Photosynthese mit Eisen

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Natur und
Wissenschaft
FAZ, 12.05.1993, Nr. 109, S. N1
Photosynthese mit Eisen
Präkambrische Erze von Bakterien erzeugt? / Sauerstoff nicht nötig
In der Welt der Mikroorganismen stoßen die Biologen immer wieder auf verblüffende
Stoffwechselwege. In jüngerer Zeit häufen sich Hinweise darauf, daß Mikroben im Lauf
der Erdgeschichte das Bild unseres Planeten stark geprägt haben. Ein Beispiel dafür
haben nun möglicherweise Biologen vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie
in Bremen und von der Universität Konstanz gefunden. Sie wiesen Bakterien nach, die
Photosynthese betreiben können, wenn ihnen zweiwertiges Eisen zur Verfügung steht.
Sauerstoff wird hierbei nicht frei. Bei dieser exotischen Form der Photosynthese entsteht
braunes, dreiwertiges Eisen. Der Befund könnte ein geologisches Phänomen erklären
helfen - die sogenannten gebänderten Eisenerze aus dem Präkambrium. Für diese
mächtigen, etwa 3,5 bis 1,8 Milliarden Jahre alten Eisenlagerstätten nahm man bisher
einen geologischen Ursprung an. Jetzt erscheint auch eine biologische Entstehung
denkbar.
Auf die Spur der ungewöhnlichen Mikroben kamen die Wissenschaftler durch einen
rostfarbenen Niederschlag an Gläsern, in denen sie Sediment unter Ausschluß von
Sauerstoff aufbewahrt hatten. Die Forscher gingen dem Phänomen systematisch nach. Sie
beimpften eine weder saure noch basische Lösung, in der zweiwertiges Eisen enthalten
war, mit einigen Tropfen Wasser von der Oberfläche eines Süßwassser- oder
Salzwassersediments. Unter dem Einfluß von Licht entstand in manchen Proben
allmählich ein rostbrauner Niederschlag. Er setzte sich aus Eisen-III-Oxyd und darin
eingebetteten Zellen zusammen.
Die Zellen, die das zweiwertige Eisen durch Photosynthese umgewandelt hatten,
verfügen im Gegensatz zu Pflanzen nur über ein einziges Photosystem. Das zweiwertige
Eisen dient als Elektronenspender für eine Photosynthese ohne Sauerstoff. Es wird bei
diesem Vorgang oxydiert. Aus dem braunen Niederschlag ließen sich verschiedene Arten
von Mikroorganismen isolieren ("Nature", Bd. 362, S. 790 und 834). Im einzelnen
handelt es sich um Angehörige der Gattungen Rhodomicrobium, Rhodopseudomonas und
Thiodictyon. Inzwischen zeichnet sich ab, daß noch weitere Bakterien enthalten sind, die
zweiwertiges Eisen zur Photosynthese nutzen.
Die mächtigen Ablagerungen von Eisenerz in den präkambrischen Ozeanen werden meist
mit Umwälzvorgängen erklärt. Mit zweiwertigem Eisen angereichertes, sauerstoffloses
Tiefenwasser ist diesen Annahmen zufolge an die Oberfläche gelangt. Dort soll es
oxydiert worden sein, sei es durch Spuren von Sauerstoff aus biologischer Photosynthese,
sei es durch photochemische Vorgänge. Anschließend, so nahm man bisher an, hat sich
das oxydierte Eisen in den Tiefen der Ozeane abgelagert, wo es von Wasserströmungen
nicht mehr aufgewirbelt wurde. Die Ergebnisse der Bremer und Konstanzer Biologen
zeigen indes, daß freier Sauerstoff nicht zwangsläufig vorhanden gewesen sein muß.
Vielmehr könnten archaische Mikroben, die den jetzt gefundenen Arten ähnelten,
maßgeblich zur Bildung der Lagerstätten beigetragen haben. R.W.
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Autor: R.W. (Wandtner, Reinhard)
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