Breuer, Ise, Döllefeld u. Breuer: Rechnerische Methode zur Bestimmung von Prolin und Citrullin 267 KURZMITTEILUNG Eine rechnerische Methode zur quantitativen Bestimmung von Prolin und Citrullin bei der automatischen Aminosäurenanalyse Von J. BREUER, H. ISE, E. DÖLLEFELD und H. BREUER Aits der Abteilung für Klinische Chemie und Biochemie der Chirurgischen Universitätsklinik und Poliklinik Bonn (Direktor: Prof. Dr. A. Gütgemann) (Eingegangen am 2. Mai 1966) 1951 beschrieben MOORE und STEIN (1) ein säulenchromatographisches Verfahren zur Auftrennung von Aminosäuren an lonenaustauscherharzen („Dowex 50"). Mit Hilfe dieser Methode lassen sich jedoch nicht alle im Serum und Urin vorkommenden Aminosäuren vollständig voneinander trennen; dadurch kann ihre quantitative Bestimmung auf Schwierigkeiten stoßen. So werden z. B. Prolin und Citrullin bei der automatischen Aminosäurenanalyse (Aminosäureanalysator der Fa. Technicon GmbH, Frankfurt/Main) unter Verwendung von sulfoniertem Polystyrol (Chromobeadharz A der Fa. Technicon) als Austauscherharz und der Gradientenelution (steigender pH-Wert von 2,87—10,0) mit Hilfe der Varigrad-Technik (2,3) nicht voneinander getrennt. Da andererseits eine Änderung des Elutionsschemas wegen der zu erwartenden Schwierigkeiten bei der chromatographischen Trennung der übrigen Aminosäuren nicht zweckmäßig erschien, wurde der Versuch unternommen, Prolin und Citrullin durch ein rechnerisches Verfahren quantitativ zu bestimmen; hierbei erwies es sich von Vorteil, daß die beiden Aminosäuren mit Ninhydrin verschiedene Absorptionskurven ergeben. Citrullin weist bei 570 m/i ein Maximum und bei 455 ein Minimum auf; im Gegensatz dazu zeigt die Absorptionskurve von Prolin mit Ninhydrin von 600—400 m/j einen Anstieg ohne ausgeprägtes Maximum. Da bei der automatischen Aminosäurenanalyse die Extinktionen sowohl bei 440 m/j als auch bei 570 m/j aufgezeichnet werden, erlaubt das verschiedene Verhalten der beiden Aminosäuren bei der Ninhydrin-Reaktion eine rechnerische Ermittlung ihrer Konzentrationen. Als Maß für die Konzentration einer Aminosäure dient die Fläche des Extinktionsgipfels der entsprechenden Aminosäure bei der jeweiligen Wellenlänge. Nach einem von PICKELS (4) angegebenen Verfahren kann die Fläche numerisch ermittelt werden. Dabei werden zur Berechnung der Fläche (a) die Höhe der Kurve abgelesen und (b) die Punkte über der halben Höhe =— als Maß für die Halb wertsbreite — abgezählt; durch Multiplikation der beiden Parameter (Höhe · Halbwertsbreite) ergibt sich ein Maß für die Fläche und damit für die Konzentration der Aminosäure. Die Berechnung der Konzentrationen von Prolin und Citrullin wird in folgender Weise vorgenommen, wobei Norleucin als innerer Standard dient. Z. klin. Chem. / 4. Jahrg. 1966 / Heft 5 Erläuterung der Symbole FP,440 FC44 ' ° 570 "~ FC570 KC'440 · [P] [C] = = Höhe · Halbwertsbreite von Prolin bei 440 Halbwertsbreite von Norleucin bei 570 Höhe · Halbwertsbreite von Citrullin bei 440 Höhe · Halbwertsbreite von Norleucin bei 570 Höhe· Halbwertsbreite von Prolin bei 570 Höhe · Halbwertsbreite von Norleucin bei 570 Höhe· Halbwertsbreite von Citrullin bei 570 Höhe · Halbwertsbreite von Norleucin bei 570 Höhe · Halbwertsbreite von Prolin u. Citrullin bei 440 Höhe · Halbwertsbreite von Norleucin bei 570 Höhe · Halbwertsbreite von Prolin u. Citrullin bei 570 Höhe · Halbwertsbreite von Norleucin bei 570 Höhe · Halbwertsbreite von Prolin bei 440 eingesetzte Menge Prolin (mg) Höhe · Halbwertsbreite von Citrullin bei 440 eingesetzte Menge Citrullin (mg) Höhe · Halbwertsbreite von Prolin bei 570 eingesetzte Menge Prolin (mg) Höhe · Halbwertsbreite von Citrullin bei 570 eingesetzte Menge Citrullin (mg) Konzentration von Prolin (mg/Probe) Konzentration von Citrullin (mg/Probe) Bestimmung der Eichfaktoren In Einzelanalysen wurden bekannte Mengen Prolin und Citrullin chromatographiert und die Extinktionen der beiden Aminosäuren mit Ninhydrin bei 440 und 570 ermittelt. Für die einzelnen Eichfaktoren ergaben sich nach Bestimmung von Höhe · Halbwertsbreite folgende Werte: 10,93mg-1; KP570 = 1,62mg-1 440 KC570= 25,80 mg 7,19mg KC'440 Aufstellung der Gleichungen In Versuchen mit Proliri und Citrullin wurde festgestellt, daß die Fläche (Höhe · Halbwertsbreite), die durch ein Gemisch der beiden Aminosäuren gebildet wird, sich additiv aus den Flächen (Höhe mal Halbwertsbreite) der einzelnen Aminosäuren zusammensetzt. Daraus ergeben sich folgende Gleichungen: W FP570+FC'570 (2) Da weiterhin die Flächen (Höhe · Halbwertsbreite) den Konzentrationen der einzelnen Aminosäuren proportional sind, gilt: FP440 = [P] · KP440 r/~i . £ * 440 ^ lA-d •"^^-'440 FP570 = [P] · KP570 FC670=[C]'KCB70 0) . (A\ v / W (<Q 268 Buchbesprechungen Die Gleichungen (/) und (2) können unter Verwendung der Gleichungen (5) bis (6) wie folgt umgeformt werden: F140 =[P]-KC 4 4 0 +[q-KC 4 1 0 F670 =[P].KP 5 7 0 +[C]-KC 5 7 0 ' (7) (8) Aus den Gleichungen (7) und (S) ergibt sich für [P] und [CJ: [PJ: ) ' KC440 - 670 5: — FS70 · KC 440 KP · KC440 graphischer Trennung Prolin und Citrullin auf rechnerischem Wege mit genügender Genauigkeit quantitativ bestimmt werden können. — Das hier angegebene Verfahren läßt sich in analoger Weise auch zur quantitativen Bestimmung anderer, chromatographisch nicht trennbarer Substanzpaare anwenden. Tab. 1. 670 ^570 " * — KCß70 · KP,440 (10) Formeln zur Berechnung von Prolin und Citrullin Setzt man in die Gleichungen (9) und (10) die Eichfaktoren für Prolin und Citrullin bei 440 und 570 ein, so erhält man folgende Formeln zur Berechnung der Konzentrationen von Prolin und Citrullin: [P] (mg/Probe) = (F440 - 25,80 - F570 - 7,19) - 0,0037 [C] (mg/Probe) = (F570 - 10,93 - F440 · 1,62) - 0,0037 (//) (12) Anwendung der Formeln Um festzustellen, ob mit Hilfe der Formeln (11) und (12) brauchbare Ergebnisse erzielt werden können, wurden die in Tabelle l angegebenen Versuche durchgeführt. Daraus geht hervor, daß trotz fehlender chromato- Rechnerische Bestimmung der Wiederfindung von Prolin und Citrullin nach Chromatographie bekannter Mengen der beiden Aminosäuren unter Verwendung der im Text angegebenen Formeln Die Chromatographie der Aminosäuren erfolgte mit dem Aminosäurcanalysator (Fa. Technicon, Frankfurt/Main) unter Verwendung von Chromöbeadharz A; Dauer des Ohromatogramms 10,5 Stdn.; Durchflußgeschwindigkeit 0,95 m//Min. Eingesetzte Höhe· Halbwertsbreite Aminosäure in & F Prolin Citrullin 440 FSTO 23,0 23,0 23,0 23,0 23,0 23,0 23,0 23,0 34,5 34,5 35,0 35,0 35,0 35,0 35,0 35,0 52,6 52,6 35,0 35,0 0,48 0,52 0,53 0,49 0,49 0,51 0,60 0,64 0,63 0,65 0,95 0,97 1,00 0,93 0,95 1,00 1,38 1,42 1,00 0,98 Wiederfindung in o/ /o Prolin Citrullin 92 106 105 97 95 97 94 102 98 101 100 100 105 98 102 107 98 99 103 102 Literatur 1. MOORE, S. und W. H. STEIN, J. biol. Chemistry 190, 663 (1951). — 2. PETERSON, E. A. und H. A. SOBER, Analytic. Chem. 31, 857 (1959). — 3. PIEZ, K. A. und L. MORRIS, Analyt. Biochem. (New York) /, 187 (1960). —4. PICKELS, D. W., zit. nach G. BRAUNITZER, Angew. Chem. Ausg. A 72, 485 (1960). Professor Dr. H. Breuer Chirurgische Universitätsklinik . 53 Bonn-Venusberg BUCHBESPRECHUNGEN Agonie. Physiologisch-chemische Untersuchungen bei gewaltsamen Todesarten. Von W. LAVES und S. BERG, unter Mitarbeit von M. ASANO. (Bd. 2 der Reihe Arbeitsmetboden der medizinischen und naturwissenschaftlichen Kriminalistik. Hrsg. von E. WEINIG und S. BERG). 176 S., 59 Abb., 24 Tab., DM 80,—. Max-Schmidt-Römhild-Verlag, Lübeck (1965). Bekanntlich hat der gerichtliche Mediziner bei Anwendung der herkömmlichen morphologischen Untersuchungsmethoden sehr oft große Schwierigkeiten, wenn es gilt, die „letzte Todesursache" zuverlässig festzustellen. Für die rechtliche Würdigung des Anteiles fremden Verschuldens an Todesfällen ist aber eine genaue Überprüfung der Ursachenkette, die zum Todesgeschehen geführt hat, nötig. Das entscheidende Verdienst der Verfasser ist es, die bisherigen Kenntnisse über die agonalen StoffwechselVorgänge kritisch auf ihre Anwendungsmöglichkeit in der gerichtlich-medizinischen Diagnostik geprüft zu haben. Die Verfasser sind besonders dazu berufen, weil sie selbst maßgeblich dabei beteiligt waren. — Die Monographie ist so angelegt, daß einerseits der Nichtfachmann in die aktuelle Fragestellung eingeführt wird; andererseits wird der gerichtlich-medizinisch inter-" essierte Arzt, der mit den biochemischen Untersuchungsmethoden nicht so vertraut ist, die Möglichkeit haben, in den einzelnen Kapiteln sich über die physiologisch-chemische Bedeutung der verwandten Systeme, über die gängigen Bestimmungsmethoden und über ihren Beweiswert zu unterrichten. — Die Grundkonzeption geht von der Feststellung aus, daß in der Agonie die morphologisch faßbaren Veränderungen immer dürftiger Werden, während die chemischen Veränderungen im Blut an Intensität zunehmen. Dabei wird zwischen Todesfällen ohne Agonie (schlagartiger Tod bei „überdimensionalen Gewalteinwirkungen", z. B. Flugzeugabstürze), der kurzen Agonie (Tod nach traumatischphysikalischer oder toxischer Einwirkung, u. a. auch plötzlicher Tod, Herzinfarkt), der protrahierten Agonie (verschiedene chronische Erkrankungen) und der durch Reanimation verlängerten Agonie unterschieden (LAVES). Die Aussichten für eine Abgrenzung der agonalen Veränderungen gegenüber postmortalen Veränderungen sind bei frühen Obduktionen (bis 48 Stunden nach dem Tode) am günstigsten. Die rechtliche Bedeutung einer genauen Feststellung der vorliegenden Agonieform wird deutlich gemacht. Für den in den Reanimationszentren tätigen Arzt sind diese Ausführungen besonders wichtig; für den Sachverständigen kommt es hier darauf an, die Frage nach dem Todeszeitpunkt so genau wie möglich abzugrenzen. Die Verfasser selbst betonen, daß mit der vorliegenden Mitteilung nur ein erster Schritt in dieser Richtung getan ist und wollen ihre Monographie nur als Anregung aufgefaßt wissen, sich mit dem Problem der „Chemie der Agonie" näher zu beschäftigen. Es wird dabei nicht übersehen, daß die erhaltenen Befunde nur ein Teil in der Beweiskette sind, und daß Umstände und Sektionsbefund sorgfältig mitberücksichtigt werden müssen. Die Fülle der zusammengetragenen Ergebnisse stehen einem Referieren von Einzelheiten entgegen; einige Beispiele jedoch seien wegen ihrer Wichtigkeit angeführt. Besonders aussichtsreich erscheint die spektrophotometrische Untersuchung des Blutserums nach LAVES, mit der das Auftreten von Nucleotiden (AMP, ADP, ATP) erfaßt werden kann. Nach Z. klin. Chem. / 4. Jahrg. 1966 / Heft 5