Kapitelübersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. Einführung Alkane Alkene Alkine Halogenalkane Aromaten Alkohole Ether Aldehyde und Ketone Carbonsäuren und Derviate Amine 1 Inhaltsverzeichnis zu Kapitel 1. Einführung 1. 1.1. 1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.2.3. 1.2.4. 1.2.5. 1.2.5.1. 1.2.5.2. 1.3. 1.3.1. 1.3.2. 1.3.3. 1.3.3.1. 1.3.3.2. 1.3.3.3. 1.3.3.4 1.3.4. Einführung Was ist Organische Chemie Atommodelle und Atombau Atommodell von Dalton Atommodell von Thomson Atommodell von Rutherford Atommodell von Bohr Wellenmechanisches Atommodell Schrödinger Gleichung und Quantenzahlen Aufbau und Elektronenkonfiguration von Mehrelektronen-Atomen Kovalente Atombindung Konzept der Elektronenpaarbindung Bindigkeit und angeregter Zustand Valenzbindungstheorie (VB-Theorie) Methan (CH4): Konzept der Hybridisierung Ethan (C2H6): C–C-Einfachbindung Ethen (C2H2): C–C-Doppelbindung Ethin (C2H2): C–C-Dreifachbindung Molekülorbitaltheorie (MO-Theorie) 1 5 5 6 6 7 8 9 12 13 13 15 16 18 18 19 19 Grundlagen der Chemie Teil II: Organische Chemie 1. Einführung 1.1. Was ist Organische Chemie? Ende des 18. Jahrhunderts bezeichnete man Verbindungen mineralischer Natur als anorganische, und solche, die nur in lebenden Organismen entstehen bzw. vorkommen, als organische. Dies war ein Dogma und es schien ausgeschlossen, das sich anorganische Verbindungen außerhalb von Lebewesen, z. B. im Reagenzglas eines Chemikers, in organische umwandeln. Vor diesem Hintergrund sind die Arbeiten von Friedrich Wöhler als Bahnbrechend anzusehen. Er wies 1828 nach, das beim erhitzen von Ammoniumcyanat, einer anorganischen Verbindung, Harnstoff also eine organische Verbindung – entsteht. Diese Entdeckung kann als Geburtsstunde der Organischen Chemie betrachtet werden. Seither sind viele Millionen Verbindungen im Labor synthetisiert worden, sowohl solche die in der Natur vorkommen, also auch Verbindungen die es in der Natur nicht gibt. Das Element Kohlenstoff nimmt in der Strukturbildung organischer Verbindungen eine herausragende Rolle ein. Wie bei keinem Anderen Element des Periodensystems können Kohlenstoffatome untereinander und zu anderen Elementen kovalente Bindungen ausbilden. Der überwiegende Teil organischer Verbindungen besteht aus den Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel und den Halogenen Fluor, Chlor, Brom und Iod. H He Li Be B C N O F Ne Na Mg Al Si P S Cl Ar K Ca Ga Ge As Se Br Kr Rb Sr In Sn Sb Te I Xe Cs Ba Tl Pb Bi Po At Rn Fr Ra 1 98% der organischen Substanzen heutiger Lebewesen bestehen aus den Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff. Mit weitem Abstand folgen Phosphor und Schwefel und verschiedene Spurenelemente. Grundsätzlich kann Kohlenstoff auch kovalente Bindungen mit Metallen wie z. B. den Lithium, Natrium und Magnesium oder auch Blei eingehen. Man spricht dann von Metallorganischen Verbindungen. Tetraethylblei (Pb(CH2CH3)4 wurde lange Zeit dem Ottokraftstoff beigemischt um die Oktanzahl zu erhöhen. Aufgrund der hohen Toxizität wurde verbleites Benzin in der EU verboten. Ein weiteres Beispiel sind Grignard Reagenzien, die eine wichtige Rolle in der organischen Synthese spielen. CH3CH2 CH3CH2 Pb CH2CH3 CH3CH2MgCl CH2CH3 Tetraethylblei Ethylmagnesiumchlorid (Beispiel für Grignard-Reagenz) Des Weiteren gibt es eine Vielzahl von Metallkomplexen in denen organische Moleküle als Liganden dienen z. B. Häm b, welches als eisenhaltiger Farbstoff des roten Blutkörperchen bildet. CH3 H3C N N Fe N N H3C HO CH3 O O OH Häm b Das Häm b bildet zusammen mit dem Protein Globin das Hämoglobin, welches für den Sauerstofftransport im menschlichen Körper notwendig ist. Im Wesentlichen tangiert die Organische Chemie alle Bereiche unseres täglichen Lebens. Beispiele: 2 • Energierohstoff H H C H H H H H C C H H H H H H H C C C H H H H Methan Ethan Propan 89% H H H H H C C C C H H H H H Butan 8% Erdgas aus der Nordsee • Duft- und Aromastoff CH3 HO H3C CH3 ( )-Menthol - Alkohol Cycloalkan Menthol wird als Duft- und Aromastoff in z. B. Zigaretten und Zahnpaster verwendet. • Textilfarbstoff O N H - H N O Indigo Keton Aromat Amin 3 Indigo ist ein tiefblauer Farbstoff der z. B. für die Färbung von Denim-Stoffen (Jeans) verwendet wird. • Löschmittel F Br Cl F Halon 1211 - Halogenalkan In Deutschland sind Halon-Feuerlöscher aufgrund der schädlichen Wirkung auf die Ozonschicht verboten. • Metallverarbeitung H C C H Acetylen - Alkin Wird in der Metallverarbeitung zum autogenen Schweißen verwendet. • Arzneimittel O OH O O CH3 Aspirin - Aromat Carbonsäure Carbonsäurederivat (Ester) Aspirin wirkt schmerzlindernd, entzündungshemmend, fiebersenkend und thrombozytenaggregationshemmend. 4 H N CH3 O HO Paracetamol - Aromat - Alkohol (Phenol) - Carbonsäurederivat (Amid) Paracetamol wirkt schmerzlindernd und fiebersenkend. • Monomere für die Kunststoffproduktion H H H H Etylen - Alken Ethylen wird in großen Mengen für die Produktion von Kunststoffen wie z. B. Polyethylen verwendet (Folgeprodukte: Flaschen, Mülltüten…) 1.2. Atommodelle und Atombau 1.2.1. Atommodell von Dalton 1809 schlug Dalton ein Atommodell vor, das im Wesentlichen auf stöchiometrischen Erkenntnissen basierte und das eine Deutung der Anfang des 19. Jahrhunderts bekannten Grundgesetze der Chemie ermöglichten: • Gesetz von der Erhaltung der Masse (Lavoisier, 1785) „Die Gesamtmasse der Reaktanden bleibt bei jeder Reaktion gleich.“ • Gesetz der konstanten Proportionen (Proust, 1797) „Die Massen der in einer definierten chemischen Verbindung vereinigten Elemente stehen in einem konstanten Verhältnis zueinander.“ • Gesetz der multiplen Proportionen (Dalton, 1808) „Die Massenverhältnisse zweier sich zu verschiedenen chemischen Verbindungen vereinigender Elemente stehen im Verhältnis einfacher ganzer Zahlen.“ 5 Daltons Hypothese beruhte auf vier Punkten: 1. Atome (unteilbar) sind die kleinsten Teilchen chemischer Elemente. 2. Die Atome unterschiedlicher Elemente besitzen unterschiedliche Massen. 3. Alle Atome eines Elements sind untereinander gleich. 4. Die Atome werden als kugelförmig angenommen. Mit Hilfe dieser Hypothese ließen sich die experimentell gefundenen Verbindungsgesetze deuten, indem man annahm, dass sich ein Atom eines Elements mit einer bestimmten Anzahl von Atomen eines anderen Elements verbindet. Die Ursachen dafür waren allerdings nicht zu erkennen. 1.2.2. Atommodell von Thomson Die Neu- und Weiterentwicklung experimenteller Methoden (z. B. Vakuumtechnik, Elektrochemie) machte eine Prüfung dieses Modells erforderlich. So konnte Elektrizität und das Auftreten von Ladung nicht durch das Daltonsche Modell erklärt werden. Thomson untersuchte das Verhalten elektrisch geladener Teilchen in elektrischen und magnetischen Feldern. 1897 wies Thomson bei Versuchen mit einer Kathodenstrahlröhre die Existenz von kleinen negativ geladenen Teilchen, die er Korpuskel nannte nach. Diese Teilchen wurden später als Elektronen bezeichnet. Darüber hinaus zeigte er, dass die Ablenkung positiv geladener Teilchen (Kanalstrahler) im Magnetfeld vom Verhältnis Ladung zu Masse abhing – von der Art des Gases. Während unabhängig von der Art des Gases negative Korpuskel mit der gleichen spezifischen Ladung (q/m) auftraten. Thomson zog den Schluss, dass die Elektronen elementare Bestandteile aller Atome sind. Somit war die Vorstellung von der Unteilbarkeit von Atomen beendet. Er kam zu folgenden Schlüssen: 1. Atome bestehen aus kompakten Kugeln, in denen die positive Ladung gleichmäßig verteilt ist. 2. Die Elektronen sind in den Atomen wie „Rosinen in einem Teig“ eingelagert. 3. Die Atome erscheinen nach außen hin neutral. 4. Atome sind teilbar; die negativen Elektronen können aus ihnen entfernt werden. 5. Die Elektronen haben bei allen Atomen die gleiche Masse und die gleiche Ladung. 1.2.3. Atommodell von Rutherford In seinem berühmten Streuversuch, bestrahlte Rutherford eine dünne Goldfolie mit α-Teilchen. Es zeigte sich, dass der weitaus größte Teil der α-Teilchen fast ohne Ablenkung durch die Folie hindurchgeht. Man kann daraus den Schluss ziehen, dass 6 das Metall zum größten Teil aus leerem Raum besteht. Nur wenige Teilchen wurden stark abgelenkt oder sogar reflektiert. Rutherford folgerte daraus, dass diese α-Teilchen mit einem sehr dichten positiven Bestandteil des Goldatoms zusammengestoßen sein mussten. Die Erkenntnisse aus seinem Versuch waren die Grundlage für das erste Kern-Hülle-Modell: 1. 2. 3. 4. Jedes Atom besteht aus einem Atomkern und einer Atomhülle Der Atomkern vereinigt (nahezu) die gesamte Masse des Atoms Die positive Ladung befindet sich im Atomkern Die positive Ladung wird durch entsprechend viele Elektronen ausgeglichen, so dass das Atom nach außen hin neutral erscheint. 5. Die Elektronen bilden in ihrer Gesamtheit die Atomhülle 6. Die Elektronen umkreisen den Atomkern wie die Planeten die Sonne. Rutherfords Atommodell, bei dem es einen kleinen, positiven Kern gibt, der von Elektronen umgeben ist, bedeutete einen bemerkenswerten Fortschritt für das Verständnis vom Aufbau der Atome. Es war die Grundlage aller weiteren Überlegungen, die in der Folgezeit angestellt worden sind. Jedoch steht dieses Modell im Widerspruch zur klassischen Elektrodynamik. Hiernach müsste nämlich jedes um den Atomkern kreisende Elektron elektromagnetische Wellen abstrahlen – also Energie verlieren und somit langsamer werden. Das Elektron müsste infolge dessen in den Kern stürzen. Das Auftreten scharfer Spektrallinien, die von Atomen emittiert werden, ist mit diesem Modell ebenfalls nicht zu deuten. 1.2.4. Atommodell von Bohr Bohr ging bei seinen Überlegungen vom Rutherfordschen Modell aus und machte zusätzlich zwei einschränkende Annahmen (Postulate): 1. Das Elektron darf sich nicht in beliebigen Abständen vom Kern aufhalten, sondern kann sich nur auf ganz bestimmten Kreisbahnen strahlungsfrei um den Kern bewegen. Erlaubte Elektronenbahnen sind solche, bei denen der Bahndrehimpuls des Elektrons (m ⋅ v ⋅ r) ein ganzzahliges Vielfaches n einer Grundeinheit des Drehimpulses ist. m ⋅ v ⋅ r = n ⋅ (h/2π) h ist dabei das Plancksches Wirkungsquantum und n eine ganze Zahl (1, 2, 3,…∞) und wird als (Haupt-)Qunatenzahl bezeichnet. Die 2. Annahme von Bohr folgt direkt aus der Ersten: 7 2. Da nur ganz bestimmte Zustände erlaubt sind, können Übergänge der Elektronen nur zwischen solchen, erlaubten Zuständen, erfolgen. Elektronen, die sich auf unterschiedlich erlaubten Bahnen befinden, besitzen auch eine unterschiedliche Energie. Mann kann nämlich sagen, dass man Energie benötigt, um ein negativ geladenes Elektron von einer kernnahen in eine kernferne Bahn zu bringen. Da nur bestimmte Bahnen erlaubt sind, benötigt man für einen solchen Übergang ein definiertes Quantum an Energie. Jedem erlaubtem Elektronenübergang entspricht somit eine bestimmte Energiemenge. Die unterschiedlichen aufgenommenen oder abgegebenen Energien kommen wiederum in unterschiedlichen absorbierten bzw. emittierten Wellenlängen zum Ausdruck. Das Bohrsche Atommodell ermöglichte die theoretische Deutung des Wasserstoffspektrums. Bei dem Versuch der Beschreibung „mehrelektroniger Atome“ stößt jedoch auch dieses Modell schnell an seine Grenzen. 1.2.5. Wellenmechanisches Atommodell Diese Theorie verzichtet weitgehend auf begriffliche Anschaulichkeit. Sie arbeitet mit komplizierten mathematischen Methoden, deren nähere Darstellung den Rahmen dieses Skriptes bei weitem sprengen würde. Im Folgenden sollen zwei wichtige Entdeckungen und einige Gedanken dieser Theorie skizziert werden. 1. Eine für das Verständnis des Atombaus grundlegende Entdeckung gelang de Broglie 1924. Er postulierte, dass bewegte Teilchen Welleneigenschaften besitzen. So konnte gezeigt werden, dass Elektronen je nach experimentellen Bedingungen Welleneigenschaften besitzen sich jedoch auch wie kleine Partikel verhalten. • Beugungsexperimente an Kristallen mit Elektronenstrahlen liefern Beugungsbilder wie mit Röntgenstrahlen. Zwischen der Wellenlänge λ und dem Impuls p des Elektrons gilt die Beziehung: λ = h/p = h/ m ⋅ v Nach de Broglie muss es also im Atom Elektronenwellen geben. Das Elektron befindet sich jedoch nur dann in einem stabilen Zustand, wenn die Elektronenwelle zeitlich unverändert ist – also die Form einer stehenden Welle besitzt. Eine nicht stehende Welle würde sich durch Interferenz zerstören – sie ist instabil. Der Umfang der Kreisbahn muss ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge sein: n ⋅ λ = 2πr 8 Setzt man für die Wellenlänge λ = h/ m ⋅ v ein, so erhält man die von Bohr willkürlich postulierte Quantelung des Drehimpulses: m ⋅ v ⋅ r = n ⋅ (h/2π) 2. 1927 stellte Heisenberg die Unbestimmtheitsbeziehung auf. Sie besagt, dass es unmöglich ist, den Impuls und den Aufenthaltsort eines Elektrons gleichzeitig zu bestimmen – Bei genau bekannter Geschwindigkeit ist der Aufenthaltsort des Elektrons im Atom vollkommen unbestimmt. Dies widerspricht der Vorstellung aus dem Bohrschen Atommodell, indem sich das Elektron auf einer Kreisbahn von Punkt zu Punkt bewegt. Das Elektron ist an einem Bestimmten Ort des Atoms nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anzutreffen. Dies entspricht der Vorstellung einer über das Atom verteilten Elektronenwolke. Die gestalt der Elektronenwolke gibt den Raum an, in dem sich das Elektron mit größter Wahrscheinlichkeit aufhält. 1.2.5.1 Schrödinger Gleichung und Quantenzahlen Wir haben gesehen, dass das Elektron Welleneigenschaften besitzt und im Atom als diffuse Wolke mit veränderlicher Ladungsdichte aufgefasst werden kann. Die Position des Elektrons im Atom wird als Wahrscheinlichkeitsdichte oder Elektronendichte diskutiert. Elektronenwolken sind dreidimensional schwingende Systeme, deren mögliche Schwingungszustände dreidimensional stehende Wellen sind. Die Welleneigenschaften des Elektrons können durch eine von Schrödinger 1926 aufgestellte Wellenfunktion Ψ(x,y,z) – der Schrödinger Gleichung – beschrieben werden. Die mathematische Form einer solchen Wellengleichung ähnelt derjenigen, die z. B. für die mathematische Betrachtung der Vorgänge schwingender Saiten oder bei der Wellenbewegung auf Wasseroberflächen benutzt wird. Die Wellenfunktion Ψ selbst hat keine anschauliche Bedeutung. Das Quadrat der Wellenfunktion Ψ2 ist jedoch für einen bestimmten Energiezustand ein Maß für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Elektrons. Die Schrödinger Gleichung ist für das Wasserstoffatom exakt lösbar. Für andere Atome sind nur Näherungslösungen möglich. Durch Lösung der Schrödingergleichung erhält man für das Wasserstoffelektron eine begrenzte Anzahl an Schwingungszuständen, die dazu gehörende räumliche Ladungsverteilung und Energie. Diese Zustände sind durch drei Quantenzahlen festgelegt. Eine vierte Quantenzahl ist erforderlich, um spezielle Eigenschaften eines Elektrons im Magnetfeld zu beschreiben. 1. Hauptquantenzahl n Die Haupquantenzahl kann nur ganzzahlige Werte annehmen n = 1, 2, 3, 4…∞. Sie entspricht der jeweiligen Bohrschen Bahn n und bestimmt die Größe eines Orbitals. 9 Schale n K 1 L 2 M 3 N 4 2. Nebenquantenzahl l n und l sind über die Beziehung l ≤ n-1 verknüpft. Die Nebenquantenzahl kann also die Werte l = 0, 1, 2… n-1 annehmen. Sie bestimmt die räumliche Gestalt der Orbitale. Schale K L M N n 1 2 3 4 l 0 0 1 0 1 2 0 1 2 3 Bezeichnung s s p s p d s p d f • Die K-Schale besteht nur aus s-Zuständen. • Die L-Schale besteht aus s- und p-Zuständen. • Die M-Schale besteht aus s-, p- und d-Zuständen usw. 3. Magnetische Quantenzahl m m kann Werte von –l bis +l annehmen. Die Anzahl der m-Werte gibt also an, wie viele s-, p-, d-, und f-Zustände existieren. Die magnetische Quantenzahl beschreibt die Anzahl der Orientierungsmöglichkeiten, die ein bestimmtes Atomorbital relativ zur Richtung eines angelegten Magnetfeldes einnehmen kann. Bezeichnung l m s p d 0 1 2 0 -1, 0, +1 -2, -1, 0, +1, +2 Anzahl der Zustände 2l +1 ein s-Zustand drei p-Zustände fünf d-Zustände Die Orbitale können graphisch dargestellt werden. Diese graphische Darstellung ist für die Diskussion z. B. der chemischen Bindung sehr nützlich. Die Nebenquantenzal l bestimmt die räumliche Gestalt eines Orbitale. Die Hauptquantenzahl n bestimmt die Größe eines Orbitals 10 Die magnetische Quantenzahl m beschreibt die Orientierung eines Orbitals im Raum. Die in den Orbitalbildern aufgeführten Vorzeichen + und – haben ihren Ursprung in der mathematischen Darstellung der Wellenfunktion. Das Vorzeichen ist für die spätere Diskussion chemischer Bindungen relevant. Die durch die drei Quantenzahlen n, l und m charakterisierten Quantenzustände werden als Atomorbitale (AO) bezeichnet. Für das Wasserstoffatom ergeben sich bis n=3 folgende Atomorbitale (die Atomorbitale sind als Kästchen dargestellt): Atomorbitale Schale n s p d l=0 l=1 l=2 M 3 L 2 K 1 3s 3p 2s 2p 3d 1s Die Energie nimmt mit zunehmendem Abstand vom Kern zu. Alle Atomorbitale einer Schale haben im Wasserstoffatom die gleiche Energie, sie sind entartet. 4. Spinquantenzahl s Die Spinquantenzahl beschreibt zwei mögliche Zustände eines Elektrons, die anschaulich gedeutet, die Rotation eines Elektrons rechts oder links um seine eigene Achse darstellt. Diese Rotation wird als Spin bezeichnet. Die Quantenzahlen für beide Zustände sind +½ und -½. 11 Für die ersten drei Bahnen ergeben sich somit folgende unterscheidbare Zustände Schale Hauptquantenzahl Nebenquantenzahl K 1 L 2 0 (s-Elektronen) 0 (s-Elektronen) 1 (p-Elektronen) M 3 0 (s-Elektronen) 1 (p-Elektronen) 2 (d-Elektronen) Magnetischequantenzahl 0 -1 0 +1 -1 0 +1 -2 -1 0 +1 +2 Spinquantenzahl Anzahl der unterscheidbaren Zustände ±½ 2 ±½ 2 ±½ ±½ ±½ ±½ ±½ ±½ ±½ ±½ ±½ ±½ ±½ ±½ Gesamtzahl der unterscheidbaren Zustände 2 8 6 2 6 18 10 1.2.5.2. Aufbau und Elektronenkonfiguration von Mehrelektronen-Atomen Wie beim Wasserstoffatom sind die Elektronenhüllen von Mehrelektronen-Atomen aus Schalen aufgebaut. Die Schalen bestehen aus der gleichen Anzahl von Atomorbitalen des gleichen Typs wie die des Wasserstoffs. Die Atomorbitale von Mehrelektronen-Atomen gleichen zwar nicht völlig den Wasserstofforbitalen, sie sind diesen jedoch sehr ähnlich. Ein wesentlicher Unterschied zu den Orbitalen des Wasserstoffatoms ist, das die Energie der Orbitale nicht mehr nur von der Hauptquantenzahl n (Schale), sondern auch von der Nebenquantenzahl l abhängt. Im Wasserstoffatom befinden sich alle Orbitale einer Schale auf dem gleichen Energieniveau. In Atomen mit mehreren Elektronen besitzen nicht mehr alle Orbitale einer Schale die gleiche Energie – die Entartung ist aufgehoben. Die Orbitale von Mehrelektronen-Atomen werden nach folgenden drei Regeln besetzt: 1. Im Grundzustand werden die Orbitale in der Reihenfolge wachsender Energie mit Elektronen aufgefüllt. 2. Pauli-Prinzip: Ein Atom darf keine Elektronen enthalten, die in allen vier Quantenzahlen übereinstimmen – bis zu zwei Elektronen können ein Orbital besetzen. Befinden sich zwei Elektronen in einem Orbital, so müssen die Elektronenspins antiparallel sein. 3. Hundsche Regel: Die Orbitale einer Unterschale werden so besetzt, dass die Anzahl der Elektronen mit gleichem Spin maximal wird. 12 1.3. Kovalente Atombindung 1.3.1. Konzept der Elektronenpaarbindung Die Atombindung wird auch als kovalente Bindung bezeichnet. Die Atombindung tritt dann auf, wenn Nichtmetallatome eine chemische Bindung eingehen. Schon 1916 entwickelte Lewis die Vorstellung, dass der Zusammenhalt einer Atombindung zwischen zwei Atomen durch ein Elektronenpaar erfolgt, das beiden Atomen gemeinsam gehört. Dies kommt in den Lewis-Formeln zum Ausdruck, in denen Elektronen durch Punkte und Elektronenpaare durch Striche dargestellt werden. Durch die gemeinsam bindenden Elektronenpaare erreichen die Atome in den Molekülen eine abgeschlossene stabile Edelgaskonfiguration. Die Anzahl der Atombindungen die ein Element ausbilden kann, hängt von seiner Elektronenkonfiguration ab. Wasserstoff- und Chloratome erreichen durch eine Elektronenpaarbindung die Helium- bzw. Argonkonfiguration. Sauerstoffatome müssen zwei, Stickstoff drei Bindungen ausbilden um ein Elektronenoktett zu erreichen. Die Anzahl der Atombindungen, die ein bestimmtes Atom ausbilden kann, wird seine Bindigkeit genannt. 1.3.2. Bindigkeit und angeregter Zustand Mit dem Prinzip der Elektronenpaarbindung kann man verstehen, wie viele kovalente Bindungen ein bestimmtes Nichtmetallatom ausbilden kann. Bei Elementen der 5.-8. Hauptgruppe stimm die Anzahl ungepaarter Elektronen mit der Bindigkeit überein. Kohlenstoff hingegen bildet jedoch nicht, wie die Anzahl der ungepaarten Elektronen erwarten lässt, das Molekül CH2, sondern die Verbindung CH4 (Methan) mit vier kovalenten Bindungen! Dazu sind vier ungepaarte Elektronen erforderlich. 13 Hauptgruppe 2. Periode Elektronenkonfiguration der Valenzschale Zahl möglicher Elektronenpaarbindungen Experimentell nachgewiesene einfache Wasserstoffverbindungen 4 C s 5 N p s 6 O p s p 2 3 2 CH4 NH3 H2O Eine Elektronenkonfiguration des C-Atoms mit vier ungepaarten Elektronen entsteht durch den Übergang eines 2s-Elektrons in das 2p-Orbital. Man nennt diesen Vorgang Anregung. Grundzustand des Kohlenstoffs Angeregter Zustand des Kohlenstoffs C: C*: 2s 2px,2py,2pz 2s 2px,2py,2pz Die für die Anregung notwendige Energie wird durch die freiwerdende Bindungsenergie bei der Ausbildung der beiden zusätzlichen Bindungen mehr als Kompensiert. Die Bildung von CH4 ist energetisch begünstigt. Mit der Theorie von Lewis konnte formal das Auftreten bestimmter Moleküle erklärt werden. Sauerstoff und Wasserstoff können das Molekül H2O bilden, aber Beispielsweise nicht ein Molekül der Zusammensetzung H4O. Wieso aber ein gemeinsames Elektronenpaar zur Energieabgabe und damit zur Bindung führt und welchen räumlichen Bau das entstandene Molekül hat blieb unverständlich. Es gibt zwei Näherungen, die zwar von verschiedenen Ansätzen ausgehen, aber im wesentlichen zu gleichen Ergebnisse führen: • • Valenzbindungstheorie (VB-Theorie) Molekülorbitaltheorie (MO-Theorie) 14 1.3.3. Valenzbindungstheorie (VB-Theorie) In der VB-Theorie geht man von den einzelnen Atomen aus und betrachtet die Wechselwirkung der Atome bei ihrer Annäherung. Sie geht von lokalisierten Bindungen aus, die durch die Überlappung bestimmter geeigneter Atomorbitale zustande kommt und durch die üblichen Strukturformeln repräsentiert werden. Daher ist die VB-Methode anschaulicher als die MO-Methode und entspricht mehr der chemischen Vorstellung. Die Bildung des H2-Moleküls läßt sich nach der VB-Theorie wie folgt beschreiben: • • • • • • Bei Annäherung zweier Wasserstoffatome kommt es zu einer Überlappung der 1s Orbitale. Es entsteht ein zu beiden Atomen gehörendes gemeinsames Orbital. Das Orbital ist mit einem Elektronenpaar mit entgegen gesetztem Spin besetzt (Pauli-Prinzip) Die Elektronen gehören nicht mehr zu den Atomen von denen sie stammen, sondern sind ununterscheidbar, können gegenseitig die Plätze tauschen und sich im gesamten Raum der Überlappung aufhalten. Die Überlappung führt zu einer Erhöhung der Elektronendichte zwischen den Kernen Die Bindung kommt durch die Anziehung zwischen den positiv geladenen Kernen und der negativ geladenen Elektronenwolke zustande – je größer die Überlappung, desto größer die Elektronendichte zwischen den Kernen und desto stärker ist die Bindung. Eine Bindung erfolgt jedoch nur, wenn die Überlappung positiv ist. Damit eine positive Überlappung zustande kommt, müssen die überlappenden Atomorbitale eine geeignete Symmetrie besitzen (Orbitale mit gleichen Vorzeichen der Wellenfunktion überlappen). 15 Positive Überlappung - Orbitale mit gleichen Vorzeichen der Wellenfunktion überlappen Überlappung Null – Die Bereiche positiver und negativer Überlappung kompensieren sich. x -px s Negative Überlappung führt zur Abstoßung – Durch die Überlappung von Orbitalen mit verschiedenen Vorzeichen treten Knotenflächen zwischen den Kernen auf. 1.3.3.1. Methan (CH4): Konzept der Hybridisierung H H C H H Quadrat? H H H H C H H Pyramide? H C H Tetraeder? Über den räumlichen Aufbau von Molekülen erhält man Auskunft, wenn man feststellt, welche Atomorbitale bei der Ausbildung einer Elektronenpaarbindung überlappen. Im Methanmolekül CH4 werden von dem angeregten C-Atom vier σ-Bindungen gebildet. Da zur Bindung ein s-Orbital und drei p-Orbitale zur Verfügung stehen, sollte man erwarten, dass nicht alle C-H Bindungen äuquivalent sind. Grundzustand des Kohlenstoffs C: 2s 2px,2py,2pz Angeregter Zustand des Kohlenstoffs C*: 2s 2px,2py,2pz 16 Die experimentellen Befunde zeigen jedoch, dass CH4 ein völlig symmetrisches, tetraedrisches Molekül mit vier äquivalenten C-H Bindungen ist. Wir müssen daraus schließen, dass das C-Atom im Bindungszustand vier äuquivalente Orbitale besitzt, die auf die Ecken eines Tetraeders ausgerichtet sind. Diese vier äuquivalenten Orbitale entstehen durch Kombination aus dem s- und den drei p-Orbitalen. Man nennt diesen Vorgang Hybridisierung, die dabei entstehenden Orbitale werden Hybridorbitale genannt. Die vier gemischten Hybridorbitale des Kohlenstoffatoms besitzen 25% s- und 75% p-Charakter. Man bezeichnet sie als sp3-Hybridorbitale, um ihre Zusammensetzung aus einem s- und drei p-Orbitalen anzudeuten. Die vier sp3-Hybridorbitale sind entartet (besitzen die gleiche Energie) und sind auf die Ecken eines Tetraeders ausgerichtet. Jedes sp3-Hybridorbital des C-Atoms ist mit einem ungepaarten Elektron besetzt. Durch Überlappung mit den 1s-Orbitalen des Wasserstoffs entstehen im CH4-Molekül vier σ-Bindungen. 17 • • • • • Die Hybridisierung ist ein theoretisches Konzept, bei dem unterschiedliche Atomorbitale zu Hybridorbitalen gleicher Energie und Form „gemischt“ werden, um sie für die chemische Bindung „passfähig“ zu machen Das Konzept der Hybridisierung ist zur Erklärung der räumlichen Struktur von Molekülen notwendig. Der Hybridzustand ist in einem isolierten Atom nicht tatsächlich herstellbar und auch nicht zu messen Die Anzahl der Hybridorbitale ist gleich der Anzahl der Atomorbitale, die an ihrer Bildung mitwirken. Es kombinieren nur Atomorbitale ähnlicher Energie zu Hybridorbitalen, z. B. 2s – 2p, 3s – 3p – 3d, 3d – 4s – 4p 1.3.3.2. Ethan (C2H6): C–C-Einfachbindung Die Bindungswinkel im Ethan betragen etwa 109°. Die Struktur entspricht zwei eckenverknüpften Tetraedern. Wie im Methan sind die Kohlenstoffatome im Ethan sp3-hybridisiert. Je Kohlenstoffatom stehen somit vier sp3 Orbitale zur Bindungsknüpfung zur Verfügung. Die C–C-Einfachbindung entsteht durch die Überlappung zweier sp3-Hybridorbitale. 1.3.3.3. Ethen (C2H2): C–C-Doppelbindung Ethen ist ein planares Molekül mit einem Bindungswinkel H,C,H von etwa 120°. Die Kohlenstoffatome sind sp2-hybridisiert. Es stehen also drei sp2 und ein pz Orbital je Kohlenstoff zur Bindungsknüpfung zur Verfügung. Die C–C-Doppelbindung besteht aus einer Einfachbindung (σ-Bindung) zwischen zwei sp2-Hybridorbitalen und einer π-Bindung die durch die Überlappung der pz-Orbitale gebildet wird. Im Gegensatz zu σ-Bindungen sind π-Bindungen nicht rotationsymmetrisch zur Bindungsachse. 18 + + - - 1.3.3.4. Ethin (C2H2): C–C-Dreifachbindung Ethin ist ein lineares Molekül. Die Kohlenstoffatome sind sp-hybridisiert. Es stehen also 2 sp, ein py und ein pz Orbital je Kohlenstoffatom zur Bindungsknüpfung zur Verfügung. Die C,C-Dreifachbindung besteht aus einer Einfachbindung (σ-Bindung) zwischen zwei sp-Hybridorbitalen und zwei π-Bindung die durch die Überlappung der py-Orbitale bzw. pz-Orbitale gebildet werden. 1.3.4. Molekülorbitaltheorie (MO-Theorie) Die MO-Theorie geht von einem einheitlichen Elektronensystem des Moleküls aus. Die Elektronen halten sich nicht in Atomorbitalen auf, die zu einem bestimmten Kern gehören, sondern in Molekülorbitalen, die sich über das ganze Molekül erstrecken. 19 Molekülorbitale sind in der einfachsten Nährung Linearkombinationen von Atomorbitalen. Man nennt diese Methode, Molekülorbitale aufzufinden, LCAO-Näherung (linear combination of atomic orbitals). Die Ermittlung der Molekülorbitale des Wasserstoffmoleküls ist im Folgenden anschaulich dargestellt. Die 1s-Orbitale der beiden H-Atome kann man auf zwei Arten miteinander Kombinieren. Die erste Linearkombination ist eine Addition. Hierbei erhöht sich die Elektronenkonzentration zwischen den Kernen. Es kommt zu einer starken Anziehung. Man nennt dieses Molekülorbital bindendes MO. Die Subtraktion der 1sAtomorbitale führt zu einem MO mit einer Knotenebene. Die Elektronen halten sich bevorzugt außerhalb des Überlappungsbereiches auf. Das Energieniveau dieses Orbitals liegt über denen der 1s-AO. Man nennt es daher antibindenes MO. Antibindende MO werden mit einem „*“ gekennzeichnet. 1s + 1s b s -MO x (bindendes MO) 1s Addition 1s Konzentration der Elektronendichte x Subtraktion 1s 1s 1s - 1s s*-MO (antibindendes MO) x Knotenebene (Nullstelle) Ähnlich wie man für einzelne Atome ein Energieniveauschema von Atomorbitalen aufstellt, stellt man in der MO-Theorie für Moleküle als Ganzes ein Energieniveauschema von Molekülorbitalen auf. Unter Berücksichtigung des PauliVerbots und der Hundschen Regel werden die Molekülorbitale mit den Elektronen des Moleküls besetzt. 20 E s*-MO (antibindendes MO) 1s 1s b -MO (bindendes MO) s 21