selbsthilfe in konflikten

Werbung
Verhandlungstechnik und alternative Streiterledigung
Dr. iur. Peter Liatowitsch
Universität Basel
FS 2013
„SELBSTHILFE IN KONFLIKTEN“
VON
FRIEDRICH GLASL
Inhaltsverzeichnis
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
Friedrich Glasl
Der soziale Konflikt
2
2
1. Definition eines sozialen Konflikts
2. Auswirkungen eines Konflikts auf die seelischen Funktionen
a. Wahrnehmung
b. Vorstellen, Erinnern, Denken, Interpretieren
c. Gefühlsleben
d. Willensleben
e. Äusseres Verhalten
3. „Habe ich einen Konflikt?“ oder „Hat der Konflikt mich?“
2
3
3
3
3
3
4
4
Die neun Eskalationsstufen
5
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
6
6
6
6
6
7
7
7
7
Verhärtung
Debatte und Polemik
Taten statt Worte
Sorge um Images und Koalitionen
Gesichtsverlust
Drohstrategien
Begrenzte Vernichtungsschläge
Zersplitterung
Gemeinsam in den Abgrund
Selbsthilfe im Konflikt
7
1. „Ich-Botschaften“
2. „non-values“
3. Auswege aus dem Konflikt
a. Zuhören
b. Wiedergabe
c. Anerkennung
d. Wahrheit
e. Eigene Wahrheit
8
8
8
8
8
8
8
8
Grenzen der Selbsthilfe
9
1. Modell der Deeskalation
2. Nachbarschaftshilfe
3. Professionelle Hilfe
9
9
9
Fazit
9
1
Verhandlungstechnik und alternative Streiterledigung
Dr. iur. Peter Liatowitsch
Universität Basel
FS 2013
I.






Wer ist Friedrich Glasl?
Geboren 1941 in Wien
Verheiratet, 3 Kinder
Studium der Politischen Wissenschaften (Dissertation zur
internationalen Konfliktverhütung, 1967)
Dozent an der Universität Salzburg (Organisationsentwicklung
und Konfliktmanagement)
Mediator, Mediationstrainer und Autor
Mitgründer der „Trigon Entwicklungsberatung“ (www.trigon.at)
 Für Interessierte:
Friedrich Glasl leitet die Tagung „Best practice in Konfliktarbeit und Mediation – I“ am
03. und 04. Oktober 2013 in Zürich.
II.
Der soziale Konflikt
1. Definition eines sozialen Konflikts
Vorderhand müssen Differenzen von sozialen Konflikten unterschieden werden.
Differenzen, d.h. unterschiedliche oder sogar gegensätzliche Wahrnehmungen oder
Gefühle, sind unausweichlich und an und für sich auch nicht schlimm. Man hat in
seinem Leben mit vielen Menschen gewisse Differenzen, doch diese alleine stellen
noch keinen Konflikt dar. Entscheidend ist, wie jemand mit diesen Differenzen
umgeht und wie er sie erlebt.
Glasl spricht dann von einem Konflikt, wenn mindestens eine Partei sich im Hinblick
auf die Differenzen durch die Handlungen der anderen Partei darin beeinträchtigt
fühlt, ihre eigenen Lebensvorstellungen auszuleben.
Nicht alle Differenzen sind demnach Konflikte, jedoch liegen jedem Konflikt
Differenzen zugrunde.
Abbildung: Der soziale Konflikt
(Quelle: GLASL FRIEDRICH, Selbsthilfe in Konflikten, S.24 )
2
Verhandlungstechnik und alternative Streiterledigung
Dr. iur. Peter Liatowitsch
Universität Basel
FS 2013
Gemäss Glasl’s Grafik ist ein sozialer Konflikt durch folgende Elemente gekennzeichnet:






Eine Interaktion zwischen zwei oder mehreren Aktoren,
wobei wenigstens ein Aktor (B)
Unvereinbarkeiten im Denken/Vorstellen/Wahrnehmen (1) und/oder Fühlen (2)
und/oder Wollen (3)
mit dem anderen Aktor (A) in der Art erlebt,
dass im Realisieren eine Beeinträchtigung (4)
durch einen anderen Aktor erfolgt.
2. Auswirkungen eines sozialen Konflikts auf die seelischen Funktionen
Ein Konflikt kann Auswirkungen auf folgende seelische Funktionen haben:
a. Wahrnehmung: Durch den Konflikt kommt es zu einer Beeinträchtigung der
Wahrnehmungsfähigkeit (gefilterte, verzerrte Wahrnehmung). Die Konfliktparteien
nehmen die Situation unterschiedlich wahr, wobei jede Partei der Ansicht ist, dass
ihr Bild der Wahrheit entspricht. Negative und störende Eigenschaften des
Gegenübers fallen einem besonders auf, während die guten Eigenschaften
übersehen oder bagatellisiert werden. Man nimmt nur noch das wahr, was dem
eigenen Denkmuster bzw. den Vorurteilen entspricht.
b. Vorstellen, Erinnern, Denken, Interpretieren: Die Situation wird
verallgemeinert, pauschalisiert (Schwarz-Weiss-Denken, Täter-Opfer-Denken).
Man sieht die Ursache des Konflikts beim Gegenüber und erkennt die eigenen
Fehler nicht. Währenddessen wird das Verhalten des anderen ständig
interpretiert, wodurch sich weitere Vorurteile bilden. Das Tatsächliche wird nicht
mehr wahrgenommen, sondern nur noch das, was man glaubt zu hören und zu
sehen.
c. Gefühlsleben: Im Laufe des Konflikts werden die Parteien immer empfindlicher
und das Misstrauen sowie die Unsicherheit wachsen. Es kommt zu einer
Radikalisierung und Polarisierung der Gefühle. Negative Gefühle werden auf das
Gegenüber projiziert. Dadurch wird ein zunehmender Verlust der Empathie und
der Fähigkeit zur Selbstkritik hervorgerufen.
d. Willensleben: Der Konflikt führt dazu, dass die Konfliktpartei ihre Ziele um jeden
Preis durchsetzen will. Je länger der Konflikt andauert, desto eher kann es zu
einem Rückfall in längst überwundene Entwicklungsphasen unseres Lebens
(frühkindliche Trotzphase, tierisches Triebverhalten) kommen (sog. Regression).
Die Hemmschwelle der Gewaltanwendung nimmt rasant ab und man schreckt
nicht mehr vor Gewalthandlungen zurück, um seinen Willen durchzusetzen.
e. Äusseres Verhalten: Das Verhalten wird durch das Erstarren des Willens
einfältiger und ärmer. Die betroffene Partei kann ihre Absichten immer schlechter
durch ihr Verhalten zum Ausdruck bringen. Dies führt wiederum zu
Missverständnissen mit dem Gegenüber, der das Verhalten nicht versteht und
3
Verhandlungstechnik und alternative Streiterledigung
Dr. iur. Peter Liatowitsch
Universität Basel
FS 2013
dadurch verletzt wird, worauf er zurückschlägt, was wiederum einen selbst
verletzt.
Zu beachten ist, dass diese Auswirkungen (a)-(e) nicht separat voneinander
betrachtet werden dürfen. Sie sind alle miteinander verbunden und stecken sich
eigendynamisch gegenseitig an. Die Entfremdung der Konfliktparteien nimmt durch
das Auseinanderklaffen von Absicht, Verhalten und Wirkung ihren Lauf.
3. „Habe ich einen Konflikt?“ oder „Hat der Konflikt mich?“
„Habe ich einen Konflikt?“ oder „Hat der Konflikt mich?“ mag nach einem reinen
Wortspiel klingen, ist aber für die Konfliktbewältigung von grosser Bedeutung. Bei
ersterem befinden sich sachliche oder persönliche Differenzen in einem Bereich, in
welchem man sich noch selbst helfen kann und noch Herr seiner Entscheidungen ist.
Man hat zwar einen Konflikt, dieser hat aber noch nicht die Überhand gewonnen.
Man ist noch in der Lage, das Geschehen zu überblicken und sich selbst aus dem
Konflikt herauszunehmen (Selbsthilfe).
Bei der zweiten Variante hat einen der Konflikt völlig eingenommen, so dass die
Selbstkontrolle und Selbstführung verloren gehen. In dieser Phase handelt man nicht
mehr aus freien Stücken, sondern fremdgesteuert. Der Konflikt wird durch die
Selbstansteckung (sog. zirkuläre Kausalität) immer weiter vorangetrieben.
Der Verlauf der zirkulären Kausalität:
(1) Zu Beginn tragen die Parteien einen sachlichen Meinungsunterschied aus.
(2) Wenn es da nun zu keiner Einigung kommt, wird die Beziehung zwischen den
Parteien beeinträchtigt.
(1) Diese Beeinträchtigung wirkt zurück auf die vorbestehende sachliche Differenz.
Grund dafür ist, dass die Parteien immer extremere Standpunkte einnehmen.
(3) Dies führt dann zur Ansteckung auf der nächsten Ebene, dem „Konflikt über den
Konflikt“.
Die Parteien deuten die sachlichen Differenzen anders.
(2) Dies wiederum führt dazu, dass der Ärger in der zwischenmenschlichen
Beziehung noch weiter verstärkt wird.
(1) Ausserdem verhärten die Standpunkte zur sachlichen Differenz immer mehr.
(3) Weil die Ursachen des Konflikts von den Parteien unterschiedlich gedeutet
werden, haben sie auch jeweils unterschiedliche Lösungen auf Lager, welche jedoch
von der jeweils anderen Partei abgewiesen werden.
(4) Damit ist nun der „Konflikt über die Konfliktlösung“ gegeben.
Dies alles wirkt sowohl auf die (1) sachliche Differenz als auch auf (2) die Beziehung
zurück.
Die eigenen Wahrnehmungen verzerren sich durch diese Selbstansteckung und es
entstehen Vorstellungen und Gedanken, die man nicht mehr loswird. Im schlimmsten
Fall können diese bis zur Selbstzerstörung führen.
4
Verhandlungstechnik und alternative Streiterledigung
Dr. iur. Peter Liatowitsch
Universität Basel
FS 2013
(1) Persönliche Differenzen
(2) Sachliche Differenzen
Wir haben einen Konflikt
(3) Konflikt über den Konflikt
(4) Konflikt über die Konfliktlösung
III.
Der Konflikt hat uns
Die neun Eskalationsstufen
Glasl teilt eine Konfliktsituation in drei Hauptphasen (I, II, III) mit jeweils drei
Eskalationsstufen (1.-9.) ein. Insgesamt gibt es somit neun Stufen und je tiefer eine
Stufe ist, desto intensiver wird die Austragung des Konflikts erfolgen.
Bei der ersten Hauptphase (I) ist es noch möglich, dass beide Parteien ihre
Vorstellungen verwirklichen können und eine konstruktive Lösung gefunden wird
(„win-win Bereich“).
Hingegen können in der zweiten Haupthase (II) Lösungen nur noch auf Kosten einer
Partei gefunden werden, da die Eskalation schon zu weit fortgeschritten ist, so dass
eine Partei ihre Ansichten aufgeben muss, resp. den Konflikt „verliert“ („win-lose
Bereich“).
In der letzten Hauptphase (III) gibt es nur noch Verlierer, denn die Interessen keiner
Partei können mehr verfolgt werden („lose-lose Bereich“).
Abbildung: Die neun Eskalationsstufen
(Quelle: http://www.shaxmax.at/itwo/trainerwiki/index.php?title=Konflikteskalation, zuletzt besucht am 05.03.13)
1. Verhärtung
Es bilden sich unterschiedliche Meinungen und Einstellungen
heraus, wodurch Spannungen entstehen. Starre Lager gibt
es noch nicht, denn es besteht noch die Überzeugung, dass
der Konflikt durch Aussprache beseitigt werden kann.
5
Verhandlungstechnik und alternative Streiterledigung
Dr. iur. Peter Liatowitsch
Universität Basel
FS 2013
2. Debatte und Polemik
Debatten nehmen zu und werden aggressiver. Jede Partei
fühlt sich im Recht und will ihre intellektuelle Überlegenheit
demonstrieren. Die Parteien gehen auf die jeweils
vorgebrachten Argumente kaum mehr ein. Auf ein Argument
folgt sofort ein Gegenargument, auf welches wiederum ein
Argument der Gegenseite folgt. Kooperation und Konkurrenz
wechseln sich ab, was die Spannung zwischen den
Kontrahenten weiter verstärkt.
3. Taten statt Worte
Worte reichen nicht mehr aus, weshalb die Parteien
beginnen, mit provozierenden Handlungen zu agieren. Die
eigenen Ziele werden gefördert und das Konkurrenzdenken
überwiegt. Jede Partei macht einfach das, was sie allein für
richtig hält, so dass die Gegenpartei vor vollendeten
Tatsachen steht.
Diese dritte Eskalationsstufe stellt die Grenze der Selbsthilfe
im Konflikt dar. Bereits hier ist es für die Kontrahenten
schwierig, den Konflikt selbst zu lösen, jedoch mittels Kompromissen noch möglich.
4. Sorge um Images und Koalitionen
Die Sorge um die eigene Reputation und die Suche nach
Unterstützung bei Aussenstehenden tritt in den Vordergrund.
Die Wahrnehmungsfähigkeit ist bereits stark beeinträchtigt.
Die Parteien sehen im Gegenüber nur noch das, was mit
dem eigenen Urteil übereinstimmt. Die eigene Partei
erachtet man als positiv, die Gegenpartei als negativ. In
dieser Phase mäkelt man vorerst nur über das Wissen und
Können der anderen Partei, die moralischen Qualifikationen werden noch aussen vor
gelassen. Jeder will den Konflikt für sich gewinnen.
5. Gesichtsverlust
Auf dieser Stufe kommt es zum Gesichtsverlust, d.h. dem
Verlust der moralischen Identität, indem sich die Kontrahenten
jegliche soziale Integrität und Identität absprechen und sich
gegenseitig öffentlich und schonungslos diffamieren. Die
blossgestellte Partei will sich um jeden Preis rehabilitieren und
startet einen Gegenangriff, was zum Gesichtsverlust des
Kontrahenten führt. Kränkungen erfolgen hier bewusst und
beschränken sich nicht mehr nur auf das Wissen und Können der Gegenpartei.
6
Verhandlungstechnik und alternative Streiterledigung
Dr. iur. Peter Liatowitsch
Universität Basel
FS 2013
6. Drohstrategien
Der Konflikt steht nunmehr im Mittelpunkt. Gewaltdenken,
angekündigte Gewalthandlungen und Drohungen bestimmen
den Konflikt. Jede Partei will die andere zum Aufgeben
zwingen.
7. Begrenzte Vernichtungsschläge
Der Gegner wird bewusst provoziert und gereizt. Die
ausgesprochenen Drohungen werden in die Tat umgesetzt und
es beginnen systematische Zerstörungsschläge. Zuerst
werden nur sachliche Mittel zerstört, später greift aber das
Zerstören auch auf die Gegenpartei über. Ziel ist die
Entmachtung des Gegners. Dafür werden auch eigene
Verluste in Kauf genommen, solange der Schaden beim
Gegner grösser ist.
8. Zersplitterung
Angriffe eskalieren in Vernichtungsschlägen. Das Bedürfnis
nach Zerstörung der Existenzgrundlage des Kontrahenten bei
gleichzeitigem Selbstschutz bestimmt die Konflikteskalation.
9. Gemeinsam in den Abgrund
Ziel ist die endgültige Zerstörung der Gegenpartei, wobei auch
die Selbstzerstörung in Kauf genommen wird. Hier kann also
sogar der eigene Untergang als Triumpf empfunden werden,
sofern der Gegner mit in den Abgrund gerissen wird. Es gibt
keinen Weg mehr zurück (point of no return).
IV.
Selbsthilfe im Konflikt
Wie erwähnt ist es bis zur dritten Eskalationsstufe (Taten statt Worte) noch möglich
sich selbst zu helfen, um aus der Konfliktsituation wieder auszubrechen. Dazu stellt
sich jedoch die Frage, wie dies möglich ist, was man unter Selbsthilfe versteht.
Selbsthilfe wird gemeinhin definiert als ein Vorgehen der Konfliktparteien, die selbst
Lösungen suchen, um den Konflikt zu beenden.
Glasl nennt folgende mögliche Selbsthilfetechniken:
1. „Ich-Botschaften“
Man versucht bei Spannungen dem Gegenüber ein Feedback über das eigene
Empfinden zu vermitteln, welches durch das Verhalten des anderen verursacht
wurde.
7
Verhandlungstechnik und alternative Streiterledigung
Dr. iur. Peter Liatowitsch
Universität Basel
FS 2013
Anstatt, dass man dem Partner vorwirft: „Du wäschst das schmutzige Geschirr nie
ab“, will man dem Gegenüber das eigene Empfinden ohne direkten Angriff vermitteln:
„Ich finde es schade, dass ich immer das schmutzige Geschirr abwasche. Ich fände
es schön, wenn du mir dabei hilfst.“ Zu vermeiden sind demnach provokative „DuBotschaften“.
2. „non-values“
Dieser Begriff bedeutet, dass man der Gegenpartei gegenüber aussprechen soll,
dass einem ein bestimmter Verlauf der Dinge unerwünscht ist. Man will damit dem
anderen mitteilen, wo die eigenen Grenzen liegen und dass es einem nicht egal ist, in
welche Richtung sich der Konflikt entwickelt.
3. Auswege aus dem Konflikt
Gemäss Glasl sind zudem folgende Verhaltensweisen zu beachten und womöglich
erfolgsversprechend:
a. Zuhören: Die Mitteilungen des anderen aufmerksam, in Ruhe anhören, ohne die
Person zu unterbrechen.
b. Wiedergabe: Zum besseren Verständnis das Gesagte des anderen in eigenen
Worten wiedergeben.
c. Anerkennung: Die Meinung des anderen anerkennen und einfach so stehen
lassen, ohne Wertung/Kommentare. Jeder hat das Recht, seine Meinung frei
äussern zu dürfen.
d. Wahrheit: Die Meinung des anderen als wahr anerkennen und als Teilaspekt der
Wahrheit ansehen.
e. Eigene Wahrheit: Die eigene Meinung ebenfalls als real und wahr anerkennen
und neben die Meinung des anderen stellen. Nur die Meinung des Gegenübers
und die eigene ergeben zusammen ein vollständiges Wahrheitsbild.
Diese Schritte bedürfen von beiden Seiten viel Disziplin, Wille und Geduld um den
Konflikt eigenständig lösen zu können. Unter Umständen sind die Seiten aber schon
so verhärtet, dass nur noch durch den Beizug einer neutralen Drittperson eine
Konfliktlösung herbeigeführt werden kann.
V.
Grenzen der Selbsthilfe
1. Modell der Deeskalation
Neben dem Modell zu den Eskalationsstufen hat Glasl in seinem Buch ein Modell
erarbeitet, welches die Deeskalation aufzeigt. Es soll zeigen, auf welcher der Stufen
welche Art von Hilfe angebracht ist.
8
Verhandlungstechnik und alternative Streiterledigung
Dr. iur. Peter Liatowitsch
Universität Basel
FS 2013
Nicht alle Arten von Hilfe sind auf allen Ebenen geeignet. Glasl weist den
verschiedenen Eskalationsstufen folgende Deeskalationsstrategien zu:
Stufe 1-3: Selbsthilfe/Hilfe durch Freunde oder Familie/professionelle Moderation
Stufe 3-5: externe professionelle Prozessbegleitung
Stufe 4-6: externe sozio-therapeutische Prozessbegleitung
Stufe 5-7: externe Mediation
Stufe 6-8: Schiedsverfahren
Stufe 7-9: Machteingriff von oben
2. Nachbarschaftshilfe
Bei der Nachbarschaftshilfe wird eine dritte, unbeteiligte Person eingeschaltet, zu
welcher beide Parteien Vertrauen fassen können. Die neutrale Drittperson braucht
kein professioneller Berater zu sein, sondern lediglich ein offenes Ohr für die
Probleme der Kontrahenten zu haben. Nachbarschaftshilfe findet man heute oft auch
in sog. „Selbsthilfegruppen“, in welchen sich Personen mit ähnlichen Problemen ihre
Lebenssituation schildern und sich gegenseitig zuhören und aus ihren eigenen
Erfahrungen Ratschläge versuchen zu erteilen (Stufe 4- 5).
3. Professionelle Hilfe
Wie die Selbsthilfe hat auch die Nachbarschaftshilfe ab einem gewissen Punkt ihre
Grenzen erreicht (Stufe 5). Dann ist es von Nöten sich um professionelle Hilfe
(Berater, Mediatior) zu bemühen, wenn man aus dem Teufelskreis des Konflikts
wieder herauskommen will.
VI.
Fazit
Nach Friedrich Glasl ist die Selbsthilfe in Konflikten möglich, jedoch nur bis zu einem
gewissen Punkt. Bei sachlichen und persönlichen Differenzen ist es durchaus möglich
sich selbst zu helfen und dadurch wieder aus dem Konflikt herauszufinden. Ist der
Konflikt jedoch beim Konflikt über den Konflikt oder sogar beim Konflikt über die
Konfliktlösung angelangt, ist Selbsthilfe nicht mehr möglich. Sie ist somit nur bis und mit
Stufe 3 (Taten statt Worte) möglich.
Basel, März 2013
Vera Gross / Noemi Müller / Noemi Sprenger / Christine Sauthier
9
Herunterladen