Physikalismus Vorlesung: Was ist Naturalismus? FS 13 / Di 10-­‐12 / Markus Wild & Rebekka Hufendiek Sitzung 7 (26.3.13) Physikalismus? Allgemeine metaphysische These (Metaphysica generalis): • Alles, was existiert, ist physischer bzw. physikalischer Natur. Besondere metaphysische These (Metaphysica specialis): • Das Geistige ist physischer bzw. physikalischer Natur. ist? Identitätstheorie • Bsp. Der Gedanke, dass p, ist mit einem physischen Zustand identisch • Vgl. Wasser = H2O / Morgenstern = Abendstern / ... • Es gibt im Bereich des Psychischen nur Physisches • reduktiver Physikalismus Konstitutionstheorie • Bsp. Der Gedanke, dass p, wird durch physische Zustände konstituiert • Vgl. Rotlicht / Gravitationszentrum / ... • Der Bereich des Psychischen ist eigenständig • nicht-reduktiver Physikalismus Typen oder Token? • Typ: A / Fiat 500 / Uhu (Buffo buffo) • Token: a, a, A, A, a, a! • Typ: Wut / Gedanke, dass p • Token: Laura ist wütend / Laura denkt, dass p • Eigenschaften sind Typen • Token sind Einzelvorkommnisse Geistige Zustände? Eigenschaften von denkenden/ bewussten Subjekten • Laura erinnert sich an Turin • Laura ist wütend • Laura denkt, dass es 12h ist • Laura hört ein Zischen • Laura stellt sich ein Quodlibet vor • Laura hat diffuse Schmerzen Besondere metaphysische These: Alle mentalen Eigenschaften (Typ) bzw. Einzelvorkommnisse (Token) sindID bzw. sindKON physische Eigenschaften bzw. Einzelvorkommnisse. Typen-Identitätstheorie: Alle mentalen Eigenschaften sindID physische Eigenschaften. Drei Argumente für den Physikalismus 1. Funktionalismus-Argument (David Lewis, „Eine Argumentation für die Identitätstheorie“, in: ders., Die Identität von Körper und Geist, Frankfurt a.M.: Klostermann 1989) 2. Argument der Überdeterminierung (David Papineau, „Why Supervenience?“, Analysis 50 (1990), S. 66-71) 3. Anomaler Monismus (Donald Davidson, „Geistige Ereignisse“, in: ders.: Handlung und Ereignis, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1990, 291-335) Funktionalismus-Argument 1. Mentale Eigenschaften werden durch ihre kausale Rolle definiert (d.h. mentale Eigenschaften haben bestimmte physische Wirkungen). 2. Alle physischen Wirkungen lassen sich durch physische Eigenschaften erklären. 3. Mentale Eigenschaften sindID physische Eigenschaften. Prämisse 1 (a priori) • Mentale Eigenschaften werden durch ihre kausale Rolle definiert (d.h. mentale Eigenschaften haben bestimmte physische Wirkungen). • „Der Begriff eines geistigen Zustandes ist der Begriff eines Zustands einer Person, der geeignet ist, eine bestimmte Art von Verhalten hervorzubringen.“ (D. Armstrong, A Materialist Theory of the Mind, London 1993, 82) Beispiel Schmerz • Input (nozizeptive Reize) • Output (Schmerzverhalten) Prämisse 2 (a posteriori) „Meine zweite Prämisse ist die plausible Hypothese, dass es irgendein einheitliches Gefüge von wissenschaftlichen Theorien der Art gibt, wie wir sie zur Zeit akzeptieren, die zusammen eine wahre und erschöpfende Erklärung aller physischen Phänomene (d.h. aller Phänomene, die physikalisch beschreibbar sind) bereitstellen. Sie bilden eine Einheit, insofern sie kumulativ sind: Die Theorie, unter die irgendein beliebiges physisches Phänomen fällt, wird durch Theorien erklärt, unter welche diejenigen Theorien fallen, aus denen sich dieses Phänomen zusammensetzt, und durch die Weise, auf die es sich aus ihnen zusammensetzt. Dasselbe gilt für die letzteren Phänomene, und so weiter, bis hin zu fundamentalen Partikeln oder Feldern, die unter wenige einfache Gesetz fallen, mehr oder weniger so, wie man sie sich in der heutigen Physik vorstellt.“ (D. Lewis, „Eine Argumentation für die Identitätstheorie“, S. 17) Argument der Überdeterminierung 1. Eine physische Wirkung W hat eine geistige Ursache GU. 2. Alle physischen Wirkungen haben nur physische Ursachen. 3. W hat eine vollständig physische Ursache PU. 4. Entweder verursachen GU und PU unabhängig voneinander W oder GU ist mit PU identisch 5. Es gibt keine kausale Überdeterminierung. 6. Also sindID GU (Token) PU (Token). Zu Prämisse 5: „Den physikalischen Gesetzen zufolge sind alle physischen Wirkungen oder ihre Wahrscheinlichkeit durch ihnen vorausgehende physische Ursachen vollständig bestimmt.“ (D. Papineau, Philosophical Naturalism, Oxford: 1993, S. 16). Anomaler Monismus a) Geistige Ereignisse verursachen physische Ereignisse und werden von physischen Ereignissen verursacht. b) Hängen zwei Ereignisse als Ursachen und Wirkungen zusammen, so fallen sie unter strikte Naturgesetze. c) Es gibt keine strikten psycho-physischen Naturgesetze. Alle geistigen Ereignisse sind physische Ereignisse, denn: 1. Wenn (c) zutrifft, geistige Ereignisse jedoch unter Naturgesetze fallen, dann muss es eine physikalische Beschreibung geistiger Ereignisse geben. 2. Wenn ein Ereignis eine physikalische Beschreibung hat, ist es ein physisches Ereignis. Folglich müssen alle geistigen Ereignisse, die mit physischen Ereignissen interagieren, selber physische Ereignisse sein. Beobachtungen & Fragen 1. Mentale Verursachung als Motivation für Physikalismus 2. Epiphänomenalismus ist also falsch 3. Unterschiedliche Auffassungen von Kausalität (Eigenschaften, Einzelvorkommnisse, Ereignisse unter Naturgesetzen, ...) 4. Starke Thesen (Funktionalismus, Einheit der Wissenschaften, Überdeterminierung, Beschreibungstheorie, ...) 5. Trifft das alles auch auf Bewusstsein zu? 6. Was ist mit Selbstbewusstsein? 7. Was ist eigentlich das Subjekt mentaler Eigenschaften? 8. Was ist mit der Konstitutionstheorie? Was ist mit der Konstitutionstheorie? • Mentale Eigenschaften sind nicht mit physischen Eigenschaften identisch, sondern werden durch diese konstituiert, sie sind selbst nicht-physisch. • Aber die konstituierenden physischen Eigenschaften sind bestimmt auch an der Verursachung von Verhalten beteiligt • Was ist dann der kausale Beitrag der konstituierten mentalen Eigenschaften? (a) Kein Beitrag, (b) Teilbeitrag • Falls (a): Motivation für Physikalismus verloren, Epiphänomenalismus • Falls (b): Überdeterminierung! Zwei Arten Kausalität? Hinweis Tim Crane, „Die Debatte um die geistige Verursachung“ (Übersetzung von „The mental causation debate“ 1995), in: Tim Crane: Intentionalität. Sechs Essays zur Philosophie des Geistes (übers. von S. Ungerer und M. Wild), Frankfurt/M.: Fischer 2007.