanz kommt direkt an den Ort des Geschehens. • Es reicht eine geringere Dosis. Handelsname Atrovent® Darreichung DA Eklira® Genuair® DPI Inhalierer Wirkeintritt Wirkmaximum Dosen/Tag DA ca. 15 min ca. 4–6 h 3–4 Genuair® 30 min 12 h 2 • Die Wirkung setzt schneller ein (Bronchodilatatoren). • Geringere Dosen können weniger Nebenwirkungen verursachen. Für den Erfolg einer Inhalationstherapie sind die Auswahl des geeigneten Inhaliersystems und eine korrekte Inhalationstechnik entscheidender als die Substanz. Glücklicher- * als Einzelsubstanz noch nicht erhältlich – 29 – LAMA GlycopyrUmeclironium dinium Seebri® * DPI Breezhaler® 5 min 24 h 1 DPI Tiotropium Spiriva® Soft-MistInhaler Respimat® 20–27 min ca. 30 min 24 h > 24 h 12 1 1 • 2016 Fortbildung Auswurf und erhöhter Exazerbationsrate. Übelkeit, Bauch- Betaagonisten schmerzen, Gewichtsverlust und Kopfschmerzen als Ne- Die Betaagonisten werden nach ihrem Wirkeintritt und der Wirk- benwirkungen schränken den Einsatz ein. dauer unterschieden (Tabelle 2). Als Nebenwirkungen sind Tre- • Theophyllin zeigt eine antiobstruktive Wirkung, die aber mor, Unruhe, Tachykardie und Hyperglykämie zu nennen, die geringer ist als bei den Inhalativa. Ob hier noch andere Ef- selbstverständlich nach Inhalation (niedrigere Dosis = gerin- fekte auftreten, wird immer wieder heiss diskutiert, ist gere systemische Wirkung) im Vergleich zur oralen Applikation aber nicht belegt. Häufig werden von Patienten positive Ef- deutlich seltener und schwächer auftreten. Einige der Präparate fekte berichtet, die sich aber nicht nachweisen lassen. und Inhalationssysteme sind in Tabelle 3 aufgeführt. • Kortison ist in höheren Dosen systemisch nur additiv bei einer Exazerbation indiziert (5 Tage maximal 30–50 mg Anticholinergika Prednisolon). Eine Langzeitgabe hat bisher keine positiven Im Vergleich zu den Betaagonisten besitzen die Anticholinergika eine geringere bronchodilatatorische Wirkung, die auch Effekte gezeigt! etwas später einsetzt. Auch die Anticholinergika unterscheiBronchodilatatoren den sich in ihrer Wirkdauer und der daraus sich ergebenden Zu den Bronchodilatatoren zählen die Betaagonisten und die ein- bis mehrfachen Anwendungsnotwendigkeit pro Tag (Ta- Anticholinergika, die sich geringfügig in ihrer antiobstrukti- belle 4). Als Nebenwirkungen können in höheren Dosen ven Wirkung unterscheiden (Tabelle 1). Für die Bronchodila- Mundtrockenheit, Akkommodationsstörungen, Obstipation, tatoren gelten einige Hinweise für den Einsatz bei der COPD: Tachykardie und Miktionsstörungen auftreten. • Die kurz wirkenden SABA werden nicht für die Dauertherapie, sondern nur für die Bedarfstherapie empfohlen! Inhalierbare Kortikosteroide (ICS) Ausnahme sind die leichten Fälle mit nur gelegentlichen Im Gegensatz zur eosinophilen Entzündung beim Asthma, die gut auf ein ICS anspricht, kann die neutrophile Entzün- Beschwerden. dung, die der COPD zugrunde liegt, nicht gezielt angegangen • Die RABA = SABA und Formoterol (LABA) sind aufgrund ihres schnellen Wirkeintritts für die Bedarfstherapie zuge- werden. Es ist aber belegt, dass die ICS in der Lage sind, die lassen. Zahl der Exazerbationen zu reduzieren. In äquipotenten Dosen sind die angebotenen ICS gleich gut • Ausser Formoterol sind alle anderen LABA nicht für die wirksam. Massgeblich für die Auswahl des ICS sind daher Akuttherapie zugelassen. • SAMA können ebenfalls akut eingesetzt werden, auch eher die potenziellen Nebenwirkungen. Grundsätzlich kön- wenn Wirkeintritt und Wirkintensität schwächer einzu- nen die ICS in den üblicherweise verwendeten Dosen als schätzen sind. (fast) nebenwirkungsfrei bezeichnet werden. Alle ICS besitzen eine systemische Wirkung, die mit ihrer • Die fixe Kombination von Ipratropium und Fenoterol kann Wirkstärke korreliert, das heisst, je wirksamer eine Substanz ebenfalls für die Bedarfstherapie eingesetzt werden. Aufgrund ihrer Wirkdauer müssen einige der lang wirkenden ist, desto stärker ist auch ihre systemische Potenz. Inzwi- Bronchodilatatoren nur 1-mal pro Tag, andere dagegen 2-mal schen wissen wir, dass die ICS mit einem erhöhten Risiko für täglich inhaliert werden. In den meisten Fällen kann die Ent- Pneumonien und Osteoporose verbunden sind. Ob die Höhe scheidung von den Vorlieben des Patienten (Adhärenz) und erst der Dosis des ICS mit der Höhe dieses Risikos korreliert, ist in zweiter Linie von der Stärke und Dauer der Bronchodilatation noch nicht belegt, aber wahrscheinlich. Sollte dies der Fall abhängig gemacht werden. Es bieten sich zwei Varianten an: sein, ist die Indikation besonders bei der COPD strenger zu • Manche Patienten wollen nur 1-mal am Tag die «lästige» stellen, weil hier ja deutlich höhere Dosen als bei der Therapie des Asthmas empfohlen werden. Selbst bei häufigen Exa- Inhalation vornehmen. • Andere Patienten bevorzugen die Möglichkeit, im Laufe zerbationen sollte die Fortsetzung der Therapie beziehungs- des Tages noch einmal oder sogar mehrfach inhalieren zu weise ein Absetzen des ICS vom positiven Effekt auf die Zahl können, das heisst, die Frequenz der Inhalationen ihrem der Exazerbationen abhängig gemacht werden. subjektiven Empfinden von Luftnot anzupassen. Für diese Patienten bietet sich die 2-malige Inhalation an. Dabei Zum Einsatz fixer Kombinationen hebt die 2. Inhalation den langsamen Wirkverlust auf. In- Für einige der erwähnten Substanzen existieren fixe Kombi- zwischen gibt es erste Vergleichsuntersuchungen, die eine nationen (Tabelle 5). Diese bieten einige Vorteile: bronchodilatatorische Überlegenheit der 2-maligen gegen- • Nur ein Typ von Inhalierer macht eine fehlerfreie Inhalation wahrscheinlicher! über der 1-maligen Inhalation nachgewiesen haben. – 30 – 1 • 2016 Fortbildung Tabelle 5: • Bessere Adhärenz durch eine geringere Zahl von Anwendungen pro Informationen zu den aktuellen Fixkombinationen für die Therapie der COPD Tag. • Die fixe Kombination von LAMA + LABA scheint die bronchodilatatorische Wirkung mehr zu steigern als die Inhalation der 2 Substanzen einzeln. Wichtige Hinweise zur fixen Kombination von ICS + LABA: • Diese Kombination ist nur bei gehäuften Exazerbationen indiziert. • Sie wird viel häufiger bei der COPD eingesetzt als wirklich indiziert und verursacht dann mehr Nebenwirkungen als potenziell positive Effekte. • Bei Inhalation von LABA + ICS steigert die spürbare Wirkung des LABA die Adhärenz, und das Kortison mit fehlender Sofortwirkung wird gleichzeitig mitinhaliert, dem Patienten sozusagen untergeschoben. • Bei Verordnung von ICS + Formoterol als LABA kann die zusätzliche Substanzen SABA + SAMA Fenoterol + Ipratropium LABA + LAMA Indacaterol + Glycopyrronium Vilanterol + Umeclidinium Formoterol + Aclidinium ICS + LABA Budesonid + Formoterol Dosen/Tag Darreichung Handelsname Inhalierer DA Berodual® DA 1 DPI Ultibro® Breezhaler® 1 1 DPI DPI Anoro® Duaklir®, Ellipta® Genuair® 2 x 1–2 x 2 DPI Symbicort®, Turbohaler® BDP + Formoterol Fluticason + Salmeterol Fluticason + Formoterol Fluticasonfuroat + Vilanterol 2x1 2x1 2x1 1 DA DPI, DA DA DPI Inuvair® Viani®, Flutiform® Relvar® Diskus® DA Ellipta® Verordnung eines Bedarfsmedikamentes unterbleiben, weil Formoterol auch für den akuten Bedarf zugelassen ist. • Bei den hohen für die COPD bis heute noch empfohlenen Dosen des ICS drohen Entgleisung eines Diabetes, Katarakt und Osteoporose. Am schwersten wiegt das erhöhte Pneumonierisiko! Interessenkonflikte: Der Autor hat Honorare erhalten für die Beratung oder das Verfassen von Texten von Aerocrine, Bayer Vital, Mundipharma, Novartis. Dieser Artikel erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt», 2015; 37. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor. – 31 –