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Freitag, den 23.August 2013
MUSIKSTUNDE mit Jürgen Liebing
„Wenn die Musik der Liebe Nahrung, dann spielt weiter!“
William Shakespeare und die Musik
5.Folge
MODERATION
„Orpheus' Laute hieß die Wipfel,
Wüster Berge kalte Gipfel,
Niedersteigen, wenn er sang.
Pflanz und Blüt und Frühlingssegen
Sproßt', als folgten Sonn und Regen
Ewig nur dem Wunderklang.
Alle Wesen, so ihn hörten,
Wogen selbst, die sturmempörten,
Neigten still ihr Haupt herab.
Solche Macht ward süßen Tönen;
Herzensweh und tödlich Sehnen
Wiegten sie in Schlaf und Grab.“
So singt Katharina, Königin von England, zu Beginn des 3.Akts in
Shakespeares Stück „König Heinrich VIII.“. Am Ende wird sie die
Königskrone nicht mehr tragen.
1)
CD Track 14
Ralph Vaughan Williams
„Orpheus with his lute“
Anthony Rolfe Johnson, Tenor
Graham Johnson, Klavier
HYPERION 66480 LC 07533
2:37
3
MODERATION
William Shakespeare ist gewiß der Orpheus des Theaters, kein Dichter hat
für die Bretter, die die Welt bedeuten, ein so vielgestaltiges Werk
geschaffen, das seit Jahrhunderten eine solche Wirkung erzielt wie der
Schwan von Stratford upon Avon. Und das in allen Genres, wie Komödie
und Tragödie, Historiendrama und Zauberspuk. Niemand wird ihm die
Krone im Olymp Thalias streitig machen können, nicht Calderon und nicht
Molière, Goethe oder Ibsen.
2)
CD Track 2
Engelbert Humperdinck
Shakespeare-Suite Nr.1
Tanz der Luft- und Wassergeister
1:59
Bamberger Symphoniker
Ltg. Karl Anton Rickenbacher
KOCH SCHWANN 311972 LC 01083
MODERATION
Engelbert Humperdinck hat für mehrere Shakespeare-Stücke
Bühnenmusiken komponiert, besonders für Max Reinhardts
Inszenierungen von „Der Kaufmann von Venedig“, „Ein Wintermärchen“
und „Was ihr wollt“. Nicht zuletzt noch für Alfred Halm, den Direktor des
Berliner Schauspielhauses am Nollendorfplatz und dessen Inszenierung
von „Der Sturm“. Hier tanzten die Luft- und Wassergeister.
„The tempest“ (Der Sturm) ist das meistvertonte Stück Shakespeares,
aber keine der danach entstandenen Opern hat sich so recht im Repertoire
halten können. Für beides gibt es Gründe. Für die zahlreichen
Vertonungen spricht die Musikalität des Stücks, für das andere spricht,
dass das Stück selbst eine so hohe poetische Musikalität hat, dass die
Musik ihm kaum noch etwas hinzuzufügen vermag.
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3)
CD Track 14
Jean Sibelius
„The Tempest“
4:06
Royal Philharmonic Orchestra
Ltg. Thomas Beecham
EMI 7633972 LC 00110
MODERATION
Das Vorspiel zur Bühnenmusik von Jean Sibelius zu Shakespeares „Der
Sturm“, komponiert für eine Inszenierung 1926 in Kopenhagen – das
vorletzte gewichtige Stück, das Sibelius komponiert hat, bevor er
musikalisch verstummte.
„Sei nicht in Angst! Die Insel ist voll Lärm,
Voll Tön' und süßer Lieder, die ergötzen
Und niemand Schaden tun. Mir klimpern manchmal
Viel tausend helle Instrument' ums Ohr,
Und manchmal Stimmen, die mich, wenn ich auch
Nach langem Schlaf erst eben aufgewacht,
Zum Schlafen wieder bringen: dann im Traume
War mir, als täten sich die Wolken auf
Und zeigten Schätze, die auf mich herab
Sich schütten wollten, daß ich beim Erwachen
Aufs neu' zu träumen heulte.“
So Caliban, dessen Name ein Anagramm von Canibal ist. Caliban ist der
Wilde, der Ungezügelte und der Sklave des weisen Prospero in
Shakespeares „The Tempest“.
Der Musikkritiker Joachim Kaiser schreibt in seiner umfassenden Analyse
über die 32 Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven zur Sonate Op.31
Nr.2 unter anderem:
„Der ‚Sturm‘ ist keine Tragödie amoklaufender mächtiger Individuen mehr,
sondern das musikerfüllteste Stück Shakespeares. Überall klingt und singt
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es auf der Zauberinsel; ausgerechnet das Untier Caliban preist
sehnsüchtig Ton und Traum“, und Joachim Kaiser schließt sich dem
„strengen Musiker und Analytiker Donald Francis Tovey“ an, „es schade
hier nicht, gelegentlich an Shakespeare zu denken“.
4)
CD Track 6
Ludwig van Beethoven
Sonate Nr.17 d-moll, op.31 Nr.2 „Der Sturm“
3.Satz: Allegretto
5:52
Friedrich Gulda, Klavier
AMADEO 4237412 LC 00107
MODERATION
Besonders musikalisch angelegt im „Sturm“ ist der Luftgeist Ariel, der
gleich mehrere Lieder singt. Noch einmal seien zwei Vertonungen
gegenübergestellt. Die erste stammt von Robert Johnson, der für die
Uraufführung von Shakespeares „Sturm“ die Bühnenmusik schrieb. Die
zweite stammt von Michael Nyman, der für den Film „Prospero’s Book“
von Peter Greenaway 1990 die Lieder Ariels vertonte.
5)
*CD Track 24
Robert Johnson
„Full fahtom Five“
1:57
Joanne Lunn, Sopran
Jacob Heringman, Laute
PHILIPS 4466872 LC 00305
6)
CD Track 9
Michael Nyman
„Full fathom five“
Ute Lemper
Michael Nyman, Klavier
DECCA 4252271 LC 00171
4:18
6
MODERATION
„Der Sturm“ gilt als Shakespeares letztes Stück. Und am Schluss
verabschiedet sich Prospero in einem Epilog vom Publikum:
„Zum Zaubern fehlt mir jetzt die Kunst:
Kein Geist, der mein Gebot erkennt;
Verzweiflung ist mein Lebensend‘,
Wenn nicht Gebet mir Hilfe bringt,
Welches so zum Himmel dringt,
Daß es Gewalt der Gnade tut
Und macht jedweden Fehltritt gut.
Wo ihr begnadigt wünscht zu sein,
Laßt eure Nachsicht mich befrein.“
Es könnte auch Shakespeares eigener Abschied von der Bühne gewesen
sein, indem er bittet, durch den gnädigen Applaus des Publikums befreit
zu werden, aus seiner Pflicht entlassen zu werden.
Wer einmal im „Globe Theatre“ in London gewesen ist, selbstverständlich
handelt es sich dabei um einen Nachbau, der nicht zuletzt den heutigen
feuerpolizeilichen Vorschriften entspricht, der kann sich noch immer gut
vorstellen, wie es zu Shakespeares Zeiten in dem Oval zugegangen sein
muß.
7)
*CD Track 15
Thomas Morley
„La Coranto“
1:33
Musicians of the Globe
Ltg. Philip Pickett
PHILIPS 4466872 LC 00305
MODERATION
Die meisten Stücke Shakespeares umfassen fünf Akte, und so ist es nur
folgerichtig, dass auch diese Musikstundenwoche, die dem großen
englischen Dichter gewidmet ist, fünf Akte hat. Wir sind mitten im letzten
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und müssen gestehen, dass wir uns auf diesem gewaltigen Kontinent des
Öfteren verlaufen haben, und auch jetzt, wo es den Ausgang aus dem
Labyrinth zu finden gilt, nicht recht wissen, welchen Abzweig wir nehmen
sollen.
Bei unserem Weg aus dem Labyrinth finden wir noch eine wunderschöne
Blume aus dem geheimen Garten, die uns für drei Minuten vergessen läßt,
dass wir das Schlupfloch noch nicht gefunden haben. Rufus Wainwright
hat einige von Shakespeares Sonetten vertont, und er hat mit dem
Regisseur Robert Wilson daraus einen ganzen Abend im Berliner Ensemble
gemacht, der mittlerweile Kultstatus hat, bei dem zwar nicht er aber viele
Schauspielerinnen und Schauspieler des Ensembles seine Lieder zum
Besten geben.
Eines der von ihm vertonten Sonette ist das 20., das es im Vagen belässt,
wer die oder wohl besser der Angesprochene ist. Wer Lesen kann und
Hören, der wird daran keinen Zweifel haben:
„Ein Mädchenantlitz gab dir die Natur.
Du Herr und Herrin meiner Leidenschaft“, so beginnt es und endet mit
dem Zweizeiler:
„So für die Frau geschaffen, gib denn ihr
Der Liebe Lust und deine Liebe mir.“
8)
CD Track 97
Rufus Wainwright
Sonet 20
2:57
Rufus Wainwright
DECCA 527372471 LC 00171
MODERATION
Man mag es kaum glauben, aber die Aufstellung aller musikalischen
Werke, die sich mit Shakespeare beschäftigen, umfasst nicht weniger als
fünf jeweils sehr umfangreiche Bände, herausgegeben von Bryan
N.S.Gooch und David Thatcher „A Shakespeare music catalogue“,
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erschienen 1991 in Oxford. Wenn dieser Katalog fortgeschrieben wird,
dann dürfte es bald einen sechsten Band geben.
Der Germanistik-Professor Dieter Martin kommt in einem Aufsatz über
„Deutsche Shakespeare-Opern um 1800“ zu dem Ergebnis:
„Der Herausforderung durch Shakespeares Bühnenwerke, so scheint es,
hat sich kaum ein großer Opernkomponist entziehen können. Die immense
Attraktivität seiner Dramen geht indessen einher mit ihrer ebenso großen
Widerständigkeit: Shakespeares Werke setzen der ‚Veroperung‘ offenbar
einiges entgegen.“
Und da gibt es neben den vielen geglückten Opern auch gescheiterte
Versuche. Ludwig van Beethoven trug sich mit der Idee, eine Oper über
„Macbeth“ zu schreiben, Felix Mendelssohn und Robert Schumann wollten,
aber vermochten den „Hamlet“ nicht zu vertonen. Und sie waren nicht die
einzigen, denen dies misslang. Giuseppe Verdi, der immerhin drei Opern
nach Shakespeare-Stoffen geschrieben hat, hätte so gern den „Lear“
vertont, aber auch daraus wurde nichts.
Wenn hier anfänglich die Musikalität von Shakespeares Stücken gepriesen
wurde, so muß letztendlich festgestellt werden, gerade diese innere
Musikalität macht es auch schwer, eine Musik von außen hinzuzufügen.
9)
CD Track 1
Edward Elgar
Falstaff, Symphonische Studie c-moll, op.68
Falstaff und Prinz Heinrich
3:12
BBC Symphony Orchestra
Ltg. Andrew Davis
TELDEC 984362 LC 06019
MODERATION
„Falstaff“ ist Edward Elgars letzte große Orchesterkomposition und
zugleich seine umfangreichste Programmmusik.
Zu Beginn werden Falstaff und Prinz Heinrich vorgestellt. Letzterer wird
am Ende des zweiteiligen Königsdramas „Heinrich IV.“ selbst König sein,
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der sich von seinem Saufkumpan Falstaff lossagt. Als Heinrich V. schickt
sich solcher Umgang nicht. Der Falstaff aus „Die lustigen Weiber von
Windsor“ interessierte Elgar nicht, den empfand er als bloße Karikatur.
Königin Elisabeth ist quasi Schuld an der Entstehung der Komödie „Die
lustigen Weiber von Windsor“, denn ihr hatte der Falstaff in „Heinrich IV.“
so gefallen, dass sie ihn gern wieder auf der Bühne sehen wollte. Und so
soll Shakespeare binnen vierzehn Tagen das Stück geschrieben haben, in
dessen Mittelpunkt Falstaff steht.
Giuseppe Verdi tat sich mit seiner letzten Oper dagegen sehr viel
schwerer. Er war immerhin 76 Jahre alt und wusste nicht, ob er die Arbeit
würde vollenden können. Aber es gelang, wenn auch mit vielen
Hindernissen. Schließlich wurde die Uraufführung am 9.Februar 1893 in
Mailand doch ein riesiger Erfolg.
Der Dirigent Arturo Toscanini fand später in der Partitur einen Zettel von
Giuseppe Verdi:
„Die letzten Noten des Falstaff. Alles ist zu Ende! Geh, geh, alter John.
Lauf dahin auf deinem Weg, so lange du kannst … Lustiges Original eines
Schurken; ewig wahr, hinter jeglicher Maske, zu jeder Zeit, an jedem Ort!!
Geh … Geh … Lauf Lauf … Addio!!!“
10)
CD 2 Track 15
Giuseppe Verdi
„Falstaff“
Finale
Giuseppe Taddei u.a.
Wiener Philharmoniker
Ltg. Herbert von Karajan
DG 4476862 LC 00173
MODERATION
„Alles um uns ist Narrheit.
Der Mensch wird als Narr geboren.“
3:34
10
Dieser lapidaren Feststellung folgt die Erkenntnis: „Doch besser lacht wohl
keiner,
Als der letzte der lacht.“
Einen treffenderen Schluss für diese Musikstundenwoche kann man sich
nicht wünschen. Doch es gibt noch einen Epilog, der im Original ein Prolog
ist, aber in dieser Welt, in der manchmal alles auf dem Kopf steht oder auf
selbigen gestellt wird, ist das nicht weiter verwunderlich. So finden wir
also doch noch einen Weg aus dem Labyrinth, und mit der Ouvertüre als
Epilog verlassen wir den Kosmos Shakespeare.
11)
CD Track 1
Otto Nicolai
„Die lustigen Weiber von Windsor“
Ouvertüre
Staatskapelle Berlin
Ltg. Bernhard Klee
BERLIN CLASSICS 20462 LC 06203
8:32
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