Management von Segmentierungen in der Assekuranz

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Management von Segmentierungen in der Assekuranz
DISSERTATION
der Universität St. Gallen,
Hochschule für Wirtschafts-,
Rechts- und Sozialwissenschaften
sowie Internationale Beziehungen (HSG)
zur Erlangung der Würde eines
Doktors der Wirtschaftswissenschaften
vorgelegt von
Daniel Schulze Lammers
aus
Deutschland
Genehmigt auf Antrag der Herren
Prof. Dr. Walter Ackermann
und
Prof. Dr. Christian Belz
Dissertation Nr. 3983
I·VW Schriftenreihe; Bd. 50
Druck: KDD Kompetenzzentrum Digital-Druck GmbH, 90439 Nürnberg
Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.
St. Gallen, den 26. Oktober 2011
Der Rektor:
Prof. Dr. Thomas Bieger
Dank
Es ist wohl ein Glück, dass mir nur schemenhaft klar war, was auf mich alles zukommen
würde, als ich vor vier Jahre das hellblaue Häuschen in der Kirchlistrasse zur Bewerbung
um eine externe Doktorandenstelle betreten habe. Auch wenn der Grundgedanke der Arbeit – Segmentierungen setzen tiefgreifende Veränderungen in der Wertschöpfungslogik
von Versicherungsunternehmen voraus – bis zum Ende der gleiche geblieben ist, so
musste ich doch einige Umwege und Schleifen nehmen, um schließlich das Projekt zu
einem erfreulichen Abschluss zu bringen.
Meinem Doktorvater, Prof. Dr. Walter Ackermann, gilt dabei mein besonderer Dank. Er
hat meine Erkenntnissuche mit großem Interesse begleitet und mir nicht zuletzt durch
seine ausgezeichneten Kontakte in die Versicherungswirtschaft viele Türen geöffnet.
Ebenso danke ich Prof. Dr. Christian Belz für die Übernahme des Korreferats und die
wertvollen Impulse bei der Bearbeitung des Themas.
Eine berufsbegleitende Dissertation setzt eine hohe Unterstützungsbereitschaft durch den
Arbeitgeber voraus. Hier danke ich meinen Vorgesetzten bei der AXA, Jens Warkentin,
Dr. Moritz von Campenhausen und Andreas Tiedtke, dass sie sich mit mir auf diese Reise eingelassen haben und mir trotz aller Herausforderungen im Tagesgeschäft den notwendigen Freiraum ließen.
Hanspeter Weber von der Mobiliar, Dr. Bernard El Hage von der Allianz Suisse, und
Dr. Karl-Otto Große-Holz von der Nationale Suisse danke ich, dass sie mich bei der Anfertigung der Fallstudien in ihren Unternehmen unterstützten, geeignete Ansprechpartner
im Unternehmen suchten und für zahlreiche Fragen zur Verfügung standen. Auch bei den
übrigen Interviewpartnern bedanke ich mich für die tiefen Einblicke in ihre Arbeit.
Du, liebe Steffi, hast mich über den ganzen Weg begleitet, mich mit deiner Liebe und
Zuneigung unterstützt und immer ein offenes Ohr für mich gehabt. Ich danke dir. Viele
weitere Freunde und Kollegen haben mich während der vier Jahre ebenfalls unterstützt.
Insbesondere für die notwendige Ablenkung danke ich ihnen.
Meinen Eltern, Dr. Heinrich und Bärbel Schulze Lammers, danke ich dafür, dass sie mich
während meiner langen Ausbildung in vielfältigster Form unterstützt und motiviert haben. Sie haben mir das notwendige Fundament mitgegeben und damit wohl den wichtigsten Anteil an dieser Arbeit. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet.
Köln, im Dezember 2011
Daniel Schulze Lammers
Inhaltsübersicht
Zusammenfassung ........................................................................................................... XI
Summary ........................................................................................................................ XII
Abbildungsverzeichnis ................................................................................................. XIII
Tabellenverzeichnis .................................................................................................... XVII
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................. XVIII
1 Einleitung ....................................................................................................................... 1
1.1 Problemstellung ...................................................................................................... 1
1.2 Zielsetzung und Fragestellungen............................................................................ 4
1.3 Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit ......................................................... 5
1.4 Fazit ...................................................................................................................... 17
2 Grundlagen der Arbeit ............................................................................................... 18
2.1 Definition und Gegenstand des Managements von Segmentierungen ................ 18
2.2 Eigenschaften von Segmentierungen ................................................................... 21
2.3 Segmentierung in der wissenschaftlichen Debatte............................................... 27
2.4 Segmentierung in der Assekuranz ........................................................................ 38
2.5 Fazit ...................................................................................................................... 50
3 Konzept für das Management von Segmentierungen ............................................. 51
3.1 Gestaltungsmodell zum Management von Segmentierungen .............................. 52
3.2 Klassifikation unterschiedlicher Segmentierungsstrategien ................................ 58
3.3 Ableitung des Konzeptes...................................................................................... 63
3.4 Fazit ...................................................................................................................... 65
4 Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen ............................. 68
4.1 Konfiguration ....................................................................................................... 69
4.2 Koordination ...................................................................................................... 126
4.3 Variation ............................................................................................................. 157
4.4 Fazit .................................................................................................................... 175
5 Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen ............... 176
5.1 Selektive Segmentierung .................................................................................... 176
5.2 Intensive Segmentierung .................................................................................... 184
5.3 Partikulare Segmentierung ................................................................................. 192
5.4 Extensive Segmentierung ................................................................................... 199
5.5 Fazit .................................................................................................................... 206
Inhaltsübersicht
V
6 Implikationen und Ausblick ..................................................................................... 207
6.1 Praktische Implikationen der Arbeit ................................................................... 208
6.2 Theoretische Implikationen der Arbeit ............................................................... 209
6.3 Weiterer Forschungsbedarf ................................................................................. 211
Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 213
Anhang ............................................................................................................................ 232
A.
Fallstudien ........................................................................................................... 232
B.
Übersicht über die geführten Interviews............................................................. 288
C.
Auszug aus dem Interviewleitfaden für die Experteninterviews ........................ 292
D.
Auszug aus dem Interviewleitfaden für die Fallstudien ..................................... 293
E.
Vorschlag zur Vertiefung der Fallstudien........................................................... 294
F.
Fragebogen der standardisierten Befragung ....................................................... 297
G.
Autorenprofil ...................................................................................................... 310
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung ........................................................................................................... XI
Summary ........................................................................................................................ XII
Abbildungsverzeichnis ................................................................................................. XIII
Tabellenverzeichnis .................................................................................................... XVII
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................. XVIII
1 Einleitung ....................................................................................................................... 1
1.1 Problemstellung ...................................................................................................... 1
1.2 Zielsetzung und Fragestellungen............................................................................ 4
1.3 Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit ......................................................... 5
1.3.1
Wissenschaftliche Einordnung der Arbeit ..................................................... 5
1.3.2
Grundzüge der Forschungsmethodik............................................................. 6
1.3.3
Forschungsprozess ....................................................................................... 14
1.3.4
Aufbau der Arbeit ........................................................................................ 14
1.4 Fazit ...................................................................................................................... 17
2 Grundlagen der Arbeit ............................................................................................... 18
2.1 Definition und Gegenstand des Managements von Segmentierungen ................ 18
2.2 Eigenschaften von Segmentierungen ................................................................... 21
2.2.1
Segmentierungen im Spannungsfeld von Differenzierung und
Wirtschaftlichkeit ........................................................................................ 21
2.2.2
Chancen von Segmentierungen ................................................................... 23
2.2.3
Risiken von Segmentierungen ..................................................................... 25
2.2.4
Zusammenfassung ....................................................................................... 26
2.3 Segmentierung in der wissenschaftlichen Debatte............................................... 27
2.3.1
Segmentierung (i.e.S.) ................................................................................. 30
2.3.2
Auswahl von Segmenten ............................................................................. 32
2.3.3
Positionierung .............................................................................................. 33
2.3.4
Management ................................................................................................ 36
2.3.5
Zusammenfassung ....................................................................................... 38
2.4 Segmentierung in der Assekuranz ........................................................................ 38
2.4.1
Aktuelle Herausforderungen ....................................................................... 38
2.4.2
Spezifika der Versicherungsindustrie .......................................................... 42
2.4.3
Ergebnisse der standardisierten Befragung zur Relevanz von
Segmentierungen ......................................................................................... 44
2.4.4
Zusammenfassung ....................................................................................... 49
Inhaltsverzeichnis
VII
2.5 Fazit ...................................................................................................................... 50
3 Konzept für das Management von Segmentierungen .............................................. 51
3.1 Gestaltungsmodell zum Management von Segmentierungen .............................. 52
3.1.1
Grundmodell ................................................................................................ 52
3.1.2
Entwicklung der Gestaltungsdimensionen ................................................... 54
3.2 Klassifikation unterschiedlicher Segmentierungsstrategien ................................. 58
3.3 Ableitung des Konzeptes ...................................................................................... 63
3.4 Fazit ...................................................................................................................... 65
4 Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen .............................. 68
4.1 Konfiguration ........................................................................................................ 69
4.1.1
Segmentierungslogik .................................................................................... 69
4.1.1.1 Segmentierungskriterien .......................................................................... 70
4.1.1.2 Auswahl der Segmente ............................................................................ 77
4.1.2
Differenzierung der Marktbearbeitung ........................................................ 85
4.1.2.1 Instrumente zur Differenzierung ............................................................. 85
4.1.2.2 Integrationsgrad der Leistung .................................................................. 95
4.1.3
Organisationsmodell .................................................................................. 102
4.1.3.1 Verankerung der Segmentfunktion ........................................................ 102
4.1.3.2 Ausrichtung des Unternehmens ............................................................. 108
4.1.3.3 Generische Organisationsmodelle ......................................................... 113
4.1.4
Zusammenfassung ...................................................................................... 125
4.2 Koordination ....................................................................................................... 126
4.2.1
Segmentsteuerung ...................................................................................... 126
4.2.1.1 Steuerung über Inhalte ........................................................................... 127
4.2.1.2 Steuerung über Prozesse ........................................................................ 131
4.2.1.3 Generische Koordinationsprinzipien ..................................................... 136
4.2.2
Controlling ................................................................................................. 142
4.2.3
Vertriebsmanagement ................................................................................ 149
4.2.4
Zusammenfassung ...................................................................................... 156
4.3 Variation ............................................................................................................. 157
4.3.1
Realisation .................................................................................................. 157
4.3.2
Adaption ..................................................................................................... 169
4.3.3
Zusammenfassung ...................................................................................... 174
4.4 Fazit .................................................................................................................... 175
VIII
Inhaltsverzeichnis
5 Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen ............... 176
5.1 Selektive Segmentierung .................................................................................... 176
5.1.1
Beschreibung der Strategie ........................................................................ 176
5.1.2
Handlungsempfehlungen zur Konfiguration ............................................. 179
5.1.3
Handlungsempfehlungen zur Koordination .............................................. 180
5.1.4
Handlungsempfehlungen zur Variation..................................................... 182
5.1.5
Zusammenfassung ..................................................................................... 182
5.2 Intensive Segmentierung .................................................................................... 184
5.2.1
Beschreibung der Strategie ........................................................................ 184
5.2.2
Handlungsempfehlungen zur Konfiguration ............................................. 186
5.2.3
Handlungsempfehlungen zur Koordination .............................................. 188
5.2.4
Handlungsempfehlungen zur Variation..................................................... 190
5.2.5
Zusammenfassung ..................................................................................... 190
5.3 Partikulare Segmentierung ................................................................................. 192
5.3.1
Beschreibung der Strategie ........................................................................ 192
5.3.2
Handlungsempfehlungen zur Konfiguration ............................................. 194
5.3.3
Handlungsempfehlungen zur Koordination .............................................. 196
5.3.4
Handlungsempfehlungen zur Variation..................................................... 197
5.3.5
Zusammenfassung ..................................................................................... 197
5.4 Extensive Segmentierung ................................................................................... 199
5.4.1
Beschreibung der Segmentierung .............................................................. 199
5.4.2
Handlungsempfehlungen zur Konfiguration ............................................. 201
5.4.3
Handlungsempfehlungen zur Koordination .............................................. 203
5.4.4
Handlungsempfehlungen zur Variation..................................................... 204
5.4.5
Zusammenfassung ..................................................................................... 204
5.5 Fazit .................................................................................................................... 206
6 Implikationen und Ausblick..................................................................................... 207
6.1 Praktische Implikationen der Arbeit .................................................................. 208
6.2 Theoretische Implikationen der Arbeit .............................................................. 209
6.3 Weiterer Forschungsbedarf ................................................................................ 211
Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 213
Anhang ........................................................................................................................... 232
A.
Fallstudien .......................................................................................................... 232
A.1.
Fallstudie 1: Die Mobiliar (Selektive Segmentierung) ............................. 233
A.1.1. Überblick über das Unternehmen ......................................................... 233
Inhaltsverzeichnis
IX
A.1.2. Gestaltung der Segmentierung............................................................... 237
A.1.2.1.
Konfiguration ................................................................................ 237
A.1.2.2.
Koordination ................................................................................. 242
A.1.2.3.
Variation ....................................................................................... 244
A.1.3. Beurteilung und Fazit ............................................................................ 245
A.2.
Fallstudie 2: Allianz Suisse (Intensive Segmentierung) ............................ 246
A.2.1. Überblick über das Unternehmen .......................................................... 246
A.2.2. Gestaltung der Segmentierung............................................................... 250
A.2.2.1.
Konfiguration ................................................................................ 250
A.2.2.2.
Koordination ................................................................................. 256
A.2.2.3.
Variation ....................................................................................... 258
A.2.3. Beurteilung und Fazit ............................................................................ 259
A.3.
Fallstudie 3: Nationale Suisse (Partikulare Segmentierung) ..................... 260
A.3.1. Überblick über das Unternehmen .......................................................... 260
A.3.2. Gestaltung der Segmentierung............................................................... 263
A.3.2.1.
Konfiguration ................................................................................ 263
A.3.2.2.
Koordination ................................................................................. 267
A.3.2.3.
Variation ....................................................................................... 269
A.3.3. Beurteilung und Fazit ............................................................................ 270
A.4.
Fallstudie 4: AXA Konzern AG (Extensive Segmentierung) .................... 271
A.4.1. Überblick über das Unternehmen .......................................................... 271
A.4.2. Gestaltung der Segmentierung............................................................... 274
A.4.2.1.
Konfiguration ................................................................................ 274
A.4.2.2.
Koordination ................................................................................. 282
A.4.2.3.
Variation ....................................................................................... 285
A.4.3. Beurteilung und Fazit ............................................................................ 286
B.
Übersicht über die geführten Interviews............................................................. 288
B.1.
Experteninterviews..................................................................................... 288
B.2.
Interviews für die Fallstudie Mobiliar ....................................................... 290
B.3.
Interviews für die Fallstudie Allianz Suisse .............................................. 291
B.4.
Interviews für die Fallstudie Nationale Suisse........................................... 291
B.5.
Interviews für die Fallstudie AXA ............................................................. 292
C.
Auszug aus dem Interviewleitfaden für die Experteninterviews ........................ 292
D.
Auszug aus dem Interviewleitfaden für die Fallstudien ..................................... 293
E.
Vorschlag zur Vertiefung der Fallstudien........................................................... 294
X
Inhaltsverzeichnis
F.
Fragebogen der standardisierten Befragung ...................................................... 297
G.
Autorenprofil ...................................................................................................... 310
Zusammenfassung
Versicherungsunternehmen stehen vor großen Herausforderungen. Die Ursachen liegen
in der Regulierung und Deregulierung der Märkte, den Auswirkungen der Informationstechnologie und einem sich verändernden Nachfrageverhalten. Segmentierungen könnten
eine Antwort auf die Herausforderungen sein. Allerdings wird in der Praxis das Potenzial
von Segmentierungen oft nicht ausgereizt. Umfassendere, konsequentere und erfolgreichere Segmentierungen sind nur dann zu erwarten, wenn es der Forschung gelingt, die
tatsächlichen Herausforderungen bei Segmentierungen zu berücksichtigen und entsprechende Handlungsempfehlungen zu entwickeln.
Hier setzt die vorliegende Arbeit an. Auf Basis eines Gestaltungsmodells werden die Dimensionen des Managements von Segmentierungen hergeleitet und vier unterschiedliche
Segmentierungsvarianten identifiziert. Anschließend werden entlang der Gestaltungsdimensionen Optionen entwickelt, die beim Management von Segmentierungen zur Verfügung stehen. Für jede der vier Segmentierungsvarianten werden schließlich klare Handlungsempfehlungen zur Wahl der Gestaltungsoptionen gegeben. Außerdem werden situative Faktoren entwickelt, die bei der Wahl der geeigneten Segmentierungsvariante helfen.
Die zentrale Erkenntnis der vorliegenden Arbeit ist, wie wichtig eine genaue Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Segmentierungsansätzen ist. Erst durch diese Unterscheidung lassen sich die Konsequenzen einer Segmentierung auf das Unternehmen abschätzen und differenzierte Handlungsempfehlungen geben. Je nach Segmentierungsvariante verändern sich Strukturen, Prozesse und Rollenverteilungen im Unternehmen. Auch
eine Auseinandersetzung mit den spezifischen Zielen und Risiken einer Segmentierung
wird durch diese Unterscheidung möglich.
Die Arbeit gibt so für Praxis wie Theorie Impulse. Für die Praxis bieten die beschriebenen Strategieblaupausen klare Empfehlungen zur Wahl der richtigen Strategie und der
entsprechenden Gestaltungsdimensionen. Dies ermöglicht eine umfassende Auseinandersetzung mit Segmentierungen bereits vor Projektstart, womit die Planung und Abschätzung von Konsequenzen erleichtert wird. Aus theoretischer Perspektive wird ein Konzept
zur Segmentierung entwickelt, welches über die bisherigen Ansätze deutlich hinausgeht
und wichtige Aspekte aufarbeitet, die bislang kaum berücksichtigt wurden. Damit wird
ein klassischer Ansatz der Marketingforschung umfassender und praxisnäher aufgearbeitet.
Summary
Insurance Companies face major challenges. Causes are new regulatory requirements,
impact of advance of information technologies, and changes in customer behavior. Segmentation could be an answer to these challenges. However, most companies do not tap
the full potential of market segmentation. Comprehensive, consistent, and successful
segmentation strategies require research that addresses the breadth of practical problems
in segmentation and develop corresponding proposals to overcome these problems.
This is the starting point of the current study. Basing on a configuration model, the author
develops dimensions of managing segmentation strategies and describes four distinct
types of different segmentation strategies. For each segmentation strategy, he derives
recommendations following the dimensions of the configuration model. Moreover, he
describes situative factors that help companies to choose the right strategy type depending on their market position.
The most fundamental finding of this study is the importance of a precise distinction between different segmentation types. Only this distinction allows companies to evaluate
the consequences of a segmentation approach and permit differentiated recommendations. Depending on the respective strategy type, companies must adjust structures, processes, and responsibilities. Besides, the distinction makes a serious examination of inherent objectives and risks possible.
In this respect, the current study gives new ideas for theory and practice. Concerning
practice, companies can use the strategy blueprints to choose the right configuration of
their individual strategy. This allows a sound examination of the strategy upfront and
eases project planning. From a theoretical point of view, this study develops a new concept that complements existing ones. As such, the classical market segmentation concept
is significantly expanded.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wissenschaftliche Orientierung und Forschungsmethodik der Arbeit .......... 7
Abbildung 2: Aufteilung der Stichprobe nach Unternehmensgröße ................................... 9
Abbildung 3: Aufteilung der Stichprobe nach Herkunftsland ............................................. 9
Abbildung 4: Position der Befragten ................................................................................. 10
Abbildung 5: Vorgehen bei der standardisierten Befragung ............................................. 10
Abbildung 6: Vorgehen zur Entwicklung der Fallstudien ................................................. 12
Abbildung 7: Datengrundlage der Fallstudien ................................................................... 13
Abbildung 8: Forschungsprozess der Arbeit ..................................................................... 14
Abbildung 9: Überblick über den Aufbau der Arbeit ........................................................ 16
Abbildung 10: Entwicklung vom undifferenzierten Massenmarketing hin zum
kundenindividuellen Marketing ................................................................ 21
Abbildung 11: Segmentierung zwischen Wirtschaftlichkeit und Differenzierung ........... 23
Abbildung 12: Management von Segmentierungen als Balance aus Zielen und Risiken . 27
Abbildung 13: Segmentierung als Entscheidungsprozess ................................................. 29
Abbildung 14: Segmentierungsspezifische Positionierung von Produkten ....................... 34
Abbildung 15: Kostenwirkung der segmentspezifischen Anpassung unterschiedlicher
Marketinginstrumente ............................................................................... 35
Abbildung 16: Nutzungshäufigkeit von Segmentierungen ................................................ 45
Abbildung 17: Vergleich der Nutzungshäufigkeit nach Ländern ...................................... 45
Abbildung 18: Segmentierungsmerkmale der befragten Unternehmen ............................ 46
Abbildung 19: Ziele der Segmentierung ............................................................................ 47
Abbildung 20: Beurteilung der Segmentierung ................................................................. 48
Abbildung 21: Herausforderungen bei Segmentierungen ................................................. 48
Abbildung 22: Überblick über die Vorgehensweise im Kapitel 3 ..................................... 51
Abbildung 23: Modellhierarchie ........................................................................................ 52
Abbildung 24: Gestaltung von Segmentierungen .............................................................. 54
Abbildung 25: Überblick über das Gestaltungsmodell ...................................................... 57
Abbildung 26: Einfluss der Gestaltungsdimensionen auf Erfolg von Segmentierungen .. 58
Abbildung 27: Unterschiedliche Segmentierungsvarianten .............................................. 60
Abbildung 28: Zuordnung der untersuchten Unternehmen zu den vier
Segmentierungsvarianten .......................................................................... 61
Abbildung 29: Konzept zum Management von Segmentierungen .................................... 64
Abbildung 30: Aufbau der Fallstudien .............................................................................. 67
Abbildung 31: Überblick über die Vorgehensweise in Kapitel 4 ...................................... 68
Abbildung 32: Vorgehen zur Auswertung der Fallstudien ................................................ 69
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 33: Gestaltungsoptionen bei der Segmentierungslogik ................................... 70
Abbildung 34: Praktikabilität und Relevanz von Segmentierungskriterien...................... 72
Abbildung 35: Internationale Segmentierung der Nationale Suisse ................................. 73
Abbildung 36: Dimensionen des Kundenwertes ............................................................... 74
Abbildung 37: Segmentierungsansatz der Allianz Suisse ................................................. 76
Abbildung 38: Entscheidungsmatrix zur Auswahl von Segmenten. ................................. 78
Abbildung 39: Gestaltungsoptionen bei Auswahlperspektive .......................................... 78
Abbildung 40: Fokussierung von Marketinginstrumenten ............................................... 86
Abbildung 41: Gestaltungsoptionen bei Instrumenten zur Differenzierung ..................... 87
Abbildung 42: Internetauftritt der DBV mit ‚endorsed branding‘ .................................... 89
Abbildung 43: Internetauftritt der Deutschen Ärzteversicherung mit
‚seperate branding‘ ................................................................................... 90
Abbildung 44: Gestaltungsoptionen bei der Integration der Leistung .............................. 96
Abbildung 45: Schalen eines Leistungssystems ............................................................... 98
Abbildung 46: Der Plan 360 Grad................................................................................... 100
Abbildung 47: Wirkung von Ankerleistungen ................................................................ 101
Abbildung 48: Gestaltungsoptionen bei der Verankerung der Segmentverantwortung . 104
Abbildung 49: Verankerung der Segmentverantwortung bei der Mobiliar .................... 104
Abbildung 50: Verankerung der Segmentverantwortung bei der Allianz Suisse ........... 105
Abbildung 51: Verankerung der Segmentverantwortung bei der AXA ......................... 106
Abbildung 52: Verankerung der Segmentverantwortung bei der Nationale Suisse ....... 106
Abbildung 53: Gestaltungsoptionen bei der Ausrichtung des Unternehmens ................ 109
Abbildung 54: Vorrang von Produkt und Vertrieb bei produktorientierten
Unternehmen ........................................................................................... 110
Abbildung 55: Vorrang der Segmente bei kundenorientierten Unternehmen ................ 111
Abbildung 56: Konfigurationsformen ............................................................................. 114
Abbildung 57: Aufgaben des Bereichs Mehrkanal & Kundenmanagement ................... 116
Abbildung 58: Veränderung im Organisationsmodell der Allianz Suisse ...................... 118
Abbildung 59: Aufstellung Markt-Management ............................................................. 119
Abbildung 60: Wertschöpfungskette bei Extensiven Segmentierungen ......................... 123
Abbildung 61: Aufbau der Segmentmanagementteams .................................................. 124
Abbildung 62: Segmentmanagement-Teams der AXA .................................................. 125
Abbildung 63: Gestaltungsoptionen bei der Steuerung über Inhalte .............................. 127
Abbildung 64: Aufgabenverteilung bei starker inhaltlicher Koordination ..................... 128
Abbildung 65: Aufgabenverteilung bei geringer inhaltlicher Koordination ................... 129
Abbildung 66: Gestaltungsoptionen bei der Steuerung über Prozesse ........................... 131
Abbildungsverzeichnis
XV
Abbildung 67: Prozess zur Verteilung des Projektbudgets ............................................. 133
Abbildung 68: Produktentwicklungsprozess als Steuerungsinstrument .......................... 134
Abbildung 69: Vier Steuerungsprinzipien ....................................................................... 136
Abbildung 70: Zusammenhang von Effektivität und Effizienz ....................................... 143
Abbildung 71: Gestaltungsoptionen beim Controlling .................................................... 144
Abbildung 72: Beispiel für ein Zuordnungsverfahren ..................................................... 145
Abbildung 73: Segmentbezogene Deckungsbeitragsrechnung ....................................... 147
Abbildung 74: Gestaltungsoptionen des Vertriebsmanagements .................................... 150
Abbildung 75: Vertriebsmanagement der AXA .............................................................. 154
Abbildung 76: Top-Down- vs. Bottom-Up-Realisierung ................................................ 157
Abbildung 77: Gestaltungsoptionen der Realisation ....................................................... 158
Abbildung 78: Top-Down-Prozesse zur Realisierung ..................................................... 158
Abbildung 79: Entwicklung der Segmentierung der Mobiliar ........................................ 160
Abbildung 80: Entwicklung der Segmentierung der Allianz Suisse ............................... 162
Abbildung 81: Positionierungswirkung bei Top-Down-Realisierungen ......................... 162
Abbildung 82: Bottom-Up-Prozess zur Realisierung ...................................................... 163
Abbildung 83: Entwicklung der Segmentierung bei der Nationale Suisse...................... 165
Abbildung 84: Entwicklung der Segmentierung der AXA .............................................. 166
Abbildung 85: Positionierungswirkung bei Bottom-Up-Realisierungen ........................ 167
Abbildung 86: Ableitung des Bearbeitungsansatzes ....................................................... 168
Abbildung 87: Gestaltungsoptionen der Adaption .......................................................... 170
Abbildung 88: Komplexitätswirkung evolutionärer Veränderungen .............................. 171
Abbildung 89: Komplexitätswirkung revolutionärer Veränderungen ............................. 172
Abbildung 90: Überblick über die Gestaltungsoptionen ................................................. 175
Abbildung 91: Überblick über die Vorgehensweise in Kapitel 5 .................................... 176
Abbildung 92: Chancen- und Risikoprofil bei Selektiven Segmentierungen .................. 177
Abbildung 93: Strategieblaupause für Selektive Segmentierungen ................................ 183
Abbildung 94: Chancen- und Risikoprofil bei Intensiven Segmentierungen .................. 184
Abbildung 95: Strategieblaupause für Intensive Segmentierungen ................................. 191
Abbildung 96: Chancen- und Risikoprofil bei Partikularen Segmentierungen ............... 193
Abbildung 97: Strategieblaupause für Partikulare Segmentierungen .............................. 198
Abbildung 98: Chancen- und Risikoprofil bei Extensiven Segmentierungen ................. 200
Abbildung 99: Strategieblaupause für Extensive Segmentierungen ............................... 205
Abbildung 100: Segmentierungsprozess ......................................................................... 208
Abbildung 101: Überblick über die Vorgehensweise im Anhang A ............................... 232
Abbildung 102: Aufbau der Fallstudien entlang des Grundkonzepts .............................. 233
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 103: Rechtsstruktur der Mobiliar .................................................................. 234
Abbildung 104: Schadenskizze der Mobiliar .................................................................. 236
Abbildung 105: Marken der Mobiliar ............................................................................. 238
Abbildung 106: Führungsstruktur der Mobiliar .............................................................. 240
Abbildung 107: Struktur des Bereiches Markt Management .......................................... 241
Abbildung 108: Aufgaben des Bereichs Mehrkanal & Kundenmanagement ................. 241
Abbildung 109: Entwicklung der Segmentierung der Mobiliar ...................................... 244
Abbildung 110: Rechtsstruktur und wesentliche Beteiligungen der Allianz Suisse ....... 248
Abbildung 111: Segmentierungsansatz der Allianz Suisse ............................................. 251
Abbildung 112: Ableitung von Value Propositions je Kundensegment ......................... 252
Abbildung 113: Führungsstruktur der Allianz Suisse ..................................................... 253
Abbildung 114: Veränderung im Organisationsmodell der Allianz Suisse .................... 254
Abbildung 115: Aufstellung Markt-Management ........................................................... 255
Abbildung 116: Entwicklung der Segmentierung der Allianz ........................................ 258
Abbildung 117: Rechtsstruktur und konsolidierte Beteiligungen der Nationale Suisse . 262
Abbildung 118: Internationale Segmentierung der Nationales Suisse ............................ 264
Abbildung 119: Führungsstruktur der Nationale Suisse ................................................. 266
Abbildung 120: Entwicklung der Segmentierung bei der Nationale Suisse ................... 270
Abbildung 121: Rechtsstruktur und wesentliche Beteiligungen der AXA ..................... 273
Abbildung 122: Der Plan 360 Grad................................................................................. 276
Abbildung 123: Exkurs zum Projekt Lehramtsanwärter ................................................. 277
Abbildung 124: Internetauftritt der DBV ........................................................................ 278
Abbildung 125: Internetauftritt der Deutschen Ärzteversicherung ................................. 280
Abbildung 126: Aufbau der Segmentmanagementteams ................................................ 281
Abbildung 127: Segmentmanagement-Teams der AXA ................................................ 282
Abbildung 128: Vertriebsmanagement der AXA ........................................................... 284
Abbildung 129: Entwicklung der Segmentierung der AXA ........................................... 285
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Eigenschaften von Kunden- und Marktsegmentierung .................................... 76
Tabelle 2: Eigenschaften von Outside-In und Inside-Out-Perspektiven ........................... 84
Tabelle 3: Eigenschaften von Neukunden- und Kundenstamm-Marketing ...................... 95
Tabelle 4: Eigenschaften von Produkt +-Ansätzen und Leistungssystemen .................... 101
Tabelle 5: Typische Segmentfunktionen und Detailaufgaben ......................................... 103
Tabelle 6: Eigenschaften von Zentralisierung und Dezentralisierung ............................. 107
Tabelle 7: Eigenschaften von produkt- bzw. kundenorientierten Organisationsmodellen ......................................................................................................... 113
Tabelle 8: Aufstellung wichtiger Einheiten im Organisationsmodell Ergänzer .............. 114
Tabelle 9: Aufstellung wichtiger Einheiten im Organisationsmodell Integrator ............ 117
Tabelle 10: Aufstellung wichtiger Einheiten im Organisationsmodell „Separierer“ ...... 120
Tabelle 11: Aufstellung wichtiger Einheiten im Organisationsmodell Netzwerker ........ 122
Tabelle 12: Eigenschaften von geringer bzw. starker Steuerung über Inhalte ................ 130
Tabelle 13: Eigenschaften einer geringen bzw. starken Steuerung über Prozesse .......... 135
Tabelle 14: Rollenverteilung im Koordinationsprinzip Projektieren .............................. 137
Tabelle 15: Rollenverteilung im Koordinationsprinzip Konzertieren ............................. 138
Tabelle 16: Rollenverteilung im Koordinationsprinzip Moderieren ............................... 140
Tabelle 17: Rollenverteilung im Koordinationsprinzip Institutionalisieren .................... 141
Tabelle 18: Eigenschaften von Output- und /Output-/Input-Controlling ........................ 149
Tabelle 19: Eigenschaften von integriertem und fokussiertem Vertriebsmanagement ... 155
Tabelle 20: Eigenschaften von Top-Down- und Bottom-Up-Realisierungen ................. 169
Tabelle 21: Eigenschaften evolutionärer und revolutionärer Adaption ........................... 174
Tabelle 22: Liste der geführten Experteninterviews ........................................................ 289
Tabelle 23: Liste der geführten Interviews für die Fallstudie Mobiliar........................... 290
Tabelle 24: Liste der geführten Interviews für die Fallstudie Allianz Suisse ................. 291
Tabelle 25: Liste der geführten Interviews für die Fallstudie Nationale Suisse .............. 291
Tabelle 26: Liste der geführten Interviews für die Fallstudie AXA ................................ 292
Abkürzungsverzeichnis
AH
Akademische Heilberufe
CC
Competence Center
CEO
Chief Executive Officer (Vorstandsvorsitzender)
CRM
Customer-Relationship-Management
FK
Firmenkunden
HNWI
High Net Worth Individuals (Vermögende Privatkunden)
KMU
Kleine und mittelständische Unternehmen
Mkt.
Marketing
ÖD
Öffentlicher Dienst
P
Produktsparte
SF
Segmentfunktion
VT
Vertrieb
1
Einleitung
1.1
Problemstellung
Die Versicherungsindustrie steht vor großen Herausforderungen.1 Während sich Versicherungsmärkte in der Vergangenheit durch Stabilität und Kontinuität ausgezeichnet haben, veränderten sich die Rahmenbedingungen in der Versicherungswirtschaft in den
letzten beiden Jahrzehnten erheblich.2 Wesentliche Treiber sind Regulierung und Deregulierung, Auswirkungen der Informationstechnologie und ein sich veränderndes Nachfrageverhalten.3 Neue Geschäftsmodelle, innovative Leistungen und sich grundlegend verändernde Marktstrukturen sind die Folge.4
Der Wettbewerb hat damit erheblich zugenommen. In Deutschland konkurrieren heute
576 Versicherungsunternehmen,5 in der Schweiz werben 218 Versicherungsunternehmen
um die Kunden.6 Sich in diesem Heer von Anbietern zu differenzieren, wird zur Existenzfrage und gelingt bei weitem nicht jedem Unternehmen.7 Die Wahl einer geeigneten strategischen Grundarchitektur wird wichtiger denn je und professionelles Marketing entwickelt sich zum elementaren Bestandteil der Steuerung und Entwicklung von Versicherungsunternehmen.8 Nur wem es so gelingt, dem Kunden einzigartige Vorteile zu bieten
und sich von der Masse abzuheben, wird dauerhaft am Markt existieren können.9
Häufig scheint es leichter, Kundenvorteile in Teilbereichen des Marktes zu schaffen als
auf dem Gesamtmarkt.10 Versicherungsunternehmen versuchen daher zunehmend ihre
Märkte zu segmentieren und das Massenangebot an die spezifischen Bedürfnisse einzelner Zielgruppen anzupassen. Die Folge sind zunehmend individualisierte Leistungen.
Eine eigene Befragung von 140 Versicherungsunternehmen in Deutschland und der
Schweiz zeigt, dass 78% der Unternehmen solche Segmentierungsstrategien verfolgen.11
1
Vgl. Ackermann et al. 2005, S. 6-8.
2
Vgl. Ackermann 2001b, S. 68.
3
Vgl. Ackermann 2001b, S. 68. Ausführlicher auch Kapitel 2.4, S. 38ff..
4
Vgl. Ackermann 2001b, S. 68-81.
5
Vgl. Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) 2011, S. 8. Ohne Rückversicherer.
6
Vgl. Schweizerischer Versicherungsverband 2011, S. 28.
7
Vgl. Haller et al. 2006, S. 643; Surminski 2007, S. 137.
8
Vgl. Haller et al. 2006, S. 642.
9
Vgl. Haller et al. 2006, S. 643-645; Maas 2004, S. 44-63.
10
Vgl. Belz 1995, S. 6.
11
Eigene Befragung. Dazu auch ausführlicher Kapitel 2.4.3, S. 44ff..
-2-
Kapitel 1: Einleitung
Tatsächlich folgt die Versicherungswirtschaft damit einem der ältesten Versprechen der
Marketingforschung. Unternehmen – so das Versprechen – sind erfolgreicher, wenn sie
ihre Märkte nicht undifferenziert bearbeiten, sondern den Markt in mehrere Marktsegmente aufteilen. Marktsegmente sind abgegrenzte Kundengruppen, die dann differenziert
bedient werden können.12 Bereits in den 60er Jahren wurde dieses Grundprinzip entwickelt und seitdem hat sich ein umfangreiches Forschungsgebiet gebildet, welches zahlreiche Aspekte der Segmentierung betrachtet. Die Forschungsansätze sind zum Teil sehr
ausgereift und bauen auf umfassenden und tiefgehenden Analysen von Kundenbedürfnissen und -wünschen auf.13
In der Praxis gelingt es dem Marketing aber oft nicht, die Versprechen von Segmentierungen einzulösen.14 Aufwändige Analysen werden letztlich kaum genutzt und Segmentierungen bleiben als theoretische Gebilde weit hinter den Erwartungen der Unternehmen
zurück. Ein Partner einer führenden Unternehmensberatung stellt fest:
„Wenn ich mal zurückblicke, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Ich bin in hohem Maße desillusioniert. Ich behaupte, dass 50% – wenn nicht 80% – der Segmentierungen scheitern.“15
Zwischen den theoretischen Vorschlägen zur Segmentierung und den praktischen Umsetzungen besteht eine erhebliche Lücke.16 In der Praxis sind oft pragmatische Segmentierungen verbreitet, die die differenzierten Vorschläge der Theorie kaum aufgreifen. In der
Versicherungsbranche dominieren beispielsweise Lebenszyklusansätze, die Kunden nach
Lebensphasen unterscheiden. Aber selbst hier sind meist nur sehr einfache Differenzierungen anzutreffen. So fragt BELZ:
„Warum bleiben Unternehmen bei 30%-Lösungen stehen, wenn 100% möglich
wären? Offensichtlich bewähren sich bestehende Ansätze ungenügend.“17
Einführung und Gestaltung umfassender Segmentierungen sind komplexe Managementaufgaben, weil sie andere Anforderungen an Struktur und Funktionsweise von Unternehmen stellen als Massenmarktstrategien. Wichtige Fragen in diesem Zusammenhang
seien an dieser Stelle genannt:
12
Vgl. Belz 1995, S. 9; DeSarbo et al. 2001, S. 845; Dickson, Ginter 1987, S. 1-10; Smith 1956, S. 3-8.
13
Vgl. Allenby et al. 2002, S. 233-243.
14
Vgl. Dibb 2005, S. 13; Foedermayr, Diamantopoulos 2008b, S. 223.
15
Experteninterview.
16
Vgl. Belz 2009, S. 2; Dibb, Simkin 2009a, S. 219-221; Dibb, Simkin 2009b, S. 375-380; Foedermayr,
Diamantopoulos 2008b, S. 223.
17
Belz 2009, S. 2.
Kapitel 1: Einleitung
-3-
· Welche Konsequenzen hat die Segmentierung für die beteiligten Unternehmensbereiche? Wie werden Segmente im Vertrieb, im Controlling oder in der Unternehmensleitung berücksichtigt? Welche Rolle spielt das Marketing?
· Wie werden Segmente im Zeitablauf gesteuert? Wie erfolgt die Anpassung der
Segmente an sich ändernde Kundenbedürfnisse? Wer hat die Verantwortung für
die Steuerung?
· Wie werden Leistungen und Kommunikation an die Bedürfnisse der Zielgruppe
angepasst? Was bedeutet das für die Wertschöpfungskette? Wie viele Segmente
sind realistisch bedienbar? Wie ist mit der daraus resultierenden Komplexität umzugehen und Wirtschaftlichkeit sicherzustellen?
Für eine erfolgreiche Segmentierung muss auf alle diese Fragen eine schlüssige Antwort
gefunden werden. Obwohl die Marketingforschung aber viele Kernfragen zur Segmentierung wie die Identifikation von Segmenten und Kriterien zur Selektion beantwortet,
bleibt das Verständnis der Funktionsweise von Segmentierungen im Unternehmen relativ
oberflächlich.18 Praxisgerechte Hilfestellungen existieren kaum.19 Als Folge werden die
Konsequenzen einer Segmentierung oft von vornherein unterschätzt, Projekte zu kurzfristig angelegt und die Bedeutung des Struktur- und Kulturwandels, der mit einer Segmentierung einhergehen muss, verkannt. Je komplexer die Segmentierung, desto größer auch
die Anforderungen an das Management. Solange selbst einfache Segmentierungen kaum
genutzt werden, trauen sich Unternehmen nicht an ausgefeiltere Ansätze heran.
Die Kernfrage der vorliegenden Arbeit lässt sich damit leicht beschreiben: Wie kann es
Unternehmen gelingen, Marktsegmente erfolgreich zu bearbeiten? Im Vordergrund steht
dabei, wie Segmentierungen ‚gemanagt‘ werden. Dies betrifft die Integration in den Unternehmenskontext, Steuerungsmechanismen und Realisierungsansätze, aber auch mögliche Managementinstrumente zur Entwicklung und Steuerung der Koordination.
Zur Beantwortung dieser Frage fokussiert sich die Arbeit auf die Versicherungsbranche.
Damit werden Facetten von Segmentierungen betrachtet, die bisherige Studien nur sehr
unvollständig untersuchen. Die bisherige Forschung konzentriert sich weitgehend auf die
Konsumgüterindustrie.20 Hier spielen die geeignete Wahl von Segmentierungskriterien
und die analytisch saubere Ermittlung von Segmenten eine große Rolle. Die Umsetzung
von Segmentierungen ist dagegen oft einfach, da sie fast nur den Produktentwicklungs18
Beispielsweise stellt Danneels in mehreren Experteninterviews fest, dass die Segmentierungsprozesse, wie
sie in der Literatur beschrieben werden, in der Praxis kaum genutzt werden. Vgl. Danneels 1996, S. 36-40.
19
Vgl. Dibb, Simkin 2009a, S. 219-222; Dibb, Simkin 2009b, S. 375-380. Dazu auch ausführlicher Kapitel 2.3.
20
Vgl. Foedermayr, Diamantopoulos 2008b, S. 223.
-4-
Kapitel 1: Einleitung
prozess betrifft. Die Herausforderung in Dienstleistungsunternehmen ist dagegen eine
andere. Hier wird die Leistung über mehrere Unternehmensbereiche hinweg, oft über
einen längeren Zeitraum und fast immer in Interaktion mit dem Kunden, erbracht. Die
Produktentwicklung selber ist nur ein Aspekt von vielen. Damit Segmentierungen in solchen Branchen erfolgreich sein können, muss das gesamte Unternehmen angepasst werden. Das Design der Wertschöpfungskette ebenso wie die Koordination im Unternehmen
bekommt damit eine hohe Bedeutung. Die intensive Betrachtung einer Dienstleistungsbranche, die sich durch die genannten Eigenschaften auszeichnet, verspricht die theoretischen Überlegungen zum Segmentierungskonzept signifikant zu ergänzen und zu vervollständigen.
1.2
Zielsetzung und Fragestellungen
Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, Gestaltungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen zu entwickeln. Drei Fragenkomplexe werden dabei betrachtet:
Im Fragenkomplex 1 wird ein Konzept zum Management von Segmentierungen entwickelt.21 Dazu werden Ansatzpunkte zum Management von Segmentierungen in einem
Gestaltungsmodell systematisiert und unterschiedliche Segmentierungsvarianten identifiziert. Im Einzelnen lauten die Forschungsfragen:
· Was sind Gestaltungsdimensionen und Ansatzpunkte zum Management von
Segmentierungen?
· Wie lassen sich Segmentierungsvarianten systematisieren?
Das Gestaltungsmodell und die Segmentierungsvarianten werden dann zum Grundkonzept der Arbeit kombiniert.
Im Fragenkomplex 2 werden Gestaltungsoptionen beim Management von Segmentierungen herausgearbeitet.22 Grundlage dafür bilden die Fallstudien, die im Anhang der Arbeit
dargestellt sind. Die Forschungsfragen lauten:
· Welche Gestaltungsoptionen ergeben sich (je Gestaltungsdimension) beim
Management von Segmentierungen?
· Welche Zusammenhänge wirken dabei und welche Eigenschaften sind mit diesen Gestaltungsoptionen verbunden?
21
Vgl. dazu Kapitel 3.
22
Vgl. dazu Kapitel 4.
Kapitel 1: Einleitung
-5-
Im Fragenkomplex 3 sollen anwendungsorientierte Aussagen zum Management von
Segmentierungsstrategien entwickelt werden.23 Diese werden in Form von Strategieblaupausen verdichtet. Die Forschungsfragen sind:
· Welche Ziele und Herausforderungen sind mit den Segmentierungsvarianten
verbunden?
· Anhand welcher situativen Faktoren können Unternehmen die geeignete Segmentierungsvariante auswählen?
· Wie sollten die Handlungsspielräume bei den Gestaltungsoptionen je Segmentierungsvariante genutzt werden?
1.3
Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit
1.3.1
Wissenschaftliche Einordnung der Arbeit
Die vorliegende Arbeit steht in der Tradition anwendungsorientierter Forschung.24 Das
wesentliche Erkenntnisziel der Arbeit besteht darin, Gestaltungsaussagen zu treffen.25 Das
Selbstverständnis der anwendungsorientierten Forschung geht innerhalb der Betriebswirtschaft auf ULRICH zurück. Demnach unterscheiden sich Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung insbesondere durch ihren Entstehungszusammenhang.
Während Grundlagenwissenschaften ihre Problemstellungen aus der Theorie speisen,
ergeben sich die Problemstellungen der anwendungsorientierten Forschung aus der Praxis.26 ULRICH beschreibt dies wie folgt:
„Der reine Wissenschaftler geht von ‚Rätseln‘ aus, von erklärungsbedürftigen
Phänomenen, von Diskrepanzen zwischen Theorie und Beobachtungen. […] Der
angewandte Forscher wählt Probleme der praktisch handelnden Menschen aus,
für deren Lösung kein befriedigendes Wissen zur Verfügung steht.“27
Um verwertbare und nützliche Aussagen treffen zu können, müssen praktische Probleme
beschrieben werden, für deren Lösung das notwendige Wissen fehlt.28 Ein wesentliches
23
Vgl. dazu Kapitel 5.
24
Vgl. Ulrich 1984a, S. 1-25; Ulrich 1982, S. 1-10.
25
Vgl. zum Erkenntnisziel von anwendungsorientierter Forschung auch Dyllick, Tomczak 2009.
26
Vgl. Ulrich 1984a, S. 171.
27
Ulrich 1984a, S. 171.
28
Vgl. Hofmann 2004, S. 289.
-6-
Kapitel 1: Einleitung
Kriterium der anwendungsorientierten Forschung ist damit die Frage nach ihrer Relevanz
für praktische Probleme.
Am Ende des Forschungsprozesses sollte es dem Forscher möglich sein, zu den vier folgenden Erkenntniszielen Aussagen zu treffen:
· Inhaltliche Lösungen für konkrete Probleme der Praxis ausarbeiten
· Lösungsverfahren für konkrete Probleme der Praxis ausarbeiten
· Gestaltungsmodelle für die Veränderung der sozialen Wirklichkeit entwerfen
· Regeln für die Entwicklung solcher Gestaltungsmodelle in der Praxis selbst ausarbeiten
In der vorliegenden Arbeit werden für konkrete Probleme inhaltliche Lösungen vorgeschlagen und Lösungsverfahren sowie Gestaltungsmodelle in Zusammenhang mit Segmentierungen entwickelt. Im Folgenden soll dargelegt werden, welche Methoden bei der
Beantwortung der aufgestellten Forschungsfragen genutzt werden.
1.3.2
Grundzüge der Forschungsmethodik
Die vorliegende Arbeit sollte sich daran messen lassen, ob es gelingt, praktisch relevante
Handlungsanleitungen und Ansätze zur Gestaltung von Segmentierungsstrategien zu
entwickeln. Während quantitative Verfahren eher dazu geeignet sind, Hypothesen, die
sich aus der Theorie ergeben, zu prüfen, eignen sich qualitative Verfahren dazu, neue
Hypothesen über Zusammenhänge und Wirkungsweisen zu entwickeln. 29 Es wurde bereits darauf eingegangen, dass das Management von Segmentierungen bislang unzureichend untersucht wurde und nur wenige Erkenntnisse zur Funktionsweise von Segmentierungen existieren. Insofern stellen qualitative Verfahren eine geeignete Methode für
diese Untersuchung dar.
Um die Validität der Untersuchung zu erhöhen, werden mehrere Verfahren genutzt. Diese sogenannte Triangulation ermöglicht es, das gleiche Phänomen aus mehreren Perspektiven zu betrachten, um damit zuverlässigere Aussagen über Zusammenhänge treffen zu
können.30 Ergänzt werden die qualitativen Verfahren durch quantitative Erhebungen mit
größerer Stichprobe. Abbildung 1 zeigt die wissenschaftliche Orientierung und die gewählte Forschungsmethodik der Arbeit.
29
Vgl. Holz, Buber 2009, S. 6-9; Scandura, Williams 2000, S. 1248-1264.
30
Vgl. Gibbert et al. 2008, S. 1465-1474.
Kapitel 1: Einleitung
Wissenschaftliche Orientierung
• Anwendungsorientierte
Forschung
• Entstehungszusammenhang in der
Praxis
• Gestaltungsaussagen
und das Schaffen neuer
Realitäten als
Erkenntnisziel
• Forschungsmethodik muss der
Komplexität realer
Problemstellungen gerecht
werden
• Forschung muss situativ und
ganzheitlich ausgerichtet sein
-7-
Forschungsmethodik
Kombination mehrerer qualitativer
und quantitativer Verfahren, die die
Problemstellung umfassend
untersuchen
• Quantitative Befragung zur
Ermittlung der Bedeutung des
Themas und zum Gewinnen erster
Anhaltspunkte
• Expertengespräche zur
Eingrenzung der Problemstellung,
Entwicklung des Analyserahmens
und Validierung der Ergebnisse
• Fallstudien zur explorativen
Untersuchung des Themas und
Identifikation von
Zusammenhängen und
Mechanismen
Abbildung 1: Wissenschaftliche Orientierung und Forschungsmethodik der Arbeit
Der Fokus der Arbeit liegt auf dem deutschsprachigen Raum der Versicherungswirtschaft. Folgende Verfahren kommen dabei zum Einsatz:
· Experteninterviews
· Standardisierte Befragung
· Fallstudien
Experteninterviews
Die Etablierung von Experteninterviews als eigenständige Forschungsmethode innerhalb
der Sozialwissenschaften geht auf MEUSER UND NAGEL zurück.31 Gegenstand von Experteninterviews ist der spezifische Erfahrungsschatz ausgewählter Experten und nicht die
durch mehrere Datenquellen gewonnene Interpretation eines Untersuchungsfalls.32 Experteninterviews zielen dabei auf die Erschließung und Rekonstruktion von subjektiven
Handlungsorientierungen und Entscheidungsmaximen von Experten aus einem bestimmten fachlichen Funktionsbereich ab.33 Als Experte gilt dabei:
„[…] wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung oder wer über einen privile31
Vgl. Meuser, Nagel 1991, S. 441-471 sowie Kassner, Wassermann 2005, S. 95.
32
Vgl. Meuser, Nagel 1991, S. 441-443.
33
Vgl. Bogner, Menz 2005, S. 38.
-8-
Kapitel 1: Einleitung
gierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt.“34
Experteninterviews ermöglichen einen leichteren Zugang zu einer größeren Menge unterschiedlicher Unternehmen bei gleichzeitig umfassender Betrachtung eines abgegrenzten
Phänomens.35
Insgesamt wurden 21 Interviews geführt. Damit wurde eine große Bandbreite von Unternehmen und Positionen abgedeckt.36 Obwohl der Schwerpunkt der Gespräche im Bereich
der Versicherungen liegt, wurden auch weitere Branchen und Unternehmensberatungen
einbezogen. Für jedes Gespräch wurden vorab ein Fragebogen und eine kurze Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes verschickt.37 Die Gespräche wurden, soweit der
Interviewpartner einverstanden war, aufgezeichnet und anschließend transkribiert.
In der vorliegenden Arbeit werden Experteninterviews in allen Phasen des Forschungsprozesses genutzt, insbesondere aber zur Entwicklung des Konzepts zum Management
von Segmentierungen.
Standardisierte Befragung
Obwohl standardisierte Befragungen als quantitative Methode üblicherweise zur Überprüfung von Hypothesen eingesetzt werden, wurden sie in dieser Arbeit zu einem frühen
Zeitpunkt zur grundsätzlichen Überprüfung der Bedeutung des Themas und zur Ermittlung erster Anhaltspunkte eingesetzt. Dazu wurde ein Online-Fragebogen im Rahmen des
IVW-Trendmonitors des Instituts für Versicherungswirtschaft an der Universität St. Gallen verwendet.38 Den Fragebogen erhielten Fach- und Führungskräfte aus der Assekuranz
in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Der Befragungszeitraum dauerte vom 15.
September 2009 bis zum 30. September 2009. Insgesamt wurden 224 Fragebögen vollständig ausgefüllt. Abbildung 2 zeigt die Aufteilung der Stichprobe nach Unternehmensgröße. Sie bezeugt eine relativ ausgewogene Verteilung mit einem leichten Schwerpunkt
bei kleinen Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern.
34
Meuser, Nagel 1991, S. 443.
35
Vgl. Bähring et al. 2008, S. 97; Helfferich 2011, S. 153; Gibbert et al. 2008, S. 1465-1474; Pfadenhauer
2009, S. 449-460.
36
Die Liste der geführten Gespräche befindet sich im Anhang B.1, S. 288f.
37
Der Leitfaden für die Interviews ist im Anhang C, S. 292ff. dargestellt.
38
Der Fragebogen befindet sich im Anhang F, S. 297ff..
Kapitel 1: Einleitung
-9-
1 - 500
25%
5001 +
27%
501 - 1000
6%
1001 - 2500
15%
2501 - 5000
27%
Abbildung 2: Aufteilung der Stichprobe nach Unternehmensgröße
Abbildung 3 zeigt die Aufteilung der Stichprobe nach Herkunftsland. Der Großteil der
Antworten stammt aus der Schweiz, gefolgt von Deutschland. Dies entspricht dem weiteren Schwerpunkt der Untersuchung.
Andere; 3%
Deutschland; 33%
Schweiz; 55%
Österreich; 9%
Abbildung 3: Aufteilung der Stichprobe nach Herkunftsland
Abbildung 4 zeigt, dass die befragten Fach- und Führungskräfte überwiegend aus der
Geschäftsleitung oder dem Marketing stammen.
-10-
Kapitel 1: Einleitung
Geschäftsleitung
26%
Marketing / Vertrieb
25%
Sonstiges
24%
Unternehmensentwicklung / Supportfunktionen
11%
Kundendienst / Schadenmanagement
7%
IT / Operations
3%
Vermittler / freier Makler / Broker
2%
Bankvertrieb
1%
Angestellter Aussendienst
1%
Strukturvertrieb
1%
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
Abbildung 4: Position der Befragten
Von den 224 Antworten bezogen sich 190 auf einzelne Unternehmen und konnten damit
weiter analysiert werden. Wie Abbildung 5 zeigt, wurden die Unternehmen in solche mit
erfolgreichen und solche mit erfolglosen Segmentierungen unterteilt. Anschließend wurden die Gruppen durch einfache Mittelwertvergleiche untersucht. Damit wurden Aussagen über Einflussfaktoren möglich, die die beiden Gruppen am stärksten unterscheiden.
224 Fach- und
Führungskräfte
40 segmentieren
nicht
150 Unternehmen segmentieren
49 keine
Angabe
61 erfolglos
80 erfolgreich
Abbildung 5: Vorgehen bei der standardisierten Befragung
Die Ergebnisse der Befragung dienen zum einen der Beschreibung der Bedeutung von
Segmentierungen in der Assekuranz und unterstützen zum anderen die Entwicklung des
Gestaltungsmodells.
Kapitel 1: Einleitung
-11-
Fallstudien
Unter Fallstudien versteht YIN:
“[…] an empirical inquiry that investigates a contemporary phenomenon within
its real-life context, especially when the boundaries between phenomenon and
context are not clearly evident.”39
Konstitutiv für Fallstudien ist, dass ein spezifischer Fall umfassend untersucht und narrativ wiedergegeben wird.40 Dies ermöglicht tiefe Einblicke in den spezifischen Untersuchungsfall und seinen Kontext.41 Gleichzeitig ist aber die Anzahl der Fälle, die untersucht
werden können, stark begrenzt. Auch an die zu untersuchenden Unternehmen stellt die
Methode hohe Anforderungen zeitlicher und inhaltlicher Art, weshalb die Auswahl von
teilnehmenden Unternehmen oft stark von pragmatischen Überlegungen geleitet ist. Dies
verzerrt unter Umständen die Stichprobe, weshalb eine Kombination mit Experteninterviews, mit denen eine größere Stichprobe erreicht werden kann, sinnvoll ist.
Auf Basis der geführten Experteninterviews konnten für unterschiedliche Segmentierungsvarianten Unternehmen identifiziert werden. Mit den Unternehmen wurde Kontakt
aufgenommen und die Bereitschaft zur Anfertigung und Veröffentlichung einer Fallstudie abgestimmt. Für eine Teilnahme an den Fallstudien konnten die Mobiliar, Allianz
Suisse, Nationale Suisse und AXA gewonnen werden.
Fallstudienforschung stellt hohe Ansprüche an die Methodik.42 Die Fallstudien wurden
daher in zwei Schritten entwickelt. Im ersten Schritt wurden zusätzlich zu den bereits
geführten Experteninterviews weitere Einzel- oder Doppelinterviews geführt, um einen
ganzheitlichen Eindruck von der Segmentierung zu gewinnen. Je Unternehmen wurden
mindestens fünf Interviews geführt. Die Interviews dauerten zwischen 45 und 120 Minuten. Alle Interviews wurden aufgezeichnet und transkribiert. Es wurde darauf geachtet,
unterschiedliche Unternehmensbereiche (insbesondere Marketing, Vertrieb, Controlling)
einzubeziehen. Neben Interviews konnte bei den Fallstudien auch auf umfangreiche interne Strategieunterlagen zurückgegriffen werden.43
39
Yin 2003, S. 13. Ähnlich auch Heimerl 2009, S. 384 unter Verweis auf Bolz 2002.
40
Vgl. Yin 1981, S. 60.
41
Vgl. Heimerl 2009, S. 388-395.
42
Vgl. Gibbert et al. 2008, S. 1465-1474; Riege 2009, S. 285-296; Steinke 2009, 261-283.
43
Um den Untersuchungsgegenstand der Fallstudien einzugrenzen, wurden nur die Segmentierungen im Privatgeschäft der Unternehmen berücksichtigt.
-12-
Kapitel 1: Einleitung
Jedem Interviewpartner wurden vorab eine kurze Beschreibung der Zielsetzung der Untersuchung und ein Interviewleitfaden zugestellt.44 Die Interviews wurden bei Einverständnis der Interviewpartner aufgezeichnet und anschließend transkribiert und ausgewertet. In den meisten Fällen wurden zudem durch das Unternehmen interne Unterlagen
zur Verfügung gestellt, die Teilaspekte der Segmentierung oder der Gesamtstrategie beschrieben. Auf Basis der Interviews und der internen Unterlagen wurde ein erster Entwurf für die Fallstudien angefertigt und dem jeweiligen Unternehmen, verbunden mit
einem Vorschlag zur Vertiefung der Fallstudie, zugeschickt. Der Vorschlag zur Vertiefung enthielt neben mehreren Fragen eine Liste mit Abteilungen, die mit der Segmentierung betraut waren, aber im ersten Schritt nicht befragt wurden.45 Alle Unternehmen waren zu einer Vertiefung der Fallstudie bereit, sodass im zweiten Schritt eine Auswahl der
genannten Abteilungen einbezogen wurde. Allen Interviewpartnern der zweiten Runde
wurden vorab der Erstentwurf der Fallstudie und ein Interviewleitfaden zur Verfügung
gestellt. Die Ergebnisse der Vertiefungsrunde wurden in die Fallstudie eingearbeitet und
den Unternehmen zur Abstimmung zugestellt. Abschließend wurde die Fallstudie inhaltlich durch die Interviewpartner korrigiert und schließlich freigegeben. Im Laufe dieses
Prozesses änderte sich die Gliederung der Fallstudien. Im ersten Schritt orientierte sich
die Gliederung noch stark an der spezifischen Situation des Unternehmens. Im zweiten
Schritt wurde die Gliederung an das inzwischen anhand der Fallstudien entwickelte
Grundkonzept der Arbeit angepasst. Abbildung 6 stellt das Verfahren in Kürze dar.
Schritt 1
Schritt 2
• Erste Interviewrunde
• Zustellung Hintergrund und
Interviewleitfaden
• Aufzeichnung der Interviews und
Transkription
• Sichtung interner Unterlagen
• Auswertung der Interviews und der internen
Unterlagen
• Abfassung eines ersten Entwurfs für die
Fallstudie
• Entwicklung eines Vorschlages zur Vertiefung
der Fallstudie
• Zweite Interviewrunde
• Auswahl relevanter
Unternehmensbereiche gemeinsam
mit dem Unternehmen
• Vorabversand des Fallstudienentwurfs
und eines Interviewleitfadens
• Auswertung der zweiten Interviewrunde
• Abfassung eines zweiten Entwurfs für
die Fallstudien
• Korrektur der Fallstudie durch
Interviewpartner
• Freigabe der Fallstudie
Abbildung 6: Vorgehen zur Entwicklung der Fallstudien
Abbildung 7 gibt die Datengrundlage der Fallstudien wieder. Die Interviews für die Fallstudien wurden unabhängig von den Experteninterviews geführt.
44
Der Interviewleitfaden ist im Anhang D, S.293ff. angeführt.
45
Ein Beispiel für einen Vertiefungsvorschlag ist im Anhang E, S.294ff. angeführt.
Kapitel 1: Einleitung
Datengrundlage:
-13-
2 Einzelinterviews
6 Einzelinterviews
5 Einzelinterviews
7 Einzelinterviews
2 Workshops (ca. 4
Stunden, 4-10
Teilnehmer)
Umfassende
Unterlagen zur
Segmentierung
Umfangreiche
Strategieunterlage
Umfangreiche
Strategieunterlage
Marketing,
Vertrieb,
Controlling,
Direktmarketing,
Marketing Allianz
SE
Marketing,
Vertrieb,
Controlling,
Strategieentwicklung
Marketing,
Controlling,
Segmentleitung,
Strategie
Unternehmens- Marketing,
Segmentleitung,
Bereiche:
Vertrieb,
Controlling
Abbildung 7: Datengrundlage der Fallstudien
Der Aufbau der Fallstudien ist jeweils gleich und orientiert sich am Grundkonzept:
1. Überblick über das Unternehmen: Hier wird das Unternehmen im Hinblick auf
Marktposition und strategische Ausrichtung kurz vorgestellt. Auch die Grundstruktur des Unternehmens wird dargestellt sowie der strategische Kontext, in dem
die Segmentierung steht.
2. Gestaltung der Segmentierung: Hier wird entlang der Gestaltungsfelder (Konfiguration, Koordination, Variation) beschrieben, wie das Management der Segmentierung erfolgt.
3. Fazit: Abschließend wird zu jeder Fallstudie ein kurzes Fazit gezogen. Die wichtigsten Herausforderungen bei der Weiterentwicklung der jeweiligen Segmentierung werden beschrieben.46
Dieses Vorgehen ermöglichte tiefe Einblicke in die Segmentierungspraxis der untersuchten Unternehmen. Die Fallstudien sind im Anhang A dargestellt und bilden die wichtigste
empirische Quelle für die Arbeit.47
46
Die Fallstudien wurden über einen Zeitraum von etwa vier Monaten von Januar bis April 2010 entwickelt,
abgestimmt und durch die Unternehmen freigegeben. Veränderungen in den Unternehmen, die nach der Abstimmung der Fallstudie stattfanden, wurden nicht mehr berücksichtigt. Die Fallstudien stellen damit notwendigerweise Momentaufnahmen dar, die bei einer späteren Untersuchung aufgrund strategischer oder personeller Veränderungen möglicherweise anders ausfallen würde.
47
Vgl. Anhang A, S. 232ff..
-14-
1.3.3
Kapitel 1: Einleitung
Forschungsprozess
Der Forschungsprozess, in dem die vorliegende Arbeit entstanden ist, wird in Abbildung
8 dargestellt.
2009
2010
Empirie
Experteninterviews
Standardisierte
Befragung
Konzeption
Fallstudien
Bedeutung des
Themas
- Bedeutung und
erste
Anhaltspunkte
- Kapitel 2.3
Grundkonzept
- Überprüfung
der
Dimensionen
im
Grundkonzept
der Arbeit
- Kapitel 3
a Gestaltungsoptionen
- Darstellung
unterschiedlicher Optionen
zum
Management
- Kapitel 4
Handlungsempfehlungen
- Entwicklung
von
Empfehlungen
zum
Management
- Kapitel 5
Abbildung 8: Forschungsprozess der Arbeit
Die Experteninterviews standen am Anfang des Forschungsprozesses. Grundlage der Gespräche waren zum einen die bestehende Literatur und zum anderen eigene Erfahrungen.
Ziele des ersten Forschungsschrittes waren ein besseres Verständnis für die grundsätzliche Bedeutung des Themas in der Assekuranz sowie erste Anhaltspunkte für die Fragestellung.
Parallel zu den Interviews wurde eine standardisierte Befragung geführt. Durch die Befragung wurden erste Hypothesen validiert und die grundsätzliche Bedeutung des Themas untermauert.
Schließlich wurden vier Fallstudien angefertigt, die einen tieferen Einblick in die Segmentierung ausgewählter Unternehmen ermöglichen. Die Fallstudien bilden die wichtigste empirische Basis der Arbeit und sind Grundlage für die Ableitung der Gestaltungsoptionen in Kapitel 4 und der Handlungsempfehlungen in Kapitel 5.
1.3.4
Aufbau der Arbeit
Im ersten Kapitel werden der Hintergrund der Arbeit sowie die Forschungsmethodik dargestellt.
Kapitel 1: Einleitung
-15-
Im zweiten Kapitel werden die Grundlagen der Arbeit beschrieben. Dazu gehören neben
der Definition zentraler Begriffe die Aufarbeitung wichtiger Eigenschaften von Segmentierungen sowie eine Darstellung des Forschungsstandes. Weiterhin werden Herausforderungen beim Management von Segmentierungen in der Assekuranz beschrieben.
Im dritten Kapitel wird aufbauend auf dem Forschungsstand und den Erkenntnissen aus
den Experteninterviews das Konzept zum Management von Segmentierungen entwickelt.
Dazu werden Ansatzpunkte zum Management von Segmentierungen identifiziert (Gestaltungsmodell) und unterschiedliche Segmentierungsansätze differenziert (Segmentierungsvarianten).
Im Kapitel 4 werden Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen entwickelt. Dazu werden die Fallstudien ausgewertet und Ergebnisse aus den Experteninterviews genutzt. Es wird die Frage beantwortet: Zwischen welchen Optionen kann beim
Management von Segmentierungen gewählt werden und welche Eigenschaften sind mit
den Optionen verbunden?
Kapitel 5 stellt die einzelnen Strategien anhand von Steckbriefen vor. So können Handlungsempfehlungen zum Management der Segmentierungen abgeleitet werden. Hier wird
die Frage beantwortet: Wie sollten je nach Segmentierungsvariante die Gestaltungsoptionen gewählt werden?
Das sechste Kapitel endet mit Implikationen für Theorie und Praxis und gibt einen Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf.
Einen Überblick über den Aufbau der Arbeit gibt Abbildung 9.
-16-
Kapitel 1: Einleitung
Kapitel 1: Einleitung
Problemstellung, Zielsetzung, Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit
Kapitel 2: Grundlagen
Definitionen, Eigenschaften von Segmentierungen, Literaturstand und Segmentierungen in
der Assekuranz
Kapitel 3.1:
Gestaltungsmodell
Kapitel 3.2: Segmentierungsvarianten
Entwicklung eines
Gestaltungsmodells bestehend aus
Gestaltungsdimensionen und
Gestaltungsoptionen (Kapitel 3.1)
sowie einer Klassifikation von
Segmentierungsvarianten (Kapitel
3.2)
Kapitel 3: Konzept zum
Management von
Segmentierungen
(Fragenkomplex 1)
Kapitel 3.3:
Kombination zum
Grundkonzept
Kombination von
Gestaltungsmodell und
Segmentierungsvarianten zum
Grundkonzept der Arbeit (Kapitel
3.3).
Anhang A: Fallstudien
Die Fallstudien werden entlang des
Grundkonzeptes strukturiert und
bilden eine wichtige Grundlage der
Arbeit. Die vollständigen
Fallstudien finden sich im Anhang.
Durch Fallbeispiele wird im Text
Bezug auf die Fallstudien
genommen.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen
(Fragenkomplex 2)
Entlang der
Gestaltungsdimensionen werden
die Gestaltungsoptionen entwickelt
und beschrieben . Fallbeispiele
illustrienen und untermauern die
Erkenntnisse.
Kapitel 5: Situative
Handlungsempfehlungen
(Fragenkomplex 3)
Anhand der Eigenschaften der
einzelnen Gestaltungsoptionen und
der Erkenntnisse aus den
Fallstudien werden
Handlungsempfehlungen zur Wahl
der Gestaltungsoptionen je
Segmentierungsvariante gegeben.
Diese werden in
Strategieblaupausen
zusammengefasst.
Kapitel 6: Implikationen und Ausblick
Implikationen für Theorie und Praxis sowie weiterer Forschungsbedarf
Abbildung 9: Überblick über den Aufbau der Arbeit
Kapitel 1: Einleitung
1.4
-17-
Fazit
In diesem Kapitel wurde auf folgende Punkte eingegangen:
· Hintergrund: Das Wettbewerbsumfeld von Versicherungsunternehmen wird immer dynamischer. Segmentierungen könnten Versicherungsunternehmen helfen,
einen höheren Kundenwert zu erreichen und sich damit im Wettbewerb zu differenzieren. Das Potenzial von Segmentierungen wird allerdings meistens nicht ausgereizt. Hier setzt die vorliegende Arbeit an.
· Forschungsfrage: Die Forschungsfragen gliedern sich in drei Abschnitte. Im ersten Abschnitt wird ein Konzept entwickelt, welches den praktischen Anforderungen von Segmentierungen entspricht. Im zweiten Abschnitt werden Gestaltungsoptionen herausgearbeitet, die sich beim Management von Segmentierungen ergeben. Im dritten Abschnitt werden Handlungsempfehlungen gegeben, wie die Gestaltungsoptionen je nach Segmentierungsvariante gewählt werden sollten.
· Forschungsmethodik: In dieser Untersuchung wird eine Kombination unterschiedlicher Forschungsmethoden genutzt. Neben der standardisierten Befragung basieren die Erkenntnisse insbesondere auf Experteninterviews und vier umfangreichen
Fallstudien.
· Struktur der Arbeit: Die Struktur der Arbeit orientiert sich an den Forschungsfragen. Nach der Einleitung werden in Kapitel 2 zunächst die Grundlagen dargestellt.
Anschließend wird in Kapitel 3 das Grundkonzept entwickelt. In Kapitel 4 werden
die Gestaltungsoptionen dargestellt, in Kapitel 5 Handlungsempfehlungen für das
Management der Strategievarianten gegeben und in Kapitel 6 werden Implikationen diskutiert.
2
Grundlagen der Arbeit
In diesem Kapitel sollen die Grundlagen für die weitere Arbeit dargelegt werden. Dazu
werden zunächst zentrale Begriffe erläutert und definiert. Anschließend wird auf wichtige
Eigenschaften von Segmentierungen eingegangen und so die Bedeutung des Managements von Segmentierungen beschrieben. Daraufhin wird der Forschungsstand dargestellt
und Forschungslücken werden herausgearbeitet. Schließlich wird auf die Relevanz von
Segmentierungen in der Assekuranz und den damit verbundenen Herausforderungen eingegangen.
2.1
Definition und Gegenstand des Managements von Segmentierungen
Segmentierung
Häufig wird Segmentierung mit Bezug auf SMITH wie folgt definiert:
„Market segmentation, [...], consists of viewing a heterogeneous market (one
characterized by divergent demand) as a number of smaller homogeneous markets in response to differing product preferences among important market segments.“48
Aber was genau bedeutet es, wenn ein Unternehmen einen Markt als mehrere Teilmärkte
‚betrachtet‘? Konkreter wird BELZ:
„Marktsegmente sind im Gesamtmarkt abgegrenzte Gruppen von Kunden mit
spezifischen Problemen und Bedürfnissen, die eine Unternehmung oder Institution differenziert, selektiv und rentabel bearbeiten oder ‚managen‘ will.“49
Laut BELZ bedeutet differenziert, dass das Unternehmen im Vergleich zu Konkurrenten
Vorteile für den Kunden zu schaffen versucht. Die Unternehmensleistung wird klar positioniert und an die Nutzenerwartung von Kundengruppen angepasst. Je nach Kundengruppe unterscheidet sich damit die angebotene Leistung.50 Wie stark die Leistung individualisiert wird, ist grundsätzlich im Bezug auf alle Aktivitäten des Unternehmens zu prüfen.51
48
Smith 1956, S. 6.
49
Belz 1995, S. 9.
50
Vgl. Belz 1995, S. 9.
51
Vgl. Belz 1995, S. 6.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-19-
Selektiv bedeutet, dass nicht alle Kundengruppen, sondern nur die aus Unternehmenssicht
attraktiven Gruppen ausgewählt und bearbeitet werden. Damit kann sich das Unternehmen konzentrieren und fokussieren.52
Rentabel weist darauf hin, dass Segmentierung und die damit einhergehende Vielfalt im
Unternehmen immer im Spannungsfeld aus Differenzierungsvorteilen einerseits und
Kostensteigerungen andererseits steht.53 Segmentierungen führen nicht automatisch zum
Erfolg, und ein höherer Individualisierungsgrad ist nicht notwendigerweise erfolgreicher
als ein geringerer. Erst durch die zielgerichtete Gestaltung der Segmentierung kann es
gelingen, ein positives Verhältnis aus Segmentierungskosten und -nutzen zu
erwirtschaften.
Für die vorliegende Arbeit scheint es sinnvoll, ein weiteres Kriterium einzuführen: Das
Kriterium der Dauerhaftigkeit. Segmentierungen kommen in Unternehmen auf sehr unterschiedliche Weise vor. Die Analyse von Kundendaten, bei der Zielgruppen für ein
einmaliges Kundenanschreiben identifiziert werden gehört ebenso dazu wie ein Projekt
zur umfassenden Erschließung bestimmter Nutzergruppen. Während erstere aber nur geringfügige Auswirkungen auf das Unternehmen haben und auch oft erfolgreich umgesetzt
werden, haben Unternehmen gerade mit der dauerhaften Bearbeitung von Kundengruppen Schwierigkeiten.
Für die vorliegender Arbeit gilt somit die folgende Definition:
Unter Segmentierung wird die dauerhaft differenzierte, selektive und rentable
Bearbeitungvon im Markt abgegrenzten Kundengruppen verstanden.
Management
Segmentierungen stellen eine Entscheidung über Ort und Umfang einer Wettbewerbsstrategie dar.54 Sie sind damit elementarer Bestandteil jeder Unternehmensstrategie.55 Da sich
die meisten Märkte aus mehreren Segmenten mit unterschiedlichen Eigenschaften zusammensetzen, müssen Unternehmen entscheiden, für welche dieser Kundensegmente
52
Vgl. Belz 1995, S. 9.
53
Vgl. Belz 1995, S. 7.
54
Vgl. Porter 2004, S. 232. Wettbewerbsstrategien können anhand von vier zentralen Dimensionen identifiziert
werden: Schwerpunkt des Wettbewerbs, Ort und Umfang des Wettbewerbs, Taktiken des Wettbewerbs und
Regeln des Wettbewerbs. Vgl. Müller-Stewens, Lechner 2005, S. 262-263. Da sich Segmentierung weitgehend auf Ort und Umfang der Strategie bezieht, stellt dies den Schwerpunkt der folgenden Überlegungen dar.
55
Vgl. Müller-Stewens, Lechner 2005, S. 262; Porter 2004, S. 1.
-20-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
Leistungen angeboten und ob die Leistungen an die segmentspezifischen Bedürfnisse
angepasst werden sollen.56
Kundenanforderungen ändern sich schnell und umfassend, neue Segmente entstehen im
Markt und alte werden irrelevant. Jedes Unternehmen benötigt aber ein Mindestmaß an
Kontinuität, damit Strategien wirken können, und auch die Veränderungskapazitäten von
Unternehmen sind begrenzt. Nur wenn es gelingt, die Segmentierung zwischen den
Marktanforderungen einerseits und den Möglichkeiten des Unternehmens andererseits
optimal zu gestalten, wird eine differenziert, selektiv und rentabel ausgerichtete Bearbeitung von Segmenten möglich. Hier setzt das Management einer Segmentierung an und
versucht, die Segmentierung im Zeitablauf zu gestalten. BELZ UND BIEGER beschreiben
dies wie folgt:
„Die dynamische Marktsegmentierung erfasst, wie Unternehmen im Zeitablauf
mit Marktsegmenten umgehen und, wie sie im Vergleich zu Konkurrenten ihre
Kunden, ihre Leistung und Kommunikation aufteilen oder zusammenfassen und
sich damit im Spannungsfeld von Differenzierung und Kundennähe sowie Wirtschaftlichkeit bewegen.“57
In der Literatur existieren zahlreiche Auffassungen davon, was Management bedeutet.58
Die vorliegende Arbeit orientiert sich an dem Managementverständnis, wie es BLEICHER
entwickelt hat. Demnach ergeben sich drei Hauptfunktionen, die für das Management
gelten:
· Gestaltung eines institutionellen Rahmens, der es ermöglicht, eine handlungsfähige Ganzheit überlebens- und entwicklungsfähig zu halten
· Lenkung durch Bestimmen von Zielen und Festlegen, Auslösen und Kontrollieren
von zielgerichteten Aktivitäten
· Entwicklung als Ergebnis von Gestaltungs- und Lenkungsprozessen im Zeitablauf
und durch integratives Erlernen von Wissen, Können und Einstellungen.59
Alle drei Funktionen muss auch das Management von Segmentierungen erfüllen. Damit
lässt sich das Management von Segmentierungen für die vorliegende Arbeit wie folgt
definieren:
56
Vgl. Abell 1980, S. 17; Chrisman et al. 1988; Porter 2004, 231-233.
57
Belz, Bieger 2006, S. 200.
58
Vgl. dazu ausführlich Müller-Stewens, Lechner 2005, S. 5-23. Vgl. auch Porter 1998, S. 5-10.
59
Vgl. Bleicher 2004, S. 60.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-21-
Unter dem Management von Segmentierungen wird die Gestaltung des institutionellen
Rahmens, die Lenkung und die Entwicklung der Segmentierung im Zeitablauf verstanden.
2.2
Eigenschaften von Segmentierungen
2.2.1
Segmentierungen im Spannungsfeld von Differenzierung und Wirtschaftlichkeit
Segmentierungen lassen sich laut BECKER anhand der Dimensionen Individualisierung
und Generalisierung charakterisieren. Er unterscheidet strategische Handlungsmuster im
Marketing, die von einem vollständig generalisierten Einsatz des Marketing-Mix hin zu
einem vollständig individualisierten Einsatz reichen. Abbildung 10 stellt die Strategien
dar. Segmentierungen zeichnen sich dadurch aus, dass Kunden weder vollständig generalisierte, noch vollständig individualisierte Leistungen angeboten werden. Grundsätzlich
ist jedoch für jedes Element im Marketing-Mix einzeln zu entscheiden, welcher Indivi-
Undifferenziertes
Massenmarketing
Generalisierung
100%
dualisierungsgrad sinnvoll ist.60
Segmentorientiertes
Marketing
Kundenindividuelles
Marketing
Individualisierung
100%
Abbildung 10: Entwicklung vom undifferenzierten Massenmarketing hin zum kundenindividuellen Marketing61
60
Vgl. Belz 1995, S. 6.
61
In Anlehnung an Becker 2000, S. 8.
-22-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
Die Individualisierung des Marketing-Mix ist kostspielig. Je feiner die Märkte unterteilt
werden und je stärker die Leistung angepasst wird, desto höher wird die Komplexität im
Unternehmen und desto weniger Größenvorteile können genutzt werden. Es ergeben sich
aber auch Vorteile aus der Individualisierung. Schließlich muss auch der Generalist seine
Leistung einem individuellen Kunden verkaufen. Je größer die Konkurrenz und je unterschiedlicher die Kundenbedürfnisse, desto schwieriger und teurer wird es, den Kunden
mit einer generellen Leistung zu bedienen. Universelle Nutzenversprechen erreichen und
überzeugen immer weniger Kunden. Eine Leistung, die von vornherein besser an die spezifischen Bedürfnisse eines Kunden angepasst ist, lässt sich leichter und schneller verkaufen. Auch können Kunden durch zielgruppenspezifische Medien leichter erreicht
werden als durch Massenmedien. Eine insgesamt höhere Differenzierung im Markt wird
möglich.62
Eine zunehmende Individualisierung steht damit immer im Spannungsfeld zwischen Kosten und Nutzen. Strategien mit geringem Individualisierungsgrad sind wirtschaftlich, erzielen aber oft eine mangelhafte Differenzierung. Strategien mit hohem Individualisierungsgrad ermöglichen eine stärkere Differenzierung, führen aber auch zu erheblichen
Kosten. Abbildung 11: Segmentierung zwischen Wirtschaftlichkeit und Differenzierung
vergleicht die Wirkungen von Massenmarktstrategien, Segmentierungen und individuellem Marketing. Es wird deutlich, dass Segmentierungen einen Kompromiss darstellen.
Einerseits können Größenvorteile zumindest teilweise realisiert werden, da einzelne
Kunden zu Gruppen zusammengefasst werden und die Leistung nicht vollständig individualisiert werden muss. Andererseits ermöglichen Segmentierungen aber auf heterogenen
und wettbewerbsintensiven Märkten eine höhere Differenzierung als Massenmarktstrategien.
62
Vgl. Belz 1995, S. 31-33.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-23-
Wirtschaftlichkeit
Massenmarketing
Differenzierung
Segmentierung
Kundenindividuelles
Marketing
Abbildung 11: Segmentierung zwischen Wirtschaftlichkeit und Differenzierung63
Erfolgreiche Segmentierungen ermöglichen damit einen Ausgleich von Wirtschaftlichkeit
und Differenzierung.
2.2.2
Chancen von Segmentierungen
Das wesentliche Ziel von Segmentierungen besteht darin, das Angebot in der Kundenwahrnehmung richtig zu positionieren, Kundenvorteile zu generieren und sich damit im
Wettbewerb zu differenzieren. Kundenvorteile ihrerseits sind Grundlage für den Unternehmenserfolg, legitimieren das Unternehmen und sind Treiber für langfristigen Shareholder-Value.64 Neben dieser grundsätzlichen Zielsetzung lassen sich aber weitere Ziele
oder Teilziele erkennen, die mit Segmentierungen verfolgt werden. Die wichtigsten sollen im Folgenden diskutiert werden.
Selektion
Durch geeignete Selektion von Kunden ist es möglich, fokussierter und damit effizienter
aufzutreten als Konkurrenten. BELZ weist in diesem Zusammenhang beispielsweise darauf hin, dass Segmentierungen durch die Selektion gerade in wirtschaftlich schwierigen
Zeiten ein Mittel sein können, um auf die Herausforderungen zu reagieren.65 Eine besondere Bedeutung hat dabei die Frage, welche Kunden für das Unternehmen attraktiv, weil
63
In Anlehnung an Hölscher et al. 2008, S. 33.
64
Vgl. Belz, Bieger 2006, S. 27-36.
65
Vgl. Belz 1995, S. 9-10.
-24-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
profitabel sind. Gerade die Rentabilität der Marketingaktivitäten rückt damit in den Vordergrund und wird Richtwert strategischer Marketingentscheidungen.66
Ausnutzung unterschiedlicher Zahlungsbereitschaften
Während Kunden für ein durchschnittliches Produkt auch nur einen durchschnittlichen
Preis zahlen, kann es durch Segmentierungsstrategien gelingen, höhere Zahlungsbereitschaften auszunutzen (oder geringere Zahlungsbereitschaften zu bedienen).67 Die Ausnutzung unterschiedlicher Zahlungsbereitschaften hängt eng mit der Differenzierung zusammen. Eine Segmentierung wird nur rentabel sein, wenn nicht nur die Differenzierung
erhöht wird, sondern Kunden dafür auch bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen. Auf
der anderen Seite kann es nur gelingen, Zahlungsbereitschaften auszuschöpfen, wenn das
Produkt dem Kunden einzigartige Vorteile bietet und damit im Markt differenziert ist.68
Gewinnung von Neukunden
Die Kundengewinnung wird als häufiges Ziel von Segmentierungen genannt. Durch eine
geeignete Segmentierung kann es gelingen, neue Bedürfnisse im Markt zu erkennen oder
die Leistungen für Kunden, die sich bislang nicht für das Unternehmen entschieden haben, zu optimieren. Es kann auch gelingen, durch eine geeignete Segmentierung in vollkommen neue Märkte einzudringen.69
Zudem werden gerade die Randbereiche eines Marktes durch Generalisten oft nicht ausreichend abgedeckt. Segmentierungen können helfen, diese Randbereiche ebenfalls zu
erreichen
Markt- und Kundenschutz
Auf wettbewerbsintensiven Märkten dienen Segmentierungen zunehmend dem Marktund Kundenschutz. Nicht mehr die Gewinnung neuer Kunden, sondern die Verteidigung
des bestehenden Kundenpotenzials ist Ziel der Segmentierung.70 Durch eine Differenzierung des Marketing-Mix werden beispielsweise bestehende Kunden enger an das Unternehmen gebunden. Auch die Analyse von Stornowahrscheinlichkeiten bei wichtigen
Zielgruppen kann zur Grundlage von spezifischen Maßnahmen werden. Ein derartig differenziertes Verständnis von Kundenstrukturen, -bedürfnisse und -rentabilitäten kann
auch einen erheblichen Wettbewerbsvorteil darstellen. Insbesondere etablierte Unter66
Vgl. Tomczak, Belz 1993, S. 110.
67
Vgl. Meffert 2000, S. 212-216.
68
Vgl. Meffert 2000, S. 550-561.
69
Vgl. Freter 2008, S. 32-33.
70
Vgl. Belz 1995, S. 17.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-25-
nehmen, die viel Erfahrung im Markt haben und auf umfangreiche eigene Kundendaten
zurückgreifen können, können ein solches Kundenverständnis nutzen um gegenüber neuen Herausforderern im Markt Vorteile zu entwickeln.
Portfoliosteuerung und Risikoausgleich zwischen den Segmenten
Schließlich wird es mit Segmentierungen möglich, das Kundenportfolio gezielt zu steuern und so eine vorteilhafte Kundenstruktur zu erreichen.71 Besonders relevante Kundengruppen können beispielsweise gezielt gefördert werden. Die häufigsten Instrumente zur
Portfoliosteuerung sind Profitabilitätsanalysen, mit denen zwischen normalen Kunden,
Potenzialkunden und besonders rentablen Kunden unterschieden wird.72 Darüber hinaus
kann auch ein Risikoausgleich zwischen den Segmenten stattfinden. So erschließen einige Versicherer gezielt das Segment der jungen Leute, um einer Überalterung des Kundenstammes vorzubeugen. Hier dient die Segmentierungsstrategie dazu, ein ausgeglichenes Kundenportfolio für die Zukunft zu erhalten.
2.2.3
Risiken von Segmentierungen
Risiken von Segmentierungen spielen in der Literatur oft nur eine untergeordnete Rolle.
Häufig wird pauschal angenommen, dass Segmentierungen mit Vorteilen für das Unternehmen verbunden sind. Tatsächlich sind aber auch erhebliche Risiken mit Segmentierungen verbunden, wie die folgenden Ausführungen zeigen:
Komplexität und Vielfalt
Durch Segmentierungsstrategien steigt die Vielfalt im Unternehmen.73 Zusätzliche Produktvarianten, mehrere Vertriebswege und unterschiedliche Werbekampagnen müssen
entworfen und aufrechterhalten werden. Dies erhöht Komplexität und Kosten im Unternehmen. Gelingt es nicht, die Komplexität zu steuern, übersteigen die Differenzierungskosten den Differenzierungsnutzen und die Strategie ist nicht erfolgreich.74
Kannibalisierung zwischen Segmenten
Ein weiteres Risiko von Segmentierungsstrategien besteht in der Kannibalisierung der
Segmente. Viele Unternehmen individualisieren den Marketing-Mix für Segmente, die
sie auch vorher schon bedient haben. Das Risiko besteht in diesem Fall darin, dass ein
71
Vgl. Belz 1995, S. 38-39.
72
Vgl. Freter 2008, S. 227-232.
73
Vgl. Belz 1995, S. 7.
74
Vgl. Porter 2004, S. 222.
-26-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
Teil des Erfolges in dem neuen Segment zu Lasten des Massengeschäfts geht. In der Folge sinkt der Umsatz im Massengeschäft. Es ist also genau zu prüfen, wie hoch der Nettozuwachs in einem neuen Segment nach Abzug der Verluste im Massengeschäft tatsächlich ist.75 Aber auch zwischen Segmenten können sich Kannibalisierungseffekte ergeben.
Kunden können zwischen mehreren Varianten mit möglicherweise unterschiedlichen
Preisniveaus wählen. Es besteht damit immer das Risiko, dass die Erschließung neuer
Segmente Rückwirkungen auf das bestehende Segmentportfolio hat. Zu nennen sind weiterhin Spill-over-Effekte zwischen Segmenten. Unter Spill-over-Effekten wird die Übertragung des Images einer Kundengruppe auf das Image des anbietenden Unternehmens
verstanden.76 Derartige Effekte innerhalb des Segmentportfolios gilt es gezielt zu steuern.
Inflexibilität
Schließlich können Segmentierungsstrategien auch dazu führen, dass Unternehmen inflexibler werden. Dies hängt damit zusammen, dass Interdependenzen zwischen den Segmenten bestehen. Ein Unternehmen, das nur ein Produkt anbietet, kann dies einfach anpassen, wenn sich die Bedürfnisse seiner Kunden ändern. Bietet das Unternehmen Varianten des gleichen Produktes an, ist bei einer Veränderung einer Produktvariante zu beachten, wie sich diese auf die anderen Varianten auswirkt.77 Ähnliche Effekte treten in
vielen Unternehmensbereichen auf. So kann beispielsweise eine Erhöhung der Servicequalität dazu führen, dass das Angebot in preissensitiven Segmenten unrentabel wird.
2.2.4
Zusammenfassung
Die Notwendigkeit eines zielgerichteten Managements von Segmentierungen ergibt sich
unmittelbar aus den beschriebenen Chancen und Risiken. Einerseits hat die Erschließung
immer weiterer Segmente einen Nutzen für das Unternehmen, da höhere Kundenvorteile
generiert werden und eine bessere Kundenstruktur erreicht wird. Andererseits nehmen
aber Komplexität und Inflexibilität zu. Diese Wirkungen zu balancieren, Nutzen und
Kosten abzuwägen, das Unternehmen so umzugestalten, dass mehr Segmente mit weniger Aufwand bearbeitet werden können, ist Gegenstand und Zielsetzung des Managements von Segmentierungen.
Für Unternehmen ist es damit von zentraler strategischer Bedeutung, nicht ungeplant in
eine Segmentierung hineinzugleiten. Abbildung 12 zeigt, wie sich die Notwendigkeit des
75
Vgl. Belz 1995, S. 34-35.
76
Vgl. zu Spill-over-Effekten im Besonderen Koch 2006, S. 59-64.
77
Vgl. Porter 2004, S. 216.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-27-
Managements von Segmentierungen als Balance zwischen den Zielen und den Risiken
ergibt.
Risiken der Segmentierung
Chancen der Segmentierung
…
…
Kannibalisierung
Fokussierung
Abbildung 12: Management von Segmentierungen als Balance aus Zielen und Risiken
2.3
Segmentierung in der wissenschaftlichen Debatte
Segmentierung stellt heute in zahlreichen theoretischen Perspektiven des Marketings ein
wichtiges Konzept dar. An dieser Stelle seien die wichtigsten Perspektiven genannt:
· Customer Value: Der langfristige Mehrwert für Aktionäre wird durch den Wert
geprägt, den Unternehmen ihren Kunden bieten.78 Dabei stellt der vom Kunden
wahrgenommene Wert ein subjektives Konstrukt mit mehreren Dimensionen dar. 79
Um die die Leistung an die spezifischen Bedürfnisse von Kunden anzupassen und
damit den Kundenwert zu steigern, ist Segmentierung ein zentrales Instrument.80
· Relationship-Marketing: Das Relationship-Marketing betont, dass im Marketing
nicht einzelne Transaktionen im Vordergrund stehen sollten, sondern die gesamte
78
Vgl. Belz, Bieger 2006, S. 27., sowie zu weiteren Grundlagen der Theorie Drucker 1973; Slater, Narver
1994, S. 22-28; Slater, Narver 1998, S. 1001-1006; Slater, Narver 1995, S. 63-74.
79
Vgl. Belz, Bieger 2006, S. 47; Zeithaml 1988, S. 2-22. Zu einem Überblick über die relevante Literatur vgl.
Graf, Maas 2008, S. 1-20. In Bezug zu einer Diskussion des Customer Value Konzeptes im Bezug auf den
Versicherungssektor vgl. insbesondere; Haller et al. 2006, S. 624-660; Maas 2009, S. 1-20; Maas, Graf 2008,
S. 107-120.
80
Vgl. Belz, Bieger 2006a, S. 47; DeSarbo et al. 2001, S. 845-857; Slater et al. 2007, S. 5-17.
-28-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
Kundenbeziehung im Zeitablauf.81 Diese Beziehung so zu gestalten, dass für Kunden ein Mehrwert entsteht, ist Ziel des Relationship-Management.82 Eine genaue
Analyse von Kundenstrukturen und Identifikation von rentablen Kundensegmenten ist wesentliches Element solcher Ansätze.83
· Service Dominant Logic: Die Service Dominant Logic unterstellt, dass alle Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden auf dem gegenseitigen Austausch von
Dienstleistungen beruhen.84 Zur Erzeugung von Dienstleistungen nutzen Unternehmen und Kunden gemeinsam sogenannte operant resources (Fähigkeiten, Prozesse, Kulturen), um operand resources (physische Input-Faktoren) zu verändern
und so Wert zu schaffen.85 Segmentierungen werden in diesem Zusammenhang oft
als potenzielle operant resource verstanden.86
Das von KOTLER UND KELLER definierte Vorgehen aus Segmentierung, Zielmarktbestimmung und Positionierung prägt dabei das Verständnis von Segmentierungen.87 MEFFERT beschreibt den Prozess als:
„die Aufteilung eines Gesamtmarktes in bezüglich ihrer Marktreaktion intern
homogener und untereinander heterogener Untergruppen (Marktsegmente) sowie
die Bearbeitung eines oder mehrerer dieser Segmente.“88
Im ersten Schritt werden Segmentierungsvariablen ausgewählt und Segmente identifiziert. Dieser Schritt wird auch als Segmentierung im engeren Sinne bezeichnet (i.e.S.).
Im zweiten Schritt werden die Segmente im Hinblick auf ihre Attraktivität bewertet und
Zielsegmente ausgewählt. Im dritten Schritt wird eine Positionierung für die ausgewählten Segmente entwickelt und ein Marketing-Mix implementiert.89 Abbildung 13 stellt diesen Entscheidungsprozess dar.
81
Vgl. Grönroos 1997, S. 322-339; Morgan, Shelby D.Hunt 1994, S. 20-38; Sheth, Parvatiyar 1995, S. 255271.
82
Vgl. Emmelhainz, Kavan 1999, S. 161-177; Quinn et al. 2007, S. 439-465.
83
Vgl. Belz, Bieger 2006, S. 46-53.
84
Vgl. Grönroos 2006, S. 317-333; Lusch, Vargo 2006, S. 281-288; Madhavaram, Hunt 2008, S. 67-82; Vargo,
Lusch 2004, S. 1-17; Vargo, Lusch 2008, S. 1-10.
85
Vgl. Madhavaram, Hunt 2008, S. 70-82.
86
Vgl. Madhavaram, Hunt 2008, S. 79.
87
Vgl. auch Plank 1985, S. 80.
88
Meffert 2000, S. 181 unter Verweis auf Bauer 1977, S. 59ff, Freter 2008, S. 18 und Schreiber 1973, S. 9ff..
89
Vgl. Kotler, Keller 2009.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
1. Segmentierung
i.e.S
•
•
Identifikation von
Segmentierungskriterien
Entwicklung von
Segmentprofilen
-29-
2. Zielsegmentbestimmung
•
•
Entwicklung von
Kriterien zur
Beurteilung der
Segmentattraktivität
Auswahl von
Zielsegmenten
3. Positionierung
•
•
Entwicklung einer
Produktpositionierung
Entwicklung eines
Marketing-Mix
Abbildung 13: Segmentierung als Entscheidungsprozess90
Inwieweit dieser Prozess der Komplexität von Segmentierungen gerecht wird, ist in der
Literatur umstritten. So stellt beispielsweise DANNEELS fest, dass bei den von ihm untersuchten Unternehmen andere Prozesse zur Segmentierung genutzt wurden.91
Einen differenzierteren Prozess schlägt BELZ vor. Er unterscheidet acht Arbeitsschritte:92
1. Abgrenzung des Marktes und Entwicklung einer Segmentierung
2. Grobe Erfassung der Segmente
3. Segmente im Portfolio positionieren und wichtige Segmente auswählen
4. Wichtige Segmente detailliert erfassen
5. Marketingkonzepte für die Segmente entwickeln
6. Konzepte für vereintes und differenziertes Marketing erarbeiten
7. Kunden selektionieren
8. Pilotprojekte für das Segment-Marketing lancieren
Obwohl der Prozess von BELZ wichtige praktische Empfehlungen gibt, orientiert sich die
Forschung überwiegend an dem zuvor beschriebenen Prozess aus Segmentierung i.e.S.,
Zielsegmentbestimmung und Positionierung. Für die Aufarbeitung des Literaturstands
90
In Anlehnung an Kotler, Keller 2009.
91
Vgl. Danneels 1996, S. 36-51 und Quinn et al. 2007, S. 439-465. Weitere, in der Regel aber eher oberflächliche empirische Untersuchungen finden sich bei Abratt 1993; Callaghan, Morley 2002; Craft, Hassan 2006;
Craft 2004; Dibb, Simkin 2001; Dibb 2005; Erem, Mengüç 1998; Foedermayr, Diamantopoulos 2008a;
Foedermayr et al. 2009; Hassan et al. 2003; Jenkins, McDonald 1997; Kalafatis, Cheston 1997; Kesting,
Rennhak 2008; Meadows, Dibb 1998; Rao, Wang 1995; Schuster, Bodkin 1987; Simkin, Dibb 1998; Verhoef
et al. 2003; Wind, Cardozo 1974. Vgl. ausführlicher das Review von Foedermayr, Diamantopoulos 2008b.
92
Vgl. Belz 1995, S. 51-52.
-30-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
scheint es daher sinnvoll, diesen Prozess zu nutzen. Zusätzlich soll als vierter Aspekt der
Literaturstand zum Management von Segmentierungen dargestellt werden.
2.3.1
Segmentierung (i.e.S.)
Die Identifikation von Segmenten stellt einen der wichtigsten Forschungsbereiche der
Segmentierungsliteratur in den letzten Jahren dar. Dabei wurden unterschiedliche Segmentierungskriterien, -verfahren und -prozesse entwickelt, die Rückschlüsse auf Marktsegmente zulassen. Im Folgenden sollen die wichtigsten Kriterien und Verfahren kurz
dargestellt werden.
Märkte lassen sich grundsätzlich nach geographischen, soziodemographischen, psychographischen und verhaltensorientierten Kriterien segmentieren.93 Geographische Segmentierungen unterscheiden beispielsweise zwischen Bundesländern, Landkreisen oder Städten. Aber auch mikrogeographische Kriterien wie z.B. Wohnviertel oder sogar Straßenabschnitte werden verwendet. Soziodemographische Segmentierungen basieren entweder
auf demographischen Kriterien wie Alter, Geschlecht und Familienstand oder auf soziologischen Kriterien wie Ausbildung oder Einkommen.94 Psychographische Segmentierungen beruhen auf Unterschieden in allgemeinen Persönlichkeitsmerkmalen wie Lebensstil, Risikoneigung und sozialer Orientierung oder auf unterschiedlichen Produktwahrnehmungen oder Nutzenvorstellungen.95 Verhaltensorientierte Segmentierungen unterscheiden in Bezug auf Preisverhalten, Mediennutzung oder Produktwahl. 96 In der Praxis dominieren demographische Kriterien, wie eine Untersuchung von BADGETT UND
STONE zeigt. Häufig werden auch mehrere Segmentierungskriterien miteinander kombiniert, um eine relevantere Segmentierung von Käufern vorzunehmen.97 Die Ergebnisse
der standardisierten Befragung in dieser Arbeit bestätigen dies.98
Die Segmentierungskriterien unterscheiden sich in ihrer Eignung erheblich. Zu den wichtigsten Anforderungen, die an die Eignung von Segmentierungskriterien zu stellen sind,
gehören: Kaufverhaltensrelevanz, Messbarkeit, Erreichbarkeit, Handlungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und zeitliche Stabilität.99 Diese und weitere Kriterien werden in der Litera93
Vgl. Beane, Ennis 1987, S. 21-26; Meffert 2000, S. 187-189; Freter 2008, S. 93.
94
Vgl. Meffert 2000, S. 192-195.
95
Vgl. Meffert 2000, S. 192-207.
96
Vgl. Meffert 2000, S. 208-214.
97
Vgl. Badgett, Stone 2005, S. 106.
98
Vgl. Kapitel 2.4.3, S. 44ff..
99
Vgl. Freter 2008, S. 188-189; Kotler, Keller 2009, S. 456; Meffert 2000, S. 186-187. Zu einer Diskussion
und Beurteilung unterschiedlicher Anforderungen vgl. Dibb 1999, S. 107-129.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-31-
tur genutzt, um Aussagen über die grundsätzliche Eignung der Segmentierungskriterien
zu treffen.100
Um zu bestimmen, welche Kriterien letztlich zum Einsatz kommen und welche Segmente
daraus resultieren, wird zwischen a-priori- und a-posteriori-Verfahren unterschieden.101
Bei a-priori-Verfahren werden direkt Kriterien oder Kombinationen von Kriterien ausgewählt, von denen angenommen wird, dass sie eine hohe Relevanz für das Unternehmen
und die Kunden haben.102 In der Literatur existieren zahlreiche Beispiele solcher a-prioriVerfahren, die anhand von Heuristiken und Plausibilitätsüberlegungen Anleitungen zur
Entscheidungsfindung geben.103 Die Ansätze unterscheiden sich im Wesentlichen in der
Anzahl der Stufen, die bei der Identifikation von Segmentierungskriterien genutzt werden.104 Während einstufige Verfahren die Kriterien direkt auswählen, werden in mehrstufigen Verfahren Hierarchien von Segmentierungskriterien gebildet, über die nacheinander
entschieden wird.105
Bei a-posteriori-Verfahren wird dagegen empirisch die Ausprägung ausgewählter Segmentierungskriterien untersucht.106 Mittels statistischer Verfahren werden dann Kunden
mit ähnlichen Ausprägungen identifiziert und zu Segmenten zusammengefasst.107 In der
Literatur existieren zahlreiche Anwendungsbeispiele der a-posteriori-Identifikation von
Segmenten.108 Dass sich a-priori- und a-posteriori-Verfahren kombinieren lassen, zeigen
CHÉRON UND KLEINSCHMIDT am Beispiel der Segmentierung auf industriellen Märkten.109
Die Identifikation von Segmenten und die Beurteilung bestimmter Segmentierungskriterien stellen den wichtigsten Forschungszweig innerhalb der Segmentierungsliteratur dar.
100
Vgl. Baalbaki, Malhotra 1993, S. 19-44; Freter 2008, S. 189-193.
101
Vgl. Freter 2008, S. 197; Wind, Cardozo 1974, S. 317.
102
Vgl. Wind, Cardozo 1974, S. 317.
103
Vgl. Datta 1996, S. 797-811; Freytag, Clarke 2001, S. 475-480; de Kluyver, Whitlark 1986, S. 273-286;
Marcus 1998, S. 494-507; Porter 2004, S. 248-255.
104
Vgl. Plank 1985, S. 81-86.
105
Vgl. Plank 1985, S. 81-86.
106
Vgl. Wind, Cardozo 1974, S. 317.
107
Vgl. Meffert 2000, S. 213. Zu einer Diskussion unterschiedlicher statistischer Methoden zur Segmentierung
vgl. Freter 2008, S. 200-216.
108
Vgl. Cohen, Ramaswamy 1998, S. 15-21;DeSarbo et al. 1997, S. 335-348; DeSarbo et al. 2001, S. 845-857;
Jedidi et al. 1996, S. 266-289; Samli et al. 2002, S. 211-227.
109
Vgl. Beane, Ennis 1987, S. 27-38; Chéron, Kleinschmidt 1985, S. 101-115.
-32-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
Eine Vielzahl unterschiedlicher Kriterien wird in der Literatur diskutiert. Nicht immer
scheint dabei auf deren praktische Verwendbarkeit geachtet zu werden.110
Neben einigen anekdotischen Auswüchsen der Segmentierungsliteratur sind aber insbesondere die Arbeiten, die sich mit der Identifikation von Segmenten beschäftigen, erheblicher Kritik ausgesetzt. So stellt BIGGADIKE fest, dass es bislang nicht gelungen ist eine
Theorie zu entwickeln, auf deren Basis der Vorteil bestimmter Kriterien zu bestimmen
sei.111 Dies führt dazu, dass viele Entscheidungen im Zusammenhang mit der Identifikation von Segmenten willkürlich sind.112 So hat die Wahl einer bestimmten statistischen Methode oft einen erheblichen Einfluss auf die Anzahl und Zusammensetzung der Segmente, ohne dass sich konkrete Anwendungsrichtlinien für die jeweilige Methode ableiten
ließen.113 Auch innerhalb einer Methode sind häufig umfangreiche Parametrisierungen
vorzunehmen, die die Segmentierung beeinflussen. WRIGHT stellt in diesem Zusammenhang fest, dass viele Methoden zwingend Segmente generieren. Die Tatsache, dass bei
derartigen Verfahren Segmente identifiziert werden, sagt daher nichts darüber aus, ob
diese tatsächlich existieren.114
2.3.2
Auswahl von Segmenten
Nachdem potenzielle Segmente identifiziert worden sind, müssen einzelne Segmente zur
Bearbeitung ausgewählt werden. Dabei lassen sich unternehmensabhängige und unternehmensunabhängige Kriterien unterscheiden.115 Unternehmensunabhängige Kriterien
umfassen beispielsweise die Segmentgröße, das Wachstumspotenzial oder die Wettbewerbsintensität. Unternehmensabhängige Kriterien sind u.a. der Umfang der zur Erschließung notwendigen Investitionen, das notwendige Know-How oder der Überein110
Dies zeigt beispielsweise das Plädoyer von Mitchell zur Verwendung von Sternzeichen als Segmentierungskriterium oder der Vorschlag von James et al. zur Segmentierung von Kunden anhand des Besitzes von
Haustieren.Vgl. James et al. 2004, S. 70-77; Mitchell 1995, S. 48-57; Mitchell, Haggett 1997, S. 113-131. Zu
einer kritischen Diskussion dieser Ansätze und der Segmentierungsliteratur insgesamt vgl. Wright 1996, S.
18-20.
111
Vgl. Biggadike 1981, S. 628.
112
Vgl. Wright 1996, S. 19.
113
Vgl. Hoek et al. 1996, S. 29-30.
114
Vgl. Wright 1996, S. 19. Dibb, Stern untersuchen, wie sich Faktoranalysen und Clusteranalysen in Hinblick
die gefundenen Segmente unterscheiden. Es wird deutlich, dass die Wahl der Methode einen erheblichen Einfluss auf die identifizierten Segmente hat. Zudem zeigen sie, dass auch in zufällig generierten Datensets, in
denen keine ex-anten Beziehungen zwischen Variablen vorliegen, mit beiden Methoden Segmente identifiziert werden, die sich in ihrer Reliabilität nicht von den Segmenten unterscheiden, die aus den realen Daten
gewonnen wurden. Die Untersuchung zeigt, dass eine unkritische Verwendung von statistischen Methoden
zur Identifizierung von Segmenten zu erheblichen Fehlentscheidungen führen kann. Vgl. Dibb, Stern 1995,
S. 634-635.
115
Vgl. Freter 2008, S. 220-221.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-33-
stimmungsgrad der Maßnahmen zur Segmentbearbeitung mit den Organisationszielen.116
Auch hier sind in der Literatur unterschiedliche heuristische Verfahren zu Auswahl von
potenziell attraktiven Segmenten entwickelt worden.117 Das Verfahren von MONTOYAWEISS UND CALANTONE ermöglicht beispielsweise einen simultanen Trade-off zwischen
unternehmensabhängigen und unternehmensunabhängigen Beurteilungskriterien. SÖLLNER UND RESE entwickeln ein Verfahren, bei dem auch Informationen über Wettbewerber in die Auswahl von Segmenten einbezogen werden.118 Auch Verfahren der
Portfolioanalyse werden häufig zur Auswahl von Segmenten herangezogen.119
Es existieren somit in der Literatur einige hilfreiche und praktisch verwertbare Verfahren.
Insbesondere die Verfahren zur Portfolioanalyse haben einen hohen praktischen Nutzen
und geben wichtige Hinweise zur Auswahl bestimmter Segmente.
2.3.3
Positionierung
Der vorletzte Schritt von Segmentierungsstrategien besteht in der Entwicklung von Marketingkonzepten und damit der Positionierung der Unternehmensleistung je Segment.120
Grundgedanke des klassischen Positionierungsmodells ist, dass Kunden die Produkte
oder Leistungen wählen, deren wahrgenommenen Eigenschaften ihren Nutzenerwartungen am besten entsprechen.121 DICKSON UND GINTER zeigen, wie Unternehmen Produkte
so anpassen, dass es im Wahrnehmungsraum unterschiedlicher Kundensegmente positioniert wird.122 Abbildung 14: Segmentierungsspezifische Positionierung von Produkten
stellt dies schematisch in einem Wahrnehmungsraum mit zwei Ausprägungen dar.
116
Vgl. Freter 2008, S. 220-221; Meffert 2000, S. 214-215.
117
Vgl. Doyle, Saunders 1985, S. 419-442; Montoya-Weiss, Calantone 1999, S. 373-395; Simkin, Dibb 1998, S.
407-417; Marcus 1998, S. 494-504; Söllner, Rese 2001, S. 25-36.
118
Vgl. Montoya-Weiss, Calantone 1999, S. 373-395; Söllner, Rese 2001, S. 25-36.
119
Vgl. Freter 2008, S. 228-232; McDonald, Dunbar 2004, S. 311-330.
120
Vgl. Abratt 1993, S. 82; Meffert 2000, S. 214.
121
Vgl. Tomczak et al. 2009, S. 171.
122
Vgl. Dickson, Ginter 1987, S. 7.
-34-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
Eigenschaftsausprägung 1
Kundensegment 1
Produkt A‘
Produkt A
Eigenschaftsausprägung 2
Produkt A‘‘
Produkt A‘‘‘
Kundensegment 3
Kundensegment 2
Abbildung 14: Segmentierungsspezifische Positionierung von Produkten123
Die Marketingforschung hat zahlreiche Positionierungsmodelle entwickelt, die unterschiedliche Entscheidungskriterien von Kunden berücksichtigen und damit die Anpassung der Leistung ermöglichen.124 Neben Kundenbedürfnissen und den eigenen Angeboten können in derartigen Modellen auch Leistungen des Wettbewerbs berücksichtigt oder
latente Bedürfnisse, die der Kunde noch nicht artikuliert hat, einbezogen werden.125
FRETER stellt fest, dass bei der Entscheidung über den Einsatz von Marketinginstrumenten zur Anpassung der Leistung an Segmente zwei Aspekte berücksichtigt werden müssen.126 Der erste Aspekt betrifft die Fokussierung. Dabei ist zu prüfen, ob ein spezifisches
Instrument einzelne Kunden, Kundensegmente oder den Gesamtmarkt erreicht. Hierbei
sind technische und praktische Aspekte zu berücksichtigen.127 BELZ zeigt, dass Marketinginstrumente unterschiedlich zur Individualisierung des Angebotes beitragen.128 Während allgemeine Imagekampagnen nicht segmentspezifisch sind und den generellen
Markt abdecken, können Segmentkampagnen auf bestimmte Kundensegmente abgestimmt werden. Beratungsgespräche und Serviceleistungen weisen einen sehr hohen Grad
an Individualisierung auf und lassen sich kundenindividuell gestalten.129
Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Differenzierung. Hier stellt sich die Frage, ob ein
bestimmtes Marketinginstrument differenziert werden sollte, um das Angebot an das
Segment anzupassen.130 BELZ weist darauf hin, dass einzelne Instrumente unterschiedlich
123
In Anlehnung an Dickson, Ginter 1987, S. 7.
124
Vgl. Franzen, Bouwman 2001, S. 253-261; Dyllick, Tomczak 2009, S. 219-276.
125
Vgl. Dyllick, Tomczak 2009, S. 222.
126
Vgl. Freter 2008, S. 293-294.
127
Vgl. Freter 2008, S. 293.
128
Vgl. Belz 1995, S. 47. Dazu auch ausführlicher Kapitel 4.1.2, S. 85ff..
129
Vgl. Belz 1995, S. 47.
130
Vgl. Freter 2008, S. 294.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-35-
zum Segmentmarketing beitragen.131 In diesem Zusammenhang argumentieren BONOMA
SHAPIRO, dass die Anpassung unterschiedlicher Marketinginstrumente zu unterschiedlichen Kosten führt. Während die reine Auswahl von Segmenten, die dann mit generellen Leistungen bedient werden, sehr günstig ist, sind die Kosten, die mit einer An-
UND
passung der Kommunikationsmittel, des Preises und des Produktes selbst verbunden sind,
deutlich höher.132 Abbildung 15 stellt dies schematisch dar.
hoch
Anpassung des
Produktes
Kosten
Anpassung des
Preises
Anpassung der
Kommunikation
niedrig
Auswahl von
Segmenten
Abbildung 15: Kostenwirkung der segmentspezifischen Anpassung unterschiedlicher Marketinginstrumente133
MEFFERT stellt fest, dass die Entscheidung über den Umfang der Leistungsanpassungen
an die Segmente grundsätzlich nur simultan mit der Entscheidung über die Anzahl der zu
bearbeitenden Segmente getroffen werden kann. Einerseits hängt die Entscheidung über
die Anzahl der zu bedienenden Segmente von den Kosten der Anpassung der Leistungen
an dieses Segment ab. Andererseits hängen die Kosten, die mit der Anpassung der Leistung an die Segmente verbunden sind, von der Gesamtzahl der bedienten Segmente ab.134
Zur Unterstützung dieser Entscheidung sind in der Literatur einige heuristische und analytische Modelle entwickelt worden, die diese Frage nach dem optimalen Segmentierungsgrad zu beantworten versuchen.135 Der praktische Nutzen dieser Modelle ist allerdings aufgrund des hohen Informationsbedarfes eher gering.
131
Ausführlicher Kapitel 4.1.2, S. 85ff..
132
Vgl. Bonoma, Shapiro 1984, S. 263.
133
In Anlehnung an Bonoma, Shapiro 1984, S. 263.
134
Vgl. Meffert 2000, S. 216.
135
Vgl. für ausgewählte Ansätze Claycamp, Massy 1968; Krauter 1975; Winter 1979.
-36-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
Der Literaturstand zur Anpassung der Marketinginstrumente an die Segmente kann insgesamt durchaus als umfassend bezeichnet werden, zumal sich neben den betrachteten
Ansätzen viele allgemeine Marketingansätze leicht auf diese Fragestellung anwenden
lassen.
2.3.4
Management
Zum Management von Segmentierungen beschreibt BELZ einige wichtige Aspekte. Zum
einen stellt er fest, dass die Konsequenzen einer Segmentierung für das Unternehmen
davon abhängen, welche Ansätze verfolgt werden. Er unterscheidet zwischen der innovativen Zusatzbearbeitung einzelner Segmente, der Umorientierung zu einer segmentierten
Gesamtmarktabdeckung, der Erschließung einzelner neuer Segmente und dem Aufbau
neuer Spielregeln im Markt.136 Mit einer Gesamtinnovation sind andere Herausforderungen für das Management verbunden als mit der selektiven Differenzierung in Teilbereichen. Zum anderen schlägt er Ansätze vor, wie Marketingkonzepte für Segmente entwickelt werden können, und entwickelt Ideen für ein modulares Marketing, das dazu beitragen kann, Segmentierungen im Spannungsfeld zwischen Differenzierung und Vielfalt zu
gestalten.137 Die Konsequenzen für das Management, die sich aus den angesprochenen
Segmentierungsvarianten ergeben, werden allerdings nur angedeutet. Die Überlegungen
von BELZ zeigen vor allem, wie wichtig eine umfassendere und tiefergehende Betrachtung des Managements von Segmentierungen ist und geben damit wertvolle Impulse für
die vorliegende Arbeit.
Jenseits der Arbeit von BELZ sind allenfalls Teilaspekte zum Management von Segmentierungen untersucht worden. So konstatieren BONOMA UND SHAPIRO:
„Much has been written about the strategy of segmentation; little about its implementation, control, and management.”138
Mit der erstmaligen Implementierung einer Segmentierungsstrategie beschäftigen sich
DIBB UND SIMKIN und MEADOWS UND DIBB.139 Basierend auf Fallstudien und einem Literatur-Review stellen sie fest, dass die Herausforderungen der Segmentierung im Wesentlichen mit unzureichender Infrastruktur, Schwierigkeiten mit der Identifikation von Seg136
Vgl. Belz 1995, S. 10.
137
Vgl. Belz 1995, S. 42-53.
138
Bonoma, Shapiro 1984, S. 267. Auch spätere Reviews stellen kaum neuere Erkenntnisse zu diesen Fragen
fest. Vgl. Goller et al. 2002, S. 265.
139
Vgl. Dibb 1999, S. 107-129; Dibb 2005, S. 13-30; Dibb, Simkin 1994, S. 55-63; Dibb, Simkin 2001, S. 609625; Meadows, Dibb 1998, S. 266-285.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-37-
menten und Schwächen bei der Umsetzung zusammenhängen.140 Die Handlungsempfehlungen beschränken sich aber auf relativ generische Hinweise zum Projektmanagement.
Zum Controlling von Segmentierungsstrategien entwickeln BONOMA UND SHAPIRO ein
recht intuitives System, welches unterschiedliche Segmentierungskosten und ein Vorgehen zur Profitabilitätsanalyse einzelner Segmente beinhaltet.141 Das Controllingsystem
berücksichtigt allerdings weder den Wechsel von Kunden zwischen den Segmenten, noch
indirekte Kosten der Segmentierung wie den Komplexitätsanstieg. GOLLER ET AL. weisen
zudem darauf hin, dass auch die Stabilität der Segmente und ihre Entwicklung im Zeitablauf zu analysieren sind. Ansätze zur Analyse von Veränderungen der Kundenbedürfnisse
lassen sich vor allem in der Customer-Value-Literatur finden.142 Hier spielen die Besonderheiten im Zusammenhang mit heterogenen Kundenbedürfnissen allerdings keine Rolle.
Ein weiterer Einzelaspekt des Managements ist die organisatorische Integration einer
Segmentierung. Ein Modell, das diesen Aspekt ausführlicher diskutiert, geht auf PIERCY
UND MORGAN zurück.143 Sie fordern eine Forschungsagenda, die sich mit den aus ihrem
Modell resultierenden Fragestellungen auseinandersetzt.144 Dennoch liegen bislang keine
weiterführenden Untersuchungen zu Fragen der organisatorischen Integration vor. Entsprechend werden in der Arbeit von PIERCY UND MORGAN zahlreiche wichtige Fragestellungen in Bezug auf die organisatorische Integration aufgeworfen, die aber bislang nicht
näher untersucht worden sind.145
Es ist damit festzustellen, dass zum Management von Segmentierungen zwar bereits einzelne Aspekte untersucht worden sind, dennoch eine Vielzahl offener Fragen weiterhin
besteht. Hinweise zur Funktionsweise von Segmentierungen und Gestaltungsempfehlungen existieren nur in Grundzügen. Die in diesem Kapitel angesprochenen Arbeiten stellen
zwar eine wichtige Grundlage für die vorliegende Arbeit dar und fließen in das Konzept
von Kapitel 3 ein, verdeutlichen aber gleichzeitig die Bedeutung einer umfassenderen
empirischen Analyse des Themas.
140
Vgl. Dibb, Simkin 2001, S. 615.
141
Vgl. Bonoma, Shapiro 1984, S. 266-267.
142
Vgl. Flint et al. 1997, S. 163-175; Woodruff 1997, S. 145-148.
143
Vgl. dazu ausführlicher Kapitel 3.1.
144
Vgl. Piercy, Morgan 1993, S. 137. Eine genauere Analyse dieser Fragestellung hatte auch schon (WIND
1978) vorgeschlagen. Vgl. Wind 1978, S. 334.
145
So auch Wind 1978, S. 334.
-38-
2.3.5
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
Zusammenfassung
Segmentierung ist eines der zentralen Themen im Marketing. Entsprechend umfassend
sind einige Bereiche der Forschung. Besonders intensiv sind folgende Bereiche untersucht wurden:
· Die Identifikation von Segmenten stellt einen der wichtigsten Forschungszweige
innerhalb der Segmentierungsforschung dar. Es existieren zahlreiche Methoden
und Prozesse zur Identifikation von Segmenten ebenso wie konkrete Vorschläge
für Segmente. Allerdings sind die Vorschläge nicht immer praxisnah, und zudem
fehlt auch eine innere Logik, die für oder gegen einzelne Verfahren spricht.
· Auch die Auswahl von attraktiven Segmenten wurde bereits gut untersucht. Konkrete Kriterien sind vorgeschlagen und Verfahren zur Auswahl entwickelt worden.
· Schließlich wird in der Forschung die Bearbeitung attraktiver Segmente diskutiert.
Ansatzpunkte zur Bearbeitung sind ebenso zu finden wie Analysen zu Interdependenzen zwischen Segmenten.
Als unzureichend muss dagegen der Forschungsstand im Bezug auf das Management von
Segmentierungen bezeichnet werden. Obwohl die Bedeutung des Managements oft hervorgehoben wird, sind die damit verbundenen Herausforderungen nicht umfassend beschrieben und nur in Teilaspekten untersucht worden. Hinzu kommen eine geringe empirische Basis und damit ein unzureichendes Verständnis der Funktionsweise von Segmentierungen in der Unternehmenspraxis.
2.4
Segmentierung in der Assekuranz
Nachdem auf Segmentierungen im Allgemeinen eingegangen wurde, soll im Folgenden
die Bedeutung von Segmentierungen in der Versicherungswirtschaft dargestellt werden.
Ausgangspunkt sind die Herausforderungen, vor denen die Branche steht. Im Anschluss
sollen Besonderheiten der Versicherungswirtschaft und ihre Auswirkungen auf Segmentierungen erläutert werden. Das Kapitel schließt mit den Ergebnissen der standardisierten
Befragung zur Bedeutung von und Herausforderungen bei Segmentierungen.
2.4.1
Aktuelle Herausforderungen
In der Vergangenheit haben sich Versicherungsmärkte durch große Stabilität ausgezeichnet. Insbesondere die starke Produktregulierung, die Bedingungen und Leistungen von
Versicherungsprodukten weitgehend vereinheitlichten, verhinderte wirksamen Wettbe-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-39-
werb.146 In den letzten beiden Jahrzehnten haben sich die Rahmenbedingungen in der
Versicherungswirtschaft jedoch erheblich geändert. Die Treiber waren in erster Linie die
Deregulierung bzw. die wieder zunehmende Regulierung der Risikotragfähigkeit, technologische Veränderungen und ein sich veränderndes Nachfrageverhalten.147 Neue Geschäftsmodelle, innovative Leistungen und sich wandelnde Marktstrukturen waren die
Folge.148 Heute bestehen in der Versicherungsbranche hohe Wettbewerbsintensität und
Dynamik. Ein Ende der Entwicklung ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Die Welle neuer Regulierungen, die im Zuge der Finanzmarktkrise vor allem Anforderungen an die
Risikotragfähigkeit und Transparenz von Versicherungsunternehmen stellt, ein sich weiter erheblich veränderndes Kundenverhalten, die immer weiter steigende Bedeutung des
Internets nicht nur als Vertriebsweg, sondern als eigenständiges Geschäftsmodell sowie
der immer weiter steigende Kostendruck tragen dazu bei, dass sich die Versicherungsbranche weiter verändert.149
Wichtige Veränderungen und ihre Konsequenzen für das Thema Segmentierung sollen
im Folgenden diskutiert werden.
Regulierung und Deregulierung
In den letzten Jahrzehnten wurden europaweit die Versicherungsmärkte dereguliert. Vor
der Deregulierung waren Versicherungsbedingungen und damit alle relevanten Leistungen vorgegeben. Der Wettbewerb zwischen den Anbietern bezog sich weitgehend auf die
Vertriebsstrukturen. Mit der Deregulierung wurde die Ausgestaltung der Versicherungsleistung bis auf wenige Pflichtversicherungen in die Freiheit der Anbieter gegeben. Damit wurde der Wettbewerb zwischen den Anbietern erheblich intensiver.
Bereits seit Beginn der Deregulierung wird prognostiziert, dass sich die Versicherungsbranche stark konzentrieren wird. Tatsächlich hat es in den vergangenen Jahren viele Zusammenschlüsse von Versicherungsunternehmen gegeben. Allerdings hat sich der Trend
weit weniger stark als erwartet ausgebreitet. Die Zusammenschlüsse betrafen eher große,
kapitalmarktorientierte Versicherungen, während sich gerade die kleineren, genossenschaftlich organisierten Unternehmen als sehr widerstandsfähig erwiesen haben. Im Zuge
der Finanzmarktkrise lässt sich sogar erkennen, dass Kunden diese Geschäftsmodelle als
besonders sicher empfinden, was dazu geführt hat, dass genossenschaftliche Modelle
146
Vgl. Surminski 2007, S. 138-139.
147
Vgl. Ackermann 2001b, S. 68.
148
Vgl. Ackermann 2001b, S. 68-81.
149
Vgl. Scherer, Schmeiser 2010, S. 4-8.
-40-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
eher an Bedeutung gewonnen haben.150 Statt der Konzentration der Versicherungsunternehmen selbst, hat eine massive Konzentration der Vertriebsstrukturen im Markt begonnen. Hintergrund sind die zunehmenden Anforderungen an Beratungsdokumentation und
-haftung. Die Bedeutung der großen, unabhängigen Finanzberatungen wie AWD und
MLP ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen. Dies setzt kleinere Makler unter
Druck, denen zusätzlich die Beratungshaftungen Schwierigkeiten bereiten. Als Folge
schließen sich Makler in sogenannten Makler-Pools zusammen. Hier werden Produktauswahl und -abschluss erleichtert, was Kosten für Suche und Dokumentation verringert.
Interessanterweise setzen die großen Versicherungen in diesem Umfeld eher wieder stärker auf den seit Jahren totgesagten Ausschließlichkeitsvertrieb.
Parallel zur Deregulierung einzelner Versicherungsbereiche hat eine neue Phase der Regulierung eingesetzt. Diese bezieht sich einerseits auf Verbraucherschutzregelungen wie
Transparenz von Gebühren und Leistungen und andererseits auf die Risikotragfähigkeit
von Versicherungen. Diese zunehmenden Regulierungsvorschriften setzen alle Unternehmen aufgrund der hohen Umsetzungsaufwände unter Druck und lassen die Risikokapitalkosten steigen.
Bezogen auf die Segmentierung lässt sich feststellen, dass der sich verstärkende Wettbewerb ein wichtiger Treiber der zunehmenden Bedeutung ist. Gleichzeitig wurden Segmentierungen auch erst durch die Deregulierung möglich. Die Konzentration der Branche
und die zunehmenden Anforderungen durch den Gesetzgeber werden diesen Trend noch
verschärfen.
Technologische Veränderungen
Eine weitere wichtige Veränderung in der Versicherungsbranche wurde durch die wachsende Bedeutung des Internets ausgelöst. Während Versicherungen das Internet lange
lediglich als zusätzlichen Vertriebskanal verstanden, wird heute deutlich, dass sich im
Internet eigenständige Geschäftsmodelle herausbilden. Zu nennen sind hier insbesondere
Vergleichsportale, die Kunden einen Vergleich von Angeboten unterschiedlicher Versicherungen bieten. Besonders im Sachversicherungsgeschäft hat diese Form der Versicherungsvermittlung inzwischen einen erheblichen Marktanteil. Vergleichsportale verändern
die Marktstruktur. Anders als bei Maklern oder unabhängigen Finanzberatern entscheidet
der Kunde hier fast ausschließlich auf Basis des Preises über die Versicherungsprodukte.
Zudem findet keine Betreuung des Kunden statt. Durch die hohe Konzentration im Markt
für Vergleichsportale werden Provisionen gezahlt, die mehr als das Dreifache üblicher
150
Vgl. Scherer, Schmeiser 2010, S. 4.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-41-
Provisionen betragen. Zusätzlich werden Kunden durch die Portale jedes Jahr wieder
zum Vergleich aufgefordert, sodass die Dauer der Kundenbeziehung erheblich abnimmt.
Während die Bindung an die Versicherung abnimmt, steigt die Bindung an das Vergleichsportal. Versicherungsunternehmen droht hier der Verlust des Kundenkontakts und
damit eines erheblichen Teils der Wertschöpfungskette.
Die zunehmende Bedeutung des Internets und der Digitalisierung hat nicht nur Auswirkungen auf die Marktstrukturen. Auch die internen Abläufe müssen zunehmend auf die
neuen technischen Möglichkeiten eingestellt werden. Begriffe wie die „Digitale Versicherungsagentur“, bei der alle Geschäftsprozesse online und ohne Zeitverzug abgewickelt werden, gehören ebenso dazu wie die Dunkelverarbeitung, bei der inzwischen auch
komplexe Geschäftsprozesse automatisch und ohne Sachbearbeiter geprüft und abgewickelt werden. Risikoprüfungen und Betrugskontrolle verlaufen ebenfalls automatisch auf
Basis komplexer Regelwerke und statistischer Methoden.
Versicherungen verfügen heute über die Möglichkeit, große Mengen an Kundendaten zu
speichern und umfassend auszuwerten. Die Entwicklung der Datenspeicherungs- und
Verarbeitungstechnologien hat dies ermöglicht. Dies hat Auswirkungen auf die Kernfähigkeiten von Versicherungen. Immer neue risikospreizende Merkmale werden identifiziert, langfristige Entwicklungen können besser prognostiziert werden und die Möglichkeiten der Risikoselektion nehmen zu.
Alle diese Veränderungen bieten einerseits Chancen, machen aber massive Investitionen
in Infrastruktur, Prozesse und Fähigkeiten notwendig. Wer auf die sich verändernden
Marktbedingungen nicht reagiert, wird langfristig nicht erfolgreich sein. Die Veränderungskapazitäten der meisten Versicherungsunternehmen sind entsprechend auf Jahre
hinaus ausgelastet.
Bezogen auf Segmentierungen macht die Beschreibung der Veränderungen zunächst
deutlich, dass sich Versicherungen stärker als früher mit den Bedarfen und Erwartungen
ihrer Kunden auseinandersetzen müssen. Es reicht nicht, ein Einheitsprodukt anzubieten.
Der Kundenwert kann nur gesteigert werden, wenn Versicherungen Leistungen anbieten,
die den Erwartungen unterschiedlicher Kundengruppen entsprechen. Der Segmentierung
kommt dabei eine enorme Bedeutung zu. Aber auch die Möglichkeiten zur Segmentierung nehmen zu. Die umfassenden Datenbestände erlauben wichtige Auswertungen; die
intelligente Integration und Verknüpfung der Daten bietet zudem wichtige Ansätze für
Differenzierungsmöglichkeiten.
-42-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
Veränderungen des Kundenverhaltens
Das Kundenverhalten in der Versicherungswirtschaft hat sich in den letzten Jahren stark
verändert. Ein wichtiger Trend wird unter der Polarisierung von Bedürfnissen zusammengefasst. Darunter wird die Auseinanderentwicklung der Erwartungen an Versicherungsprodukte beschrieben. Einerseits bedeutet dies, dass sich die Bedürfnisse zwischen
den Kunden zunehmend unterscheiden. So entwickelt sich eine Gruppe stark aufgeklärter, umfassende informierter, meist gut verdienender Kunden, die Versicherungsprodukte
im Detail verstehen und sich selbst für die Produkte entscheiden. Gleichzeitig nehmen
aber auch Kundengruppen zu, die sich kaum mit dem Thema Versicherung auseinandersetzen und umfassende Beratung erwarten. Diese Polarisierung führt dazu, dass Randverteilungen zunehmen. Andererseits entwickeln aber auch einzelne Kunden sehr unterschiedliche Verhaltensweisen. Dies wird unter dem Begriff des hybriden Kundenverhaltens beschrieben. Während bei einigen Versicherungssparten Beratung erwartet wird,
wird in anderen Sparten Beratung als unnötig empfunden. Je nach Kaufsituation werden
unterschiedliche Vertriebskanäle genutzt, je nach Lebenssituation andere Versicherungsprodukte erwartet. Dies führt zu erheblichen Herausforderungen für Versicherungsunternehmen, weil die enge Bindung zu einem Versicherungsberater seltener wird.
Auch dies ist ein wesentlicher Treiber von Segmentierungen. Es ist heute kaum noch
möglich, mit Einheitsprodukten den Markt zu bedienen. Spezialangebote gewinnen an
Bedeutung und zielgruppenspezifische Kommunikation und Werbung ist oft effizienter
als breit angelegte Kampagnen. Auch hier ist anzunehmen, dass gesellschaftliche Makrotrends die Entwicklung weiter vorantreiben.
2.4.2
Spezifika der Versicherungsindustrie
Unter dem Begriff Versicherung wird der Austausch eines großen, unsicheren Verlustes
(Schaden) gegen einen kleinen, sicheren Verlust (Prämie) verstanden.151 Versicherungen
weisen damit typische Eigenschaften von Dienstleistungen. Dazu gehören die große Bedeutung von Vertrauen, die Integration des Kunden in die Leistungserstellung und die
Immaterialität der Leistung.152
Einige Besonderheiten der Versicherungswirtschaft haben Konsequenzen für Anwendung
und Umsetzung von Segmentierungen. Diese sollen im Folgenden erläutert werden. Im
Einzelnen gehören dazu:
151
Vgl. Zweifel, Eisen 2003, S. 3-4 unter Verweis auf Hax 1964 und Arrow 1965.
152
Vgl. Meffert, Bruhn 2009, S. 19-25.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-43-
· Große Wertschöpfungstiefe
· Langfristige Kundenbeziehungen
· Beratungsnotwendigkeit
· Regulierungsvorschriften
Große Wertschöpfungstiefe
Viele Versicherungsunternehmen haben eine große Wertschöpfungstiefe. Auch wenn in
den letzten Jahren vermehrt einzelne Dienstleistungen ausgelagert wurden, haben viele
Unternehmen vom Vertrieb bis zur Rückversicherung fast alle Stufen der Wertschöpfungskette in direktem Zugriff. Die Gründe sind vielfältig und reichen von operativen
Problemen bei der Auslagerung bis hin zu grundsätzlichen Problemen wie der Nichtabzugsfähigkeit der Mehrwertsteuer bei Versicherungsleistungen und dem damit verbundenen Kostennachteil einer Auslagerung.
Für Segmentierungen bedeutet dies, dass bei Einführung eine erhebliche Eingriffstiefe
berücksichtigt werden muss. Da es nicht möglich ist, Zulieferer auszutauschen und damit
marktbasierte Koordinationsmechanismen zu nutzen, müssen alle Unternehmensbereiche
an die Anforderungen einer Segmentierung angepasst werden. Dies ist aufwändig und es
entstehen hohe Restrukturierungsaufwände.
Langfristige Kundenbeziehungen
Versicherungen sind ein andauerndes Leistungsversprechen, weshalb die Beziehungen zu
Kunden in aller Regel langfristiger Natur sind. Damit ergibt sich eine Reihe von Herausforderungen in Zusammenhang mit Segmentierungen, die bei kurzfristigen Kundenbeziehungen nicht entstehen und in der Literatur oft nicht berücksichtigt werden. Zu nennen ist
beispielsweise die Operationalisierung von Segmenten, d.h. die Zuordnung von Kunden
zu einem Segment, oder der Wechsel von Kunden aus einem in ein anderes Segment.
Außerdem ist die Profitabilität von Kundenbeziehungen aufgrund der langen Laufzeit
von Versicherungsprodukten schwer vorherzusagen, weshalb die Steuerung der Segmentierung erschwert wird.
Beratungsnotwendigkeit
Versicherungsprodukte sind komplexe Leistungen, die Kunden oft nicht vollständig verstehen. Zudem fehlt oft von vornherein das subjektive Gefühl einer Notwendigkeit für
eine Versicherung. Eine große Rolle spielt daher der Vertrieb, der sowohl die Beratung
übernimmt als auch in vielen Fällen überhaupt ein Bewusstsein für den Versicherungsbedarf weckt. Während sich Kunden in anderen Bereichen wie dem Handel selbständig ent-
-44-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
scheiden können und sich damit selbst einem Segment zuordnen (oft ohne dies zu wissen), muss bei Versicherungen der Vertrieb die Zuordnung übernehmen. Das hat Auswirkungen auf die Anforderungen an die Segmentierungskriterien.
Regulierung
Auf die Bedeutung von Regulierung in der Versicherungswirtschaft wurde bereits eingegangen. Einige konkrete Regelungen haben Auswirkungen auf die Segmentierung. Zu
nennen ist insbesondere die Spartentrennung, die vorschreibt, dass ein Unternehmen
nicht mehrere Versicherungssparten anbieten darf. Leben- und Sachversicherungen sind
daher stets eigenständige Gesellschaften.
Dies führt erstens dazu, dass nicht frei über die strukturelle Ausgestaltung der Segmentierung entschieden werden kann. Zweitens bleibt stets die Erfolgsverantwortung bei den
jeweiligen Sparten, weshalb Konflikte zwischen Sparten und Segmenten entstehen können. Quersubventionierungen zwischen den Sparten sind nicht möglich, weshalb die unprofitable Kfz-Versicherung eines Kunden nicht durch eine profitable Lebensversicherungen subventioniert werden kann. Oft bestehen zudem spartenspezifische Datenbanken
und IT-Systeme, die eine Gesamtkundensicht erschweren.
2.4.3
Ergebnisse der standardisierten Befragung zur Relevanz von Segmentierungen
Um die individuelle Höhe des Risikos abzuschätzen, segmentieren Versicherungsunternehmen ihre Kunden seit jeher, indem sie die Höhe der Prämie für eine Versicherung von
der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens je Kunde abhängig machen. So ist die
Höhe der Prämie für eine Kfz-Versicherung i.d.R. von Alter, Geschlecht des Fahrers oder
vom Wagentyp abhängig. Auf diese Weise fassen Versicherungen homogene Risiken
zusammen und ermitteln eine risikogerechte Prämie.
Mit der steigenden Bedeutung des Marketings in Versicherungsunternehmen nehmen
neben der risikospezifischen Segmentierung andere Formen der Segmentierung zu. Da
nicht der Preis das einzige Gestaltungsinstrument ist, sondern alle Instrumente des Marketing-Mix zur Individualisierung genutzt werden, steht hier weniger das spezifische Risiko als das jeweilige Bedürfnis des Kunden im Vordergrund. Während noch vor einigen
Jahren solche Segmentierungen kaum vorkamen,153 sind sie heute weit verbreitet. Dies
zeigen die Ergebnisse der standardisierten Befragung. Abbildung 16 zeigt, dass lediglich
21% der Unternehmen keine Segmentierung nutzen oder eine Segmentierung verwenden,
153
Vgl. Müller 1994, S. 5.
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-45-
die für die praktische Arbeit kaum Konsequenzen hat. 79% der Unternehmen nutzen eine
Segmentierung auch praktisch, wobei immerhin 51 % der Unternehmen auch differenzierte Leistungen je Segment anbieten.
Es wird keine
Segmentierung
genutzt
10%
Es werden
differenzierte
Leistungen für
Segmente angeboten
51%
Es gibt eine
Segmentierung, die
aber kaum
Verwendung findet
11%
Die Segmentierng
wird vor allem
kommunikativ
angewendet
28%
Abbildung 16: Nutzungshäufigkeit von Segmentierungen
Die Befragung wurde in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. Abbildung 17 zeigt zwischen den Ländern nur geringfügige Unterschiede. Lediglich der Anteil
der Unternehmen, die keine Segmentierung nutzen ist in Deutschland etwas höher, wohingegen in der Schweiz etwas häufiger Segmentierungen lediglich kommunikativ genutzt werden. Daraus ließe sich eine etwas höhere Wettbewerbsintensität in Deutschland
schlussfolgern.
49%
43%
47%
Es werden differenzierte Leistungen für
Segmente angeboten
30%
29%
24%
Die Segmentierng wird vor allem
kommunikativ angewendet
Schweiz
Österreich
14%
14%
10%
Es gibt eine Segmentierung, die aber kaum
Verwendung findet
Deutschland
7%
Es wird keine Segmentierung genutzt
14%
19%
0%
10%
20%
30%
Abbildung 17: Vergleich der Nutzungshäufigkeit nach Ländern
40%
50%
60%
-46-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
In Abbildung 18 sind die jeweils verwendeten Segmentierungskriterien abgebildet.154 Am
häufigsten sind soziodemographische Kriterien und Segmentierungen nach Lebensphasen. Weniger verbreitet sind psychographische Kriterien oder Segmentierungen nach Sinus-Milieus. Auffällig ist, dass in der Versicherungsbranche relativ pragmatische Segmentierungen genutzt werden. Während Segmentierungen auf Basis von Kundentypologien oder Nutzendimensionen oft wesentlich trennschärfer und daher wirksamer sind,
können Kunden auf Basis von soziodemographischen Kriterien oder Lebensphasen deutlich leichter zugeordnet und im Markt identifiziert werden.155 Zahlreiche Unternehmen
kombinieren mehrere Segmentierungskriterien und verfolgen damit multidimensionale
Segmentierungen. Insbesondere Kombinationen aus externen Kriterien und internen Kriterien (beispielsweise Kundenwert) sind häufig.
Soziodemographische Merkmale
Lebensphasen
Kundenwert
Monetäre Merkmale
Cross Selling - Potential
Risikoprofil / Risikoneigung
Bestimmte Lebensereignisse
Geographische Merkmale
Nachfrageverhalten
Affinitätsscore
Weiterempfehlungsbereitschaft
Psychographische Merkmale
Typologien
Mikro-geographische Daten
53%
49%
43%
39%
35%
35%
33%
18%
15%
14%
9%
7%
5%
4%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Abbildung 18: Segmentierungsmerkmale der befragten Unternehmen
Segmentierungsstrategien sind kein Allheilmittel. Aber mit Segmentierungsstrategien
kann es gelingen, sich im Markt wirtschaftlich zu differenzieren. Dies spiegelt sich in der
Untersuchung wieder, wie Abbildung 19 zeigt. Jeweils 45% der Versicherungen wollen
sich durch Segmentierungsstrategien stärker fokussieren und Kundenbedürfnisse gezielter erfüllen. Gefolgt werden diese Ziele von dem Wunsch, Markt- und Kundenpotenziale
besser auszuschöpfen. Auffällig ist, dass nur 7% der Unternehmen mit der Segmentierung eine Wachstumsstrategie verfolgen. So sind überwiegend defensive Zielsetzungen
mit der Segmentierung verbunden, während Volumenwachstum oder die Erschließung
neuer Märkte nur selten im Vordergrund stehen. Eine mögliche Ursache könnte darin
154
Mehrfachnennungen waren möglich.
155
Dieser Aspekt wird im Folgenden noch genauer zu diskutieren sein. Vgl. dazu Kapitel 4.1.1, S. 69ff..
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-47-
liegen, dass die Befragung zum Hochpunkt der Finanzmarktkrise durchgeführt wurde und
daher eher Konsolidierung und Kostenreduktion als wichtige Ziele gesehen wurden.156
Konzentration auf profitable Kundengruppen
45%
Bessere Erfüllung der Kundenbedürfnisse
45%
Ausschöpfung der Kundenpotenziale
39%
Bessere Ausschöpfung des Marktpotentials
39%
Ganzheitlichere Problemlösung beim Kunden
33%
Differenzierung gegenüber Mitbewerbern
31%
Differenzierte Pricing-Strategie
22%
Besseres Image / Markenwahrnehmung
15%
Risikomanagement / Risikofrüherkennung
14%
Maximierung der Erträge aus der Marktbearbeitung
14%
Senkung der Kosten der Marktbearbeitung
12%
Optimierung der internen Prozesse
10%
Schnelleres Volumenwachstum
8%
Effizienterer und günstiger Kundenservice
7%
Schnellere Anpassung an Marktveränderungen
7%
0%
5%
10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%
Abbildung 19: Ziele der Segmentierung
Verglichen mit den Erwartungen, die an Segmentierungen gestellt werden, bleiben die
tatsächlichen Ergebnisse bei den befragten Unternehmen weit zurück. Abbildung 20
zeigt, dass die meisten Segmentierungen nur geringfügige Erfolge zeigen. Wirklich umfassende Vorteile, wie sie bei Segmentierungen zu erwarten sein sollten, werden nur sehr
selten erzielt. Die meisten Versicherungsunternehmen schöpfen offensichtlich das Potenzial ihrer Segmentierungen kaum aus. Bei der Entwicklung differenzierter Angebote und
der effizienten Marktbearbeitung ist dies besonders ausgeprägt.
156
In der Befragung wurde nach den wichtigsten Zielen für die nächsten Jahre insgesamt gefragt. Dabei zeigte
sich, dass Kostensenkungen und Effizienzprogramme für die meisten Unternehmen von größter Bedeutung
waren. Die Bedeutung dieser Ziele war zudem deutlich höher als in den Vorjahren.
-48-
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
Insgesamt erfolgreich 4% 7%
Positives Kosten- / Nutzenverhältnis
13%
6% 9%
Effizientere Marktbearbeitung
6% 11%
Differenzierung der Angebote
6% 5%
Besserer Zuschnitt der Leistungen auf
3% 8%
Zielgruppen
Klare Ausrichtung auf Kunden 4% 11%
Strategische Vorteile 3% 9%
0%
54%
15%
14%
46%
24%
14%
35%
27%
16%
43%
14%
20%
51%
20%
40%
Stimme gar nicht zu
13%
60%
<<
<
5%
15% 4%
48%
17%
10%
19%
43%
21%
8%
4%
5%
10%
80%
>
>>
100%
Stimme voll zu
Abbildung 20: Beurteilung der Segmentierung
Abbildung 21 zeigt, dass die Ursache für diese geringen Vorteile der Segmentierungen
mit den Herausforderungen zusammenhängen könnte, die sich für die Unternehmen ergeben. Die häufigsten Probleme liegen in unflexiblen IT-Systemen sowie einer fehlenden
Erfolgskontrolle der Segmentierung. Mit leichtem Abstand folgen Probleme bei der Entwicklung von spezifischen Angeboten, spätes Erkennen von Veränderungen bei den Bedürfnissen und ein hoher Überschneidungsgrad zwischen den Angeboten. Fehlende Unterstützung durch das Top-Management wird dagegen nicht als Problem angesehen.
Anpassung IT-Systeme
63%
Erfolgskontrolle
62%
Entwicklung differenzierter Leistungen
53%
Veränderungen von Kundenbedürfnissen
50%
Überlappungen zwischen den Segmenten
50%
Kundenverständnis
42%
Kosten der Segmentierung beherrschen
39%
Verankerung der Verantwortung
37%
Integration in den Vertrieb
34%
Verständnis der Segmentierung im Unternehmen
33%
Unterstützung durch Top-Management
25%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Abbildung 21: Herausforderungen bei Segmentierungen
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Segmentierungen in der Assekuranz eine
hohe Bedeutung haben. Dies zeigt sowohl die Zahl der Unternehmen, die bereits Segmentierungen nutzen, als auch die Ziele, die mit Segmentierungen verfolgt werden. Die
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
-49-
meisten Segmentierungen generieren dabei nur einen geringfügigen Nutzen. Es wurde
deutlich, dass überwiegend einfache Segmentierungskriterien verwendet werden, die sich
leicht identifizieren lassen und eine einfache Zuordnung der Kunden erlauben. Trotz dieser robusten Segmentierungskriterien sehen die befragten Unternehmen erhebliche Herausforderungen bei den Segmentierungen. So gelingt es vielen Unternehmen nicht ausreichend, differenzierte Leistungen zu entwickeln und die Kundenbedürfnisse zu erkennen. Besonders bei sich verändernden Kundenbedürfnissen scheint dies zu scheitern, was
darauf hindeutet, dass die Segmentierungen nur unzureichend gesteuert und weiterentwickelt werden. Auch die größten Herausforderungen, Anpassungen der IT-Systeme und
Erfolgskontrolle, weisen auf Schwierigkeiten beim Management der Segmentierungen
hin. Offensichtlich gelingt es nicht, die erforderlichen Anpassungen im Unternehmen
vorzunehmen und effiziente Controllingsysteme zu entwickeln.
2.4.4
Zusammenfassung
Die Versicherungsbranche befindet sich mitten im Umbruch. Die stabilen Bedingungen,
die noch vor einigen Jahren herrschten, haben sich fundamental verändert. Auf wichtige
Treiber dieser Veränderung wie Regulierung und Deregulierung, technologische Veränderungen und ein sich veränderndes Kundenverhalten, wurde eingegangen. Es wurde
deutlich, dass die Veränderungen nachhaltig sind und zu intensiverem Wettbewerb führen werden. Es ist daher anzunehmen, dass Segmentierungen weiter an Bedeutung gewinnen.
Im Anschluss wurde auf Spezifika der Versicherungswirtschaft eingegangen. Insbesondere die große Wertschöpfungstiefe, die langfristigen Kundenbeziehungen, die hohe Beratungsnotwendigkeit und einige Regulierungsvorschriften haben Auswirkungen auf die
Umsetzung von Segmentierungen und müssen daher im weiteren Verlauf der Arbeit berücksichtigt werden.
Die standardisierte Befragung, auf deren Ergebnisse im Anschluss eingegangen wurde,
bestätigt schließlich die hohe Bedeutung von Segmentierungen. 79% aller befragten Unternehmen nutzen Segmentierungen. Bei 51% wird diese auch konkret zur Entwicklung
differenzierter Leistungen genutzt. Aber trotz des hohen Nutzungsgrads ist die Bewertung der Ergebnisse eher verhalten. Es überwiegen einfache Segmentierungen, die als nur
mäßig erfolgreich bewertet werden. Erste Anhaltspunkte zum Management von Segmentierungen wurden außerdem identifiziert. So sehen Unternehmen insbesondere die Anpassung der IT-Systeme, die Erfolgskontrolle und die Entwicklung differenzierter Leistungen als Herausforderung. Eine tiefere Auswertung der Ergebnisse folgt in Kapitel 3.
-50-
2.5
Kapitel 2: Grundlagen der Arbeit
Fazit
In diesem Kapitel sollten die Grundlagen für die weitere Arbeit dargestellt werden. Dazu
wurde in vier Schritten vorgegangen:
· Definitionen: Die beiden grundlegenden Begriffe der Arbeit wurden wie folgt definiert: Unter einer Segmentierung wird die dauerhaft differenzierte, selektive und
rentable Bearbeitung von im Markt abgegrenzten Kundengruppen verstanden. Unter dem Management von Segmentierungen wird die Gestaltung des institutionellen Rahmens, die Lenkung und die Entwicklung im Zeitablauf verstanden. Diese
Definitionen sind Ausgangspunkt für die weitere Arbeit und finden sich insbesondere bei der Entwicklung des Konzepts zum Management von Segmentierungen
wieder.
· Eigenschaften von Segmentierungen: Anschließend wurde dargelegt, dass Segmentierungen immer im Spannungsfeld aus Differenzierungsgewinnen und Komplexitätskosten stehen. Die Herausforderung beim Management von Segmentierungen besteht darin, in diesem Spannungsfeld eine Balance aus Chancen und Risiken
einer Segmentierung zu halten. Wichtige Chancen und Risiken wurden diskutiert.
Diese werden am Ende der Arbeit bei der Diskussion über Segmentierungsvarianten wieder aufgegriffen.
· Segmentierung in der wissenschaftlichen Debatte: Segmentierung ist eines der ältesten Themen des Marketing. Entsprechend umfassend ist der Literaturstand.
Dieser wurde entlang des Segmentierungsprozesses bestehend aus Segmentierung
i.e.S., Segmentauswahl und Positionierung dargestellt. Auch auf die Erkenntnisse
zum Management von Segmentierungen wurde eingegangen. Es wurde deutlich,
dass zwar umfassende Erkenntnisse zur Identifikation, Auswahl und Bearbeitung
von Segmenten bestehen, das Verständnis über die Funktionsweise von Segmentierungen – und damit Aussagen zum Management – nur sehr oberflächlich sind.
Dies stellt eine wichtige Motivation für die vorliegende Arbeit dar.
· Segmentierung in der Assekuranz: Schließlich wurde auf aktuelle Herausforderungen in der Assekuranz, Spezifika mit ihren Auswirkungen auf Segmentierungen und die grundsätzliche Bedeutung von Segmentierungen eingegangen. Es
wurde deutlich, dass Segmentierungen in der Assekuranz weit verbreitet sind, die
Ergebnisse aber hinter den Erwartungen zurückbleiben.
3
Konzept für das Management von Segmentierungen
Dieses Kapitel dient dazu, ein Konzept zu entwickeln, welches eine systematische und
nachvollziehbare Betrachtung des Managements von Segmentierungen erlaubt. Abbildung 22 zeigt die Vorgehensweise bezugnehmend auf die Darstellung zum Aufbau der
Arbeit im Kapitel 1.3.4.157
Kapitel 3.1:
Gestaltungsmodell
Kapitel 3.2: Segmentierungsvarianten
Entwicklung eines
Gestaltungsmodells bestehend aus
Gestaltungsdimensionen und
Gestaltungsoptionen (Kapitel 3.1)
sowie einer Klassifikation von
Segmentierungsvarianten (Kapitel
3.2)
Kapitel 3: Konzept zum
Management von
Segmentierungen
(Fragenkomplex 1)
Kapitel 3.3:
Kombination zum
Grundkonzept
Kombination von
Gestaltungsmodell und
Segmentierungsvarianten zum
Grundkonzept der Arbeit (Kapitel
3.3).
Abbildung 22: Überblick über die Vorgehensweise im Kapitel 3
Zwei Fragen werden dabei in diesem Komplex beantwortet:
· Was sind Gestaltungsdimensionen und Ansatzpunkte zum Management von
Segmentierungen?
· Wie lassen sich Segmentierungsvarianten systematisieren?
Im ersten Schritt werden Gestaltungsdimensionen des Managements von Segmentierungen identifiziert. Anschließend werden auf Basis einer Klassifikation unterschiedliche
Segmentierungstypen dargestellt. Ansatzpunkte für Management und Segmentierungstypen werden im letzten Unterkapitel kombiniert, woraus sich das Grundkonzept für die
weitere Untersuchung ergibt.
157
Vgl. Kapitel 1.3.4, S. 14ff.
-52-
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
3.1
Gestaltungsmodell zum Management von Segmentierungen
3.1.1
Grundmodell
Im Folgenden soll beschrieben werden, welche Ansatzpunkte zum Management zur Verfügung stehen. Da in der Literatur bislang keine Modelle existieren, die die Gestaltung
einer Segmentierung umfassend beschreiben würden, orientiert sich die Arbeit am Entscheidungsmodell von SCHÖGEL. Obwohl sich SCHÖGEL mit dem Management von
Mehrkanalsystemen in der Distribution beschäftigt, lässt sich die Grundstruktur des Modells gut auf die aktuelle Fragestellung übertragen.158 Die Grundstruktur des Modells besteht aus drei Ebenen: Gestaltungsfeldern, Gestaltungsdimensionen und Gestaltungsoptionen. Wie Abbildung 23 darstellt, bauen die drei Ebenen hierarchisch aufeinander auf.
Gestaltungsdimensionen
Gestaltungsfelder
Problemfelder bei
der Gestaltung von
Segmentierungen
Einzelne
Ansatzpunkte zum
Management
innerhalb der
Gestaltungsfelder
Gestaltungsoptionen
Handlungsalternativen, zwischen
denen das
Unternehmen
wählen kann
Abbildung 23: Modellhierarchie159
Unter Gestaltungsfeldern werden grundsätzliche Aufgaben verstanden, die beim Management von Segmentierungen bewältigt werden müssen. Gestaltungsdimensionen sind
einzelne Ansatzpunkte zum Management. Gestaltungsoptionen stellen schließlich den
Spielraum dar, der sich innerhalb der Gestaltungsdimensionen ergibt. Das erfolgreiche
158
Aus dem Modell von Schögel 1997 wird die Grundstruktur bestehend aus Gestaltungsfeldern, Gestaltungsdimensionen und Gestaltungsoptionen und die Einteilung der Gestaltungsfelder in Variation, Konfiguration
und Koordination übernommen. Die einzelnen Gestaltungsdimensionen und Gestaltungsoptionen wurden für
die vorliegende Arbeit angepasst. Vgl. zu dem Modell auch Tomczak et al. 2009, S. 182-214.
159
In Anlehnung an Schögel 1997, S. 116.
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
-53-
Management von Segmentierungen setzt die in sich schlüssige Nutzung der Gestaltungsoptionen voraus.
Alle Aufgaben des Managements, d.h. die Gestaltung des institutionellen Rahmens sowie
die Lenkung und die Entwicklung im Zeitablauf,160 müssen sich in den Gestaltungsfeldern
wiederfinden. Für die vorliegende Arbeit sollen drei Elemente definiert werden, die für
das Management als elementar erachtet werden: Konfiguration, Koordination und Variation.161
· Konfiguration bezeichnet die Gestaltung des institutionellen Rahmens der Segmentierung. Dazu gehören einerseits die Entwicklung differenzierter Angebote
sowie andererseits die Einrichtung der Segmentierung im Unternehmenskontext.
Die Konfiguration beschreibt damit die äußere und innere Gestalt der Segmentierung.
· Koordination fasst die Aufgaben zusammen, die bei der Lenkung der Segmentierung anfallen. Hier gilt es das Zusammenspiel der Segmente zu dirigieren und mit
den übrigen Unternehmensbereichen zu synchronisieren.
· Variation erfasst die Dynamik einer Segmentierung. Sie ist das Ergebnis von Konfiguration und Koordination und beschreibt den Wandlungsprozess, in dessen Verlauf ein Unternehmen seine Segmentierung weiterentwickelt.
Konfiguration, Koordination und Variation stehen in engem Zusammenhang. So hat die
Konfiguration der Segmentierung einen großen Einfluss auf die Frage, wie die Segmentierung zu koordinieren ist. Wird bei der Koordination deutlich, dass die Segmentierung
verändert werden muss, führt dies zur Variation und damit wiederum zu einer neuen
Konfiguration und Koordination. Abbildung 24 zeigt die drei Gestaltungsfelder in einem
Kreislaufmodell.
160
Vgl. dazu die gewählte Definition zum Management aus Kapitel 2.1 , S. 18ff..
161
Vgl. Schögel 1997, S. 115-119.
-54-
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
Veränderung der
Segmentierung im
Zeitablauf
Steuerung und Abstimmung
der Segmentierung
Einrichtung der
Segmentierung im
Unternehmenskontext
Abbildung 24: Gestaltung von Segmentierungen
Diese Elemente lassen sich durchaus als Grundelemente des Managements an sich verstehen. Letztlich müssen alle diese Tätigkeiten in einem Unternehmen erfüllt werden. Für
die vorliegende Arbeit stellt sich aber die Frage, welche konkreten Ansatzpunkte existieren, mit denen die spezifischen Managementaufgaben im Rahmen einer Segmentierung
erfüllt werden können.
3.1.2
Entwicklung der Gestaltungsdimensionen
Konfiguration
Die Konfiguration von Segmentierungen ist eine der zentralen Fragen bei der Gestaltung.
Dabei zeigte sich in den Experteninterviews, dass die einzelnen Konfigurationen sehr
unterschiedlich gewählt werden. Ein Unternehmensberater beschreibt:
„Bei Segmentierungen muss man sich fragen: In welchem Ausmaß hat sie Einfluss auf den Vertrieb, die Produkte, die Produktion, also diese komplette Wertschöpfungskette? Das kann von Unternehmen zu Unternehmen ganz anders sein.
Es gibt da auch keine Standardantwort.“162
162
Experteninterview.
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
-55-
Drei wesentliche Gestaltungsdimensionen der Konfiguration haben sich in den Experteninterviews herauskristallisiert:
· Segmentierungslogik: Bei der Segmentierungslogik wird festgelegt, nach welchen
Eigenschaften Kunden in Segmente aufgeteilt werden und anhand welcher Kriterien attraktive Segmente ausgewählt werden.
· Differenzierung der Marktbearbeitung: Hier ist die Frage zu beantworten, wie die
Marktbearbeitung an die Bedürfnisse der Kundengruppe anzupassen sind.
· Organisationsmodell: Das Organisationsmodell beschreibt die organisatorische
Verankerung der Segmentierung im Unternehmen.
Koordination
Kundenbedürfnisse und Märkte verändern sich laufend. FRETER stellt beispielsweise vier
Formen von Marktveränderungen mit Relevanz für Segmentierungsstrategien fest: Kundenveränderungen bei konstanten Segmenten, Veränderungen der Segmentgrößen, qualitative Veränderungen und Konkurrenzverhalten.163 Darauf müssen Unternehmen dynamisch reagieren. Aber auch im Unternehmen selbst kann der Auslöser für Anpassungsund Steuerungsbedarf entstehen. Wie gelingt es Unternehmen also, eine Segmentierung
in diesem Spannungsfeld im Zeitablauf zu steuern? Die praktische Herausforderung beschreibt ein Manager in einem der Experteninterviews:
„Gerade Bereiche wie Marketing stellen bei Segmentierungen eine Kupplungsfunktion dar. Dabei muss immer das, was man aus Segmentsicht will, mit dem,
was man tatsächlich kann, in Einklang gebracht werden. Da knirscht es gewaltig.
Das Getriebe ist immer der Punkt, wo die höchsten Kräfte auftreten.“164
Die Anforderungen sind vielfältig und ergeben sich einerseits aus dem Zusammenspiel
der Segmente untereinander und anderseits aus der Herausforderung, die Anforderungen
des Marktes mit denen der Unternehmung in Einklang zu bringen. Aus den Experteninterviews ergaben sich drei Aspekte der Koordination, die im Folgenden näher betrachtet
werden sollen:
· Steuerung des Segmentportfolios: Bei der Steuerung des Segmentportfolios stellt
sich die Frage, wie die alltägliche, diskrete Steuerung der Segmente erfolgt. Wie
werden sich verändernde Kundenbedürfnisse erkannt? Wie wird über neue Pro163
Vgl. hierzu und im Folgenden Freter 2008, S. 272-277.
164
Experteninterview.
-56-
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
dukte für Segmente entschieden? Nicht die Kreativität des Unternehmens, sondern
seine Umsetzungskapazitäten sind in der Regel der Engpass.165 Wie werden also
Anforderungen der Segmente priorisiert, gegeneinander abgewogen und letztlich
verworfen oder umgesetzt?
· Controlling: Ein weiterer Aspekt der Koordination ist das Controlling der Segmentierung. Nur wenn Kosten und Nutzen der Segmentierung erfasst werden, ist
eine Steuerung möglich. Die Veränderung des Controllings wurde in den Gesprächen als eine der häufigsten Herausforderungen innerhalb des Managements von
Segmentierungen genannt. Stichworte waren der Umbau von einem Sparten- zu
einem Segmentcontrolling, Berücksichtigung von Kundenbewegungen zwischen
den Segmenten und Analyse der Komplexitätswirkung einer Segmentierung.
· Vertriebsmanagement: Eine häufige Schwachstelle von Segmentierungen besteht
in der Schnittstelle zum Vertrieb. Hier zeigt sich, ob die Segmentierung realitätsnah und im Kundengespräch verwertbar ist. Versicherungen sind hier idealtypisch.
Ohne effiziente Vertriebsstrukturen ist der Verkauf von Versicherungen kaum
denkbar. Viele strategische Projekte, nicht nur Segmentierungen, scheitern, weil
die Anforderungen des Vertriebs nicht berücksichtigt wurden.
Variation
Die Variation erfasst, wie sich Segmentierungen im Zeitablauf entwickeln und verändern.
Zwei Gestaltungsdimensionen ergeben sich aus Konfiguration und Koordination:
· Realisierung: Die in der Literatur häufig angenommenen, einmaligen Segmentierungen, die mit hohem analytischen Aufwand entworfen und dann auf einen
Schlag umgesetzt werden,166 dürften in der Praxis eher die Ausnahme denn die Regel sein.167 Bei fast allen Experteninterviews wurde deutlich, dass sich Segmentierungen über einen langen Zeitraum hinweg entwickelt haben. Eigenschaften dieses
Entwicklungsprozesses werden bei der Realisation betrachtet.
· Adaption: Die Anpassung des Unternehmens an eine sich entwickelnde Segmentierung wurde in vielen Gesprächen als erhebliche Herausforderung empfunden.
Viele der Experten beschreiben, dass auf Phasen großer Energie bei der Umsetzung Phasen folgten, in denen die Segmentierung aus dem Fokus geriet und erst
später wieder stärker getrieben wurde. Auch bei der Adaption sind damit dynami165
Vgl. Belz 1995, S. 49-50.
166
Vgl. Meffert 2000, S. 219.
167
Vgl. Danneels 1996, S. 36-51.
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
-57-
sche Aspekte zu berücksichtigen und die Herausforderungen gehen weit über das
erfolgreiche Management von Großprojekten hinaus.
Überblick über das Gestaltungsmodell
Abbildung 25 zeigt, wie sich innerhalb jedes Gestaltungsfeldes mehrere Gestaltungsdimensionen ergeben. Die Gestaltungsoptionen sind nur angedeutet und werden in Kapitel
4 hergeleitet.
Gestaltungsdimensionen
Gestaltungsfelder
Gestaltungsoptionen
Konfiguration
Segmentierungslogik
Differenzierung
der Marktbearbeitung
Koordination
Gestaltungsmodell
Organisationsmodell
Steuerung des
Segmentportfolios
Segmentcontrolling
Variation
Vertriebsmanagement
Realisierung
Adaption
Abbildung 25: Überblick über das Gestaltungsmodell
Die grundsätzliche Bedeutung dieser Gestaltungsdimensionen konnte im Rahmen der
standardisierten Befragung bestätigt werden. Abbildung 26 zeigt, dass erfolgreich segmentierende Unternehmen deutlich höhere Werte im Bezug auf die Gestaltungsdimensionen aufweisen. Dies untermauert die Vermutung, dass eine geeignete Wahl der Gestal-
-58-
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
tungsdimensionen einen wesentlichen Beitrag zum erfolgreichen Management von Segmentierungen leistet.
-0,73
Differenzierung der Marktbearbeitung
Erfolgsfaktoren
Organisationsmodell
Segmentierungslogik
0,59
-0,58
0,46
-0,56
0,50
-0,46
Vertriebsmanagement
0,38
-0,44
Steuerung Segmentportfolio
0,37
-0,38
Controlling
-0,80
Mittelwerte der Faktoren
0,37
-0,60
Erfolg der Segmentierung Niedrig
-0,40
-0,20
0,00
0,20
0,40
0,60
0,80
Erfolg der Segmentierung Hoch
Abbildung 26: Einfluss der Gestaltungsdimensionen auf Erfolg von Segmentierungen168
Die große Bedeutung von differenzierten Leistungen verwundert nicht. Deutlich wird
aber auch, wie wichtig die Anpassung des Organisationsmodells und eine gute Segmentierungslogik für den Erfolg der Segmentierung ist. Interessant ist, dass ein geeignetes
Controlling den geringsten Einfluss auf den Erfolg von Segmentierungen hat, aber von
den Unternehmen als eine der größten Herausforderungen genannt wurde.169 Dies zeigt,
dass viele Unternehmen den Grund für ihre wenig erfolgreiche Segmentierung nur sehr
ungenau benennen können, und untermauert den Ansatz der Arbeit, eine genaue Analyse
der Gestaltungsoptionen für ein erfolgreiches Management von Segmentierungen vorzunehmen.
3.2
Klassifikation unterschiedlicher Segmentierungsstrategien
Eine wichtige Erkenntnis aus den Experteninterviews ist, dass sich Segmentierungen
zwischen Unternehmen stark unterscheiden. Während einige Unternehmen Segmentie168
Gefragt wurde nach Details der Umsetzung innerhalb der jeweiligen Unternehmen und einer Einschätzung
des Erfolgs der eigenen Segmentierung. Aus den Einzelfragen wurden Faktoren ermittelt. Alle Faktoren haben nach dem Kaiser-Mayer-Olkin-Test einen Wert > 0,5. Anschließend wurden die Mittelwerte der
Faktorausprägungen zwischen erfolgreichen Segmentierungen und nicht erfolgreichen Segmentierungen verglichen. Die Gruppen können bei allen Dimensionen auf einem Signifikanzniveau von 95% als unterschiedlich angenommen werden. Die Mittelwerte der Faktorausprägungen sind in Abbildung 26 dargestellt. Zum
Verfahren vgl. auch Hoffmann, Schlosser 2001, S. 357-381.
169
Vgl. Kapitel 2.4.3, S. 49.
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
-59-
rungen als wichtiges strategisches Element verstehen und das gesamte Unternehmen nach
der Segmentierung ausrichten, sehen andere die Bedeutung von Segmentierungen eher
pragmatisch und erschließen einzelne, kleinere Segmente, ohne dass dies größere Auswirkungen auf das Unternehmen hat. Um differenzierte Gestaltungsempfehlungen geben
zu können, müssen daher zunächst Strategietypen unterschieden werden. Nur so werden
die Aussagen praxisrelevant.
In der Literatur sind mehrere Unterscheidungen von Segmentierungsstrategien entwickelt
worden. Auf die Unterscheidung von BELZ wurde bereits eingegangen.170 Eine andere
Taxonomie von Segmentierungsstrategien geht auf JENKINS UND MCDONALD zurück.
Basierend auf vier Fallstudien zeigen JENKINS UND MCDONALD, dass Segmentierungsstrategien anhand der Dimensionen Organisatorische Integration und Kundenorientierung unterschieden werden können.171 SAUSEN ET AL. entwickeln einen anderen Ansatz,
der Segmentierungsstrategien danach unterscheidet, ob ein Unternehmen den Gesamtmarkt oder nur existierende Kundenbeziehungen segmentiert. Sie identifizieren auf Basis
einer Stichprobe mit 69 Unternehmen aus der Schweiz vier Typen von Segmentierungsstrategien: kennzahlenorientierte Unternehmen, bei denen Segmentierungsstrategien lediglich zur Optimierung der Marketing-Maßnahmen genutzt werden, kundensegmentierende Unternehmen, bei denen Bestandskunden segmentiert werden, marktsegmentierende Unternehmen, bei denen der Gesamtmarkt differenziert bearbeitet wird. Schließlich
identifizieren sie Segmentierungs-Virtuosen, bei denen sich die Segmentierung sowohl
den Gesamtmarkt als auch bestehende Kundenbeziehungen bezieht.172
Die Unterscheidung nach BELZ ließ sich in den Experteninterviews am besten nachvollziehen. Es wurde deutlich, dass sich Segmentierungen darin unterscheiden, ob der ganze
Markt segmentiert wird (totale Segmentierung) oder ob nur Teilbereiche des Marktes
segmentiert bearbeitet werden (partielle Segmentierung).173 Bei totalen Segmentierungen
wird der Gesamtmarkt differenziert bearbeitet. Der Massenmarkt spielt keine Rolle mehr.
Bei partiellen Segmentierungen erfolgt die Segmentierung dagegen zusätzlich zum Massenmarkt.174 Ein weiteres, wichtiges Unterscheidungsmerkmal war in den Gesprächen die
170
Vgl. Kapitel 2.3.4, S. 36.
171
Vgl. Jenkins, McDonald 1997, S. 17-32.
172
Vgl. Sausen et al. 2005, S. 166-168.
173
So auch Belz 1995, S. 10.
174
In ähnlicher Form auch Abell 1980, S. 192-196; Chrisman et al. 1988, S. 425; Kotler, Keller 2009, S. 268279; Ulrich et al. 1976, S. 23-36.
-60-
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
Frage, ob Segmente innerhalb der bestehenden Kernzielgruppe intensiver bearbeitet oder
neue Zielgruppen erschlossen werden sollen.175
Kombiniert man beide Dimensionen, ergeben sich vier grundsätzliche Formen von Segmentierungen, wie sie in Abbildung 27 dargestellt sind: intensivere Bearbeitung einzelner
Segmente innerhalb der Kernzielgruppe (Selektive Segmentierung), intensivere Bearbeitung der Kernzielgruppe durch segmentierte Gesamtmarktabdeckung (Intensive Segmentierung), Erschließung einzelner neuer Zielgruppen (Partikulare Segmentierung) und
Umorientierung zu einer segmentierten Gesamtmarktabdeckung durch Erschließung
mehrerer neuer Zielgruppen (Extensive Segmentierung).
Die Unterscheidung entspricht damit weitgehend der von BELZ, wobei dieser den Aufbau
neuer Markspielregeln identifiziert. Dagegen spielte in den Experteninterviews die extensive Segmentierung eine größere Rolle.
Intensivere
Bearbeitung der
Kernzielgruppe
Erschließung neuer
Segmente
ausserhalb der
Kernzielgruppe
Selektive
Segmentierung
Intensive
Segmentierung
Partikulare
Segmentierung
Extensive
Segmentierung
Partielle
Segmentierung
Totale
Segmentierung
= Kernzielgruppe
= Segmente
Abbildung 27: Unterschiedliche Segmentierungsvarianten
Diese Varianten haben, wie sich in den Experteninterviews zeigte, eine hohe Bedeutung
für die Versicherungswirtschaft. Sie liegen daher der weiteren Untersuchung zugrunde.
Die einzelnen Experteninterviews wurden den jeweiligen Segmentierungsvarianten zugeordnet. Für jede der Segmentierungsvarianten wurde außerdem eine ausführliche Fallstu-
175
Vgl. dazu auch Belz 1995, S. 10; Koch 2006, S. 133-134.
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
-61-
die angefertigt. Abbildung 28 zeigt die Zuordnung der Unternehmen zu den Segmentierungsvarianten.176
Abbildung 28: Zuordnung der untersuchten Unternehmen zu den vier Segmentierungsvarianten
Im Folgenden werden die vier Strategien der untersuchten Unternehmen dargestellt und
einer Segmentierungsvariante zugeordnet:
1. Die Mobiliar:
Die Mobiliar verfolgt eine Selektive Segmentierung.177 Dabei wird zusätzlich zum Massenmarkt das Segment Junge Leute bearbeitet. Die Segmentierung wird überwiegend als Ergänzung zum erfolgreichen Geschäft im Massenmarkt gesehen. Dies zeigt auch das folgende Zitat: „Bei einer Segmentierung muss man wissen, ob man im breiten Geschäft aktiv bleiben
will oder nicht. Und wir sind ganz klar im breiten Geschäft, wir haben 1,5 Millionen Kunden
im Massenmarkt. Wir segmentieren trotzdem, aber wir geben den Rest dafür nicht auf.“178
Die Segmentierung der Mobiliar ist mit zwei langfristigen Zielen verbunden. Zum einen
stellt die Mobiliar in der Schweiz eine zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft fest.
Eine starke Position im Massenmarkt wird somit langfristig immer aufwändiger werden. Die
Segmentierung soll hier bereits zu einem Zeitpunkt, an dem die Position im Massenmarkt
noch nicht geschwächt ist und entsprechend Mittel für eine Positionierung in einzelnen Segmenten verfügbar sind, auf diesen Trend reagieren. Zum anderen war das Kundenportfolio
der Mobiliar vor einigen Jahren stark veraltet. Fehlt einer Versicherung der Zugang an jun176
Die Fallstudien befinden sich im Anhang A, S. 232ff..
177
Vgl. Fallstudie Die Mobiliar, Anhang A.1, S. 233ff..
178
Interview Mobiliar.
-62-
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
gen Kunden, führt dies, so die These der Mobiliar, über kurz oder lang zu einem überproportionalen Marktanteilsverlust.
2. Allianz Suisse:
Die Allianz Suisse hat sich zu einer segmentorientierten Bearbeitung des gesamten Marktes
umorientiert und verfolgt eine Intensive Segmentierung.179 Dabei orientiert sich die Allianz
Suisse an einer weltweiten Initiative der Gruppe zur Einführung von Segmentierungen. Eine
große Rolle spielen dabei zentrale Vorgaben, die in den Ländergesellschaften umgesetzt
werden. Konkret bedeutet dies, dass in jeder Gesellschaft die Kunden grundsätzlich nach den
Dimensionen „Needs“, „Potential“ und „Value“ aufgeteilt werden. Die Dimensionen „Potential“ und „Value“ werden dabei häufig zu einer Dimension zusammengefasst. In den meisten
Gesellschaften ergibt sich damit eine 4x4-Matrix mit 16 Einzelsegmenten. Die Segmentierung wird nicht nur inhaltlich vorgegeben, es existieren auch Richtlinien zur organisatorischen Verankerung, wie das folgende Zitat zeigt: „Wir haben eine Guidance Order und bestimmte Eckpfeiler, die wir mit Nachdruck vertreten. Wir sagen z.B.: ‚ihr solltet nicht nur
eine Segmentierung haben, ihr solltet auch Verantwortliche haben die darüber nachdenken
welche Strategie sie in den Segmenten fahren‘. Auch sind wir jetzt gerade dabei, das Geschäftsmodell zu harmonisieren und umzustellen. Da kommen gerade für den Bereich
Markt-Management gewisse Vorgaben. Aber die ganz feine Ausgestaltung wird nicht vorgegeben, das machen immer noch die einzelnen Gesellschaften.“ 180
3. Nationale Suisse:
Die Segmentierung der Nationale Suisse kann als Partikulare Segmentierung bezeichnet
werden.181 Die Herausforderung der Nationale Suisse besteht darin, sich als kleinerer Versicherer gegen den Wettbewerb durchzusetzen. Dies gelang als Massenmarktanbieter zunehmend weniger. Im Jahr 2005 wurde daher eine Initiative gestartet, durch welche das Unternehmen klarer fokussiert werden sollte. Ein Manager beschreibt das Ziel wie folgt: „Wie haben bis 2005 den Markt mehr oder weniger undifferenziert bearbeitet. In der Schweiz haben
wir eigentlich alles angeboten. Damit konnten wir nicht dauerhaft überleben. Was wir aber
seitdem machen, ist – nicht zuletzt aus Wettbewerbsdruck – eine zunehmende Segmentierung.“182
Die Segmentierung hat dabei zwei Stoßrichtungen. Zum einen soll das klassische Standardgeschäft ausgebaut und weiterentwickelt werden. Dies Geschäft ist im Wesentlichen mit dem
Massenmarkt gleichzusetzen. Parallel dazu werden stark fokussierte und zum Teil auf Kundensegmente spezialisierte Specialty Lines ausgebaut.
Während der Massenmarkt in den meisten internationalen Märkten keine große Rolle spielt,
ergibt sich eine besondere Situation in der Schweiz: Einerseits hat der Massenmarkt hier eine
große Bedeutung und andererseits erschließt sie wie in den internationalen Märkten auch die
179
Vgl. Fallstudie Allianz Suisse, Anhang A.2, S. 246ff..
180
Interview Allianz.
181
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3, S. 260ff..
182
Interview Nationale Suisse.
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
-63-
Specialty Lines außerhalb des Massenmarktes. Ein Manager stellt fest: „Wir haben heute das
Standardgeschäft in der Schweiz, das wir auch nicht aufgeben wollen. Was wir aber können,
ist, das Portfolio langsam aber sicher in die richtige Richtung zu schieben. Dabei spielen die
Specialty Lines natürlich eine große Rolle.“183
4. AXA:
Die AXA hat eine Extensive Segmentierung entwickelt.184 Diese steht in engem Zusammenhang mit der weltweiten Strategie „Ambition 2012“. Im Rahmen dieses Strategieprogramms
soll der Umsatz der AXA-Gruppe bis zum Jahr 2012 verdoppelt und der Gewinn verdreifacht werden. Für jede Tochtergesellschaft ergeben sich aus dem Programm klar herunter
gebrochene Umsatz- und Gewinnziele.
Im Jahr 2008 wurde in Deutschland vor dem Hintergrund der „Ambition 2012“ ein Programm gestartet, das Wachstumschancen im Markt erkennen und erschließen sollte. AXA
nutzte das Programm, um die traditionelle Funktionsweise einer Versicherung grundsätzlich
in Frage zu stellen. Nicht mehr einzelne Produkte sollten künftig im Vordergrund stehen,
sondern die Bedürfnisse von Kunden, für die individuelle Lösungen entwickelt werden sollten.
Um solche individuellen Lösungen profitabel anbieten zu können, mussten Kunden zu Segmenten mit ähnlichen Bedürfnissen zusammengefasst werden. Eine geeignete Segmentierungsstrategie wurde damit zur Voraussetzung, um sich stärker auf die Bedürfnisse von
Kunden konzentrieren zu können. Da AXA bereits in einigen Segmenten – insbesondere im
Segment Ärzte und nach der Übernahme der DBV im Segment Öffentlicher Dienst – langjährige Erfahrung in der differenzierten Bearbeitung von Kundensegmenten hatte, wurden diese
zum Ausgangspunkt der Segmentierung.
3.3
Ableitung des Konzeptes
In Kapitel 3.1 wurden Ansatzpunkte zum Management von Segmentierungen identifiziert
und in Kapitel 3.2 wurden Segmentierungsvarianten entwickelt. Segmentierungsvarianten
und Ansätze zum Management von Segmentierungen werden nun kombiniert. Die Gestaltungsaussagen werden damit spezifisch für die jeweilige Segmentierungsvariante abgeleitet, was die Aussagekraft erheblich erhöht. Abbildung 29 stellt das daraus resultierende Konzept dar. Innerhalb der Gestaltungsdimensionen sind jeweils zwei Gestaltungsoptionen angedeutet. Diese Gestaltungsoptionen werden in weiteren Verlauf der Arbeit
entwickelt.
183
Interview Nationale Suisse.
184
Vgl. Fallstudie AXA, Anhang A.4, S. 271ff..
-64-
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
Segmentierungsvarianten
Selektive
Segmentierung
Intensive
Segmentierung
Partikulare
Segmentierung
Extensive
Segmentierung
Konfiguration
Segmentierungslogik
Differenzierung der
Marktbearbeitung
Koordination
Gestaltungsmodell
Organisationsmodell
Steuerung
des
Segmentportfolios
Segmentcontrolling
Variation
Vertriebsmanagement
Realisierung
Adaption
Abbildung 29: Konzept zum Management von Segmentierungen
Die Segmentierungsvarianten lassen sich anschaulich an einem Beispiel illustrieren, welches in ähnlicher Form in einem der Experteninterviews genannt wurde.
Früher fuhr die Alpha-Versicherung185 als großer Fischtrawler durch das Meer und fing mit
großen Schleppnetzen weitgehend beliebig Fische, die in großen Schwärmen in Meer vorkamen. Dies ging gut, solange ausreichend Fisch vorhanden war und wenig Konkurrenz
herrschte. Es war genug für alle da und die Fischtrawler kamen sich kaum in die Quere. Im
Laufe der Zeit änderte sich diese Situation jedoch. Neue, zum Teil ebenfalls sehr große
185
Der Name des Unternehmens wurde geändert.
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
-65-
Fischtrawler tauchten auf. Gleichzeitig wurde der Fisch weniger und die Preise für Fisch
sanken. In der Folge nahm die Konkurrenz zwischen den Schiffen zu. Viele Fischtrawler reagierten darauf, indem sie die Netze immer weiter vergrößerten, die Schiffe schneller machten und die Prozesse an Bord vereinfachten. Dies führte aber nur dazu, dass die Preise immer
weiter sanken und die Konkurrenz immer intensiver wurde.
Die Alpha-Versicherung versuchte daher einen anderen Weg zu gehen. Sie glaubte, dass es
wichtig sein würde, sich viel stärker als bisher auf bestimmte Fischsorten zu fokussieren.
Während der Preis für den massenhaft gefangenen Fisch sank, gab es durchaus bestimmte
Fischsorten, die zu hohen Preisen gehandelt wurden, weil sie von den großen Fischtrawlern
und ihren undifferenzierten Fangmethoden nicht erreicht wurden. Aber auch die AlphaVersicherung war bislang kaum in der Lage, diese Fische gezielt zu fangen. Um also mit differenzierten Fangmethoden auf die Jagd nach unterschiedlichen Fischen gehen zu können,
würde eine grundlegende Veränderung des Fischtrawlers notwendig sein.
Mehrere Varianten zur Anpassung kamen in Frage:
Vom großen Trawler aus könnten neben dem großen Schleppnetz kleinere Netze, Angeln
und Harpunen über die Reling gehalten werden. Damit könnten auch andere Fische gefangen
werden, die dem Schleppnetz entgingen. Die Fanggründe und die Geschwindigkeit würde
nach wie vor der Trawler bestimmen, aber die kleineren Netze könnten unter diesen Rahmenbedingungen eigene Fangchancen nutzen. (Selektive Segmentierung)
Man könnte auch das Schleppnetz ganz abschaffen und viele unterschiedliche, aber gleichberechtigte Fangvorrichtungen entwickeln. Hier würde das Schiff versuchen so zu fahren, dass
der Fangertrag aller Fangvorrichtungen zusammen optimiert würde. (Intensive Segmentierung)
Eine dritte Variante bestünde darin, neben dem Trawler ein kleines Schnellboot zu bauen,
dass sich im Umkreis des Trawlers frei bewegen könnte und eigene Schwärme suchen könnte. Es müsste sich zwar grob an die Vorgaben des Fangschiffes halten, aber innerhalb dieser
Vorgaben relativ frei agieren können. (Partikulare Segmentierung)
Schließlich könnte man auch eine Flotte aus mehreren Schnellboten entwickeln, die beweglich und weitgehend unabhängig voneinander durch die Meere kreuzen. Jedes Schnellboot
könnte sich auf den Fang von bestimmten Fischen konzentrieren und hoch spezialisierte
Fangmethoden entwickeln. Damit würde es möglich sein, mehrere Fanggründe parallel zu
befischen, statt nur nach den großen, immer seltener werdenden Schwärmen Ausschau zu
halten. Der große Fischtrawler könnte weiterhin mitfahren, sich aber zunehmend auf die
Verarbeitung des gefangenen Fisches konzentrieren. (Extensive Segmentierung)
3.4
Fazit
Die Forschungsfragen, die in diesem Themenkomplex beantwortet werden sollten, waren: Was sind Gestaltungsdimensionen und Ansatzpunkte zum Management von Seg-
-66-
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
mentierungen und wie lassen sich Segmentierungsvarianten systematisieren? 186 Die Antworten, die im Kapitel entwickelt wurden, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
· Gestaltungsdimensionen: Bezüglich der ersten Forschungsfrage wurde zunächst ein Gestaltungsmodell beschrieben, welches sich aus Gestaltungsebenen
(Konfiguration, Koordination und Variation), Gestaltungsdimensionen und
Gestaltungsoptionen zusammensetzt. Als zentrale Ansatzpunkte zum Management wurden Differenzierung der Marktbearbeitung, Organisationsmodell,
Steuerung des Segmentportfolios, Segmentcontrolling, Vertriebsmanagement,
Realisierung und Adaption herausgearbeitet. Für diese Gestaltungsdimensionen werden im nächsten Kapitel Gestaltungsoptionen entwickelt.
· Segmentierungsvarianten: Es wurde dargelegt, dass sich Segmentierungen in
der Versicherungswirtschaft danach unterscheiden lassen, ob der Gesamtmarkt
segmentiert bearbeitet wird oder nur Einzelsegmente zusätzlich zum Massenmarkt erschlossen werden. Außerdem wurde gezeigt, dass zwischen der vertieften Bearbeitung bestehender Zielgruppen und der Erschließung neuer Zielgruppen unterscheiden werden kann. Daraus ergaben sich vier Segmentierungsvarianten (Selektive, Partikulare, Intensive und Extensive Segmentierung), die die Grundlage für die weitere Arbeit sind.
· Konzept zum Management von Segmentierungen: Das Konzept ergibt sich aus
der Kombination von Gestaltungsmodell und Segmentierungsvarianten. Es
strukturiert die weitere Arbeit. Auch die Fallstudien wurden entlang dieses
Konzeptes analysiert. Um die weitere Arbeit leichter lesbar zu gestalten, finden
sich die Fallstudien im Anhang. Einzelne Aspekte aus den Fallstudien werden
im weiteren Verlauf aufgegriffen und illustrieren so die Überlegungen. Abbildung 30 zeigt, wie das Konzept für die Fallstudien genutzt wurde.
186
Vgl. Kapitel 1.2, S. 4.
Kapitel 3: Konzept für das Management von Segmentierungen
-67-
Segmentierungsvarianten
Selektive
Segmentierung
Intensive
Segmentierung
Partikulare
Segmentierung
Konfiguration
Differenzierung der Marktbearbeitung
Koordination
Organisationsmodell
Steuerung des Segmentportfolios
Variation
Gestaltungsmodell
Segmentierungslogik
Realisierung
Abbildung 30: Aufbau der Fallstudien
Segmentcontrolling
Vertriebsmanagement
Adaption
Extensive
Segmentierung
4
Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Abbildung 31 zeigt die Vorgehensweise in diesem Kapitel. Nachdem im letzten Kapitel
das Grundkonzept für die Arbeit entwickelt wurde, werden in diesem Kapitel horizontal
entlang der Gestaltungsdimensionen einzelne Gestaltungsoptionen entwickelt. Dabei soll
insbesondere auf Wirkungszusammenhänge und Eigenschaften der Optionen eingegangen werden. Über kurze Fallbeispiele wird der Bezug zu den Fallstudien hergestellt. Das
Ergebnis dieses Kapitels besteht in einer Darstellung unterschiedlicher Wahlmöglichkeiten, die sich je Gestaltungsdimension ergeben.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen
(Fragenkomplex 2)
Entlang der
Gestaltungsdimensionen werden
die Gestaltungsoptionen
entwickelt und beschrieben .
Fallbeispiele illustrienen und
untermauern die Erkenntnisse.
Abbildung 31: Überblick über die Vorgehensweise in Kapitel 4
Im Fragenkomplex 2 werden dabei die folgenden Forschungsfragen beantwortet:
· Welche Gestaltungsoptionen ergeben sich (je Gestaltungsdimension) beim
Management von Segmentierungen?
· Welche Zusammenhänge wirken und welche Eigenschaften sind mit diesen
Gestaltungsoptionen verbunden?
Die einzelnen Gestaltungsoptionen, ebenso wie die dargestellten Wirkungszusammenhänge, ergeben sich aus einer systematischen Gegenüberstellung der Fallstudien. Dazu
wurde in drei Schritten vorgegangen. In einem ersten Schritt wurden die vier Fallstudien
gegenübergestellt und Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. Zu diesem
Zeitpunkt existierte noch eine Vorstrukturierung der Fallstudien, die sich stark an der
jeweiligen Situation des Unternehmens orientierte. Die Auswertung erfolgte iterativ und
führte zu einer umfangreichen Datenbasis aus ersten Erkenntnissen. Im zweiten Schritt
wurden die im Folgenden dargestellten Gestaltungsoptionen sukzessive herausgearbeitet.
Diese Gestaltungsoptionen wurden mit den Experteninterviews auf Generalisierbarkeit
geprüft und die Fallstudienstruktur wurde an das Konzept angepasst.187 Außerdem wurden
Wirkungsmechanismen identifiziert und anhand von Fallbeispielen illustriert. Im dritten
187
Die neue Struktur der Fallstudien wurde den Ansprechpartnern zusammen mit einigen Erläuterungen zur
Verfügung gestellt. Abnahme und Freigabe der Fallstudien bezogen sich auf diese finale Struktur.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-69-
Schritt wurden Handlungsempfehlungen anhand der Fallbeispiele beschreiben. Abbildung 32 stellt das Vorgehen zur Auswertung der Fallstudien dar. Auf eine Darstellung
des ersten Analyseschrittes – die Gegenüberstellung der Fallstudien – wird in der Arbeit
zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.
1. Gegenüberstellung der
Fallstudien
• Die vier Fallstudien
werden miteinander
verglichen
• Gemeinsamkeiten
und Unterschiede
werden
herausgearbeitet
• Wichtige Aspekte
der Gestaltungsdimensionen
werden identifiziert
2. Entwicklung von
Gestaltungsoptionen
• Von den konkreten
Fallstudien wird
abstrahiert
• Generelle
Gestaltungsoptionen,
die beim
Management von
Segmentierungen
gewählt werden
können, werden
entwickelt
3. Ableitung von
Handlungsempfehlungen
• Wichtige
Eigenschaften und
Wirkmechanismen
der Gestaltungsoptionen werden
beschrieben
• Empfehlungen für die
jeweilige
Segmentierungsstrategie werden
gegeben
Abbildung 32: Vorgehen zur Auswertung der Fallstudien
4.1
Konfiguration
Bei der Konfiguration wurde im Grundkonzept zwischen der Segmentierungslogik, der
Differenzierung der Marktbearbeitung und dem Organisationmodell unterschieden. Für
diese drei Gestaltungsdimensionen sollen im Folgenden Gestaltungsoptionen abgeleitet
werden.
4.1.1
Segmentierungslogik
Eine geeignete Segmentierungslogik wurde sowohl in den Experteninterviews als auch in
der standardisierten Befragung als sehr wichtig für eine erfolgreiche Segmentierung bezeichnet. Nicht beantwortet ist bislang aber die Frage, was eine geeignete Segmentierungslogik ausmacht. Auf zwei Aspekte soll dazu eingegangen werden. Erstens müssen
Segmentierungskriterien ausgewählt werden, anhand derer eine Segmentierung durchgeführt wird. Zweitens gilt es attraktive Segmente auszuwählen. Unterschiedliche Gestaltungsoptionen werden im Folgenden entwickelt.
-70-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
4.1.1.1 Segmentierungskriterien
Obwohl in der Literatur oft die Eignung einzelner Kriterien wie demographische oder
psychographische Kriterien diskutiert wird, scheint es für das Management insgesamt
wichtiger zu sein, nach welchem Prinzip die Kriterien ausgewählt werden. Hier spielt
weniger die individuelle Situation des Unternehmens, als die grundsätzlichen Ziele der
Segmentierung eine Rolle. Zwei Prinzipien lassen sich erkennen: Entweder werden der
anonyme Gesamtmarkt oder die bestehenden Kunden eines Unternehmens aufgeteilt.
Häufig werden die beiden Ansätze mit den Begriffen Marktsegmentierung und Kundensegmentierung abgegrenzt.188 Abbildung 39 stellt diese beiden Gestaltungsoptionen gegenüber.
Marktsegmentierung
- Der anonyme Gesamtmarkt
wird betrachtet
- Marktforschung und
Befragungen als Instrumente
- Abstrakte Eigenschaften des
Kunden als
Segmentierungskriterien
Kundensegmentierung
- Jeder individuelle
Bestandskunde wird
betrachtet
- Kundendatenanalyse als
Instrument
- Konkrete Umsatz- und
Ertragskriterien
Abbildung 33: Gestaltungsoptionen bei der Segmentierungslogik
Marktsegmentierung
Ziel der Marktsegmentierung ist es, einen anonymen Gesamtmarkt in Teilmärkte zu untergliedern. Dazu werden in der Regel auf Basis von Marktforschungen repräsentative
Stichproben von Kunden erhoben und diese anschließend anhand bestimmter Merkmale
in homogene Gruppen unterteilt. Eine Vielzahl unterschiedlicher Merkmale wurde bereits
vorgestellt.
In vielen Branchen bleibt der Kunde auch beim Kauf des Produktes anonym. Hier ist die
Zuordnung eines Kunden zu einem durch die Marktsegmentierung definierten Segment
nicht notwendig, denn der Kunde zeigt durch den Produktkauf implizit, welchem Segment er sich (möglicherweise unbewusst) zurechnet.
188
Vgl. Freter 2008, S. 55-56.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-71-
Bei Versicherungsunternehmen, wie bei vielen anderen Dienstleistungsunternehmen,
wird der Kunde dagegen dem Unternehmen persönlich bekannt. Hinzu kommt, dass der
Kunde in der Regel das Produkt nicht selbst aussucht, sondern durch den Verkäufer beraten wird. Die Zuordnung eines Kunden zu einem Segment und damit die
Operationalisierung einer auf Basis von Stichproben erhobenen Segmentierung zur Identifizierung eines konkreten Kunden hat somit bei Versicherungsunternehmen eine große
Bedeutung und wirkt sich auf die Verwendungsmöglichkeit von Segmentierungskriterien
aus.
Ein wichtiges Spannungsfeld bei der Operationalisierung ergibt sich aus der Praktikabilität der Segmentierung einerseits und ihrer Relevanz andererseits. Segmentierungskriterien mit hoher Praktikabilität weisen in der Regel folgende Merkmale auf:189
· Identifizierbarkeit: Im Kundengespräch sollte mit wenigen Fragen des Verkäufers
zu ermitteln sein, welchem Segment ein Kunde zuzuordnen ist. Dabei verbietet es
sich, bereits mit der ersten Frage zu sehr in die Privatsphäre des Kunden einzudringen.
· Zugangsweg: Es sollte für den Vertrieb eine Möglichkeit bestehen, die Kunden zu
erreichen. In der Versicherungsbranche müssen Kunden aktiv angesprochen werden. Dies ist nur möglich, wenn man aufgrund räumlicher oder inhaltlicher Merkmale Kunden bereits vor dem Verkaufsgespräch einem Segment mit bestimmter
Gewissheit zuordnen kann.
· Zeitliche Stabilität: Wenn Segmentierungen so angelegt sind, dass Kunden ständig
zwischen den Segmenten wechseln, können die Segmente kaum effektiv bearbeitet
werden. Hinzu kommt, dass auch der Erfolg in den Segmenten schwer messbar ist.
Eine hohe Praktikabilität weisen beispielsweise soziodemographische Kriterien auf.190
Auf der anderen Seite steht die Kundensicht, bei der nach der Relevanz der Kriterien zu
fragen ist. Wichtige Aspekte sind:191
· Kaufverhaltensrelevanz: Die Segmentierungskriterien sollten einen hohen Bezug
zum tatsächlichen Kaufverhalten haben. So sollten etwa individuelle Bedürfnisse
erkennbar sein, die bei der Produktentwicklung berücksichtigt werden können.
Auch die Wahl der Vertriebskanäle kann für das Kaufverhalten wichtig sein.
189
Vgl. Freter 2008, S. 90-94.
190
Vgl. Freter 2008, S. 190.
191
Vgl. Freter 2008, S. 90-94.
-72-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
· Trennschärfe: Die Kriterien sollten sich nicht überschneiden, damit klare Aussagen über die Kundengruppen möglich werden. Dies wird insbesondere bei der
Kombination mehrerer Kriterien wichtig.
Eine hohe Relevanz weisen beispielsweise kundenwertbezogene oder psychographische
Kriterien auf.192
Abbildung 34 deutet an, dass die Schnittmenge zwischen beiden Anforderungsbereichen
in der Praxis oft sehr gering ist. Diesen Aspekt beschreiben BONOMA UND SHAPIRO,
wenn sie die Schnittmenge als „glückliche Überschneidung“ bezeichnen.193 Es zeigt sich
somit, dass die Entwicklung der richtigen Logik für die Marktsegmentierung sehr anspruchsvoll ist und eine große Auswirkung auf den Erfolg der Segmentierung hat.
„Glückliche Überschneidung“
Unternehmenssicht
Praktikabilität
(demographische oder
soziodemographische
Kriterien)
Relevanz
(KundenwertDimensionen)
Kundensicht
Abbildung 34: Praktikabilität und Relevanz von Segmentierungskriterien194
Bei der AXA wurde eine Marktsegmentierung verwendet.195 Dabei stehen die vier Hauptsegmente Privat, Öffentlicher Dienst (ÖD), Akademische Heilberufe (AH) und Firmenkunden (FK) im Mittelpunkt. Die Segmentierungslogik der AXA besteht in einer Kombination
aus unterschiedlichen Kriterien. Auf erster Ebene wird neben dem Privatsegment anhand des
Berufsstandes unterschieden. Diese Differenzierung weist eine sehr hohe Praktikabilität auf.
Die Berufsgruppen Mediziner und Öffentlicher Dienst sind ausgesprochen leicht zu identifizieren. Die Frage nach dem Beruf ist problemlos zu beantworten und kann auch zum Beginn
eines Verkaufsgespräches leicht gestellt werden. Auch Zugangswege zu den Berufsgruppen
lassen sich leicht finden. Zum einen bieten sich hier Krankenhäuser und Behörden an, wo
auch in der Praxis häufig neue Kundenkontakte geknüpft werden. Zum anderen sind beide
Berufsgruppen stark über Standesorganisationen organisiert, sodass es über entsprechende
192
Vgl. Freter 2008, S. 190.
193
Bonoma, Shapiro 1984, S. 259.
194
In Anlehnung an Bonoma, Shapiro 1984, S. 259.
195
Vgl. Fallstudie AXA, Anhang A.4, S. 271ff..
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-73-
Mitgliederzeitschriften oder Veranstaltungen leicht fällt, die Kundengruppen zu erreichen.
Desweiteren ist die zeitliche Stabilität hoch. Ein Berufswechsel aus diesen Gruppen heraus
findet äußerst selten statt. In der Regel können Kunden vom Studium an in den Segmenten
betreut werden.196 Auf zweiter Ebene werden sowohl berufsbezogene Kriterien (z.B. Lehrer,
Soldaten, Apotheker) als auch die Lebensphase (z.B. Singles, Ruhestandsplanung) der Kunden angewendet.
Abbildung 35 zeigt die internationale Segmentierung der Nationale Suisse. Auch hier wurde
eine Marktsegmentierung verwendet. Unterschieden wird zwischen den Massenmärkten Retail und kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowie den Specialty Lines Engineering, Marine, High Net Worth Individuals (/HNWI/Art), Travel, Credit Life und Direct.
Die Specialty Lines sind nicht unmittelbar mit Kundensegmenten gleichzusetzen. Travel,
Credit Life, Marine und Engineering sind eher spezialisierte Produktanbieter, Direct ist im
Grunde ein Internetversicherer. Für die Arbeit relevant ist aber das Privatkundensegment
/HNWI/Art, welches sich auf vermögende Privatkunden bezieht.197
Abbildung 35: Internationale Segmentierung der Nationale Suisse
Marktsegmentierungen sind insbesondere für neue Produkte und Leistungen geeignet, zu
denen noch keine Kunden existieren. Sie lassen sich damit zur Generierung neuer Kunden einsetzen. Auch für den Eintritt in neue Märkte eignen sich Marktsegmentierungen.
Sie haben insbesondere eine positive Umsatzwirkung. Für die intensivere Bearbeitung
196
Vgl. Fallstudie AXA, S. 271ff..
197
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, S. 260ff..
-74-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
bestehender Kundengruppen eignen sie sich dagegen weniger, weil sie meist recht grob
strukturiert sind.
Kundensegmentierung
Anders als bei der Marktsegmentierung befasst sich die Kundensegmentierung mit den
individuellen Kunden eines Unternehmens. Hier wird nicht auf anonyme Befragungen
zurückgegriffen, sondern jeder einzelne Kunde im Portfolio in ein Segment eingeordnet.198 In der Regel kann dabei auf wesentlich detailliertere Informationen zurückgegriffen werden, da die Kunden dem Unternehmen namentlich bekannt sind. Hinzu kommt,
dass gerade in der Versicherungswirtschaft sehr umfangreiche Daten vorliegen, die genaue Kundenprofile zulassen. Abbildung 36 stellt Dimensionen des Kundenwertes dar.
Umsatzpotenzial
Marktpotenzial
Kundenerfolgspotenzial
Cross-Selling-Potenzial
Loyalitäts-Potenzial
Kundenwert
Referenzpotenzial
Ressourcenpotenzial
Informationspotenzial
Kooperationspotenzial
Synergiepotenzial
Abbildung 36: Dimensionen des Kundenwertes199
Die Dimensionen des Marktpotenzials sind:200
· Umsatzpotenzial: Nutzen, der sich direkt aus dem Umsatz eines Kunden ergibt.
Das Umsatzpotenzial ist ungenau, weil es künftige Entwicklungen nicht antizipiert
und keine Kosten berücksichtigt. Dafür ist es leicht zu ermitteln.
· Kundenerfolgswerte: Hier wird neben dem Umsatz auch die Kostenwirkung einer
Kundenbeziehung berücksichtigt. In Geschäft mit Retail-Kunden ist dies oft
schwierig, bei Großkundenverbindungen jedoch notwendig.
198
Vgl. Freter 2008, S. 54-55.
199
In Anlehnung an Freter 2008, S. 359 unter Verweis auf Backhaus, Voeth 2010, S. 169 und Sudolf-Sipötz
2001, S. 95.
200
Vgl. Freter 2008, S. 360.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-75-
· Cross-Selling-Potenzial: Beim Cross-Selling-Potenzial wird auch der künftige
Nutzen berücksichtigt, der sich aus einem Ausbau der Geschäftsbeziehung ergibt.
· Loyalitätspotenzial: Berücksichtigt wird der Nutzen, der sich aus der Loyalität eines Kunden ergibt. Indikatoren sind Kundenzufriedenheit oder Wechselkosten.
Für das Ressourcenpotenzial ergeben sich folgende Determinanten:
· Referenzpotenzial: Hier wird ermittelt, inwieweit der Kunde durch Weiterempfehlungen Potenzial zur Akquise neuer Kunden bietet.
· Informationspotenzial: Potenzial für Informationen z.B. zur Produktverbesserung
oder für Innovationen.
· Synergiepotenzial: Betrifft die Möglichkeit, interne Verbundeffekte beim Anbieter zu realisieren.
Ansätze zur Ermittlung des Customer Lifetime Values sind vielfältig und reichen von
einfachen Auswertungen bis hin zu komplexen Erklärungsmodellen.201
Die Allianz Suisse nutzt eine Kombination aus Markt- und Kundensegmentierung. Dazu
ermittelt sie für ihre Segmentierung den Customer Lifetime Value auf Basis einer Hochrechnung des Wertes der laufenden Versicherungsverträge (Prämien, Schadenwahrscheinlichkeiten und Kosten) sowie der erwarteten Dauer der Kundenbeziehung. Cross-SellingWahrscheinlichkeiten und Weiterempfehlung werden dagegen ebenfalls einbezogen.202 Zusätzlich werden Kunden entlang der Lebensphasen unterschieden. Insgesamt unterteilt die
Allianz Suisse damit den Markt in 16 einzelne Segmente. Abbildung 37 stellt diese Segmentierung dar.
201
Vgl. zu einer Übersicht Gupta et al. 2006, S. 139-156.
202
Vgl. Fallstudie Allianz Suisse, A.3.2.1, S. 250, sowie El Hage 23.03.2009, S. 24.
-76-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Abbildung 37: Segmentierungsansatz der Allianz Suisse203
Unterhalb dieser 16 Hauptsegmente wird die Segmentierung auch noch deutlich feiner ausdifferenziert und Merkmale wie Kaufverhalten, Risikoneigung und andere Verhaltensparameter werden mit einbezogen.
Kundensegmentierungen eignen sich zur Vertiefung der Beziehung zu bestehenden Kunden. Sie zielen auf Profitabilität und erlauben eine Fokussierung auf attraktive Kunden.
Grundsätzlich sind Kunden- und Marktsegmentierungen auch kombinierbar, wie das Beispiel der Allianz Suisse zeigt. Damit ist die Grenze zwischen beiden Ansätzen weniger
strikt als dies im Folgenden zur Verdeutlichung der Grundprinzipien dargestellt wird.
Tabelle 1 stellt Eigenschaften der beiden Gestaltungsoptionen gegenüber.
Marktsegmentierung
·
Entwicklung neuer Kundenbeziehungen
·
Erschließung neuer Märkte und Kundengruppen
·
Produktinnovationen
·
Umsatz und Wachstum
Kundensegmentierung
·
Vertiefung bestehender Kundenbeziehungen
·
Verteidigung von Märkten und intensivere
Bearbeitung bestehender Kundengruppen
·
Gewinn und Profitabilität
Tabelle 1: Eigenschaften von Kunden- und Marktsegmentierung
Die Ausführungen zu den Eigenschaften der beiden Gestaltungsoptionen zeigen, dass
Marktsegmentierungen eher bei Segmentierungen verwendet werden sollten, die sich auf
neue Kundengruppen beziehen. Dies sind Partikulare Segmentierungen und Extensive
Segmentierungen. Kundensegmentierungen sollten dagegen für die intensivere Bearbei203
El Hage 23.03.2009, S. 14.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-77-
tung bestehender Kundengruppen, d.h. bei Selektiven und Intensiven Segmentierungen,
verwendet werden. Dies lässt sich auch bei den Fallstudien erkennen. So wurde bei der
Extensiven Segmentierung der AXA und der Partikularen Segmentierung der Nationale
Suisse eine Marktsegmentierung vorgenommen, wohingegen bei der Allianz die Kundensegmentierung eine große Rolle spielt.204
4.1.1.2 Auswahl der Segmente
Das zweite Spannungsfeld bei der Segmentierungslogik ergibt sich aus der Wahl der
Segmente. Um von den konkreten Gestaltungen in den untersuchten Unternehmen auf
abstrakte Optionen schließen zu können, ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass
jedes Unternehmen implizit eine Auswahl aus einer großen Menge von möglichen Segmenten gewählt hat.
Grundsätzlich sollten Segmente für das Unternehmen attraktiv und notwendige Investitionen zur Erschließung der Segmente überschaubar sein. Tatsächlich liegt hier jedoch oft
ein Dilemma vor. Auf stark umkämpften Märkten wird es nur selten gelingen, das ideale
Segment zu finden, das hoch attraktiv und gleichzeitig leicht zu erschließen ist. Dies
hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass leicht zu erschließende Segmente meist durch
andere Unternehmen ebenso einfach bedient werden können. Damit fokussieren sich viele Unternehmen auf die gleichen Segmente, was einen hohen Wettbewerb um die jeweiligen Segmente zur Folge hat. Unternehmen müssen daher abwägen, ob sie ein attraktives
Segment mit hohen Investitionen erschließen wollen oder stattdessen ein möglicherweise
weniger attraktives Segment mit geringen Investitionen „mitbedienen“ wollen. Beide
Vorgehensweisen können erfolgreich sein. Abbildung 38 zeigt die möglichen Alternativen, wenn keine Segmente identifiziert werden können, die sowohl eine hohe Attraktivität haben als auch geringe Investitionen zur Erschließung notwendig machen.
204
Vgl. Fallstudie AXA, Anhang. A.4.2.1, S. 274ff.; Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.1, S. 263ff;
Fallstudie Allianz Suisse, A.2.2.1, S. 250ff.. Bei der Mobiliar wurde eine Marktsegmentierung für die Selektive Segmentierung verwendet. Angesichts der in diesem Kapitel beschriebenen Eigenschaften von Marktsegmentierungen kann dies jedoch nicht als typisch für Selektive Segmentierungen angesehen werden.
-78-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
hoch
Attraktivität
gering
hoch
gering
Investitionen
Abbildung 38: Entscheidungsmatrix zur Auswahl von Segmenten.
Daraus folgt, dass bei der Auswahl von attraktiven Segmenten entweder eine Inside-OutPerspektive eingenommen werden kann, bei der die Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens zur Erschließung des Segments im Vordergrund stehen, oder eine Outside-InPerspektive, bei der die Attraktivität des Segments im Vordergrund steht und davon ausgehend die notwendigen Fähigkeiten, die für die Erschließung des Segments notwendig
sind, abgeleitet werden.205 Abbildung 39 stellt diese beiden Gestaltungsoptionen gegenüber.206
Outside-In
- Die Attraktivität des
Segments steht im
Vordergrund
- Ob das Unternehmen die
notwendigen Fähigkeiten zur
Bearbeitung hat, ist weniger
wichtig
- Fähigkeiten müssen
entwickelt werden
Inside-Out
- Die Fähigkeiten des
Unternehmens stehen im
Vordergrund
- Die Attraktivität der
Segmente ergibt sich aus der
relativ einfachen
Erschließungsmöglichkeit
- Bestehende Fähigkeiten
werden besser ausgeschöpft
Abbildung 39: Gestaltungsoptionen bei Auswahlperspektive
205
Vgl. Piercy, Morgan 1993, S. 131-132.
206
In ähnlicher Form unterscheidet auch Day 1984 zwischen einer Bottom-Up-Definition von Märkten, bei der
sich verändernde Kundenwünsche Ausgangspunkt sind, und einer Top-Down-Definition, bei der eine möglichst erfolgversprechende Verwendung von Unternehmensressourcen im Vordergrund steht.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-79-
Outside-In-Perspektive
Bei einer Outside-In-Perspektive steht die Attraktivität des Segments im Vordergrund.
Wichtige Kriterien für die Attraktivität sind:207
· Größe: Die absolute Größe eines Segments ist oft ein entscheidendes Kriterium
für die Attraktivität. Investitionen in die Erschließung lohnen sich nur, wenn auch
das Umsatzpotenzial entsprechend ist. Allerdings ist die Größe allein nicht ausschlaggebend, sondern muss mit dem realistisch zu erreichenden Marktanteil abgeglichen werden.
· Wachstum: Gerade in stagnierenden Märkten wie der Versicherungsbranche ist es
oft attraktiv, einzelne Wachstumsfelder zu identifizieren. Untersuchungen zeigen,
dass Marktwachstum ein entscheidender Faktor für erfolgreiche Unternehmen ist.
· Wettbewerbsintensität: Ein Wettbewerbsvorteil sollte in einem Segment dauerhaft
zu verteidigen sein. Dabei spielt die Wettbewerbsintensität eine große Rolle.208 Zu
analysieren sind insbesondere Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren. Segmente, die sich leicht erschließen lassen, haben typischerweise eine hohe Wettbewerbsintensität, weil auch Konkurrenten nur wenige Eintrittsbarrieren haben.209
Hohe Marktaustrittbarrieren, z.B. durch gesetzliche Auflagen oder negative
Imagewirkungen, erhöhen die Wettbewerbsintensität zusätzlich.210
Wie wenig die reine Größe der Zielgruppe über die Attraktivität aussagt, wird anhand der
DBV deutlich. Mit dem Projekt Lehramtsanwärter gelang es, einen Marktanteil von 70% in
der Kundengruppe zu realisieren. Erst der fokussierte und auf eine sehr klar abgrenzbare und
erreichbare Kundengruppe ausgerichtete Ansatz machte einen solchen Marktanteil möglich.211 Ein Experte stellte in diesem Zusammenhang fest: „Lieber in einem kleinen Segment
5 von 10 Kunden gewinnen als in einem großen Segment 3 von 100 Kunden.“212
Bei einer Outside-In-Perspektive besteht die zentrale Herausforderung darin, die für die
Bearbeitung des Segments notwendigen Fähigkeiten zu entwickeln. So beschreiben
PIERCY UND MORGAN:
„[…] Segments should be: measurable; accessible; substantial; unique in response to marketing stimuli; and, stable. However, ‚measurability‘ is a function
207
Vgl. Freter 2008, S. 95-97.
208
Vgl. Belz 1995, S. 38.
209
Vgl. Tomczak et al. 2009, S. 41-43.
210
Vgl. Porter 1998, S. 123.
211
Vgl. Fallstudie AXA, S. 277.
212
Experteninterview.
-80-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
of an organization’s ability to stimulate, recognize and respond to signals from its
environment, as much as an inherent characteristic of the market. ‚Accessibility‘
is a function of an organization’s ability to identify and use new distribution and
communication methods and technologies, not a given or unchanging factor.“213
Die Erschließung von attraktiven Segmenten setzt daher die gezielte Investition in neue
Fähigkeiten voraus. Weil in wesentlichem Umfang neue Fähigkeiten notwendig sind,
wird die Erschließung neuer Segmente unsicher, hängt in hohem Maße von künftigen
Entwicklungen ab und lässt sich in der Regel nicht mit den bestehenden Problemlösungsroutinen bewerkstelligen. Die Entwicklung neuer Fähigkeiten ist deswegen eine erhebliche Herausforderung. Die Forschung diskutiert dies unter dem Stichwort Exploration.214
Wichtige Voraussetzungen für den Aufbau von Fähigkeiten zur Bearbeitung neuer Segmente sind konstruktive Konflikte, freie Ressourcen und Bereitschaft zur
Kannibalisierung.215
Konstruktive Konflikte
Konstruktive Konflikte entstehen in einer offenen Unternehmenskultur, in der unterschiedliche Sichtweisen und Perspektiven frei diskutiert werden können. Dazu sollten
Gespräche sachorientiert geführt werden und auch Minderheitenmeinungen sollten geäußert werden. So kann sich eine Vielfalt an Themen und Ideen entwickeln, die ein wichtiger Nährboden für kreative Ansätze ist. Die Erschließung neuer Segmente setzt anschließend die Abwägung unterschiedlicher Optionen voraus. Dies wird durch konstruktive
Konflikte erleichtert.216 Wird in Unternehmen kein konstruktiver Umgang mit Konflikten
gepflegt, ist dies ein Punkt der für ein kulturelles Change-Management vorzusehen ist.
Freie Ressourcen
Freie Ressourcen beeinflussen die Möglichkeit, neue Segmente zu erschließen in hohem
Maße. Gerade in frühen Phasen der Erschließung müssen die Ressourcen zur Erschließung fast immer aus der bestehenden Linienorganisation genutzt werden. Wenn hier die
Ressourcen vollkommen ausgeschöpft werden, besteht kaum Freiheit, über neue Segmente nachzudenken. Freie Ressourcen betreffen beispielsweise nicht ausgenutzte Mitarbeiterkapazitäten, Mittel zur Beauftragung externer Berater, aber auch finanzielle Reserven,
213
Piercy, Morgan 1993, S. 131-132.
214
Vgl. March 1991, S. 71-87; Teece 2007, S. 1319-1350; Winter 2003, S. 991-995.
215
Zu den folgenden Ausführungen vgl. Danneels 2002, S. 1095-1121; Danneels 2008, S. 519-543.
216
Vgl. Danneels 2008, S. 523; Eisenhardt, Bourgeois, III 1988, S. 737-770; Levinthal, March 1993, S. 107.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-81-
mit denen in der Eintrittsphase Subventionen möglich werden, um günstigere Konditionen anbieten zu können als die Konkurrenz.217
Bereitschaft zur Kannibalisierung
Zwei Perspektiven sind bei der Bereitschaft zur Kannibalisierung wichtig. Zum einen
muss das Unternehmen akzeptieren, dass neue Segmente zu bestehenden Geschäftsbereichen in Konkurrenz treten. Es entwickelt sich in diesen Bereichen ein interner Konkurrenzkampf. Vollständig vermeiden lassen sich solche Kannibalisierungen kaum.218 Zum
anderen kannibalisieren neue Segmente aber auch bestehende Ressourcen, die andernfalls
für den Massenmarkt oder andere Segmente investiert worden wären und damit indirekt
die Wettbewerbsfähigkeit in diesen Marktbereichen vermindern. Nur wenn solche Effekte in Kauf genommen werden, ist die Entwicklung neuer Fähigkeiten für Segmente möglich.219
Eine Outside-In-Perspektive bei der Auswahl von Segmenten bietet einerseits ein hohes
Potenzial, weil auf Größe, Wachstum und Wettbewerbsintensität eines Segments abgezielt wird. Andererseits sind aber auch die Risiken hoch, weil neue Fähigkeiten entwickelt werden müssen, was hohe Anforderungen an die Unternehmenskultur stellt.
Die Fallstudie AXA zeigt, dass zur Entwicklung von Fähigkeiten zur Erschließung von
Segmenten auch Unternehmenszukäufe in Frage kommen. Sowohl die Deutsche Beamtenversicherung als auch die Deutsche Ärzteversicherung sind durch Unternehmenskäufe in den
Einflussbereich der AXA gelangt. Damit kommt der Post-Merger-Integration eine große Bedeutung zu. Wichtig ist, notwendige Kostensynergien zu realisieren, dabei aber nicht die
spezifischen Strukturen und Prozesse zu zerstören, die die Bearbeitung der Kundengruppe
zuließen. Besonders wichtig ist dabei, Zugangswege in die Segmente zu behalten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, das Wissen über die Kundengruppe im Unternehmen zu halten, indem wichtige Führungskräfte auch nach dem Merger im Unternehmen gehalten werden.220
217
Vgl. Danneels 2008, S. 525; Moses 1992, S. 38-54; Nohria, Gulati 1996, S. 1245-1264; Sharfman et al. 1988,
S. 601-614; Voss et al. 2008, 147-164.
218
Vgl. Birkinshaw, Lingblad 2005, S. 674-686; Danneels 2008, S. 523-524.
219
Vgl. Danneels 2008, S. 522-523; Burgelman 1994, S. 25-56.
220
Vgl. Fallstudie AXA, S. 285.
-82-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Inside-Out-Perspektive
Bei der Inside-Out-Perspektive stehen die existierenden Fähigkeiten des Unternehmens
im Vordergrund. Ziel ist die intelligente Rekombination bestehender Fähigkeiten, um
damit neue Ansätze zu realisieren. Kriterien bei der Auswahl müssen wichtige Fähigkeiten berücksichtigen. Diese sind insbesondere:
· Kundenverständnis: Die Bedeutung des Kundenverständnisses wird häufig unterschätzt. Im Gegensatz zur häufigen Annahme kann ein umfassendes Verständnis
über Kunden nicht einfach über Marktforschungen erhoben werden, sondern setzt
langjährige Erfahrungen im Umgang mit den Kunden voraus. 221 Dies gilt insbesondere in der Versicherungswirtschaft, wo Kunden in aller Regel ihre Bedürfnisse nicht artikulieren können, weil Leistungen zu abstrakt sind und oft nicht vollständig verstanden werden. Kundenbefragungen bleiben damit fast zwangsläufig
oberflächlich und lassen sich nur als unterstützendes Instrument nutzen. Besteht
ein umfassendes Verständnis einer Kundengruppe, kann dies erhebliche Investitionen ersparen und von Beginn an einen wichtigen Wettbewerbsvorteil darstellen.
· Bestehende Zugangs- und Vertriebswege: Neue Zugangswege zu erschließen ist
oft mit hohen Investitionen verbunden. Um eigene Vertriebsorganisationen aufzubauen, sind hohe Provisionsgarantien zur Abwerbung von Agenturen notwendig.
Zudem ist die Führungsstruktur zunächst nur unvollständig ausgelastet. Dagegen
ist es oft möglich, bestehende Zugangswege in angrenzende Zielgruppen durch geringfügige Investitionen zu erweitern.
· Notwendige Investitionen in Produkte und Dienstleistungen: Schließlich erfordern
neue Produkte und Dienstleistungen Entwicklungsaufwände. Auch hier ist zu fragen, ob es Zielgruppen gibt, die mit dem bestehenden Produktprogramm bedient
werden können.
Grundsätzlich sind weitere Kriterien denkbar wie die Nutzungsmöglichkeit der Marke
oder anderer Marketinginstrumente.
Die Bedeutung von Zugangswegen in die Zielgruppe wird am Beispiel der Debeka deutlich.
Die Debeka ist ein deutscher Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der sich traditionell
stark auf die Zielgruppe Beamte spezialisiert hat. Dies wird schon im Namen des Unternehmens deutlich: Debeka steht für Deutsche Beamtenkasse. Der Zugang zur Zielgruppe erfolgt
über sogenannte Vertrauensleute. Dies sind Beamte, die von ihrem Dienstherren die Erlaubnis haben, Kollegen in Versicherungsfragen zu beraten. Sie übernehmen damit einen Teil der
Fürsorgepflicht des Dienstherren für die Beamten. Sie erhalten eine geringe Aufwandsent221
Vgl. Day 1994, S. 41.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-83-
schädigung für die Vermittlung von Versicherungsprodukten und werden bei der Beratung
durch den angestellten Außendienst der Debeka unterstützt. Vertrauensleute genießen in der
Regel ein hohes Vertrauen bei ihren Kollegen. Da die Debeka in fast jedem Rathaus und in
jeder größeren Verwaltungsstätte mehrere Vertrauensleute hat, ist der Zugang zur Zielgruppe
für andere Versicherer nur sehr schwer zu realisieren.222
Die DBV musste darauf reagieren, indem Ansatzpunkte gesucht wurden, die Zielgruppe bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu erreichen. Daraus wurde die Idee für das Projekt Lehramtsanwärter entwickelt. Ziel des Projektes war es, Lehramtsanwärter bereits vor dem ersten
Kontakt mit ihrer zukünftigen Arbeitsstätte anzusprechen. Dies gelingt, indem die DBV verstärkt an den Universitäten aktiv ist.223
Bei einer Inside-Out-Perspektive steht nicht die Entwicklung neuer Fähigkeiten, sondern
die Ausschöpfung des Potenzials bestehender Fähigkeiten im Vordergrund. Auch dazu
werden in der Literatur unterschiedliche Voraussetzungen diskutiert.224 Wichtig im Zusammenhang mit Segmentierungen scheinen Zentralisierung, geringe freie Mittel und
enge Kundenbeziehungen.
Zentralisierung
Bestehende Fähigkeiten lassen sich oft durch zielgerichtete Rekombination ausschöpfen.
So werden beispielsweise Produkte aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen intelligent kombiniert oder ein bestehendes Produkt wird einem Vertriebsweg zugänglich gemacht, der bislang nur andere Produkte des Unternehmens vertrieben hat. Dies setzt eine
zentrale Führung voraus, damit entsprechende Chancen erkannt und genutzt werden können.
Geringe freie Mittel
Freie Mittel verleiten dazu, neue Lösungen zu entwickeln. Wenn gerade dies nicht gewollt ist, müssen freie Mittel gezielt reduziert und ein Kostenfokus im Unternehmen
etabliert werden. So werden Manager dazu angehalten, zunächst die naheliegenden Möglichkeiten auszuschöpfen, bevor sie innovativere Lösungen suchen.225
Enge Kundenbeziehungen
Enge Beziehungen zu bestehenden Kunden führen dazu, dass Unternehmen sich stark auf
die Bedürfnisse dieser Kunden ausrichten. Entscheidungen zum Marketing-Mix optimie-
222
Experteninterview.
223
Vgl. Fallstudie AXA, S. 277.
224
Vgl. March 1991, S. 71-87.
225
Vgl. Voss et al. 2008, S. 147-164.
-84-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
ren die Bearbeitung dieser Kunden, was wiederum die Kundenbeziehungen weiter intensiviert und das Unternehmen noch stärker auf die Kundengruppe ausrichtet.226
Inside-Out-Perspektiven erlauben es, mit begrenzten Mitteln eine Zielgruppe schnell zu
erschließen. Wichtig ist eine enge und zentrale Führung, damit die Fähigkeiten neu kombiniert werden können. Allerdings bergen Inside-Out-Perspektiven die Gefahr, dass sich
das Unternehmen zu sehr an bestehende Zielgruppen bindet, was zu einem „Lock-In“
führen kann. Unternehmen sind dann so eng mit der Kundengruppe verbunden, dass
kaum strategische Alternativen bleiben.
Ob ein Segment bearbeitet werden sollte, lässt sich erst aus einem Vergleich von Kosten
und Nutzen ermitteln. Beide Perspektiven können daher erfolgreich sein. So ist es durchaus denkbar, dass ein grundsätzlich nur bedingt attraktives Segment für ein Unternehmen
hochattraktiv wird, weil es kaum neue Fähigkeiten für die Erschließung benötigt und damit nur geringe Investitionen notwendig sind.
Wichtige Eigenschaften der beiden Perspektiven sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Outside-In-Perspektive
Inside-Out-Perspektive
·
Hohes Potenzial, hohes Risiko
·
Geringes Risiko, aber Gefahr eines Lock-in
·
Erschließung neuer Kundengruppen; Führt
zu Kundengruppen, die ggf. relativ weit
vom Kernmarkt entfernt sind
·
·
Entwicklung neuer Fähigkeiten wichtig
Intensivierung bestehender Kundengruppen; Führt zu Kundensegmenten, die enge
Beziehung zum Kernmarkt des Unternehmens haben
·
Hohe Anforderungen an die Unterneh-
·
Verteidigung von Märkten
menskultur (z.B. Umgang mit Konflikten)
·
Rekombination bestehender Fähigkeiten
stellt hohe Anforderungen an Koordination
und Führung
Tabelle 2: Eigenschaften von Outside-In und Inside-Out-Perspektiven
Die Eigenschaften der beiden Gestaltungsoptionen machen deutlich, dass Outside-InPerspektiven sich für die Erschließung neuer Kundengruppen, und damit für Partikulare
Segmentierungen und Extensive Segmentierungen eignen. Hier sollten attraktive Segmente ausgewählt und dann die notwendigen Fähigkeiten entwickelt werden. Zur intensi-
226
Vgl. Danneels 2003, S. 559-576; Danneels 2007, S. 511-533.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-85-
veren Bearbeitung bestehender Kundengruppen eignen sich Inside-Out-Perspektiven.
Bestehende Fähigkeiten sollten dabei im Vordergrund stehen.227
4.1.2
Differenzierung der Marktbearbeitung
Bei der Differenzierung der Marktbearbeitung sollen Gestaltungsoptionen bei der Wahl
der Instrumente zur Differenzierung und bei dem Integrationsgrad der Leistung dargestellt werden.
4.1.2.1 Instrumente zur Differenzierung
Wie lassen sich Optionen zur Differenzierung der Marktbearbeitung systematisieren?
Wichtig ist der Ansatz von BELZ. Er argumentiert, dass Marketinginstrumente unterschiedlich zur Individualisierung des Angebots beitragen.228 Während allgemeine Imagekampagnen nicht segmentspezifisch sind und den generellen Markt abdecken, können
Segmentkampagnen auf bestimmte Kundensegmente abgestimmt werden. Beratungsgespräche und Serviceleistungen weisen einen sehr hohen Grad an Individualisierung auf
und lassen sich kundenindividuell gestalten.229 Es ist also anzunehmen, dass die Entscheidung für die Differenzierung der Marktbearbeitung und für den Einsatz bestimmter Marketinginstrumente danach getroffen wird, wie hoch der Individualisierungsgrad der Instrumente sein muss, damit die Zielgruppe bedient werden kann. Andersherum ist davon
auszugehen, dass die Auswahl der Instrumente von der Beschaffenheit der Zielgruppe
abhängt, die bearbeitet werden soll. Abbildung 40 stellt dies schematisch dar.
227
Da der Segmentauswahlprozess bei den betrachteten Unternehmen nicht beobachtet werden konnte, lassen
sich hier keine direkten Beziehungen zu den Fallstudien herstellen. Allerdings ist der Zukauf der Segmente
bei der AXA ein Hinweis darauf, dass die Fähigkeiten zur Bearbeitung der Segmente nichtexistierten, was
auf eine Outside-In-Vorgehensweise schließen lässt. Die Segmente der Allianz Suisse hingegen sind sehr typisch für die Versicherungsbranche und dicht an den bestehenden Kernfähigkeiten vieler Versicherer. Dies
deutet eher auf eine Inside-Out-Vorgehensweise hin.
228
Vgl. Belz 1995, S. 47.
229
Vgl. Belz 1995, S. 47.
-86-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Genereller
Markt
Imagewerbung
Segment
Segmentkampagne
Zielgruppe
DirectMarketing
Potenzieller
Einzelkunde
Telefon
Evaluationsgespräche
Individueller
Erstkunde
Beratungsgespräch
Auftragsabwicklung
Stammkunde
Service
Folgeverkauf
Cross-Selling
Offerte
Abbildung 40: Fokussierung von Marketinginstrumenten230
Aus der Gegenüberstellung der Fallstudien wird deutlich, dass keines der Unternehmen
alle verfügbaren Instrumente zur Differenzierung nutzt. Dies lässt sich leicht mit der Kosten- und Komplexitätswirkung der Differenzierung erklären. Nur in den wenigsten Fällen
wird es sinnvoll sein, alle Instrumente an die Zielgruppe anzupassen. Stattdessen ist die
Wahl der richtigen Instrumente entscheidend. Dabei lässt sich erkennen, dass die Allianz
eher Instrumente nutzt, die sich auf den Kundestamm konzentrieren. AXA und Nationale
Suisse setzen dagegen eher Maßnahmen zur Neukundengewinnung ein wie Imagekampagnen (AXA) oder Segmentkampagnen (Nationale Suisse). Das Bezugsobjekt der Instrumente scheint damit einen großen Einfluss bei der Differenzierung zu haben. Unterschieden werden soll zwischen Instrumenten zum Neukunden-Marketing und solchen
zum Kundenstamm-Marketing. Abbildung 41 stellt die beiden Gestaltungsoptionen bei
der Wahl der Differenzierungsinstrumente dar.
230
In Anlehnung an Belz 1995, S. 47.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Neukunden-Marketing
- Zielt auf den Gesamtmarkt
- Instrumente mit geringer
Individualisierung und
Fokussierung
- Markenmanagement
- Segmentkampagnen
-87-
Kundenstamm-Marketing
- Zielt auf einzelne Kunden
- Instrumente mit hoher
Individualisierung und
Fokussierung
- Direkt-Marketing
- CRM
- Cross- und Up-Selling
Abbildung 41: Gestaltungsoptionen bei Instrumenten zur Differenzierung
Neukunden-Marketing
Neukunden-Marketing zielt entweder auf die Akquisition von Nichtverwendern oder auf
das Abwerben von Kunden der Konkurrenz.231 Grundsätzlich gilt es, attraktive Angebote
zu entwickeln und diese zu kommunizieren. Unternehmen stehen viele Instrumente zur
Verfügung, mit denen ein Neukunden-Marketing erfolgen kann.232 Wichtige Instrumente
im Zusammenhang mit einer Segmentierung sind:
· Gezieltes Marken-Management
· Segmentkampagnen
Gezieltes Marken-Management
Marken haben einen erheblichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg.233 Gerade in der
Versicherungsindustrie, wo Leistungen nicht greifbar sind und in hohem Maße vom Vertrauen in das Unternehmen abhängen, spielt ein gezieltes Markenmanagement eine wichtige Rolle.234 Es gilt die Unsicherheit des Kunden zu verringern und die Komplexität der
Leistung auf einige zentrale Botschaften zu reduzieren. 235
Heute nutzen Unternehmen oft komplexe Markenarchitekturen, bei denen drei Grundformen unterschieden werden können.236 Bei Einmarkenstrategien werden alle Leistungen
eines Unternehmens unter der gleichen Marke angeboten. Dies führt zu hohen Synergien
und erlaubt es, starke Marken mit eigener Markenpersönlichkeit zu entwickeln. Zudem
231
Vgl. Tomczak et al. 2009, S. 130-131.
232
Vgl. ausführlicher Belz et al. 1999.
233
Vgl. Esch et al. 2006, S. 2.
234
Vgl. Berry 1995, S. 242.
235
Vgl. Belz, Bieger 2006b, S. 167-178.
236
Vgl. Kernstock et al. 2006, S. 36.
-88-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
haben Einmarkenstrategien geringe Anforderungen an die Koordination, da nicht mehrere Marken überschneidungsfrei positioniert werden müssen. Allerdings ist es aufwändig
und bei heterogenen Kundenbedürfnissen kaum möglich, Marken zu entwickeln, die
mehrere Kundensegmente gleichermaßen ansprechen.237
Um eine Differenzierung zu ermöglichen, werden daher häufig Seperate-BrandingStrategien oder Mehrmarkenstrategien verwendet, bei denen Leistungen unter unterschiedlichen Marken angeboten werden. Dies ermöglicht eine genauere Positionierung
der Marke und vermeidet negative Interaktionen zwischen mehreren Zielgruppen. Allerdings besteht die Gefahr, dass eine Vielzahl von Marken im Markt nicht mehr ausreichend wahrgenommen wird, weil jede einzelne Marke nur noch einen Bruchteil des
Marktes abdeckt. Zudem entstehen oft Kannibalisierungseffekte zwischen den Marken.238
Einen Mittelweg stellen Endorsed-Branding-Strategien dar. Hier wird der Zusammenhang mehrerer Einzelmarken durch den Hinweis auf eine Dach- oder Familienmarke
kenntlich gemacht. Solche Strategien lassen, je nachdem wie deutlich der Hinweis gemacht wird, ein gezieltes Management von Spill-over-Effekten zu und ermöglichen es,
einen positiven Imagetransfer auf Teilmarken zu nutzen, ohne negative Rückwirkungen
befürchten zu müssen.239 Sie stellen damit für Segmentierungen oft eine sinnvolle Variante dar.
Die Komplexität moderner Markenarchitekturen im Zuge einer Segmentierung wird bei der
AXA deutlich. Die Marke DBV hat eine sehr hohe Bedeutung für das Segment ÖD. Die
Marke wurde daher während der Integration der DBV-Winterthur erhalten und im Jahr 2009
aufwändig neugestaltet und modernisiert. Vom Internetauftritt über die Werbung in der
Agentur bis hin zu Produktflyern und der Police wurden alle werbewirksamen Mittel an das
neue Corporate Design angepasst. Abbildung 42 zeigt beispielhaft den Internetauftritt der
DBV.
237
Vgl. Meffert 2000, S. 856-858.
238
Vgl. Kernstock et al. 2006, S. 36; Meffert 2000, S. 858-859.
239
Vgl. Kernstock et al. 2006, S. 36.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Abbildung 42: Internetauftritt der DBV mit ‚endorsed branding‘
Ein Verweis auf die AXA erfolgt in Form eines „Endorsed Brandings“. Dabei taucht die
Marke AXA dezent am unteren Rand des jeweiligen Mediums auf („Ein Unternehmen der
AXA Gruppe“). Auf der Internetseite werden Kunden, die nicht im öffentlichen Dienst sind,
auf die AXA-Seite umgeleitet. Andersherum werden Kunden im Öffentlichen Dienst von der
AXA-Seite auf die DBV-Seite geführt.
Für Kunden der DBV ist in der weiteren Interaktion mit dem Unternehmen nicht direkt erkennbar, dass AXA und DBV weite Teile der Wertschöpfungskette teilen. So wurde bei allen wesentlichen Kontaktpunkten des Kunden mit der DBV darauf geachtet, dass der Kunde
die DBV als eigenständiges Unternehmen erlebt. Die Mitarbeiter in der Schadenbearbeitung
melden sich beispielsweise je nachdem, ob die Telefonnummer der AXA oder der DBV gewählt wurde, mit dem jeweiligen Unternehmensnamen, obwohl AXA und DBV die gleichen
Sachbearbeiter nutzen.
Ähnlich wie das Segment Öffentlicher Dienst nutzt auch das Segment Ärzte/Heilwesen eine
eigene Marke: Deutsche Ärzteversicherung. Der Grundstein des heutigen Segments Ärzte/Heilwesen wurde 1955 durch die Übertragung des Bestandes der Deutschen Ärzteversicherung an die Colonia gelegt. Die Marke wurde von der Colonia und auch später nach der
Übernahme durch die AXA beibehalten und behielt auch eine eigenständige Rechtsform.
Wie Abbildung 43 zeigt, ist auch der Internetauftritt ganz auf die Zielgruppe ausgerichtet.
-89-
-90-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Abbildung 43: Internetauftritt der Deutschen Ärzteversicherung mit ‚seperate branding‘
Die Marke Deutsche Ärzteversicherung ist noch stärker getrennt von der Marke AXA. Hier
wird klar eine separate Branding-Strategie verfolgt. Deutlich wird damit, dass bei Segmentierungen Kombinationen unterschiedlicher Markenstrategien vorkommen können..240
Die Ergo ist ein Beispiel für eine umfassende Reorganisation der Markenarchitektur. Während die Ergo bislang in Deutschland mit den Einzelmarken Karstadt-Quelle, HamburgMannheimer und Victoria auftrat, wurden im Jahr 2009 die Marken eingestellt. Stattdessen
tritt die Versicherung heute unter dem Namen Ergo bzw. Ergo-Direkt auf. Ein Grund für die
Reorganisation war, dass die Marken nicht auf Kundengruppen spezialisiert waren, sondern
sich stark überlappten. Damit war ein gezieltes Markenmanagement kaum möglich.241
Segmentkampagnen
Nicht immer lohnen sich umfassende Investitionen in Marken. Oft reicht es, wenn einzelne Kampagnen aufgesetzt werden, um ein Segment anzusprechen. Erfolgreiche Segmentkampagnen kombinieren zwei Stoßrichtungen. Zum einen muss eine externe Kommunikation erfolgen, die die Leistung des Unternehmens für die Zielgruppe herausstellt.
Es ist zu prüfen, ob dabei eine gezielte Betonung bereits bestehender Leistungsmerkmale
genügt oder aktionale Besonderheiten entwickelt werden müssen. Ergänzt werden sollten
Segmentkampagnen zum anderen durch Vertriebsmaßnahmen. Hier sollten Anleitungen
zu erfolgreichen Verkaufssituationen, Besonderheiten über die Zielgruppe und die Leistungen des Unternehmens für die Zielgruppe mit Anreizmechanismen kombiniert wer240
Vgl. Fallstudie AXA, Anhang A.4.2.1, S. 278.
241
Experteninterview.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-91-
den. In der Versicherungswirtschaft können dies Provisionen, Provisionsstaffeln oder
andere, nicht-monetäre Anreize wie Wettbewerbe sein. Die Wirkung von Segmentkampagnen reicht oft weit über den eigentlichen Zeitraum hinaus, da bei Kunden wie Vertriebsmitarbeitern ein Lerneffekt eintreten kann.
Die Nationale Suisse nutzt Segmentkampagnen, um die Bearbeitung der Zielgruppe zu intensivieren. Dazu werden neben Informationsoffensiven auch Spezialisten eingesetzt, die den
Agenturen das notwendige Know-How für die Bearbeitung der Kundengruppe bereitstellen.
Auch die Kundenevents werden hier aufgegriffen, indem Agenturen Kunden zu Ausstellungen einladen können. Dies gibt Gelegenheit bestehende Kundenkontakte ausbauen oder neue
Kontakte zu schließen.242
Die Instrumente zum Neukunden-Marketing besitzen eine hohe Akquisitionswirkung und
zielen auf eine große Aufmerksamkeit im Gesamtmarkt. Erfolgreiches NeukundenMarketing braucht innovative Produkte oder Konzepte, damit es gelingt, die Aufmerksamkeit auf das Unternehmen zu richten. Es ist auf Wachstum ausgerichtet und soll damit
die Marktpotenziale besser ausschöpfen.
Kundenstamm-Marketing
Oft ist es leichter, einen bestehenden Kunden zu halten als einen neuen Kunden zu gewinnen. Auch in der Versicherungswirtschaft, in der Kunden langfristige Verträge haben
und eine geringe Reaktivität aufweisen, gilt diese Vermutung. Empirische Untersuchungen zeigen generell, dass Kundenbindung und Unternehmenserfolg in engem Zusammenhang stehen.243 Hinzu kommt, dass Umsatz und Rentabilität im Laufe der Kundenbeziehung steigen.244 In der Versicherungswirtschaft äußert sich dies in geringeren Schadenquoten, besserem Zahlungsverhalten und höheren Cross-Selling-Quoten, je länger die
Kundenbeziehung andauert. Mit Kundenstamm-Marketing sollen diese Effekte genutzt
werden, indem bestehende Kunden enger an das Unternehmen gebunden werden.
Im Zusammenhang mit Segmentierungen sind wichtige Instrumente zum KundenstammMarketing:
· Direkt-Marketing
· Customer-Relationship-Management (CRM)
· Up- und Cross-Selling-Kampagnen
242
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.1, S. 268.
243
Vgl. Coltman et al. 2011, S. 1-15; Leußer et al. 2011, S. 22-30; Reinartz et al. 2004, S. 293-305.
244
Vgl. Belz 1997a, S. 100-101.
-92-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Direkt-Marketing
Direkt-Marketing steht an der Schwelle zwischen früher und später Differenzierung. Direkt-Marketing nutzt Datenbanken und Kundeninformationen, um nach bestimmten Kriterien Kunden auszuwählen und zu kontaktieren.245 Die möglichen Medien reichen dabei
von nicht persönlich adressierten Werbesendungen über E-Mail- und Telefon-Marketing
bis hin zu Botschaften, die direkt auf das Handy des Kunden gesendet werden. 246 Erfolgsfaktoren eines effizienten Direkt-Marketings sind Zielgenauigkeit und Angemessenheit
der Kommunikation. Wenn es gelingt, dem Kunden die richtigen Leistungen zum richtigen Zeitpunkt zukommen zu lassen, kann Direkt-Marketing große Erfolge erzielen.
Grundlage sind aktuelle und zuverlässige Daten über den Kunden und eine umfassende
Auswertung dieser Daten. Wichtig ist dabei auch Permission-Marketing, welches die Bereitschaft und Akzeptanz des Kunden zur persönlichen Ansprache sicherstellt.247 Die hohe
Intimität von Direkt-Marketing kann aber auch zu einer Ablehnung durch den Kunden
oder Abstumpfung gegenüber entsprechenden Maßnahmen führen. Zur Intensivierung
von Kundenkontakten werden eher spitze Direkt-Marketing-Kampagnen z.B. über Kundendatenbanken genutzt. Der Kreativität werden durch den Datenschutz jedoch Grenzen
gesetzt.
Die Möglichkeiten, die Direkt-Marketing bei Segmentierungen eröffnet, sind vielfältig.
Grundsätzlich kann es gelingen, eine Vielzahl von Segmenten mit geringem Aufwand
und wenig Aufmerksamkeit im Markt zu bedienen. Erfolgreiche Ansätze setzen an tatsächlichen Bedürfnissen der Kunden an und bieten Mehrwerte. Sinnvoll ist es, einen Teil
der Einsparungen, die sich durch die intensivere Kundenbeziehung ergeben, an den Kunden weiterzugeben. In der Regel wird z.B. eine erhebliche Provision, die teilweise als
Prämie an den Kunden weitergegeben werden kann.
Customer-Relationship-Management
Auch wenn CRM grundsätzlich auch für die Akquisition neuer Kunden genutzt werden
kann, indem interne Datenbanken mit externen Daten angereichert werden, soll es im
Folgenden eher dem Kundenstamm-Marketing zugeordnet werden. CRM lässt sich dabei
definieren als
„eine kundenorientierte Unternehmensstrategie, die mithilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien versucht, auf lange Sicht profitable Kun245
Vgl. Belz, Bieger 2006a, S. 48.
246
Vgl. Freter 2008, S. 317-322.
247
Vgl. Freter 2008, S. 322-323.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-93-
denbeziehungen durch ganzheitliche und individuelle Marketing-, Vertriebs- und
Servicekonzepte aufzubauen und zu festigen.“248
Für ein umfassendes CRM sollten alle Kundenprozesse erfasst und auf Interaktionsmöglichkeiten hin analysiert werden. Entlang dieser Interaktionspunkte sind spezifische Konzepte zu entwickeln, wie die Wertschöpfung für den Kunden optimiert werden kann.
Grundlage solcher CRM-Systeme sind in der Regel Datenbanken und IT-Anwendungen,
die die Kundenbeziehung erfassen und systematisch auswerten.249 CRM-Systeme sind
aufwändig umzusetzen, erlauben aber eine sehr individuelle und feine Bearbeitung von
Bestandskunden.
Eine besondere Herausforderung ist die Entwicklung einer einheitlichen Kundendatenbank bei mehreren Vertriebswegen. Gerade bei unabhängigen Vertrieben wie sie in der
Versicherungswirtschaft dominieren ist eine zentrale Kundenerfassung oft schwierig.
Dies beginnt oft schon mit der fehlenden Sicht über die Produktsparten hinweg. Vertriebe
nutzen oft eigene Systeme zur Pflege von Kundendaten, nicht zuletzt um eine „Einmischung“ zu verhindern. Es muss gelingen, den Mehrwert einer zentralen Kundendatenpflege herauszustellen und Vorteile für Vertriebspartner aufzuzeigen.
Um die Wertschöpfung für den Kunden zu optimieren, ist eine Verankerung des CRM in
der Führung des Unternehmens sicherzustellen. Es müssen eigene Teamstrukturen vorgehalten und die Kompetenz gebündelt werden.
Die Mobiliar hat eine eigene CRM-Abteilung im Marketing, die gleichzeitig die Segmentierung verantwortet. So ist eine inhaltliche Nähe zwischen Segmentierung und CRM sichergestellt und das CRM kann die Segmentierung erfolgreich unterstützen.250 Insgesamt spielt das
CRM der Segmentierung der Mobiliar eine große Rolle.
CRM-Systeme sind dann der Rahmen, in dem weitere Maßnahmen zum KundenstammMarketing eingebettet werden sollten. So gelingt eine umfassende und ganzheitliche Betrachtung der Kunden. Eine Kombination interner und externer Daten ist zudem eine effektive Möglichkeit, um Kundenakquisition und Kundenstamm-Marketing zu verbinden.
Die Allianz Suisse nutzt ein umfassendes CRM-System im Rahmen ihrer Segmentierung.
Dieses baut auf einem integrierten Datenmodell auf, in dem alle Kundendaten und Interaktionen mit dem Kunden gespeichert werden. Die Kundendaten werden durch Marktforschungsergebnisse und statistische Methoden angereichert. Das CRM-System ist Ausgangspunkt für alle Stammkunden-Maßnahmen wie Loyalitätsprogramme, Stornoprogramme, Ra-
248
Leußer et al. 2011, S. 18.
249
Vgl. Hippner et al. 2006b, S. 45-75; Hippner et al. 2006a, S. 75-96.
250
Vgl. Fallstudie Die Mobiliar, Anhang A.1.2.1, S. 241.
-94-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
battmanagement, Kundenbindungsinitiativen und Customer Care, dient aber auch als Grundlage für Produktentwicklung und Werbung.251
Up- und Cross-Selling
Up- und Cross-Selling bezeichnen die Möglichkeit, mit einem Kunden mehrere Geschäfte einzugehen.252 Unter Up-Selling wird der Kauf eines höherwertigen Produktes der gleichen Kategorie oder die Zuwahl von Leistungserweiterungen verstanden, wohingegen
Cross-Selling der Kauf eines Produktes einer anderen Kategorie oder sogar Branche ist.
In der Literatur werden viele Einflussfaktoren auf den Erfolg von Cross- und Up-SellingInitiativen untersucht. Eine besondere Bedeutung hat der Vertrieb. Hier muss einerseits
die Bereitschaft erzeugt werden, Cross-Selling zu betreiben. Andererseits sind aber auch
die richtigen Informationen entscheidend. Oft spezialisieren sich Agenturen auf bestimmte Produkte wie Sachversicherungen oder Vorsorge. Hier müssen Mitarbeiter geschult
werden, um die Voraussetzungen für Cross-Selling zu schaffen. Ein enger Zusammenhang besteht auch zum CRM-System. Idealerweise werden Kundenanlässe wie Hochzeit,
Umzug oder Geburt eines Kindes im CRM-System erfasst und zusammen mit einem
Vorschlag an die Agentur verschickt. So lassen sich Cross-Selling-Potenziale gezielt heben und wertvolle Vertriebszeit sinnvoll nutzen.
Instrumente zum Kundenstamm-Marketing sind deutlich treffsicherer und fokussierter.
Streuverluste werden vermieden, weil von vornherein eine viel klarer abgegrenzte Zielgruppe definiert werden kann. Zudem ist über die Kunden im Laufe der Kundenbeziehungen eine Vielzahl von Informationen angefallen, die nun genutzt werden können.
Wichtige Aussagen über den Kunden wie Risikoneigung, Kaufverhalten und Präferenzen
lassen sich aus den bestehenden Daten – so sie denn umfassend ausgewertet werden –
ableiten. Auch die Rentabilität des jeweiligen Kunden oder der Kundengruppe ist klar
erkennbar. Damit können die Maßnahmen von vornherein auf attraktive Kunden fokussiert werden. Kundenstamm-Marketing kann auch einen erheblichen strategischen Wettbewerbsfaktor in stark umkämpften Märkten darstellen. Wer die Informationen über seine Kunden geschickter und umfassender nutzt als Wettbewerber, muss nicht in teure
Neuakquisitionen investieren, sondern sichert wertvolle Kunden gegen Abwerbungsversuche der Konkurrenz.
Die Eigenschaften der beiden Gestaltungsoptionen sind in Tabelle 3 noch einmal dargestellt.
251
Vgl. Fallstudie Allianz Suisse, S. 252; El Hage 23.03.2009, S. 24.
252
Vgl. Freter 2008, S. 414-415.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Neukunden-Marketing
-95-
Kundenstamm-Marketing
·
Akquisition und Generierung von Aufmerksamkeit
·
Starke Fokussierung und geringe Streuverluste
·
Chance und Pflicht zur Innovation
·
Ausbau von Wettbewerbsvorteilen
·
Wachstum
·
Profitabilität
·
Gewinnung neuer Kunden
·
Bindung bestehender Kunden
·
Ausschöpfung des Marktpotenzials
·
Ausschöpfung des Kundenpotenzials
Tabelle 3: Eigenschaften von Neukunden- und Kundenstamm-Marketing
Neukunden-Marketing eignet sich zur Akquise neuer Kunden und sollte daher bei Partikularen und Extensiven Segmentierungen eingesetzt werden sollte. Mit KundenstammMarketing können bestehende Wettbewerbsvorteile ausgebaut werden, weshalb sie sich
für Selektive und Intensive Segmentierungen eignen. Dies wird durch die Fallstudien bestätigt. So lassen sich die Instrumente bei AXA und Nationale Suisse eher dem Neukunden-Marketing zurechnen, wohingegen Mobiliar und Allianz Suisse setzen eher auf Kundenstamm-Marketing setzen.253
4.1.2.2 Integrationsgrad der Leistung
Eine weitere Möglichkeit, die Differenzierung der Marktbearbeitung zu systematisieren,
besteht in der Betrachtung des Integrationsgrades der Leistung. BELZ spricht von Leistungssystemen, wenn Unternehmen Probleme ihrer Kunden umfassender lösen, indem sie
nicht mehr reine Produkte anbieten, sondern integrierte Lösungen für spezifische Kundengruppen schaffen.254
Nicht immer eignen sich solche stark integrierten Leistungssysteme, und auch weniger
umfassende Ansätze können erfolgreich sein. Leistungssystemen soll daher ein Produkt+Ansatz gegenübergestellt werden.255 Dabei steht das Kernprodukt des Anbieters im Mittelpunkt und wird um einzelne Services ergänzt. Abbildung 44 stellt die Gestaltungsoptionen in Bezug auf den Integrationsgrad der Leistung noch einmal dar.
253
Vgl. Fallstudie Die Mobiliar, Anhang A.1.2.1, S. 237ff; Fallstudie Allianz Suisse, A.2.2.1, S. 250ff; Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.1, S. 263ff; Fallstudie AXA, Anhang. A.4.2.1, S. 274ff..
254
Vgl. Belz 1997c, S. 20.
255
Vgl. Belz, Bieger 2006b, S 223-236. Hinweis: Produkt+ kann Teil eines Leistungssystems sein.
-96-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Produkt+
Leistungssysteme
+
- Produkt steht im Vordergrund
- Ergänzung durch
Dienstleistungen
- Unterscheidung zwischen
- Muss-Leistungen
- Soll-Leistungen
- Kann-Leistungen
- Keine Integration
- Produkt wird zu einem
Element umfassender
Systeme
- Hoher Integrationsgrad der
Leistungen
- Verrechnung der Leistungen
Abbildung 44: Gestaltungsoptionen bei der Integration der Leistung
Produkt+
Versicherungsleistungen, insbesondere Vorsorge- und Krankenversicherungen, sind in
hohem Maße erklärungsbedürftig, immateriell und hängen stark von der Interaktion von
Kunde und Unternehmen ab.256 Die Versicherungsleistung – so man sie denn als Produkt
bezeichnet – sollte daher gezielt um weitere Dienstleistungen wie Beratung oder Hilfe bei
der Schadenabwicklung ergänzt werden.
Den Produkt+-Ansatz zeichnet dabei aus, dass er angebotsorientiert ist und damit vom
Kernprodukt des Anbieters ausgeht. Dienstleistungen ergänzen das Kernprodukt, haben
aber nicht den gleichen Stellenwert. Die Erweiterung beginnt bei produktnahen Services.257 Typisches Merkmal von Produkt+-Ansätzen ist, dass die Dienstleistungen nicht
verrechnet werden, sondern als Hilfsleistungen für das Kernprodukt mit verkauft werden.
Dies macht bereits die Dominanz des Kernproduktes deutlich. Darüber hinaus sind Produkt+-Ansätze nicht zu einer umfassenden Lösung des Kundenproblems integriert, sondern sind angebotsfokussiert. 258
Zusätzliche Dienstleistungen beim Produkt+-Ansatz lassen sich in drei Kategorien unterteilen:
· Muss-Dienstleistungen: Werden von nahezu allen Anbietern einer Branche angeboten und vom Kunden erwartet (beispielsweise Hilfe im Schadensfall, Beratung).
Werden Muss-Dienstleistungen nicht angeboten, führt dies zu einer stark negativen Kundenwahrnehmung.
256
Vgl. Haller et al. 2006, S. 654-655.
257
Vgl. Belz, Bieger 2006b, S. 223-224.
258
Vgl. Meffert 2000, S. 442-448.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-97-
· Soll-Dienstleistungen: Werden vom Kunden als positive Dienstleistungen wahrgenommen, wenn sie angeboten werden, aber nicht erwartet (beispielsweise kostenlose Hotline, Schadensabwicklung in der Agentur).
· Kann-Dienstleistungen: Werden als innovative Zusatzleistungen wahrgenommen,
die in der Branche eher unüblich sind (z.B. Gesundheitsberatung oder Programme
zur Raucherentwöhnung in der Krankenversicherung).
Gerade durch Kann-Dienstleistungen lassen sich standardisierte Produkte leicht an die
Bedürfnisse einer Kundengruppe anpassen.
Die Mobiliar bietet für das Segment Junge Leute ausgewählte Dienstleistungen an, die der
Kategorie Kann-Dienstleistungen zugeordnet werden können. So erhalten Jugendliche, die
bei der Mobiliar versichert sind, die Erlebnis Euro<26 kostenfrei und zudem einen weltweiten Personen-Assisstance-Schutz, der den Karteninhaber im Falle eines Unfalls kostenfrei
nach Hause bringt. So werden Standardprodukte der Mobiliar durch Zusatzleistungen an die
Bedürfnisse der Kundengruppe angepasst. Die Dienstleistung ist für die Mobiliar sehr leicht
anzubieten, da sie durch einen externen Partner erbracht wird.259
Mit dem Plus von AXA biete die AXA ein eigenes Internetportal mit Dienstleistungen und
Mehrwerten, die von Kunden in Anspruch genommen werden können. Die Leistungen reichen von vergünstigten Handy-Verträgen bis hin zu Reisegutscheinen. Die Leistungen werden in der Regel zu günstigeren Konditionen als im Einzelhandel zur Verfügung gestellt. Sie
sind aber nicht direkt mit den Produkten verbunden sondern nur als Zusatzleistung lose
kombiniert.260
Produkt+ stellt geringe Anforderungen an das Unternehmen. Die Leistungen sind einfach
zu erbringen und leicht kombinierbar. Allerdings ist es mit dem Ansatz kaum möglich,
Synergien zu nutzen. Damit entsteht aus Kundensicht nur dann ein Vorteil, wenn die
Leistung kostenfrei oder stark subventioniert angeboten wird.
Leistungssysteme
Leistungssysteme sind mehr als nur eine Weiterentwicklung von Produkt+-Ansätzen. Sie
zeichnen sich durch sechs Prinzipien aus: 261
· Integrationsprinzip: Die Leistungen werden integriert, sodass Synergien entstehen.
· Verrechnungsprinzip: Es muss gelingen, die Mehrleistungen zu kommerzialisieren
und damit zu verrechnen.
259
Vgl. Fallstudie Mobiliar, Anhang A.1.2.1, S. 239.
260
Gefunden im Internet: AXA Konzern AG 2011.
261
Vgl. Belz, Bieger 2006, S. 32-34.
-98-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
· Partizipations- und Erklärungsprinzip: Leistungssysteme entstehen in der engen
Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Kunde. Sie sind in der Regel nicht selbsterklärend, sondern setzen eine geeignete Kommunikation voraus.
· Evolutionsprinzip: Leistungssysteme sind dynamisch im Einklang mit den Anforderungen der Kunden weiterzuentwickeln und zu verbessern.
· Langfristigkeitsprinzip: Leistungssysteme lassen sich nur über einen längeren
Zeitraum hinweg aufbauen.
· Relevanzprinzip: Leistungssysteme müssen sich auf für den Kunden relevante Bereiche konzentrieren.
In Abbildung 45 ist dargestellt, wie sich Leistungssysteme entwickeln lassen. Ausgangspunkt ist ein Produkt, um welches sich mehrere Schalen mit Wertschöpfungselementen
für den Kunden legen lassen.
6 Emotionales Profil und Kundenerlebnis
5 Integriertes Produktmanagement
4 Integration der Leistung
3 Dienstleistungen
2 Sortiment
1 Produktsystem
0 Produkt
Abbildung 45: Schalen eines Leistungssystems262
Leistungssysteme stellen an Anbieter hohe Anforderungen. In der Literatur werden umfassende Anleitungen und Erfolgsfaktoren für Leistungssysteme beschrieben. Besonders
wichtig scheinen:263
· Echte Kundenvorteile generieren: Es reicht nicht, geringfügige Nebenaspekte zu
bedienen. Für den Kunden muss der Beitrag zur Problemlösung unmittelbar deutlich werden.
262
In Anlehnung an Belz 1997c, S. 21.
263
Siehe ausführlicher Belz 1997c, S. 28.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-99-
· Tiefes Kundenverständnis: Oft bleiben Lösungen zu oberflächlich, weil das Kundenproblem nicht in seiner gesamten Komplexität erfasst wurde. Meist ist es nur
möglich, Leistungssysteme zu entwickeln, wenn Kunden an der Entwicklung beteiligt werden.
· Kompetenzen aufbauen: Unternehmen müssen zum kompetenten Partner ihrer
Kunden werden. Dies betrifft das gesamte Leistungssystem. Wo es nicht gelingt,
Kompetenzen zu entwickeln, ist es besser, Leistungen von Partnern zu integrieren,
als halbherzige Lösungen zu bieten.
· Wirkungsschwelle beachten: Nur Leistungen, die echten Mehrwert bringen, sollten
aufgenommen werden. Eine Sammlung unspezifischer Leistungen fördert Komplexität ohne für Kunden Mehrwert zu leisten.
Je komplexer das Kundenproblem, desto aufwändiger, aber auch ergiebiger sind Leistungssysteme. Noch ist die Möglichkeit zu Leistungssystemen in der Versicherungswirtschaft viel zu wenig ausgeschöpft. Kunden suchen umfassenden Schutz, keine Teilabsicherungen, die sie häufig nicht verstehen.264
Leistungssysteme finden sich bei AXA. Der Plan 360 Grad systematisiert Lösungen für unterschiedliche Zielgruppen. Die Grundlogik ist immer die gleiche und besteht aus Analyse
der Kundensituation, Beratung und spezifischen Produktlösungen. Für jedes Kundensegment
setzen sich die Einzelleistungen individuell zusammen. Dies vereinfacht den Verkauf der
Lösung im Vertrieb und sorgt für gleichmäßig hohe Qualität.265 Abbildung 46 stellt den Plan
360 Grad schematisch dar.
264
Vgl. dazu auch Haller et al. 2006, S. 642-649.
265
Vgl. Fallstudie AXA, S. 276.
-100-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Abbildung 46: Der Plan 360 Grad266
Umfassende Leistungssysteme bietet auch die Deutsche Ärzteversicherung: Angehenden
Ärzten werden bereits im Studium wertvolle Tipps zur Klausurenvorbereitung und Gelegenheit zum Austausch über das Medi-Learn-Internetforum geboten. Die Deutsche Ärzteversicherung wird zum Ansprechpartner bei allen finanziellen Herausforderungen, die sich im
Berufsleben eines Arztes stellen. Durch die Kooperation mit der Deutschen Ärzte- und Apothekerbank werden beispielsweise Niederlassungskonzepte erarbeitet und Praxisfinanzierungen entwickelt. Versicherungsprodukte sind ein Element des Leistungssystems, aber bei
Weitem nicht das einzige.267
Bei der Allianz Suisse lässt sich ein Leistungssystem erkennen, welches insbesondere auf
das Kundestamm-Marketing setzt. Dazu wird Gewerbekunden ein umfassendes Flottenmanagement angeboten. Kernstück des Flottenmanagements ist eine Onboard-Unit, welche
Flottenbetreiber in die Fahrzeuge einbauen. Diese Onboard-Units ermöglichen Kunden, die
Position der Fahrzeuge zu orten und die Routenplanung zu optimieren. Gleichzeitig fungieren die Onboard-Units als Unfalldatenschreiber, die die letzten Sekunden vor einem Unfall
aufzeichnen und automatisch die Unfallleitzentrale der Allianz Suisse benachrichtigen. Damit lassen sich die Schadenkosten für die Allianz senken und gleichzeitig erheblichen
Mehrwert für Kunden erzeugen. Das System schützt die Kunden in hohem Maße gegen Abwerbungsversuche der Konkurrenz, da die Allianz Suisse mit den umfassenden Bewegungsdaten, die die Onboard-Units erzeugen, eine deutlich präzisere Schadenerwartung ermitteln
kann und damit geringere Sicherheitsmargen auf die Preise aufschlagen muss als die Konkurrenz.268
Gelingt es, Leistungssysteme aufzubauen und rentabel zu betreiben, sind außerordentliche Wettbewerbsvorteile und Differenzierungen möglich. Statt alle Elemente des Leis266
AXA Konzern AG 2009, S. 13.
267
Vgl. Fallstudie AXA, S. 279.
268
Vgl. Allianz Suisse 2009; Fallstudie Allianz, S. 253.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-101-
tungssystems zu differenzieren, reicht es manchmal, wenn nur die für die Kundengruppe
wichtigsten Elemente angepasst werden. Solche wichtigen Elemente werden als Ankerleistungen bezeichnet, die das Leistungssystem eng mit der Kundengruppe verknüpfen.
Abbildung 47 zeigt, wie ein Leistungssystem durch Ankerleistungen an zwei Segmente
angepasst wird.
Segment 1
Leistungssystem
Segment 2
Kundenerlebnis
Services
Produktsystem
Produkt
Ankerleistung
Ankerleistung
Abbildung 47: Wirkung von Ankerleistungen
Wichtige Eigenschaften der beiden Gestaltungsoptionen sind in Tabelle 4 noch einmal
dargestellt.
Produkt+
·
Leichte Anpassung von Produkten an Ziel-
Leistungssysteme
·
gruppen
Umfassende und dauerhafte Wettbewerbsvorteile
·
Fokussierung auf Kernleistung
·
Enge Bindung der Kunden
·
Einfache Vermarktung von KannDienstleistungen bei geringem Organisationsaufwand
·
Innovationen
·
Erfolgreicher Schutz gegen Wettbewerber
bei substantiellen Systemen
Tabelle 4: Eigenschaften von Produkt +-Ansätzen und Leistungssystemen
Vergleicht man die Fallstudien wird deutlich, dass AXA und Nationale Suisse Leistungssysteme für die Segmente entwickeln. Die Mobiliar und Nationale Suisse bauen dagegen
eher auf Produkt+-Ansätze.269 Dies lässt, zusammen mit den diskutierten Eigenschaften
der beiden Gestaltungsoptionen, den Schluss zu, dass Produkt+-Ansätze sich vor allem
für Segmentierungen eignen, die keine besonders große Bedeutung im Unternehmen haben. Dies betrifft in erster Linie Selektive Segmentierungen und Partikulare Segmentierungen. Leistungssysteme erlauben dagegen umfassende Wettbewerbsvorteile, was bei
269
Vgl. Fallstudie Die Mobiliar, Anhang A.1.2.1, S. 237ff; Fallstudie Allianz Suisse, A.2.2.1, S. 250ff; Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.1, S. 263ff; Fallstudie AXA, Anhang. A.4.2.1, S. 274ff..
-102-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
umfassenden Segmentierungen wichtig ist. Dazu gehören Intensive und Extensive Segmentierungen.
4.1.3
Organisationsmodell
In Bezug auf das Organisationsmodell sollen die Verankerung der Segmentverantwortung und die Ausrichtung des Unternehmens untersucht werden. Anschließend werden
generische Organisationsmodelle aus den Gestaltungsoptionen abgeleitet.
4.1.3.1 Verankerung der Segmentfunktion
Segmentierungen haben – in welcher Form auch immer – Auswirkungen auf die Organisation eines Unternehmens. Dies wurde in fast allen Experteninterviews ebenso wie in
der standardisierten Befragung deutlich. Obwohl in der Literatur oft betont wird, wie
wichtig die Verankerung der Segmentierung in der Organisation ist, wird diese Frage
bislang kaum differenzierter betrachtet.270
Um sich dieser Frage zu nähern, muss zunächst zwischen dem zentralen Marketing und
der eigentlichen Segmentfunktion unterschieden werden. Die Segmentfunktion nimmt die
Aufgaben wahr, die im Rahmen einer Segmentierung anfallen. Diese können grob in die
Funktionen Planung, Umsetzung, operative Steuerung und Kontrolle unterteilt werden,
denen sich wiederum die Detailaufgaben zuordnen lassen. Tabelle 5 stellt diese dar.
270
Vgl. Dibb, Simkin 2001, S. 610-612; Piercy, Morgan 1993, S. 128-129. Ausführlicher auch Kapitel 2.3.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Planung
Umsetzung
-103-
·
Analyse von Kundenbedürfnissen
·
Identifikation von Segmenten
·
Definition von Segmentstrategien
·
Ableitung von Auswirkungen auf den Marketing Mix
·
Entwicklung von Produktskizzen
·
Machbarkeitsstudien für die Umsetzung der Segmentstrategien
·
Abstimmung mit relevanten Schnittstellen wie Produktbereichen,
Vertrieb und IT
·
Realisierung von Produktideen, Anpassung von bestehenden Produkten und Services, Veränderungen im Vertrieb etc.
Operative Steuerung
Kontrolle
·
Planung und Umsetzung von Segmentkampagnen
·
Vertriebsschulung und -motivation
·
Unterjährige Produktmodifikationen
·
Vertriebswegesteuerung und Profitabilitätsmaßnahmen
·
Konzeption und Einleitung von Gegenmaßnahmen (Vertriebsoffensiven, Bestandssanierungen etc.)
·
Umsetzungscontrolling für die Segmentierung
·
Regelmäßige Berichte zur Entwicklung wesentlicher Kennzahlen
(Profitabilität, Umsatz, Anzahl Kunden etc.) je Segment
·
Analysen von Soll- Ist-Abweichungen
·
Bericht an Vorstand und Steuerungsgremien
Tabelle 5: Typische Segmentfunktionen und Detailaufgaben
Die Segmentfunktion kann für alle Segmente im Unternehmen verantwortlich sein. In
diesem Fall handelt es sich um eine zentrale Segmentfunktion. Es gibt aber auch dezentrale Segmentfunktionen. In diesem Fall existiert für jedes Segment eine eigene Segmentfunktion. Diese sind dann in der Regel auch nicht Teil des zentralen Marketings, sondern
an anderer Stelle im Unternehmen aufgehängt.
Die Gestaltungsoptionen bei der Verankerung der Segmentverantwortung sollen damit
als Zentralisierung oder Dezentralisierung beschrieben werden.271 Bei einer zentralen
Segmentverantwortung wird eine Segmentfunktion gebildet, die die Verantwortung für
271
Vgl. im Bezug auf die Steuerung von internationalen Geschäftseinheiten in ähnlicher Form Müller-Stewens,
Lechner 2005, S. 312-314.
-104-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
alle Segmente im Unternehmen besitzt. Bei einer dezentralen Segmentverantwortung
wird für jedes einzelne Segment eine Segmentfunktion gebildet, die weitgehend unabhängig von den übrigen Segmenten agieren kann. Abbildung 48 stellt die Gestaltungsoptionen dar.
Zentrale Segmentfunktion
Dezentrale Segmentfunktion
- Segmente werden in
dezentralen
Segmentfunktionen
verantwortet
- Jedes Segment wird
dezentral gesteuert
- Segmentierung wird in einer
zentalen Segmentfunktion
verantwortet
- Alle Segmente werden
übergreifend gesteuert
Abbildung 48: Gestaltungsoptionen bei der Verankerung der Segmentverantwortung
Zentralisierung der Segmentverantwortung
Bei einer Zentralisierung der Segmentverantwortung wird diese in Form einer übergreifenden Segmentfunktion verankert. Alle Segmente, die das Unternehmen erschließt, werden aus der Segmentfunktion heraus gesteuert.
Die Mobiliar hat eine zentrale Segmentfunktion (SF). Diese ist im zentralen Marketing aufgehängt. Das zentrale Marketing ist nach Funktionen aufgestellt, wobei die Verantwortung
für die Segmentierung im gleichen Bereich wie das CRM liegt. Das Marketing ist innerhalb
des Vertriebes (VT) aufgehängt. Abbildung 49 stellt dies dar.
CEO
P1
P2
SF
SF
VT/MKT
MKT
VT
SF
Abbildung 49: Verankerung der Segmentverantwortung bei der Mobiliar
Der Vorteil dieser Verankerung liegt in der engen Zusammenarbeit zwischen CRM und
Segmentierung.272
272
Vgl. Fallstudie Mobiliar, S. 241.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-105-
Bei der Allianz Suisse wurden die Segmentaufgaben ebenfalls zentralisiert. Hier wurde allerdings im Zuge des Umbaus der Organisation das Marketing auf gleicher Höhe wie die
Produktsparten installiert. Dies wird in Abbildung 50 dargestellt.
CEO
P
VT
MKT
…
SF
S1
S2
Sn
Abbildung 50: Verankerung der Segmentverantwortung bei der Allianz Suisse273
Eine andere Struktur hat die Generali Schweiz gewählt. Die Generali nutzt eine Selektive
Segmentierung, ähnlich wie die Mobiliar. Hier wird die Segmentierung ausschließlich über
Projekte verantwortet. Nach Projektabschluss werden die Ergebnisse in die Linien übergeben. Diese Struktur hat den Vorteil, dass sie eine sehr hohe Flexibilität aufweist. Der Nachteil besteht darin, dass immer wieder aufwändige Projekte entwickelt werden müssen, wenn
an der Segmentierung Änderungen vorgenommen werden. Angesichts der noch geringen
Bedeutung der Segmentierung überwiegen hier jedoch aus Sicht der Generali klar die Flexibilitätsvorteile.274
Die Vorteile einer solchen zentralen Verantwortung liegen zum einen in einer hohen
Standardisierung und damit in einer gleichmäßig hohen Qualität bei der Durchführung
der Aufgaben. So können regelmäßige Kundenbefragungen von Spezialisten durchgeführt und Segmentkampagnen nach gleichen Kriterien ausgewählt und umgesetzt werden.
Dies fördert auch den Know-How-Transfer zwischen den Segmenten. Zum anderen wird
die Segmentierung durch die zentrale Verantwortung gut steuerbar. Es können klare Vorgaben gemacht und im Rahmen der bestehenden Führungsstruktur im Unternehmen umgesetzt werden. Dies ist insbesondere wichtig, wenn die Segmentierung hohe Anforderungen an die Steuerung stellt. Dies ist beispielsweise bei einer Inside-Out-Auswahl der
Segmente der Fall, da hier bestehende Fähigkeiten im Unternehmen neu kombiniert werden müssen.
Ein Nachteil einer zentralisierten Verantwortung liegt in einer oft großen Distanz zur
Kundengruppe. Verglichen mit anderen Einheiten wie Vertrieb oder Kundenservice ist
eine zentrale Segmentfunktion oft weit entfernt von der Verkaufsrealität, was sich nicht
selten in eher theoretischen Ansätzen zur Segmentbearbeitung bemerkbar macht. Kun273
Vgl. Fallstudie Allianz Suisse, S. 256.
274
Experteninterview.
-106-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
denbefragungen und Markterhebungen können dies meist nur unvollständig ausgleichen.
Hinzu kommt, dass die zentrale Segmentfunktion zum Engpass der Segmentbearbeitung
wird. Ein bis zwei Programme können aus der Zentrale heraus getrieben werden. Aber
die Einführung solcher Programme insbesondere im Vertrieb ist zeit- und ressourcenintensiv.
Dezentralisierung der Segmentverantwortung
Bei einer dezentralen Verantwortung werden die Segmentaufgaben aus dezentralen Funktionsbereichen heraus bearbeitet. Sowohl das Competence Center der Nationale Suisse
als auch die Segmentmanagement-Teams der AXA sind hierfür gute Beispiele.
Bei der AXA wurden eigenständige Segmentmanagement-Teams gegründet, die jeweils mit
direkter Vorstandsverantwortung unterhalb des CEO aufgehängt wurden. Abbildung 51 stellt
dies dar. Dabei sind die Segmentvorstände jeweils in Doppelverantwortung für ein Segment
und einen Produktbereich zuständig. 275
CEO
S1
S2
S3
SF
SF
SF
PP
P
VT/MKT
SF
SF
Abbildung 51: Verankerung der Segmentverantwortung bei der AXA
Die Nationale Suisse hat die Segmentverantwortung in einem Competence Center (CC) unterhalb des CEO-Office verankert. Dies gilt insofern als dezentrale Verantwortung, weil zum
einen das zentrale Marketing keinen Einfluss auf die Segmentierung hat und zum anderen für
weitere Segmente eigene Competence Centers gegründet werden müssten. Abbildung 52 gibt
die Organisationsstruktur schematisch wieder.276
CEO
CEOOffice
P1
P2
VT/MKT
SF
SF
SF
CC
SF
Abbildung 52: Verankerung der Segmentverantwortung bei der Nationale Suisse
275
Vgl. Fallstudie AXA, S. 280.
276
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, S. 266.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-107-
Solche dezentralen Strukturen haben den Nachteil, dass sie leicht zu Komplexität führen
und die Qualität bei der Segmentbearbeitung nicht immer einheitlich ist. Außerdem sind
sie aufgrund der geringeren Standardisierungsvorteile oft teurer und deutlich schwerer zu
steuern als zentrale Segmentierungen, insbesondere wenn mehrere Segmente existieren.
Dezentral verankerte Segmentierungen bieten auch einige wichtige Vorteile. So sind die
Verantwortlichen meist sehr nah am Vertrieb und am Kundenservice. Bei der Nationale
Suisse lässt sich dies ebenso beobachten wie bei der AXA, wo Führungskräfte aus dem
Vertrieb in das Segmentmanagement-Team abgestellt werden. Die Bedürfnisse der Zielgruppen und sich ergebende Marktchancen werden dadurch unmittelbarer erkannt als bei
einer zentralen Segmentverantwortung. Damit können dezentral verantwortete Segmentierungen erhebliche Eigendynamik und Kraft entwickeln. Es wird möglich, dass die
Segmente Chancen erkennen, eigenständige Lösungen identifizieren und die Umsetzung
im Unternehmen vorantreiben. Dieses „Business Development“, bei dem Kontakte zu
Vertriebspartnern unterhalten werden, Marktchancen aktiv entwickelt und oft viele Unternehmensbereiche geschickt zum Zusammenarbeiten gebracht werden müssen, fällt
einer zentralen Segmentfunktion oft deutlich schwerer.
Wichtige Eigenschaften der beiden Gestaltungsoptionen werden im Folgenden zusammengefasst:
Zentralisierung
Dezentralisierung
·
Einheitliche Qualitätsstandards
·
Hohe Marktnähe der Segmentfunktion
·
Know-How-Transfer
·
·
Gute Steuerbarkeit
Kreative Lösungen durch Nutzung dezentralen Know-Hows
·
Zentrale Segmentfunktion als Engpass
·
Eigendynamik und Kraft
·
Komplexität und uneinheitliche Lösungen
Tabelle 6: Eigenschaften von Zentralisierung und Dezentralisierung
Wie bereits bei der Diskussion der Gestaltungsoptionen deutlich wurde, nutzen die Mobiliar und Allianz Suisse eine zentrale Segmentfunktion. AXA und Nationale Suisse haben
dagegen dezentrale Segmentfunktionen entwickelt.277 Eine zentrale Segmentverantwortung eignet sich bei Segmentierungen, die sich auf den bestehenden Markt konzentrieren.
Hier kommt es auf einheitliche Vorgehensweisen und die geschickte Rekombination bestehender Stärken und Fähigkeiten an. Zentrale Segmentfunktionen sollten daher bei Selektiven und Intensiven Segmentierungen gebildet werden. Dezentrale Segmentverant277
Vgl. Fallstudie Die Mobiliar, Anhang A.1.2.1, S. 237ff; Fallstudie Allianz Suisse, A.2.2.1, S. 250ff; Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.1, S. 263ff; Fallstudie AXA, Anhang. A.4.2.1, S. 274ff..
-108-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
wortungen eignen sich bei Segmentierungen, die auf neue Segmente ausgerichtet sind,
weil hier Marktnähe und Innovation wichtig sind. Dies betrifft Partikulare und Extensive
Segmentierungen.
4.1.3.2 Ausrichtung des Unternehmens
Neben der Frage nach der Zentralisierung oder Dezentralisierung der Segmentfunktion
stellt sich aber auch die Frage, ob Unternehmen ihr bestehendes Organisationsmodell für
die Segmentierung grundsätzlich verändern. Unternehmen können nach zahlreichen Kriterien z.B. nach Produktgruppen, nach Funktionen oder nach Regionen organisiert sein.
Es wäre naheliegend, das Unternehmen im Zuge einer Segmentierung nach Kundensegmenten aufzustellen.278 Das setzt in der Regel eine umfassende Reorganisation voraus.
Offensichtlich erfolgt diese aber nicht in allen Unternehmen. In den Experteninterviews
zeigte sich, dass viele Unternehmen trotz einer Segmentierung weiterhin nach Produkten,
Regionen oder Funktionsbereichen organisiert sind.
In Bezug auf die Ausrichtung des Unternehmens wird in der Literatur zwischen kundenorientierten und produktorientierten Unternehmen unterschieden.279 In der Versicherungswirtschaft ist von Seiten der Regulierungsbehörden allerdings eine Spartentrennung
und damit eine nach Produktsparten getrennte Berichterstattung und Steuerung des Unternehmens vorgesehen.280 Eine vollständig nach Kundengruppen ausgerichtete Aufstellung der Unternehmen, wie sie in einigen anderen Industrien vorkommt,281 ist daher nicht
zu erwarten. Es wird in den Fallstudien aber deutlich, dass das Ausmaß der Kunden- bzw.
Produktorientierung unterschiedlich ausgeprägt ist. Als wesentliches Indiz für die Ausrichtung der Unternehmensstrukturen soll die Aufstellung der ersten Führungsebene genutzt werden.
Während Nationale Suisse und Mobiliar keine Kundensegmente auf der ersten Ebene
installiert haben, haben sowohl AXA als auch Allianz Suisse Vorstandsressorts geschaffen, die für alle oder einzelne Kundensegmente verantwortlich sind.
Trotz der Spartentrennung, die auch in diesen Fällen weiter bestehen bleibt, kann also
zwischen produktorientierten und kundenorientierten Unternehmensausrichtungen differenziert werden. Die Wahl der Ausrichtung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Seg-
278
Vgl. Homburg et al. 2000, S. 459-478.
279
Vgl. Homburg et al. 2000, S. 468.
280
Vgl. Albrecht, Schradin 2004, S. 17.
281
Vgl. Homburg et al. 2000, S. 459-478.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-109-
mentfunktion. Bei produktorientierten Unternehmen ist dieser auf niedriger Ebene aufgehängt, bei kundenorientierten Unternehmen dagegen auf höherer Ebene.
Abbildung 53 stellt die Gestaltungsoptionen bei der Wahl der Ausrichtung des Unternehmens dar.
Produktorientierung
- Segmentverantwortung wird
zusätzlich zur
Produktorientierung
eingeführt
- Produktverantwortung auf
Vorstandsebene
- Segmentverantwortung
auf 2er oder 3er
Führungsebene
- Vorrang von Vertrieb und
Produktsparten
Kundenorientierung
- Das Unternehmen wird nach
Segmenten aufgestellt.
Produkte werden je Segment
gesteuert
- Segmentverantwortung
auf Vorstandsebene
- Augenhöhe zwischen
Segmenten und Produkt /
Vertrieb
- Vorrang der Segmente, z.B.
bei Produktentwicklung
Abbildung 53: Gestaltungsoptionen bei der Ausrichtung des Unternehmens
Produktorientierung
Produktorientierte Unternehmensstrukturen sind typischerweise dadurch gekennzeichnet,
dass auf erster Führungsebene die Verantwortung für die Produktsparten liegt. Die Segmentierung wird bei produktorientierten Unternehmen meist im Marketing auf dritter
Ebene unterhalb des Vertriebsvorstandes angesiedelt. Dies führt leicht zu einer fehlenden
Schlagkraft der Segmentierung. Es fällt den Verantwortlichen aus diesem Grund schwer,
sich gegen die Produktsparten durchzusetzen.
Da bei produktorientierten Unternehmen das Kräfteverhältnis unausgeglichen ist, weil
die Steuerung in erster Linie nach Produkten erfolgt und auch die Sparten hierarchisch
höher angesiedelt sind, ergibt sich in der Praxis ein Vorrang der Produkte vor dem Segment. Ähnlich ist die Situation im Vertrieb: Auch hier sind die Segmente in der Regel
kaum durchsetzungsfähig. Damit beschränkt sich der Aufgabenbereich – auch wenn er
möglicherweise formal anders definiert wurde – praktisch auf die Themen, die weder
vom Vertrieb noch von den Produktsparten für sich eingenommen werden. Meist sind das
Marktforschung und die generische Ableitung von Kundenbedürfnissen. Abbildung 54
stellt dies dar.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Produktorientierung
-110-
P = Produkt
-
P
SF
Vorrang von Produkt und Vertrieb
Segmentaufgaben beschränken sich
auf Bereiche, die weder von Produkt
noch Vertrieb wahrgenommen
werden
VT
SF = Segmentfunktion
VT = Vertrieb
Abbildung 54: Vorrang von Produkt und Vertrieb bei produktorientierten Unternehmen
Die Mobiliar hat eine Produktausrichtung gewählt.282 Dabei sind die Produktparten die dominanten Akteure im Unternehmen. Die Aufgabe der Segmentfunktion beschreibt ein Experte: „Wir haben keine Organisation junge Leute, wir arbeiten in den ursprünglichen organisatorischen Strukturen. […] Die Aufgabe des Kundenkompetenzzentrums ist es, mit allen Produktfabriken, Marketing und Vertrieb rund um die Privatpersonen eine einheitliche Meinung
zu diesen Segmenten zu finden. Das ist dann eine Herkulesarbeit weil es eben diese Strukturen an sich nicht gibt.“283
Auch die Nationale Suisse ist klar nach Produkten ausgerichtet. Die Segmente sind als
Competence Center übergreifend aufgestellt und müssen sich innerhalb der dominierenden
Produktausrichtung Freiräume suchen.284
Eine solche Aufstellung hat den Vorteil, dass kaum Reorganisationen notwendig sind.
Reorganisationen können Unternehmen für lange Zeit lähmen, weshalb es nicht verwundert, dass diese oft gescheut werden. Außerdem ist sichergestellt, dass die Produktsparten, die nach wie vor auf den Massenmarkt ausgerichtet sind, weiterhin effektiv arbeiten
können. Der Nachteil liegt in der geringen Durchsetzungsfähigkeit der Segmentfunktion.
Kundenorientierung
Bei Unternehmen mit kundenorientierten Strukturen ist in der Vorstandsebene die Verantwortung für die Segmente abgebildet. Der Vertrieb oder andere Unternehmensbereiche lassen sich dann auf tieferer Ebene ebenfalls nach Kundengruppen aufstellen. Ein
wichtiger Vorteil ist die Vermeidung von Doppelverantwortungen und eine höhere Bedeutung der Segmentierung im Unternehmen. Abbildung 55 stellt dies dar.
282
Vgl. Fallstudie Mobiliar, Anhang A.1, S. 233ff..
283
Interview Mobiliar.
284
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.1, S. 263ff..
Kundenorientierung
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
P = Produkt
-
P
SF
Vorrang der Segmente
Segmentaufgaben werden nur in der
Segmentfunktion übernommen,
Produkt und Vertrieb müssen
Kompetenzen abgeben
VT
SF = Segmentfunktion
-111-
VT = Vertrieb
Abbildung 55: Vorrang der Segmente bei kundenorientierten Unternehmen
Bei kundenorientierten Unternehmen können Produktentwicklung und andere Segmentaufgaben aus Gesamtkundensicht gesteuert werden. Nicht mehr einzelne Produkte stehen
im Vordergrund, sondern das Bedürfnis einer Kundengruppe, welches unter Rückgriff
auf unterschiedliche Produkte und Dienstleistungen befriedigt werden kann. Entsprechend ist die Verlagerung der Produktentwicklung von den Sparten in die Segmentfunktion ein wichtiger Aspekt der Umorientierung.
Die Mannheimer Versicherung hat im Zuge ihrer Segmentierung die Produktentwicklung
in das Marketing verlagert. Die damit verbundenen Herausforderungen waren vielfältig.
Zum einen galt es, politische Hürden zu überwinden, da mit dem Produktentwicklungsprozess erheblicher Einfluss im Unternehmen verbunden ist. Zum anderen mussten aber auch
neue Kompetenzen im Marketing aufgebaut werden, da dieses sich bis dahin auf die Marktforschung und Werbung beschränkt hatte. Auch eine reine Verlagerung von Know-How war
nicht möglich, da die Sparten das Know-How nur für ihre jeweilige Versicherungsart vorhielten, nun aber übergreifendes Fachwissen notwendig wurde.285
Die AXA hat sich ebenfalls nach kundengruppen aufgestellt. Dazu wurde jedem Produktvorstand die Verantwortung für ein Kundensegment übergeben. Die Ziele der Vorstände verteilen sich jeweils hälftig auf das Segment und das Produktressort. Damit ist sichergestellt, dass
jedes Segment einen starken Unterstützer im Unternehmen hat.286
Die Nationale Suisse ist in ihrer Aufstellung noch einen Schritt weiter gegangen. Mit dem
Target Operating Modell wurde eine Struktur gewählt, bei der das Marketing einen eigenen
Vorstandsbereich erhalten hat. Gleichzeitig wurden alle Produktbereiche in einem Vorstandsressort zusammengefasst. Dies führt dazu, dass sich die Machtverteilung und Durchsetzungsfähigkeit massiv zugunsten der Segmente verschoben hat.287
285
Experteninterview.
286
Vgl. Fallstudie AXA, Anhang A.4.2.1, S. 274ff..
287
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.1, S. 263ff..
-112-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Bei einer Umorientierung zu einer kundenorientierten Unternehmensstruktur ist letztlich
für jede einzelne Funktion im Unternehmen zu definieren, ob sie segmentspezifisch ist
oder nicht. Damit ergeben sich Auswirkungen auf:288
· Kompetenzen: Wie am Beispiel der Mannheimer deutlich wurde, geht mit der
Umorientierung zu einer kundenorientierten Struktur eine Verlagerung von Kompetenzen einher. Dies ist ein aufwändiger Prozess, der in der Regel auch teuer ist,
weil Experten im Markt gewonnen werden müssen oder interne Mitarbeiter aufwändig weitergebildet werden müssen. Zudem sind die Produktsparten oft erbitterte Gegner einer Umorientierung und sind im Anschluss selten bereit, der neuen
Segmentfunktion Anschubhilfe zu leisten. Damit ergibt sich ein erheblicher Change-Management-Bedarf bei der Umorientierung.
· Informationssysteme: Alle Informationssysteme in Versicherungsunternehmen
sind auf Produkte ausgerichtet. Oft bestehen nicht einmal übergreifende Systeme,
die Auswertungen über die Sparten hinweg zulassen. Eine Reorganisation macht
nur Sinn, wenn auch die Informationssysteme so weiterentwickelt werden, dass sie
aussagefähig werden.
· Anreizsysteme: Solange alle Anreizsysteme, beginnend beim Vorstand über alle
Führungskräfte bis hinab zur letzten Agentur nach Produkten ausgerichtet sind, ist
kaum mit einem durchschlagenden Erfolg einer Kundenorientierung zu rechnen.
Es müssen daher Ziele für Kundensegmente eingeführt werden. Da Anreizsysteme
nur ihren Zweck erfüllen, wenn die Anzahl der Ziele insgesamt begrenzt bleibt,
müssen dafür Produktziele entfallen. Auch dies ist oft ein schmerzlicher Prozess,
wenn deutlich wird, dass die jährliche Kampagne für die Unfallversicherung einer
Segmentkampagne weichen muss.
Wichtige Eigenschaften der Produkt- bzw. Kundenorientierung sind in Tabelle 7 noch
einmal dargestellt.
288
Vgl. auch Homburg et al. 2000, S. 470-478.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Produktorientierung
-113-
Kundenorientierung
·
Keine Reorganisation notwendig
·
Umfassende Reorganisationen notwendig
·
Vorrang der Sparten und der Vertriebswege
·
Vorrang der Segmente
·
Hohe Schlagkraft der Segmentierung
·
Negative Auswirkungen auf Massenmarkt
·
Hohe Effektivität für den Massenmarkt
·
Geringe Durchschlagkraft der Segmentierung
Tabelle 7: Eigenschaften von produkt- bzw. kundenorientierten Organisationsmodellen
Produktorientierungen eignen sich bei einer geringen Bedeutung der Segmentierung, weil
hier die Bearbeitung des Massenmarktes im Vordergrund stehen sollte. Dies ist bei Selektiven und Partikularen Segmentierungen der Fall. Bei Segmentierungen mit hoher Bedeutung wie Intensiven und Extensiven Segmentierungen sollte das Unternehmen dagegen
zu einer Kundenorientierung umorganisiert werden. Nur so kann den Segmenten ausreichend Geltung verschafft werden. Dies bestätigen die Fallstudien. Die Mobiliar und Nationale Suisse haben nach wie vor eine Produktorientierung im Unternehmen, wohingegen sich Allianz Suisse und AXA nach Kundensegmenten ausgerichtet haben.289
4.1.3.3 Generische Organisationsmodelle
Aus den dargestellten Gestaltungsdimensionen lassen sich vier generische Organisationsmodelle ableiten, die in Abbildung 56 dargestellt sind.
289
Vgl. Fallstudie Die Mobiliar, Anhang A.1.2.1, S. 237ff; Fallstudie Allianz Suisse, A.2.2.1, S. 250ff; Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.1, S. 263ff; Fallstudie AXA, Anhang. A.4.2.1, S. 274ff..
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Ergänzer
Integratoren
Separierer
Netzwerker
Dezentralisierung
Zentralisierung
-114-
Kundenorientierung
Produktorientierung
= Segmentfunktion
Abbildung 56: Konfigurationsformen
Ergänzer
Ergänzer sind Organisationsformen, bei denen die Segmentverantwortung einerseits
zentral verankert ist (eine Segmentfunktion für alle Segmente), aber andererseits diese
nur zusätzlich zur vorherrschenden Produktausrichtung im Unternehmen eingeführt wurde. Tabelle 8 stellt dar, welche Konsequenzen das Organisationsmodell für das zentrale
Marketing, die Produktsparten und die Segmentfunktion im Organisationsmodell
Ergänzer hat.
Zentrales Marketing…
Sparten…
Segmentfunktion…
·
konzentriert sich auf den
Massenmarkt
·
konzentrieren sich auf den
Massenmarkt
·
bearbeitet ausgewählte
Segmente
·
ist funktional aufgestellt
·
sind nach Produktgruppen
·
ist als Abteilung im Mar-
aufgestellt
·
ist meist Stabsstelle im
Vertrieb mit mittlerer Bedeutung
·
dominieren durch Produktorientierung das Unternehmen
keting angesiedelt oder als
Projekt organisiert; verantwortet zentral alle Segmente
·
hat sehr geringe Bedeutung
im Unternehmen
Tabelle 8: Aufstellung wichtiger Einheiten im Organisationsmodell Ergänzer
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-115-
Es wird deutlich, dass insgesamt die Veränderungen überschaubar bleiben. Das Marketing behält seine Rolle als Stabstelle im Vertrieb und konzentriert sich überwiegend auf
den Massenmarkt. Die Sparten bleiben ebenfalls auf den Massenmarkt ausgerichtet und
nach wie vor die dominierende Rolle im Unternehmen. Die Segmentfunktion bearbeitet
einzelne Segmente, z.B. durch Projekte. Sie ist als Teil der Marketingabteilung und hat
eine eher geringe Bedeutung im Unternehmen.
Damit liegen die Vorteile des Organisationsmodel vor allem darin, dass es einfach umzusetzen ist und schnellt etabliert ist. Das Organisationsmodell stößt allerdings an seine
Grenzen, wenn mehrere Segmente bearbeitet werden sollen oder wenn die Segmentierung an Bedeutung im Unternehmen gewinnen soll. Zudem können sich Probleme durch
die Doppelverantwortungen im Unternehmen ergeben. So sind die Produktsparten ebenso
zur Entwicklung von Produkten verantwortlich wie die Segmentfunktion. Besonders kritisch wird dies, wenn Innovationen spartenübergreifend entwickelt werden sollen. Während das Marketing hier den gesamten Kunden im Blick hat, sehen die Produktsparten
jeweils nur Ausschnitte des Kundenbedürfnisses. Da aber die Steuerung nach Sparten
erfolgt, ist es in der Regel kaum möglich, übergreifende Ideen umzusetzen.
Die Mobiliar hat das Modell Ergänzer mit der Kombination aus zentraler Segmentfunktion
und Produktorientierung gewählt. Die Segmentfunktion ist dabei eine Abteilung im Marketing (Kundenkompetenzzentrum). Das Marketing selber ist eine Stabsstelle im Vertrieb. Die
Aufgaben des Marketings sind in Abbildung 57 dargestellt. Das Kundenkompetenzzentrum
ist faktisch eine Mischung aus CRM-Abteilung und Segmentfunktion. Dies ist vor dem Hintergrund der großen Bedeutung von CRM bei Selektiven Segmentierungen sinnvoll. Um
Segmentstrategien entwickeln zu können, ist das Kundenkompetenzzentrum auf alle anderen
Bereich im Unternehmen angewiesen. Es müssen daher übergreifende Projekte entwickelt
werden, die diese Bereiche zusammenbringen.
-116-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Kundenkompetenzzentrum
Vertriebsunterstützung
Mehrkanal- und
PartnerManagement
CC Mobi 24
Kundenstrategie zur
Ausschöpfung und
Bindung der
Kundenbasis
Einzige Anlaufstelle zur
Unterstützung der
Kanäle und Zugänge
Mehrkanal- und
Zugangs-strategie um
zukünftiges Wachstum
sicherzustellen;
Sicherstellen Erreichbarkeit /
Leistungserbringung für
Mobilar und Dritte
Kundensegmentstrategien
entwickeln & umsetzen
• Segmentstrategie
• Zielgruppen
Weiterentwicklung oCRM
• Fachanforderungen VP
und andere kundenrelev.
Systeme
Weiterentwicklung aCRM
• Aufbau & Betrieb
DataMart
• Einbezug ext.
Datenquellen
• Weiterentwicklung Data
Mining Instrumente
Bereitstellung
Kundendatenanalysen
• Reporting Zielwerte
• Kunden-Ratings / Scoring
• Leads gewinnen,
bewerten, veredeln
• Zielgruppen-Selektionen
für Kampagnen
Kundenspezifische
Vorgaben für Leistungs- /
Produktstrategien
• PP/KMU/GSG/GK (L&NL)
Verkaufsunterstützung
Operative Bereitstellung
von
Verkaufsunterstützungsmaßnahmen/Kampagnen
mit den
Leistungserbringern
(Produktmanagement/
Marketing/u.w.)
Mehrkanalmanagement
• Weiterentwicklung
MKM- Strategie (Kanäle
& Zugänge)
• Controlling
• Geschäftsentwicklung
auf Ebene Kanal
• Kanalnutzung durch
Kunden steuern
Marktbearbeitungsplanung
• Aktionen, Initiativen für
alle Vertriebskanäle
• Management
Kompetenzteams
• MB-Workshop
Innovationsmanagement
für Kanäle und Zugänge
Onlineprodukte:
• Umsetzung/Masterplan
• Pilot Review NT2Web
• Kanalmanagement
Contact Center Funktionen
• Vertrieb, Vertragsführung
und Schaden
Assistance Leistungen
erbringen
Drittkundenportfolio
betreuen und ausbauen
• 24h-Erreichbarkeit &
Assistance
Kundendienst-Leistungen
erbringen
• zentraler Kundendienst
• Beschwerde-Mgmt.
Management MBPartnerschaften
• Euro<26, IFJ etc.
Partner/Vermittler:
•Management
Partner/VermittlerPortefeuille
Abbildung 57: Aufgaben des Bereichs Mehrkanal & Kundenmanagement290
Integratoren
Integratoren nutzen zentrale Segmentfunktionen und richten die Unternehmensstruktur
auf die Kundensegmente aus. Für das Modell „Integrator“ wird die Aufstellung des Marketings, der Sparten und der Segmentfunktion in Tabelle 9 dargestellt.
290
Darstellung aus internen Unterlagen der Mobiliar übernommen.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Zentrales Marketing…
Sparten…
-117-
Segmentfunktion…
·
wird zur zentralen Steuerungsabteilung im Konzern; koordiniert die Zusammenarbeit von Segmenten und Sparten; wird
eigenes Vorstandsressort
·
optimieren sich zur Bearbeitung der Segmente
·
wird auf Augenhöhe der
Sparten verankert, i.d.R.
als Bereich im zentralen
Marketing; Erhält Umsetzungsverantwortung
·
ist funktional aufgestellt,
·
sind nach Segmenten auf-
·
verantwortet zentral die
ggf. „Key-Accounter“ für
Segmente
·
wird zum wichtigsten Akteur im Unternehmen und
treibt alle zentralen Entscheidungen
gestellt
·
verlieren erheblich an Bedeutung und konzentrieren
sich auf Kernfunktionen
Umsetzung der Segmente;
ist nach Segmenten aufgestellt
·
gewinnt an Bedeutung, ist
aber nicht zentraler Akteur,
da inhaltliche Verantwortung beim Marketing
Tabelle 9: Aufstellung wichtiger Einheiten im Organisationsmodell Integrator
Zunächst wird deutlich, zu welchem Bedeutungsgewinn das Organisationsmodell für das
zentrale Marketing führt. Hier wird die zentrale Steuerungsabteilung für das Unternehmen installiert.291 Oft gelingt dies nur durch die Etablierung eines eigenen Vorstandsbereiches. Ein mit diesem Bedeutungsgewinn des Marketings geht der Bedeutungsverlust
der Sparten. Diese sind nicht mehr auf Produkte ausgerichtet sondern optimieren sich zur
Bearbeitung der Segmente. Wichtige Entscheidungen über Neuprodukte werden nicht
mehr in den Sparten sondern im zentralen Marketing getroffen. Die Segmentfunktion
erhält die Umsetzungsaufgabe der Segmentierung. Sie ist auf Augenhöhe mit den Produktsparten innerhalb des zentralen Marketings installiert und führt die Aufgaben, die das
zentrale Marketing gibt, aus.
Das Target Operating Model der Allianz Suisse ist ein Beispiel für eine solche Struktur.
Mit der Reorganisation sind hohe Aufwände verbunden. Dafür besteht in diesem Organisationsmodell aber die Möglichkeit, auch mit einer hohen Anzahl von Segmenten effizient umzugehen. Außerdem bietet das Modell durch die zentrale und hierarchisch hoch
angesiedelte Segmentverantwortung eine außerordentlich gute Steuerbarkeit. Neben den
hohen Kosten einer Reorganisation liegen die Schwächen des Organisationsmodells in
der Distanz der Segmente zum Markt und in möglichen Kapazitätsengpässen im Marketing.
291
Vgl. dazu ausführlicher die Diskussion zu den generischen Koordinationsprinzipien in Kapitel 4.2.1.3, S.
136ff.. Letztlich wird die Aufstellung im Unternehmen erst durch die gemeinsame Betrachtung von Struktur
und Koordination deutlich. Darauf wird am Ende der Arbeit im Rahmen der Blaupausen eingegangen.
-118-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Allianz Suisse kombiniert eine Kundenorientierung mit einer zentralen Segmentfunktion.
Den Übergang von alter zu neuer Führungsstruktur und wesentliche Merkmale des Target
Operating Model sind in Abbildung 58 dargestellt.
Abbildung 58: Veränderung im Organisationsmodell der Allianz Suisse292
Das Target Operating Model ist einerseits durch einen hohen Grad an Zentralisierung von
Funktionen – insbesondere in den Bereichen Produkt und Betrieb – gekennzeichnet. Andererseits wird die große Bedeutung des Markt-Managements innerhalb des Modells deutlich,
da hier die Aktivitäten der Ressorts koordiniert und aufeinander abgestimmt werden. Dies
war nur mit der kundenorientierten Gesamtausrichtung möglich. Bedeutung und Einfluss des
Bereichs Markt-Management zeigt auch das folgende Zitat eines Managers: „Produkt und
Vertrieb sind ja im Kern immer Kontrahenten. Der eine wird nach Profit gesteuert, der andere nach Umsatz. Was dem einen hilft, schadet dem anderen. Die eigentliche Macht des
Markt-Managements kommt daher, dass es sich für die eine oder andere Seite frei entscheiden kann. Damit steigt der Einfluss erheblich. Im alten Marketing als Anhängsel im Vertrieb
wäre das nie möglich gewesen.“ 293
Abbildung 115 stellt die Aufstellung des Ressorts Markt-Management dar.
292
El Hage 23.03.2009, S. 9.
293
Interview Allianz Suisse.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-119-
MarktManagement
Strategisches
Marketing
• Kundenverständnis
• Positionierungsstrategien
Produktmarketing
• Entwicklung von
Produktvorschlägen
aus
Kundenverständnis
• Umsetzung der
Positionierungen auf
Basis der
Positionierungsstrate
gien
Kunden-segme
ntierung
Kommunikation
• Kampagnen
• Kundenbindungsprogramme
• Brand / Awareness
• Spezielle Produktkommunikation
Abbildung 59: Aufstellung Markt-Management
Im Strategischen Marketing werden das Kundenverständnis je Segment erhoben und daraus
Positionierungsstrategien abgeleitet. Im Bereich Produktmarketing werden auf Basis der
Kundeninformationen Produktvorschläge entwickelt und Maßnahmen zur Umsetzung der
Positionierungsstrategien generiert. Der Bereich Kundensegmentierung befasst sich mit der
feineren Aufteilung bestehender Kunden anhand interner Kriterien wie Stornowahrscheinlichkeit, Kaufverhalten oder Zufriedenheit. Hier ist das Customer Relationship Management
verankert, und Bindungsprogramme oder spezifische Kampagnen werden hier entwickelt
und gestartet. Der Bereich Kommunikation behandelt die übergreifenden Markenthemen. So
erhält das Markt-Management alle wichtigen Einflusshebel zur umfassenden Steuerung der
Segmentierung.
Separierer
Separierer haben dezentrale Segmentverantwortungen bei gleichzeitiger Produktorientierung. Bei diesem Modell werden die Segmente aus eigenständigen Bereichen des Unternehmens heraus gesteuert. Hinweise zur Organisation gibt Tabelle 10.
-120-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Zentrales Marketing…
Sparten…
Segmentfunktionen…
·
konzentriert sich auf den
Massenmarkt
·
konzentrieren sich auf den
Massenmarkt
·
konzentrieren sich auf die
Bearbeitung der Segmente
·
ist funktional aufgestellt
·
sind nach Produktgruppen
aufgestellt
·
sind als Competence Center oder Stabsfunktion organisiert; jedes Segment
mit eigener Segmentfunktion
·
verändert sich kaum im
Vergleich zur Situation
ohne Segmentierung
·
sind dominierende Akteure
im Unternehmen
·
haben wichtige Rolle im
Unternehmen und haben
direkten Zugriff auf das
Top-Management, werden
aber durch fehlende Ressourcen begrenzt
Tabelle 10: Aufstellung wichtiger Einheiten im Organisationsmodell „Separierer“
Bei diesem Organisationsmodell verändert sich für das zentrale Marketing und die Sparten wenig. Beide bleiben auf den Massenmarkt ausgerichtet und behalten auch weitgehend ihre Bedeutung im Unternehmen, wobei die Sparten meist die wichtigste Rolle spielen. Die Segmentfunktion wird zusätzlich aufgebaut und konzentriert sich auf die Segmentbearbeitung. Für jedes Segment wird ein eigens Competence- oder Profit-Center
entwickelt. Die Segmentfunktionen wenig eigene Ressourcen, dafür aber direkten Zugriff
auf das Top-Management und somit Einfluss im Unternehmen.
Bei Separierern liegt ein wichtiger Faktor für den Erfolg in der Person der Segmentverantwortlichen (beispielsweise der Leiter des Competence Centers). Dieser hat einerseits
die Chance, durch seine hohe Autonomie und die in der Regel direkte Zugriffsmöglichkeit auf Vorstandsmitglieder ein Segment in kurzer Zeit zum Erfolg zu führen. Andererseits sieht er sich mit der Herausforderung konfrontiert, dass er ein relativ kleines Team
hat und damit alle wichtigen Funktionen im Unternehmen, die er braucht, um Produkte
oder Vertriebsansätze zu entwickeln, nur in indirektem Zugriff hat. Unterschätzt wird
zudem, wie häufig im Unternehmen Vorbehalte gegenüber der Zielgruppe bestehen.294
Die Auswahl der Segmentverantwortlichen ist damit eine wichtige Aufgabe. Kriterien,
die diese Auswahl leiten können, haben sich in den Gesprächen wie folgt ergeben:
294
Tatsächlich wurde dies in fast allen Experteninterviews unabhängig von der jeweiligen Zielgruppe genannt.
Alle Stereotypen, die sich gegenüber Beamten, jungen Leuten, Migranten oder anderen Zielgruppen finden
lassen, treten auch in der Suche nach Lösungen für diese Zielgruppen zutage.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-121-
· Ausgeprägter Unternehmergeist
· Pragmatismus und Kreativität
· Hohe Überzeugungskraft
· Starke Vernetzung im Unternehmen
Gelingt es, die richtige Person für diese Aufgabe zu gewinnen, können Separierer eine
enorme Kraft entwickeln.
Das Risiko bei diesem Organisationsmodell liegt auf der Hand. Gelingt es nicht, Segmentverantwortliche zu finden, die der Herausforderung gewachsen sind, wird das Segment nicht oder nur unvollständig entwickelt und setzt sich im Unternehmen nicht durch.
Treiben die Segmentverantwortlichen das Segment zu stark, nehmen Komplexität und
Vielfalt im Unternehmen Überhand. Die hohe Eigendynamik des Segments verbunden
mit der schwierigen Steuerbarkeit führt dann dazu, dass unkontrolliert neue Produktvarianten entwickelt oder immer neue Vertriebsansätze für relativ kleine Zielgruppen eingeführt werden. Entsprechend eignet sich der Ansatz nur für eine relativ geringe Anzahl
von Segmenten, weil es mit jedem Segment schwerer fällt, die richtigen Personen mit der
Verantwortung für das Segment zu betrauen, und das Risiko, dass die Segmente zu viel
oder zu wenig Eigendynamik entwickeln, steigt.
Die Vorteile dieses Organisationsmodells liegen erstens in den geringen Kosten, weil das
Unternehmen grundsätzlich kaum umgestaltet werden muss. Es reicht, einen neuen Funktionsbereich zu schaffen, der weitgehend eigenständig agieren kann. Ein weiterer Vorteil
besteht darin, dass das Modell leicht skalierbar ist. Ein wenig aufwändiger Einstieg wird
damit möglich und wenn sich das Segment als erfolgreich erweist, können weitere Funktionen in die Segmentverantwortung gegeben werden, sodass die Eigenständigkeit des
Segments zunimmt. Schließlich bietet das Organisationsmodell alle Voraussetzungen
dafür, dass das Segment ein hohes Maß an Eigendynamik entwickelt und zur treibenden
Kraft im Unternehmen wird. Durch die Autonomie der Segmenttätigkeit werden erste
Erfolge im Unternehmen leicht sichtbar und in der Regel haben die Segmentverantwortlichen durch die hohe Visibilität des Segments im Unternehmen ein großes Eigeninteresse
am Erfolg des Segments. Dies befördert unkonventionelle und pragmatische Lösungen
und kann ein Motor von Kreativität und Vielfalt im Unternehmen sein.
Die Nationale Suisse nutzt ein Organisationsmodell, welches eine dezentrale Segmentfunktion mit Produktorientierung verbindet.295 Dabei ist die Segmentfunktion in Form eines
295
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3, S. 260ff..
-122-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Competence Centers strukturiert. Dieses greift auf alle wichtigen Funktionen im Unternehmen zu.
Netzwerker
Netzwerker kombinieren eine dezentrale Segmentverantwortung (und damit je Segment
eine eigene Segmentfunktion) mit einer Ausrichtung des Unternehmens nach Segmenten.
Tabelle 11 stellt die Aufstellung des zentralen Marketings, der Sparten und der Segmentfunktionen im Modell Netzwerker dar.
Zentrales Marketing…
·
übernimmt zentrale Funk-
Sparten…
·
tionen wie Marktforschung, Werbung etc.; Koordiniert übergreifend
optimieren sich zur Bear-
Segmentfunktionen…
·
beitung der Segmente
bearbeiten die Segmente
umfassend
·
ist funktional aufgestellt,
ggf. mit eigener Abteilung
zur Koordination
·
sind nach Segmenten aufgestellt
·
sind als Profit-Center oder
als Matrix organisiert und
greifen auf zentrale Funktionen wie Marketing oder
Sparten zu oder haben diese im eigenen Zugriff
·
übernimmt durch Prozesssteuerung Koordinationsaufgaben in der Segmentierung; Gewinnt damit an
Bedeutung
·
verlieren erheblich an Be-
·
werden zum dominierenden Akteur; haben volle
inhaltliche Hoheit über
Entscheidungen
deutung; konzentrieren
sich auf Kernfunktionen
Tabelle 11: Aufstellung wichtiger Einheiten im Organisationsmodell Netzwerker
Das Modell Netzwerker ist mit erheblichen Anpassungen verbunden. Die wichtigsten
Akteure werden die Segmentfunktionen. Hier liegt die Hoheit über die Steuerung des
Unternehmens. Das zentrale Marketing wird zum fachlichen Zulieferer z.B. von Marktforschungen oder Werbung. Die Sparten verlieren erheblich an Bedeutung und werden
auf Kernfunktionen wie Aktuariat und Underwriting reduziert.
In diesem Organisationsmodell erhalten die Segmente ein erhebliches Gewicht, weil sie
die hohe Eigenständigkeit und Dynamik einer dezentralen Segmentverantwortung mit
den klaren Strukturen und Prozessen eines nach Kundengruppen aufgestellten Unternehmens kombinieren. Die Segmente müssen nicht wie bei Separierern auf andere Bereiche
zugreifen, sondern haben eigene Mitarbeiter im direkten Zugriff und können so die Entwicklung des Segments treiben. Hinzu kommt, dass die Prozesse im Unternehmen viel
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-123-
besser auf die Segmente ausgerichtet sind. Damit hat die Persönlichkeit der Segmentverantwortlichen nicht mehr die gleiche Bedeutung und es wird leichter, mehrere Segmente
zu entwickeln. Zudem ist es weniger aufwändig, die Segmente zu steuern, da sich im Zuge der Umorientierung eigene Steuerungsinstrumente entwickeln lassen.
Auf der anderen Seite aber hat das Organisationsmodell umfassende Auswirkungen auf
die Wertschöpfungskette. Es ist detailliert zu erfassen, welche Aktivitäten die Segmente
gemeinsam nutzen und welche individuell für jedes Segment aufgebaut werden können.
Für die Segmente sind elementare Funktionen, die sich unmittelbar aus den Segmentierungsaufgaben ableiten, z.B. Produktentwicklung, Marktforschung und Projektsteuerung,
in jedem Fall dezentral vorzuhalten. Je nach Segment müssen auch spezifische Funktionen für bestimmte Dienstleistungen separat laufen. Zentralisierung bietet sich für Funktionen wie Controlling oder Personal an. Abbildung 60 zeigt, wie eine Aufteilung der
Wertschöpfungskette bei Extensiven Segmentierungen erfolgt. Es gilt dabei zwischen
möglichen Synergien einerseits und der Differenzierung andererseits abzuwägen.
Zentralfunktionen
Segment 1
Segment 2
Abbildung 60: Wertschöpfungskette bei Extensiven Segmentierungen
Der Nachteil des Organisationsmodells liegt in den hohen Kosten der Reorganisation.
Außerdem sind nach Kundengruppen aufgestellte Unternehmen auch nach der Reorganisation oft teurer, da der Spezialisierungsgrad geringer ist und daher ähnlich geartete Aufgaben in mehreren Teilen des Unternehmens wahrgenommen werden.
AXA hat eine kundenorientierte Aufstellung in Kombination mit dezentraler Segmentfunktion gewählt. Um dies zu erreichen, wurde zunächst die Verantwortung für jedes Segment in
die Hand eines Gruppenvorstandes gelegt. Jeder dieser Vorstände hat für jeweils eines der
Segmente umfassende Verantwortung. Die Segmente Privat, ÖD und FK werden jeweils in
-124-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Personalunion durch einen Produktvorstand geführt. Bei Privat ist dies der Vorstand für Vorsorge, Bank und Privatanlage. Für ÖD übernimmt der Vorstand für das private Sach-, Haftpflicht-, Unfall- und Kraftfahrtgeschäft den Vorsitz und das Segment FK wird durch den
Vorstand für die Schaden- und Unfallversicherung für Firmenkunden geführt. Nur das Segment AH ist seit 2010 nicht mehr direkt durch einen Gruppenvorstand vertreten.
Um den Segmenten auch operative Handlungsmöglichkeiten zu geben, wurde die Verankerung, wie sie im Vorstand besteht, auf den weiteren Ebenen fortgeführt. Für jedes Segment
ist ein sogenanntes Segmentmanagement-Team verantwortlich. Die SegmentmanagementTeams setzen sich aus Vertretern aller Sparten und anderer wichtiger Funktionsbereiche zusammen und führen das Segment in gemeinsamer Verantwortung. Abbildung 61 stellt den
grundsätzlichen Aufbau der Teams dar.
Abbildung 61: Aufbau der Segmentmanagementteams
Jedes Segmentmanagementteam-Mitglied ist nur mit etwa 50% seiner Arbeitszeit für das
Segment tätig. Die übrige Zeit wird für das entsendende Ressort verwendet. Damit ergibt
sich eine Matrix-Struktur im Unternehmen. Diese soll helfen, Wissen aus allen Unternehmensbereichen zusammenzubringen und den Segmenten damit eine eigenständige Bearbeitung der jeweiligen Kundengruppe zu ermöglichen. Gleichzeitig ist aber auch jedes Segmentmanagementteam-Mitglied in einem fachlichen Ressort verankert, sodass die Segmente
keine vollständige Autonomie erhalten, sondern eine übergreifende Sicht bestehen bleibt.
Die Segmentverantwortlichen stammen überwiegend aus der ersten und zweiten Führungsebene. Abbildung 66 zeigt die Matrix, die sich aus dem Organisationsmodell ergibt.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Vorstand
Marketing
Vorsorge
Kranken
P&C
Verarbeitung
Vertrieb
Controlling
-125-
Privat
ÖD
ÄH
FK
Segmentvorstand
Segmentvorstand
Segmentvorstand
Segmentvorstand
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Abbildung 62: Segmentmanagement-Teams der AXA
4.1.4
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wurden die Gestaltungsoptionen bei der Konfiguration von Segmentierungen entwickelt. Die Gestaltungsoptionen waren im Einzelnen:
· Segmentierungslogik: Bei der Segmentierungslogik wurde einerseits die Wahl der
Segmentierungskriterien untersucht. Hier wurde zwischen einer Kundensegmentierung und einer Marktsegmentierung unterschieden. Während Kundensegmentierungen auf die bestehenden Kunden eines Unternehmens gerichtet sind, eignen
sich Marktsegmentierungen um neue Kunden zu erschließen. Andererseits wurde
die Perspektive bei der Auswahl der Segmente analysiert. Es zeigte sich, dass zwischen einer Inside-Out- und einer Outside-In-Perspektive zu unterscheiden ist.
Erstere setzt bei den Fähigkeiten des Unternehmens an und ermittelt Segmente,
die durch Rekombination vorhandender Fähigkeiten leicht zu bedienen sind. Letztere setzt bei der Attraktivität von Segmenten und setzt Investitionen in die Entwicklung neuer Fähigkeiten voraus.
· Differenzierung der Marktbearbeitung: Hier wurde zunächst auf die Wahl geeigneter Instrumente zur Differenzierung eingegangen. Instrumente zum Neukundenmarketing wie Markenmanagement oder Segmentkampagnen haben eine hohe
Akquisewirkung, aber auch hohe Kosten. Stammkundenmarketing ist deutlich fokussierter, eignet sich aber nur zur intensiveren Bearbeitung bestehender Kunden.
-126-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
· Organisationsmodell: Anschließend wurden Organisationsmodelle diskutiert. Diese setzten sich aus den Dimensionen ‚Verankerung der Segmentfunktion‘ und
‚Ausrichtung des Unternehmens‘ zusammen. Ergänzer zeichnen sich durch eine
zentrale Segmentfunktion in Verbindung mit einer Produktorientierung aus. Ein
solches Modell ist leicht umzusetzen, kommt aber an seine Grenzen wenn mehrere
Segmente oder sehr unterschiedliche Segmente bedient werden sollen. Das Modell
Integrator kombiniert eine zentrale Segmentfunktion mit einer Kundenorientierung. Dieses Modell bietet außerordentlich gute Steuerungsmöglichkeiten, lässt
den Segmenten aber wenig Gestaltungsfreiheit. Es bietet sich an, wenn viele nicht
zu stark unterschiedliche Segmente bedient werden sollen. Separierer nutzen dezentrale Segmentfunktionen bei einer Produktorientierung. Hier werden Segmentfunktionen gebildet, die parallel zur Massenmarktausrichtung einzelne Segmente
erschließen. Es eignet sich für wenige, sehr stark differenzierende Segmente.
Schließlich wählen Netzwerker dezentrale Segmentfunktionen in Kombination mit
einer kundenorientierten Unternehmensausrichtung. Hier können viele sehr unterschiedliche Segmente erschlossen werden. Allerdings ist die Anpassung des Unternehmens aufwändig und mit hohen Reorganisationskosten verbunden.
Im folgenden Kapitel werden nun die Gestaltungsoptionen der Koordination untersucht.
4.2
Koordination
Bei der Koordination existieren drei Gestaltungsdimensionen: Steuerung der Segmentierung, Segmentcontrolling und Vertriebsmanagement. Zu jedem dieser Dimensionen sollen wiederum die Gestaltungsoptionen abgeleitet werden.
4.2.1
Segmentsteuerung
Während das Organisationsmodell die Fragen beantwortet, wie die Segmentfunktion aufzustellen ist und welche Bedeutung die Segmente im Unternehmen haben, muss im Rahmen der Segmentsteuerung vor allem die Frage beantwortet werden, wie die Segmentfunktion mit übrigen Bereichen im Unternehmen zusammenarbeitet. Wer entscheidet
über die Inhalte der Strategie? Wie werden Vorhaben gegeneinander priorisiert? Diese
Fragen müssen bei der Segmentsteuerung beantwortet werden.
Fachlich werden unter dem Begriff Koordinationstheorie Ansätze diskutiert, mit denen
Abhängigkeiten zwischen unterschiedlichen Aktivitäten gesteuert werden können.296 Ein
wichtiger Ansatzpunkt zur Steuerung von Segmenten ergibt sich aus der Unterscheidung
296
Vgl. Crowston 1997, S. 157.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-127-
von inhaltlicher Steuerung und Steuerung über Prozesse.297 Beide Steuerungsmechanismen sollen im Folgenden untersucht werden.
4.2.1.1 Steuerung über Inhalte
Wie gelingt es, Segmente über Inhalte zu steuern? Die Fallstudien lassen hier Ansätze
erkennen. Letztlich ist bei der inhaltlichen Steuerung immer das Verhältnis von Segmentfunktion zum zentralen Marketing entscheidend. Bei einer inhaltlichen Steuerung gibt das
zentrale Marketing die Inhalte für die Segmentfunktion vor, andernfalls legt die Segmentfunktion die Inhalte selbst fest. Abbildung 63 stellt die Gestaltungsoptionen bei der inhaltlichen Steuerung dar.
Geringe Steuerung über Inhalte
- Keine Vorgaben von Inhalten
- Interpretationshoheit
über Bedürfnisse der
Kundengruppen in den
Segmenten
- Entwicklung von
Strategien in den
Segmenten
Starke Steuerung über Inhalte
- Klare Vorgaben von Inhalten
- Interpretationshoheit
über Bedürfnisse der
Kundengruppen im
zentralen Marketing
- Entwicklung von
Strategien im zentralen
Marketing
Abbildung 63: Gestaltungsoptionen bei der Steuerung über Inhalte
Starke Steuerung über Inhalte
Zwei Elemente sind bei einer starken Steuerung über Inhalte wichtig. Erstens spielt die
Interpretationshoheit über die Bedürfnisse und Eigenarten der Kunden im jeweiligen
Segment eine wichtige Rolle. Letztlich bauen alle Maßnahmen, die für ein Segment entwickelt und umgesetzt werden, auf dem Verständnis über die jeweilige Kundengruppe
auf. Dieses Kundenverständnis ist nicht objektiv vorhanden, sondern entwickelt sich aus
der Interpretation unterschiedlichster Quellen wie Kundenbefragungen, interne Daten,
Vertriebserfahrungen und persönliche Einschätzungen. Die Entwicklung eines Verständnisses über die Kundengruppe ist immer auch ein unternehmerischer Akt. Die Unterscheidung von wesentlichen und unwesentlichen Aspekten der Kundenbedürfnisse oder
297
Diese Unterscheidung wird von Lechner, Kreutzer 2010 zur Untersuchung der Steuerung von Wachstumsinitiativen vorgenommen und wird durch weitere Autoren, wie beispielsweise Crowston 1997, S. 160 und Malone, Crowston 1994, S. 90-98, gestützt.
-128-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
die Frage, wo sich das Unternehmen gegenüber anderen abgrenzen kann, setzt ein hohes
Branchenverständnis voraus und ist immer auch eine Wette auf Entwicklungen und
Chancen. Um Segmente inhaltlich steuern zu können, muss die Entwicklung eines einheitlichen Kundenverständnisses im zentralen Marketing liegen. Bei geringer inhaltlicher
Steuerung liegt die Hoheit über diese Entwicklung dagegen in den Segmenten. Zweitens
ist die Entwicklung der Segmentstrategien von Bedeutung. Die Segmentstrategie ergibt
sich aus dem Kundenverständnis und legt fest, welche Maßnahmen zu treffen sind, um
die Zielgruppe bedienen zu können. Auch hier muss das zentrale Marketing die Entscheidungsfreiheit haben, um inhaltlich steuern zu können.
Abbildung 64 zeigt, dass bei starker Steuerung über Inhalte alle wichtigen Marketingaufgaben im zentralen Marketing wahrgenommen werden. Die Segmentfunktion konzentriert sich hier auf die Umsetzung.
Zentrales Marketing
Segmentfunktion
x
x
x
x
x
x
x
x
x
Abbildung 64: Aufgabenverteilung bei starker inhaltlicher Koordination
Bei der Allianz Suisse kann eine starke Steuerung über Inhalte beobachtet werden. Hier
werden im strategischen Marketing Kundenprofile entwickelt und Strategien für Segmente
erarbeitet. Diese werden dann durch das Segmentmarketing umgesetzt.298
Die inhaltliche Steuerung bietet einen guten Durchgriff bei der Steuerung. Dadurch kann
es gelingen, die Segmentierung sehr genau und zielgerichtet zu steuern. Die Aktivitäten
in den Segmenten können klar vorgegeben werden, Priorisierungen können vorgenommen werden und es wird möglich, strategische Entscheidungen in die Segmentierung einfließen zu lassen. Auch die Möglichkeit, eine echte Portfoliosicht auf die Segmente zu
erzeugen, ist eine Stärke der inhaltlichen Steuerung. Zu den Schwächen gehört einerseits
die oft geringe Marktnähe zentraler Einheiten. So besteht die Gefahr, dass die Marktforschungen akademisch interessant, aber praktisch kaum hilfreich sind. Andererseits stellen
298
Vgl. Fallstudie Allianz Suisse, Anhang A.1.2.2, S. 242ff..
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-129-
zentrale Einheiten immer einen potenziellen Engpass dar, was die Kreativität und Vielfalt
der Lösungsmöglichkeiten begrenzen kann.
Geringe Steuerung über Inhalte
Nicht alle Unternehmen nutzen die Option der inhaltlichen Steuerung der Segmente. Sowohl bei der Nationale Suisse als auch bei der AXA wird das Kundenverständnis nicht
zentral entwickelt und den Segmenten vorgegeben. Vielmehr liegt die Interpretationshoheit hier in der Verantwortung der dezentralen Segmente und nicht im zentralen Marketing. Daraus ergibt sich letztlich immer ein Informationsvorsprung der dezentralen Segmente gegenüber dem zentralen Marketing.
Abbildung 65 zeigt, dass bei geringer inhaltlicher Steuerung die Aufgabenverteilung zwischen Segmentfunktion und Marketing wesentlich verändert wird. Das Business Development wird vollständig in den Segmenten übernommen. Bei anderen wichtigen Aufgaben wird das Marketing zum internen Dienstleister, der von den Segmenten beauftragt
wird.
Zentrales Marketing
Segmenfunktion
x
X
Umsetzung
Umsetzung
Beauftragung
Beauftragung
Umsetzung
Umsetzung
Beauftragung Beauftragung
Umsetzung
Beauftragung
Umsetzung
Umsetzung
Beauftragung Beauftragung
Abbildung 65: Aufgabenverteilung bei geringer inhaltlicher Koordination
Eine geringe Steuerung über Inhalte findet bei der Nationale Suisse statt. Hier das das zentrale Marketing explizit keinen Auftrag, sich um die Segmente zu kümmern. Stattdessen liegt
die inhaltliche Verantwortung bei den dezentralen Segmentfunktionen. Das zentrale Marketing wird nur hinzugezogen, um fachliche Unterstützung bei der Durchführung von Marktforschungen oder bei der Entwicklung von Werbekampagnen zu geben.299
Auch die AXA hat den Segmenten die inhaltliche Verantwortung übergeben. Der Verantwortungsbereich der Segmente wird mit der Bezeichnung „operative Geschäftssteuerung“
umschrieben. Dies beinhaltet die Planung (Entwicklung von Segmentstrategien, Finanzplanung, Maßnahmenplanung), Steuerung (Entwicklung von Lösungskonzepten, Durchführung
299
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.2, S. 267ff..
-130-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
von laufenden Maßnahmen und Projekten) und Nachverfolgung (Reporting, Controlling,
Maßnahmen zur Gegensteuerung) des Geschäftes. Die Sparten und übrigen Funktionsbereiche liefern das für die Segmente notwendige Spezialwissen hinzu.300
Ein Vorteil einer geringen Steuerung über Inhalte ist, dass die hohe Marktnähe der dezentral agierenden Segmente genutzt werden können. So werden in der Regel keine
Marktforschungen genutzt, sondern die direkten Vertriebserfahrungen dienen als Ausgangspunkt für die Segmentstrategien. Außerdem lässt sich bei einer geringen Steuerung
über Inhalte schneller auf Marktänderungen reagieren, da diese früher erkannt werden
und die Entscheidungswege kürzer sind. Allerdings führt eine geringe inhaltliche Steuerung leicht dazu, dass Einzelfallentscheidungen getroffen werden und letztlich viele,
nicht zusammen passende Lösungen entstehen.
Tabelle 12 stellt wichtige Eigenschaften einer geringen bzw. starken Steuerung über Inhalte dar.
Starke Steuerung über Inhalte
Geringe Steuerung über Inhalte
·
Gute Steuerbarkeit
·
Schnelle und direkte Entscheidungen
·
Einheitliche Entscheidungen
·
Hohe Marktnähe
·
Geringe Marktnähe und Engpassfaktor
Marketing
·
Risiko von Einzelfalllösungen
Tabelle 12: Eigenschaften von geringer bzw. starker Steuerung über Inhalte
Eine starke Steuerung über Inhalte ist wichtig, wenn die Segmente relativ ähnlich sind
und vor allem wenn die genaue Steuerung und eine präzise Nutzung der differenzierenden Leistungselemente im Vordergrund stehen. Dies ist bei Selektiven und Intensiven
Segmentierungen der Fall. Bei relativ unterschiedlichen Segmenten, die stark differenziert am Markt auftreten, ist dagegen eine geringe Steuerung über Inhalte wichtig. Dies
eignet sich daher bei Partikularen und Extensiven Segmentierungen. Die Fallstudien untermauern dies. So nutzen die Mobiliar und Allianz Suisse eine starke inhaltliche Steuerung, wohingegen Nationale Suisse und AXA eine geringe inhaltliche Steuerung anwenden.301
300
Vgl. Fallstudie AXA, Anhang A.4.2.2, S. 282ff..
301
Vgl. Fallstudie Die Mobiliar, Anhang A.1.2.2, S. 242ff; Fallstudie Allianz Suisse, A.2.2.2, S. 256ff; Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.2, S. 267ff; Fallstudie AXA, Anhang. A.4.2.2, S. 282ff..
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-131-
4.2.1.2 Steuerung über Prozesse
Das zweite Instrument zur Steuerung der Segmente liegt in der Vorgabe von verbindlichen Prozessen, an die sich die Segmente zu halten haben. Die Steuerungswirkung ergibt
sich hier aus der Möglichkeit, Entscheidungspunkte und Regeln in den Prozessen zu berücksichtigen. Unterschieden werden soll, wie in Abbildung 66 dargestellt wird, zwischen einer geringen prozessualen Steuerung und einer starken prozessualen Steuerung.
Geringe Steuerung über Prozesse
Starke Steuerung über Prozesse
- Segmente werden in den
zentralen
Steuerungsprozessen nicht
vorgesehen
- Strategische Planung nach
Produktsparten
- Budgetierung nach
Produktsparten
- Produktentwicklung nach
Produktsparten
- Segmente werden in den
zentralen
Steuerungsprozessen
vorgesehen
- Strategische Planung nach
Segmenten
- Budgetierung nach
Segmenten
- Produktentwicklung nach
Segmenten
Abbildung 66: Gestaltungsoptionen bei der Steuerung über Prozesse
Starke Steuerung über Prozesse
Die Bedeutung, die standardisierte Prozesse bei der Steuerung von Unternehmen haben,
kann kaum überschätzt werden. Tatsächlich ist es in der Praxis eine enorme Herausforderung, Maßnahmen zu planen und umzusetzen, die nicht zu den vorgesehenen Prozessen
passen. Bei der Steuerung von Segmentierungen haben sich in den Experteninterviews
und Fallstudien folgende drei Prozesse als besonders wichtig herausgestellt: der Planungsprozess, der Budgetierungsprozess und der Produktentwicklungsprozess. Auf diese
Prozesse soll im Folgenden eingegangen werden.
Planungsprozess
Der Planungsprozess gehört vermutlich zu den am intensivsten untersuchten Prozessen.
Nicht nur zahlreiche Eigenschaften des strategischen Planungsprozesses sind dabei untersucht worden, sondern auch der Einfluss auf das Unternehmensergebnis oder auf be-
-132-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
stimmte Unternehmensziele.302 Trotz der zum Teil kritischen Diskussion, die den Nutzen
von formalen Planungsprozessen in Frage stellt,303 spielt der Prozess in der Unternehmenspraxis nach wie vor eine zentrale Rolle.304
Wichtig ist beim Planungsprozess insbesondere, die Segmente in die Strategieentwicklung rechtzeitig mit einzubeziehen. So sollte die erste Umfeldanalyse von den Segmenten
vorgenommen werden, damit erst anschließend Auswirkungen auf die übrigen Bereiche
abgeleitet werden.
Budgetierungsprozess
Der Budgetierungsprozess ist in den meisten Unternehmen ein relativ formaler Prozess,
in welchem auf Basis der Vorjahre und einer prognostizierten Entwicklung die Budgets
für die einzelnen Abteilungen vergeben werden. Dieser Prozess für die Abteilungsbudgets ist relativ leicht anzupassen, indem eigene Budgets für die Segmente eingerichtet
werden. Tatsächlich wurde bereits dieser Schritt als wichtige Maßnahme zur Sicherung
der Handlungsfähigkeit der Segmente in den Experteninterviews benannt.
Weitaus wichtiger als die Abteilungsbudgets ist es jedoch, die Investivbudgets so zu verteilen, dass Segmentmaßnahmen berücksichtigt werden, sofern dies im Sinne des Unternehmens ist. Beispielhaft soll im Folgenden auf das üblicherweise größte Investivbudget,
das Projektbudget, eingegangen werden. Abbildung 67 stellt einen idealtypischen Projektportfolio-Prozess dar.
302
Vgl. zu wichtigen Beiträgen Ansoff 1965, S. 10; Armstrong 1982, S. 197-211; Armstrong 1986, S. 183-185;
Grant 2003, S. 491-463; Grinyer et al. 1986, S. 3-28; Kudla 1980, S. 5-20; Kukalis 1991, S. 143-145; Powell
1992, S. 551-558; Ramanujam, Venkatraman 1987, S. 453-468.
303
Zur Diskussion vgl. Ansoff 1991, S. 449-461; Mintzberg 1994b, S. 107-114. Mintzberg, Waters 1985, S.
257-272.
304
Vgl. Grant 2003, S. 491-463.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-133-
Idee
Konzeption
Bewertung
Genehmigung
Erfolgreicher Abschluss
von Projekten
Abbruch von Projekten
Projektportfolio
Abbildung 67: Prozess zur Verteilung des Projektbudgets
Wichtig für Segmentierungen sind die vier Schritte zur Aufnahme von Projekten in das
Projektportfolio:
· Ideenstadium: Zunächst bestehen im Unternehmen erste Ideen für ein Projekt. Oft
entstehen diese aus dem Planungsprozess; sie können aber auch durch gesetzliche
Anforderungen oder zufällig entstehen.
· Konzeption: Im zweiten Schritt werden Ideen konzeptioniert. Damit verdichten
sich die Ideen bereits, weil deutlich wird, dass mehrere Ideen zu einem Projekt zusammengefasst werden können oder sich die Idee als nicht machbar erweist.
· Bewertung: In der Bewertungsphase werden Nutzen und Kosten der Projekte geschätzt und validiert. Auch hier werden wieder Projekte verworfen, die sich als unrentabel erweisen.
· Genehmigung: Schließlich erfolgt die Genehmigung der Projekte. Dies sollte durch
die Geschäftsleitung oder ein eigenes Gremium erfolgen. Wird ein Projekt genehmigt, wird dieses in das Projektportfolio aufgenommen und erhält damit die in der
Projektplanung angegebenen Mittel aus dem Projektbudget.
Um die Segmentierung im Projektportfolio-Prozess zu verankern, sind zwei Punkte wichtig: Erstens müssen die Segmente die Möglichkeit haben, eigene Ideen zu entwickeln,
diese zu konzeptionieren und zu bewerten. Dafür brauchen sie einerseits freie Kapazitäten in Form von Mitarbeitern oder Abteilungsbudgets für Berater. Sinnvoll ist andererseits eine Verknüpfung mit dem Planungsprozess, da hier oft wichtige Impulse generiert
werden. Zweitens muss bei der Genehmigung die Segmentierung als strategische Zielsetzung berücksichtigt werden. So lassen sich alle Projekte, auch Spartenprojekte oder Inf-
-134-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
rastrukturprojekte, auf ihre Bedeutung für die Segmentierung bewerten. Die strategische
Bedeutung geht dann als ein Entscheidungskriterium neben direktem Nutzen, Kosten und
Umsetzungsdauer in die Entscheidung der Geschäftsleitung ein.
Produktenwicklungsprozess
Der letzte Prozess, der an dieser Stelle beschrieben werden soll, ist der Produktentwicklungsprozess. Im Unterschied zu Projekten erfolgt die Produktentwicklung, sofern es sich
um die normale Anpassung bestehender Produkte handelt, überwiegend nicht in Projekten sondern durch die Linienorganisation. Abbildung 68 zeigt anhand eines standardisierten Produktentwicklungsprozesses, wie dieser Prozess eine Steuerungswirkung entfalten
kann. Zunächst erfolgt die Identifikation von Kundenbedürfnissen. Entsprechend der inhaltlichen Steuerung erfolgt dies zentral oder dezentral, in jedem Fall aber aus Segmentperspektive. Sparte und Vertrieb spielen in diesem Stadium nur eine geringe Rolle. Die
erste Phase sollte mit der Übergabe von Produktskizzen abschließen, in welchen die
Kundenbedürfnisse, für welche das Produkt entwickelt werden soll, die wesentlichen Eigenschaften des Produktes und die Positionierung festgelegt sind. Planung und Umsetzung erfolgt dann in der Sparte. Der Einfluss der Segmente wird hier geringen. Dies ist
nicht kritisch, da die Vorgaben bereits gegeben sind und damit eine Kontrollfunktion der
Segmente ausreicht. Während der Roll-Outs übernimmt der Vertrieb die treibende Rolle.
Die Kontrollfunktion der Segmente bleibt aber bestehen.
Identifikation von
Kundenbedürfnissen
und Produktskizzen
Planung
Umsetzung
Roll-Out
Sparte
Segment
Vertrieb
Abbildung 68: Produktentwicklungsprozess als Steuerungsinstrument
Bei der AXA entstand im Rahmen der Segmentierung ein erheblicher Koordinationsbedarf
zwischen den Segmenten. Dieser resultiert aus der hohen Autonomie und Durchsetzungsfähigkeit der Segmente. Die Koordination übernimmt das zentrale Marketing, ohne aber den
Segmenten die Inhalte ihrer Strategie vorschreiben zu können. Dazu wurden wichtige Prozesse wie Produktentwicklung, strategische Planung und Budgetierung so angepasst, dass
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-135-
den Segmenten eine klar definierte Rolle zufällt. Damit kann das zentrale Marketing die
Segmentierung koordinieren.305
Auch die Allianz Suisse hat wichtige Prozesse im Unternehmen angepasst. Insbesondere der
Planungsprozess berücksichtigt die Segmente. So kann das zentrale Marketing klar regeln,
welche Maßnahmen für Segmente umgesetzt werden sollen und welche nicht.306
Der Vorteil einer Steuerung über Prozesse liegt darin, dass alle Akteure sich an klare
Vorgehensweisen halten und damit der Überblick über alle Aktivitäten erhalten bleibt.
Eine Kombination aus dezentraler Verantwortung für die Aktivitäten und zentraler Steuerung wird damit möglich. Allerdings schränken solche Prozesse den Spielraum der Akteure ein und sind zudem aufwändig zu konzeptionieren und einzuführen.
Geringe Steuerung über Prozesse
Bei einer geringen Steuerung über Prozesse wird das prozessuale Vorgehen den Segmenten überlassen. Damit ist einerseits ein hoher Freiheitsgrad, aber andererseits auch eine
geringe Einflussmöglichkeit verbunden. Der Erfolg in den Segmenten hängt dann stark
vom Geschick der jeweiligen Akteure ab. Bei wenigen Segmenten, die eine relativ geringe Bedeutung im Unternehmen haben, kann dies ausreichend sein. Sobald die Segmentierung an Bedeutung gewinnt, stößt dieses Vorgehen jedoch an seine Grenzen.
Wichtige Eigenschaften der beiden Steuerungsmöglichkeiten sind in Tabelle 13 noch
einmal dargestellt.
Geringe Steuerung über Prozesse
Starke Steuerung über Prozesse
·
Wenig Steuerungsmöglichkeiten
·
Hohe Steuerungsmöglichkeiten
·
Hoher Freiraum; starke Abhängigkeit von
·
Geringer Freiraum aber klare Einbindung
individuellen Akteuren
·
Kein Umsetzungsaufwand
und Gestaltungsmöglichkeiten
·
Hoher Umsetzungsaufwand
Tabelle 13: Eigenschaften einer geringen bzw. starken Steuerung über Prozesse
Aufgrund der hohen Anpassungskosten für eine starke Steuerung über Prozesse eignet
sich diese nur bei umfassenden Segmentierungen wie Intensiver und Extensiver Segmentierung. Bei Partikularen und Selektiven Segmentierungen sollten dagegen die bestehenden, auf Produkte ausgerichteten Prozesse, beibehalten werden. Dies lässt sich auch an
den Fallstudien nachvollziehen. So nutzen AXA und Allianz Suisse eine starke Prozess-
305
Vgl. Fallstudie AXA, Anhang A.4.2.2, S. 282ff..
306
Vgl. Fallstudie Allianz Suisse, Anhang A.2.2.2, S. 256ff..
-136-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
steuerung, wohingegen Nationale Suisse und Mobiliar nicht auf eigene Prozesse zurückgreifen.307
4.2.1.3 Generische Koordinationsprinzipien
Aus den Gestaltungsoptionen zu inhaltlicher und prozessualer Steuerung lassen sich vier
generische Koordinationsprinzipien ableiten.308 Abbildung 69 stellt die vier Koordinationsprinzipien vor, die sich in Bezug auf die Segmentsteuerung aus Prozess- und Inhaltssteuerung ergeben.309
Geringe Prozesskoordination
Starke Prozesskoordination
„Projektieren“
„Konzertieren“
Starke inhaltliche
Koordination
„Moderieren“
„Institutionalisieren“
Geringe inhaltliche
Koordination
Abbildung 69: Vier Steuerungsprinzipien
Projektieren
Das Steuerungsprinzip Projektieren ergibt sich aus der Kombination einer starken Steuerung über Inhalte und einer geringen Prozesskoordination. Im Folgenden soll dargestellt
werden, welche Konsequenzen sich für die Rollenverteilung der Bereiche Marketing,
Sparten und Segmentfunktion ergeben. Diese sind in Tabelle 14 dargestellt.
307
Vgl. Fallstudie Die Mobiliar, Anhang A.1.2.2, S. 242ff; Fallstudie Allianz Suisse, A.2.2.2, S. 256ff; Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.2, S. 267ff; Fallstudie AXA, Anhang. A.4.2.2, S. 282ff..
308
Lechner, Kreutzer entwickeln anhand einer Unterscheidung zwischen inhaltlicher Steuerung und Prozesssteuerung ebenfalls unterschiedliche Koordinationsformen für Wachstumsinitiativen. Sie beschreiben vier
Koordinationsformen: Agenda Setting, Context Setting, Directing und Self-Organisation. Die folgenden
Koordinationsprinzipien orientieren sich daran. Vgl. Lechner, Kreutzer 2010, S. 6-32.
309
Vgl. in ähnlicher Form Lechner, Kreutzer 2010, S. 5.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Zentrales Marketing…
Sparten…
Segmentfunktion…
·
übernimmt inhaltliche
Steuerung für die Segmentierung, indem es Segmente identifiziert und Bearbeitungsansätze entwickelt
·
haben keine inhaltliche
Verantwortung für Segmentierung; konzentrieren
sich auf Massenmarkt
·
erhält aus dem Marketing
den Projektauftrag
·
hat keinen Zugriff auf
·
sind als Beteiligte in den
·
hat großen prozessualen
Segmentaktivitäten über
Planungs/Budgetierungsprozesse;
nutzt ggf. ProjektGovernance (Lenkungsausschüsse etc.)
-137-
Segmentprojekten einbezogen
Freiraum bei der Umsetzung ; Nutzt diesen über
Projekte
Tabelle 14: Rollenverteilung im Koordinationsprinzip Projektieren
Hier gibt das zentrale Marketing Inhalte vor, die die Segmentfunktion umsetzt. Prozesse
zur Umsetzung sind nicht vorgegeben. Damit ist das Ziel klar definiert, der Weg dorthin
bleibt aber offen. Dieses Steuerungsprinzip ist damit leicht umzusetzen und bietet dennoch eine relativ hohe Eingriffsmöglichkeit. Es können allerdings Engpässe bei der Entwicklung der Segmentstrategien entstehen und es besteht das Risiko, dass die Umsetzung
der Strategien nicht ausreichend konsequent vorangetrieben wird.
Die Mobiliar steuert die Segmentierung über das Prinzip Projektieren. Entsprechend spielen
bereichsübergreifende Projekte eine große Rolle. Dazu werden Arbeitsgruppen gebildet, die
um Spezialisten aus anderen Unternehmensbereichen ergänzt werden. Die Anpassung erfolgt
dann durch diese Arbeitsgruppen in Projektform:
„Wir machen zunächst eine Studie und schauen, was alles vorhanden ist. Da sind meist sehr
viele Unterlagen und Informationen vorhanden, aber die sind verstreut. Dann versucht man
das Ganze zu bündeln und mit einer Marktsicht anzureichern. Beispielweise: Wie sieht die
Wissenschaft, wie das Segment funktioniert? Und aufgrund von diesen Dingen schaut man
dann, wo wir uns positionieren wollen und wo wir Schwerpunkte setzen wollen. Wichtig ist,
dass es Dinge sind, die auch im Außendienst ankommen, die im Verkaufsgespräch wirklich
helfen.“310
Die Umsetzung der definierten Positionierung erfolgt durch die Produktsparten. Hier ergibt
sich ein fundamentaler Interessenskonflikt. Während die Produktsparten Umsatz- und Profitabilitätsziele je Produktgruppe haben, basiert die Segmentierung auf einer Kundenperspektive, d.h. sie ist produktübergreifend angelegt.
310
Interview Mobiliar.
-138-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Einen klar definierten Prozess zur Anpassung der Segmentierung gibt es dazu nicht. So stell
ein Manager fest: „Segmentierung ist bei uns kein standardisierter Prozess, sondern es ist ein
Prozess, der stark aus den täglichen Anforderungen heraus getrieben ist. Es reicht, dass in
den Arbeitsgruppen alle Bereiche vertreten sind. Da muss man zusammen zu Lösungen
kommen die dieses Segment unterstützen.“311
Konzertieren
Beim Steuerungsprinzip Konzertieren werden sowohl Inhalte zentral vorgegeben als auch
Prozesse zur Steuerung genutzt. Die sich daraus ergebende Rollenverteilung innerhalb
des Koordinationsprinzips „Konzertieren“ ist in Tabelle 15 dargestellt.
Zentrales Marketing…
·
übernimmt inhaltliche
Sparten…
·
hat über alle zentralen
Koordinationsprozesse
Kontrolle über die Aktivitäten in den Segmenten
·
Verantwortung für Segmentierung
Steuerung für die Segmentierung indem es Segmente
identifiziert und Bearbeitungsansätze entwickelt
·
haben keine inhaltliche
Segmentfunktion…
·
sind nur in der Umsetzungsphase bei Produktentwicklung einbezogen
(Rolle: Underwriting &
Aktuariat)
erhält aus dem Marketing
die Segmentaufträge und
setzt diese um
·
orientiert sich bei der Umsetzung an den definierten
Prozessen
Tabelle 15: Rollenverteilung im Koordinationsprinzip Konzertieren
Hier gibt das zentrale Marketing ebenfalls die Inhalte vor, die die Segmentfunktion dann
umsetzt. Zusätzlich bestehen über klar definierte Prozesse umfassende Eingriffs- und
Kontrollmöglichkeiten bei der Umsetzung. Damit sind alle Aktivitäten der Segmentierung unter zentraler Kontrolle und werden detailliert geplant und umgesetzt. Dies ermöglicht einerseits ein erhebliches Maß an Kontrolle, andererseits besteht aber die Gefahr,
dass einförmige Lösungen auf alle Segmente übertragen werden, ohne auf die Besonderheiten der Kundengruppen ausreichend Rücksicht zu nehmen. Zudem ist die Entwicklung
von Steuerungsprozessen aufwändig und loht sich daher erst bei einer größeren Anzahl
von Segmenten.
Die Allianz Suisse steuert die Segmentierung über das Prinzip Konzertieren. Wie aus der
Struktur bereits zu erkennen war, liegt die Steuerungshoheit über die Segmentierung im Ressort Markt-Management. Hier werden alle wichtigen Themen, die die Segmentierung betreffen, zentral entschieden. Andere Bereiche wie Produkt oder Distribution werden hinzugezogen, soweit dies notwendig ist. Ebenfalls wird aus der Struktur deutlich, dass das Markt311
Interview Mobiliar.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-139-
Management die inhaltliche Verantwortung für die Segmentierung hat. Die Kundenbedürfnisse werden hier erhoben, interpretiert und in stimmige Strategien umgesetzt. Die einzelnen
Bereiche des Markt-Managements greifen hier ineinander und ermöglichen einen hohen
Grad an Konsistenz bei der Umsetzung der Segmentierung.
Die Segmentierung wurde auch umfassend in die Prozesse und Steuerungssysteme integriert.
So startet der Planungsprozess mit einem Update der Kundenbedürfnisse. Im weiteren Verlauf werden notwendige Veränderungen und Anpassungen identifiziert und umgesetzt. Damit ersetzt die segmentorientierte Sichtweise weitgehend die alte Produktorientierung im
Planungsprozess. Auch der Produktentwicklungsprozess wurde so angepasst, dass das
Markt-Management ein eindeutig geregeltes Vorschlagsrecht und damit einen verbindlichen
Einfluss auf den Prozess hat, wie das folgende Zitat deutlich macht:
„Wir planen auf den Segmenten und im Rahmen dieses Prozesses findet dann eine Anpassung statt. Der Prozess sieht so aus, dass es aus der Geschäftsleitung in München Vorgaben
gibt, dann gibt es eine Potenzialanalyse aus dem Markt-Management, die dann mit Vertrieb
und Produkt abgestimmt wird. Dann gibt es einige Schleifen mit Controlling und anderen
Abteilungen und dann gibt es einen Fixed-Plan, der vom Konzern abgenommen wird. Daraus ergeben sich dann Implikationen für die Segmente.“ 312
Die Steuerung wird nicht aus dem Tagesgeschäft getrieben, sondern ist klar geregelt und mit
eigenständigen Verantwortungsbereichen versehen.
Moderieren
Die Kombination aus geringer inhaltlicher Steuerung und geringer Prozesssteuerung wird
hier als Moderieren bezeichnet. Tabelle 16 zeigt die Rollenverteilung für die Bereiche
Marketing, Sparten und Segmentfunktion.
312
Interview Allianz Suisse.
-140-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Zentrales Marketing…
Sparten…
Segmentfunktion…
·
gibt keine inhaltlichen
Vorgaben für die Segmente
sondern konzentriert sich
auf den Massenmarkt; ggf.
Zulieferungen zur Segmentfunktion
·
haben keine inhaltliche
Verantwortung für Segmentierung,
·
entwickelt eigene Vorstellung über die Bedarfe der
Zielgruppe und formuliert
Bearbeitungsstrategien
·
kann nur situativ eingreifen
·
werden aber über Projekte
·
ist bei der Umsetzung wei-
und übernimmt dann die
Rolle des Moderators zwischen Interessen des Massenmarktes und den Segmentinteressen
in die Produktentwicklung
einbezogen
tegehend auf sich gestellt
und hat kaum klare Prozesse
Tabelle 16: Rollenverteilung im Koordinationsprinzip Moderieren
In diesem Fall werden die Segmentstrategien eigenständig durch die Segmentfunktionen
entwickelt. Auch die Umsetzung liegt vollständig in der Verantwortung der Segmente.
Damit bleibt dem zentralen Marketing lediglich die Rolle des Moderators, der situativ
eingreift und die Anforderungen der Segmente mit denen des Massenmarktes in Einklang
zu bringen versucht. Die Steuerungswirkung ist hier gering.
Nationale Suisse nutzt das Prinzip Moderieren zur Steuerung ihrer Segmentierung. Dabei
kommt dem Center of Competence /HNWI/Art eine besondere Bedeutung zu. Das Center hat
die Aufgabe, alle Belange der Zielgruppe zu verstehen und die notwendigen Maßnahmen im
Unternehmen anzustoßen. Es verfügt über das Kundenwissen und hat somit die inhaltliche
Verantwortung für das Segment. Die Hauptverantwortung für das Segment liegt also nicht
im zentralen Marketing, sondern in den Competence Centern:
„Unterhalb des CEO gibt es ein CEO-Office, wo auch das Group Marketing aufgehängt ist.
Die Abteilung kümmert sich aber eigentlich nicht um das Segment. Letztlich läuft das Marketing Budget zwar über Group Marketing, aber inhaltlicher Ideengeber für das Segment ist
das Center of Competence.“313
Gerade das Zusammenspiel aus dem Group Marketing und dem Center of Competence ist
nicht immer einfach, da sich zum Teil Aufgabengebiete überschneiden. Hinzu kommt, dass
das Center of Competence eine hohe Eigendynamik hat und damit für das Marketing nicht
leicht zu steuern ist. Eine weitere Herausforderung liegt darin, dass durch die fehlende Infrastruktur für das Segment relativ viele Bereiche im Unternehmen einbezogen werden müssen,
wenn Entscheidungen getroffen werden sollen. Dies ist aufwändig und kostet Zeit und Ressourcen.
313
Interview Nationale Suisse.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-141-
Institutionalisieren
Schließlich wird beim Institutionalisieren versucht, die Segmentierung durch Prozesse
zu steuern, ohne größere Vorgaben bei den Segmentstrategien zu machen. Tabelle 17
stellt die Rollenverteilung für das Koordinationsprinzip dar.
Zentrales Marketing…
·
gibt keine inhaltlichen
Sparten…
·
hat umfangreiche Eingriffsmöglichkeiten über
die definierten Prozesse;
kann damit darauf achten,
dass die Aktivitäten der
Segmente ineinandergreifen; erhält Koordinationsaufgabe
·
Verantwortung für Segmentierung,
Vorgaben für die Segmente
sondern wird Dienstleister
für Segmente in Marktforschung, Werbung etc.
·
haben keine inhaltliche
Segmentfunktionen…
·
sind nur der Produktenwicklung einbezogen (Rolle: Underwriting &
Akturiat)
entwickeln eigene Vorstellung über die Bedarfe der
Zielgruppe und formulieren Bearbeitungsstrategien
·
können bei der Umsetzung
auf definierte Prozesse zurückgreifen; haben in allen
wichtigen Phasen der Produktentwicklung Gestaltungs- oder Kontrollrecht
Tabelle 17: Rollenverteilung im Koordinationsprinzip Institutionalisieren
Das zentrale Marketing gibt hier zwar keine Inhalte vor, kann aber über zentrale Prozesse
an vielen Stellen steuernd eingreifen. Dies ermöglicht einen selektiven Eingriff in die im
Übrigen hohe Autonomie der Segmente. Die Kombination aus Autonomie und Koordination kann sehr erfolgreich sein, weil die Segmente einerseits frei agieren können, andererseits aber das Zusammenspiel nicht zufällig verläuft. So kann den Gefahren einer
Segmentierung wie Kannibalisierung zwischen den Segmenten, vorgebeugt werden. Die
Herausforderung besteht vor allem im Aufbau entsprechender Koordinationsprozesse.
Die AXA hat das Prinzip Institutionalisieren gewählt.314 Die Verantwortung für die Steuerung jedes einzelnen Segments liegt bei dem jeweiligen Segmentmanagement-Team. Dazu
wurde der Aufgabenbereich der Segmentmanagement-Teams insbesondere in Abgrenzung
zu den Aufgaben der Sparten und übrigen Funktionsbereiche detailliert definiert und in einer
Aufgabenbeschreibung festgehalten. Damit ist klar geregelt, worüber Segmente im Unternehmen entscheiden dürfen.
Grundsätzlich wird der Verantwortungsbereich der Segmente mit der Bezeichnung operative
Geschäftssteuerung umschrieben. Dies beinhaltet die Planung (Entwicklung von Segmentstrategien, Finanzplanung, Maßnahmenplanung), Steuerung (Entwicklung von Lösungskon314
Vgl. Fallstudie AXA, Anhang A.4, S. 271ff..
-142-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
zepten, Durchführung von laufenden Maßnahmen und Projekten) und Nachverfolgung (Reporting, Controlling, Maßnahmen zur Gegensteuerung) des Geschäftes. Die Sparten und übrigen Funktionsbereiche liefern das für die Segmente notwendige Spezialwissen hinzu.
Neben dieser inhaltlichen Steuerung, die bei den Segmenten selbst liegt, gibt es aber auch
einen segmentübergreifenden Koordinationsbedarf. Dieser entsteht dadurch, dass die Segmente mit einem relativ hohen Autonomiegrad ausgestattet sind. Da eine zentrale Weisung
über die Segmente damit nicht möglich ist, mussten andere Instrumente entwickelt werden.
Insbesondere spielen dabei prozessuale Einflussmöglichkeiten auf die Segmente eine wichtige Rolle. Die wichtigsten Koordinationsprozesse, vor allem Produktentwicklung, Planungsprozesse und Controllingprozesse, wurden an die Segmentierung angepasst. Hier wird festgelegt, wie die Segmente Vorhaben planen und in die Entscheidungsprozesse im Unternehmen „einspeisen“ können. Beispielsweise kann im Produktentwicklungsprozess jedes Segment individuell festlegen, welche Maßnahmen und Produkte es für seine Kundengruppe benötigt. Zentral wurde aber vorab das Vorgehen definiert, durch welches die einzelnen Vorhaben zusammengeführt und priorisiert werden. Die Aktivitäten der Segmente finden damit
im Rahmen der etablierten Steuerungsprozesse statt, die aber auf die Anforderungen der
Segmente angepasst wurden.
4.2.2
Controlling
In der Forschung gibt es nur wenige Ansätze zum Controlling einer Segmentierung. Der
Frage nach der Gesamtwirkung der Segmentierung geht BELZ nach. Er arbeitet in einer
Modellrechnung Annahmen und Einflussfaktoren heraus, die darüber entscheiden können, ob eine Segmentierung gegenüber einer generellen Marktbearbeitung vorteilhaft ist.
Dabei wird auch auf Gefahren einer Segmentierung wie Kannibalisierung hingewiesen. 315
Wie bereits beschrieben wurde, schlagen BONOMA UND SHAPIRO ein System vor, welches im Wesentlichen unterschiedliche Segmentierungskosten und ein Vorgehen zur Profitabilitätsanalyse einzelner Segmente beinhaltet.316
Beide Ansatzpunkte finden sich in der Praxis wieder, wobei die Anforderungen an ein
Segmentcontrolling insgesamt differenzierter sein dürften. Dies beginnt schon mit der
Frage, wie Kunden den Segmenten zugeordnet werden und wie detailliert die Segmente
im Controlling berücksichtigt werden. Auch die Frage nach der institutionellen Einbindung des Controllings ist nicht beantwortet.
315
Vgl. Belz 1995, S. 35.
316
Vgl. Bonoma, Shapiro 1984, S. 266-267.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-143-
Grundsätzlich muss bei der Frage nach der Wirksamkeit einer Strategie auf zwei Dimensionen eingegangen werden: Die Effektivität und die Effizienz.317 Abbildung 70 stellt den
Zusammenhang dar.
Wirksamkeit
Signifikante Wirkung einer Maßnahme auf ein Ziel
Effektivität
(„Wirksamkeitsgrad“)
Erreichungsgrad eines vorab
definierten Zielniveaus
Effizienz
(„Wirtschaftlichkeit“)
Bestmögliches Verhältnis von Wirkung
und dem damit verbundenen
Ressourcenverbrauch (Output-/InputVerhältnis)
Erfolg
Vorliegen von Effektivität und Effizienz
Abbildung 70: Zusammenhang von Effektivität und Effizienz318
Effektivität bezeichnet den Wirksamkeitsgrad einer Strategie und kann als Ergebnis oder
Output der Strategie verstanden werden. Effizienz bezeichnet die Wirtschaftlichkeit einer
Strategie und kann als das Verhältnis von Output zum dafür notwendigen Input verstanden werden. Obwohl nur beide Dimensionen gemeinsam eine vollständige Aussage über
den Erfolg zulassen, werden in der Praxis nicht immer beide Dimensionen geprüft. Dies
hängt damit zusammen, dass die Ermittlung der Effizienz aufwändig und auch nicht immer notwendig ist. Für das Controlling von Segmentierungen sollen daher die beiden Gestaltungsoptionen Output-Controlling und /Output-/Input-Controlling beschreiben werden. Abbildung 71 stellt die beiden Gestaltungsoptionen dar.
317
Vgl. Lasslop 2003, S. 11.13; Tomczak et al. 2009, S. 289-290.
318
In Anlehnung an Lasslop 2003, S. 12.
-144-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Output-Controlling
- Nur der Absatzerfolg der
Segmentierung wird ermittelt
- Einfaches
Vertriebscontrolling
- Ggf. Annäherung der
Profitabilität über
Produktmix
Output- / Input-Controlling
- Neben dem Absatzerfolg wird
auch der dafür notwendige
Aufwand ermittelt
- Einfache
Kostenstellenrechnung
- Umfassende ProfitCenter-Rechnung
Abbildung 71: Gestaltungsoptionen beim Controlling
Output-Controlling
Ein reines Output-Controlling beschränkt sich auf die Effektivität der Segmentierung und
ist damit in der Praxis meist ein Controlling des Vertriebserfolges. Die wichtigsten Kennzahlen sind:
· Anzahl der Policen je Segment im Neugeschäft und Bestand: Basis jeder Vertriebserfolgsrechnung in der Versicherungswirtschaft ist die Anzahl der Segmente
im Neugeschäft bzw. im Bestand. Für den Vertrieb ist die Kennzahl wichtig, weil
die Anzahl der Policen (und damit die Anzahl der erfolgreichen Beratungsgespräche) unmittelbar durch den Vertriebspartner zu beeinflussen ist.
· Beitragseinnahmen je Segment im Neugeschäft und Bestand: Neben der Anzahl
der Policen sind aus Sicht des Unternehmens die Beitragseinnahmen und die draus
resultierende Umsätze relevant. Diese Größe ist zudem meist Grundlage für die
Provisionsermittlung.
· Produktmix je Segment: Der Produktmix hat einen großen Einfluss auf die Profitabilität des Geschäftes. Auch wenn kein dediziertes Input-Controlling erfolgt,
kann so zumindest ein erster Anhaltspunkt über die relative Profitabilität der Segmente ermittelt werden.
· Anzahl der Kunden je Segment: Um Cross-Selling-Erfolge und
Anbündelungsquoten zu ermitteln, ist die Anzahl der Kunden je Segment sinnvoll.
So lässt sich auch das Potenzial, welches im Kundestamm liegt, besser abschätzen.
Der Aufwand, der betrieben werden muss, um diese relativ einfachen Kennzahlen zu ermitteln, wird oft unterschätzt. Die wichtigste Herausforderung betrifft die Kundenzuordnung. Nur wenn jeder Kunde eine klare Zuordnung zu einem Segment erhält, kann eine
Auswertung des Erfolgs stattfinden. Neben Anpassungen in den IT-Systemen ist hier vor
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-145-
allem eine inhaltliche Logik festzulegen. Häufig werden einfache Produktzuordnungen
verwendet, bei denen für jede Produktvariante festgelegt wird, zu welchem Segment das
Produkt gehört. So wird eine Diensthaftpflichtversicherung typischerweise von Beamten
gekauft, eine Arzthaftpflichtversicherung dagegen von Ärzten. Nachteil dieses Zuordnungsverfahrens ist, dass viele Produkte nicht segmentspezifisch sind und damit nicht
sinnvoll zugeordnet werden können. Differenzierter sind daher Kundenzuordnungen, bei
denen anhand bestimmter Fragen im Verkaufsprozess ermittelt wird, zu welchem Segment der Kunde gehört. Alle Produkte, die der Kunde dann kauft, werden dem jeweiligen
Segment zugerechnet.
Für eine solche Kundenzuordnung muss ein Fragesystem entwickelt und in die Vertriebssysteme integriert werden. Wichtig sind einfache Fragen, die der Vertriebspartner problemlos stellen kann und die idealerweise den Beratungsprozess unterstützen. Um Doppelzuordnungen zu vermeiden, sollte das Fragesystem hierarchisch aufgebaut werden, wobei
mit den am stärksten differenzierten Segmenten zu starten ist.
Abbildung 72 stellt ein Beispiel für ein solches Zuordnungsverfahren dar. Es wird deutlich, dass erstens jeder Kunde einem Segment zugeordnet werden kann und dass zweitens
keine Doppelzuordnungen entstehen. Der Reihenfolge der Fragen kommt dabei eine
wichtige Rolle zu. Im Beispiel würden Frauen mit einem Vermögen über 500.000 Euro
dem Segment Mass Affluent zugerechnet und nicht dem Segment Frauen. Dies ist dann
sinnvoll, wenn davon auszugehen ist, dass das Vermögen in diesem Fall den Bedarf stärker differenziert als das Geschlecht. Im Zweifel können Marktforschungen oder Befragungen von Fokusgruppen genutzt werden, um hier eine Entscheidung zu treffen.
ja
Segment Mass Affluent
ja
Segment 50+
ja
Segment Junge Familien
ja
Segment Frauen
nein
Alter > 50 Jahre?
nein
Kinder unter 16 Jahre?
nein
Geschlecht weiblich?
nein
Segment Männer
Abbildung 72: Beispiel für ein Zuordnungsverfahren
Differenzierungsgrad
Vermögen über 500.000 Euro?
-146-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Für die Segmentierung gibt es bei der Mobiliar kein eigenständiges Controlling:319 „Die
Steuerung des Hauses geht über die Produkte. Und Kundensegmente sind Zusatzinformationen. Produkte sind wahrscheinlich besser abgrenzbar als Segmente, Segmente ändern sich.
Aber abgesehen davon, das ist auch eine alte Diskussion. Ich glaube, die Steuerung wird bei
den Produkten bleiben. Das ist stabil und dann muss man halt querbeet die Lösungen finden.“320 Bei Bedarf werden daher einzelne Abfragen im zentralen Controlling in Auftrag gegeben. Diese sind nicht standardisiert. Überwiegend werden Vertriebskennzahlen wie verkaufte Stückzahlen, Umsatz und Kundenstruktur erhoben. Eine Verrechnung von Kosten auf
die Segmentierung wird nicht vorgenommen.
Bei der Allianz Suisse existiert im Bereich Markt-Management, der die Segmentierung verantwortet, ein eigenes Segmentcontrolling, das auf Basis der vorhandenen Daten standardisierte Auswertungen vornimmt. Auch Sonderauswertungen sind möglich. Dabei werden vornehmlich Vertriebs- und Umsatzkennzahlen erhoben. Eine Schlüsselung von Kosten auf die
Segmente findet nicht statt.321
/Output-/Input-Controlling
Grundlagen eines umfassenden /Output-/Input-Controlling sind zunächst die beschriebenen Elemente für das ausschließliche Output-Controlling. Ergänzt werden muss dieses
jedoch um den Input, d.h. den Aufwand je Segment. Wichtige Kenngrößen eines Output/Input-Controllings sind (neben den bereits genannten Output-Größen):
· Schadenquote je Segment: Den größten Teil der Inputgrößen nehmen in der Versicherungswirtschaft typischerweise die Zahlungen für Schadenfälle ein. Eine detaillierte Betrachtung der Schadenquoten je Segment ist wichtig, damit keine Fehlsteuerung auf nicht ertragreiche Segmente erfolgt.
· Provisionsquote je Segment: Provisionen unterscheiden sich je nach gewählten
Vertriebsweg und je nach Produkt erheblich. Damit ist auch eine Betrachtung der
Provisionsquote hilfreich.
· Kostenquote je Segment: Bei der Kostenquote ist zwischen den Kosten, die direkt
für die Bearbeitung des Segments anfallen, und denen, die nur indirekt auf das
Segment verrechnet werden, zu unterscheiden. Sinnvollerweise sollten nur diejenigen Kosten betrachtet werden, die durch das Segment beeinflusst werden können.
319
Vgl. Fallstudie Mobiliar, Anhang A.1, S. 233ff..
320
Interview Mobiliar.
321
Vgl. Allianz Suisse, Anhang A.2.2.2, S. 256ff..
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-147-
· Deckungsbeitrag je Segment: Insgesamt lässt sich auf Basis der Inputgrößen eine
Deckungsbeitragsrechnungen erstellen. Damit werden wichtige Aussagen über die
Profitabilität in den Segmenten möglich.
Ein Beispiel für eine versicherungsspezifische Deckungsbeitragsrechnung ist in Abbildung 73 dargestellt.322
Segment 1
Segment 2
Segment 3
Segment 4
Beitragseinnahmen
./. Schadenaufwand
./. Schadenbearbeitungsaufwand
./. Betriebskosten
Deckungsbeitrag I
./. Provisionen
./. Direkte Vertriebskosten
Deckungsbeitrag II
./. Direkte Kosten für die
Segmentbearbeitung
Deckungsbeitrag III
Abbildung 73: Segmentbezogene Deckungsbeitragsrechnung323
Die Deckungsbeiträge I bis III lassen unterschiedliche Aussagen über den Segmenterfolg
zu. Der Deckungsbeitrag I ist das unmittelbare Ergebnis im Segment und ausschließlich
von der Kundenstruktur bzw. der Tarifkalkulation beeinflusst. Hier lässt sich erkennen,
ob das Kundensegment grundsätzlich attraktiv ist. Der Deckungsbeitrag II ist um die Vertriebskosten erweitert und zeigt an, ob die Erschließung des Segments über die gewählten
Vertriebswege auskömmlich ist. Im Deckungsbeitrag III sind schließlich auch diejenigen
Kosten angefallen, die nur durch die segmentspezifische Bearbeitung anfallen. Hier sind
Kosten insbesondere Komplexitätskosten und direkte Koordinationskosten zu erfassen.
Für ein umfassendes Controlling kann eine Deckungsbeitragsrechnung jedoch nur Ausgangspunkt sein. Wichtige andere Kennzahlen sind je nach Bedeutung der Segmentierung zu ergänzen:
· Kundenwechsel zwischen den Segmenten: In Unternehmen mit mehreren Segmenten besteht immer die Gefahr, dass sich die Segmente gegenseitig stärker
kannibalisieren, als sie Neukunden am Markt erreichen. Wichtig ist daher eine Betrachtung des Kundenwechsels zwischen den Segmenten. So wird deutlich, ob es
322
Vgl. dazu ausführlicher Albrecht 1990, S. 205-250.
323
In Anlehnung an Albrecht 1990, S. 219.
-148-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
sich bei einem Kundenzuwachs wirklich um einen Markterfolg, oder nur um einen
internen Wechsel der Kunden handelt.
· Marktanteil je Segment: Häufig neigen Segmentverantwortliche dazu, ihre Kundengruppe möglichst breit zu definieren. Je größer die Grundgesamtheit, desto
leichter sind Vertriebserfolge zu erreichen. Eine Berücksichtigung des Marktanteils bei der Steuerung der Segmente hilft hier, ein Gegengewicht zu schaffen.
Denn hier wird der Vertriebserfolg in Beziehung zur Grundgesamtheit gesetzt. Da
große Kundensegmente oft unspezifisch und damit schwerer zu bearbeiten sind,
wägen Segmentverantwortliche besser bei der Definition der Segmente ab.
· Kundenzufriedenheit je Segment: Weitere kundenbezogene Kennzahlen wie Kundenzufriedenheit sollten das Kennzahlensystem ergänzen. Dies ermöglicht eine
differenzierte Betrachtung der Segmentleistung auch unter Berücksichtigung der
Servicequalität.
Insgesamt wird deutlich, dass mit dem Controlling einer Segmentierung eine erhebliche
Anstrengung verbunden ist. Die in der standardisierten Befragung genannten Probleme
mit den IT-Systemen bei Segmentierungen dürften auf diese Thematik anspielen.324
Controllingsysteme sind schwierig anzupassen, ziehen sich durch das gesamte Unternehmen und bauen auf unterschiedlichsten Datenquellen auf. Die zerstückelten und im
Laufe der Jahre gewachsenen IT-Systeme vieler Versicherungen sind diesen Herausforderungen oft nicht gewachsen. Ein Output-Controlling sollte in jedem Fall angestrebt
werden, wenn eine Segmentierung geplant ist. Die Notwendigkeit eines detaillierten
/Output-/Input-Controllings hängt dagegen stark von der Eigendynamik der Segmentierung ab. Sie sollte eingeführt werden, wenn ein Gegengewicht notwendig ist, um die Aktivitäten der Segmente unter Kontrolle zu behalten, und wenn eine große Anzahl segmentspezifischer Aktivitäten zu erwarten ist, die genauer überprüft werden sollte. Leicht
lässt sich ein umfassendes /Output-/Input-Controlling um eine Profit-Center-Struktur erweitern, sodass die Verantwortlichkeit für die Segmente klar geregelt ist.
Bei der Nationale Suisse verfügen die Center of Competence über eigenes Know-How und
einige wenige Ressourcen für das Controlling der Specialty Lines. Für die Führung und
Steuerung des Geschäftes wichtiger ist jedoch das Controlling der Business Units, welches
wiederum eng mit dem Gruppen Controlling zusammenarbeitet. Ein differenzierteres Controlling der Specialty Lines über eine detaillierte Deckungsbeitragsrechnung ist geplant, derzeit aber noch nicht umgesetzt. Zur Zeit werden die Specialty Lines hauptsächlich über das
324
Vgl. Kapitel 2.3, S. 48.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-149-
Volumen gesteuert, später wird die Deckungsbeitragsrechnung zu einer detaillierten Profitabilitätssteuerung und operativen Steuerung auf allen Ebenen führen.325
Bei der AXA werden alle wichtigen Kennzahlen regelmäßig in einem „Segment-Cockpit“
berichtet.326 Dies ermöglicht einen schnellen Überblick über die Entwicklung der Segmente.
Da die Segmente einen großen Verantwortungsbereich haben, ist es wichtig, nicht nur den
Umsatz der Segmente, sondern auch Kosten zuordnen zu können. Den Segmenten wurde daher die Verantwortung für die Profitabilität ihrer jeweiligen Kundengruppe gegeben. Auch
dies wird in den Controllingsystemen berücksichtigt.
Tabelle 18 stellt noch einmal wichtige Eigenschaften der Controllingformen gegenüber.
Output-Controlling
·
/Output-/Input-Controlling
Einfache Kontrolle wichtiger Vertriebs-
·
kennzahlen
·
Sinnvoll bei wenig differenzierten Segmenten und bei hohem Integrationsgrad der
Segmentierung
Umfassende Kontrolle des Segmenterfolges
·
Sinnvoll bei eigenständigen Segmenten mit
hoher Eigendynamik
·
Gut durch Profit-Center-Struktur zu ergänzen.
Tabelle 18: Eigenschaften von Output- und /Output-/Input-Controlling
Ein Output-Controlling reicht, wenn die Autonomie der Segmente gering ist. Dies betrifft
Selektive und Intensive Segmentierungen, wie auch bei den Fallstudien der Mobiliar und
Allianz Suisse deutlich wird.327 Hier werden die Inhalte der Segmentstrategien zentral
vorgegeben, sodass ein umfassendes Controlling des Inputs nicht erforderlich ist. Ein
/Output-/Input-Controlling ist dagegen wichtig, wenn die Segmente eigenverantwortlich
handeln. Dies ist bei Partikularen und Extensiven Segmentierungen der Fall. Entsprechend haben AXA und Nationale Suisse ein umfangreicheres Controlling entwickelt.328
4.2.3
Vertriebsmanagement
Segmentierung und Vertriebsmanagement hängen eng miteinander zusammen. Nicht nur
die unmittelbare Kernleistung wird differenziert, sondern auch die Absatzkanäle sind an
die Bedürfnisse der Kundengruppen anzupassen. Dabei muss neben den Segmenten, die
325
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3, S. 260ff..
326
Vgl. Fallstudie AXA, Anhang A.4, S. 271ff..
327
Vgl. Fallstudie Mobiliar, Anhang A.1.2.2, S. 242ff; Fallstudie Allianz Suisse, Anhang A.2.2.2, S. 256ff..
328
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.2, S. 267ff; Fallstudie AXA, Anhang. A.4.2.2, S. 282ff..
-150-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
bedient werden sollen, über Art, Anzahl und Kombination der Absatzkanäle sowie über
die Aufgabenverteilung zwischen den Kanälen entschieden werden.329
Damit Segmentierungen ihre volle Kraft entfalten können, ist daher ein angepasstes Vertriebsmanagement unverzichtbar. SCHÖGEL untersucht das Management von Mehrkanalsystemen und unterscheidet zwischen fokussierten, integrierten und hybriden Mehrkanalsystemen.330 Für die Gegenüberstellung sollen die beiden Extremformen, fokussierte und
integrierte Mehrkanalsysteme, genutzt werden.331 Abbildung 74 stellt die beiden Gestaltungsoptionen dar.
Integriertes Vertriebsmanagement
- Die Segmente werden über
einen Verbund der
Vertriebswege erschlossen
- Kunden können frei zwischen
den Vertriebswegen wählen
- Starke Koordination der
Vertriebswege
Fokussiertes Vertriebsmanagement
- Jedes Segment wird über
einen eigenen Vertriebsweg
erschlossen
- Kunden können nicht frei
wählen
- Geringe Koordination der
Vertriebswege
Abbildung 74: Gestaltungsoptionen des Vertriebsmanagements
Integriertes Vertriebsmanagement
Bei einem integrierten Vertriebsmanagement sorgt der Anbieter dafür, dass die Vertriebskanäle einen Verbund darstellen.332 Für Kunden kann dies einen Mehrwert darstellen, da hier je nach Situation unterschiedliche Kanäle gewählt werden können und ein
Wechsel damit leicht möglich ist. Ein integriertes Vertriebsmanagement setzt eine intensive Koordination voraus. Wichtige Aspekte eines integrierten Vertriebsmanagements
sind:
· Zentrale Steuerung: Wichtige Entscheidungen z.B. über Preisniveau, zu verkaufende Produktgruppen und zu betreuende Kundengruppen werden nicht den Vertriebswegen selbst überlassen, sondern zentral festgelegt. Damit können einheitli329
Vgl. Schögel 1997, S. 31-32; Weinhold-Stünzi 1994, S. 2-8.
330
Vgl. Schögel 1997, S. 177-181. In ähnlicher Form Dahmen 2004, S. 96-114.
331
In der Praxis dürften hybride Systeme dominieren. Dies wird auch in den Fallstudien deutlich. So nutzt AXA
eine Kombination aus integriertem Vertriebsweg für Privat und Öffentlicher Dienst und einem fokussierten
Vertriebsweg für das Segment Ärzte-Heilwesen. Zur Darstellung der grundsätzlichen Funktionsweise eignen
sich die beiden Extremformen jedoch besser.
332
Vgl. ausführlicher Schögel 1997, S. 149-151.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-151-
che Ziele verfolgt und die gleichen Leistungen über die Vertriebswege vertrieben
werden.333 Im Bezug auf Segmentierungen bedeutet dies, dass die Vertriebswege
so koordiniert werden können, dass die Segmente mit dem Verbund aller Vertriebswege effizient bearbeitet werden können.
· Freier Kundenzugang: Bei einem integrierten Vertriebsmanagement muss sichergestellt werden, dass alle Vertriebswege Zugriff auf Kundendaten haben und auch
das Recht besitzen, den Kunden zu bedienen. Oft erhält der Haupt-Vertriebsweg
eine Kompensation, wenn andere Vertriebswege auf den Kunden zugreifen. 334
· Zentrale Koordinationsstelle: Um die übergreifende Steuerung sicherzustellen,
sollte eine zentrale Koordinationsstelle geschaffen werden, die neben Budgetverantwortung auch den Produkteinkauf für die Vertriebswege und die Controllingund Reportingaufgaben übernimmt.335 Oft sind die Vertriebe auch über die Koordinationsstelle hinaus organisatorisch miteinander verknüpft. So werden beispielsweise Stabsstellen oder Teile der Führungsstrukturen gemeinsam genutzt.
Die Allianz Suisse nutzt ein integriertes Vertriebsmanagement. Hier werden alle Segmente
im Wesentlichen über die Kanäle Ausschließlichkeit und Direktvertrieb bedient. Beide Kanäle befinden sich im direkten Zugriff des Unternehmens und können so leicht gesteuert werden.336
Damit die Segmentierung im Vertrieb erfolgreich ist, sollte darauf geachtet werden, dass
die Incentivierungssysteme angepasst werden. Die Vertriebssteuerung sollte nicht nach
einzelnen Produktgruppen, sondern nach den definierten Kundengruppen erfolgen. Andernfalls werden alle Segmentierungsbemühungen durch die operative Steuerung der
Vertriebe konterkariert.
Häufig ist es sinnvoll, segmentbezogene Schwerpunkte in einem Vertriebsweg zu entwickeln. Unterschätzt wird dabei aber oft der Kulturwandel im Vertrieb, der für eine Segmentierung notwendig ist. Traditionell erfolgt eine Spezialisierung im Vertrieb, indem
Vertriebspartner bestimmte Produktkategorien – beispielsweise Vorsorgeprodukte oder
Sachversicherungen – an eine relativ heterogene Kundenbasis vertreiben. Mit einer Segmentierung muss sich dies verändern: Um den Kundenbedarf umfassend zu bedienen,
müssen alle Produktkategorien an eine relativ homogene Kundenbasis vertrieben werden.
333
Vgl. Schögel 1997, S. 160-164.
334
Vgl. Dahmen 2004, S. 192-193.
335
Vgl. Dahmen 2004, S. 193.
336
Vgl. Fallstudie Allianz Suisse, S. 257.
-152-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Eine solche Umstellung ist nicht kurzfristig möglich, sondern macht langfristige Investitionen in die Fähigkeiten und Kenntnisse der Vertriebspartner notwendig.
Die MLP AG ist ein erfolgreiches Beispiel für einen nach Kundensegmenten aufgestellten
Versicherungsvertrieb.337 Die MLP-Berater konzentrieren sich jeweils auf Kunden mit ähnlichem beruflichen Hintergrund wie Ärzte, Wirtschaftswissenschaftler oder Juristen. 338 Dafür
erhalten Kunden eine umfassende Beratung in allen Finanzdienstleistungsfragen. Viele wichtige Elemente der Wertschöpfungskette vom Produkteinkauf bis hin zur Infrastruktur sind
aber über die Kundensegmente hinweg identisch.
Ein integriertes Vertriebsmanagement setzt voraus, dass die Unterschiede im Kaufverhalten zwischen den Kundengruppen nicht zu groß sind. Andernfalls entsteht kein Mehrwert
für den Kunden durch die Möglichkeit, zwischen den Vertriebskanälen zu wechseln. Integriertes Vertriebsmanagement eignet sich damit eher zur Marktdurchdringung mit Fokus auf Kundenbindung und Beziehungsmanagement.339 Auch Cross-Selling ist bei integriertem Vertriebsmanagement möglich. Es ermöglicht zudem, Synergien bei der Kundenbearbeitung zu nutzen.
Fokussiertes Vertriebsmanagement
Bei fokussiertem Vertriebsmanagement gilt das Ziel, einzelne Kundengruppen mit eigenen Absatzkanälen zu bearbeiten. Dabei übernehmen die Kanäle alle wichtigen Aufgaben
eigenständig und mit hoher Autonomie.340 Wichtige Aspekte sind:
· Dezentrale Steuerung: Bei fokussiertem Vertriebsmanagement werden wichtige
Entscheidungen über Pricing, Kundengruppen und Produkte dezentral getroffen.
Im Extremfall kann dies bedeuten, dass auch eigene Vertriebsmarken entstehen,
die untereinander kaum noch Gemeinsamkeiten haben.341 Vorteile sind neben der
Nutzung des dezentralen Know-Hows auch hoher Wettbewerb und direkte und
schnelle Entscheidungen vor Ort.342
· Exklusiver Kundenzugang: In der Regel existiert bei fokussiertem Vertriebsmanagement ein exklusiver Kundenzugang. Das heißt, dass Kundendaten nicht über die
337
Experteninterview (MLP AG).
338
Vgl. MLP AG 2009, S. 20-31.
339
Vgl. Dahmen 2004, S. 189.
340
Vgl. Schögel 1997, S. 149-151.
341
Vgl. Schögel 1997, S. 162.
342
Vgl. Schögel 1997, S. 164.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-153-
Vertriebswege hinweg genutzt werden können. Die umfassende Ausschöpfung der
Kundenverbindung wird damit schwieriger.343
· Eigenständige Organisationsstruktur: Für fokussierte Vertriebe werden meist Profit-Center oder sogar vollständig eigenständige Organisationsstrukturen genutzt. In
jedem Fall ist wichtig, dass eine klare Zurechenbarkeit von Verantwortung möglich ist und auf Besonderheiten der jeweiligen Kundengruppe organisatorisch reagiert werden kann.344
Fokussierte Vertriebswege ermöglichen es, neue Kunden zu erschließen. Hinzu kommt,
dass ein Portfolio unterschiedlicher Vertriebswege das Unternehmen befähigt, schnell auf
unerwartete Veränderungen zu reagieren wodurch Risiken gestreut werden.345 Allerdings
setzen fokussierte Vertriebswege klar abgegrenzte Kundensegmente voraus, damit die
Vertriebe sich tatsächlich konzentrieren können. Auch dürfen die Kundensegmente nicht
zu klein sein. Im Umkreis eines Vertriebspartners muss eine ausreichend große Anzahl an
Kunden sein, damit die Vorteile der Fokussierung nicht durch sprunghaft ansteigende
Reiseaufwände überkompensiert werden.
Innerhalb der AXA nutzt das Segment Ärzte-Heilwesen die Deutsche Ärztefinanz als Vertriebsweg. Dieser Vertriebsweg ist klar abgegrenzt von den übrigen Vertriebswegen der
AXA und eigenständig strukturiert. Es existieren eigene Anreizsysteme, die im allgemeinen
Vertrieb der AXA nicht möglich wären. Dies ist nur möglich, weil Ärzte ein klar abgegrenztes Segment sind, welches sich für die Bearbeitung über einen eigenen Vertriebsweg gut eignet.346 Die Gesamtstruktur ist in Abbildung 75 dargestellt.
343
Vgl. Dahmen 2004, S. 193.
344
Vgl. Dahmen 2004, S. 192-193.
345
Vgl. Dahmen 2004, S. 189.
346
Vgl. Fallstudie AXA, S. 284.
-154-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Privat
AXA Vertrieb
ÖD
Schwerpunktagenturen
AH
Deutsche Ärztefinanz
Privat
Beamte
Ärzte
Abbildung 75: Vertriebsmanagement der AXA
Um das Vertriebsmanagement der AXA zu vereinfachen, spielt der bereits beschriebene
Plan 360-Grad eine große Rolle. Der Plan integriert unterschiedliche Leistungselemente in
eine ganzheitliche und individuelle Kundenlösung. Die Grundelemente einer 360-GradLösung sind immer die gleichen. Für jede Kundengruppe werden sie aber spezifisch ausgestaltet und angepasst. Alle 360-Grad-Lösungen sind in die Vertriebsinfrastruktur integriert.
Es wurde eine Beratungssoftware entwickelt, die es Agenturen ermöglicht, mit wenig Aufwand unterschiedliche Kundengruppen umfassend und kompetent zu beraten. Auf diese
Weise gelingt es, individuelle Beratung zu standardisieren und auch über die Segmente hinweg eine hohe Qualität zu sichern.
Ein anderes Beispiel für ein fokussiertes Vertriebsmanagement ist die HUK-Coburg. Während die HUK-Coburg hauptsächlich über das Internet und den angestellten Außendienst
Produkte vertreibt, wendet sie sich mit der Marke PAX Familienfürsorge speziell an Menschen im kirchlichen Umfeld. Neben Pfarrern und Angestellten der Kirchen gehören dazu
auch Diakonie, Caritas und freie Wohlfahrtspflegen. Hier erfolgt der Vertrieb über Vertrauensleute im kirchlichen Umfeld. 347
Das Vertriebsmanagement bei der Nationale Suisse erfolgt ähnlich wie im Fall der Schwerpunktagenturen der DBV. Im Vertrieb gibt es zwei Stabsfunktionen, von denen eine für die
Unterstützung der Specialty Lines zuständig ist. Darüber wird versucht den Vertrieb von den
Specialty Lines zu unterstützen. Die Aufgabe beschreibt ein Manager wie folgt: „Die Stabstellen im Vertrieb sind im Grunde das Scharnier zwischen den Vertriebsführungskräften
und den Center of Comptences.“348 Nicht jede Agentur ist dabei im Segment /HNWI/Art aktiv: „Die Erfolgsfaktoren unterscheiden sich in dem Segmenten natürlich stark vom normalen Markt. Vertrauen ist wichtig, Diskretion. Das läuft zum einen stark über Makler, zum
anderen gibt es aber einige Agenten, die sich in diesem Segment sehr gut zurechtfinden.
347
Vgl. VRK - Versicherer im Raum der Kirche VVaG 2010, S. 2-10.
348
Interview Nationale Suisse.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-155-
Aber das sind natürlich nicht alle. Ein wichtiger Punkt ist dabei, die Agenten herauszufinden,
die das gut können und die dann zu fördern. Es gibt aber bisher nur Zielgruppenmanager,
keine eigenen Vertriebe für Kunst.“ Die Nationale Suisse befindet sich damit auf dem Weg
hin zu einem stärker fokussierten Vertriebsweg für das Segment.349
Durch Analyse der Bestände wird versucht, Agenturen zu identifizieren, die besonders aktiv
in dem Segment sind. Diese werden dann z.B. zu Events eingeladen oder bei der Organisation eigener Veranstaltungen unterstützt. Zudem werden Segmentkampagnen bei diesen
Agenturen genutzt, um die Bearbeitung im Segment zu fördern.
Um im Vertrieb die notwendige Expertise für die Produkte zu schaffen, werden Spezialisten
eingebunden. Dabei besteht eine wesentliche Herausforderung darin, den Vertrieb zu unterstützen ohne dass er Gefahr läuft, die Kundenverbindung zu verlieren. Kunstsachverständige
werden z.B. eingebunden oder spezielle Underwriter mit Fachwissen in der Kunstversicherung hinzugezogen, um dem Kunden ein individuelles Versicherungspaket zusammenstellen
zu können.
Tabelle 19 stellt wichtige Eigenschaften von integriertem und fokussiertem Vertriebsmanagement gegenüber.
Integriertes Vertriebsmanagement
·
Fokus auf Kundenbindung und Marktdurchdringung
·
Hohe Profitabilität durch Synergien und
Cross-Selling-Potenzial
·
Wandel von Produktspezialisierung zu
Kundenspezialisierung als Herausforderung
·
Incentivierungssysteme müssen angepasst
Fokussiertes Vertriebsmanagement
·
Fokus auf Neukundengewinnung
Hohe Differenzierung möglich, schnelle
Reaktionsmöglichkeiten und Risikodiversifizierung
·
Hohe Anforderungen an Segmentierungslogik; wichtig sind pragmatische Segmente
werden
Tabelle 19: Eigenschaften von integriertem und fokussiertem Vertriebsmanagement
Ein integriertes Vertriebsmanagement eignet sich für Selektive und Intensive Segmentierungen, weil die bestehenden Kundengruppen intensiver bearbeitet werden sollen. Dies
lassen auch die Fallstudien erkennen.350 Bei Extensiven und Partikularen Segmentierungen liegt der Fokus dagegen auf der Gewinnung von neuen Kunden, sodass hier fokussierte Vertriebswege besser geeignet sind. Die Fallstudien AXA und Nationale Suisse
zeigen dies.351
349
Interview Nationale Suisse. Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.2, S. 267ff..
350
Vgl. Fallstudie Mobiliar, Anhang A.1.2.2, S. 242ff; Fallstudie Allianz Suisse, Anhang A.2.2.2, S. 256ff..
351
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.2, S. 267ff; Fallstudie AXA, Anhang. A.4.2.2, S. 282ff..
-156-
4.2.4
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wurde auf die Gestaltungsoptionen der Koordination eingegangen.
Wichtige Optionen waren:
· Steuerung des Segmentportfolios: Zur Steuerung wurden mehrere generische
Koordinationsprinzipen entwickelt. Diese setzten sich aus dem Maß an inhaltlicher und prozessualer Steuerung zusammen. Das Prinzip Projektieren beruht auf
starker inhaltlicher Steuerung und geringer prozessualer Steuerung. Hier erhalten
Projekte klare Segmentaufträge und haben dann Freiraum bei der Umsetzung. Das
Prinzip ist flexibel und eignet sich bei einer eher geringen Bedeutung der Segmentierung mit wenigen Segmenten. Das Prinzip Konzertieren kombiniert eine hohe
inhaltliche Steuerung mit einer hohen prozessualen Steuerung. Der Vorteil liegt in
den umfangreichen Eingriffsmöglichkeiten, weshalb viele Segmente gleichzeitig
bedient werden können. Allerdings führt die zentrale inhaltliche Verantwortung
leicht zu Uniformität, weshalb die Erschließung neuer Segmente schwierig ist.
Durch das Prinzip Moderieren können eigenständige Segmentlösungen entwickelt
werden, weil den Verantwortlichen viel inhaltlicher Freiraum bleibt. Allerdings
gibt es durch die geringe prozessuale Steuerung kaum Eingriffsmöglichkeiten,
weshalb nur wenige Segmente erschlossen werden können. Schließlich wird bei
dem Prinzip Institutionalisieren eine geringe inhaltliche Steuerung mit einer hohen
prozessualen Steuerung verbunden. So können die Segmente Freiräume nutzen
und dennoch bleiben über zentrale Prozesse Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten.
· Segmentcontrolling: Beim Segmentcontrolling wurde zwischen einem reinem
Output-Controlling und einem umfassenderen /Input-/Output-Controlling unterschieden. Ersteres ist einfach umzusetzen, gerät aber an seine Grenzen wenn die
Segmente eine hohe Eigenständigkeit haben. In diesen Fällen sollte ein /Input/Output-Controlling gewählt werden, damit individuelle Erfolgsrechnungen möglich werden.
· Vertriebsmanagement: Schließlich wurde auf unterschiedliche Ansätze zum Vertriebsmanagement eingegangen. Durch ein integriertes Vertriebsmanagement werden alle Vertriebswege zur optimalen Ausschöpfung der Kundenpotenziale koordiniert. Dies eignet sich zur intensiveren Bearbeitung bestehender Segmente. Fokussiertes Vertriebsmanagement setzt auf eigenständige Vertriebe je Segment. So
können neue Segmente erschlossen werden.
Im Folgenden Kapitel wird auf die Gestaltungsdimensionen der Variation eingegangen.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
4.3
-157-
Variation
Zur Variation gehören die Realisation der Segmentierung und die Adaption des Unternehmens. Beide Dimensionen werden im Folgenden näher beschrieben.
4.3.1
Realisation
Zwei Vorgehensweisen existieren bei der Realisierung. Zum Einen kann ausgehend von
relativ generischen Hauptsegmenten die Segmentierung zunehmend verfeinert werden.
BELZ beschreibt beispielsweise, wie aus dem Segment Junge Leute die Subsegmente
Kinder und Jugendliche, Lehrlinge und Studenten, Medizin- und Wirtschaftsstudenten
und schließlich Studienanfänger und Abschluss-Kandidaten unterschieden werden können. Neben einer solchen zunehmenden Verästelung der Segmentierung können Segmente aber auch zum anderen von sehr spezialisierten Teilsegmenten ausgehend erschlossen
werden.352 So könnte sich ein Unternehmen auf Medizinstudenten kurz vor dem Abschluss spezialisieren und nach und nach angrenzende Segmente erschließen. Abbildung
76 zeigt beide Realisierungsformen am Beispiel Junge Leute.
Top-Down-Realisierung
Bottom-Up-Realisierung
Jura
Junge Leute
Wirtschaft
Medizin
Studenten
Lehrlinge
Jugendliche
Kinder
Jugend-li
che
Studenten
Medizin
Wirtschaft
Kinder
Lehrlinge
Jura
Junge Leute
Abbildung 76: Top-Down- vs. Bottom-Up-Realisierung
Die Realisierungsformen der untersuchten Unternehmen lassen sich der von BELZ vorgeschlagenen Unterscheidung von Top-Down und Bottom-Up-Realisierung zuordnen. Bei
Top-Down-Realisierungen wird von relativ grob geschnittenen Hauptsegmenten ausgehend die Segmentierung zunehmend verfeinert. Bei Bottom-Up-Realisierungen werden
dagegen von einzelnen, stark differenzierten Teilzielgruppen die Segmente erweitert und
352
Vgl. Belz 1995, S. 49-50.
-158-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
zu größeren Gruppen zusammengeschlossen. Bei Top-Down-Realisierungen spielen
zentral organisierte Projekte eine große Rolle, wohingegen Bottom-Up-Realisierungen
mit erfolgreichen Einzelkonzepten von Vertriebspartnern ausgehen, die dann sukzessive
ausgeweitet und übertragen werden. Die beiden Prozesse stellen Gestaltungsoptionen der
Realisation dar (Abbildung 77).
Top-Down-Realisierung
Bottom-Up-Realisierung
- Ausgehend von stark
differenzierten
Teilsegmenten
- Zunehmende Erweiterung
und Zusammenfassung
- Ausgehend von groben
Segmenten
- Zunehmende Verästelung
und Verfeinerung
Abbildung 77: Gestaltungsoptionen der Realisation
Top-Down-Realisierung
Top-Down und Bottom-Up-Realisierungen wirken in unterschiedlicher Weise auf die
Positionierung in einzelnen Kundengruppen. Bei Top-Down-Realisierungen werden
Segmente durch zentrale Projekte erschlossen. Die Segmente sind dabei zunächst sehr
grob. Abbildung 78 stellen einen idealtypischen Top-Down-Prozess dar, wie er sich aus
den Experteninterviews und Fallstudien ergeben hat.
Feine Aufteilung des
Marktes wird möglich
6
Grundsatzentscheidung zur
Erschließung eines Segmentes
1
Neue Erkenntnisse und
5
zunehmende Erfahrungen
Routinisierung der
Bearbeitung
2
4
Abbildung 78: Top-Down-Prozesse zur Realisierung
Sechs Schritte lassen sich dabei erkennen:
Marktanalyse und
Marktaufteilung
3
Erschließung von
Segmenten durch Projekte
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-159-
1. Grundsatzentscheidung: Ausgangspunkt bei Top-Down-Prozessen ist eine Grundsatzentscheidung, ein bestimmtes Segment differenziert bearbeiten zu wollen. Typischerweise werden solche Entscheidungen im Marketing oder der Produktentwicklung vorbereitet und von der Geschäftsleitung getroffen.
2. Marktanalyse und Marktaufteilung: Anschließend folgt eine Phase intensiver
Marktanalyse, um die Kundengruppe zu verstehen, Bedürfnisse abzuleiten und
Strategien zur Erschließung zu entwickeln. Das Ergebnis ist eine klar definierte
Aufteilung des Marktes anhand bestimmter Kriterien. In der Regel ergeben sich
dabei zunächst eher grobe Segmente, da die Informationen, die mit Marktanalysen
generiert werden können, oft eher oberflächlich sind.
3. Erschließung durch Projekte: Im dritten Schritt werden Projekte aufgesetzt, die
die Kundengruppe erschließen sollen. Dazu werden Leistungen differenziert, Vertriebsansätze ausgearbeitet und Zugangswege erschlossen.
4. Routinisierung der Bearbeitung: Projekte sind meist nur von begrenzter Dauer. Irgendwann werden die Projektergebnisse in die Linienorganisation des Unternehmens übergeben und die Bearbeitung gewinnt an Routine, weil bestehende Abteilungen die Kundengruppe aufgreifen und in die Standardabläufe integrieren.
5. Neue Erkenntnisse und zunehmende Erfahrungen: Je länger ein Unternehmen in
einer Kundengruppe aktiv ist, desto mehr Informationen werden im Unternehmen
gesammelt. Verschiedene Bereiche im Unternehmen lernen die Besonderheiten
der Kundengruppe kennen, um sich auf die Kundengruppe einzustellen.
6. Feinere Aufteilung des Marktes: Das Unternehmen hat nun Erfahrung mit der
Kundengruppe und kennt ihre Besonderheiten. Die zunächst groben Kundengruppen können nun in feinere Gruppen unterteilt werden, sodass die Bedürfnisse dieser Kundengruppen besser berücksichtigt werden können.
Bei solchen Top-Down-Realisierungen treten zwei Effekte auf, die eine direkte Wirkung
auf die Positionierung des Unternehmens in dem Segment haben:
· Verzerrte Wahrnehmungen: Grobe Segmente überschneiden sich stark mit der bisherigen Kernzielgruppe der Unternehmen und sind daher nicht neu. Bei der Anpassung des Angebotes an diese Segmente unterstellen die Verantwortlichen, dass die
Erfahrungen, die das Unternehmen in der Zielgruppe hat, als typisch für die gesamte Zielgruppe angesehen werden können. Dabei wird ignoriert, dass der Anteil der
Zielgruppe im eigenen Portfolio zwar hoch ist, der Marktanteil des Unternehmens
in der Gesamtzielgruppe dagegen aber in der Regel sehr gering. Kunden, die sich
-160-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
gegen das Unternehmen entscheiden, tauchen in der Gedankenwelt der Verantwortlichen unzureichend auf und werden daher bei der Positionierung unzureichend berücksichtigt.
· Fehlanreize: Werden interne Verantwortliche mit der Erschließung von neuen
Segmenten beauftragt, erhalten diese zwar oft Zielvorgaben, die mit dem Projekt
verbunden sind. Der Großteil der Zielvorgaben stammt aber weiterhin aus ihrer Linientätigkeit. So hat der Marketingleiter möglicherweise ein Interesse am erfolgreichen Verlauf eines Zielgruppenprojektes, vor allem ist er aber an einer Verbesserung in der bestehenden Kernzielgruppe interessiert, da dies den größeren Teil seiner variablen Vergütung beeinflusst. Verantwortliche neigen daher dazu, solche
Anpassungen vorzunehmen, die sich nicht nur auf die neue Zielgruppe, sondern
auch auf die bestehende Kernzielgruppe positiv auswirken.
Diese Effekte führen dazu, dass die Positionierung in der neuen Zielgruppe bei TopDown-Realisierungen häufig nur leicht von der ursprünglichen Positionierung im Kernsegment abweichen. Die Positionierung in der Schnittmenge zwischen alter Kernzielgruppe und neuem Segment verbessert sich daher erheblich, während im neuen Segment
insgesamt nur eine geringfügige Verbesserung der Positionierung festzustellen ist. TopDown-Realisierungen sind damit effiziente Maßnahmen, um geringfügige Verbesserungen bei einer angrenzenden oder bestehenden Kundengruppe zu erzielen. Diese Wirkungsweise ist in Abbildung 81 dargestellt.
Die Erschließung des Segments Junge Leute der Mobiliar ist ein Beispiel für eine TopDown-Realisierung. Abbildung 79 stellt die Entwicklung der Segmentierung in ihrem zeitlichen Verlauf dar.
Junge Familien
55+
Privatpersonen
Junge Leute
1990
2000
2010
Hauptsegmente
Untersegmente
Konzepte
Abbildung 79: Entwicklung der Segmentierung der Mobiliar
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Die Mobiliar hat in den 90er Jahren aus dem Privatgeschäft heraus das Segment „Junge Leute“ abgeleitet. Darüber hinaus bestehen zwei Konzepte zur Einführung weiterer Kundensegmente, namentlich „55+“ und „Junge Familien“, die aber bislang noch nicht vollständig umgesetzt wurden. Die Erschließung des Segments „Junge Leute“ erfolge über ein zentrales
Projekt. Dabei wurden zunächst Informationen über die Kundengruppe erhoben. Das folgende Zitat beschreibt das Vorgehen:
„Für das Segment Junge Leute haben wir eine Studie gemacht. Eine dafür eingesetzte Arbeitsgruppe hat dazu erst mal das, was vorhanden war, zusammengetragen. Es sind schon
sehr viele Unterlagen und Informationen vorhanden, aber die sind im Unternehmen verstreut.
Dann versucht man das Ganze zu bündeln und zu schauen, für was die Kundegruppe steht.
Das wird dann mit einer Marktsicht angereichert. Letztlich hat die Arbeitsgruppe dann eine
Empfehlung gegeben, wie wir uns positionieren sollten und wo wollen wir Schwerpunkte
setzen sollten.353
Es wurde also ein zentrales Projekt lanciert, welches Informationen über die Kundengruppe
erhob und anschließend Bearbeitungsansätze identifizierte. Eine wichtige Rolle spielten interne Informationen über die Kundengruppe. Dabei lässt sich das Bias der Beteiligten leicht
erkennen: Es ist zwar jeder 4. Kunde der Mobiliar unter 26, aber nur jeder 20. Jugendliche
unter 26 ist Kunde der Mobiliar. Damit sagen die internen Daten nur etwas über eine bestimmte Gruppe von Jungendlichen aus und sind nicht ohne weiteres repräsentativ.354
Abbildung 80 zeigt stark vereinfacht die Top-Down-Entwicklung der Segmentierung der Allianz Suisse. Zunächst entstand ab 2004 eine Segmentierung, die zwischen fünf Segmenten
unterschied. Im Zuge der Professionalisierung durch die Customer Focus Initiative wurde
wurden diese zu vier Segmenten zusammengefasst und in jeweils vier Wertsegmente unterteilt. Nicht jedes Segment wird heute schon differenziert bearbeitet, einige Segmente bestehen nur als Konzept. In den nächsten Jahren sollen diese aber umgesetzt werden.
353
Interview Mobiliar.
354
Vgl. Fallstudie Mobiliar, S. 244f..
-161-
-162-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Junge Leute
Singles/ Paare
Privatpersonen
Familien
Gold
Potenzial
Value
Neutral
Gold
Potenzial
Value
Neutral
Gold
Potenzial
Value
Neutral
Etablierte
Gold
Potenzial
Value
Neutral
Senioren
2000
2005
2010
Abbildung 80: Entwicklung der Segmentierung der Allianz Suisse
Die Entwicklung der Segmentierung folgt klar einer zunehmenden Verfeinerung und Verästelung. Bereits heute sind 16 Segmente fest installiert, bezieht man noch die sehr viel feinere
Segmentierungen der Bestandskunden im Rahmen des Customer Relationship Management
mit ein, ergibt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Segmente, die grafisch kaum noch darstellbar ist, zumal hier laufend Änderungen der Segmentierungsvariablen vorgenommen
werden. Gerade diese hohe Anzahl an Segmenten ermöglicht aber eine gezielte und treffsichere Bearbeitung einzelner Kundentypen.355
Positionierung Top-Down
Ausgangssituation
- Deutlich verbesserte
Positionierung in der
Schnittmenge zwischen
bestehender Kernzielgruppe
und neuem Segment
- Leichte Verbesserung im
Segment insgesamt und damit
leichte Ausweitung des
Marktanteils
Verzerrte
Wahrnehmung
Fehlanreize
= bestehende Kernzielgruppe
= neues Zielgruppenpotenzial
= neues Segment
Abbildung 81: Positionierungswirkung bei Top-Down-Realisierungen
Eine große Herausforderung ist allerdings in der Regel die Akzeptanz im Vertrieb, da
dieser erst spät integriert wird und auch das Vertriebs-Know-How bei der Entwicklung
der Segmentierung begrenzt ist.
355
Vgl. Fallstudie Allianz Suisse, Anhang A.2.2.3, S. 258ff..
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-163-
Bottom-Up-Realisierung
Bottom-Up-Realisierungen wirken anders auf die Positionierung im Segment. 356 Abbildung 82 stellt einen solchen Prozess, wie er sich aus den Interviews ergeben hat, idealtypisch dar.
Roll-Out und Erschließung
angrenzender
6
Kundengruppen
Grundsatzentscheidung zur
Segmentierung wird getroffen
(Vertriebs-) Erfolg in einer
bestimmten Kundengruppe
1
2
5
4
Die Bearbeitung wird
ausgebaut und bessere
Produkte werden entwickelt
Zunehmende Erkenntnisse
und Erfahrungen mit der
Kundengruppe
3
Die Kundengruppe
gewinnt eine „Lobby“ im
Unternehmen
Abbildung 82: Bottom-Up-Prozess zur Realisierung
Die sechs Prozessschritte sind:
1. Vertriebserfolg in einer bestehenden Kundengruppe: Ausgangspunkt bei BottomUp-Realisierungen sind Erfolge, die einzelne Vertriebspartner in einer bestimmten
Zielgruppe zeigen konnten. Häufig liegen hier persönliche Beziehungen von Vertriebspartnern in einer Kundengruppe vor, die dieser dann ausbaut.
2. Zunehmende Erkenntnisse und Erfahrungen mit der Kundengruppe: Vertriebspartner bauen ihre Beziehungen in das Segment mit der Zeit aus. Damit wachsen
die Erkenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit der Zielgruppe beim Vertriebspartner. Erste Ideen für neue Produkte oder Leistungen entstehen.
3. Die Kundengruppe gewinnt eine Lobby im Unternehmen: Erfolgreiche Vertriebspartner haben oft einen großen Einfluss auf das Unternehmen. So haben beispielsweise die Vertriebsführungskräfte ein hohes Interesse an erfolgreichen Vertriebspartner und setzen sich für deren Belange im Unternehmen ein. So entwickelt sich nach und nach eine Lobby für das Segment: Vertriebsführungskräfte erkennen, dass Vertriebspartner erfolgreich sind, wenn sie eine bestimmte Zielgrup356
Zu einer ausführlichen Betrachtung von Bottom-Up-Prozessen bei strategischen Initiativen, in der Literatur
auch oft emergente Strategien genannt, vgl. Floyd, Wooldridge 2000.
-164-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
pe bearbeiten. Sie regen daher andere Vertriebspartner an, sich ebenfalls auf diese
Zielgruppe zu konzentrieren.
4. Bearbeitung wird ausgebaut und bessere Produkte werden entwickelt: Je mehr
Bedeutung die Zielgruppe im Unternehmen erhält, desto stärker beginnt das Unternehmen, die Bearbeitung zu optimieren. Bei neuen Produkten wird die Zielgruppe mit berücksichtigt, bei Investitionsentscheidungen wird das Gewicht in
Richtung der Zielgruppe verschoben. Zunächst verläuft dies informell und ist nicht
durch die Geschäftsleitung legitimiert.
5. Grundsatzentscheidung zur Bearbeitung des Segments: Erst jetzt beginnt sich die
Geschäftsleitung mit dem Phänomen der neuen Zielgruppe zu beschäftigen. Trifft
sie die Entscheidung, die Zielgruppe weiterhin zu bedienen, gewinnt die Segmentierung an Legitimation.
6. Roll-Out und Erschließung angrenzender Kundengruppen: Der sechste Schritt ist
bei Bottom-Up-Realisierungen die größte Herausforderung. Hier muss es gelingen, den Segmentierungsansatz, den zunächst nur wenige Vertriebspartner nutzen,
auf den gesamten Vertrieb auszurollen. Hier sind Systematisierungen wichtig. Oft
werden auch angrenzende Zielgruppen erschlossen, um die Anwendungsbreite zu
vergrößern und so den Erfolg des Roll-Outs zu steigern.
Bottom-Up-Realisierungen gehen damit von erfolgreichen Positionierungen einzelner
Vertriebspartner aus und übertragen diese auf das gesamte Unternehmen. Auch hierbei
treten bestimmte Wirkungen auf:
· Variation und Selektion: Bei Bottom-Up-Realisierungen sind Variation und Selektion Treiber der Segmentierung. Es werden nicht Informationen in zentralen Einheiten, die meist relativ weit vom Markt entfernt sind, genutzt, sondern die vielfältigen Erfahrungen der gesamten Vertriebsmannschaft. Die Varianz in den spezifischen Vertriebsansätzen ist in den meisten Unternehmen sehr hoch. Jede Agentur
entwickelt letztlich eigene Strategien, wie sie mit den Produkten des Unternehmens
erfolgreich am Markt agieren kann. Besonders erfolgreiche Agenturen werden
durch die Steuerungsmechanismen des Unternehmens schnell identifiziert und gewinnen an Aufmerksamkeit. So werden besonders erfolgreiche Vertriebspartner oft
zu Vorstandstreffen eingeladen oder geben vertriebliche Rückmeldungen bei stra-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-165-
tegischen Entscheidungen. Durch diesen Selektionsprozess werden neue Ideen in
das Unternehmen geleitet, die dann Unterstützung gewinnen. 357
· Überprüfbarkeit der Ergebnisse: Im Gegensatz zu Top-Down-Realisierungen können die Segmentierungen mit dem „Erfolgsrezept“ der Vertriebspartner verglichen
werden. Damit ist eine objektivere Beurteilung des Ansatzes möglich und Fehlanreizen bei zentralen Einheiten kann gegengesteuert werden.
Bei der Nationale Suisse wurde ein Bottom-Up-Prozess zur Realisierung genutzt. Die Wurzeln des Segments /HNWI/Art reichen bei der Nationale Suisse lange zurück. Seit jeher hatten einige Agenten enge Kontakte zu vermögenden Kunden. Die Entwicklung wird wie folgt
beschrieben. Mit der Zeit hat sich das Segment immer weiter herausgebildet und wurde mit
der Neuausrichtung 2005 professionalisiert. Dies beschreibt ein Manager: „Im Grunde sind
das keine unglaublich genialen Ideen, die hinter unserem Ansatz stecken. Es ist eigentliche
nur eine logische Weiterentwicklung von bestehenden Ansätzen, die wir etwas systematisiert
haben. Im Grunde haben wir versucht, etwas, das schon da war, wachsen zu lassen.“358
Abbildung 83 stellt die Entwicklung des Segments /HNWI/Art schematisch dar.
Privatpersonen
Kunst
HNWI / Art
2005
2010
Abbildung 83: Entwicklung der Segmentierung bei der Nationale Suisse
Ausgangspunkt waren erfolgreiche Ansätze einzelner Vertriebspartner im Segment wohlhabender Kunden. Dieser Ansatz wurde durch das zentrale Management identifiziert und sukzessive auf das gesamte Unternehmen ausgerollt.359
Auch bei der AXA entstand die Segmentierung eher in Form einer Bottom-Up-Realisierung.
Abbildung 84 stellt diesen Prozess vereinfacht dar.
357
Vgl. ausführlicher zu Variation und Selektion bei Bottom-Up-Prozessen Barnett, Burgelman 1996, S. 5-19;
Burgelman 1991, S. 239-262; Mintzberg et al. 1976, S. 246-275; Mintzberg, Waters 1985, S. 257-272; Mintzberg 1994a, S. 107-114.
358
Interview Nationale Suisse.
359
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, Anhang A.3.2.3, S. 269.
-166-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
DBV-Winterthur
Beamte /
Öffentlicher Dienst
Beamte
Segment
Öffentlicher Dienst
AXA
Colonia
Segment Privat
Privatpersonen
Ärzte
1995
Ärzte /
Apotheker
Segment
Akademische Heilberufe
2000
2010
Hauptsegmente
Untersegmente
Abbildung 84: Entwicklung der Segmentierung der AXA
Das Segment Öffentlicher Dienst entwickelte sich zunächst aus einem Geschäftsschwerpunkt
der DBV-Winterthur heraus. „DBV“ steht für „Deutsche Beamtenversicherung“ und erinnert
an die Tradition des Unternehmens als bedeutender Beamtenversicherer in Deutschland.
Obwohl dieser Geschäftsschwerpunkt im Zuge der Übernahme der DBV durch die Commerzbank und später durch die Winterthur an Bedeutung verloren hatte, unterhielt das Unternehmen nach wie vor intensive Beziehungen zu beamtennahen Gewerkschaften und Verbänden und erwirtschaftete einen wesentlichen Teil seines Geschäftes in diesem Bereich.
Im Zuge der Integration wurde darauf geachtet, dass der Schwerpunkt wieder an Bedeutung
gewann und inhaltlich geschärft wurde. Zudem wurden Kunden der AXA, die im öffentlichen Dienst tätig waren, in das Segment ÖD überführt. Andersherum wurden Privatkunden
aus der DBV in das Segment Privat übernommen.
Auch das Segment Ärzte hat eine lange Tradition. Bereits in den 90er Jahren bearbeitete damals noch die Colonia neben dem allgemeinen Privatkundengeschäft die Zielgruppe Ärzte
als eigenständiges Segment. Die Bedeutung des Segments ist im Laufe der Zeit gewachsen.
Ursprünglich konzentrierte sich das Segment nur auf Ärzte. Sukzessive wurde die Bearbeitung auf Apotheker und schließlich auf Akademische Heilberufe (inklusive Zahnärzte, Heilpraktiker) ausgedehnt. 360
Mit Bottom-Up-Realisierungen sind deutlich stärker differenzierte Positionierungen möglich. Verzerrte Wahrnehmungen spielen eine geringere Rolle, da hier Variations- und
Selektionsmechanismen im Vordergrund stehen. Fehlanreize kommen immer noch vor,
können aber leichter erkannt werden, da das Ergebnis der Anpassungen mit dem „Erfolgskonzept“ des Vertriebspartners verglichen werden kann und damit leichter überprüfbar ist. Zudem gewinnen zentrale Einheiten erst deutlich später Einfluss im Prozess, sodass auch die Konsequenzen von Fehlanreizen erst später wirken. So wird es möglich,
360
Vgl. Fallstudie AXA, Anhang A.4.2.3, S. 285ff..
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-167-
auch Zielgruppen zu erschließen, die sich weit außerhalb der bisherigen Kernzielgruppe
von Unternehmen befinden. Abbildung 85 stellt die Positionierungswirkung bei BottomUp-Prozessen noch einmal dar.
Positionierung Bottom-Up
Ausgangssituation
Variation und
Selektion
Ergebnis überprüfbar
= bestehende Kernzielgruppe
= neues Zielgruppenpotenzial
= neues Segment
- Deutlich verbesserte
Positionierung in der neuen
Zielgruppe und damit
deutliche Ausweitung des
Marktanteils
- Keine Verbesserung der
Positionierung in der
Schnittmenge zwischen
bestehender Kernzielgruppe
und neuem Segment
Abbildung 85: Positionierungswirkung bei Bottom-Up-Realisierungen
Die wichtigste Herausforderung bei Bottom-Up-Prozessen besteht in der Legitimation im
Unternehmen. Erst wenn es gelingt, eine Grundsatzentscheidung über die Segmentierung
zu treffen, kann das Segment an Bedeutung gewinnen. Eine fehlende Legitimation wirkt
sich umso mehr aus, je mehr Vorurteile gegenüber der Zielgruppe im Unternehmen bestehen. Tatsächlich sind latente Vorurteile oft einer der wesentlichen Hinderungsgründe
bei der Erschließung von Segmenten. Hier zahlt es sich aus, wenn Unternehmen rechtzeitig in sogenannte Corporate Diversity Programme investieren, die dabei helfen, Mitarbeiter mit unterschiedlichen Hintergründen und kulturellen Bezugsrahmen zu gewinnen.361
Dies hilft, Vorurteile abzubauen und Unterstützer im Unternehmen zu finden.362
Die Deutsche Bank hat im Jahr 2007 begonnen, unter der Marke „Bankamiz“ die Zielgruppe der Deutschtürken in Deutschland gezielt zu bearbeiten. Sie sieht einen wichtigen Grund
für den Erfolg in der Zielgruppe Deutschtürken in dem seit 1999 in der Gruppe etablierten
Diversity Management.363 Dabei sorgt ein dediziertes Team dafür, dass die Vielfalt im Unternehmen erhöht wird und fördert gezielt entsprechende Initiativen. Ohne Verständnis für
die Andersartigkeit der türkischen Kultur und ohne eine Unternehmenskultur, die solche Unterschiede als wertvoll und wichtig anerkennt, wäre nach Ansicht der Deutschen Bank die
361
Vgl. ausführlicher Aretz, Hansen 2002; Krell 2008b, S. 63-80.
362
Obwohl bei Untersuchungen zu Corporate Diversity oft auf die höhere Kreativität und Problemlösungskompetenz heterogener Teams hingewiesen wird, ist der konkrete Zusammenhang zwischen der Erschließung
neuer Zielgruppen und der kulturellen Vielfalt im Unternehmen kaum untersucht. Vgl. beispielsweise
Bassett-Jones 2005, S. 169-175. Es ist anzunehmen, dass die Bedeutung steigt, je stärker sich die Zielgruppen in ihrem kulturellen Hintergrund von der Unternehmenskultur unterscheiden. Wichtig ist auch festzustellen, dass Vielfalt nicht zwingend den Erfolg erhöht sondern auch dysfunktional sein kann. Hier wären weitere Untersuchungen wertvoll.
363
Vgl. Köppel, Sander 2008, S. 25-27.
-168-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Bearbeitung der Kundengruppe kaum möglich gewesen.364 Wie wichtig kulturelle Besonderheiten bei der Bearbeitung der Zielgruppe sind, zeigt Abbildung 86.
Abbildung 86: Ableitung des Bearbeitungsansatzes365
Das Diversity Programm der Deutschen Bank ist damit ein gutes Beispiel, wie Vorurteile
gegenüber einer Zielgruppe von vorneherein vermieden werden können.
Eine weitere Herausforderung besteht im Roll-Out bei Bottom-Up-Realisierungen, da die
erfolgreichen Konzepte einzelner Vertriebspartner oft auf regionalen Besonderheiten basieren und daher nicht beliebig auf die gesamte Organisation zu übertragen sind. Hier
müssen die Konzepte generalisiert werden, oder Ansätze entwickelt werden, mit denen
eine Übertragung auf andere Regionen erfolgen kann.
Wichtige Eigenschaften der Vorgehensweisen zur Realisation sind in Tabelle 20 noch
einmal dargestellt.
364
Vgl. Köppel, Sander 2008, S. 26-28.
365
Laucks 07.03.2008, S. 17.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Top-Down-Realisierung
·
Verbesserung der Positionierung in der
Schnittmenge zwischen alter Kernzielgruppe und neuem Segment
·
Verzerrte Wahrnehmung und Fehlanreize
·
Herausforderung: Akzeptanz im Vertrieb
-169-
Bottom-Up-Realisierung
·
Verbesserte Positionierung in neuer Zielgruppe
·
Variation und Selektion; Überprüfbarkeit
·
Herausforderung: Legitimation im Unternehmen und Überwinden von Vorurteilen;
Übertragbarkeit auf Organisation
Tabelle 20: Eigenschaften von Top-Down- und Bottom-Up-Realisierungen
Da bei Top-Down-Realisierungen die Schnittmenge zwischen alter Kernzielgruppe und
neuem Segment verbessert wird, eignet sich diese Vorgehensweise für Selektive und Intensive Segmentierungen. Um bei Partikularen und Extensiven Segmentierungen wirklich
neue Segmente zu erschließen, sollten dagegen Bottom-Up-Realisierungen verwendet
werden.
4.3.2
Adaption
In der Fachliteratur werden Anpassungsformen von Unternehmen unter dem Begriff
Organizational Renewal umfassend diskutiert.366 Trotz zum Teil unterschiedlicher Bezeichnungen existiert weitgehende Einigkeit über zwei grundsätzliche Extremformen:
Evolution und Revolution.367 Unter evolutionärer Anpassung wird eine kontinuierliche
und schrittweise Veränderung der Organisation verstanden. Bei revolutionären Veränderungen werden die Anpassungen gebündelt durchgeführt. Revolutionen sind im Unternehmen von Phasen großer Änderungen gekennzeichnet, auf die Phasen der Stabilität
folgen. Abbildung 87 stellt die beiden Gestaltungsoptionen dar.368
366
Vgl. Miller 1982, S. 131.
367
Vgl. Tushman, Romanelli 1985, S. 171-222; Mezias, Glynn 1993, S. 77-101; Meyer et al. 1990, S. 93-110.
368
Vgl. zu einer ähnlichen Unterscheidung Schögel 1997, S. 168-172.
-170-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
Evolutionäre Anpassung
- Schrittweise Anpassung
- Geringer Umfang der
Anpassung
- Hohe Frequenz
Revolutionäre Anpassung
- Phasenweise Anpassung
- Hoher Umfang der
Anpassung
- Geringe Frequenz
Abbildung 87: Gestaltungsoptionen der Adaption
Evolutionäre Adaption
Evolutionäre Adaptionen erfolgen über einen langen Zeitraum, in dem immer wieder
kleinere Veränderungen vorgenommen werden. Das Vorgehen bei evolutionären Adaptionen im Zusammenhang mit Segmentierungen lässt sich leicht an einem Beispiel zeigen:
Geht man von einer klassischen, nach Produkten aufgestellten Versicherung mit zwei
Produktsparten aus, müssen sich die Produktbereiche beispielsweise für eine Neuproduktentwicklung mit dem Marketing, dem Vertrieb und dem Controlling abstimmen. Erschließt das Unternehmen nun eine neue Zielgruppe, muss bei der Produktentwicklung
der Bedarf der Kundengruppe übergreifend, d.h. über die beiden Produktbereiche hinweg, ermittelt werden. Keinem der beiden Produktbereiche kann dies sinnvoll gelingen,
weshalb im Unternehmen der Bedarf für eine übergreifende Segmentfunktion erkannt
wird. Bei einer evolutionären Anpassung wirken nun mehrere Effekte:
· Konsensorientierung: Evolutionäre Adaptionen erfolgen Bottom-Up und ohne
übergreifende Steuerung. Damit beruhen Veränderungen immer auf einem impliziten Konsens zwischen den beteiligten Einheiten.369
· Mikropolitische Einflüsse: Bei der evolutionären Weiterentwicklung von Strukturen spielen mikropolitische Einflüsse oft eine wichtige Rolle. Neben der Frage,
welche Veränderungen sinnvoll für das Unternehmen sind, spielt damit die Frage,
welche Veränderungen für die beteiligten Akteure vorteilhaft sind, eine wichtige
Rolle.370
· Aufbau redundanter Ressourcen: Eng hängt damit der Aufbau redundanten Ressourcen zusammen. Konsens ist wesentlich einfacher zu erreichen, wenn lediglich
369
Vgl. Mezias, Glynn 1993, S. 82.
370
Vgl. Nadler, Tushman 1989, S. 194-204.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-171-
zusätzliche Aufgaben wahrgenommen werden, die bestehenden Aufgabenbereiche
sich dagegen nicht ändern. Hinzu kommt, dass die bestehenden Unternehmensstrukturen funktionsfähig bleiben müssen, da die Anpassungen in der Regel über
einen langen Zeitraum hinweg erfolgen.371
Diese Effekte führen dazu, dass die Segmentfunktion zwar den übergreifenden Kundenbedarf ermittelt, die Produktbereiche, der Vertrieb und sonstige Funktionen aber unverändert bestehen bleiben und auch den alten Aufgabenbereich behalten. Dies führt dazu,
dass der Abstimmungsaufwand und damit die Komplexität erheblich zunehmen.
Abbildung 88 zeigt die beschriebene Komplexitätswirkung von evolutionären Adaptionen am Beispiel der Beziehungen zwischen Produktsparten und angrenzenden Schnittstellen wie Vertrieb, Marketing oder Controlling.
Evolution
Ausgangssituation
P1
M
V
P2
C
- Konsensgetrieben
- Mikropolitisch
beeinflusst
- Aufbau
redundanter
Strukturen
S1
P1
M
V
P2
C
- Komplexe Strukturen und
unklare
Verantwortlichkeiten
- Geringe Friktionen und
wenig
Reorganisationskosten
P1 = Produkt 1; P2 = Produkt 2; M = Marketing; V = Vertrieb; C = Controlling; S1 = Segment 1
Abbildung 88: Komplexitätswirkung evolutionärer Veränderungen
Die Anpassung der Mobiliar ist ein Beispiel für evolutionäre Adaption. Die Anpassung erfolgte sukzessive und ohne größeres Reorganisationsprogramm. Die Folge war eine Struktur,
bei der die Segmentfunktion parallel zu den Spartenverantwortungen existiert bzw. sich auf
die Bereiche fokussiert, bei denen es keine Überschneidungen gibt. Aufgrund der relativ geringen Bedeutung der Segmentierung führt diese Struktur auch nicht zu größeren Problemen.372
Auch die Nationale Suisse hat die Strukturen sukzessive angepasst. Die Folge ist, dass in
mehreren Bereichen im Unternehmen Segmentfunktionen entstehen. Zudem wurde das
Competence Center etabliert. Auch hier übernehmen die Abteilungen lediglich zusätzliche
Funktionen wie Business Development oder Koordination.373
Evolutionäre Adaptionen haben den Vorteil, dass sie relativ wenige Friktionen im Unternehmen verursachen. Es erfolgen immer nur kleine Anpassungen, sodass sich alle Beteiligten leicht auf die veränderte Situation einstellen können. Sie sind zudem kostengünstig, da sie in der Regel zusätzlich zur operativen Arbeit leicht vorgenommen werden
371
Vgl. Quinn 1985, S. 73-84.
372
Vgl. Fallstudie Mobiliar, S. 245.
373
Vgl. Fallstudie Nationale Suisse, S. 270.
-172-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
können und diese kaum beeinträchtigen. Sie führen aber zu komplexen Strukturen und oft
unklaren Verantwortungsbereichen. Je mehr Segmente das Unternehmen erschließt, desto
komplizierter wird das Zusammenspiel zwischen den Akteuren. Entsprechend gehen viele Unternehmen spätestens nach dem zweiten oder dritten Segment zu einer anderen
Form der Anpassung über.
Revolutionäre Adaption
Bei revolutionären Veränderungen erfolgt die Anpassung konzentriert. Bei revolutionären Veränderungen treten andere Effekte auf als bei der Evolution:
· Weisungsorientiert: Revolutionäre Veränderungen basieren auf zentralen Projekten und sind weisungsgetrieben. Eine große Rolle spielen dabei oft einzelne Manager, die die Umsetzung der Segmentierung vorantreiben und Veränderungen gestalten.374 Oft müssen dabei erhebliche Widerstände von Bereichen überwunden
werden, die im Zuge der Segmentierung an Bedeutung verlieren.
· Makropolitische Beeinflussung: An die Stelle mikropolitischer Einflüsse treten
makropolitische Aspekte. Hier spielt die übergreifende Funktionsweise des Unternehmens eine größere Rolle und individuelle Situationen können leichter durch
individuelle Regelungen gelöst werden.
Bezogen auf die Einführung einer Segmentierung bedeutet dies, dass die beschriebenen
Produktbereiche Kompetenzen an die neu zu gründende Segmentfunktion abgeben. Auch
die übrigen Bereiche wie Vertrieb und Marketing verlieren an Einfluss. Dies erfordert
umfassendere Reorganisationen, da z.B. Spezialisten von einem in den anderen Bereich
wechseln müssen. Auch neue Funktionsbeschreibungen und Schnittstellendefinitionen
müssen entwickelt werden. Dafür ergibt sich aber eine sehr viel einfachere Struktur mit
weniger Abstimmungsaufwand. Abbildung 89 stellt die Wirkungsweise noch einmal dar.
Revolution
Ausgangssituation
S1
P1
M
V
P2
C
- Weisungsgetrieben
- Makropolitisch
beeinflusst
P1
V
P2
P1 = Produkt 1; P2 = Produkt 2; M = Marketing; V = Vertrieb; C = Controlling; S1 = Segment 1
Abbildung 89: Komplexitätswirkung revolutionärer Veränderungen
374
Vgl. Mezias, Glynn 1993, S. 81.
M
C
- Einfache Strukturen und klare
Verantwortlichkeiten
- Hohe Friktionen und teure
Reorganisationen
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
-173-
Revolutionäre Veränderungen sind kostspieliger und führen zu Friktionen im Unternehmen, weil durch das neue und zunächst unbekannte Zusammenspiel der Funktionen informelle Beziehungen erschwert werden und damit einfache Lösungsfindungen zunächst
seltener werden. Dafür sind sie aber nicht konsens- sondern weisungsgetrieben. Die Abgabe von Verantwortungsbereichen wird damit möglich, da kein Konsens zwischen den
Beteiligten, sondern eine Weisung durch die Vorgesetzten Treiber der Veränderung ist.
Bei der Mannheimer Versicherung wurden im Zuge der Einführung der Segmentierung die
Zuständigkeiten im Produktentwicklungsprozess verändert. Während vor der Segmentierung
die Produktsparten die treibende Rolle in diesem Prozess spielten, sollte nach Einführung der
Segmentierung die Segmentfunktion, welche im Marketing angesiedelt wurde, diese Rolle
übernehmen. Ein Experte beschreibt: „Es war eine große Herausforderung, den Sparten die
Produktentwicklung wegzunehmen und praktisch die ganze Koordination der Produktentwicklung in den Marketing Bereich zu legen. Das war ein großes politisches Thema. Wir haben es trotzdem irgendwann geschafft und es war für das Unternehmen auch der richtige
Weg. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war, dass unser Vorstandsvorsitzender von der Segmentierung absolut überzeugt war und diese auch gegen Widerstände vorangetrieben hat.
Sonst wäre das wohl nicht möglich gewesen.“375 Der Experte berichtet weiter, dass die Zusammenarbeit nach der Reorganisation zunächst schwierig war, weil sich alle Beteiligten an
die neue Struktur gewöhnen mussten. Zudem traten Probleme auf, weil „Blockierer“ die
neue Strategie verhindern wollten. Nur durch ein umfassendes Programm, das den Wandel
unterstützte und dadurch die aktive Einbindung des Vorstandsvorsitzenden, wurde die Segmentierung möglich.
Die Allianz Suisse hat ebenfalls eine revolutionäre Adaption gewählt. Hier spielte vor allem
der Druck der Allianz Gruppe, das Target Operating Model einzuführen, eine wichtige Rolle.
Im Zuge dieser Einführung wurden die Zuständigkeiten neu geschnitten, Verantwortung aus
den Produktbereichen in das Marketing abgegeben und damit neue Strukturen geschaffen.376
Auch bei der AXA lässt sich eine revolutionäre Adaption erkennen. Ein umfassendes Change-Programm wurde hier gestartet, um den Führungskräften und Mitarbeitern der AXA die
Veränderungen zu erklären. Gerade die relativ komplexe Funktionsweise der Segmentmanagementteams musste dabei eingehend erläutert werden. Erst so wurde es den beteiligten Abteilungen möglich, sich auf die neue Form der Zusammenarbeit einzustellen.377
Solange die Segmentierung keine große Bedeutung für das Unternehmen hat, überwiegen
die Vorteile einer evolutionären Anpassung. Erstens ist die Anzahl der Segmente, und
damit die Komplexitätswirkung insgesamt, begrenzt. Zweitens lohnt es sich nicht, die
Friktionen und Reorganisationskosten in Kauf zu nehmen. Vielmehr würden umfassende
Reorganisationen das Massengeschäft stören und damit erheblich negative Konsequenzen
375
Experteninterview (Mannheimer).
376
Vgl. Fallstudie Allianz Suisse, S. 259.
377
Vgl. Fallstudie AXA, S. 286.
-174-
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
haben, die durch die wenigen Segmente kaum zu kompensieren wären. Erst mit steigender Bedeutung der Segmentierung wird auch eine revolutionäre Anpassung sinnvoll.
Tabelle 21 stellt wichtige Eigenschaften der beiden vorgestellten Adaptionsformen noch
einmal gegenüber.
Evolutionäre Adaption
·
Sinnvoll bei geringer Bedeutung der Seg-
Revolutionäre Adaption
·
mentierung und wenig Segmenten
·
Einfache Umsetzung
·
Geringe Veränderungen und dadurch geringe Friktionen
·
Hohe Komplexität, unklare Verantwortlichkeiten, viele Schnittstellen
Sinnvoll bei hoher Bedeutung der Segmentierung und vielen Segmenten
·
Aufwändige Umsetzung, hoher ChangeAufwand, viele Friktionen
·
Geringere Komplexität, klare Verantwortlichkeiten und deutlich weniger Schnittstellen
Tabelle 21: Eigenschaften evolutionärer und revolutionärer Adaption
Evolutionäre Adaptionen sind bei Segmentierungen mit geringer Bedeutung und hoher
Bedeutung des Massenmarktes sinnvoll. Dies trifft auf Selektive und Partikulare Segmentierungen zu. Bei einer segmentierten Bearbeitung des Gesamtmarktes würde eine evolutionäre Adaption aber zu massiven Komplexitätsproblemen führen. Daher sollten bei Intensiven und Extensiven Segmentierungen revolutionäre Adaptionen erfolgen.
4.3.3
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wurde auf die Gestaltungsdimensionen der Variation eingegangen.
Diese waren im Einzelnen:
· Realisierung: Bei der Realisierung wurde zwischen einem Top-Down-Ansatz und
einem Bottom-Up-Ansatz unterschieden. Top-Down-Vorgehensweisen verbessern
die Positionierung bei bestehenden Segmenten, weshalb sie sich zu intensiveren
Bearbeitung bestehender Segmente eignen. Bottom-Up-Vorgehensweisen ermöglichen dagegen Erschließung neuer Segmente.
· Adaption: Evolutionäre und revolutionäre Adaptionen bilden die Gestaltungsoptionen der Adaption. Evolutionäre Adaptionen erhöhen die Komplexität im Unternehmen, laufen aber leise und geräuschlos ab. Sie eignen sich daher für Segmentierungen, die lediglich als Ergänzung zum Massenmarkt betrieben werden. Revolutionäre Adaptionen führen dagegen zu deutlich weniger Komplexität, erfordern
aber hohe Restrukturierungsaufwände. Sie eignen sich daher für umfassende Segmentierungen.
Kapitel 4: Gestaltungsoptionen zum Management von Segmentierungen
4.4
-175-
Fazit
In diesem Kapitel standen zwei Forschungsfragen im Vordergrund: Welche Gestaltungsoptionen ergeben sich (je Gestaltungsdimension) beim Management von Segmentierungen? Welche Zusammenhänge wirken hier und welche Eigenschaften sind mit diesen
Gestaltungsoptionen verbunden?
Die Gestaltungsoptionen mit ihren Ausprägungen sind in Abbildung 90 noch einmal im
Überblick dargestellt. Wichtige Eigenschaften wurden jeweils bei der Diskussion der Gestaltungsoptionen entwickelt. Diese bilden den Ausgangspunkt für die Gestaltungsempfehlungen. Dazu wird im nächsten Kapitel je Segmentierungsvariante die geeignete Wahl
der Gestaltungsoptionen hergeleitet.
Segmentierungskriterien:
Marktsegmentierung vs.
Kundensegmentierung
Konfiguration
Segmentierungslogik
Differenzierung der
Marktbearbeitung
Perspektive bei der Segmentwahl
Inside-Out vs. Outside-In
Instrumente zur Differenzierung:
Neukundenmarketing vs.
Stammkundenmarketing
+
Koordination
Gestaltungsmodell
Organisationsmodell
Steuerung
des
Segmentportfolios
Segmentcontrolling
Variation
Vertriebsmanagement
Integrationsgrad der Leistung
Produkt+ vs. Leistungssysteme
Verankerung der Segmentfunktion:
Zentralisierung vs. Dezentralisierung
Ausrichtung des Unternehmens
Produktorientierung vs.
Kundenorientierung
Inhaltliche Koordination
Geringe vs. starke inhaltliche
Koordination
Prozesskoordination
Geringe vs. starke
Prozesskoordination
Segmentcontrolling
Output vs. Output- / InputControlling
Vertriebsmanagement
Integriertes vs. fokussiertes
Vertriebsmanagement
Realisierung
Realisierung
Top-Down vs. Bottom-Up
Realisierung
Adaption
Adaption
Evolutionäre vs. Revolutionäre
Adaption
Abbildung 90: Überblick über die Gestaltungsoptionen
5
Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
Die Ableitung von Handlungsempfehlungen ist ein wichtiger Teil einer anwendungsorientierten Arbeit. In diesem Kapitel werden dazu die konzeptionellen Überlegungen zu
den Gestaltungsoptionen, wie sie im letzten Kapitel entwickelt wurden, zu in sich schlüssigen Strategien verdichtet und in Form von Strategieblaupausen übersichtlich dargestellt. Abbildung 91 zeigt das Vorgehen in diesem Kapitel im Überblick. Das Ergebnis
dieses Kapitels ist damit eine detaillierte Empfehlung zum Management der vier Segmentierungsvarianten.
Kapitel 5: Situative
Handlungsempfehlungen
(Fragenkomplex 3)
Anhand der Eigenschaften der
einzelnen Gestaltungsoptionen
und der Erkenntnisse aus den
Fallstudien werden
Handlungsempfehlungen zur
Wahl der Gestaltungsoptionen je
Segmentierungsvariante
gegeben. Diese werden in
Strategieblaupausen
zusammengefasst.
Abbildung 91: Überblick über die Vorgehensweise in Kapitel 5
5.1
Selektive Segmentierung
5.1.1
Beschreibung der Strategie
Als Selektive Segmentierungen wurden solche Strategien bezeichnet, bei denen Unternehmen anstreben, zusätzlich zum Massenmarkt einzelne Zielgruppen intensiver zu bearbeiten. Das Hauptziel einer Selektiven Segmentierung besteht in der Verteidigung ausgewählter Marktbereiche. Greift man das Beispiel aus der Fischerei, welches zu Beginn
der Untersuchung dargestellt wurde, noch einmal auf, ist es das Ziel von Selektiven Segmentierungen, neben dem großen Fangnetz einzelne kleinere Fangvorrichtungen zu entwickeln, die sich stärker spezialisieren können. Die wesentlichen Aspekte einer solchen
Strategie werden im Folgenden noch einmal dargestellt.
Chancen und Risiken
Das Potenzial in den einzelnen Segmenten ist bei Selektiven Segmentierungen insgesamt
begrenzt. Dies hängt einerseits mit der begrenzten Anzahl an Segmenten zusammen, die
mit Selektiven Segmentierungen bearbeitet werden können. Andererseits ist auch die Dif-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
-177-
ferenzierung in den Segmenten eher gering. Dies bedeutet aber nicht, dass die Strategie
nicht erfolgreich sein kann. Im Gegenteil: Da auch die Risiken der Strategie sehr überschaubar sind, kann mit Selektiven Segmentierungen der Massenmarkt erfolgreich abgesichert werden. In Abbildung 92 sind Chancen und Risiken noch einmal dargestellt.
Markt- und Kundenschutz sowie Portfolioausgleich sind die wichtigsten Chancen. Für
die Gewinnung von Neukunden eignen sich Selektive Segmentierungen nicht.
Schwach
ausgeprägt
Stark
ausgeprägt
Umfassende Differenzierung
Chancen
Selektion
Ausnutzung von Zahlungsbereitschaften
Gewinnung von Neukunden
Markt- und Kundenschutz
Portfolioausgleich
Risiken
Komplexität und Vielfalt
Kannibalisierung zwischen den Segmenten
Inflexibilität
Abbildung 92: Chancen- und Risikoprofil bei Selektiven Segmentierungen
Situative Faktoren
Selektive Segmentierungen sind besonders effektiv, wenn eine grundsätzlich gute Positionierung im Massenmarkt besteht, diese aber, z.B. durch neue Wettbewerber, in einzelnen Teilbereichen des Marktes gefährdet ist. In solchen Situationen ist es ratsam, von der
erfolgreichen Massenmarktstrategie nicht grundsätzlich abzuweichen, sondern additiv
einzelne Segmente vor Kundenverlust und einer Erosion der Wettbewerbsposition zu
schützen. Dies lässt sich am Beispiel der Mobiliar gut nachvollziehen: Im Massenmarkt
gibt es in der Schweiz wenige Unternehmen, die eine vergleichbar starke Ausgangssituation haben. Diese Position aufzugeben wäre kaum sinnvoll. Dennoch spürte die Mobiliar
in einigen Marktbereichen, insbesondere im Segment Junge Leute, dass die eigene Wettbewerbsposition schwächer wurde. Gerade in diesem Segment bestand zudem die Gefahr, dass sich eine Kundenerosion in einigen Jahren negativ auf die Massenmarktpositi-
-178-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
on insgesamt ausüben würde. Dies zeigt, dass auch mit der Segmentierung vor allem eine
Absicherung des Massenmarktes verbunden war.
Ein weiterer Faktor, der für Selektive Segmentierungen spricht, ist neben der Absicherung im Massenmarkt eine Ertragsorientierung des Unternehmens. Große Kundengewinne sind mit Selektiven Segmentierungen nicht möglich, wohingegen die Ausschöpfung
profitabler Kundenverbindungen gut gelingen kann.
Schließlich eignen sich Selektive Segmentierungen vor allem in stabilen Marktsituationen. Eine teilweise Risikostreuung ist zwar möglich, allerdings ist es durch die begrenzte
Anzahl der Segmente nicht möglich, künftige Entwicklungen durch mehrere Segmente zu
antizipieren.
Herausforderungen
Das Management von Segmentierungen wurde als der Balanceakt zwischen Zielen und
Risiken beschrieben. Im Einzelnen ist auf die folgenden Punkte zu achten:
· Fokus auf den Massenmarkt: Bei Selektiven Segmentierungen muss der Fokus
des Unternehmens weiterhin auf dem Massenmarkt bleiben. Die begrenzten
Chancen der Strategie rechtfertigen es nicht, dass der Massenmarkt weniger optimal bedient wird. Im Bild des Fangschiffes heißt dies, dass die die zusätzlichen
Angeln über der Reling nicht die Route des Schiffes beeinflussen dürfen. Daraus
leiten sich viele Implikationen ab. Strukturelle Änderungen dürfen nur begrenzt
vorgenommen werden, hohe Ressourcenbindungen sind zu vermeiden.
· Segmente müssen Teil der bestehenden Kernzielgruppe sein: Eine weitere Herausforderung besteht darin, Segmente zu definieren, die tatsächlich Teil der Kernzielgruppe sind. Idealerweise unterstützt die Segmentierung dabei die Bearbeitung des Massenmarktes.
· Beschränkung der Eigendynamik der Segmentierung: Bei Selektiven Segmentierungen besteht stets die latente Gefahr, dass sie an Eigendynamik gewinnt und
Mitarbeiter im Unternehmen versuchen, immer stärker und umfassender zu segmentieren. Während bei anderen Segmentierungen eine solche Eigendynamik
durchaus gewollt sein kann, ist sie bei Selektiven Segmentierungen zu vermeiden,
damit das Ziel nicht aus den Augen verloren wird.
Nachdem Ziele und Herausforderungen von Selektiven Segmentierungen beschrieben
wurden, gilt es nun, Empfehlungen zur Wahl der Gestaltungsoptionen zu geben. Nur
durch die geeignete Wahl der Gestaltungsoptionen wird es möglich, die Ziele der Segmentierung zu erreichen und den Risiken zu begegnen.
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
5.1.2
-179-
Handlungsempfehlungen zur Konfiguration
Segmentierungslogik
Bei Selektiven Segmentierungen werden wenige Segmente bearbeitet, die Teil der bestehenden Kernzielgruppe sind. Ziel ist die Absicherung des Massenmarktes. Bezüglich der
Wahl der Segmentierungskriterien sollten daher Kriterien der Kundensegmentierung
genutzt werden. Diese ermöglichen eine gute Differenzierung in der Kernzielgruppe und
erlauben eine Intensivierung der Kundenbeziehungen. 378
Bei der Wahl der Segmente sollte eine Inside-Out-Perspektive eingenommen werden.
Dies hat zwei Gründe. Zum einen soll mit Selektiven Segmentierungen der bestehende
Markt abgesichert werden. Entsprechend ist davon auszugehen, dass das Unternehmen
bereits die meisten Fähigkeiten besitzt, um diese bestehenden Kundengruppen zu bearbeiten. Es geht damit eher um ein Schärfen existierender Fähigkeiten als um Neuentwicklung. Zum anderen kann durch die Inside-Out-Perspektive sichergestellt werden, dass
keine umfangreichen Investitionen in die Segmentierung getätigt werden müssen. Auch
dies wurde als eine wichtige Herausforderung von Selektiven Segmentierungen beschrieben.
Differenzierung der Marktbearbeitung
Bei der Differenzierung der Marktbearbeitung wurden zwei wichtige Spannungsfelder
identifiziert. Es kann zwischen einer frühen und einer späten Differenzierung, und zwischen Produkt+- bzw. Leistungssystemen unterschieden werden.
Bei Selektiven Segmentierungen sollte insgesamt darauf geachtet werden, dass die Differenzierung der Marktbearbeitung nicht zu umfassend wird. Erstens werden damit hohe
Investitionen vermieden, zweitens werden so nur wenige Ressourcen gebunden und drittens würde eine umfassendere Differenzierung der Marktbearbeitung dem begrenzten
Potenzial von Selektiven Segmentierungen nicht gerecht werden. Bezüglich des Differenzierungszeitpunktes empfiehlt sich daher eine späte Differenzierung und damit Instrumente des Kundenstamm-Marketing. So beschränkt sich die Segmentierung auf
den Bereich, der für die Strategie am wichtigsten ist: Kundenbindung und CRM. Unnötige und teure Marketingmaßnahmen oder gar Kampagnen werden vermieden. Die Mittel
können damit sehr fokussiert auf die Kunden konzentriert werden, die für die Erreichung
der Zielsetzung der Strategie am wichtigsten sind.379 Schließlich reicht es aus, Leistungsbündel zu entwickeln, anstatt umfassende und aufwändige Leistungssysteme für die
378
Vgl. Kapitel 4.1.1.1, S. 76.
379
Vgl. Kapitel 4.1.1.2, S. 84.
-180-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
Segmente zu konzipieren. Auch hier sind die hohen Investitionen in die Entwicklung solcher umfassender Systeme nicht sinnvoll. 380
Organisationsmodell
Für Selektive Segmentierungen eignet sich das Organisationsmodell Ergänzer. Hier wird
die Segmentverantwortung zentral verankert.381 Dies kann einfach umgesetzt werden
indem die Segmentfunktion als Abteilung im zentralen Marketing eingerichtet wird.
Wichtig ist eine inhaltliche Nähe der Projektteams zu CRM- und Kundenbindungsmaßnahmen. Einzelne weitere Funktionen können dann gezielt hinzugezogen werden. Das
Unternehmen muss für das Organisationsmodell nicht reorganisiert werden. Stattdessen
bleibt die Spartenorientierung bestehen. Dies ist auch vor dem Hintergrund der Bedeutung des Massenmarktes und der damit einhergehenden Notwendigkeit einer hohen Effizienz wichtig. Die notwendige Kundenorientierung wird ebenfalls über die Projektteams
sichergestellt.
Projekte sind immer zeitlich befristet. Es besteht dadurch die Gefahr, dass die Segmentierung wieder an Bedeutung verliert. Allerdings ist diese Gefahr bei Selektiven Segmentierungen eher zu akzeptieren als das Gegenteil. Eine unkontrolliert immer intensiver werdende Segmentierung ist zu vermeiden, um den Massenmarkt nicht zu gefährden. Es
kann jedoch darauf geachtet werden, dass die Projekte die Maßnahmen geordnet an die
entsprechenden Linienfunktionen übergeben. Hier ist es beispielsweise geschickt, die
Verantwortung für die Projekte im gleichen Bereich wie das CRM aufzuhängen, wie es
die Mobiliar vormacht. So ist eine Übergabe der Projektergebnisse fast automatisch sichergestellt. Möglich ist es auch, eine eigene Abteilung im Marketing für die Segmentfunktion aufzubauen, die dann die Projektsteuerung übernimmt.
Die Ausrichtung des Unternehmens bleibt beim Organisationsmodell Ergänzer nach
Produkten ausgerichtet.382 So werden negative Auswirkungen auf das Geschäft im Massenmarkt vermieden.
5.1.3
Handlungsempfehlungen zur Koordination
Steuerung der Segmentierung
Zur Steuerung der Segmentierung sollte – passend zur Organisationsstruktur – das Prinzip Projektieren gewählt werden. Merkmal dieses Prinzips ist eine hohe inhaltliche,
380
Vgl. Fallstudie Allianz Suisse, S. 253.
381
Vgl. Kapitel 4.1.3.1, S. 107.
382
Vgl. Kapitel 4.1.3.2, S. 112.
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
-181-
aber geringe prozessuale Steuerung. Dies gelingt, indem für die Entwicklung von Segmentstrategien Projektteams aufgesetzt werden, die eine klare inhaltliche Zielsetzung aus
dem zentralen Marketing erhalten z.B. in Form eines Projektauftrages übergeben wird.
Operativ gesteuert werden die Projekte aus der Segmentfunktion heraus. Idealerweise
beruht der Projektauftrag bereits auf einer im Marketing selbst durchgeführten Kundenbefragung inklusive konkreter Maßnahmen, die zur Bearbeitung der Kundengruppe umgesetzt werden sollen. Während die Inhalte so vorgegeben werden, bleibt der Prozess zur
Umsetzung der Maßnahmen in der Hoheit der Projekte. Dies ermöglicht eine hohe Flexibilität der Projekte und lässt ausreichend Spielraum bei der Umsetzung.383 Wichtig ist dabei eine klare Projekt-Governance, durch die situative Prozesse vorgegeben werden. So
können Stakeholder eingebunden und Entscheidungen z.B. durch Lenkungsausschüsse
legitimiert werden. Diese Form der Steuerung ist für Selektive Segmentierung vollkommen ausreichend. Durch die inhaltliche Nähe der Projekte zum Marketing ist auch eine
informelle Steuerung möglich und umfassende Veränderungen der bestehenden Abläufe
sind nicht notwendig.384
Segmentcontrolling
Für das Segmentcontrolling sollte ein einfaches Output-Controlling gewählt werden.
Dabei reicht es in der Regel, den Vertriebserfolg anhand einiger einfacher Kennzahlen
wie Anzahl verkaufter Policen, Durchschnittsbeitrag oder Produktmix zu ermitteln. Umfassendere Controlling-Maßnahmen sind nicht notwendig und wären dem geringen Potenzial Selektiver Segmentierungen auch nicht angemessen. Bei der Mobiliar lässt sich
gut beobachten, wie auf Basis einzelner Abfragen im Controlling der Erfolg in den Zielsegmenten ermittelt wird, ohne dass aufwändige Anpassungen der Controllingsysteme
unternommen werden müssten.385
Vertriebsmanagement
Selektive Segmentierungen müssen für integrierte Vertriebe entwickelt werden. Dies
hat mehrere Gründe. Einer der Gründe ist, dass die Segmentierungskriterien zu abstrakt
sind, um eigene Vertriebe dafür aufzubauen. Vertriebsorganisationen brauchen in hohem
Maße praktikable und robuste Segmentierungen, die sich kaum verändern, leicht identifizierbar sind und idealerweise auch räumlich stark konzentriert sind. Solche Kriterien stehen bei Selektiven Segmentierungen aber nicht im Vordergrund. Ein weiterer Grund ist,
383
Vgl. Kapitel 4.2.1.2, S. 135ff..
384
Vgl. Kapitel 4.2.1.1, S. 130ff..
385
Vgl. Kapitel 4.2.2, S. 142ff..
-182-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
dass die hohen Investitionen für den Aufbau eigener Vertriebsorganisationen in keinem
sinnvollen Verhältnis zum Nutzen Selektiver Segmentierungen stehen.386
5.1.4
Handlungsempfehlungen zur Variation
Realisation
Es wurde bereits herausgearbeitet, dass Top-Down-Realisationen aufgrund von Fehlanreizen und verzerrten Wahrnehmungen dazu führen, dass eher die Schnittmenge zwischen bestehender Kernzielgruppe und dem zu bearbeitenden Segment optimiert wird.
Solche zentralen Projekte, die analytisch vorgehen und auf Basis von Marketingmethoden Erkenntnisse über die Kundengruppe erheben, eignen sich daher vor allem für die
intensivere Bearbeitung bestehender Segmente. Sie sollten daher für Selektive Segmentierungen genutzt werden. Ein weiterer Grund für diese Empfehlung liegt darin, dass Vertriebspartner in der Versicherungsbranche oft eine tendenziell offensive Ausrichtung haben und sich mehr auf die Neukundengewinnung als die Kundenbindung konzentrieren.
Dies hängt mit in der Branche vorherrschenden, auf Neukundengewinnung ausgerichteten Anreizsystemen wie Abschlussprovisionen zusammen.387
Adaption
Das letzte Spannungsfeld bei den Gestaltungsoptionen besteht –wie gezeigt wurde – in
der Wahl zwischen evolutionärer oder revolutionärer Adaption. Bei Selektiven Segmentierungen sind die Friktionen revolutionärer Veränderungen unbedingt zu vermeiden,
weshalb eine evolutionäre Adaption ratsam ist. Wichtig ist eine langsame und kontinuierliche Veränderung. Die Nachteile dieser konsensorientierten Anpassungsform, wie
höhere Komplexität, spielen bei Selektiven Segmentierungen keine größere Rolle. Da
letztlich nur wenige Segmente bearbeitet werden sollen, die Differenzierung begrenzt und
die Koordination über Projekte leicht möglich ist, sind die Nachteile einer leicht höheren
Komplexität gering und würden den Aufwand einer revolutionären Veränderung nicht
rechtfertigen.388
5.1.5
Zusammenfassung
Die Gestaltungsempfehlungen für eine Selektive Segmentierung sind in Form einer Strategieblaupause in Abbildung 93 noch einmal zusammenfassend dargestellt.
386
Vgl. Kapitel 4.2.3, S. 149ff..
387
Vgl. Kapitel 4.3.1, S. 157ff..
388
Vgl. Kapitel 4.3.2, S. 169ff..
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
-183-
Strategieblaupause: Selektive Segmentierung
Konfiguration
Beschreibung
Chancen
und Risiken
Koordination
• Begrenzte Risiken
• Komplexität
Situative
Faktoren
• Fokus eher auf Ertrag als auf Umsatz
• Absicherung einer guten Position im Massenmarkt
• Stabile Marktbedingungen
Herausforderungen
• Fokus auf dem Massenmarkt halten
• Segmente sollten die Bearbeitung des Massenmarktes unterstützen
• Beschränkung der Eigendynamik der Segmentierung
Segmentierungslogik
• Eine Kundensegmentierung sollte gewählt werden um den
Fokus auf den bestehenden Markt zu halten und die
Bearbeitung zu intensivieren.
• Durch eine Inside-Out Perspektive wird auf bestehende
Fähigkeiten abgezielt. Damit können bestehende
Wettbewerbsvorteile ausgebaut werden.
Differenzierung der
Marktbearbeitung
• Zur Bearbeitung der Kundensegmente sollten Instrumente
zum Stammkunden-Marketing gewählt werden.
• Produkt+-Ansätze reichen aus, um bestehende Leistungen
aufzuwerten und so an die Zielgruppen anzupassen.
Umfassende Veränderungen können so vermieden werden.
Organisationsmodell
Variation
• Begrenzte Chancen
• Marktsicherung
• Selektion
+
• Es sollte Modell Ergänzer gewählt werden:
• Durch zentrale Segmentverantwortung kann die
Segmentierung gut gesteuert werden.
• Da das Unternehmen weiterhin nach Produktgruppen
aufgestellt bleibt, wird die Bearbeitung des
Massenmarktes nicht erschwert.
Steuerung
des
Segmentportfolios
• Es sollte Prinzip Projektieren gewählt werden:
• Durch starke inhaltliche Koordination werden den
Projekten klare Ziele vorgegeben.
• Geringe prozessuale Koordination gibt den Projekten viel
Spielraum und vermeidet große Anpassungen im
Unternehmen.
Segmentcontrolling
• Ein einfaches Output-Controlling reicht aus, um den
Erfolg der Segmentierung abschätzen zu können.
Vertriebs-m
anage-ment
• Ein integriertes Vertriebsmanagement erhöht die
Potenzialausschöpfung bestehender Kunden.
Realisierung
• Durch Top-Down-Realisierungen wird auf die
Schnittmenge zwischen bestehender Kernzielgruppe und
neuem Segment abgezielt.
Adaption
• Evolutionäre Veränderungen vermeiden Friktionen und
gewährleisten die reibungslose Einführung der
Segmentierung.
Abbildung 93: Strategieblaupause für Selektive Segmentierungen
-184-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
5.2
Intensive Segmentierung
5.2.1
Beschreibung der Strategie
Bei Intensiven Segmentierungen wird der gesamte Markt differenziert bearbeitet. Im Bild
des Fangschiffes wird dieses so umgebaut, dass viele unterschiedliche Fangvorrichtungen
gleichzeitig genutzt werden können. Folgende Eigenschaften sind mit dieser Strategie
verbunden.
Chancen und Risiken
Intensive Segmentierungen ermöglichen umfassende Wettbewerbsvorteile durch eine
bessere Ausnutzung bestehender Kundenverbindungen. Gezieltes Cross- und Up-Selling
spielt dabei eine große Rolle. Unternehmen entwickeln sich zu Virtuosen der Segmentierung, indem eine Vielzahl fein ausgearbeiteter Segmente bedient und koordiniert wird.
Die Risiken einer Intensiven Segmentierung bestehen zum einen in einer hohen Komplexität, die durch die Vielzahl an Segmenten zu entstehen droht. Zum anderen drohen Unternehmen inflexibel zu werden, da jede Veränderung auf alle Segmente Auswirkungen
hat und die Konsequenzen von Entscheidungen nur noch sehr schwer abschätzbar werden. Abbildung 94 stellt die Chancen und Risiken noch einmal dar.
Schwach
ausgeprägt
Umfassende Differenzierung
Chancen
Selektion
Ausnutzung von Zahlungsbereitschaften
Gewinnung von Neukunden
Markt- und Kundenschutz
Portfolioausgleich
Risiken
Komplexität und Vielfalt
Kannibalisierung zwischen den Segmenten
Inflexibilität
Abbildung 94: Chancen- und Risikoprofil bei Intensiven Segmentierungen
Stark
ausgeprägt
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
-185-
Situative Faktoren
Intensive Segmentierungen eignen sich auf hart umkämpften Märkten, auf denen es kaum
noch gelingt, erfolgreiche Angebote auf dem Massenmarkt anzubieten. Sie können aber
auch auf weniger umkämpften Märkten Kompensation einer schwachen Position im
Massenmarkt sein. Durch Intensive Segmentierungen wird es möglich, auch auf schwierigen Märkten profitabel zu wirtschaften, indem sich das Unternehmen auf rentable Kunden fokussiert und einen Schwerpunkt auf die Kundenbindung statt auf Kundengewinnung legt. Je stärker der Wettbewerb, desto höher der potenzielle Nutzen einer Intensive
Segmentierung. Intensive Segmentierungen erfordern stabile Marktbedingungen, da das
Unternehmen wegen der hohen Spezialisierung und der zentralen Steuerung auf größere
Veränderungen schwerfällig reagiert.
Herausforderungen
Auch bei Intensiven Segmentierungen gilt es, den Balanceakt zwischen Zielen und Herausforderungen zielgerichtet zu steuern. Die wichtigsten Herausforderungen sind dabei:
· Abwägung zwischen Differenzierungsvorteilen und Standardisierung: Die größte
Herausforderung bei Intensiven Segmentierungen besteht darin, zwischen den
Vorteilen einer stärkeren Differenzierung und denen einer höheren Standardisierung abzuwägen. Gerade weil die Profitabilitätswirkung immer berücksichtigt
werden muss, ist dies ein äußerst komplexer Prozess, der nur aus Gesamtunternehmensperspektive gesteuert werden kann. Unternehmen, die eine Intensive
Segmentierung verfolgen, stehen immer vor der Gefahr, an der eigenen Komplexität und Vielfalt zu ersticken.
· Intensive Steuerung: Einher geht damit die Herausforderung, die Segmentierung
so zu steuern, dass aus Gesamtunternehmenssicht ein Optimum erreicht wird. Dabei kann es durchaus sinnvoll sein, einzelne Segmente nicht so zu bedienen, wie
es für das Segment selbst sinnvoll wäre, weil die Komplexität aus Gesamtsicht
überproportional steigen würde.
· Ausreichendes Gewicht der Segmentierung im Unternehmen: Um wirklich dauerhafte und umfassende Wettbewerbsvorteile generieren zu können, muss die Segmentierung ausreichend Gewicht im Unternehmen haben. Dies betrifft insbesondere die Zusammenarbeit mit Schnittstellenbereichen wie Produktsparten und
Vertrieb.
-186-
5.2.2
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
Handlungsempfehlungen zur Konfiguration
Segmentierungslogik
Intensive Segmentierungen basieren auf einer Vielzahl von Segmenten, die sehr detailliert verzweigt sind. Dabei sollten Marktsegmentierungen genutzt werden weil es bei
Intensiven Segmentierungen eher auf ein Halten bestehender Kunden als auf die Gewinnung neuer Kunden ankommt. Dazu sollten alle Informationen genutzt werden, die dem
Unternehmen zur Verfügung stehen, um ein möglichst genaues Profil der Kunden entwickeln zu können. Gerade die Daten, die Wettbewerbern nicht zur Verfügung stehen, bieten dabei die Grundlage für Wettbewerbsvorteile. Hier sind insbesondere Stornowahrscheinlichkeit, Cross-Selling-Potenzial oder Service-Erwartungen zu nennen. Kundensegmentierungen treffen hier auf ideale Einsatzbedingungen.389
Bei der Wahl der Segmente sollte wie bei Selektiven Segmentierungen eine Inside-OutPerspektive eingenommen werden. Die Gründe sind weitgehend die gleichen wie bei
Selektiven Segmentierungen: Da der bestehende Markt abgesichert werden soll, besitzt
das Unternehmen in der Regel bereits alle wichtigen Fähigkeiten zur Bearbeitung der
Kundengruppen. Umfassende Investitionen in neue Fähigkeiten sind weder notwendig
noch sinnvoll.390 Allerdings stellen Inside-Out-Perspektiven hohe Anforderungen an die
Koordination, da es auf die intelligente Rekombination vorhandener Fähigkeiten ankommt. Diese muss bei der Wahl des Organisations- und Steuerungsmodells berücksichtigt werden.
Differenzierung der Marktbearbeitung
Da die Kundenbindung im Vordergrund steht, sollten auch Instrumente zum Kundenstamm-Marketing differenziert werden, die im Verlauf der Kundenbeziehung wirken.391
Außerdem sollten Unternehmen bei Intensiven Segmentierungen Leistungssysteme entwickeln. Die dafür notwendigen Investitionen können sich angesichts des hohen Potenzials der Segmentierung lohnen. Gelingt es, echte Leistungssysteme zu entwickeln, werden
umfassende Kundenvorteile möglich. Ein gutes Beispiel für Leistungssysteme bei Intensiven Segmentierungen war das Flottenmanagement der Allianz Suisse.392 Hier werden
Kunden umfassende Dienstleistungen geboten, die weit über das reine Kernprodukt hin-
389
Vgl. Kapitel 4.1.1.1, S. 76.
390
Vgl. Kapitel 4.1.1.2, S. 84.
391
Vgl. Kapitel 4.1.2.1, S. 94.
392
Vgl. Fallstudie Allianz Suisse, S. 253.
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
-187-
ausgehen. Interessant ist zudem, dass das Flottenmanagement eine hohe Bindungswirkung hat und damit ein Beispiel für ein spät differenzierendes Leistungssystem ist.
Organisationsmodell
Wie kann es gelingen, der Gefahr einer immer größer werdenden Komplexität und Vielfalt bei Intensiven Segmentierungen wirksam zu begegnen? Schnell entstehen bei Intensiven Segmentierungen tausende von Kombinationsmöglichkeiten für Segmente. Unternehmen, die hier für jedes einzelne Segment vollkommen eigenständige Leistungen anbieten wollen, verzetteln sich schnell. Komplexität ergibt sich immer erst aus dem Zusammenspiel vieler Elemente. Häufig ist zu beobachten, wie jedes einzelne Element für
sich wirtschaftlich ist, aber in der gemeinsamen Wirkung aller Elemente eine überproportionale Komplexitätswirkung entsteht. Komplexität kann daher nicht dezentral bekämpft
werden, sondern nur mit einer übergreifenden Perspektive. Intensive Segmentierungen
müssen entsprechend zentral gesteuert werden. Ein wichtiger Aspekt ist das Organisationsmodell, welches die Basis für eine wirksame Steuerung legt.
Bei Intensiven Segmentierungen sollte das Organisationsmodell Integrator gewählt
werden. Dies geht mit einer hohen Zentralisierung393 und einer Reorganisation zu einer
Kundenorientierung einher.394 Im Mittelpunkt dieses Organisationsmodells steht das
zentrale Marketing. In keiner anderen Segmentierungsvariante erhält dieses eine vergleichbare Bedeutung. Hier muss die Schaltzentrale der Segmentierung entstehen, in der
alle Fäden zusammenlaufen und durch die die Segmentierung bis ins letzte Detail gesteuert wird. Entsprechend groß ist die Verantwortung in diesem Bereich. Anders als bei Selektiven Segmentierungen reicht es nicht, einzelne Informationen zu sammeln und Ideen
zu entwickeln. Wichtig ist, dass tatsächlich Verantwortung von den Produktsparten an
das zentrale Marketing übergeht und eine Vorstandsverantwortung für das Marketing
geschaffen wird.
Die zentrale Segmentfunktion sollte ein eigener Bereich innerhalb des zentralen Marketings sein. Hier liegt die Umsetzungsverantwortung für die Strategien, die durch das zentrale Marketing entwickelt werden. So können echte, spartenübergreifende Innovationen
realisiert werden, weil das zentrale Marketing den Kunden ganzheitlich und spartenübergreifend betrachtet und zudem die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen dafür
hat, Lösungen für die Kundenbedürfnisse umzusetzen.
393
Vgl. Kapitel 4.1.3.1, S. 107.
394
Vgl. Kapitel 4.1.3.2, S. 112.
-188-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
Der Bedeutungsgewinn des zentralen Marketings kann für Unternehmen eine Herausforderung darstellen. Dies betrifft insbesondere notwendige Kompetenzen, die im Unternehmen aufgebaut werden müssen. Es reicht nicht, die Verantwortung zu übergeben, es
müssen auch die notwendigen Instrumente und Fähigkeiten entwickelt werden, um dieser
Verantwortung gerecht werden zu können. Hinzu kommt, dass gerade in der Einführungsphase einer Intensiven Segmentierung mit erheblichen Konflikten in der Organisation zu rechnen ist, da ehemals wichtige Bereiche im Unternehmen an Einfluss verlieren.
Dadurch werden ein effektives Change-Management und eine Qualifizierungsoffensive
im Marketing wichtig.
5.2.3
Handlungsempfehlungen zur Koordination
Steuerung der Segmentierung
Für die Steuerung der Segmentierung sollte das Prinzip Konzertierung verwendet werden. Der Begriff deutet bereits darauf hin, dass hier auf kurzfristige oder individuelle Ziele einzelner Segmente keine Rücksicht genommen werden sollte, sondern ein aus Gesamtunternehmensperspektive optimales Ergebnis anzustreben ist. Nur so kann zwischen
Vor- und Nachteilen einer zunehmenden Differenzierung abgewogen und segmentindividuell entschieden werden. Ein weiterer wichtiger Grund für den hohen Steuerungsbedarf
einer Intensiven Segmentierung besteht in dem notwendigen Zusammenspiel vieler Marketinginstrumente.395 Auf die Bedeutung von CRM wurde bereits eingegangen. Aber auch
Up- und Cross-Selling spielt eine wichtige Rolle, idealerweise werden dabei Inboundund Direkt-Marketing genutzt. Die Abstimmung dieser Maßnahmen entlang der Interaktionspunkte der Kundenbeziehung ist eine enorme Herausforderung. Zumal aus Kundensicht nicht der Eindruck entstehen darf, dass unzählige, unkoordinierte Werbemaßnahmen auf ihn einwirken. Stattdessen gilt es, im richtigen Moment die eigenen Leistungen
dem Kunden zurückhaltend, aber genau auf sein aktuelles Bedürfnis abgestimmt, zu präsentieren. Dies kann nur funktionieren, wenn alle Maßnahmen aus einem zentralen Verantwortungsbereich heraus gesteuert werden.
Die dafür notwendigen Voraussetzungen schafft das Organisationsmodell, welches durch
den hohen Zentralisierungsgrad der Verantwortung und die Reorganisation dem zentralen
Marketing alle notwendigen Kompetenzen zur Steuerung der Segmentierung gibt.
Das Steuerungsprinzip Konzertierung setzt eine hohe inhaltliche und eine hohe prozessuale Steuerung voraus. Das zentrale Marketing erhält damit die inhaltliche Hoheit über
395
Vgl. Kapitel 4.2.1.3, S. 136ff..
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
-189-
die Segmente. Die Segmentfunktion wird zum Umsetzungsorgan des Marketings. 396 Oft
wird die Segmentfunktion als Bereich im Marketing aufgestellt. Auch die Prozesse müssen angepasst werden, sodass im Planungs-, Budgetierungs- und Produktentwicklungsprozess die Rolle der Segmente und damit die des Marketings klar definiert wird.
Segmentcontrolling
Für das Segmentcontrolling sollte ebenso wie bei einer Selektiven Segmentierung ein
Output-Controlling gewählt werden. Allerdings nicht aufgrund hoher Investitionen in
ein Input-Controlling, sondern weil bei Intensiven Segmentierungen ein differenziertes
Input-Controlling kaum möglich ist. Da ein Großteil der Organisation, vom Marketing
bis zum Vertrieb, zentralisiert ist, ist eine verursachungsgerechte Zuordnung der Kosten
nur auf Basis von Verrechnungsschlüsseln möglich. Die Aussagekraft solcher Schlüssel
ist meist begrenzt und gibt kaum entscheidungsgerechte Hinweise. Selbst bei aufwändigen Prozesskostenrechnungen werden sich Unterschiede zwischen den Segmenten letztlich kaum ausmachen lassen. Hinzu kommt, dass die Segmente nicht eigenverantwortlich
agieren und daher für die Kosten nicht direkt verantwortlich gemacht werden können und
die Gefahr von Fehlanreizen nicht groß ist. Stattdessen sollte die Abwägung zwischen
Differenzierungsnutzen und Kosten der Vielfalt durch detaillierte Investitionsrechnungen
ermittelt werden. Dies ist flexibler und ermöglicht es, situative Fragestellungen umfassend zu betrachten.397 Die notwendigen Ressourcen für solche Rechnungen sind in der
Segmentfunktion vorzuhalten.
Vertriebsmanagement
Wie bei Selektiven Segmentierungen sollten die Vertriebe integriert gesteuert werden.
Die Gründe gleichen sich: Die Segmentierungskriterien bei Intensiven Segmentierungen
sind zu abstrakt, um eigene Vertriebe dafür aufzubauen. Hinzu kommt, dass Kunden
schnell zwischen den Segmenten wechseln. Dies würde ein effizientes Vertriebsmanagement konterkarieren. Stattdessen müssen Instrumente entwickelt werden, wie die Segmentierung in einem integrierten Vertrieb etabliert werden kann. Hierbei spielt ein segmentorientiertes Anreizsystem eine entscheidende Rolle. Die Bearbeitung bestimmter,
aus Unternehmensperspektive attraktiver Segmente, muss sich für Vertriebspartner lohnen. Insbesondere ist auch darauf zu achten, dass die Bestandsbearbeitung bei guten
Kunden ausreichend belohnt wird.398
396
Vgl. Kapitel 4.2.1.3, S. 136ff..
397
Vgl. Kapitel 4.2.2, S. 142ff..
398
Vgl. Kapitel 4.2.3, S. 149ff..
-190-
5.2.4
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
Handlungsempfehlungen zur Variation
Realisation
Zur Realisation der Segmentierung sollten Top-Down-Ansätze genutzt werden. Diese
ermöglichen eine Konzentration auf bestehende Zielgruppen und erlauben – wie bereits
beschrieben – eine gezielte und koordinierte Erschließung der Segmente.399
Adaption
Als Adaptionsprinzip kommen bei Intensiven Segmentierungen nur revolutionäre Veränderungen in Frage. Es wurde erläutert, wie wichtig es ist, dass die Verantwortung zentralisiert wird. Aufgrund der großen Bedeutung der Segmentierung im Unternehmen
würde eine evolutionäre Veränderung hier zu einer sehr großen Komplexität führen. Die
Beteiligten könnten sich immer nur auf einen Kompromiss einigen, der die relativen (aktuellen) Machtverhältnisse wiederspiegelt. Wichtig ist aber eine Verschiebung der
Machtverhältnisse, was nur durch zentrale, stark durch das Top-Management getriebene
Projekte möglich wird. Außerdem erlauben solche Veränderungen keine langen Übergangszeiten, in denen die Verantwortungen unklar geregelt sind, sondern müssen schnell
und umfassend umgesetzt werden.400
5.2.5
Zusammenfassung
Abbildung 95 fasst die Gestaltungsempfehlungen für Intensive Segmentierungen noch
einmal in einer Strategieblaupause zusammen.
399
Vgl. Kapitel 4.3.1, S. 157ff..
400
Vgl. Kapitel 4.3.2, S. 169ff..
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
-191-
Strategieblaupause: Intensive Segmentierung
Konfiguration
Beschreibung
Chancen
und Risiken
Koordination
• Große Risiken
• Komplexität
• Inflexibilität
Situative
Faktoren
• Fokus des Unternehmens eher auf Ertrag als auf Umsatz
• Stabile Marktbedingungen
• Intensiver Wettbewerb im Massenmarkt
Herausforderungen
• Abwägung zwischen Differenzierungsvorteilen und Standardisierung
• Intensive Steuerung
• Ausreichendes Gewicht der Segmentierung im Unternehmen
Segmentierungslogik
• Kundensegmentierung setzt Fokus auf bestehende Kunden
und sorgt für Konzentration und Selektion
• Inside-Out-Perspektive stellt sicher, dass die bestehenden
Fähigkeiten optimal ausgenutzt werden und keine neuen
Fähigkeiten aufwändig entwickelt werden müssen
Differen-zie
rung der
Markt-bear
beitung
• Instrumente des Kundenstamm-Marketings erlauben
stillen Ausbau von Wettbewerbsvorteilen in profitablen
Segmenten
• Leistungssysteme ermöglichen umfassende Kundenvorteile
und bieten damit die Grundlage für dauerhafte
Wettbewerbsvorteile.
Organisationsmodell
Variation
• Große Chancen
• Umfassende Differenzierung
• Selektion
• Markt- und Kundenschutz
+
• Es sollte Modell Integrator gewählt werden:
• Durch zentrale Segmentverantwortung kann
übergeordnete Optimierung erfolgen
• Das Unternehmen wird kundenorientiert aufgestellt,
damit die Segmente ausreichend Gewicht im
Unternehmen erhalten.
Steuerung
des
Segmentportfolios
• Es sollte Prinzip Konzertierung gewählt werden:
• Starke inhaltliche Koordination entspricht der zentralen
Segmentverantwortung
• Starke prozessuale Koordination erlaubt zusätzlich eine
intensive Steuerung der Segmentierung über
Koordinationsprozesse
Segmentcontrolling
• Output-Controlling ausreichend, da ausreichend
Steuerungsmöglichkeiten vorhanden und direkte Kosten
weitgehend identisch.
Vertriebsmanagement
• Integriertes Vertriebsmanagement ermöglicht optimales
Ausschöpfen der Kundenkontakte durch Up- und CrossSelling
Realisierung
• Top-Down-Realisierung führt zu deutlich verbesserter
Positionierung in Schnittmenge zwischen bestehenden
Kundengruppen und neuen Segmenten.
Adaption
• Revolutionäre Anpassung notwendig, um
Zuständigkeiten und Aufgaben neu zu verteilen und
Komplexität beherrschbar zu machen.
Abbildung 95: Strategieblaupause für Intensive Segmentierungen
-192-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
5.3
Partikulare Segmentierung
5.3.1
Beschreibung der Strategie
Bei Partikularen Segmentierungen werden einzelne, neue Marktsegmente zusätzlich zum
Massenmarkt erschlossen. Die Segmente sind dabei kleine Schnellboote, die zusätzlich
zum großen Fangschiff zu Wasser gelassen werden. Damit sind folgende Eigenschaften
verbunden.
Chancen und Risiken
Anders als bei Selektiven und Intensiven Segmentierungen steht hier nicht der stille Ausbau von Wettbewerbsvorteilen bei bestehenden Kundengruppen im Vordergrund, sondern die Eroberung neuer Marktbereiche. Es gilt, damit neue Marktchancen zu erkennen
und gezielt zu erschließen.
Letztlich sind die Chancen, die mit Partikularen Segmentierungen verbunden sind, begrenzt, da nur eine kleine Anzahl von Segmenten erschlossen werden kann, ohne das
Massengeschäft aufzugeben. Auch die Bedeutung der Segmente kann nicht beliebig gesteigert werden, da diese immer auf Ressourcen zugreifen müssen, die eigentlich für die
Bearbeitung des Massenmarktes vorgesehen sind. Nichtsdestotrotz können Partikulare
Segmentierungen attraktive Chancen eröffnen und werden in der Unternehmenspraxis
sehr häufig verwendet. Zudem sind die Risiken begrenzt und betreffen allenfalls
Kannibalisierungen zwischen Massenmarkt und dem neuen Segment. Diesem Risiko
kann aber mit einem geeigneten Management begegnet werden, wie die folgenden Ausführungen deutlich machen.
Abbildung 96 stellt das Chancen-/Risikoprofil noch einmal in der Übersicht dar.
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
Schwach
ausgeprägt
-193-
Stark
ausgeprägt
Umfassende Differenzierung
Chancen
Selektion
Ausnutzung von Zahlungsbereitschaften
Gewinnung von Neukunden
Markt- und Kundenschutz
Portfolioausgleich
Risiken
Komplexität und Vielfalt
Kannibalisierung zwischen den Segmenten
Inflexibilität
Abbildung 96: Chancen- und Risikoprofil bei Partikularen Segmentierungen
Situative Faktoren
Partikulare Segmentierungen eignen sich wie Selektive Segmentierungen auch wenn eine
grundsätzlich gute Position des Unternehmens im Massenmarkt besteht. Darüber hinaus
eignet sich die Strategie, wenn die Marktunsicherheit zunimmt und das Unternehmen
Diversifikationsmöglichkeiten sucht. Partikulare Segmentierungen können hier einen relativ einfachen und risikoarmen Einstieg in neue Geschäftsfelder bieten. Denkbar ist
auch, dass bei neuen Kundensegmenten eine positive Ausstrahlung auf das Image des
Unternehmens genutzt werden soll. Bei solchen Leuchtturm-Segmentierungen werden
beispielsweise Luxussegmente erschlossen, was dann einen positiven Effekt für das Massenmarktgeschäft haben soll.401 So ist bei der Nationale Suisse zu beobachten, wie das
Segment /HNWI/Art auch für einen Imagegewinn im Massengeschäft genutzt wird.
Herausforderungen
Die wichtigsten Herausforderungen, die es bei Partikularen Segmentierungen zu managen gilt, sind:
· Aktive Gestaltung des Zusammenspiels aus Massenmarkt und autonomem Segment: Die wichtigste Herausforderung besteht darin, das Zusammenspiel aus
Massenmarkt, in welchem der Großteil der Umsätze und Gewinne erwirtschaftet
401
Vgl. Belz 1995, S. 38.
-194-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
wird, und einem Segment, welches möglicherweise interessante Chancen bietet,
aber wesentlich kleiner ist, zu managen. Weder dürfen alle Initiativen des Segments zugunsten von Aktivitäten für den Massenmarkt blockiert werden, noch
dürfen blind alle Vorhaben des Segments umgesetzt werden. Das Leitmotiv sollte
darin bestehen, alle Aktivitäten, die das Segment umsetzen kann, ohne die Gesamtorganisation zu beeinträchtigen, zu fördern. Entsprechend sollten alle Aktivitäten, die nur zulasten des Massengeschäftes erfolgen können, verhindert werden.
An dieser Leitlinie orientieren sich die Gestaltungsempfehlungen.
· Begrenzung des Aufwands beim Management der Strategie: Partikulare Segmentierungen bieten begrenzte Chancen bei begrenztem Risiko. Werden solche Segmentierungen zu aufwändig umgesetzt, ist der Nutzen schnell kompensiert. Es gilt
also, nur die wichtigsten Maßnahmen umzusetzen, damit das Management erfolgreich sein kann. Allerdings muss auch beachtet werden, dass der Nutzen davon
abhängt, ob diese zentralen Punkte auch wirklich realisiert werden.
· Dauerhafte Legitimation des Segments: Oft werden Projekte zur Erschließung
neuer Zielgruppen kritisch gesehen und es bestehen Vorurteile gegenüber der
Zielgruppe. Es muss daher gelingen, schnell für Erfolge zu sorgen und damit eine
Legitimation des Segments sicherzustellen. Zudem können für Partikulare Segmentierungen keine aufwändigen Change-Maßnahmen umgesetzt werden, weshalb dem Punkt Legitimation eine besondere Bedeutung zukommt.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sollten die Gestaltungsoptionen wie folgt
gewählt werden.
5.3.2
Handlungsempfehlungen zur Konfiguration
Segmentierungslogik
Partikulare Segmentierungen stellen grundsätzlich andere Anforderungen an die Segmentierungslogik als Intensive oder Selektive Segmentierungen. Anders als bei Strategien zur
intensiveren Bearbeitung des bestehenden Marktes müssen hier neue Segmente erschlossen werden. Dabei kommt dem Vertrieb eine besondere Bedeutung zu. Schließlich müssen Zugangswege entwickelt und Ansprachekonzepte ausprobiert werden. Wichtig ist
dafür, dass die Segmente im Markt identifizierbar sind und vertriebliche Relevanz besitzen. Dies spricht für die Nutzung von Marktsegmentierungen. Ein weiterer Grund ist,
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
-195-
dass Kundensegmentierungen nicht geeignet sind, um Neukunden einzuordnen, da in der
Regel erst eigene Datenbestände aufgebaut werden müssen.402
Bei der Wahl der Segmente sollte wie bei Selektiven Segmentierungen versucht werden
ein Segment zu identifizieren, das sowohl eine hohe Attraktivität besitzt, als auch mit
begrenzten Investitionen erschließbar ist. Gerade letzteres ist oft schwierig, da viele Fähigkeiten neu entwickelt werden müssen. Dennoch besteht aufgrund der begrenzten Anzahl der Segmente, die bei Partikularen Segmentierungen bearbeitet werden, die Chance,
ein solches Segment zu identifizieren. Im Zweifel sollte jedoch eine Outside-InPerspektive eingenommen werden, da andernfalls die Gefahr besteht, dass Segmente
identifiziert werden, die relativ dicht am Kernmarkt des Unternehmens liegen. 403 Dies
würde die Gefahr einer Kannibalisierung deutlich erhöhen.
Differenzierung der Marktbearbeitung
Bei der Differenzierung der Marktbearbeitung ist eine frühe Differenzierung zu wählen.
Besonders wichtig sind Segmentkampagnen. Eigene Marken kommen aufgrund der geringen Bedeutung der Segmente meist nicht in Betracht.404 Zu beachten ist, dass die richtige Wahl der Instrumente zur Differenzierung einen großen Einfluss auf die Spill-overEffekte hat. Insbesondere wenn positive Spill-over-Effekte genutzt werden sollen, sind
Kommunikationsinstrumente zu wählen, die auch im Massenmarkt wahrgenommen werden und eine Übertragung des Images des Segments erlauben.
Umfassende Leistungssysteme erzeugen einen hohen Kundennutzen, sind aber aufwändig
zu entwickeln und oft komplex. Bei Partikularen Segmentierungen können Unternehmen
erfolgreich sein, wenn sie ihr Produktgeschäft, welches für den Massenmarkt optimiert
ist, nutzen und durch intelligente Kombinationen aus Kommunikation und Dienstleistungen an die Segmentbedürfnisse anpassen.405 Erst wenn die Segmente sich als erfolgreich
erweisen, sollte auf umfassendere Leistungssysteme zurückgegriffen werden – dann
aber mit dafür ausgelegten Organisations- und Koordinationsmechanismen und im Übergang zu einer Extensiven Segmentierung.
Organisationsmodell
Zur Organisation sollte das Modell Separierer gewählt werden. Dieses ist durch eine
dezentrale Segmentverantwortung bei gleichzeitig bestehender Produktorientierung ge402
Vgl. Kapitel 4.1.1.1, S. 76.
403
Vgl. Kapitel 4.1.1.2, S. 84.
404
Vgl. Kapitel 4.1.2.1, S. 94.
405
Vgl. Kapitel 4.1.2.2, S. 101.
-196-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
kennzeichnet. Durch die dezentrale Verantwortung kann das Segment eigenständig
agieren.406 Durch die Produktorientierung wird dabei aber das Massengeschäft nicht
ineffizient, und zugleich werden den Ambitionen des Segments durch die dominierende
Produktsicht im Unternehmen Grenzen gesetzt.407 Das Organisationsmodell ermöglicht
damit eine relativ hohe Autonomie des Segments, behindert aber andererseits nicht das
Massengeschäft.
5.3.3
Handlungsempfehlungen zur Koordination
Steuerung der Segmentierung
Die Steuerung kann sich bei Partikularen Segmentierungen auf ein Minimum beschränken. Es sollte das Prinzip Moderation gewählt werden mit geringer inhaltlicher und
geringer prozessualer Steuerung. Es reicht aus, wenn situativ zwischen den Anforderungen der Segmente und den Bedürfnissen des Massenmarktes abgewogen wird. Diese
Aufgabe kann das zentrale Marketing oder auch die Geschäftsführung übernehmen.
Wichtiger ist die beschriebene dezentrale Segmentfunktion, die in hohem Maße über den
Erfolg des Segments entscheidet.408 Prozessuale Veränderungen würden dem Segment
eher mehr Gewicht im Unternehmen geben, was letztlich weder notwendig noch sinnvoll
ist. 409
Segmentcontrolling
Während bei Selektiven und Intensiven Segmentierungen ein reines Output-Controlling
ausreicht, sollte bei Partikularen Segmentierungen frühzeitig ein differenzierteres Inputund
Output-Controlling
entwickelt
werden.410
Beispiele
sind
einfach
Deckungsbeitragsrechungen wie bei der Nationale Suisse. Aber auch Profit-CenterRechnungen sind denkbar. Der Grund für den höheren Controllingbedarf ergibt sich aus
der Autonomie der Segmente, verbunden mit geringen Steuerungseingriffen. Nur wenn
den erzielten Umsätzen die eingesetzten Kosten gegenübergestellt werden, lässt sich eine
realistische Einschätzung des Segmenterfolges treffen. Wichtig ist auch, Anreizsysteme
zu entwickeln, mit denen die Segmentverantwortlichen über Gewinngrößen gesteuert
werden. Andernfalls führt die Eigendynamik der Segmente schnell zu Auswüchsen.
406
Vgl. Kapitel 4.1.3.1, S. 107.
407
Vgl. Kapitel 4.1.3.2, S. 112.
408
Vgl. Kapitel 4.2.1.1, S. 130.
409
Vgl. Kapitel 4.2.1.2, S. 135.
410
Vgl. Kapitel 4.2.2, S. 149.
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
-197-
Vertriebsmanagement
Das Vertriebsmanagement bei Partikularen Segmentierungen sollte über fokussierte
Vertriebswege erfolgen. So kann einerseits vermieden werden, dass die bestehenden
Vertriebswege zu sehr von den Segmentaktivitäten beeinflusst werden. Andererseits kann
sich das Segment durch einen eigenen Vertriebsweg einen Bereich schaffen, in dem es
relativ autonom agieren kann und der gleichzeitig einen hohen Einfluss auf den Geschäftserfolg hat. Außerdem eignen sich fokussierte Vertriebswege besser zur Neukundengewinnung.411
5.3.4
Handlungsempfehlungen zur Variation
Realisation
Die Realisierung der Segmentierung sollte über Bottom-Up-Prozesse erfolgen. Mit
Bottom-Up-Prozessen ist es leichter, neue Segmente zu erschließen, da Fehlanreize und
verzerrte Wahrnehmungen eine geringere Rolle spielen. Zudem erlauben sie es, das vorhandene Vertriebs-Know-How umfassend zu nutzen und ermöglichen damit schnelle Erfolge. Dies ist bei Partikularen Segmentierungen oft besonders wichtig, um dem Segment
Legitimation und damit Durchsetzungsstärke zu verleihen.412
Adaption
Als Adaptionsprinzip sollte wie bei Selektiven Segmentierungen eine evolutionäre Anpassung verwendet werden, da diese geringe Friktionen und damit kaum negative Auswirkungen auf das Massengeschäft erzeugen. Außerdem erhöht ein konsensgetriebener
Anpassungsprozess die Akzeptanz des Segments in der Organisation, was die Arbeit des
Segments wesentlich erleichtert.413
5.3.5
Zusammenfassung
Abbildung 97 fasst die Gestaltungsempfehlungen für Partikulare Segmentierungen noch
einmal in einer Strategieblaupause zusammen.
411
Vgl. Kapitel 4.2.3, S. 155f..
412
Vgl. Kapitel 4.3.1, S. 157ff..
413
Vgl. Kapitel 4.3.2, S. 169ff..
-198-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
Strategieblaupause: Partikulare Segmentierung
Beschreibung
Chancen
und Risiken
• Begrenzte Chancen:
• Selektion
• Portfolioausgleich
• Neukundengewinnung
Situative
Faktoren
• Starke Position im Massenmarkt
• Hohe Unsicherheit im Markt
• Positive Ausstrahlungen auf Massenmarkt möglich (Leuchtturm-Segment)
Herausforderungen
• Gestaltung des Zusammenpiels aus Massenmarkt und einem autonomen Segment
• Begrenzter Aufwand muss begrenztem Potenzial Rechnung tragen
• Dauerhafte Legitimation des Segmentes
• Marktsegmentierung ermöglicht es, neue Segmente zu
identifizieren.
• Um neue Kundengruppen zu erschließen, sollte eine
Outside-In-Perspektive gewählt werden. Autonomie des
Segmentes notwendige Folge, damit die Fähigkeiten zur
Erschließung des Segmentes entwickelt werden können.
Konfiguration
Segmentierungslogik
Differenzierung der
Marktbearbeitung
Koordination
Organisationsmodell
Variation
• Begrenzte Risiken
• Kannibalisierung
+
• Zur Bearbeitung der Kundensegmente sollten wegen der
hohen Akquisitionswirkung Instrumente des NeukundenMarketing genutzt werden.
• Um die Bearbeitung des Massenmarktes nicht zu gefährden,
sollte sich auf Produkt+-Anätze beschränkt werden
• Es sollte Modell Separierer gewählt werden:
• Durch dezentrale Segmentverantwortung entwickeln die
Segmente hohe Marktnähe und Eigendynamik.
• Das Unternehmen bleibt produktorientiert aufgestellt,
damit die effiziente Bearbeitung des Massenmarktes
weiterhin gewährleistet ist.
Steuerung
des
Segment-po
rtfolios
• Es sollte Prinzip Moderation gewählt werden:
• Geringe inhaltliche Koordination entspricht der
dezentralen Segmentverantwortung
• Geringe prozessuale Koordination erspart aufwändige
Prozessanpassungen, die aufgrund der begrenzten
Segmentzahl nicht notwendig sind.
Segmentcontrolling
• Output-/ Input-Controlling notwendig, um Fehlanreize zu
vermeiden und um ein Gegengewicht zu den autonomen
Segmenten zu installieren
Vertriebsmanagement
• Fokussiertes Vertriebsmanagement erlaubt
differenzierte Vertriebswege und legt Fokus auf
Neukundengewinnung.
Realisierung
• Bottom-Up Realisierung führt zu deutlich verbesserter
Positionierung in neuen Zielgruppen und nutzt
dezentrales Know-How.
Adaption
• Evolutionäre Anpassung ausreichend, da keine großen
Änderungen notwendig sind und zudem Friktionen das
Massengeschäft beeinträchtigen würden.
Abbildung 97: Strategieblaupause für Partikulare Segmentierungen
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
5.4
Extensive Segmentierung
5.4.1
Beschreibung der Segmentierung
-199-
Bei Extensiven Segmentierungen werden im Gesamtmarkt mehrere neue Kundengruppen
erschlossen. Extensive Segmentierungen lassen sich als „Flotte aus Schnellbooten“ beschreiben, bei der jedes Schnellboot mit großer Autonomie agieren kann und lediglich
über den Flottenverbund mit den anderen Schnellbooten in Beziehung steht.
Chancen und Risiken
Mit Extensiven Segmentierungen lassen sich unterschiedliche Marktchancen erschließen
und umfassende Wettbewerbsvorteile im Gesamtmarkt entwickeln. Sie bieten das Potenzial, neue und kreative Lösungen für Kunden zu entwickeln und sich im Markt stark zu
differenzieren. So kann es gelingen, vollkommen neue Kundengruppen zu entwickeln,
die sonst für die Leistungen des Unternehmens, möglicherweise sogar der Branche, nicht
erreichbar waren. Durch die starke Differenzierung können unterschiedliche Zahlungsbereitschafen genutzt werden. Diesen umfassenden Chancen stehen aber auch erhebliche
Risiken gegenüber. Insbesondere besteht die Gefahr einer großen Komplexität im Unternehmen, da viele Segmente eigene Lösungen entwickeln. Das zweite große Risiko besteht in einer Kannibalisierung der Segmente. Die hohe Eigenständigkeit der Segmente
und die hohe Akquisitionswirkung kann dazu führen, dass sich die Angebotspaletten
stark überschneiden und damit ähnliche Kundengruppen mit unterschiedlichen Segmenten bearbeitet werden. Dies ist ineffizient und führt zu hohen Kosten. Abbildung 98 stellt
das individuelle Chancen- Risikoprofil der Strategie dar.
-200-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
Schwach
ausgeprägt
Stark
ausgeprägt
Umfassende Differenzierung
Chancen
Selektion
Ausnutzung von Zahlungsbereitschaften
Gewinnung von Neukunden
Markt- und Kundenschutz
Portfolioausgleich
Risiken
Komplexität und Vielfalt
Kannibalisierung zwischen den Segmenten
Inflexibilität
Abbildung 98: Chancen- und Risikoprofil bei Extensiven Segmentierungen
Situative Faktoren
Grundsätzlich eignen sich Extensive Segmentierungen eher, wenn Unternehmen eine
Wachstumsstrategie verfolgen. Dies lässt sich am Beispiel der AXA nachvollziehen, die
zum Zeitpunkt der Einführung der Strategie einen klaren Fokus auf das Wachstum hatte.
Sinnvoll sind Extensive Segmentierungen aber auch, wenn die Marktunsicherheit relativ
groß ist. Durch die hohe Anzahl unterschiedlicher Segmente, die relativ breit im Markt
gestreut sind, kann auf Marktveränderungen leicht reagiert werden. Schließlich bieten
Extensive Segmentierungen eine Differenzierungsmöglichkeit in Märkten mit starken
Wettbewerbern im Massenmarkt. Unternehmen können so in attraktive Marktbereiche
„flüchten“ und dort erfolgreiche Nischen finden.
Herausforderungen
Extensive Segmentierungen bieten erhebliches Potenzial, bergen aber auch große Risiken. Die wichtigsten sich daraus ergebenden Herausforderungen seien im Folgenden genannt:
· Ausrichtung auf neue Kunden und neue Marktchancen: Ein zentrales Ziel von Extensiven Segmentierungen ist die Gewinnung von Neukunden. Die Strategie ist
daher so zu gestalten, dass dieses Ziel ermöglicht wird.
· Innovation und Kreativität: Extensive Segmentierungen zielen auf Innovation und
Kreativität ab. Beides kann aber nicht verordnet werden, sondern entfaltet sich
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
-201-
nur im richtigen Umfeld. Voraussetzung ist eine hohe Autonomie der Segmente,
um schnelle und marktnahe Entscheidungen treffen zu können. Nur so kann die
ganze Kraft der Organisation in die Entwicklung von Lösungen für die Segmente
fließen. Das Management muss für entsprechenden Freiraum in der Organisationsstruktur sorgen.
· Zielgerichtete Koordination: Autonomie ist die Voraussetzung für Kreativität,
führt aber zu Chaos wenn nicht effektive Koordinationsformen entwickelt werden, die einerseits die Autonomie nicht zu stark beschränken, andererseits aber
Eingriffe und Steuerungsmöglichkeiten an entscheidenden Stellen bieten. Ziel ist
ein Portfolio aus Segmenten, welches differenziert ist, aber doch eine innere Logik besitzt. Gelingt dies nicht, entwickeln sich entweder sehr unterschiedliche
Segmente, die kaum Synergien miteinander haben, oder die Segmente liegen inhaltlich zu dicht beieinander und kannibalisieren sich gegenseitig. In beiden Fällen wird das Potenzial der Segmentierung nicht ausgeschöpft.
5.4.2
Handlungsempfehlungen zur Konfiguration
Segmentierungslogik
Bei der Entwicklung einer geeigneten Segmentierungslogik sollte bei Extensiven Segmentierungen eine Marktsegmentierung vorgenommen werden. Diese ermöglicht es,
neue Kundengruppen zu erschließen und neue Märkte zu erkennen. Marktsegmentierungen eignen sich gut für Produktinnovationen – eine wichtige Herausforderungen bei Extensiven Segmentierungen – und ermöglichen Wachstum.414 Bei der Wahl zwischen Praktikabilität und Relevanz besteht die Herausforderung darin, dass bei einer größeren Menge von Segmenten in der Regel nicht alle Segmente in der ‚glücklichen Überschneidung‘
zwischen Praktikabilität und Relevanz liegen können. Hier sollte der Praktikabilität der
Vorzug gegeben werden, da die vertriebliche Nutzbarkeit und zeitliche Stabilität außerordentlich wichtig sind, damit die Segmente im Unternehmen dauerhaft verankert werden
können und damit Autonomie erhalten werden kann.415
Bei der Wahl der Segmente ist unbedingt auf die langfristige Attraktivität zu achten. Dies
gewährleistet eine Outside-In-Perspektive.416 Größe, Wachstum und Wettbewerbsintensität sind die wichtigsten Kriterien. Um die notwendigen Fähigkeiten zu entwickeln und
um die Segmente erschließen zu können, sind einerseits die genannten organisatorischen
414
Vgl. Kapitel 4.1.1.1, S. 76.
415
Vgl. Kapitel 4.1.1.1, S. 72f..
416
Vgl. Kapitel 4.1.1.2, S. 84.
-202-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
und kulturellen Voraussetzungen wie freie Ressourcen, Bereitschaft zur Kannibalisierung
und konstruktive Konflikte wichtig.417 Andererseits werden aber auch Anforderungen an
die Organisation und Koordination der Segmentierung gestellt. Hier ist insbesondere darauf zu achten, dass die Segmente eigenständig agieren können und ausreichend Freiraum
erhalten. Dabei sind auch hohe Investitionen in Kauf zu nehmen.
Differenzierung der Marktbearbeitung
Bei Extensiven Segmentierungen sollten Instrumente zur frühen Differenzierung genutzt werden. Neue Segmente lassen sich nicht durch die leisen Mittel eines Kundenstamm-Marketing erschließen, sondern setzen groß angelegte, klare Botschaften voraus.
Neben Segmentkampagnen kann es sich lohnen, in den gezielten Aufbau einer eigenen
Marke für die Segmente zu investieren.418 Dies ermöglicht erstens eine hohe Differenzierung im Markt und stiftet zweitens auch im Unternehmen selbst Identität. Eine eigene
Marke kann damit zur Autonomie des Segments beitragen.
Bezüglich des Integrationsgrades der Leistung sollte angestrebt werden, umfassende
Leistungssysteme mit hohem Integrationsgrad zu entwickeln. Leistungssysteme sind
Voraussetzung für umfassende und dauerhafte Kundenvorteile und damit Grundlage für
die Wettbewerbsvorteile einer Extensiven Segmentierung.419 Die dafür notwendigen organisatorischen Maßnahmen lohnen sich aufgrund des hohen Potenzials bei Extensiven
Segmentierungen.
Organisationsmodell
Die Entwicklung eines geeigneten Organisationsmodells stellt eine der größten Herausforderungen solcher Strategien dar. Gewählt werden sollte das Modell Netzwerker. Hier
wird das Unternehmen nach Segmenten aufgestellt und die Segmentverantwortung dezentralisiert. Die dezentrale Segmentverantwortung führt zu einer großen Marktnähe
und setzt Energie in den Segmenten frei.420 Im Idealfall entwickeln die Segmente eigenen
Unternehmergeist, der auch unkonventionelle Lösungen ermöglicht und Ideen konsequent zur Umsetzung bringt. Die Ausrichtung des Unternehmens nach Segmenten
erhöht die Schlagkraft der Segmente zusätzlich und sorgt dafür, dass die Segmente sich
417
Vgl. Kapitel 4.1.1.2, S. 80ff..
418
Vgl. Kapitel 4.1.2.1, S. 94.
419
Vgl. Kapitel 4.1.2.2, S. 101.
420
Vgl. Kapitel 4.1.3.1, S. 107.
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
-203-
gegenüber Produktsparten durchsetzen können.421 Auch dies ist wiederum Voraussetzung
für segmentspezifische Lösungssysteme.
Die Entwicklung des Organisationsmodells Netzwerker hat erhebliche Auswirkungen auf
die Wertschöpfungskette. Entsprechend muss bei der Wahl der Adaption darauf geachtet
werden, dass diese Anpassungen möglich werden. Außerdem sind geeignete ChangeAnsätze, bei denen Mitarbeitern und Führungskräften die Änderungen erläutert werden,
vorzusehen.
5.4.3
Handlungsempfehlungen zur Koordination
Steuerung der Segmentierung
Es wurde dargelegt, dass eine wichtige Herausforderung bei Extensiven Segmentierungen darin besteht, die Balance zwischen Autonomie der Segmente einerseits und zielgerichteter Steuerung des Segmentportfolios andererseits zu halten. Das Organisationsmodell sollte bei Extensiven Segmentierungen stark auf Autonomie ausgerichtet werden. Bei
der Steuerung darf dies nicht konterkariert werden, weshalb die inhaltliche Steuerung in
jedem Fall bei den Segmenten bleiben muss. Nur so kann sich das Potenzial von autonomen Segmenten entfalten.422 Gleichzeitig muss aber darauf geachtet werden, dass die
Segmente trotz aller Autonomie koordiniert werden können. Hier bietet sich das Koordinationsprinzip Institutionalisierung an. Dabei sollte eine intensive Steuerung über
zentrale Prozesse im Unternehmen erfolgen. Wichtig sind sowohl Planungs- als auch
Budgetierungs- und Produktentwicklungsprozesse. Eine Anpassung dieser Prozesse ermöglicht es, trotz geringer Eingriffe in das operative Geschäft der Segmente, ein hohes
Maß an Koordination sicherzustellen.423
Segmentcontrolling
Neben dem Koordinationsprinzip stellt auch das Segmentcontrolling ein Gegengewicht
zu den Segmenten dar. Wichtig ist, dass die Segmente keine Fehlanreize erhalten. Durch
die hohe Dynamik der Segmente würden Fehlanreize schnell zu erheblichen Problemen
im Unternehmen führen. Entsprechend sollte in die Entwicklung eines umfassenden
/Output-/Input-Controllings investiert werden. Damit lassen sich den Segmenten klare
421
Vgl. Kapitel 4.1.3.2, S. 112.
422
Vgl. Kapitel 4.2.1.1, S. 130.
423
Vgl. Kapitel 4.2.1.2, S. 135.
-204-
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
Gewinnziele geben, die sicherstellen, dass die Aktivitäten der Segmente auch aus Gesamtunternehmenssicht vorteilhaft sind.424
Vertriebsmanagement
Partikulare Segmentierungen erfordern fokussierte Vertriebswege, um neue Zielgruppen effektiv zu erschließen und schnelle Reaktionsmöglichkeiten auf Markveränderungen
vorzuhalten.425 Hier ergibt sich eine direkte Beziehung zur Segmentierungslogik, welche
so gewählt sein sollte, dass sie sich für einen fokussierten Vertriebsweg eignet.
5.4.4
Handlungsempfehlungen zur Variation
Realisation
Die Realisierung der Segmentierung sollte über Bottom-Up-Prozesse erfolgen. Die
Gründe entsprechen den bereits genannten: Die Positionierung in neuen Segmenten wird
erheblich verbessert, das Potenzial dezentralen Know-Hows wird genutzt und Variation
und Selektion ermöglichen eigenständige Lösungen.426 Interessant können auch Zukäufe
von Spezialanbietern sein. Dabei ist allerdings auf eine vorsichtige Integration in das Unternehmen zu achten, um die spezifischen Fähigkeiten des gekauften Unternehmens nicht
zu verlieren.
Adaption
Als Adaptionsprinzip sollten bei Extensiven Segmentierungen revolutionäre Veränderungen gewählt werden. Die umfangreichen Änderungen, die die beschriebene Konfiguration notwendig machen, sind nur so zu erreichen.427
5.4.5
Zusammenfassung
Abbildung 99 fasst die Gestaltungsempfehlungen für Extensive Segmentierungen noch
einmal in einer Strategieblaupause zusammen.
424
Vgl. Kapitel 4.2.2, S. 149.
425
Vgl. Kapitel 4.2.3, S. 155.
426
Vgl. Kapitel 4.3.1, S. 168.
427
Vgl. Kapitel 4.3.2, S. 174.
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
-205-
Strategieblaupause: Extensive Segmentierung
Konfiguration
Beschreibung
Chancen
und Risiken
Koordination
• Große Risiken
• Komplexität
• Kannibalisierung
Situative
Faktoren
• Fokus des Unternehmens eher auf Umsatz als auf Ertrag
• Unsichere und sich schnell ändernde Marktbedingungen
• Starke Wettbewerber im Massenmarkt
Herausforderungen
• Ausrichtung auf neue Kunden und Marktchancen
• Ausreichend Autonomie und Freiheit für die Segmente
• Zielgerichtete Koordination um Kannibalisierung zu verhindern ohne Autonomie zu
beeinträchtigen
Segmentierungslogik
• Marktsegmentierung ermöglicht es, neue Segmente zu
identifizieren.
• Outside-In Perspektive zielt auf Attraktivität der Segmente.
Investitionen zur Entwicklung entsprechender Fähigkeiten
sind durch hohes Potenzial der Strategie gerechtfertigt.
Differenzierung der
Marktbearbeitung
• Zur Bearbeitung der Kundensegmente sollten wegen der
hohen Akquisitionswirkung Instrumente des NeukundenMarketing genutzt werden.
• Leistungssysteme ermöglichen umfassende Kundenvorteile
und bieten damit die Grundlage für dauerhafte
Wettbewerbsvorteile.
Organisationsmodell
Variation
• Große Chancen:
• Umfassende Wettbewerbsvorteile
• Entwicklung neuer Marktchancen
• Innovative Durchbrüche
+
• Es sollte Modell Netzwerker gewählt werden:
• Durch dezentrale Segmentverantwortung entwickeln die
Segmente hohe Marktnähe und Eigendynamik.
• Das Unternehmen wird kundenorientiert aufgestellt,
damit die Segmente Vorrang im Unternehmen
bekommen und so ihr Potenzial ausschöpfen können.
Steuerung
des
Segmentportfolios
• Es sollte Prinzip Institutionalisierung gewählt werden:
• Geringe inhaltliche Koordination entspricht der
dezentralen Segmentverantwortung
• Starke prozessuale Koordination erlaubt dennoch eine
Steuerung der Segmentierung durch Anpassung der
wichtigsten Prozesse im Unternehmen
Segmentcontrolling
• Umfassendes Output-/ Input-Controlling notwendig, um
Fehlanreize zu vermeiden und um ein Gegengewicht zu
den autonomen Segmenten zu installieren
Vertriebsmanagement
• Fokussiertes Vertriebsmanagement erlaubt
differenzierte Vertriebswege und legt Fokus auf
Neukundengewinnung.
Realisie-run
g
Adaption
• Bottom-Up Realisierung führt zu deutlich verbesserter
Positionierung in neuen Zielgruppen und nutzt
dezentrales Know-How.
• Revolutionäre Anpassung notwendig, um
Zuständigkeiten und Aufgaben neu zu verteilen und
Komplexität beherrschbar zu machen.
Abbildung 99: Strategieblaupause für Extensive Segmentierungen
-206-
5.5
Kapitel 5: Handlungsempfehlungen für das Management von Segmentierungen
Fazit
In diesem Kapitel sollten drei Forschungsfragen beantwortet werden:
· Welche Ziele und Herausforderungen sind mit den Segmentierungsvarianten
verbunden?
· Anhand welcher situativen Faktoren können Unternehmen die geeignete Segmentierungsvariante auswählen?
· Wie sollten die Handlungsspielräume bei den Gestaltungsoptionen je Segmentierungsvariante genutzt werden?
Die Fragen wurden jeweils in Form von Strategieblaupausen beantwortet. Es wurde deutlich, dass mit jeder Segmentierungsvariante unterschiedliche Ziele und Risiken verbunden sind, die zu unterschiedlichen Anforderungen an das Management der Strategie führen. Zudem wurden unterschiedliche situative Faktoren identifiziert, die bei der Wahl der
Segmentierungsvariante helfen können.
6
Implikationen und Ausblick
Die Kernfrage der vorliegenden Arbeit war: Wie kann es Unternehmen gelingen, Zielgruppen im Markt erfolgreich zu bearbeiten? Wichtige Detailfragen, die bereits in der
Einleitung genannt wurden, waren:
· Welche Konsequenzen hat die Segmentierung für die beteiligten Unternehmensbereiche? Wie werden Segmente im Vertrieb, im Controlling oder in der Unternehmensleitung berücksichtigt? Welche Rolle spielt das Marketing?
· Wie werden Segmente im Zeitablauf gesteuert? Wie erfolgt die Anpassung der
Segmente an sich ändernde Kundenbedürfnisse? Wer hat die Verantwortung für
die Steuerung?
· Wie werden Leistungen und Kommunikation an die Bedürfnisse der Zielgruppe
angepasst? Was bedeutet das für die Wertschöpfungskette? Wie viele Segmente
sind realistisch bedienbar? Wie ist mit der daraus resultierenden Komplexität umzugehen und Wirtschaftlichkeit sicherzustellen?
Diese Fragen wurden durch die Diskussion der Gestaltungsoptionen zunächst systematisiert und in Form von Spannungsfeldern aufgearbeitet. Anschließend erfolgte eine Zuordnung von Gestaltungsoptionen zu Segmentierungsvarianten, die in sich schlüssig dargestellt wurden. Im Ergebnis wurden die Fragen für jede Segmentierungsvariante in
Form von Strategieblaupausen beantwortet. Deutlich wird vor allem, dass eine pauschale
Beantwortung der Fragen nicht möglich ist. Vielmehr ist entscheidend, welche Segmentierungsvariante verfolgt wird. Die Konsequenzen einer Segmentierung sind beispielsweise bei Intensiven und Extensiven Segmentierungen hoch. Hier verändern sich Strukturen für das Marketing und die Produktsparten erheblich. Auch die Rollen verändern sich
für die beteiligten Bereiche. Anders ist die Situation dagegen bei Selektiven und Partikularen Segmentierungen. Hier bleiben Strukturen und Rollenverteilungen weitgehend bestehen und die Segmentierung wird additiv eingeführt.
Auch bei der Steuerung im Zeitablauf sind kaum allgemeine Aussagen möglich. Bei Partikularen und Extensiven Segmentierungen erfolgt die Anpassung dezentral mit inhaltlicher Verantwortung in den einzelnen Segmenten. Eine hohe Marktnähe ist die Folge. Bei
Selektiven und Intensiven Segmentierungen werden die Segmente dagegen zentral gesteuert, was die Eingriffsmöglichkeiten erhöht, aber auch den Differenzierungsgrad beschränkt. Ähnliches gilt für die Wertschöpfungskette Außergewöhnlich hoch sind die
Konsequenzen bei Extensiven Segmentierungen, wohingegen bei Selektiven Segmentierungen kaum Veränderungen notwendig sind. Mit Intensiven Segmentierungen kann eine
-208-
Kapitel 6: Implikationen und Ausblick
hohe Anzahl von Segmenten wirtschaftlich bedient werden, bei Partikularen Segmentierungen sind dagegen nur sehr wenige Segmente sinnvoll.
Die Wahl der geeigneten Strategievariante, die die Ziele des Unternehmens abbildet, wird
damit zur zentralen Ausgangsfrage. Nur wenn diese Frage beantwortet wurde, lassen sich
die Folgefragen für die Segmentierung ableiten.
Im Folgenden sollen die Implikationen für Praxis und Theorie sowie weiterer Forschungsbedarf beschrieben werden.
6.1
Praktische Implikationen der Arbeit
Unternehmen, so die Vermutung zu Beginn der Arbeit, sind sich der Konsequenzen einer
Segmentierung oft nicht bewusst. Deswegen werden Segmentierungsprojekte zu kurzfristig angelegt und der notwendige Wandel im Unternehmen wird nicht vorangetrieben.
Dies wurde als ein wichtiger Grund dafür gesehen, dass das Potenzial einer Segmentierung oft unzureichend ausgeschöpft wird.
Auf Basis der Überlegungen dieser Arbeit sind die Konsequenzen einer Segmentierung
klar zu erkennen. Leicht lässt sich das anhand eines Segmentierungsprozesses deutlich
machen. Abbildung 100 zeigt, welche Fragestellungen im Verlauf einer Segmentierung
zu beantworten sind.
Strategische
Entscheidungen
• Definition der
Herausforderungen, vor
denen das Unternehmen
steht
• Ableitung von Zielen für die
Segmentierung
• Auswahl der
Segmentierungsvariante,
die diese Ziele am besten
erreichen kann
Ergebnis
Management
Je nach
Segmentierungvariante
• Umfassende
Wettbewerbsvorteile
• Markt- und
Kundenschutz
• Selektion und
Fokussierung
• Wahrnehmung von
Chancen
Abbildung 100: Segmentierungsprozess
Im ersten Schritt ist eine strategische Entscheidung zur Wahl der Segmentierungsvariante
zu treffen. Ausgangspunkt sollte dabei eine Definition der Herausforderungen sein, vor
denen das Unternehmen steht und aus denen sich die Ziele für die Segmentierung ableiten lassen. Diese wiederum ermöglichen die Auswahl einer der vier Segmentierungsvarianten. Entsprechende situative Faktoren wurden in dieser Arbeit diskutiert. Allein dieser
Kapitel 6: Implikationen und Ausblick
-209-
Schritt kann in der Praxis mehrere Monate in Anspruch nehmen, da er den Kern der strategischen Positionierung eines Unternehmens betrifft.
Im zweiten Schritt stehen die operativen Entscheidungen zur Konfiguration, Koordination und Variation an. Dabei gilt es eine Segmentierungslogik zu wählen, eine Differenzierung der Marktbearbeitung zu entwickeln und ein Organisationsmodell zu konzipieren.
Außerdem muss das Steuerungsprinzip designt werden, ein Controllingsystem skizziert
und eine geeignete Vertriebslogik entwickelt werden. Es folgt die Umsetzung der Segmentierung. Je nach Wahl der Segmentierungsvariante muss die Realisierungsform gewählt und mit der Adaption des Unternehmens begonnen werden.
Dieser Prozess führt je nach Wahl der Segmentierungsvariante zu unterschiedlichen Ergebnissen. Diese reichen von der gezielten Nutzung einzelner Chancen bei Partikularen
Segmentierungen bis hin zu umfassenden Wettbewerbsvorteilen bei Intensiven und Extensiven Segmentierungen.
Für alle Entscheidungsschritte wurden in den Strategieblaupausen umfassende Gestaltungshinweise gegeben, die Unternehmen als wichtige Anhaltspunkte für die Entscheidungsfindung nutzen können. Die Arbeit gibt damit Entscheidern wie Umsetzungsverantwortlichen wertvolle Hinweise, um einerseits frühzeitig die Konsequenzen einer Segmentierung abschätzen und entsprechend Ressourcen bereitstellen zu können und andererseits die richtigen Entscheidungen bei der Wahl der Gestaltungsoptionen zu treffen. Es
ist zu hoffen, dass so das Potenzial von Segmentierungen besser ausgeschöpft wird.
6.2
Theoretische Implikationen der Arbeit
Während zu einzelnen Aspekten der Segmentierung umfassende Forschungsergebnisse
existieren, gab es bislang kaum empirische Erkenntnisse zu der Frage, wie Unternehmen
Segmentierungen managen, d.h. im Zeitablauf gestalten. Die vorliegende Arbeit hat auf
Basis eines breiten Gestaltungsmodells und einer Unterscheidung unterschiedliche Segmentierungsvarianten erste Anhaltspunkte zu dieser Frage entwickelt.
Mehrere wichtige Erkenntnisse sind hier festzuhalten:
· Bedeutung der Unterscheidung von Segmentierungsvarianten: Grundsätzlich ist
die Erkenntnis, dass sich Segmentierungen unterscheiden, nicht neu.428 Die Bedeutung dieser Unterscheidung für das Management ist aber bisher nicht ausreichend
beleuchtet worden. Durch die vorliegende Arbeit wurde deutlich, dass sich das
428
Vgl. Belz 1995, S. 9-11; Clarke, Freytag 2008, S.10-30; Hassan, Craft 2005, S. 83; Sausen et al. 2005, S.
151-173.
-210-
Kapitel 6: Implikationen und Ausblick
Management verschiedener Segmentierungsvarianten in vielen Dimensionen fundamental unterscheidet. Zu nennen ist beispielsweise die Bedeutung des zentralen
Marketings, dem die bisherige Forschung bei Segmentierungen oft implizit die
wichtigste treibende Rolle zuordnet. Die Untersuchung zeigt dagegen, dass dies
bei Partikularen Segmentierungen nicht und bei Extensiven Segmentierungen nur
eingeschränkt richtig ist. Die Erkenntnisse zu anderen Dimensionen wie Segmentierungslogik, Steuerung oder Realisation lassen ebenfalls differenziertere Aussagen über Bedeutung und Wahl von Gestaltungsoptionen zu.
· Ziele von Segmentierungen: Auch die Ziele und spezifischen Herausforderungen,
die mit den einzelnen Varianten in Verbindung gebracht wurden, sind in der Forschung bislang nicht beschrieben worden. Bislang wurde eher pauschal von einer
Reihe unterschiedlicher Ziele ausgegangen, die alle mit Segmentierungen erreicht
werden können.429 Die Untersuchung hat gezeigt, dass mit den Segmentierungsvarianten sehr unterschiedliche Zielsetzungen verbunden sind und diese auch nicht
beliebig kombinierbar sind da sie unterschiedliche Konfigurationen und Koordinationsansätze nötig machen.
· Eingriffstiefe von Segmentierungen: Bisherige Erkenntnisse zur Implementierung
von Segmentierungen beschränkten sich weitgehend auf Hinweise für gutes Projektmanagement oder allgemeine Forderungen zur Integration in den Unternehmenskontext.430 Die vorliegende Untersuchung hat die tatsächliche Eingriffstiefe
von Segmentierungen verdeutlicht und dabei gezeigt, wie umfassend viele Bereiche der Wertschöpfungskette von einer Segmentierung beeinflusst werden. Deutlich wurde aber auch, dass die Eingriffstiefe variantenabhängig ist. Selektive
Segmentierungen haben wesentlich weniger Auswirkungen als Intensive Segmentierungen. Es werden damit differenziertere Analysen zur Implementierung und
Umsetzung möglich.
· Neue Perspektive auf weitere Marketingstrategien: Schließlich lässt die vorliegende Arbeit auch eine neue Perspektive auf andere Marketingstrategien zu. Während
sich Unternehmen bereits mit Segmentierungen schwertun, entwickelt die Marketingforschung Konzepte wie Mass-Customization oder One-to-One-Marketing.
Solche Konzepte sind – verglichen mit den untersuchten, meist recht robusten
Segmentierungen – ungleich schwieriger und komplexer. Um diese Ansätze mit
Leben füllen zu können, sind detailliertere Analysen der Anwendungsvorausset429
Vgl. Foedermayr et al. 2009, S. 61-63; Freter 2008, S. 32-33.
430
Vgl. Dibb 2005, S. 13-30; Dibb, Simkin 2009b, S. 375-396; Meadows, Dibb 1998, S. 266-285.
Kapitel 6: Implikationen und Ausblick
-211-
zungen und organisatorischen Konsequenzen notwendig, als dies bislang oft der
Fall ist.
Die Arbeit stellt damit einen ersten Schritt zur Beantwortung einer Forschungsagenda
dar, die bereits vor über 50 Jahren aufgestellt und seitdem kaum bearbeitet worden ist. Es
ist zu hoffen, dass die Arbeit dazu beiträgt, das Forschungsfeld neu zu befruchten und
neue Erkenntnisse zu generieren.
6.3
Weiterer Forschungsbedarf
Aus praktischer wie theoretischer Sicht besteht nach wie vor ein umfassender Forschungsbedarf zu Segmentierungen. Einzelne Fragestellungen, die in der vorliegenden
Arbeit nicht beantwortet oder nur grob angerissen werden konnten, sollen im Folgenden
dargestellt werden:
· Differenziertere Betrachtung einzelner Gestaltungsdimensionen: Die Arbeit ist in
ihrer Fragestellung relativ breit angelegt, weshalb zu den einzelnen Gestaltungsdimensionen oft nicht alle Aspekte beleuchtet wurden konnten. Wichtige Erkenntnisse könnten sich daher aus einer differenzierteren Betrachtung einzelner Dimensionen bei ausgewählten Segmentierungen ergeben. Beispielsweise spielt der Realisierungsprozess bei Partikularen Segmentierungen eine große Rolle. Unklar sind
die Details dieses Prozesses. Wie erschließen Unternehmen neue Segmente? Welche Rolle spielen Kundencharakteristika und Organisationsstrukturen? Was sind
Erfolgsfaktoren, was erleichtert oder behindert den Prozess? Solche vertiefenden
Fragestellungen ließen sich zu jeder einzelnen Gestaltungsdimension aufstellen.
· Untersuchung weiterer Gestaltungsdimensionen: In den Experteninterviews sind
viele Themen deutlich geworden, die letztlich nicht näher betrachtet wurden. Ein
Beispiel ist die kulturelle Dimension einer Segmentierung. Es konnte lediglich angerissen werden, dass Segmentierungen oft scheitern, weil im Unternehmen Vorbehalte und Vorurteile gegenüber einer Zielgruppe bestehen. Auf die Bedeutung
eines funktionierenden Diversity Managements wurde hingewiesen. 431 Aber viele
Fragen sind offen: Wie beeinflusst der kulturelle Hintergrund von Mitarbeitern
den Erfolg von Segmentierungen? Wie genau äußern sich Vorbehalte und wie
lässt sich diesen am besten begegnen? Wie lassen sich Vorurteile im Unternehmen
systematisch erkennen? Eine andere, spannende Frage betrifft die Unternehmenskultur. Es wurde deutlich, dass mit der Erschließung neuer Segmente eine andere
Unternehmenskultur verbunden ist als mit dem Ausbau bestehender Segmente.
431
Vgl. S. 167f..
-212-
Kapitel 6: Implikationen und Ausblick
Auch hier wäre eine genauere Analyse der kulturellen Besonderheiten der jeweiligen Strategien von großem Wert.
· Identifikation weiterer Segmentierungsvarianten: Die vier untersuchten Segmentierungsvarianten stellen nur einen Ausschnitt aus der Vielzahl unterschiedlicher
Segmentierungen dar. BELZ beschreibt beispielsweise den Aufbau neuer Marktspielregeln durch Segmentierungen. Gerade auf dynamischen Märkten sind weitere Ansätze zur Segmentierung zu erwarten, für die die Aussagen der vorliegenden
Arbeit nur eingeschränkte Gültigkeit haben.
· Erweiterung der empirischen Basis: Die vorliegende Arbeit fokussiert sich in der
Betrachtung auf die Versicherungswirtschaft. Es wäre wichtig, weitere Branchen
zu untersuchen und Unterschiede herauszuarbeiten. Eigenarten der Versicherungswirtschaft wie der hohe Integrationsgrad und die Intangibilität der Leistung
beeinflussen das Management der Segmentierung. Es ist zu vermuten, dass z.B. in
Branchen mit geringerem Integrationsgrad wie der Automobilbranche oder ITDienstleistern andere Herausforderungen beim Management einer Segmentierung
bestehen. Eine quantitative Untersuchung könnte dazu beitragen, solche Branchenunterschiede herauszuarbeiten und die Gestaltungsempfehlungen zu untermauern.
Literaturverzeichnis
Abell, D. F. (1980): Defining the business: The starting point of strategic planning. New
York: Prentice-Hall.
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-231-
Anhang
A.
Fallstudien
Der folgende Abschnitt umfasst den Hauptteil der empirischen Untersuchung. Er besteht
aus vier Fallstudien, in denen die vier Segmentierungsvarianten in der Versicherungswirtschaft vorgestellt und ausgewertet werden. Abbildung 101 zeigt, an welcher logischen Position die Fallstudien im Ablauf der Arbeit eingeordnet werden können. Sie bilden die Grundlage für die Gestaltungsoptionen und die Handlungsempfehlungen in den
Kapiteln 4 und 5 und basieren auf dem Grundkonzept aus Kapitel 3.
Kapitel 1: Einleitung
Problemstellung, Zielsetzung, Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit
Kapitel 2: Grundlagen
Definitionen, Eigenschaften von Segmentierungen, Literaturstand und Segmentierungen in der Assekuranz
Kapitel 3.1:
Gestaltungsmodell
Kapitel 3.2: Segmentierungsvarianten
Entwicklung eines Gestaltungsmodells bestehend
aus Gestaltungsdimensionen und
Gestaltungsoptionen (Kapitel 3.1) sowie einer
Klassifikation von Segmentierungsvarianten
(Kapitel 3.2)
Kapitel 3: Konzept zum
Management von
Segmentierungen
Kapitel 3.3:
Kombination zum
Grundkonzept
Kombination von Gestaltungsmodell und
Segmentierungsvarianten zum Grundkonzept der
Arbeit (Kapitel 3.3).
Die Fallstudien werden entlang
des Analyserahmens strukturiert
und bilden eine wichtige
Grundlage der Arbeit. Die
vollständigen Fallstudien finden
sich im Anhang. Durch
Fallbeispiele wird im Text Bezug
auf die Fallstudien genommen.
Anhang A: Fallstudien
Kapitel 4:
Gestaltungsoptionen
Entlang der Gestaltungsdimensionen
werden die Gestaltungsoptionen
entwickelt und beschrieben .
Fallbeispiele illustrienen und
untermauern die Erkenntnisse.
Kapitel 5: Situative
Handlungsempfehlungen
Anhand der Eigenschaften der
einzelnen Gestaltungsoptionen und
der Erkenntnisse aus den Fallstudien
werden Handlungsempfehlungen zur
Wahl der Gestaltungsoptionen je
Segmentierungsvariante gegeben.
Diese werden in Strategieblaupausen
zusammengefasst.
Kapitel 6: Implikationen und Ausblick
Implikationen für Theorie und Praxis sowie weiterer Forschungsbedarf
Abbildung 101: Überblick über die Vorgehensweise im Anhang A
Anhang
-233-
Segmentierungsvarianten
Selektive
Segmentierung
Intensive
Segmentierung
Partikulare
Segmentierung
Extensive
Segmentierung
Konfiguration
Differenzierung der Marktbearbeitung
Koordination
Organisationsmodell
Steuerung des Segmentportfolios
Variation
Gestaltungsmodell
Segmentierungslogik
Realisierung
Segmentcontrolling
Vertriebsmanagement
Adaption
Abbildung 102: Aufbau der Fallstudien entlang des Grundkonzepts
A.1.
Fallstudie 1: Die Mobiliar (Selektive Segmentierung)
A.1.1. Überblick über das Unternehmen
Marktposition und Unternehmensstruktur
Die Mobiliar Versicherung gehört zu den ältesten und traditionsreichsten Versicherungen
der Schweiz. Sie wurde 1826 in Bern gegründet, wo sie bis heute ihren Hauptsitz hat.
Das Lebengeschäft wird in Nyon geführt. Mit Bruttobeiträgen in Höhe von 2,930 Mrd.
Franken liegt die Mobiliar auf Platz 8 der größten Versicherungen der Schweiz. Der
Großteil des Geschäftes (2,162 Mrd. Franken) stammt aus dem Nicht-Leben Bereich, in
dem die Mobiliar nach AXA Winterthur und Zürich auf Stelle 3 der größten Versicherungen liegt. Der Bereich Leben trägt mit 0,768 Mrd. Franken zum Gesamtumsatz bei.
-234-
Anhang
Mit Wachstumsraten von 2,4% in Nicht-Leben und 4,4% in Leben konnte sich die Mobiliar 2009 in einem schwierigen Marktumfeld gut behaupten. 432
Die Mobiliar ist auf die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein konzentriert und nach
wie vor genossenschaftlich organisiert. Einerseits führt diese Rechtsform zu einem hohen
Maß an Übereinstimmung zwischen den Interessen von Unternehmen und Kunden,
schließlich ist jeder Kunde Genossenschafter und damit Miteigentümer des Unternehmens. So werden die Genossenschafter beispielsweise über einen Gewinnfonds an den
Überschüssen beteiligt. Andererseits müssen alle Investitionen aus den nicht ausgeschütteten Gewinnen finanziert werden, da sich die Mobiliar nicht am Kapitalmarkt mit Eigenkapital versorgen kann. Das Unternehmen verfolgt daher eine langfristig ausgerichtete und auf Kontinuität basierende Unternehmenspolitik.433
Abbildung 103 zeigt die Struktur der Mobiliar, an deren Spitze die Schweizerische Mobiliar Genossenschaft mit 150 Delegierten und der Verwaltungsrat der Genossenschaft stehen. Sie vertreten die Interessen der Genossenschafter und überwachen die Unternehmenspolitik. Geführt wird das Unternehmen durch Verwaltungsrat und Geschäftsleitung
der Schweizerischen Mobiliar Holding.
Abbildung 103: Rechtsstruktur der Mobiliar434
432
Vgl. Die Mobiliar 2010, S. 12-15.
433
Vgl. Die Mobiliar 2010, S. 7-8.
434
Die Mobiliar 2009a, S. 3.
Anhang
-235-
Die Mobiliar beschreibt sich selbst mit den Attributen verlässlich, kompetent, erfolgreich,
vorausschauend und kommunikativ. Sie pflegt damit eine Unternehmenskultur, die auf
Wertschätzung, Eigeninitiative und Selbstverantwortung beruht. Wertschätzung äußert
sich insbesondere in einem respektvollen und verantwortungsbewussten Umgang mit
Mitarbeitern, Kunden und der Gesellschaft. Gute Anstellungsbedingungen, faire Produkte, eine hohe Ausbildungsquote und umfangreiches Engagement für Öffentlichkeit, Wirtschaft, Kultur und Sport zeugen davon. Eigeninitiative und Selbstverantwortung kommt
vor allem bei den 80 Generalagenturen der Mobiliar zum Ausdruck. Jede Agentur handelt
unternehmerisch und eigenverantwortlich und ist als eigenständiges Kleinunternehmen
mit bis zu 70 Mitarbeitern stark in der lokalen Wirtschaft verankert. Die Generalagenturen prägen die Unternehmenspolitik mit und erhöhen so die innere Veränderungsfähigkeit der Mobiliar.
Darüber hinaus tragen die Generalagenturen zu einer besonders hohen Kundennähe bei.
Von der Erstberatung bis zum Schadenfall sind die Agenturen erster Ansprechpartner für
Kunden und über 90% der Schäden werden direkt in den Generalagenturen reguliert. Lediglich Großschäden/Personenschäden, die in der Regel hohe Schadensummen aufweisen, werden durch die zentrale Schadenbearbeitung geprüft und reguliert. Die Mobiliar
geht damit einen völlig anderen Weg als viele Versicherungen, die die Schadenbearbeitung zunehmend zentralisieren und standardisieren.
Es ist in erster Linie diese Unternehmenskultur, die in der Schweiz zu einer außergewöhnlichen Positionierung der Mobiliar geführt hat. Kunden nehmen die Mobiliar als
besonders vertrauenswürdig und persönlich war – Assoziationen, die in der Versicherungsindustrie ebenso untypisch wie wertvoll sind. Unterstützt wird die Positionierung
durch gezielte Marketingkampagnen, die typische Schadenereignisse aufgreifen. Abbildung 104 zeigt ein Beispiel der vielfach ausgezeichneten und sehr beliebten Schadenskizzen. Kundennähe, Kompetenz in der Schadenabwicklung und echtes Verständnis für
die Situation des Kunden werden hier humorvoll und prägnant ausgedrückt.
-236-
Anhang
Abbildung 104: Schadenskizze der Mobiliar435
Auch die Rechtsform der Mobiliar und die damit verbundene Gewinnausschüttung an
Kunden werden in der Werbung kommuniziert.
Strategischer Kontext der Segmentierung
Der strategische Kontext, in dem die Segmentierung steht, hängt eng zusammen mit der
beschriebenen Positionierung der Mobiliar. Das Unternehmen ist im gesamten Massenmarkt über alle Segmente hinweg stark differenziert und im Markt einzigartig aufgestellt.
Hinzu kommt, dass die Mobiliar aufgrund ihrer Rechtsform nicht unter dem Druck eines
starken Eigentümers steht und daher weniger auf kurzfristige Kennzahlen hin orientiert
ist.
Die Segmentierung der Mobiliar ist daher in erster Linie mit zwei langfristigen Zielen
verbunden. Zum einen stellt die Mobiliar in der Schweiz eine zunehmende Polarisierung
in der Gesellschaft fest. Eine starke Position im Massenmarkt wird damit langfristig im435
Gefunden im Internet: Schadenskizzen der Mobiliar, 2011.
Anhang
-237-
mer aufwändiger werden. Die Segmentierung soll hier bereits zu einem Zeitpunkt, an
dem die Position im Massenmarkt noch nicht geschwächt ist und entsprechend Mittel für
eine Positionierung in einzelnen Segmenten verfügbar sind, auf diesen Trend reagieren.
Zum anderen war das Kundenportfolio der Mobiliar vor einigen Jahren stark veraltet.
Fehlt einer Versicherung der Zugang an jungen Kunden, führt dies, so die These der Mobiliar, über Kurz oder Lang zu einem überproportionalen Marktanteilsverlust. Die Mobiliar sah damit ihre Zukunftsfähigkeit gefährdet. Das folgende Zitat macht dies deutlich:
„Nach der Deregulierung der Sachversicherungen haben wir festgestellt, dass wir
– wenn man unsere Kunden mit der Schweizer Bevölkerung vergleicht – eine
Überalterung des Kundenstamms haben. […] Und da wurde uns klar, wenn wir
längerfristig überleben wollen, brauchen wir eine deutliche Verjüngung des Bestandes. […] Das war die Überzeugung Anfang der neunziger Jahre und deshalb
haben wir dann eine spezielle Kampagne gestartet.“436
Die Segmentierung der Mobiliar ist damit in erster Linie eine vorbeugende Maßnahme,
mit der künftigen Risiken, die sich aus Polarisierung der Gesellschaft und Überalterung
des Kundenstamms ergeben, begegnet werden soll. Weitere Ziele, wie bessere Ausschöpfung des Kundenpotenzials und effektivere Marktbearbeitung werden gesehen, haben
aber nicht die gleiche Relevanz. Die Bedeutung der Segmentierung für das Unternehmen
folgt dieser Zielsetzung ebenso wie die Auswahl der Segmente.
Dass die Segmentierung überwiegend als Ergänzung zum erfolgreichen Geschäft im
Massenmarkt gesehen wird, zeigt auch das folgende Zitat:
„Bei einer Segmentierung muss man wissen, ob man im breiten Geschäft aktiv
bleiben will oder nicht. Und wir sind ganz klar im breiten Geschäft, wir haben
1,5 Millionen Kunden im Massenmarkt. Wir segmentieren trotzdem, aber wir
geben den Rest dafür nicht auf.“437
A.1.2. Gestaltung der Segmentierung
A.1.2.1.
Konfiguration
Segmentierungslogik
Die Segmentierungslogik der Mobiliar ist relativ einfach. Sie unterscheidet im Wesentlichen zwischen dem allgemeinen Privatgeschäft und Jungen Leuten. Zu dem Segmente
436
Interview Mobiliar.
437
Interview Mobiliar.
-238-
Anhang
Junge Leute gehören alle Privatkunden bis zu einem Alter von 26 Jahren. Darüber hinaus
existieren Konzepte für die Segmente 55+ und Familien, die bislang aber noch nicht vollständig umgesetzt sind. Die weitere Untersuchung beschränkt sich daher auf das Segment
Junge Leute.
Differenzierung der Marktbearbeitung
Die Mobiliar ist sich ihrer außergewöhnlichen Positionierung im Massenmarkt sehr bewusst und möchte diese durch die Segmentierung nicht gefährden. Bei den Segmenten
werden daher bestehende Marktbereiche lediglich intensiver bearbeitet. So stellt eine
Führungskraft fest:
„Ich sage immer: Auch früher war ja jeder vierte Kunde bei uns ein Jugendlicher.
Das Segment ist insofern nicht neu, wir haben nur den Ansatz systematisiert.
Weil junge Leute andere Bedürfnisse haben, auf die man eben eingehen sollte.
Mancher glaubt, das wäre etwas ganz Neues, was wir da machen, ist es aber natürlich nicht.“438
Für das Segment wurde in den 90er Jahren eine eigene Marke „mobiJeunes“ entwickelt,
die ursprünglich mit einem eigenen Internetauftritt verbunden war und sich in der Wahrnehmung der Zielgruppe von der Mobiliar deutlich abheben sollte. Im Laufe der Zeit ist
dieser Differenzierungsgrad etwas verringert worden. Heute wird die Marke nicht mehr
separat beworben und ist in den allgemeinen Internetaufritt integriert worden. Die beiden
Marken der Mobiliar sind in Abbildung 105 dargestellt.
Abbildung 105: Marken der Mobiliar
438
Interview Mobiliar.
Anhang
-239-
Folgende Elemente spielen bei der Bearbeitung des Segments Junge Leute eine wichtige
Rolle:
· Vertriebsweg: Im Wesentlichen wird für Junge Leute der eigene Vertriebsweg der
Mobiliar – Generalagenturen – genutzt. Da die Agenturen in der Regel gut in ihrer
Gemeinde vernetzt sind, haben die Agenturen guten Zugang zu dieser Zielgruppe,
z.B. über Sportvereine. Oft ergibt sich der Kontakt auch über die Eltern, die ihren
Kindern bei Auszug den Kontakt zu ihrer Generalagentur weitergeben. Neben den
Generalagenturen gewinnt auch das Internet in der Zielgruppe an Bedeutung, allerdings in geringerem Ausmaß als bei Einführung des Segments vermutet. Motorfahrzeugversicherungen lassen sich heute über das Internet abschließen, wobei jeder Neuabschluss der nächstgelegenen Generalagentur gutgeschrieben wird, die
dann auch für die Schadenabwicklung und weitere Betreuung zuständig ist.
· Kommunikation: Wie bereits erläutert, hat die Bedeutung der eigenen Marke
mobiJeunes im Laufe der Zeit abgenommen, sodass sie heute eher im Sinne einer
Sortimentsmarke geführt wird. Auch andere Aspekte der Kommunikation nähern
sich wieder stärker an die Hauptmarke an. So werden Junge Leute nicht mehr konsequent geduzt, wie dies noch in den 90er Jahren als wichtiger Faktor bei der Ansprache identifiziert wurde. Wichtiger sind heute andere Werbemaßnahmen. Die
Mobiliar tritt beispielsweise als Sponsor im Unihockey auf und kombiniert damit
gesellschaftliches Engagement mit einer besseren Präsenz bei der Zielgruppe.
· Produkt: Für die Zielgruppe werden die Standardprodukte der Mobiliar leicht angepasst, damit sie spezifischen Bedürfnissen besser gerecht werden. Zu nennen
sind insbesondere ein geringerer Selbstbehalt, tiefe Mindestversicherungssummen
und Rabatte auf den Normalpreis. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Tarifierungsmerkmale, die innerhalb eines vorgegebenen Produktes leicht angepasst
werden können.
· Services: Neben dem eigentlichen Produkt hat die Mobiliar weitere Services integriert, die sich an die Zielgruppe wenden. Hierzu gehört die Erlebniskarte von „Euro<26“, einem gemeinnützigen Verein, der Jugendlichen Vergünstigungen in den
Bereichen Reise, Kultur und Freizeit bietet. Die Karte erhalten jugendliche Kunden
der Mobiliar kostenfrei. Karteninhaber haben zudem einen weltweiten PersonenAssistance-Schutz der Mobiliar, der sie im Falle eines Unfalls kostenfrei nach Hause bringt.
Es wird deutlich, dass die Mobiliar im Laufe der Jahre einen leicht differenzierten Marketing-Mix entwickelt hat, der sich speziell an die Zielgruppe wendet. Es wird aber auch
-240-
Anhang
deutlich, dass keine sehr grundsätzlichen Veränderungen vorgenommen, sondern vielmehr bestehende Instrumente adaptiert und angepasst wurden. Es sind auch in der näheren Zukunft keine wesentlichen Anpassungen geplant. Stattdessen konzentriert sich die
Mobiliar auf die Umsetzung der Konzepte für weitere Zielgruppen.
Grundzüge der Organisationsstruktur
Die aktuelle Führungsstruktur der Mobiliar ist in Abbildung 106 dargestellt. Die Mobiliar
unterscheidet auf erster Führungsebene unterhalb des CEOs – wie für Versicherungen
üblich – zwischen den Versicherungssparten Nicht-Leben (Versicherungen) und Leben
(Vorsorge). Im Bereich Markt Management sind Marketing und Vertrieb zusammengefasst. Die übrigen Verantwortungsbereiche betreffen die Sekundärfunktionen Finanzen,
Asset Management und IT.
Abbildung 106: Führungsstruktur der Mobiliar439
Abbildung 6 zeigt den Aufbau des Bereiches Markt Management mit den jeweiligen
Aufgabenbereichen. Der Bereich ist wichtig, weil hier die Verantwortung für die Segmentierung liegt. Neben der direkten Vertriebsführung (Markt West, Mitte und Ost,
DMG) und den Planungs- und Projektbereichen (Planung, Steuerung & Controlling, Prozesse & Projekte) sind im Bereich das Marketing sowie das Mehrkanal- & Kundenmanagement angesiedelt. Das Marketing ist entlang der Funktionen Werbung, Marktforschung, E-Services, Marketing Support und Sponsoring & Events aufgestellt und hat keine originäre Verantwortung für die Segmentierung.
439
Die Mobiliar 2009b, S. 38.
Anhang
-241-
Markt
Management
Markt West
Markt Mitte
Markt Ost &
Koordination
DMG
Mehrkanal &
Kundenmana
gement
Marketing
Planung,
Steuerung &
Controlling
Prozesse &
Projekte
Abbildung 107: Struktur des Bereiches Markt Management
Die Aufgaben des Bereichs Mehrkanal & Kundenmanagement sind in Abbildung 108
dargestellt.
Kundenkompetenz-z
entrum
Vertriebsunterstützung
Mehrkanal- und
PartnerManagement
CC Mobi 24
Kundenstrategie zur
Ausschöpfung und
Bindung der
Kundenbasis
Einzige Anlaufstelle zur
Unterstützung der
Kanäle und Zugänge
Mehrkanal- und
Zugangs-strategie um
zukünftiges Wachstum
sicherzustellen;
Sicherstellen Erreichbarkeit /
Leistungserbringung für
Mobilar und Dritte
Kundensegmentstrategien
entwickeln & umsetzen
• Segmentstrategie
• Zielgruppen
Weiterentwicklung oCRM
• Fachanforderungen VP
und andere kundenrelev.
Systeme
Weiterentwicklung aCRM
• Aufbau & Betrieb
DataMart
• Einbezug ext.
Datenquellen
• Weiterentwicklung Data
Mining Instrumente
Bereitstellung
Kundendatenanalysen
• Reporting Zielwerte
• Kunden-Ratings / Scoring
• Leads gewinnen,
bewerten, veredeln
• Zielgruppen-Selektionen
für Kampagnen
Kundenspezifische
Vorgaben für Leistungs- /
Produktstrategien
• PP/KMU/GSG/GK (L&NL)
Verkaufsunterstützung
Operative Bereitstellung
von
Verkaufsunterstützungsmaßnahmen/Kampagnen
mit den
Leistungserbringern
(Produktmanagement/
Marketing/u.w.)
Mehrkanalmanagement
• Weiterentwicklung
MKM- Strategie (Kanäle
& Zugänge)
• Controlling
• Geschäftsentwicklung
auf Ebene Kanal
• Kanalnutzung durch
Kunden steuern
Marktbearbeitungsplanung
• Aktionen, Initiativen für
alle Vertriebskanäle
• Management
Kompetenzteams
• MB-Workshop
Innovationsmanagement
für Kanäle und Zugänge
Onlineprodukte:
• Umsetzung/Masterplan
• Pilot Review NT2Web
• Kanalmanagement
Contact Center Funktionen
• Vertrieb, Vertragsführung
und Schaden
Assistance Leistungen
erbringen
Drittkundenportfolio
betreuen und ausbauen
• 24h-Erreichbarkeit &
Assistance
Kundendienst-Leistungen
erbringen
• zentraler Kundendienst
• Beschwerde-Mgmt.
Management MBPartnerschaften
• Euro<26, IFJ etc.
Partner/Vermittler:
•Management
Partner/VermittlerPortefeuille
Abbildung 108: Aufgaben des Bereichs Mehrkanal & Kundenmanagement440
Die Verantwortung für die Weiterentwicklung der Kundenstrategie/Segmentierung und
für das Kundenverständnis innerhalb der Segmente liegt in der Abteilung Kundenkompe-
440
Darstellung aus internen Unterlagen der Mobiliar übernommen.
-242-
Anhang
tenzzentrum. Hier wird auch der enge Bezug der Segmentierung zu den Customer
Relationship Ansätzen deutlich.
Auch in der Vertriebsunterstützung gibt es einen Verantwortlichen, der sich mit einem
Team um die Zielgruppen innerhalb des Privatkundengeschäfts kümmert. Er greift dazu
auf die Marketingfunktionen zu und richtet übergreifende Projekte ein, wenn die Produktsparten betroffen sind. In der Vertriebsunterstützung werden zudem die Generalagenturen unterstützt und koordiniert. Die Abteilung hat damit auch eine Verantwortung
für den „Betrieb“ der Segmentierung. So wird beispielsweise der Anteil im Segment Junge Leute in den Agenturen erhoben und in die regelmäßigen Diskussionen der Geschäftslage und Zielsetzungen einbezogen.
Die Bedeutung des Kundenkompetenzzentrums wird in dem folgenden Zitat deutlich:
„Wir haben keine Organisation junge Leute, wir arbeiten in den ursprünglichen
organisatorischen Strukturen. […] Die Aufgabe des Kundenkompetenzzentrums
ist es, mit allen Produktfabriken, Marketing und Vertrieb rund um die Privatpersonen eine einheitliche Meinung zu diesen Segmenten zu finden. Das ist dann eine Herkulesarbeit weil es eben diese Strukturen an sich nicht gibt.“441
Das Kundenkompetenzzentrum ist letztlich dafür verantwortlich, dass in den bestehenden, auf den Massenmarkt ausgerichteten Strukturen der Mobiliar ein gewisses Maß an
Segmentierung möglich ist. In einem Gespräch wurde das Kundenkompetenzzentrum
zusammen mit der Vertriebsunterstützung als „Anwalt der Segmente“ bezeichnet, dem
allerdings insbesondere in Form der Produktsparten mächtige Gegenspieler gegenüberstehen.
A.1.2.2.
Koordination
Steuerung der Segmentierung
Grundsätzlich wird die Mobiliar nach Produktsparten gesteuert. Die wesentlichen Ziele
sind damit Profitabilität und Umsatz der Bereiche Leben und Nicht-Leben. Die Steuerung
der Segmentierung erfolgt innerhalb des Handlungsspielraums, den die Produktsparten
geben.
Die Segmentierung ist damit nachgeordnet. Getrieben wird sie, wie aus der Organisationsstruktur bereits deutlich wurde, aus der Abteilung Kundenkompetenzzentrum. Bei der
Anpassung und Entwicklung neuer Segmente spielen bereichsübergreifende Projekte eine
441
Interview Mobiliar.
Anhang
-243-
große Rolle. Dazu werden Arbeitsgruppen gebildet, die um Spezialisten aus anderen Unternehmensbereichen ergänzt werden. Die Anpassung erfolgt dann durch diese Arbeitsgruppen in Projektform:
„Wir machen zunächst eine Studie und schauen, was alles vorhanden ist. Da sind
meist sehr viele Unterlagen und Informationen vorhanden, aber die sind verstreut.
Dann versucht man das Ganze zu bündeln und mit einer Marktsicht anzureichern.
Beispielweise: Wie sieht die Wissenschaft, wie das Segment funktioniert? Und auf
Grund von diesen Dingen schaut man dann wo wir uns positionieren wollen und
wo wir Schwerpunkte setzen wollen. Wichtig ist, dass es Dinge sind, die auch im
Außendienst ankommen, die im Verkaufsgespräch wirklich helfen.“442
Die Umsetzung der definierten Positionierung erfolgt durch die Produktsparten. Hier
ergibt sich ein fundamentaler Interessenskonflikt. Während die Produktsparten Umsatzund Profitabilitätsziele je Produktgruppe haben, basiert die Segmentierung auf einer
Kundenperspektive, d.h. sie ist produktübergreifend angelegt.
Einen klar definierten Prozess zur Anpassung der Segmentierung gibt es dazu nicht:
„Segmentierung ist kein standardisierter Prozess, sondern es ist ein Prozess, der
stark aus den täglichen Anforderungen heraus getrieben ist. Es reicht, dass in den
Arbeitsgruppen alle Bereiche vertreten sind. Da muss man zusammen zu Lösungen
kommen die dieses Segment unterstützen.“443
Controlling
Für die Segmentierung existiert kein eigenständiges Controlling:
„Die Steuerung des Hauses geht über die Produkte. Und Kundensegmente sind
Zusatzinformationen. Produkte sind wahrscheinlich besser abgrenzbar als Segmente, Segmente ändern sich. Aber abgesehen davon, das ist auch eine alte Diskussion. Ich glaube, die Steuerung wird bei den Produkten bleiben. Das ist stabil
und dann muss man halt quer Beet die Lösungen finden.“444
Bei Bedarf werden daher einzelne Abfragen im zentralen Controlling in Auftrag gegeben.
Diese sind nicht standardisiert. Überwiegend werden Vertriebskennzahlen wie verkaufte
Stückzahlen, Umsatz und Kundenstruktur erhoben. Eine Verrechnung von Kosten auf die
Segmentierung wird nicht vorgenommen.
442
Interview Mobiliar.
443
Interview Mobiliar.
444
Interview Mobiliar.
-244-
Anhang
Vertriebsmanagement
Der „Betrieb“ der Segmentierung erfolgt im Rahmen der Führung/Steuerung der Agenturen. Neben den allgemeinen Zielen, die jede Agentur hat (Umsatzziele je Produkt und
Schadenquote) wurde ein eigenes Ziel für das Segment Junge Leute eingeführt. Zudem
werden Produkte, die an junge Leute verkauft werden, relativ gut provisioniert. Es besteht damit ein Anreiz zur Erschließung der Zielgruppe. Vereinzelt werden auch Kampagnen eingesetzt, um die Segmentbearbeitung zu unterstützen. Im Rahmen dieser Kampagnen wird gezielt Werbung in segmentspezifischen Medien geschaltet. Vertrieblich
werden die Kampagnen über Maßnahmen zur Verkaufsförderung wie Wettbewerbe oder
Zusatzprovisionen unterstützt. Die gute Einbindung des Vertriebs gilt bei der Mobiliar als
einer der wesentlichen Gründe für den Erfolg im Segment Junge Leute.
A.1.2.3.
Variation
Entwicklung der Segmentierung
Abbildung 109 stellt die Entwicklung der Segmentierung in ihrem zeitlichen Verlauf dar.
Junge Familien
55+
Privatpersonen
Junge Leute
1990
2000
2010
Hauptsegmente
Untersegmente
Konzepte
Abbildung 109: Entwicklung der Segmentierung der Mobiliar
Die Mobiliar hat in den 90er Jahren aus dem Privatgeschäft heraus das Segment „Junge
Leute“ abgeleitet. Darüber hinaus bestehen zwei Konzepte zur Einführung weiterer Kundensegmente, namentlich „55+“ und „Junge Familien“, die aber bislang noch nicht vollständig umgesetzt wurden. Die Erschließung des Segments „Junge Leute“ erfolge über
Anhang
-245-
ein zentrales Projekt. Dabei wurden zunächst Informationen über die Kundengruppe erhoben. Das folgende Zitat beschreibt das Vorgehen:
„Für das Segment Junge Leute haben wir eine Studie gemacht. Eine dafür eingesetzte Arbeitsgruppe hat dazu erst mal das, was vorhanden war, zusammengetragen. Es sind schon sehr viele Unterlagen und Informationen vorhanden, aber die
sind im Unternehmen verstreut. Dann versucht man das Ganze zu bündeln und zu
schauen, für was die Kundegruppe steht. Das wird dann mit einer Marktsicht angereichert. Letztlich hat die Arbeitsgruppe dann eine Empfehlung gegeben, wie
wir uns positionieren sollten und wo wollen wir Schwerpunkte setzen sollten.445
Anpassungsprozess im Unternehmen
Die Mobiliar verfolgt eine auf Kontinuität ausgerichtete Geschäftspolitik. Dieser Philosophie folgend, und auch aufgrund der relativ geringen Bedeutung der Segmente im Vergleich zum Massengeschäft, wurden die Anpassungen im Unternehmen nur sehr behutsam durchgeführt.
„Ich denke, für den Erfolg einer Segmentierung braucht man die Kontinuität und
die kontinuierliche Weiterentwicklung. Es geht nicht, dass man jedes Jahr was
anderes macht. Es sind alles nur Menschen hier, die müssen sich auf die Dinge
einstellen und lernen, wie es funktioniert. Wenn man da ständig alles ändert,
führt das nur zu Verwirrung.“446
Die Verantwortung für die Segmentierung ist dabei überwiegend auf die Bereiche fokussiert, die keine Überschneidungen mit anderen Bereichen haben. Bei Überschneidungen
haben die Produktbereiche die Verantwortung behalten und das Segmentmanagement ist
zusätzlich hinzugefügt worden. Daraus ergeben sich zum Teil Doppelverantwortungen,
die sich aber im operativen Geschäft gut lösen lassen.
A.1.3. Beurteilung und Fazit
Die Mobiliar beurteilt die Segmentierung insgesamt als sehr positiv. Das wesentliche
Ziel, eine Verjüngung des Kundenbestandes, wurde erreicht. Derzeit wird die Umsetzung
der Konzepte für die Segmente Junge Familien und 55+ vorbereitet. Dabei wird aber die
grundsätzliche Ausrichtung auf den Massenmarkt nicht in Frage gestellt.
445
Interview Mobiliar.
446
Interview Mobiliar.
-246-
Anhang
Zwei wesentliche Herausforderungen sind mit der Segmentierung verbunden. Die erste
besteht darin, dass die Segmentierung in vielen Punkten der Steuerungslogik des Unternehmens widerspricht und daher immer wieder aufwändige Kompromisse gefunden werden müssen. Jeder Anpassung von Produkten gehen Verhandlungen voraus, bei denen
sich letztlich ungleiche Partner gegenüberstehen. Die zweite Herausforderung der Segmentierung besteht darin, die Maßnahmen für die Segmente immer wieder umzusetzen
und die Zielgruppen so konstant zu bearbeiten. Da es kaum Strukturen oder definierte
Prozesse gibt, werden die meisten Maßnahmen ad hoc aus dem Bereich Mehrkanal- und
Kundenmanagement heraus getrieben.
Der Ansatz hat allerdings den Vorteil, dass er sehr flexibel ist und im Vertrieb einen guten Ruf genießt. Er schränkt die vertriebliche Arbeit kaum ein und unterstützt sie da, wo
es sinnvoll ist. Der Ansatz ist insgesamt sehr pragmatisch, und es gelingt der Mobiliar
mit begrenztem Aufwand das Portfolio zu beeinflussen und einzelne Akzente in der
Marktbearbeitung/Vertriebsunterstützung zu setzen.
A.2.
Fallstudie 2: Allianz Suisse (Intensive Segmentierung)
A.2.1. Überblick über das Unternehmen
Allianz Suisse als Teil der internationalen Allianz Gruppe
Die Allianz Suisse ist die schweizerische Tochtergesellschaft der Allianz SE, einem der
heute weltweit größten Versicherungsunternehmen. Die Allianz wird im Jahr 1890 als
Transport- und Unfallversicherung in Berlin gegründet. Bereits in den Anfangsjahren
wächst die Allianz schnell im In- und Ausland. Insbesondere die zunehmende Bedeutung
der Kfz-Versicherung, und ab den 30er Jahren die Lebensversicherung, trägt zu der dynamischen Entwicklung bei.
Eine Zäsur in der Entwicklung ist der Zweite Weltkrieg. Zum Ende des Krieges ist die
Allianz bankrott, das Auslandsvermögen ist beschlagnahmt und die Geschäftsbeziehungen sind abgeschnitten. Nach der Kapitulation Deutschlands nimmt die Allianz ihre Geschäftstätigkeit aber schnell wieder auf. In den ersten Jahren profitiert die Allianz insbesondere vom Wirtschaftswunder und wird in Deutschland bald zur größten Versicherung.
In den 50er Jahren beginnt die Allianz ihr Auslandsgeschäft wieder aufzubauen und
ehemalige Tochtergesellschaften zurückzukaufen. In den 70er Jahren wird die Allianz zur
größten Versicherung Europas und später zu einer der größten Versicherungsgruppen der
Welt.
Anhang
-247-
Im Jahr 2001 tritt die Allianz mit dem Kauf der Dresdner Bank in das Bankgeschäft ein
und versucht sich als Allfinanzdienstleister am Markt zu positionieren. Allerdings zeigen
sich insbesondere im Investmentbereich erhebliche kulturelle Probleme. Als die Dresdner
Bank im Zuge der Finanzkrise erhebliche Verluste macht, trennt sich die Allianz schließlich von der Bank und konzentriert sich wieder auf die Geschäftsfelder Versicherung und
Asset Management.
Die Allianz steuert ihre Ländergesellschaften durch die Allianz SE Holding. Die strategische Stoßrichtung folgt dabei seit mehreren Jahren dem „3+1 Programm“. Zu dem Programm gehören vier Säulen:447
1
Nachhaltige Verbesserung der Profitabilität
2
Stärkung der Kapitalbasis und Krisenfestigkeit
3
Reduktion der Komplexität von Strukturen und Abläufen
+ Eins Stärkung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit
Innerhalb des Programms haben zwei Initiativen direkte Auswirkungen auf die Segmentierung der Allianz Suisse. Erstens ist die Allianz mit dem „Zielbetriebsmodell“ bestrebt,
eine einheitliche Grundstruktur für die Organisation der Ländergesellschaften zu schaffen. Dazu gehört die Bündelung der Produktsparten, der Vertriebswege und des Kundendienstes in jeweils einem Vorstandsressort sowie die Etablierung eines Ressorts „MarktManagement“ mit Verantwortung für die Kundensegmentierung. Eine segmentierte
Marktbearbeitung ist damit eine Voraussetzung dieses Betriebsmodells. Zweitens wird
mit der „Customer Focus Initiative“ das Ziel verfolgt, den Kunden in den Mittelpunkt der
Unternehmenstätigkeit zu stellen. Auch hier spielt eine differenzierte Kundenansprache
eine große Rolle.448
Marktposition und Struktur der Allianz Suisse
Die heutige Allianz Suisse ist aus der Fusion der drei Versicherungen Allianz (Schweiz),
ELVIA und Berner Versicherung hervorgegangen. Alle drei Unternehmen befanden sich
im Besitz der Allianz SE, wurden aber im Jahr 2001 zu einem neuen Unternehmen verschmolzen und unter einheitliche Leitung gestellt.
In der Schweiz gehört die Allianz Suisse, gemessen an den Bruttobeiträgen, zu den vier
größten Nicht-Leben-Versicherern (1,974 Mrd. Franken) und liegt auf Stelle sechs im
Bereich Leben (2,053 Mrd. Franken). Die Allianz wuchs zuletzt mit Raten von0,7% im
447
Vgl. Allianz Gruppe 2009, S. 30-33.
448
Vgl. Allianz Gruppe 2010, S. 55-57.
-248-
Anhang
Bereich Nicht-Leben und 6,9% im Bereich Leben und blickt auf ein in schwierigem Umfeld erfolgreiches Geschäftsjahr 2009 zurück.449
Als eigenständige Tochtergesellschaft sind die wesentlichen Organe der Allianz Suisse
der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung. Einziger Aktionär der Allianz Suisse ist die
Allianz SE, die ihren Einfluss über den Verwaltungsrat geltend macht. Abbildung 110
stellt die Rechtsstruktur und die wesentlichen Beteiligungen der Allianz Suisse dar.
Allianz SE
Allianz Suisse
Nicht-Leben
Leben
Sonstige Beteiligungen
Allianz Suisse
Versicherungsgesellschaft
Allianz Suisse
Lebensversicherungsgesellschaft
Allianz Suisse
Immobilien
Euro Garantie
CAP Rechtsschutz
Phenix
compagnie
d’assurances sur
la vie
Quality 1
Amaya Compania
de Seguros y
Reaseguros
Phenix
compagnie
d’assurances
Allianz Asset
Management
Alba Allgemeine
Versicherung
Allianz Suisse
Personal
Financial Services
Abbildung 110: Rechtsstruktur und wesentliche Beteiligungen der Allianz Suisse
Das Unternehmen ist in Hinblick auf Produkte und Vertriebswege breit aufgestellt. Alle
wesentlichen Produktlinien in den Bereichen Leben und Nicht-Leben werden bedient und
über Agenturen, Makler und Direktkanäle angeboten. Dabei erfolgt ein integriertes Kanalmanagement, sodass beispielsweise Direktkunden von Agenturen betreut werden können.
Die Wahrnehmung der Allianz durch die Kunden ist heute, fast 10 Jahre nach der Integration der drei Ursprungsgesellschaften, gut. Allerdings bleibt sie in der Bekanntheit nach
wie vor hinter den Marktführen zurück. Umfangreiche Investitionen in die Marke, Sponsoring und Werbekampagnen sollen hier den Abstand verringern.
449
Vgl. Allianz Suisse 2010, S. 5-7.
Anhang
-249-
Strategischer Kontext der Segmentierung
Der strategische Kontext der Segmentierung ist zum einen in den zentralen Vorgaben,
insbesondere im Rahmen des Zielbetriebsmodells, zu sehen. Zum anderen setzen diese
zentralen Vorgaben aber auch ein erhebliches Maß an lokaler Unterstützung voraus, sodass auch die konkrete Situation der Allianz Suisse eine wichtige Bedeutung bei der
Entwicklung der Segmentierung hat.
Die zentrale Vorgabe zur Segmentierung, die als Group Master Segmentation bezeichnet
wird, ist in enger Zusammenarbeit mit den Tochtergesellschaften in Europa entstanden.
Ausgangspunkt war die Umsetzung des Zielbetriebsmodells, das ein einheitliches Kundenverständnis voraussetzt. Dazu wurden Leitlinien entwickelt, die die Segmentierungsansätze der Ländergesellschaften harmonisieren und angleichen sollten. So stellt ein Manager aus der Konzernzentrale in München fest:
„Wir sagen jeder Gesellschaft, das bräuchten wir erst einmal als gemeinsames
Grundverständnis: Es sind nicht alle Kunden gleich, sondern sie lassen sich in
Segmente unterteilen.“450
Konkret bedeutet dies, dass in jeder Gesellschaft die Kunden grundsätzlich nach den Dimensionen „Needs“, „Potential“ und „Value“ aufgeteilt werden. Die Dimensionen „Potential“ und „Value“ werden dabei häufig zu einer Dimension zusammengefasst. In den
meisten Gesellschaften ergibt sich damit eine 4x4 Matrix mit 16 Einzelsegmenten.
Diese Leitlinien zur Segmentierung ermöglichen es den Ländergesellschaften, sich in
einer einheitlichen Sprache über die Segmentierung auszutauschen und gemeinsam die
erfolgreiche Anwendung des Konzeptes zu lernen.
Die Segmentierung wird nicht nur inhaltlich vorgegeben, es existieren auch Richtlinien
zur organisatorischen Verankerung, wie das folgende Zitat zeigt:
„Wir haben eine Guidance Order und bestimmte Eckpfeiler die wir mit Nachdruck vertreten. Wir sagen z.B.: ‚Ihr solltet nicht nur eine Segmentierung haben,
Ihr solltet auch Verantwortliche haben die darüber nachdenken welche Strategie
sie in den Segmenten fahren.‘ Auch sind wir jetzt gerade dabei das Geschäftsmodell zu harmonisieren und umzustellen. Da kommen gerade für den Bereich
Markt-Management gewisse Vorgaben. Aber die ganz feine Ausgestaltung wird
nicht vorgegeben, das machen immer noch die einzelnen Gesellschaften.“ 451
450
Interview Allianz.
451
Interview Allianz.
-250-
Anhang
Diese zentralen Vorgaben erfordern insofern lokale Unterstützung, um die Segmentierung mit Leben zu füllen.
Die Allianz Suisse verfolgt in der Schweiz das Ziel, zur „dritten Kraft“ zu werden und
damit zu den Marktführern AXA Winterthur und Zürich aufzuschließen. Angesichts der
starken Positionierung beider Gesellschaften im schweizerischen Markt und der relativ
jungen Geschichte der Allianz ist sie in der Schweiz klar in der Position eines Herausforderers. Segmentierung spielt dabei eine zentrale Rolle, und bereits vor der Einführung
des Zielbetriebsmodells existierte eine relativ ausgereifte Kundenaufteilung. Gezielt sollten damit Kunden in einzelnen, besonders attraktiven Marktbereichen erreicht und eine
höhere Kundenbindung ermöglicht werden.
Beide Treiber der Segmentierung, die Gruppeninitiativen und die lokalen Anstrengungen,
ergänzen sich gut. Die zentralen Vorgaben finden in der Schweiz fruchtbaren Boden, die
bestehende Segmentierung wurde damit professionalisiert und in ihrer Entwicklung beschleunigt.
A.2.2. Gestaltung der Segmentierung
A.2.2.1.
Konfiguration
Segmentierungslogik
Wie bereits aus dem strategischen Kontext deutlich wurde, ist die Segmentierung der Allianz Suisse heute ein wesentliches Merkmal der strategischen Ausrichtung mit umfassenden Auswirkungen auf Organisationsmodell, Geschäftsprozesse und Verantwortungsbereiche. Die Segmentierung wird als ein wichtiger Erfolgsfaktor für Profitabilität auf
einem saturierten Markt gesehen.
Die Allianz Suisse unterscheidet – entsprechend der Group Master Segmentation – entlang der Dimensionen „Needs“ und „Value/Potential“. Dabei wird „Needs“ als Wert für
den Kunden verstanden und durch die Lebensphase approximiert. „Value/Potential“ wird
als der Wert des Kunden verstanden und durch eine Kombination aus internen Kriterien
wie Produktwahl und Rentabilität der Kundenbeziehung und externen Kriterien wie Einkommen ermittelt.
Die /Value-/Potential-Dimension wird in die Kategorien Gold, Potenzial, Value und
Neutral unterteilt. Für die Needs-Dimension nutzt die Allianz Suisse die Kategorien Junge Leute, Singles/Paare, Familien und Senioren. Insgesamt unterteilt die Allianz Suisse
damit den Markt in 16 einzelne Segmente. Abbildung 111 stellt diese Segmentierung dar.
Anhang
-251-
Abbildung 111: Segmentierungsansatz der Allianz Suisse452
Es wird deutlich, dass die Segmentierung unterschiedliche Datenquellen kombiniert. Der
Kundenwert lässt sich aus den Bestandsdaten ermitteln und ist letztlich ein Durchschnittswert auf Basis ähnlicher Kunden. Die Bedürfnisse werden auf Basis interner Daten, aber auch unter Nutzung von externen Daten, z.B. aus Marktforschungen, konkretisiert.
Unterhalb dieser 16 Hauptsegmente wird die Segmentierung auch noch deutlich feiner
ausdifferenziert und Merkmale wie Kaufverhalten, Risikoneigung und andere Verhaltensparameter werden mit einbezogen.
Differenzierung der Marktbearbeitung
Für jedes Segment der Allianz Suisse werden eigenständige Value Propositions entwickelt, die die spezifischen Eigenschaften und Bedürfnisse des jeweiligen Kundensegments berücksichtigen. Eine Value Proposition fasst zusammen, worin der Wert für den
Kunden und der Wert für das Unternehmen bestehen und durch welche Produkte, Vertriebskanäle und Preissetzungen diese Werte generiert werden. Abbildung 112 stellt die
Ableitung einer Value Proposition für die Segmentkombination Junge Leute/Neutral dar.
Die Zielgruppe ist nicht leicht zu bedienen, weil sie geringe Zahlungsbereitschaften mit
relativ hohen Schadenquoten und geringen Cross-Selling-Quoten verbindet. Dafür hat sie
eine hohe Online-Affinität und wenig Bedürfnis nach Beratung, weshalb kostengünstige
452
El Hage 23.03.2009, S. 14.
-252-
Anhang
Online-Vertriebswege genutzt werden können und stark standardisierte Produkte angeboten werden.
Abbildung 112: Ableitung von Value Propositions je Kundensegment453
Analog werden auch für die übrigen Segmente Value Propositions entwickelt und umgesetzt.
Bei einem Vergleich der Value Propositions über die Segmente hinweg wird deutlich,
dass die Differenzierung der Leistung im Laufe der Kundenbeziehung zunimmt. Produkte, Marke und Vertriebskanäle unterscheiden sich deutlich weniger als die Maßnahmen,
die auf die Stärkung einer bestehenden Kundenbeziehung zielen. Hier hat die Allianz
Suisse ein umfangreiches Customer Relationship Management entwickelt, durch welches
es möglich wird, Kunden auf Basis der Segmentierung sehr differenziert zu betreuen. So
werden gezielt Maßnahmen zur Vertrauensbildung eingesetzt, individuelle Angebote zum
Up- oder Cross-Selling vorgeschlagen und aktiver Kündigungsschutz betrieben.
Customer Relationship Management und Segmentierung sind bei der Allianz eng miteinander verbundene Aktivitäten, die inhaltlich wie prozessual ineinandergreifen. Dabei
nutzt das Customer Relationship Management die Segmentierungslogik und verfeinert
diese auf der nächsten Ebene, um sehr fokussierte Maßnahmen für Bestandskunden umsetzen zu können. So werden Vertriebsmaßnahmen ebenso auf Basis des Relationship
Modells gefahren wie Produktanpassungen oder Marketingaktionen vorgenommen werden. Eine große Bedeutung kommt dabei dem integrierten Datenmodell der Allianz zu.
453
El Hage 23.03.2009, S. 16.
Anhang
-253-
Nach der Integration wurden die IT-Systeme der drei Ursprungsgesellschaften auf ein
einheitliches, weitgehend integriertes Datensystem umgestellt. Dies ermöglicht spartenund kundenübergreifende Auswertungen, auch unter Berücksichtigung der 16 Segmente.
Die Allianz Suisse hat das Ziel, weitere Serviceleistungen und Produktelemente in die
Leistung zu integriert. Besonders eindrucksvoll funktioniert dies bereits in der KfzVersicherung, für die ein integriertes Flottenmanagement entwickelt wurde. Kunden erhalten hier gegen Aufpreis ein Instrumentarium zur Steuerung und Kontrolle ihrer Flotte.
Dies beinhaltet z.B. eine detaillierte Sicht auf Fahrleistung und Standort einzelner Fahrzeuge und erleichtert damit die Verwaltung größerer Fuhrparks erheblich. Auch in anderen Bereichen werden derartig umfassende Lösungen angestrebt.
Organisationsstruktur
Die Segmentierung der Allianz Suisse steht in engem Zusammenhang mit der Umsetzung
des Zielbetriebsmodells. Durch dieses Organisationsmodell wird die Zuständigkeit für
die Segmentierung klar geregelt und im Unternehmen verankert.
Die meisten Versicherungen sind nach Produktsparten organisiert. Unterhalb der Geschäftsleitung gibt es eigene Ressorts für Leben-, Kranken- und Sachversicherungen. Jede Sparte hat dabei ein hohes Maß an Unabhängigkeit, auch wenn oft einzelne Funktionen wie Marketing oder Vertrieb zentralisiert sind. Bei der Allianz ist diese Struktur
durch das Zielbetriebsmodell abgelöst. Dieses Organisationsmodell unterscheidet zwischen zentralen Funktionen/Finanzen, den technischen Bereichen, Verkauf und Distribution, Operations und dem Markt-Management, wie aus Abbildung 113 deutlich wird.
CEO
Distribution
Produkte
Market
Management
Operations
Zentrale
Funktionen /
Finanzen
Abbildung 113: Führungsstruktur der Allianz Suisse
· Zu den zentralen Funktionen gehören das Personalwesen, Kommunikation, interne
Revision und Rechtswesen. Das Finanzressort umfasst das Aktuariat, Controlling,
Rechnungswesen und das Investment- und Risiko-Management.
-254-
Anhang
· Das Markt-Management soll die Kundenfokussierung der Organisation stärken.
Die wesentlichen Aufgaben des Ressorts sind die Erfassung der Kundenbedürfnisse, die Erarbeitung von Marktstrategien und die Koordination der Produktentwicklung. Auch Vertriebsunterstützung, Kundenbindungsmaßnahmen und Marktkommunikation werden im Markt-Management gebündelt.
· Das Ressort Distribution umfasst sämtliche Vertriebsaktivitäten. Dazu gehört insbesondere die Steuerung der Generalagenturen, Broker, Direkt/Affinity/Worksite
und Kooperationen.
· Das Ressort Produkte verantwortet übergreifend die Entwicklung und Profitabilität der Produktangebote und ist für das Underwriting und den Fachsupport in
komplexen Fällen zuständig.
· Das Ressort Operations ist zuständig für die Abwicklung der Geschäftsfälle:
Schaden, Vertragsverwaltung, Informatik und Betriebsorganisation. Auch das
Kundeservice-Center ist hier angesiedelt.
Den Übergang von alter zu neuer Führungsstruktur und wesentliche Merkmale des Target
Operating Model sind in Abbildung 114 dargestellt.
Abbildung 114: Veränderung im Organisationsmodell der Allianz Suisse454
Das Target Operating Model ist einerseits durch einen hohen Grad an Zentralisierung von
Funktionen – insbesondere in den Bereichen Produkt und Betrieb – gekennzeichnet. An454
El Hage 23.03.2009, S. 9.
Anhang
-255-
dererseits wird die große Bedeutung des Markt-Managements innerhalb des Modells
deutlich, da hier die Aktivitäten der Ressorts koordiniert und aufeinander abgestimmt
werden. Bedeutung und Einfluss des Bereichs Markt-Management zeigt auch das folgende Zitat:
„Produkt und Vertrieb sind ja im Kern immer Kontrahenten. Der eine wird nach
Profit gesteuert, der andere nach Umsatz. Was dem Einen hilft, schadet dem Anderen. Die eigentliche Macht des Markt-Managements kommt daher, dass es sich
für die eine oder andere Seite frei entscheiden kann. Damit lassen sich Dinge
durchsetzen, die dem alten Marketing, als Anhängsel im Vertrieb, nie möglich
gewesen wären.“ 455
Das Markt-Management hat die Gesamtverantwortung für die Segmentierung. Es kann
daher von einem hohen Zentralisierungsgrad der Segmentierung gesprochen werden, wie
auch das folgende Zitat zeigt:
„In der Regel ist es so, dass das Markt-Management im Lead ist. Wir haben
schon den Anspruch, die Fäden bei der Segmentierung in der Hand zu behalten.“456
Abbildung 115 stellt die Aufstellung des Ressorts Markt-Management dar.
MarktManagement
Strategisches
Marketing
• Kundenverständnis
• Positionierungsstrategien
Produktmarketing
• Entwicklung von
Produktvorschlägen
aus
Kundenverständnis
• Umsetzung der
Positionierungen auf
Basis der
Positionierungsstrate
gien
Abbildung 115: Aufstellung Markt-Management
455
Interview Allianz Suisse.
456
Interview Allianz Suisse.
Kundensegmentierung
Kommunikation
• Kampagnen
• Kundenbindungsprogramme
• Brand / Awareness
• Spezielle Produktkommunikation
-256-
Anhang
Im Strategischen Marketing werden das Kundenverständnis je Segment erhoben und
daraus Positionierungsstrategien abgeleitet. Im Bereich Produktmarketing werden auf
Basis der Kundeninformationen Produktvorschläge entwickelt und Maßnahmen zur
Umsetzung der Positionierungsstrategien generiert. Der Bereich Kundensegmentierung befasst sich mit der feineren Aufteilung bestehender Kunden anhand interner
Kriterien wie Stornowahrscheinlichkeit, Kaufverhalten oder Zufriedenheit. Hier ist
das Customer Relationship Management verankert, und Bindungsprogramme oder
spezifische Kampagnen werden hier entwickelt und gestartet. Der Bereich Kommunikation behandelt die übergreifenden Markenthemen.
Es wird deutlich, dass das Markt-Management nicht nur sehr einflussreich ist, sondern
auch umfassende Verantwortung für die Segmentierung in ihrer Gesamtheit hat. Von der
Identifikation der Kundenbedürfnisse, über die Produktentwicklung bis hin zur Kommunikationsstrategie befinden sich alle wichtigen Stellhebel der Segmentierung im Einflussbereich des Ressorts.
A.2.2.2.
Koordination
Steuerung
Wie aus der Struktur bereits zu erkennen war, liegt die Steuerungshoheit über die Segmentierung im Ressort Markt-Management. Hier werden alle wichtigen Themen, die die
Segmentierung betreffen, zentral entschieden. Andere Bereiche, wie Produkt oder Distribution, werden hinzugezogen, soweit dies notwendig ist. Ebenfalls wird aus der Struktur
deutlich, dass das Markt-Management die inhaltliche Verantwortung für die Segmentierung hat. Die Kundenbedürfnisse werden hier erhoben, interpretiert und in stimmige Strategien umgesetzt. Die einzelnen Bereiche des Markt-Management greifen hier ineinander
und ermöglichen einen hohen Grad an Konsistenz bei der Umsetzung der Segmentierung.
Die Segmentierung wurde auch umfassend in die Prozesse und Steuerungssysteme integriert. So startet der Planungsprozess mit einem Update der Kundenbedürfnisse und im
weiteren Verlauf werden notwendige Veränderungen und Anpassungen identifiziert und
umgesetzt. Damit ersetzt die segmentorientierte Sichtweise weitgehend die alte Produktorientierung im Planungsprozess. Auch der Produktentwicklungsprozess wurde so angepasst, dass das Markt-Management ein eindeutig geregeltes Vorschlagsrecht und damit
verbindlichen Einfluss auf den Prozess hat, wie das folgende Zitat deutlich macht:
„Wir planen auf den Segmenten und im Rahmen dieses Prozesses findet dann eine Anpassung statt. Der Prozess sieht so aus, dass es aus der Geschäftsleitung in
Anhang
-257-
München Vorgaben gibt, dann gibt es eine Potenzialanalyse aus dem MarktManagement, die dann mit Vertrieb und Produkt abgestimmt wird. Dann gibt es
einig Schleifen mit Controlling und anderen Abteilungen und dann gibt es einen
Fixed-Plan, der vom Konzern abgenommen wird. Daraus ergeben sich dann Implikationen für die Segmente. Wenn dann Produkt feststellt, dass wir nicht die
richtigen Produkte haben und Vertrieb sagt, wir habe nicht die richtigen Verkäufer, dann wissen wir dass wir da ein Potenzial haben, dass wir aber noch nicht
ausschöpfen.“ 457
Die Steuerung wird nicht aus dem Tagesgeschäft getrieben, sondern ist klar geregelt und
mit eigenständigen Verantwortungsbereichen versehen.
Controlling
Ein weiteres wichtiges Element in der Segmentierung ist das Controlling. Im MarktManagement existiert ein eigenes Segmentcontrolling, das auf Basis der vorhandenen
Daten standardisierte Auswertungen vornimmt. Auch Sonderauswertungen sind möglich.
Dabei werden vornehmlich Vertriebs- und Umsatzkennzahlen erhoben. Eine Schlüsselung von Kosten auf die Segmente findet nicht statt.
Vertriebsmanagement
Die Segmentierung der Allianz Suisse wirkt sich in erster Linie auf den Agenturvertrieb
und eingeschränkt auf den Direktvertrieb aus. Die Agenturen erhalten Ziele für die jeweiligen Segmente, wobei grundsätzlich jede Agentur jedes Segment bearbeitet:
„Der Vertrieb muss merken, dass es für ihn eine Auswirkung hat. Das heißt finanziell. Am Ende muss eine Verbesserung für den Vertrieb sein. Das bekommt
man hin, indem man eine höhere Provision macht, oder eine Sicherung des Geschäftes zeigt. Auch die Vertriebssteuerung haben wir angepasst, sodass es spezielle Ziele im Segment gibt.“ 458
Eine Spezialisierung im Vertrieb findet nur insofern statt, als der Direktvertrieb eher auf
junge Kunden ausgerichtet ist. Da die Kunden relativ häufig zwischen Segmenten wechseln (entlang der Lebensphase oder aufgrund von Wertänderungen), wäre eine stärkere
Spezialisierung auch kaum möglich.
457
Interview Allianz Suisse.
458
Interview Allianz Suisse.
-258-
Anhang
Die Vertriebsführung wurde für die Segmentierung nicht angepasst. Auch eigenständige
Spezialvertriebe sind weder vorhanden noch geplant. Damit sind die Auswirkungen auf
den Vertrieb insgesamt überschaubar, wie das folgende Zitat zeigt:
„Für den Außendienst hat sich per se nicht so viel verändert. Insgesamt wird der
Ansatz auch gut angenommen. Wir haben da einen sehr kooperativen Vertrieb.
Wir tragen ja die Vertriebsperspektive ins Unternehmen. Der Vertrieb haben ja
nie zwischen Leben und Sach unterschieden – dass wir über die Segmentierung
nun auch zu dieser Erkenntnis finden, freut den Vertrieb eher.“ 459
A.2.2.3.
Variation
Entwicklung
Abbildung 116 zeigt stark vereinfacht die Entwicklung der Segmentierung. Zunächst entstand ab 2004 eine Segmentierung, die zwischen fünf Segmenten unterschied. Im Zuge
der Professionalisierung durch die Customer Focus Initiative wurde wurden diese zu vier
Segmenten zusammengefasst und in jeweils vier Wertsegmente unterteilt. Nicht jedes
Segment wird heute schon differenziert bearbeitet, einige Segmente bestehen nur als
Konzept. In den nächsten Jahren sollen diese aber umgesetzt werden.
Junge Leute
Singles/ Paare
Privatpersonen
Familien
Gold
Potenzial
Value
Neutral
Gold
Potenzial
Value
Neutral
Gold
Potenzial
Value
Neutral
Etablierte
Senioren
2000
2005
Gold
Potenzial
Value
Neutral
2010
Abbildung 116: Entwicklung der Segmentierung der Allianz
Die Entwicklung der Segmentierung folgt klar einer zunehmenden Verfeinerung und
Verästelung. Bereits heute sind 16 Segmente fest installiert, bezieht man noch die sehr
459
Interview Allianz Suisse.
Anhang
-259-
viel feinere Segmentierungen der Bestandskunden im Rahmen des Customer
Relationship Management mit ein, ergibt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Segmente,
die grafisch kaum noch darstellbar ist, zumal hier laufend Änderungen der Segmentierungsvariablen vorgenommen werden. Gerade diese hohe Anzahl an Segmenten ermöglicht aber eine gezielte und treffsichere Bearbeitung einzelner Kundentypen.
Anpassungsprozess im Unternehmen
Insbesondere die aus der Allianz Gruppe kommenden Anforderungen haben zu umfassenden Anpassungen im Unternehmen geführt. Dabei wurden zahlreiche Ressorts neu
geschnitten, Verantwortungsbereiche neu zugeteilt und viele Bereiche stärker integriert.
Diese Anpassungen wurden durch einen längerfristigen Change-Prozess begleitet.
Zu erkennen ist dabei, dass sich die Aufgabenverteilung zwischen Produktbereichen,
Vertrieb und Markt-Management verändert hat. Viele Kompetenzen wurden aus den Produktbereichen an das Markt-Management abgegeben. Dieser Prozess erfordert ein Umdenken, da die Allianz Suisse wie die meisten Versicherungen früher ausschließlich nach
Produkten gesteuert wurde. Ein Manager beschreibt die damit verbundene Herausforderung:
„Das Change Management ist dabei sehr wichtig. Wir verändern ja die komplette
Organisation. Aber es gibt noch weitere Punkte. Zum einen ist die Management
Attention wichtig. Es muss jemanden geben, der voll hinter dem Projekt steht
und es auch in schwierigen Zeiten verteidigt. Zum anderen muss man die Kultur
berücksichtigen. Wir sind in einer Industrie, die in Produkten „denkt“. Es dauert,
da den Kunden ins Zentrum zu stellen.“460
Auch die Dominanz der Produktbereiche zu brechen, war eine der zentralen Herausforderungen im Anpassungsprozess. Dabei spielte die organisatorische Veränderung,
d.h. die Zusammenfassung aller Produktsparten in einem Ressort, eine große Rolle.
A.2.3. Beurteilung und Fazit
Die Allianz sieht sich in der Schweiz als ein Vorreiter in der Kundenorientierung und im
Professionalisierungsgrad ihrer Segmentierung. Die erfolgreiche Geschäftsentwicklung
der letzten Jahre führt sie nicht zuletzt auch auf die Segmentierung und die damit fokussierte Kundenbearbeitung zurück. Es gelingt der Allianz die Profitabilität zu steigern und
Kunden enger an das Unternehmen zu binden.
460
Interview Allianz Suisse.
-260-
Anhang
Die wesentliche Herausforderung der Allianz Suisse besteht darin, die hohe Anzahl unterschiedlicher Segmente zu steuern und Anforderungen an Produkte, Vertrieb und Operations zu definieren und umzusetzen. Ein hohes Maß an zentraler Steuerung und Umsetzungskapazität ist dabei notwendig.
Zusammenfassend zeigt sich, dass die Segmentierung der Allianz Suisse einen hohen
Professionalisierungsgrad hat und sehr konsequent und umfassend im Unternehmen integriert wurde. Die Anforderungen an den Erfolg der Segmentierung sind aber auch entsprechend hoch. So rechnen sich die Umbauten im Konzern nur, wenn die Segmentierung zu erheblichen Vorteilen im Geschäft führt.
A.3.
Fallstudie 3: Nationale Suisse (Partikulare Segmentierung)
A.3.1. Überblick über das Unternehmen
Nationale Suisse als international tätige Versicherungsgruppe
Die Nationale Suisse ist eine international tätige Versicherungsgruppe, die neben dem
Kernmarkt Schweiz in Deutschland, Italien, Spanien, Belgien und Lichtenstein tätig ist.
Über eine Niederlassung in Malaysia werden zudem Sonderrisiken im Bereich Engineering gezeichnet. 2009 erwirtschaftet die Nationale Suisse Prämieneinnahmen in Höhe von
1,699 Mrd. Schweizer Franken, davon fast 70% in der Schweiz. 1.992 Mitarbeiter waren
bei der Nationale Suisse im gleichen Jahr angestellt.
Die Geschichte der Nationale Suisse beginnt mit der Liquidation der in den 1870er Jahren in Schieflage geratenen Schweizerischen Lloyd Transport-VersicherungsGesellschaft und der Gründung der Nachfolgegesellschaft Neue Schweizerische Lloyd.
Die Neue Schweizerische Lloyd wächst schnell und erschließt ab 1898 unter dem neuen
Namen Schweizerische National-Versicherungs-Gesellschaft und mit neuem Sitz in Basel auch weitere Sachsparten. Das notwendige Kapital für die Expansion kommt wesentlich durch einen neuen Hauptaktionär, die Münchner Rück.
Die beiden Weltkriege sind für das Unternehmen eine schwierige Zeit, nicht zuletzt aufgrund des deutschen Hauptaktionärs. Es erholt sich aber in der Nachkriegszeit und beginnt ab 1963 das internationale Geschäft wieder zu intensivieren. 1987 wird die Unternehmenstätigkeit um den Bereich Leben erweitert. Im Jahr 2001 kauft die Schweizerische National-Versicherungs-Gesellschaft die Coop Lebensversicherung und die Coop
Allgemeine Versicherungen, letztere tritt heute unter der Marke smile.direct im Markt
auf. Seit 2005 wird die Gesellschaft strategisch neu ausgerichtet und tritt seit 2006 unter
der Marke Nationale Suisse auf.
Anhang
-261-
Die Strategie der Nationale Suisse betont die folgenden Elemente:
· Starke Heimmarktposition als Basis für die Entwicklung Erfolg versprechender
Geschäftsfelder
· Differenzierung durch klare Zielgruppenfokussierung, hohe Kompetenz, kurze
Time to Market und hohe Umsetzungsqualität
· Ausbau unverwechselbarer und ertragsstarker Specialty Lines
· Langfristige Optimierung von Rentabilität, Wachstum und Innovation
· Erhalten der Flexibilität bezüglich Organisation und Kapital sowie kontinuierliche
Stärkung der Eigenkapitalbasis
Besondere Bedeutung für die Nationale Suisse hat seit jeher die Kunst. Nicht zuletzt der
Claim des Unternehmens: „Die Kunst des Versicherns“ bringt dies zum Ausdruck. Mit
Artas® bietet die Nationale Suisse spezialisierte Versicherungslösungen für den Kunstmarkt an. Das Unternehmen ist aber nicht nur Kunstversicherer, sondern auch Kunstsammler und Kunstförderer. Die Kunstsammlung der Nationale Suisse, eine Sammlung
zeitgenössischer Schweizer Kunst mit über 1500 Werken, gehört zu den bedeutendsten
ihrer Art, und mit dem Kunstpreis der Nationale Suisse werden Nachwuchstalente entdeckt und gefördert.
Marktposition und Unternehmensstruktur der Nationale Suisse in der Schweiz
Die Schweiz ist der Stammmarkt der Nationale Suisse. Mit 696 Mio. Schweizer Franken
in Nicht-Leben und 679 Mio. Schweizer Franken in Leben gehört sie zu den kleineren
Versicherungen in der Schweiz. Insgesamt konnte die Nationale Suisse im Jahr 2009
leicht wachsen, wobei das Wachstum im Wesentlichen in sogenannten Specialty Lines
erzielt wurde. Diese sind fokussierte Angebote, für einzelne Marktbereiche oder Kundensegmente.
Abbildung 117 stellt als vereinfachte Darstellung die Rechtsstruktur und die konsolidierten Beteiligungen der Nationale Suisse dar.
-262-
Anhang
Schweizerische
National-VersicherungsGesellschaft AG, Basel
Schweiz
Sonstige Beteiligungen
International
Europäische
Resieversicherungs
AG, Basel
Schweizer-National
VersicherungsGesellschaft, Frankfurt
a.M., Deutschland
Nationale Suisse
Assurances S.A.,
Bruxelles, Belgien
Schweizerische
National Leben AG,
Bottmingen
Nationale Suisse
Compagnia Italiana di
Assicurazioni S.p.A.,
San Donato Milanese,
Italien
Compagnie Européene
d’Assurance des
Marchandieses et des
Bagages S.A.,
Bruxelles, Belgien
Nationale Suisse Vita
Compagnia Italiana di
Assicurazioni S.p.A.,
San Donato Milanese,
Italien
National Suiza
Compañia de Seguros y
Reaseguros S.A.,
Barcelona, Spanien
City Prime Locations
AG, Basel
National Immobilien
AG, Basel
SAS Saint Cloud, Paris,
Frankreich
Energy and
Infrastructure
Investments S.C.A,
SICAR, Luxemburg
Schweizerische
NationalVersicherungsGesellschaft AG,
Vaduz, Liechtenstein
Abbildung 117: Rechtsstruktur und konsolidierte Beteiligungen der Nationale Suisse
Strategischer Kontext der Segmentierung
Die Herausforderung der Nationale Suisse besteht darin, sich als kleinerer Versicherer gegen den Wettbewerb durchzusetzen. Dies gelang als Massenmarktanbieter zunehmend weniger. Im Jahr 2005 wurde daher eine Initiative gestartet, durch welche
das Unternehmen klarer fokussiert werden sollte. Ein Manager beschreibt das Ziel
wie folgt:
„Wie haben bis 2005 den Markt mehr oder weniger undifferenziert bearbeitet. In
der Schweiz haben wir eigentlich alles angeboten. Damit konnten wir nicht dauerhaft überleben. Was wir aber seitdem machen, ist – nicht zuletzt aus Wettbewerbsdruck – eine zunehmende Segmentierung.“461
Die Segmentierung hat dabei zwei Stoßrichtungen. Zum einen soll das klassische Standardgeschäft ausgebaut und weiterentwickelt werden. Dies Geschäft ist im Wesentlichen
mit dem Massenmarkt gleichzusetzen. Parallel dazu werden stark fokussierte und zum
Teil auf Kundensegmente spezialisierte Specialty Lines ausgebaut.
461
Interview Nationale Suisse.
Anhang
-263-
Während der Massenmarkt in den meisten internationalen Märkten keine große Rolle
spielt, ergibt sich eine besondere Situation in der Schweiz: Einerseits hat der Massenmarkt hier eine große Bedeutung und andererseits erschließt sie wie in den internationalen Märkten auch die Specialty Lines außerhalb des Massenmarktes. Ein Manager stellt
fest:
„Wir haben heute das Standardgeschäft in der Schweiz, das wir auch nicht aufgeben wollen. Was wir aber können, ist, das Portfolio langsam aber sicher in die
richtige Richtung zu schieben. Dabei spielen die Specialty Lines natürlich eine
große Rolle.“462
Diese Kombination aus Massenmarkt und einzelnen Segmenten soll im Folgenden näher
untersucht werden.
A.3.2. Gestaltung der Segmentierung
A.3.2.1.
Konfiguration
Segmentierungslogik
Abbildung 118 zeigt die internationale Segmentierung der Nationale Suisse. Unterschieden wird zwischen den Massenmärkten Retail und kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowie den Specialty Lines Engineering, Marine, High Net Worth
Individuals (/HNWI/Art), Travel, Credit Life und Direct. Engineering zeichnet individuelle Risiken bei großen Infrastrukturprojekten, Marine bietet alle Arten von Transportversicherungen, insbesondere für Frachtführer und Speditionen, an. /HNWI/Art konzentriert
sich auf vermögende Kunden und nutzt dabei den Kunstschwerpunkt der Nationale Suisse. Travel bündelt die Aktivitäten der Europäischen Reiseversicherung, Credit Life sichert Zahlungsverpflichtungen aus Konsum- und Hypothekendarlehen ab und unter Direct läuft der schweizerische Internetversicherer smile.direct.
462
Interview Nationale Suisse.
-264-
Anhang
Abbildung 118: Internationale Segmentierung der Nationales Suisse
Die Specialty Lines sind nicht unmittelbar mit Kundensegmenten gleichzusetzen. Travel,
Credit Life, Marine und Engineering sind eher spezialisierte Produktanbieter, Direct ist
im Grunde ein Internetversicherer. Die Fallstudie konzentriert sich daher auf das Privatkundensegment /HNWI/Art.
Differenzierung der Marktbearbeitung
Das Segment /HNWI/Art konzentriert sich auf vermögende Privatkunden. Den Ansatz
beschreibt ein Manager wie folgt:
„Das Ziel bei /HNWI/Art ist es, mit einer breiten Versicherungspalette auf eine
sehr spezielle Kundengruppe zu zielen. Kunst ist dabei der Aufhänger, um in das
Segment erst einmal hineinzukommen. Letztlich versuchen wir mit Cross-Selling
auch weitere Produkte zu verkaufen.“463
Das Kundenbedürfnis in diesem Segment ist durchaus speziell. Wichtige Werte sind Diskretion, erstklassige Reputation und Beständigkeit. Die Differenzierung der Marktbearbeitung soll anhand der Elemente Vertriebsweg, Kommunikation, Produkt und Services
dargestellt werden:
463
Interview Nationale Suisse.
Anhang
-265-
· Vertriebsweg: Die Nationale Suisse nutzt grundsätzlich die allgemeinen Agenturen, wobei hier eine Spezialisierung stattfindet, weil nicht alle Agenturen Zugang
zur Zielgruppe haben. Einige Agenturen haben dagegen einen engen Kontakt in die
Zielgruppe und nutzen die damit verbundenen Verkaufsmöglichkeiten. Auch spezialisierte Makler werden genutzt.
· Kommunikation: Klassische Werbung ist in der Kundengruppe nach Erfahrung der
Nationale Suisse kaum hilfreich. Stattdessen setzt das Unternehmen auf Weiterempfehlung und exklusive Veranstaltungen. Wichtige Elemente der Kommunikation sind der Kunstpreis, mit dem junge Künstler gefördert werden, die eigene
Kunstsammlung und spezielle Events wie Vernissagen, Kunstausstellungen oder
Oldtimer-Rundfahrten. Die Kommunikation ist damit stark fokussiert und an die
Besonderheiten der Zielgruppe angepasst.
· Produkt: In dem Segment werden sowohl typische Versicherungsprodukte wie Gebäude- und Hausratversicherungen als auch Produkte für Oldtimer, hochwertige
Fahrzeuge oder Boote angeboten. Auch Artas, die Kunstversicherung der Nationale
Suisse, spielt eine besondere Rolle als Einstiegsmöglichkeit in das Segment. Mit
Artas wird eine Allgefahrendeckung geboten, die sowohl bei Kunstwerken als auch
bei kostbarem Hausrat greift.
· Services: Umfassende Services für die Zielgruppe werden derzeit nicht angeboten.
Insgesamt ist damit von einem leicht differenzierten Marketing-Mix zu sprechen, der sich
vornehmlich auf Produkt und Kommunikation bezieht.
Organisationsmodell
Die Führungsstruktur der Nationale Suisse ist in Abbildung 119 dargestellt. Unter dem
CEO sind zehn Geschäftsbereiche angesiedelt. Im CEO Office sind wichtige Unterstützungsfunktionen wie Kommunikation, Investor Relations und Group Marketing aufgehängt. Die Zentralfunktionen sind in Corporate Services und Risk Management, HR Management, Finanzen und Investment aufgeteilt. Das schweizerische Geschäft wird in den
Geschäftsbereichen Leben Schweiz, Kundenservice und Nichtleben Schweiz sowie Multi-Kanal Vertrieb Schweiz verantwortet. Im Bereich Specialty Lines und Foreign Countries werden die ausländischen Tochtergesellschaften geführt. Des Weiteren sind die
Specialty Lines hier aufgehängt.
-266-
Anhang
CEO
CEO Office
HR
Managament
Operations
Corporate
Services / Risk
Management
Specialty Lines
& Foreign
Countries
Multi-Kanal
Vertrieb
Schweiz
Finanzen
Investment
Kundenservice
& Nichtleben
Schweiz
Leben Schweiz
Abbildung 119: Führungsstruktur der Nationale Suisse
Die Verantwortung für das Segment /HNWI/Art ist in mehreren Teilbereichen verankert. Von besonderer Bedeutung ist das Competence Center /HNWI/Art, welches im
Bereich Specialty Lines angesiedelt ist. Ein Manager beschreibt die Aufgabe dieses
Competence Centers wie folgt:
„Im Competence Center sind im Moment drei Mitarbeiter. Es ist aber denkbar,
dass die Abteilung in Zukunft durchaus noch wächst, je nachdem, wie sich das
Geschäft entwickelt. Die Aufgabe der Abteilung lässt sich als Mischung aus Business Development, Marketing und Underwriting beschreiben.“464
Das Competence Center greift bei allen wichtigen Tätigkeiten auf zentrale Funktionen zurück:
„Wir haben noch keine echt durchgehende Wertschöpfungskette für das Segment. Es ist also überwiegend keine eigene Infrastruktur zur Bearbeitung der
Zielgruppe vorhanden. Stattdessen wird auf bestehende Funktionen in der Produktentwicklung oder im Marketing zurückgegriffen.“465
Vereinzelt gibt es Ansprechpartner in den Zentralbereichen, die sich auf das Segment
fokussieren:
„In der Technik ist beispielsweise eine Mitarbeiterin für das Thema Kunst verantwortlich. Sie ist in der normalen Produktentwicklung aufgehängt und küm-
464
Interview Nationale Suisse.
465
Interview Nationale Suisse.
Anhang
-267-
mert sich im Grunde genau um dieses Produkt. Das gibt es aber nicht in allen
Funktionen.“466
Neben dem Competence Center gibt es auch im Vertrieb eine Stabsstelle für die
Specialty Lines. Hier erfolgt die Vertriebsunterstützung für das Segment.
A.3.2.2.
Koordination
Steuerung der Segmentierung
Wie bereits im Organisationsmodell deutlich wurde, wird die Nationale Suisse in
erster Linie nach Produktsparten Leben und Nichtleben gesteuert. Erst auf zweiter
Ebene befinden sich die Specialty Lines und damit auch /HNWI/Art.
Bei der Steuerung der Segmentierung kommt dem Center of Competence /HNWI/Art
eine besondere Bedeutung zu. Das Center hat die Aufgabe, alle Belange der Zielgruppe zu verstehen und die notwendigen Maßnahmen im Unternehmen anzustoßen.
Es hat das Kundenwissen und damit die inhaltliche Verantwortung für das Segment.
Die Hauptverantwortung für das Segment liegt dabei nicht im zentralen Marketing,
sondern in den Competence Centern:
„Unterhalb des CEO gibt es ein CEO-Office, wo auch das Group Marketing aufgehängt ist. Die Abteilung kümmert sich aber eigentlich nicht um das Segment.
Letztlich läuft das Marketing Budget zwar über Group Marketing, aber inhaltlicher Ideengeber für das Segment ist das Center of Competence.“467
Gerade das Zusammenspiel aus dem Group Marketing und dem Center of Competence ist nicht immer einfach, da sich zum Teil Aufgabengebiete überschneiden. Hinzu kommt, dass das Center of Competence eine hohe Eigendynamik hat und damit
für das Marketing nicht leicht zu steuern ist. Eine weitere Herausforderung liegt darin, dass durch die fehlende Infrastruktur für das Segment relativ viele Bereiche im
Unternehmen einbezogen werden müssen, wenn Entscheidungen getroffen werden
sollen. Dies ist aufwändig und kostet Zeit und Ressourcen.
466
Interview Nationale Suisse.
467
Interview Nationale Suisse.
-268-
Anhang
Controlling
Die Center of Competence verfügen über eigenes Know-How und einige wenige Ressourcen für das Controlling der Specialty Lines. Für die Führung und Steuerung des Geschäftes wichtiger ist jedoch das Controlling der Business Units, welches wiederum eng
mit dem Gruppen Controlling zusammenarbeitet. Ein differenzierteres Controlling der
Specialty Lines über eine detaillierte Deckungsbeitragsrechnung ist geplant, derzeit aber
noch nicht umgesetzt. Zur Zeit werden die Specialty Lines hauptsächlich über das Volumen gesteuert, später wird die Deckungsbeitragsrechnung zu einer detaillierten Profitabilitäts- und operativen Steuerung auf allen Ebenen führen.
Vertriebsmanagement
Im Vertrieb gibt es zwei Stabsfunktionen, von denen eine für die Unterstützung der
Specialty Lines zuständig ist. Darüber wird versucht den Vertrieb von den Specialty
Lines zu unterstützen. Die Aufgabe beschreibt ein Manager wie folgt:
„Die Stabstellen im Vertrieb sind im Grunde das Scharnier zwischen den Vertriebsführungskräften und den Center of Comptences.“468
Nicht jede Agentur ist im Segment /HNWI/Art aktiv:
„Die Erfolgsfaktoren unterscheiden sich in dem Segmenten natürlich stark vom
normalen Markt. Vertrauen ist wichtig, Diskretion. Das läuft zum einen stark
über Makler, zum anderen gibt es aber einige Agenten, die sich in diesem Segment sehr gut zurechtfinden. Aber das sind natürlich nicht alle. Ein wichtiger
Punkt ist dabei, die Agenten herauszufinden, die das gut können und die dann zu
fördern. Es gibt aber bisher nur Zielgruppenmanager, keine eigenen Vertriebe für
Kunst.“469
Durch Analyse der Bestände wird versucht, Agenturen zu identifizieren, die besonders
aktiv in dem Segment sind. Diese werden dann z.B. zu Events eingeladen oder bei der
Organisation eigener Veranstaltungen unterstützt. Zudem werden Segmentkampagnen
bei diesen Agenturen genutzt, um die Bearbeitung im Segment zu fördern.
Um im Vertrieb die notwendige Expertise für die Produkte zu schaffen, werden Spezialisten eingebunden. Dabei besteht eine wesentliche Herausforderung darin, den Vertrieb
zu unterstützen ohne dass er Gefahr läuft, die Kundenverbindung zu verlieren. Kunst468
Interview Nationale Suisse.
469
Interview Nationale Suisse.
Anhang
-269-
sachverständige werden z.B. eingebunden oder spezielle Underwriter mit Fachwissen in
der Kunstversicherung hinzugezogen, um dem Kunden ein individuelles Versicherungspaket zusammenstellen zu können.
A.3.2.3.
Variation
Entwicklung
Die Wurzeln des Segments /HNWI/Art reichen bei der Nationale Suisse lange zurück. Seit jeher hatten einige Agenten enge Kontakte zu vermögenden Kunden. Die
Entwicklung wird wie folgt beschrieben:
„Nationale Suisse hatte natürlich eine lange Kunst-Vergangenheit und damit
auch persönliche Beziehungen in den Kunstbereich hinein. Es gab damit viele
Kontakte, auch einige Agenten hatten dort Erfahrung. Das Segment ist aus der
Historie erwachsen, wobei wir es schon stark forciert haben. Wir sehen allerdings
noch viel Entwicklungsbedarf und es gibt sicher noch mehr Marktzugänge, die
man entwickeln kann.“470
Mit der Zeit hat sich das Segment immer weiter herausgebildet und wurde mit der
Neuausrichtung 2005 professionalisiert. Auch dies beschreibt ein Manager:
„Im Grunde sind das keine unglaublich genialen Ideen, die hinter unserem Ansatz stecken. Es ist eigentliche nur eine logische Weiterentwicklung von bestehenden Ansätzen, die wir etwas systematisiert haben. Im Grunde haben wir versucht, etwas, das schon da war, wachsen zu lassen.“471
Abbildung 120 stellt die Entwicklung des Segments /HNWI/Art schematisch dar.
470
Interview Nationale Suisse.
471
Interview Nationale Suisse.
-270-
Anhang
Privatpersonen
Kunst
HNWI / Art
2005
2010
Abbildung 120: Entwicklung der Segmentierung bei der Nationale Suisse
Anpassungsprozess im Unternehmen
Mit der Neuausrichtung 2005 wurden einige Veränderungen in der Struktur vorgenommen. Für /HNWI/Art war dabei die Einrichtung des Center of Competence die wesentlichste Veränderung. Seitdem erfolgt die Anpassung des Unternehmens an die Segmentierung sukzessive. Das Segment /HNWI/Art befindet sich noch im Aufbau und ist dabei,
seinen Verantwortungsbereich zu definieren und auszubauen. Dazu wird notwendiges
Fachwissen in das Center of Competence aufgenommen.
A.3.3. Beurteilung und Fazit
Insgesamt zeigt sich, dass die Nationale Suisse mit ihrer Segmentierung in der Lage ist,
das bestehende Know-How über das Segment /HNWI/Art zu bündeln und so auszunutzen, dass das Segment in den letzten Jahren deutlich wachsen konnte. Auch wenn noch
viel Weiterentwicklungspotenzial gesehen wird, hat sich in den letzten Jahren ein interessanter Ansatz zur Bearbeitung der Zielgruppe entwickelt.
Die wesentliche Herausforderung besteht darin, das Segment weiter auszubauen und die
Interessen des Segments gegen die des Standardgeschäftes durchzusetzen. Dies betrifft
beispielsweise die Budgetverteilung, aber auch die Kapazitäten zur Produktentwicklung
oder im Vertrieb. Zudem stellt die dezentrale Verantwortung für das Segment, das sich
zum Teil auch mit anderen Verantwortungsbereichen im Unternehmen überschneidet,
eine Herausforderung dar.
Anhang
A.4.
-271-
Fallstudie 4: AXA Konzern AG (Extensive Segmentierung)
A.4.1. Überblick über das Unternehmen
AXA Konzern AG als deutsche Tochter der AXA S.A.
AXA Konzern AG472 ist die deutsche Tochtergesellschaft der in Frankreich niedergelassenen AXA S.A.473, einem der größten Versicherungs- und Vermögensmanagementunternehmen der Welt. AXA S.A. ist in 56 Ländern tätig und erwirtschaftet mit rund 216.000
Mitarbeitern und Vermittlern einen Umsatz von 90 Mrd. Euro. AXA Investment Managers verwaltet ein Vermögen von 1.014 Mrd. Euro.
Ursprung des heutigen Unternehmens ist die Ancienne Mutuelle de Rouen. Im Zuge zahlreicher Akquisitionen und Zusammenschlüsse wurde aus dem ehemals kleinen Provinzversicherer – 1958 noch an Stelle 24 der größten Versicherer in Frankreich – eine internationale Versicherungsgruppe. Die wichtigsten Übernahmen waren 1982 die Übernahme der Drouot-Gruppe, in deren Folge der Name AXA eingeführt wurde, 1995 der Kauf
der Union des Assurances de Paris (UAP), durch die AXA S.A. zum größten Versicherer
in Frankreich wurde und viele internationale Gesellschaften der UAP – darunter die Colonia – mit übernahm, sowie 2006 der Kauf der Winterthur Gruppe, durch den AXA zu
einem der weltweit größten Versicherungsunternehmen wurde.474
Die AXA S.A. konzentriert sich auf die finanzielle Absicherung von Privat- und Geschäftskunden. Ein wesentliches Merkmal der Strategie der AXA S.A. ist, neben der hohen Bedeutung von Akquisitionen und dem damit verbundenem externen Wachstum, die
Ein-Markenpolitik. Die Marke AXA wurde im Jahr 1985 als Kunstmarke entwickelt und
wird grundsätzlich in allen Ländern, in denen AXA aktiv ist, genutzt. Damit unterscheidet sich die AXA S.A. von einigen anderen internationalen Versicherungsgruppen, die
auf den lokalen Märkten die ursprünglichen Markennamen der zugekauften Unternehmen
weiter verwenden. Die Ein-Markenpolitik der AXA ist einerseits mit hohen Investitionen
verbunden, um die Marke auf neuen Märkten bekannt zu machen. Andererseits ergeben
sich aber auch Synergien, da Markenkampagnen global entwickelt und ausgerollt werden
können.
Die Ländergesellschaften der AXA S.A. werden durch GIE AXA, dem globalen Hauptsitz mit etwa 500 Angestellten, gesteuert. Wichtigstes Steuerungsinstrument sind Finanz472
Im Folgenden auch AXA.
473
Im Folgenden auch AXA Gruppe.
474
Vgl. AXA Konzern AG 2010, S. 52-54.
-272-
Anhang
kennzahlen, die regelmäßig aus den Ländern an die Gruppe berichtet werden. Operativ
haben die Ländergesellschaften relativ große Freiheiten.
Geschichte und Marktposition der AXA Deutschland
Die Geschichte der AXA ist stark durch die internationalen Merger der Gruppe geprägt.
Die heutige AXA geht aus der Colonia Versicherung hervor, die im Zuge der Übernahme
der UAP in den Einflussbereich der AXA Gruppe gelangte. Im Jahr 1997 wurde die Colonia zunächst in AXA Colonia AG und später in AXA Konzern AG umbenannt. In den
folgenden Jahren erhielt die AXA durch internationale Übernahmen Zugriff auf weitere
Unternehmen: Als AXA S.A. die britische Guardian Royal Exchange kaufte, ging deren
deutsches Tochterunternehmen Albiniga in den Besitz der AXA über. 2006 wurde im
Rahmen der Übernahme der Schweizer Winterthur Versicherung deren deutsche Gesellschaft DBV-Winterthur in das Unternehmen integriert. Nach diesen Übernahmen ist
AXA heute mit 10,3 Mrd. Euro Bruttobeitragseinnahmen auf Rang vier der größten Erstversicherungen in Deutschland. Das entspricht einem Marktanteil von gut 6%.
Im Jahr 2009 ist die AXA mit 4,5% über Marktschnitt gewachsen. Die wichtigsten Beitragszuwächse erzielte die AXA im Bereich Vorsorge mit 9,1% Wachstum. In der Krankenversicherung gewann die AXA 5,0% an Beitragseinnahmen. Nur im Bereich Schaden- und Unfallversicherung verringerte sich das Beitragsniveau um 1,1%. Das Konzernergebnis belief sich 2009 auf 142 Mio. €. 475
Insgesamt ist der Bereich Vorsorge mit 44 % der Gesamtbeiträge (4.535 Mio. €) das
größte Geschäftsfeld der AXA. Es folgen die Schaden- und Unfallversicherung mit
34,6% (3.554 Mio. €) und die Krankenversicherung mit 21,4 % (2.196 Mio. €). 476
Bei der Distribution seiner Produkte verfolgt AXA eine Mehrkanalstrategie. Der größte
Vertriebsweg ist die eigene Ausschließlichkeitsorganisation. Etwa 4.500 Vermittler sind
hier im selbstständigen Außendienst tätig und rund 50% des Geschäftsvolumens wird
über diesen Vertriebsweg erwirtschaftet. Ebenfalls bedeutsam ist der Maklervertrieb mit
etwa 30% des Geschäftsvolumens. Darüber hinaus vertreibt AXA seine Produkte auch
direkt über Internet und Telefon.
Abbildung 121 stellt die Rechtsstruktur und die wesentlichen Beteiligungen der AXA
dar.
475
Vgl. AXA Konzern AG 2010S. 48-50.
476
Vgl. AXA Konzern AG 2010, S. 48-52.
Anhang
-273-
Abbildung 121: Rechtsstruktur und wesentliche Beteiligungen der AXA477
Strategischer Kontext der Segmentierung
Die Segmentierung der AXA steht in engem Zusammenhang mit der weltweiten Strategie
„Ambition 2012“. Im Rahmen dieses Strategieprogramms soll der Umsatz der AXAGruppe bis zum Jahr 2012 verdoppelt und der Gewinn verdreifacht werden. Für jede
Tochtergesellschaft ergeben sich aus dem Programm klar herunter gebrochene Umsatzund Gewinnziele.
Im Jahr 2008 wurde in Deutschland vor dem Hintergrund der „Ambition 2012“ ein Programm gestartet, das Wachstumschancen im Markt erkennen und erschließen sollte.
AXA nutzte das Programm, um die traditionelle Funktionsweise einer Versicherung
grundsätzlich in Frage zu stellen. Nicht mehr einzelne Produkte sollten künftig im Vordergrund stehen, sondern die Bedürfnisse von Kunden, für die individuelle Lösungen
entwickelt werden sollten.
Um solche individuellen Lösungen profitabel anbieten zu können, mussten Kunden zu
Segmenten mit ähnlichen Bedürfnissen zusammengefasst werden. Eine geeignete Segmentierungsstrategie wurde damit zur Voraussetzung, um sich stärker auf die Bedürfnisse
von Kunden konzentrieren zu können. Da AXA bereits in einigen Segmenten – insbesondere im Segment Ärzte und nach der Übernahme der DBV im Segment Öffentlicher
Dienst – langjährige Erfahrung in der differenzierten Bearbeitung von Kundensegmenten
hatte, wurden diese zum Ausgangspunkt der Segmentierung.
477
AXA Konzern AG 2009, S. 56.
-274-
Anhang
A.4.2. Gestaltung der Segmentierung
A.4.2.1.
Konfiguration
Segmentierungslogik
Im Mittelpunkt der Segmentierung stehen die vier Hauptsegmente Privat, Öffentlicher
Dienst (ÖD), akademische Heilberufe (AH) und Firmenkunden (FK). Für jedes der Segmente ist dezidiert festgelegt, welche Kunden in das Segment fallen. Auch Schnittmengen zwischen den Segmenten (beispielsweise Bundeswehrärzte als Schnittmenge zwischen ÖD und AH) sind klar definiert. Damit lassen sich nicht nur Einzelkunden zuordnen, sondern auch die Gesamtbeiträge der AXA auf die vier Segmente verteilen. Daraus
ergibt sich als größtes Segment Privat mit 36,1% der Beiträge (3.328 Mio. €). Es folgen
FK mit 34% (3.049 Mio. €), ÖD mit 17,8% (1.598 Mio. €) und schließlich AH mit 12,1%
(1.091 Mio. €). Den größten Zuwachs konnte das Segment ÖD verzeichnen, in dem das
Beitragsvolumen um 11,8% gegenüber 2008 gestiegen ist. Auf zweiter Ebene differenziert jedes Segment zwischen einzelnen Kundengruppen. So unterscheidet das Segment
Privat beispielsweise zwischen Familien, jungen Leuten und Kunden im Ruhestand, während das Segment ÖD Soldaten, Polizisten und Lehrer umfasst. Einen echten Massenmarkt gibt es in der Segmentierungslogik der AXA damit nicht mehr.
Die Segmentierungslogik der AXA ist eine Kombination aus unterschiedlichen Kriterien.
Auf erster Ebene wird neben dem Privatsegment anhand des Berufsstandes unterschieden. Dies vereinfacht insbesondere die Zuordnung der Kunden, weil Wechsel hier selten
sind und Überschneidungen überschaubar. Auf zweiter Ebene werden sowohl berufsbezogene Kriterien (z.B. Lehrer, Soldaten, Apotheker) als auch die Lebensphase (z.B. Singles, Ruhestandsplanung) der Kunden angewendet.
Differenzierung der Marktbearbeitung
Jedes Segment der AXA entwickelt für die einzelnen Subsegmente eigenständige Lösungen, die die Bedürfnisse der jeweiligen Kundengruppe berücksichtigen. Dabei werden
vier Elemente unterschieden, an denen sich die Lösungsentwicklung orientiert:
· Ansprache: Für jedes Segment wird ein spezifisches Ansprachekonzept entwickelt. Hier wird definiert, wie die Kundengruppen im Markt identifiziert werden
können und über welche Medien sie zu erreichen sind. Je nach Segment gehört
hierzu z.B. ein eigenständiger Markenauftritt. Wichtig für die Ansprache ist auch
ein spezifisches Beratungsangebot. Für jede Kundengruppe wird dazu zunächst
Anhang
-275-
der jeweilige Beratungsbedarf identifiziert. Ein standardisierter Beratungsansatz
wird dann an diesen Bedarf angepasst.
· Angebot: Das Angebot beinhaltet den Produktmix, der im Segment angeboten
werden soll. Dazu werden Produkte der AXA an die Bedürfnisse der Kundengruppe angepasst. In einigen Fällen wurden auch ganz neue Produktkonzepte entwickelt, wenn der Bedarf der Zielgruppe erheblich vom Durchschnittskunden abweicht.
· Services: Auch der Service ist ein zentrales Element der Kundenlösungen. Hier
wird festgelegt, welche Services ein Segment benötigt und welche Möglichkeiten
es gibt, sich über zusätzliche Dienstleistungen zu differenzieren. Die Möglichkeiten gehen hier weit auseinander und reichen von Standard-Services, die in einzelnen Segmenten nur speziell beworben werden, bis hin zu eigenständigen Angeboten, die in einem bestimmten Segment von besonderer Bedeutung sind.
· Zugangsweg/Vertrieb: Das letzte Element bezeichnet den Zugangsweg zum Kunden. Hier ist zum einen der Vertriebsweg zu nennen, über den der Kunde vornehmlich angesprochen werden soll. Zum anderen spielen aber auch darüber hinausgehende Zugangswege in einigen Segmenten eine große Rolle. So werden Vertriebskooperationen entwickelt oder strategische Partnerschaften mit für das jeweilige Segment wichtigen Organisationen initiiert.
Die Elemente eines Lösungskonzeptes sind zunächst generischer Natur. Im Folgenden
soll anhand der Segmente Privat, ÖD und AH dargestellt werden, wie die Differenzierung der Leistung konkret erfolgt.478
Segment Privat
Dem Segment Privat kommt eine besondere Bedeutung zu, weil es erstens das größte
Segment ist und zweitens den ehemaligen Massenmarkt bearbeitet. Es übernimmt damit
eine Vorreiterrolle im Konzern und definiert grundsätzliche Vorgehensweisen, die zum
Teil von anderen Segmenten übernommen werden.
Das Segment Privat nutzt die gesamte Bandbreite an Ansprachekonzepten, Produkten,
Services und Vertriebswegen der AXA. Dabei wird für jedes Subsegment im Segment
Privat ein eigener „Plan 360 Grad“ entwickelt, der genau auf die Bedürfnisse der Subsegmente zugeschnitten ist.
478
Auf eine Darstellung des Segments FK wird aufgrund der Eingrenzung der Arbeit auf den Privatmarkt verzichtet.
-276-
Anhang
Deutlich wird dies am Beispiel Ruhestandsplanung. Hier wird dem Kunden auf Basis
einer ganzheitlichen Beratung ein individuelles Konzept zur Absicherung im Ruhestand
angeboten. Das Konzept beinhaltet dabei alle wesentlichen Elemente der Absicherung,
von Vorsorgeprodukten über Unfallversicherungen bis hin zu Pflegeprodukten. Der Beratungsansatz ist genau auf die Bedürfnisse von Kunden kurz vor dem Ruhestand ausgerichtet. Er ist dennoch standardisiert, damit alle Vermittler eine gleich hohe Beratungsqualität anbieten können. Abbildung 122 stellt den Plan 360 Grad schematisch dar.
Abbildung 122: Der Plan 360 Grad479
Der Plan orientiert sich an den zentralen Fragestellungen der Kundengruppe:
· Wie sichert mir meine Altersvorsorge ein lebenslanges Einkommen?
· Ist meine Vermögensanlage flexibel genug für meine Bedürfnisse?
· Kann ich mir im Pflegefall eine gute Betreuung leisten?
· Ist mein Eigentum ausreichend abgesichert?
Als Vertriebsweg wird insbesondere der Ausschließlichkeitsvertrieb genutzt. Um die Bedürfnisse der Kundengruppe noch besser zu verstehen, wird eng mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) zusammengearbeitet, die das Beratungskonzept auch zertifiziert und seinen Mitgliedern empfiehlt.
479
AXA Konzern AG 2009, S. 13.
Anhang
-277-
Segment Öffentlicher Dienst
Das Segment Öffentlicher Dienst konzentriert sich auf die Zielgruppe der Beamten und
Angestellten im Öffentlichen Dienst. Aufgeteilt ist das Segment u.a. in die Subsegmente
Lehrer, Soldaten und Polizisten. Wie im Segment Privat wird auch hier der Plan 360°
genutzt, um ganzheitliche Kundenlösungen anzubieten.
Der folgende Exkurs in Abbildung 3 zeigt, wie spezifisch einzelne Kundengruppen innerhalb des Segments Öffentlicher Dienst bearbeitet werden.
Exkurs: Das Projekt Lehramtsanwärter
Eine wichtige Zielgruppe innerhalb der Beamten sind Lehrer. Aufgrund der Fürsorgepflicht des Dienstherren können Beamte bereits zum Berufsbeginn in die private
Krankenversicherung wechseln, während die meisten anderen Berufsgruppen erst hohe Einkommensschwellen überschreiten müssen. Damit haben Lehrer bereits zum
Berufsbeginn einen hohen Beratungsbedarf im Bezug auf die Krankenversicherung.
Aber auch andere Elemente wie Diensthaftpflicht oder Dienstunfähigkeitsversicherungen spielen eine große Rolle.
Um Lehrer gezielt beraten zu können, ist es wichtig, bereits zum Berufsstart präsent
zu sein. Im Segment Öffentlicher Dienst wurde daher ein Projekt gestartet, durch das
Lehramtsanwärter gezielt angesprochen und beraten werden sollen. Im Rahmen des
Projektes wurden Kooperationen mit Fachschaften an Universitäten gebildet, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft eingebunden und zahlreiche Informationsveranstaltungen rund um das Thema „Eintritt in den Lehrdienst“ abgehalten. Dabei
wird auf alle Absicherungsbedürfnisse, die Lehrer haben, eingegangen. Auch eigene
Produkte, wie beispielsweise einen besonders günstigen Optionstarif für die private
Krankenversicherung, der Leistungserweiterungen jeweils bei den typischen Phasen
der Lehrerausbildung vorsieht, werden angeboten.
Durch das Projekt hat sich die Präsenz der Marke DBV an den Universitäten massiv
erhöht. Gleichzeitig stößt das Projekt auf hohe Resonanz in der Zielgruppe. Viele angehende Lehrer sind mit der Versicherungssituation nicht vertraut und sind dankbar
über die umfassenden Informationen. Die Kooperation mit unabhängigen Verbänden
erhöht zudem dass Vertrauen in die Marke DBV. In den letzten Jahrgängen, die das
Lehramtsstudium abgeschlossen haben, konnte das Segment Öffentlicher Dienst einen
Marktanteil von 70% erreichen.
Abbildung 123: Exkurs zum Projekt Lehramtsanwärter
-278-
Anhang
Ähnliche Beispiele lassen sich auch für die übrigen Fokussegmente anführen. So arbeitet
das Segment ÖD beispielsweise eng mit der Bundeswehr zusammen, um an den Standorten präsent zu sein und so den Dienstherrn bei seiner Fürsorgepflicht für die Soldaten zu
unterstützen und kooperiert mit vielen Gewerkschaften im öffentlichen Dienst.
Hohe Bedeutung hat die Marke DBV für das Segment. Die Marke wurde während der
Integration der DBV-Winterthur erhalten und im Jahr 2009 aufwändig neugestaltet und
modernisiert. Vom Internetauftritt über die Werbung in der Agentur bis hin zu Produktflyern und der Police wurden alle werbewirksamen Mittel an das neue Corporate Design
angepasst. Abbildung 124 zeigt beispielhaft den Internetauftritt der DBV.
Abbildung 124: Internetauftritt der DBV
Ein Verweis auf die AXA erfolgt in Form eines „Endorsed Brandings“. Dabei taucht die
Marke AXA dezent am unteren Rand des jeweiligen Mediums auf („Ein Unternehmen
der AXA Gruppe“). Auf der Internetseite werden Kunden, die nicht im öffentlichen
Dienst sind, auf die AXA-Seite umgeleitet. Andersherum werden Kunden im Öffentlichen Dienst von der AXA-Seite auf die DBV-Seite geführt.
Für Kunden der DBV ist auch in der weiteren Interaktion mit dem Unternehmen nicht
direkt erkennbar, dass AXA und DBV weite Teile der Wertschöpfungskette teilen. So
wurde bei allen wesentlichen Kontaktpunkten des Kunden mit der DBV darauf geachtet,
dass der Kunde die DBV als eigenständiges Unternehmen erlebt. Die Mitarbeiter in der
Schadenbearbeitung melden sich beispielsweise je nachdem, ob die Telefonnummer der
Anhang
-279-
AXA oder der DBV gewählt wurde, mit dem jeweiligen Unternehmensnamen, obwohl
AXA und DBV die gleichen Sachbearbeiter nutzen.
Segment Ärzte/Heilwesen
Ähnlich wie das Segment Öffentlicher Dienst nutzt auch das Segment Ärzte/Heilwesen
eine eigene Marke: Deutsche Ärzteversicherung. Der Grundstein des heutigen Segments
Ärzte/Heilwesen wurde 1955 durch die Übertragung des Bestandes der Deutschen Ärzteversicherung an die Colonia gelegt. Die Marke wurde von der Colonia und auch später
nach der Übernahme durch die AXA beibehalten und behielt auch eine eigenständige
Rechtsform.
Das Segment Ärzte/Heilwesen konzentriert sich auf alle Kunden mit einem akademischen Heilberuf (beispielsweise Ärzte, Zahnärzte, Apotheker). Die Bearbeitung des Segments hat sich im Laufe der Jahre stark differenziert. So wurde mit der Deutschen Ärztefinanz ein eigener Vertriebsweg gegründet, der sich ausschließlich auf den Vertrieb von
Versicherungen an Ärzte konzentriert. Ähnlich wie das Segment Öffentlicher Dienst ist
auch das Segment Ärzte/Heilwesen stark in der Berufsgruppe verankert. Im Beirat der
Deutschen Ärzteversicherung sitzen Vertreter der Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund,
die Deutsche Ärzteversicherung sponsert Fachbücher für das Medizinstudium und betreibt mit Medi-Lean das wichtigste Internetforum für Medizinstudenten. Wie Abbildung
125 zeigt, ist auch der Internetauftritt ganz auf die Zielgruppe ausgerichtet.
-280-
Anhang
Abbildung 125: Internetauftritt der Deutschen Ärzteversicherung
Das Segment Ärzte/Heilwesen hat noch größere Autonomie als das Segment Öffentlicher
Dienst. So werden nicht nur Produkte unter den Marken AXA und Deutsche Ärzteversicherung, sondern auch vereinzelte Produkte anderer Versicherungen angeboten. Das
Segment wird als Profit-Center im Konzern gesteuert.
Organisationsmodell
Die AXA hat sich mit Einführung der Segmentierung für ein neues Organisationsmodell
entschieden. Während die meisten Versicherungen nach Sparten gesteuert werden, wurde
bei der AXA eine zusätzliche Segmentsteuerung eingeführt. Bereits die Darstellung der
Differenzierung der Marktbearbeitung hat gezeigt, dass die Segmente der AXA sehr eigenständig und differenziert am Markt agieren. Dies ist nur möglich, weil sie die Segmente in der Unternehmensstruktur ausreichend Gewicht erhalten. Gleichzeitig nutzen
die Segmente aber auch Synergien, indem sie Infrastruktur, Produktelemente und Verarbeitung gemeinsam nutzen. Das Organisationsmodell muss daher sowohl Unabhängigkeit
der Segmente als auch einheitliches Vorgehen im Unternehmensverbund ermöglichen.
Um dies zu erreichen, wurde zunächst die Verantwortung für jedes Segment in die Hand
eines Gruppenvorstandes gelegt. Jeder dieser Vorstände hat für jeweils eines der Segmente umfassende Verantwortung. Die Segmente Privat, ÖD und FK werden jeweils in
Personalunion durch einen Produktvorstand geführt. Bei Privat ist dies der Vorstand für
Anhang
-281-
Vorsorge, Bank und Privatanlage. Für ÖD übernimmt der Vorstand für das private Sach-,
Haftpflicht-, Unfall- und Kraftfahrtgeschäft den Vorsitz und das Segment FK wird durch
den Vorstand für die Schaden- und Unfallversicherung für Firmenkunden geführt. Nur
das Segment AH ist seit 2010 nicht mehr direkt durch einen Gruppenvorstand vertreten.
Um den Segmenten auch operative Handlungsmöglichkeiten zu geben, wurde die Verankerung, wie sie im Vorstand besteht, auf den weiteren Ebenen fortgeführt. Für jedes
Segment ist ein sogenanntes Segmentmanagement-Team verantwortlich. Die Segmentmanagement-Teams setzten sich aus Vertretern aller Sparten und anderer wichtiger Funktionsbereiche zusammen und führen das Segment in gemeinsamer Verantwortung. Abbildung 126 stellt den grundsätzlichen Aufbau der Teams dar.
Abbildung 126: Aufbau der Segmentmanagementteams
Jedes Segmentmanagementteam-Mitglied ist nur mit etwa 50% seiner Arbeitszeit für das
Segment tätig. Die übrige Zeit wird für das entsendende Ressort verwendet. Damit ergibt
sich eine Matrix-Struktur im Unternehmen. Diese soll helfen, Wissen aus allen Unternehmensbereichen zusammen zu bringen und den Segmenten damit eine eigenständige
Bearbeitung der jeweiligen Kundengruppe zu ermöglichen. Gleichzeitig ist aber auch
jedes Mitglied des Segmentmanagement-Teams in einem fachlichen Ressort verankert,
sodass die Segmente keine vollständige Autonomie erhalten, sondern eine übergreifende
Sicht bestehen bleibt. Die Segmentverantwortlichen stammen überwiegend aus der ersten
und zweiten Führungsebene. Abbildung 127 zeigt die Matrix, die sich aus dem Organisationsmodell ergibt.
-282-
Anhang
Vorstand
Marketing
Vorsorge
Kranken
P&C
Verarbeitung
Vertrieb
Controlling
Privat
ÖD
ÄH
FK
Segmentvorstand
Segmentvorstand
Segment-vorst
and
Segmentvorstand
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Segmentteammitglied
Abbildung 127: Segmentmanagement-Teams der AXA
A.4.2.2.
Koordination
Steuerung der Segmentierung
Die Verantwortung für die Steuerung jedes einzelnen Segments liegt bei dem jeweiligen
Segmentmanagement-Team. Dazu wurde der Aufgabenbereich der SegmentmanagementTeams insbesondere in Abgrenzung zu den Aufgaben der Sparten und übrigen Funktionsbereiche detailliert definiert und in einer Aufgabenbeschreibung festgehalten. Damit
ist klar geregelt, was Segmente im Unternehmen entscheiden dürfen und worüber nicht.
Grundsätzlich wird der Verantwortungsbereich der Segmente mit der Bezeichnung „operative Geschäftssteuerung“ umschrieben. Dies beinhaltet die Planung (Entwicklung von
Segmentstrategien, Finanzplanung, Maßnahmenplanung), Steuerung (Entwicklung von
Lösungskonzepten, Durchführung von laufenden Maßnahmen und Projekten) und Nachverfolgung (Reporting, Controlling, Maßnahmen zur Gegensteuerung) des Geschäftes.
Die Sparten und übrigen Funktionsbereiche liefern das für die Segmente notwendige
Spezialwissen hinzu.
Neben dieser inhaltlichen Steuerung, die bei den Segmenten selbst liegt, gibt es aber auch
einen segmentübergreifenden Koordinationsbedarf. Dieser entsteht dadurch, dass die
Segmente mit einem relativ hohen Autonomiegrad ausgestattet sind. Da eine zentrale
Anhang
-283-
Weisung über die Segmente damit nicht möglich ist, mussten andere Instrumente entwickelt werden.
Insbesondere spielen dabei prozessuale Einflussmöglichkeiten auf die Segmente eine
wichtige Rolle. Die wichtigsten Koordinationsprozesse, vor allem Produktentwicklung,
Planungsprozess und Controllingprozesse, wurden an die Segmentierung angepasst. Hier
wird festgelegt, wie die Segmente Vorhaben planen und in die Entscheidungsprozesse im
Unternehmen „einspeisen“ können.
Beispielsweise kann im Produktentwicklungsprozess jedes Segment individuell festlegen,
welche Maßnahmen und Produkte es für seine Kundengruppe benötigt. Zentral wurde
aber vorab das Vorgehen definiert, durch welchen die einzelnen Vorhaben zusammengeführt, priorisiert und umgesetzt werden. Die Aktivitäten der Segmente finden damit im
Rahmen der etablierten Steuerungsprozesse statt, die aber auf die Anforderungen der
Segmente angepasst wurden.
Controlling
Eine ebenfalls wichtige Voraussetzung für die Segmentierung sind angepasste
Controllingsysteme. Grundsätzlich sind Versicherungen an ein Spartencontrolling aufgrund gesetzlicher Vorgaben gebunden. Die Herausforderung bestand daher darin, zusätzlich zum Spartencontrolling ein Segmentcontrolling zu entwickeln. Im Rahmen dieses Controllings werden Sparten- und Segmentziele entwickelt und sichergestellt, dass
auf allen Ebenen Konsistenz zwischen den Zielen herrscht.
Alle wichtigen Kennzahlen werden regelmäßig in einem „Segment-Cockpit“ berichtet.
Dies ermöglicht einen schnellen Überblick über die Entwicklung der Segmente.
Da die Segmente einen großen Verantwortungsbereich haben, ist es wichtig, nicht nur
den Umsatz der Segmente, sondern auch Kosten zuordnen zu können. Den Segmenten
wurde daher die Verantwortung für die Profitabilität ihrer jeweiligen Kundengruppe gegeben. Auch dies wird in den Controllingsystemen berücksichtigt.
Vertriebsmanagement
Die AXA nutzt unterschiedliche Vertriebswege im Rahmen ihrer Segmentierung. Insgesamt liegt der Schwerpunkt jedoch auf den Agenturen der Ausschließlichkeitsorganisation. Abbildung 128 zeigt, welche Vertriebswege von den Segmenten der AXA genutzt
werden. Beim Segment Privat ist das der gesamte Ausschließlichkeitsvertrieb. Jede
Agentur ist grundsätzlich für das Privatsegment tätig. Das Segment ÖD nutzt ebenfalls
den Ausschließlichkeitsvertrieb, allerdings werden hier Schwerpunktagenturen gebildet.
Agenturen, die einen hohen Anteil an Kunden im öffentlichen Dienst haben, werden be-
-284-
Anhang
sonders gefördert, erhalten eine Agenturausstattung im Corporate Design der Deutschen
Beamtenversicherung und können auf die Kontakte zu den Berufsverbänden zugreifen.
Zudem ermöglicht die Bildung von Schwerpunktagenturen dem Segment ÖD eine bessere Steuerungsmöglichkeit im Vertrieb. In der Regel bearbeiten die Schwerpunktagenturen
aber nicht nur den öffentlichen Dienst, sondern auch den Privatmarkt.
Das Segment AH hat einen eigenen Vertriebsweg, die Deutsche Ärztefinanz. Vertreter
der Deutschen Ärztefinanz sind ausschließlich im Segment der akademischen Heilberufe
tätig. Es existieren eigenständige Führungsstrukturen und Anreizsysteme.
Privat
AXA Vertrieb
ÖD
Schwerpunktagenturen
AH
Deutsche Ärztefinanz
Privat
Beamte
Ärzte
Abbildung 128: Vertriebsmanagement der AXA
Um das Vertriebsmanagement der AXA zu vereinfachen, spielt der bereits beschriebene
Plan 360 Grad eine große Rolle. Der Plan integriert unterschiedliche Leistungselemente
in eine ganzheitliche und individuelle Kundenlösung. Die Grundelemente einer 360
Grad-Lösung sind immer die gleichen. Für jede Kundengruppe werden sie aber spezifisch ausgestaltet und angepasst.
So wurden in den Plan 360 Grad, der sich an Kunden kurz vor dem Ruhestand richtet, die
Elemente „Gesichertes Grundeinkommen“, „Pflege“, „Vermögensanlage“ und „Information und Services“ integriert. Eingebunden ist die Lösung in eine umfassende und andauernde Kundenbetreuung. Auch für Kundengruppen im öffentlichen Dienst wurden 360
Grad-Lösungen entwickelt.
Alle 360 Grad-Lösungen sind in die Vertriebsinfrastruktur integriert. Es wurde eine Beratungssoftware entwickelt, die es Agenturen ermöglicht, mit wenig Aufwand unterschied-
Anhang
-285-
liche Kundengruppen umfassend und kompetent zu beraten. Auf diese Weise gelingt es,
individuelle Beratung zu standardisieren und auch über die Segmente hinweg eine hohe
Qualität zu sichern.
A.4.2.3.
Variation
Entwicklung
Auch vor der Neuausrichtung in den Jahren 2008/2009 spielten einzelne Zielgruppen bei
der AXA eine Rolle, sodass die hier von einem langfristigen Prozess zu sprechen ist, der
letztlich zu einer Neuausrichtung führte. Abbildung 129 stellt diesen Prozess vereinfacht
dar.
DBV-Winterthur
Beamte /
Öffentlicher Dienst
Beamte
Segment
Öffentlicher Dienst
AXA
Colonia
Segment Privat
Privatpersonen
Ärzte
1995
Ärzte /
Apotheker
2000
Segment
Akademische Heilberufe
2010
Hauptsegmente
Untersegmente
Abbildung 129: Entwicklung der Segmentierung der AXA
Das Segment Öffentlicher Dienst entwickelte sich zunächst aus einem Geschäftsschwerpunkt der DBV-Winterthur heraus. „DBV“ steht für „Deutsche Beamtenversicherung“
und erinnert an die Tradition des Unternehmens als bedeutender Beamtenversicherer in
Deutschland. Obwohl dieser Geschäftsschwerpunkt im Zuge der Übernahme der DBV
durch die Commerzbank und später durch die Winterthur an Bedeutung verloren hatte,
unterhielt das Unternehmen nach wie vor intensive Beziehungen zu beamtennahen Gewerkschaften und Verbänden und erwirtschaftete einen wesentlichen Teil seines Geschäftes in diesem Bereich.
Im Zuge der Integration wurde darauf geachtet, dass der Schwerpunkt wieder an Bedeutung gewann und inhaltlich geschärft wurde. Zudem wurden Kunden der AXA, die im
-286-
Anhang
öffentlichen Dienst tätig waren, in das Segment ÖD überführt. Andersherum wurden Privatkunden aus der DBV in das Segment Privat übernommen.
Auch das Segment Ärzte hat eine lange Tradition. Bereits in den 90er Jahren bearbeitete
damals noch die Colonia neben dem allgemeinen Privatkundengeschäft die Zielgruppe
Ärzte als eigenständiges Segment. Die Bedeutung des Segments ist im Laufe der Zeit
gewachsen. Ursprünglich konzentrierte sich das Segment nur auf Ärzte. Sukzessive wurde die Bearbeitung auf Apotheker und schließlich auf Akademische Heilberufe (inklusive
Zahnärzte, Heilpraktiker) ausgedehnt.
Die Segmentierung der AXA hat sich damit über einen längeren Zeitraum entwickelt,
wobei eine Zunahme der Bedeutung einzelner Segmente mit der Zeit zu erkennen ist.
Anpassungsprozess im Unternehmen
Der Anpassungsprozess im Unternehmen ist insbesondere von der Neuausrichtung in den
Jahren 2008/2009 gekennzeichnet. Ein wichtiger Aspekt war dabei, Wachstumsmöglichkeiten zu eröffnen und gleichzeitig die im Laufe der Zeit gewachsene Segmentstruktur so
zu ordnen, dass eine effiziente Marktbearbeitung der Segmente möglich wurde.
Die Segmentorganisation hatte umfassende Veränderungen zur Folge. Insbesondere wurde durch die Segmente eine Neuorganisation der Zuständigkeiten notwendig. Die operative Geschäftsverantwortung, die bislang bei den Sparten gelegen hatte, ging auf die
Segment über. Damit mussten Verantwortungsbereiche neu geschnitten und Veränderungen in der Zusammenarbeit vorgenommen werden.
Begleitet wurde die Segmentierung daher von einem umfassenden Change-Prozess, in
dem die Führungskräfte begleitet wurden und regelmäßiges Feedback eingeholt wurde.
Auch mehrere Tagungen und Workshops mit der gesamten Führungscrew wurden durchgeführt.
Auf den operativen Ebenen und im Vertrieb wurden die Veränderungen vor allem durch
die Führungskräfte kommuniziert, unterstützt durch Instrumente der Unternehmenskommunikation und eigene Change-Maßnahmen.
A.4.3. Beurteilung und Fazit
Insgesamt beurteilt AXA die Segmentierung als erfolgreich. Nach erheblichen Anpassungen, die in den letzten Jahren vorgenommen wurden und durch die das Unternehmen
von der traditionellen Spartensteuerung hin zu einer Steuerung nach Kundensegmenten
kam, funktioniert das neue Geschäftsmodell heute zufriedenstellend. Dies betrifft sowohl
Anhang
-287-
den Marktauftritt und den damit verbundenen Vertriebserfolg der Segmente als auch die
interne Zusammenarbeit zwischen den Segmenten.
Neben den notwendigen Anpassungen im Unternehmen, die an sich bereits schwierig
sind, besteht die größten Herausforderung darin, die relativ eigenständigen Segmente so
zu koordinieren, dass sie zwar unabhängig am Markt agieren können, gleichzeitig aber
Synergien zwischen den Segmenten genutzt werden können. Wichtig ist zudem, dass jedes Segment auf seine Kundengruppe fokussiert bleibt. Nur so kann verhindert werden,
dass mehrere Segmente die gleiche Kundengruppe bearbeiten, was zu Mehrkosten durch
die Doppelbearbeitung führen und Kunden wie Mitarbeiter irritieren würde.
-288-
Anhang
B.
Übersicht über die geführten Interviews
B.1.
Experteninterviews
Nr
.
Unternehmen
Branche
Interview- Position
partner
Datum
Dauer
Ort
1.
Allianz
Suisse
Versicherung
Dr. Bernard El
Hage
Head of Strategic
Marketing
10.03
.2009
10:00 11:30
Uhr
Zürich
2.
Ergo
Versicherung
Dr. David
Stachon
Leiter Marketing
31.03.
2009
13:00 14:30
Uhr
Düsseldorf
3.
Ergo
Versicherung
Dr. David
Stachon
Leiter Marketing
31.07.
2009
10:00 11:00
Uhr
Düsseldorf
4.
Mannheimer
Versicherung
Dr. Frank
Reuter
Ehem. Vorstand
Vertrieb und Marketing
03.03.
2009
11:00 12:45
Uhr
Telefonisch
5.
AXA
Suisse
Versicherung
Roger
Müri
Leiter Segmentierung
09.03.
2009
15:00 16:00
Uhr
Telefonisch
6.
DVAG
Finanzvertrieb
Dr. Helge
Lach
Vertriebsvorstand
17.04.
2009
11:00 12:00
Uhr
Telefonisch
7.
Vivaldi
Partners
Unternehmensberatung
Dr. Markus Koch
Berater
16.03.
2009
16:00 17:00
Uhr
Zürich
8.
Generali
Schweiz
Versicherung
Julia
Fehrer
Leitung Segmentierung
12.03.
2009
10:00 11:00
Uhr
Telefonisch
9.
Vodafone
Telekommunikation
Jan-Harald
Fuchs
Leiter Marketing
16.03.
2009
16:00 17:00
Uhr
Telefonisch
10.
Mobiliar
Versicherung
Christian
Wegmüller
Vorstand Vertrieb
26.03.
2009
12:45 14:00
Uhr
Bern
Anhang
-289-
Nr
.
Unternehmen
Branche
Interviewpartner
Position
Datum
Dauer
Ort
11.
Beiersdorf
Konsumgüter
Ansgar
Hölscher
Leiter Marketing
11.03
.2009
17:00 18:00
Uhr
Telefonisch
12.
Holcim
Baustoffe
Dr. Karsten Sausen
Berater
10.03.
2009
14:00 16:00
Uhr
Zürich
13.
Sal. Oppenheim
Bank
Gero von
Kietzell
Finanzvorstand
27.03.
2009
9:00 10:00
Uhr
Telefonisch
14.
McKinsey
Beratung
Dr. Wilm
Langenbach
Partner
12.03.
2009
18:45 19:15
Uhr
Telefonisch
15.
McKinsey
Beratung
Dr. Wilm
Langenbach
Partner
16.10.
2009
9:30 10:00
Uhr
Telefonisch
16.
McKinsey
Beratung
Dr. Jesko
Perrey
Partner
23.02.
2009
19:00 20:00
Uhr
Telefonisch
17.
Zürich
Versicherung
Andreas
Gross
Projektmanager
31.03.
2009
9:00 10:00
Uhr
Telefonisch
18.
LBBW
Bank
Thomas
Frey
Leiter Netzwerke
und Unternehmenskunden
14.04.
2009
14:00 15:00
Uhr
Telefonisch
19.
Booz
Beratung
Dr. Johannes Bussmann
Partner
12.01.
2010
9:00 10:00
Uhr
Telefonisch
20.
AXA
Versicherung
Dr. Moritz
von Campenhausen
Leiter Konzernstrategie
09.02.
2009
9:00 10:00
Uhr
Köln
21.
MLP
Finanzvertrieb
Gerhard
Frieg
Vorstand Produktmanagement und
Marketing
30.06.
2009
16:00 17:00
Uhr
Marbach
Tabelle 22: Liste der geführten Experteninterviews
-290-
B.2.
Anhang
Interviews für die Fallstudie Mobiliar
Nr Art des In.
terviews
Teilnehmer
1.
Klaus Volken Leiter Marketing
Workshop
Position
Datum
Zeit
Ort
29.01.2010 9:15 Uhr - Bern
12:15 Uhr
Stephan
Aebischer
2.
Workshop
Hanspeter
Weber
Leiter Marktbearbeitung Privatpersonen
Beat
Mosimann
Fachspezialist Vertriebsunterstützung
Stefan Jossen
12.02.2010 9:15 Uhr - Bern
15:15 Uhr
Hanspeter
Aebischer
Beat
Mosimann
Fachspezialist
Vertriebsunterstützung
Thomas Fritsche
Projektleiter Database Marketing
Simone Maier Leiterin KundenBegré
kompetenzzentrum
Daniel Degen
Martin Gehret
Klaus Volken Leiter Marketing
André Ströbel
Hanspeter
Weber
Leiter Marktbearbeitung Privatpersonen
3.
Einzelinterview
Stefan
Äbischer
12.02.2010 16:00 17:00 Uhr
4.
Einzelinterview
Martin Gehret
12.02.2010 17:00 18:00 Uhr
Tabelle 23: Liste der geführten Interviews für die Fallstudie Mobiliar
Anhang
B.3.
-291-
Interviews für die Fallstudie Allianz Suisse
Nr Art des Inter.
views
Teilnehmer
Position
1.
Einzelinterview
Dr. Daniel Didt Market and Customer Insight Allianz SE
2.
Einzelinterview
4.
Datum
Zeit
Ort
18.03.2009 10:00 11:00 Uhr
Telefonisch
Dr. Bernard El
Hage
Head of Strategic Marketing 26.01.2010 14:00 15:00 Uhr
Zürich
Einzelinterview
Dr. Bernard El
Hage
Head of Strategic Marketing 10.02.2010 13:00 14:00 Uhr
Zürich
5.
Einzelinterview
Claudia Bock
Leiterin Kundensegmentmanagement
10.02.2010 14:00 14:45 Uhr
Zürich
6.
Einzelinterview
Marcel Goetz
Controlling Marktmanagement
10.02.2010 14:45 15:30 Uhr
Zürich
7.
Einzelinterview
Dr. Patrick
Eugster
Leiter Produktmarketing
10.02.2010 15:30 16:30 Uhr
Zürich
Tabelle 24: Liste der geführten Interviews für die Fallstudie Allianz Suisse
B.4.
Interviews für die Fallstudie Nationale Suisse
Art des InterNr. views
Teilnehmer
Position
Datum
Zeit
Ort
1.
Einzelinterview Dr. Karl-Otto
Grosse-Holz
Leiter Corporate Development and Controlling
24.02.2010 14:00 16:30 Uhr
Basel
2.
Einzelinterview Dr. Karl-Otto
Grosse-Holz
Leiter Corporate Development and Controlling
10.02.2010 9:00 11:00 Uhr
Telefonisch
3.
Einzelinterview Dr. Dietrich von
Frank
Managing Director
HNWI/Art Europe
25.02.2010 15:00 15:30 Uhr
Telefonisch
4.
Einzelinterview Dr. Dietrich von
Frank
Managing Director
HNWI/Art Europe
11.03.2010 16:00 17:00 Uhr
Basel
5.
Einzelinterview Dr. Karl-Otto
Grosse-Holz
Leiter Corporate Development and Controlling
04.03.2011 9:00–
9:30 Uhr
Telefonisch
Tabelle 25: Liste der geführten Interviews für die Fallstudie Nationale Suisse
-292-
B.5.
Anhang
Interviews für die Fallstudie AXA
Nr Art des Inter.
views
Teilnehmer
Position
Datum
Zeit
Ort
18.05.2010
17:30 18:30 Uhr
Köln
1.
Einzelinterview
Dr. Moritz von Leiter Konzernstrategie
Campenhausen
2.
Einzelinterview
Dr. Edward
Renger
Projektleiter Konzernstrate- 13.08.2010
gie
14:00 15:00 Uhr
Köln
3.
Einzelinterview
Dr. HeinzTheo Fürtjes
Leiter Segment-Controlling 20.08.2010
und Segmentmanager Privat
13:00 14:00 Uhr
Köln
4.
Einzelinterview
Dr. Andreas
Reinhold
Leiter Kostencontrolling
und Segmentmanager ÖD
14.08.2010
14:00 15:00 Uhr
Köln
5.
Einzelinterview
Dr. Markus
GroßEngelmann
Leiter Kundensegmentmanagement ÖD
25.08.2010
11:00 12:00 Uhr
Wiesbaden
6.
Einzelinterview
Dirk Heinrich
Leiter Consumer Marketing 20.08.2009
14:00 16:00 Uhr
Köln
7.
Einzelinterview
Dr. Claus
Hunold
Leiter Strategisches Marketing
16:00 17:00 Uhr
Köln
20.08.2010
Tabelle 26: Liste der geführten Interviews für die Fallstudie AXA
C.
Auszug aus dem Interviewleitfaden für die Experteninterviews
Der im Rahmen der Experteninterviews verwendete Interviewleitfaden bestand aus drei
Teilen. Im ersten Teil wurde das Forschungsthema und der Interviewpartner kurz vorgestellt. Anschließend wurden Themenkomplexe beschrieben, auf die im Rahmen des Gespräches eingegangen werden sollte. Der letzte Teil bestand aus Anmerkungen zum Datenschutz.
Der mittlere Teil des Interviewleitfadens ist im Folgenden dargestellt.
(1) Eigenschaften des Segmentierungsansatzes
· In welcher Phase befindet sich das Unternehmen im Bezug auf Segmentierung wird der Segmentierungsansatz erstmalig eingeführt oder ein bestehender Ansatz
laufend angepasst?
· Erfolgt sowohl eine strategische als auch operative Segmentierung?
· Wie stark ist die Unternehmensstrategie auf Segmente ausgerichtet?
Anhang
-293-
· Welchen Segmentierungsansatz hat das Unternehmen gewählt?
· Wie sieht der Segmentierungsprozess aus?
· Wie oft werden Segmente angepasst?
· Wie ist der Segmentierungsansatz im Unternehmen integriert?
(2) Wirkung von Segmentierung auf Unternehmenserfolg
· Welchen Erfolg hat die Segmentierungsstrategie gezeigt?
· Wird Segmentierung stärker zur Neukundengewinnung oder zur Bestandserhaltung genutzt?
· Wie unterscheiden sich strategische und operative Segmentierung in ihrer Wirkung?
(3) Erfolgsfaktoren von Segmentierungsstrategien
· Welche Fähigkeiten sind für die erfolgreiche Umsetzung von Segmentierungsstrategien besonders wichtig?
· Unterscheiden sich diese Fähigkeiten nach operativer und strategischer Segmentierung?
· Was behindert die Umsetzung von Segmentierungsstrategien?
· Welche Erfolgsfaktoren werden im Bezug auf den Vertrieb gesehen?
· Welche Erfolgsfaktoren werden im Bezug auf die Produktentwicklung gesehen?
· Welche Erfolgsfaktoren werden im Bezug auf die Operations gesehen?
· Gibt es Organisationsstrukturen, die notwendig sind für eine erfolgreiche Segmentierung?
(4) Sonstiges
· Gibt es Punkte, die bislang nicht angesprochen wurden, aber möglicherweise dennoch wichtig sind?
D.
Auszug aus dem Interviewleitfaden für die Fallstudien
Der Interviewleitfaden für die Fallstudien bestand aus zwei Teilen. Im ersten Teil wurden
das Forschungsthema und der Interviewpartner vorgestellt und auf das mit dem Unternehmen besprochene Vorgehen zur Erstellung der Fallstudie, eingegangen. Im zweiten
-294-
Anhang
Teil wurden Fragen genannt, auf die im Rahmen des Gespräches eingegangen werden
sollte. Der zweite Teil ist im Folgenden dargestellt.
(1) Allgemeiner Kontext:
· Was sind wichtige Merkmale des Unternehmens? Welche Strategie wird verfolgt?
Was sind wesentliche Geschäftsbereiche und Vertriebswege?
· Welche Rolle spielt die Segmentierung vor diesem Hintergrund? Welche Ziele
werden mit der Segmentierung verfolgt?
(2) Beschreibung der Segmentierung
· Wann wurde mit der Segmentierung begonnen? Wie hat sich die Segmentierung
seitdem weiterentwickelt?
· Welche Bedeutung hat die Segmentierung heute? Wird parallel auch der Massenmarkt bedient?
· Welche Segmente werden heute bearbeitet? Wie stark erfolgt die Differenzierung
im Segment? Welche Marketinginstrumente (Marke, Produkt, Vertriebsweg,
Preis) werden zur Bearbeitung eingesetzt?
· Wie soll sich die Segmentierung in den nächsten Jahren weiterentwickeln?
(3) Koordination und Steuerung
· Wie wurde die Organisation an die Segmentierung angepasst? Gibt es Auswirkungen auf Strukturen, Prozesse oder das Geschäftsmodell?
· Wie wird die Segmentierung gesteuert? Gibt es klar definierte Prozesse zur Steuerung? Wie stark werden die Segmente inhaltlich gesteuert?
· Wie groß ist die Autonomie der Segmente? Gibt es Verantwortliche für die Segmente? Auf welcher Ebene (beispielsweise Vorstand, Stäbe, Linien) ist die Verantwortlichkeit verankert?
· Wie wird der Erfolg der Segmentierung gemessen? Gibt es eigene Reporting und
Controlling-Instrumente?
E.
Vorschlag zur Vertiefung der Fallstudien
Der Vorschlag zur Detaillierung der Fallstudien wurde an das Unternehmen verschickt.
Im Anschluss wurde mit dem Unternehmen besprochen, welche Elemente des Vorschlags
genutzt werden sollten. Die Terminvereinbarungen wurden dann jeweils von einem Unternehmensvertreter koordiniert, der kurz in das Thema einleitete und einen Überblick
Anhang
-295-
über die Fallstudie und die Fragen gab. Im Folgenden dargestellt ist der Vorschlag zur
Vertiefung, wie er den jeweiligen Unternehmen zugegangen ist.
(1) Einzelgespräche (3 Gespräche, jeweils ca. 45 Minuten)
· Marketing (etwa Segmentverantwortlicher oder Segmentkoordination):
o Offene Diskussion
§ Vorstellung und Diskussion der bisherigen Fallstudie
§ Aufnahme von Anpassungsbedarf aus Marketingsicht
o Vertiefende Fragestellungen
§ Welche Konsequenzen ergeben sich für das Marketing aus der Segmentierung?
§ Welche wesentlichen Herausforderungen werden im Bezug auf die
Segmentierung gesehen?
§ Beschreibung von Aufbau und Struktur des Marketing
§ Kompetenzbereiche des Marketing (Produktentwicklung, Planungsprozesse, Vertriebsmaßnahmen) und Schnittstellen in andere Bereiche (Sparten, Vertrieb, Controlling)
§ Wie erfolgt die Bearbeitung der einzelnen Segmente (MarketingMix, Kampagnen, Instrumente)
§ Wie erfolgreich ist die Segmentierung? Welche Ziele werden mit der
Segmentierung verfolgt und werden diese erreicht?
· Vertrieb (beispielsweise Vertriebsleiter):
o Offene Diskussion
§ Vorstellung und Diskussion der bisherigen Fallstudie
§ Aufnahme von Anpassungsbedarf aus Vertriebssicht
o Vertiefende Fragestellungen
§ Welche wesentlichen Herausforderungen werden im Bezug auf die
Segmentierung gesehen?
§ Wie stark fließt die Segmentierung in Beratungsgespräche oder
Kundenauswahl ein?
-296-
Anhang
§ Wird die Segmentierung bei der Betreuung bestehender Kunden genutzt?
§ Sind Unterschiede zwischen den Segmenten tatsächlich vorhanden
und passen die vorhandenen Produkte zu den Segmenten?
§ Wie erfolgt die Vergütung? Sind segmentbezogene Elemente enthalten?
§ Wie erfolgreich ist die Segmentierung? Welche Ziele werden mit der
Segmentierung verfolgt und werden diese erreicht?
· Controlling:
o Offene Diskussion
§ Vorstellung und Diskussion der bisherigen Fallstudie
§ Aufnahme von Anpassungsbedarf aus Sicht Controlling
o Vertiefende Fragestellungen
§ Ist die Segmentierung mit Risiken (Investitionsrisiken, Steuerungsrisiken etc.) verbunden?
§ Welche Anpassungen im Controlling- und Reportingsystem wurden
vorgenommen?
§ Wie erfolgreich ist die Segmentierung? Welche Ziele werden mit der
Segmentierung verfolgt und werden diese erreicht?
(2) Workshop
· Ziel: Entwicklung von Instrumenten zur Steuerung und Weiterentwicklung der
Segmentierung
· Teilnehmer: Verantwortliche unterschiedlicher Unternehmensbereiche mit übergreifender Perspektive (max. 7 Personen)
· Dauer:
2-3 Stunden
· Ablauf:
1. Einführung in das Thema (15 Minuten)
· Themen:
o Entwicklungsoptionen (45 Minuten, Gruppendiskussion mit Protokoll am
Flipchart/Brownpaper)
§ Welche Entwicklungsmöglichkeiten werden gesehen?
Anhang
-297-
§ In welchen Bereichen wäre eine Weiterentwicklung besonders wichtig?
§
Wo ergeben sich große Potenziale?
§ Wie könnte ein Zielbild der Segmentierung aussehen?
o Herausforderungen und Hemmnisse (30 Minuten, Gruppendiskussion mit
Protokoll am Flipchart/Brownpaper)
§ Wo treten Herausforderungen bei der Entwicklung auf?
§ Wer hat die Lösungsverantwortung?
§ Auf welche Bereiche strahlen die Probleme aus?
· Instrumente:
o Brainstorming zu unterschiedlichen Instrumenten vor dem Hintergrund der
diskutierten Herausforderungen (30 Minuten)
o Auswahl und Vertiefung einzelner relevanter Instrumente (30 Minuten
§ Was sind Anwendungsvoraussetzungen?
§ Wie wirken die Instrumente?
§ Wie groß ist das Potenzial der Instrumente?
F.
Fragebogen der standardisierten Befragung
Der Spezialteil des IVW-Vertriebsmonitors widmet sich der praktischen Bedeutung der
Kundensegmentierung in der Assekuranz. Die Fragen im Einzelnen:
1. Auf welche Kundengruppe beziehen Sie sich bei den folgenden Fragen primär?
Kundengruppe
Privatpersonen
m
Unternehmen
m
Wie wird Kundensegmentierung in Ihrem Unternehmen eingesetzt?
2. Welche der folgenden Vorgehensweisen trifft am ehesten auf Ihr Unternehmen zu?
-298-
Anhang
Vorgehensweise
Wir verwenden keine Kundensegmentierung
m
Es besteht zwar eine Kundensegmentierung auf dem
Papier, in der Praxis ist nichts zu spüren
m
Die Kundensegmentierung wird vor allem kommunika-
m
tiv umgesetzt, Produkte und Leistungen sind für alle
Kundensegmente die selben
Wir verwenden eine Kundensegmentierung und bieten
den einzelnen Segmente differenzierte Leistungspakete
m
an
3. Wer ist der hauptsächliche Treiber der Kundensegmentierung in Ihrem Unternehmen
Treiber/verantwortlich für Kundensegmentierung
Gruppe/Gesamtkonzern
q
Lokale Geschäftsleitung
q
Bereichsleitung/Spartenleitung
q
Marketing
q
Vertriebsleitung
q
Key Account Management
q
Marktforschung
q
Produktmanagement/Produktentwicklung
q
Andere _________________________
q
4. Auf welchen Merkmalen basiert die Kundensegmentierung in Ihrem Unternehmen?
Anhang
-299-
Betreuung
Trifft zu
Monetäre Merkmale (z.B. Einkommen, Vermögen)
q
Soziodemographische Merkmale (z.B. Alter, Geschlecht)
q
Geographische Merkmale (z.B. Wohnort)
q
Mikro-geographische Daten (Zellen, Straßenzüge)
q
Lebensphasen (z.B. Berufseinstieg, Familiengründung)
q
Bestimmte Lebensereignisse (z.B. Heirat, Eigenheimerwerb, Pensionierung, Firmengründung, ...)
q
Risikoprofil/Risikoneigung
q
Psychographische Merkmale (z.B. Werte, Verhalten,
Bedürfnisse)
q
Typologien (z.B. Sinus-Milieus, Marktradar (PKS), ...)
q
Nachfrageverhalten (z.B. Kaufhäufigkeit, Kaufmotive,
Vertriebskanalnutzung)
Affinitätsscore (Abschlusswahrscheinlichkeit für ein
Produkt)
Cross Selling - Potential (zukünftige EntwicklungsChancen)
q
q
q
Weiterempfehlungsbereitschaft (z.B. Meinungsbilder,
Kunden mit Netzwerk)
q
Kundenwert (z.B. ABC-Kunden, …)
q
5. In welchem Ausmaß stimmen Sie den folgenden Aussagen zur strategischen Bedeutung der Segmentierung in Ihrem Unternehmen zu?
-300-
Anhang
<stimme
stimme voll
nicht zu
zu>
Dank der Segmentierung haben wir strategim
m
m
m
m
m
m
m
m
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m
Für jede Zielgruppe gibt es in der Unternehmen einen Verantwortlichen
m
m
m
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m
m
Die Segmentierung nutzt mehr, als sie kostet
m
m
m
m
m
m
Insgesamt ist unsere Segmentierungsstrategie
erfolgreich
m
m
m
m
m
m
sche Vorteile gegenüber der Konkurrenz erlangt
Dank unserer Segmentierung differenzieren
sich unsere Angebote aus Kundensicht klar
Unsere Segmentierung erlaubt eine hohe Differenzierung am Markt, bei gleichzeitiger interner Standardisierung
Dank unserer Segmentierung können wir intern die Marktbearbeitung effizienter gestalten
6. In welchem Ausmaß stimmen Sie den folgenden Aussagen zur praktischen Umsetzung der Segmentierung in Ihrem Unternehmen zu?
Anhang
Unsere Zielgruppen sind klar abgegrenzt und
intuitiv verständlich
Im Unternehmen herrscht ein einheitliches
Bild über die Wünsche und Bedürfnisse der
-301-
<stimme
stimme voll
nicht zu
zu>
m
m
m
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m
m
m
m
m
m
m
m
Zielgruppen
Wir befragen unsere Zielgruppen regelmäßig
in Bezug auf ihre Bedürfnisse und Wünsche
Wir nutzen auch interne Datenquellen, z.B.
aus dem Vertrieb oder aus dem Controlling,
um unserer Zielgruppen besser zu verstehen
Unsere Produkte bieten unseren Zielgruppen
einzigartige Vorteile im Vergleich zu den Produkten unserer Wettbewerber
Unsere Produkte sind besser auf die Bedürfnisse unserer Zielgruppen zugeschnitten, als
die Produkte unserer Wettbewerber
Wir lösen mit unseren Angeboten Probleme
unserer Kunden ganzheitlich
Wir achten darauf, dass die Zielgruppen fokussiert bearbeitet werden und sich die Angebote nicht zu sehr überschneiden
7. Wie wirkt sich die Kundensegmentierung konkret in der Marktbearbeitung aus?
-302-
Anhang
Für die verschiedenen Zielgruppen haben wir …
Trifft zu
… unterschiedliche Produkte/Leistungen an
q
… unterschiedliche Konditionen/Preise
q
… unterschiedliche Beratungs- und Betreuungsintensität
q
… unterschiedliche Qualifikationen und Zuständigkeiten der Berater
… unterschiedliche Bearbeitungsprioritäten
q
q
… eine aktive Steuerung des Vertriebskanals pro Kunde q
… eine differenzierte Kundenansprache (z.B. Werbebotschaft, Vertriebskanal, Häufigkeit)
q
… eine eigene Ausgestaltung des Internet-Auftritts
q
… eine Differenzierung der Marken- und Imagewerbung
q
… unterschiedliche Servicestandards
q
8. Wo sehen Sie den größten Nutzen der Segmentierungsstrategie?
Anhang
-303-
Leistungen
4 wichtigsten
Bessere Erfüllung der Kundenbedürfnisse
q
Bessere Ausschöpfung des Marktpotentials
q
Bessere Ausschöpfung der Potentiale einzelner Kunden (share
of vallet)
q
Senkung der Kosten der Marktbearbeitung
q
Maximierung der Erträge aus der Marktbearbeitung
q
Konzentration auf profitable Kundengruppen
q
Schnelleres Volumenwachstum
q
Differenzierte Pricing-Strategie
q
Optimierung der internen Prozesse
q
Risikomanagement/Risikofrüherkennung
q
Differenzierung gegenüber Mitbewerbern
q
Schnellere Anpassung an Marktveränderungen
q
Effizienterer und günstiger Kundenservice
q
Ganzheitlichere Problemlösung beim Kunden
q
Besseres Image/Markenwahrnehmung
q
9. In welchem Ausmaß stimmen Sie den folgenden Aussagen zur Entwicklung und
Pflege der Segmentierung in Ihrem Unternehmen zu?
-304-
Anhang
<stimme
stimme voll
nicht zu
zu>
Die Segmentierungslogik ist durch einen interaktiven Prozess zwischen Marketing, Produktentwicklung und Vertrieb entwickelt worden
Der Vertrieb ist eng in die Einführung und
Weiterentwicklung der Segmentierungsstrate-
m
m
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m
m
m
gie eingebunden
Wir überprüfen unsere Angebote regelmäßig
und testen, ob sie noch zu den Bedürfnissen
der Zielgruppen passen
Wir integrieren die Überprüfung der Zielgruppenangebote in die allgemeinen strategischen
Planungsprozesse
10. Welche Informationsquellen werden für die Segmentierung verwendet?
Anhang
Betreuung
Kundendaten: Personenbezogene Daten (z.B. Alter, Familienstand)
-305-
Trifft zu
q
Bestandsdaten aus der eigenen Geschäftseinheit (z.B. Produktbestand)
q
Bestandsdaten aus anderen Geschäftseinheiten/Tochtergesellschaften
q
Bewegungsdaten (z.B. Zahlungsströme)
q
Veränderung von Bestandsdaten (z.B. Vermögenszuwachs)
q
Kundenbesuchsberichte/Bewertung durch Kundenberater
q
Daten aus Kundenberatung
q
Kundenbefragungen
q
Externe Marktforschungsdaten
q
Externe Kundendaten
(Einkauf von Zusatz-Informationen z.B. bei Adressbroker)
q
Andere:___________________________________________ q
11. In welchem Ausmaß stimmen Sie den folgenden Aussagen zur Integration der
Segmentierung in Ihrem Unternehmen zu?
-306-
Unsere Segmentierungslogik ist in den ITSystemen abgebildet
Die Produktvarianten und Lösungen, die wir
unseren Zielgruppen anbieten, können kosten-
Anhang
<stimme
stimme voll
nicht zu
zu>
m
m
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m
m
m
m
m
m
m
m
günstig produziert werden
Die Segmentierungslogik ist in den Vertriebssteuerungssystemen abgebildet; Es existieren
segmentspezifische Vertriebsziele
Für jede Zielgruppe gibt es im Unternehmen
klare Verantwortliche, die die Bearbeitung der
Zielgruppe koordinieren
Für die Bearbeitung der Zielgruppen werden
eigene Marketingbudgets eingeplant
Für Vorstand und wichtige Bereiche im Unternehmen existieren segmentspezifische Zielvereinbarungen
Wir können Erfolg einzelner Segmente durch
entsprechende Controllingsysteme klar beurteilen
Wir können Bewegungen von Kunden zwischen den Segmenten identifizieren
Es gelingt uns, ein hohes Maß an Synergien
zwischen den Segmenten zu nutzen
Es gelingt uns, eine hohe Differenzierung am
Markt bei gleichzeitig hoher Standardisierung
der Prozesse und Produkte zu gewährleisten
Services und Produkte, die wir selbst nicht
kostengünstig anbieten können, werden von
externen Partnern eingekauft
Anhang
-307-
12. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei Segmentierungsstrategien?
Herausforderungen
4 wichtigsten
Kostenkontrolle der Segmentierungsstrategie ist schwierig
q
Veränderte Bedürfnisse der Zielgruppen zu spät bemerkt
q
Es gelingt oft nicht, geeignete Produkte für die Zielgruppen
zu entwickeln
q
Es fehlt die Unterstützung durch das Top-Management
q
Der Vertrieb ist nicht ausreichend Integriert
q
Es gibt keine Verantwortlichen, die sich ausreichend um die
Segmente kümmern
q
Die Segmentierungslogik ist zu abstrakt und kann im Verkauf q
nicht angewendet werden
Wir wissen oft nicht, was unsere Kunden wollen
q
Die Segmentierungsstrategie führt zu hohen Kosten
q
Die IT-Systeme sind nicht flexibel genug, um mehrere Produktvarianten anzubieten
q
Statistik
13. Tätigkeitsgebiet Ihres Unternehmens (bitte markieren Sie alle zutreffenden)
Lebensversicherung
q
Nichtleben-Versicherung
q
Krankenversicherung
q
Rückversicherung
q
Unabhängiger Broker
q
Unternehmensberatung
q
14. Tätigkeitsgebiet Ihres Unternehmens
-308-
Anhang
Regional
m
National
m
International
m
15. Unternehmensgröße (Anzahl Mitarbeiter)
1 - 500
m
501 - 1000
m
1001 - 2500
m
2501 - 5000
m
5001 +
m
16. Ihr persönlicher Arbeitsort
Deutschland
m
Österreich
m
Schweiz
m
Andere
m
z
17. Ihre Funktion/Aufgabengebiet
Anhang
-309-
Geschäftsleitung
m
Marketing/Vertrieb
m
Vermittler/freier Makler/Broker
m
Angestellter Außendienst
m
Strukturvertrieb
m
Bankvertrieb
m
Unternehmensentwicklung/Supportfunktionen
m
Kundendienst/Schadenmanagement
m
IT/Operations
m
Sonstiges
m
-310-
G.
Anhang
Autorenprofil
Beruflicher Werdegang
5/2010- heute
AXA Konzern AG, Köln
Senior Produktmanager Kfz-Retail
1/2009-04/2010
Freistellung zur Promotion
4/2006-1/2009
AXA Konzern AG, Köln
Senior Consultant Konzernentwicklung
7/2005-1/2006
Ernst & Young Han Yang, Seoul (Südkorea)
Internationales Praktikum im Bereich Business Development
9/2004-10/2004
AXA Konzern AG, Köln
Praktikum in der Konzernentwicklung
9/2002-2/2003
Ernst & Young AG, Frankfurt
Praktikum im Bereich Marketing
Ausbildung
7/2008-2/2012
Universität St. Gallen (Schweiz)
Promotion über das Thema „Management von Segmentierungen in der
Assekuranz“.
10/2000-2/2006
Westfälische Wilhelms-Universität, Münster
Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Corporate
Finance, Controlling und Rechnungslegung
1992-1999
Gymnasium Michelsenschule, Hildesheim
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