Katrin Möller Die Geheimnisse der Puppen – Ein Blick hinter die Kulissen oder besser durch die Mikroskope in Eberswalde. Jedes Jahr laufen in den Revieren die sogenannten Winterbodensuchen nach Überwinterungsstadien nadelfressender Insekten, die im Sommer zu massiven Bestandesschäden führen können. Die aus der Bodenstreu gesammelten Funde werden zum Landeskompetenzzentrum Forst nach Eberswalde geschickt. Etwas später erscheinen unsere Informationen zur Populationsentwicklung und die Anleitungen zur weiteren Überwachung. Doch gerade diejenigen, die sich jedes Jahr auf die relativ beschwerliche Suche begeben, wissen zumeist nicht, wie das Geheimnis der Puppen und Kokons gelüftet wird. Mit einer kleinen Fotodokumentation soll gezeigt werden, welche wichtigen Informationen den Puppen und Kokons von Forleulen, Kiefernspannern und Kiefernbuschhornblattwespen auf dem Labortisch entlockt werden. Am Anfang steht die Kontrolle der „Puppenbücher“ - der im Forstrevier ausgefüllten Liste: Wurde alles richtig zugeordnet, auch Puppen und Kokons korrekt bestimmt (Bsp. Abb. 1-5)? Je nach Befallslage im Vorjahr werden aus dem gesamten Material Stichproben für die intensive Untersuchung im Labor ausgewählt. Abb. 1: Spannerpuppe Abb. 2: Forleulenpuppe Abb. 3: Kokon einer Schlupfwespe der Gattung Banchus (Parasitoid) Abb. 4: Kokon einer Schlupfwespe der Gattung Enicospilus (Parasitoid) Abb. 5: Fliegentönnchen, Kokon einer Raupenfliege (Parasitoid) Dann stellt sich die Frage: Junge oder Mädchen? Alle Schmetterlingspuppen lassen sich anhand morphologischer Merkmale dem Geschlecht zuordnen (Abb. 6 u. 7). Die Weibchen werden anschließend gewogen. Deren Anteile und Gewicht liefern Informationen über die zu erwartende Folgegeneration. Abb. 6 und 7: Männchen (links) und Weibchen (rechts) lassen sich anhand von Aussehen und Lage der Anlagen von Geschlechts- (gelber Pfeil)- und Afteröffnung (weißer Pfeil) am Hinterleibsende der Schmetterlingspuppen unterscheiden (hier: Kiefernschwärmer) Wirksam für die nächste Generation nadelfressender Raupen können natürlich nur gesunde Puppen werden. Zur Einschätzung des Gesundheitszustandes wird das Innere der Puppen genauestens unter dem Mikroskop begutachtet. Gesunde Puppen enthalten eine nahezu strukturlose grüne Flüssigkeit (Abb. 8). Das Innere kann aber auch vertrocknet oder durch Mikroorganismen in eine übelriechende, bräunliche Masse verwandelt worden sein. Genau hinsehen muss man, um die jungen Larven von Schlupfwespen und Raupenfliegen, den Parasitoiden, zu entdecken (Abb. 9). Als Parasitoide werden parasitische Tiere bezeichnet, die in jedem Fall, wenn sie ihre eigene Entwicklung abgeschlossen haben, den Wirt zum Absterben bringen. Je nach Entwicklungsstand findet man winzige Parasitoide von einem 0,5 mm Länge, aber auch fast die gesamte Puppe ausfüllende Larven (Abb. 9, 10 u.11) oder bereits verpuppte Schlupfwespen (Abb. 12). Abb. 8: Der Inhalt einer gesunden Spannerpuppe unter dem Mikroskop Abb. 10: Das schwarze Schlundgerüst verrät die Raupenfliegenlarve (3 mm) Abb. 9: Kopf und Körper einer schon recht großen Schlupfwespenlarve werden sichtbar. Abb. 11: Diese Larve wird sich einmal zu einer Erzwespe, auch eine Parasitoidenfamilie, entwickeln Abb. 12: Puppe einer Schlupfwespe, erkennbar an Wespentaille und langer Fühleranlage Noch aufwendiger ist die Untersuchung der Blattwespenkokons. Zuerst werden die intakten Kokons entsprechend ihres Aussehens den verschiedenen Artengruppen zugeordnet. Blattwespenkokons können bis mehrere Jahre im Boden überdauern. Die unversehrten Kokons werden vorsichtig aufgeschnitten. Darin sind erwartungsgemäß die sogenannten Blattwespennymphen, ein Übergangsstadium zwischen Larve und Puppe (Abb. 13). Zu finden sind augenscheinlich gesunde oder vertrocknete Nymphen, eine oder mehrere bereits ausgewachsene Parasitoidenlarven, aber auch Puppen schmarotzender Arten, Pilzmyzel oder auch einfach - nichts. Da Blattwespen einen sehr komplizierten Generationswechsel haben, steht die Frage, wann werden die Wespen schlüpfen, wann ist die nächste Larvengeneration zu erwarten, bereits im Frühjahr oder erst im Sommer? Der auf den ersten Blick gesunden Nymphe wird nun tief in die Augen geblickt. Die Ausbildung des sogenannten „Puppenauges“ (Abb. 14) zeigt die unausweichliche Verwandlung der Nymphe über die Puppe (Abb. 15) zur Wespe und damit den baldigen Schlupf an. Nun folgt auch für die Nymphe die Untersuchung, ob sich im Innern vielleicht ein Parasitoid befindet. Abb. 13: Aus dem Kokon gezogene Nymphe der Kiefernbuschhornblattwespe Gilpinia frutetorum Abb. 14: Das Nymphenauge wird während der Umwandlung zur Puppe funktionslos, das Puppenauge (Pfeil) entwickelt sich Abb. 15: Puppe einer Kiefernbuschhornblattwespe, aus dem Kokon präpariert Die Ergebnisse der umfangreichen Laboruntersuchungen gehen in die endgültige Bestimmung der Dichte gesunder weiblicher Puppen für die Schmetterlinge bzw. gesunder, schlupfbereiter Blattwespennymphen ein. Durch die Laborarbeit ist man der Entwicklung der Insekten im Freiland voraus. So können erste Gefährdungseinschätzungen für den Wald getroffen und die Fläche der intensiv im Frühjahr zu überwachenden Waldbestände konkretisiert werden. Unterstützt und vervollständigt werden die Befunde durch die Arbeit in der Insektenzucht des Landeskompetenzzentrums Forst Eberswalde. Fotos: Dr. Katrin Möller Erschienen in „Brandenburgische Forstnachrichten“ 11 (98), März/April 2002, Aktualisierte Fassung 2012