"Drüse außer Kontrolle": Funktionsstörungen der Schilddrüse

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GESUNDHEIT
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Drüse außer Kontrolle
Laborwerte
Foto: Fotolia/Henrie
Schilddrüsenhormone beeinflussen unseren Stoffwechsel und nehmen
Einfluss auf unser Befinden. Funktionsstörungen machen uns krank.
Kommt es zu einer Unter- bzw. Überfunktion der Schilddrüse, bereitet das häufig typische Beschwerden.
S
usanne ist oft müde, unkonzentriert und niedergeschlagen. Ihr ganzer Stoffwechsel
scheint in letzter Zeit nur „auf Minimum“ zu laufen. Der Pulsschlag
ist eher langsam. Sie fühlt sich
häufig schwach und ist antriebsarm. Des Öfteren hat sie mit Verstopfung zu tun. Und dass die Personenwaage immer weiter nach
oben zeigt, liegt nicht nur am steigenden Körperfett. Zunehmend lagert ihr Körper Wasser ein. In den
letzten Monaten friert sie auch
nicht der kühlen Temperaturen im
Winter wegen. Sie ist einfach kälteempfindlich.
Drüse benötigt Jod
Die geschilderten Beschwerden
führen die Landfrau schließlich
zum Hausarzt, der mit seinem Verdacht auf eine Unterfunktion der
Schilddrüse entsprechende Diagnoseverfahren einleitet. „Ich bin
erstaunt, wie viele Patienten mit typischen Beschwerden einer Schilddrüsenerkrankung zu uns kommen, ohne dass das Organ vorher
auf seine Funktion hin überprüft
wurde“, sagt Dr. Thomas Köhler,
Leitender Oberarzt der Klinik für
Innere Medizin des St. Josef-Hospitals in Bad Driburg. Dabei gibt es
typische Symptome und sichere
Diagnoseverfahren, um eine Funktionsstörung festzustellen.
Die Schilddrüse ist ein schmetterlingsförmiges Organ, das rechts
und links vom Kehlkopf liegt und
dessen „Flügel“ durch eine kleine
Brücke miteinander verbunden
sind. Es spielt eine zentrale Rolle
in unserem Stoffwechsel. Es bildet
das Hormon Calcitonin, das eine
zentrale Bedeutung im CalciumStoffwechsel hat. Aus Jod und Eiweißbausteinen bildet sie die
Schilddrüsenhormone L-Thyroxin
(T4, Levothyroxin) und Trijodthyronin (T3). Diese haben nicht nur
Einfluss auf Verdauung und Fettstoffwechsel, sondern auch auf
Wachstum, Kreislauf und Nervensystem.
Um die Schilddrüsenhormone bilden zu können, benötigt die Drüse
Jod. Das Spurenelement kann der
Körper jedoch nicht selbst bilden,
daher muss es mit der Nahrung
aufgenommen werden. „Erwachsene und Jugendliche benötigen
täglich etwa 200 Mikrogramm Jod
– Schwangere etwas mehr, Kinder
weniger“, informiert der Facharzt
für Innere Medizin. Ganz Deutschland sei Jodmangelgebiet. Trotz
verbesserter Versorgung der Bevölkerung etwa durch Gebrauch von
Jodsalz und der Verzehr von jodiertem Brot bestehe bei 30 % der Bevölkerung weiterhin ein Mangel.
Heiße und kalte Knoten
Bei einem Jodmangel kann sich die
Schilddrüse vergrößern und einen
Kropf, Struma genannt, entwickeln. In dem Fall versucht der Körper, genügend Schilddrüsenhormone zu bilden, indem er das
Schilddrüsengewebe vergrößert.
Die Gewebevermehrung kann sich
aber auch auf bestimmte Bereiche
im Schilddrüsengewebe beschränken, dann ist von Knoten die Rede.
„In der Altersgruppe der über
70-Jährigen ist jede zweite Frau und
etwa jeder dritte Mann betroffen.
Der größte Teil aller Schilddrüsenknoten ist jedoch gutartig“, sagt der
Mediziner.
Produzieren Gewebeanteile keine
Schilddrüsenhormone mehr, werden sie als „kalte Knoten“ bezeichnet. Sie können sich als Folge einer
Entzündung oder Zyste in der
Schilddrüse bilden. Nur sehr selten verbirgt sich hinter ihm ein
bösartiger Tumor. In der Regel werden kalte Knoten operativ entfernt.
Zum Teil produzieren Schilddrüsenknoten aber ungehemmt Hormone. Sie werden dann als „heiße
Knoten“ bezeichnet und führen
häufig zu einer Überfunktion der
Schilddrüse (Hyperthyreose).
Über- und Unterfunktion
Bei einer Überfunktion der Schilddrüse wird der Stoffwechsel angeregt. Die Patienten schwitzen vermehrt, haben einen schnelleren
Pulsschlag und höheren Blutdruck. Nicht selten zittern die
Hände. Die Patienten haben häufiger Stuhlgang und manchmal
Durchfall. Sie verlieren an Gewicht, sind innerlich unruhig,
schlafen schlecht und können sich
nicht gut konzentrieren.
Oft wird eine Überfunktion der
Schilddrüse durch eine Autoimmunerkrankung namens Morbus
Um die Funktion der Schilddrüse beurteilen zu können, nimmt
der Arzt Blut ab und lässt spezielle Laborwerte kontrollieren.
„Die Referenzbereiche für diese Schilddrüsenwerte können
von Labor zu Labor sehr unterschiedlich ausfallen. Daher
sind sie untereinander nicht
vergleichbar“, erklärt Dr. Thomas Köhler. Da an fast allen
Störungen der Schilddrüse das
Thyreoidea-stimulierende-Hormon (TSH) beteiligt ist, wird in
der
Regel
zunächst
die
TSH-Konzentration im Blut untersucht. Auf eine Überfunktion
der Schilddrüse weist in der
Regel ein niedriger basaler
TSH-Wert hin; ein erhöhter
TSH-Wert auf eine tendenzielle
Unterfunktion. Bei auffälligem
Befund werden zusätzlich die
freien bzw. ungebundenen Anteile der Schilddrüsenhormone
L-Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) kontrolliert. Meist
sind bei einer Störung beide
Werte erhöht bzw. erniedrigt.
Erhöhte freie T3- und T4-Werte
sind Anzeichen für eine Schilddrüsenüberfunktion, niedrige
Schilddrüsenhormonwerte weisen auf eine Unterfunktion hin.
Bei Verdacht auf eine der Autoimmunerkrankungen werden
zusätzlich typische Schilddrüsen-Antikörper bestimmt.
Basedow hervorgerufen. Dabei bildet der Körper spezielle Antikörper, die die Hormonproduktion unkontrolliert aktivieren. Neben weiteren seltenen Ursachen kann auch
eine zu hoch dosierte Behandlung
mit Schilddrüsenhormonen eine
Überfunktion hervorrufen.
Bildet die Schilddrüse zu wenig
Schilddrüsenhormone, ist von einer Unterfunktion (Hypothyreose)
die Rede. Nur selten ist diese Funktionsstörung angeboren.
Meist entwickelt sie sich, wenn
Drüsengewebe geschädigt wird,
etwa aufgrund einer Entzündung.
Für eine chronische Schilddrüsenentzündung ist häufig die Autoimmunkrankheit Hashimoto-Thyreoiditis verantwortlich. Dabei
greift das körpereigene Immunsystem Schilddrüsengewebe an und
zerstört es mit der Zeit. Zu einer
Unterfunktion kommt es des Weiteren, wenn die Schilddrüse entfernt worden ist oder eine Erkrankung der Hypophyse vorliegt.
Auch im Rahmen einer Radiojodtherapie kann eine Unterfunktion
auftreten.
LHo
5 / 2016
Ein Beitrag aus der Wochenblatt-Folge 5/2016, Seite 85
www.wochenblatt.com
85
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