Beurteilung und Gestaltung von Geräuschen auf Basis intermodaler Analogien Dr. Michael Haverkamp Ford Werke GmbH Köln veröffentlicht in: Klaus Becker (Hg.): Subjektive Fahreindrücke sichtbar machen III. Haus der Technik Fachbuch 56. Renningen: expert-Verlag, 2006 Einleitung Die Wahrnehmung der Geräuschqualität technischer Einrichtungen wird wesentlich vom Kontext beeinflusst [29]. Die Auswirkung der gesamten akustischen Umgebung des wahrnehmenden Subjekts auf die Beurteilung einzelner Geräuschanteile wurde bereits von Murray Schafer [28] herausgestellt. Darüber hinaus hat sich in letzter Zeit auch die entscheidende Bedeutung anderer Sinnesbereiche für die auditive Wahrnehmung gezeigt [18]. Im Rahmen der multi-sensuellen Umgebung wird die Wahrnehmung des gesamten Fahrzeuggeräusches ebenso von visuellen, taktilen und weiteren Sinnesmodalitäten beeinflusst wie die Einstufung von Geräuschen einzelner Komponenten in den Gesamtzusammenhang. Hier stellt sich insbesondere die Frage, welche allgemeinen Zusammenhänge zwischen den Sinnesbereichen (Modalitäten) für ein optimales Design von Produkten herangezogen werden können. Da Fahrzeuggeräusche dem Fahrer in der Regel auch vielfältige, für die Bedienung wichtige Rückmeldungen der korrekten und gewünschten Funktion bieten, muss die Gestaltung aller wahrnehmbaren Eigenschaften der Fahrerumgebung auch auf diese Funktionalität zugeschnitten sein. So gilt es bei der Gestaltung eines Schalters, die optimale Korrelation zwischen Funktion, visueller und taktiler Anmutung, Bewegung und Betätigungsgeräusch zu finden (Bild 1). Auch die zur Kennzeichnung gewählte Symbolik (Ikon) muss diesem Bedeutungsfeld widerspruchsfrei eingepasst werden. Geräusch Funktion Visuelle Anmutung Symbol Bild 1: Schalter einer elektrischen Parkbremse (EPB): Die Gestaltung des Schalters mit eindeutigem, klar umrissenem Objektcharakter korrespondiert mit der ausgelösten, klar definierten und eindeutigen technische Funktion. Der Objektcharakter des zugeordneten visuellen Symbols muss dem ebenso entsprechen wie das Betätigungsgeräusch. Die multi-sensorielle Optimierung geschieht am besten mit Hilfe inter-modaler Analogien. Damit können einzelne Eigenschaften verschiedener Sinnesbereiche unmittelbar miteinander verknüpft werden. Im Gegensatz zu den seltenen, individuell sehr spezifischen genuinen Synästhesien, die in [18] und [19] bereits ausführlich diskutiert wurden, können inter-modale Analogien von allen Menschen gebildet werden - sie gehören zum allgemeinen Repertoire des Wahrnehmungssystems. Damit kann das multi-sensorielle Design technischer Produkte auf einen breiten Personenkreis zugeschnitten werden. 1 Im Folgenden werden die prinzipiellen Möglichkeiten der Inter-modalen Verknüpfung und elementare Verknüpfungsgesetze anhand eines Modells kurz beschrieben. Dann werden verschiedene Möglichkeiten der Analogiebildung anhand von Erkenntnissen der Wahrnehmungspsychologie, Musik- und Kunstwissenschaft diskutiert. Abschließend wird an Beispielen aus der Werbung gezeigt, dass Analogiebeziehungen auch geeignet sind, festgelegte Assoziationen (z.B. hinsichtlich des Produktimages) zu durchbrechen, um neue Assoziationsfelder aufzubauen. Sie stellen so auch ein wichtiges Instrument zur Umwertung der Produkterscheinung dar. Klassifizierung inter-modaler Verknüpfungen Das Wahrnehmungssystem verfügt über verschiedene Strategien, inter-modale Inhalte miteinander zu verknüpfen. Zur Verdeutlichung der Zusammenhänge habe ich auf Basis der in der Literatur verfügbaren phänomenologischen Studien ein einfaches Modell mit fünf Ebenen entwickelt, das sich bei der Analyse multi-sensorieller Zusammenhänge und der Ausarbeitung von Konzepten der Gestaltung bewährt hat ([17] und [19]). Bild 2 zeigt das Schema für den Fall auditiv-visueller Verknüpfung. bewusste Konstruktion mathematisch / physikalische Verknüpfung Symbol / Metapher spontan kontextbedingt konkrete Assoziation intermodale Analogie spontan genuin Vorstellung genuine Synästhesie Signalvorverarbeitung auditiver Stimulus visuelle Wahrnehmung Signalvorverarbeitung visueller Stimulus Bild 2: Strategien inter-modaler Verknüpfung am Beispiel visueller Wahrnehmung/Vorstellung aufgrund auditiver Stimulierung Die Gestaltung von Geräuschen kann auf Prozesse jeder Ebene aufbauen. Nicht jede Strategie ist jedoch zur Schaffung allgemeingültiger Design-Lösungen geeignet, die ein breites Kundenspektrum ansprechen: 2 Genuine Synästhesie Genuine Synästhesie ist ein individuelles Phänomen, das nur bei relativ wenigen Personen ausgeprägt ist [18]. Daher stößt es bei Wahrnehmungspsychologen und Gehirnforschern inzwischen (wieder) auf großes Interesse. Da allgemein gültige Ergebnisse im Rahmen der Synästhesieforschung bislang nicht abgeleitet werden konnten, ist die Bedeutung für das multi-sensorielle Design zur Zeit jedoch gering. Zur Differenzierung von genuiner Synästhesie und intermodaler Analogie siehe Klaus-Ernst Behne [7] und [8]. Der Begriff Synästhesie wird häufig auf alle Möglichkeiten der inter-modalen Verknüpfung entsprechend Bild 2 übertragen. In diesem Text ist jedoch stets das spezifische Phänomen der genuinen Synästhesie gemeint. Inter-modale Analogie Im Gegensatz zu den im Individuum fest angelegten, genuinen Synästhesien sind inter-modale Analogien vom Kontext beeinflussbar und können so situationsabhängig variieren. Über Analogien werden einzelne Eigenschaften einer Sinneswahrnehmung mit Eigenschaften eines anderen Sinnesbereiches verknüpft. Im Gegensatz zu genuiner Synästhesie sind alle Menschen in der Lage, Analogien zu bilden, und tun dies intuitiv im Rahmen der Wahrnehmungsprozesse. Die inter-personale Varianz ist deutlich geringer als bei Synästhesie, und es existieren Analogien, die der überwiegenden Zahl von Personen als besonders nahe liegend erscheinen. Diese bevorzugten Lösungen spielen daher eine besondere Rolle im multi-sensoriellen Design, das auf die Erwartungen großer Personengruppen abzielt. Konkrete Assoziation Mit dem Begriff konkrete Assoziation bezeichne ich Verbindungen, die aufgrund einer Identifikation von Objekten entstehen. Zum Beispiel wird das Fahrgeräusch eines Automobils mit dessen visueller Erscheinung assoziiert, sofern beides bekannt ist. Es ist also vorausgesetzt, dass die Zuordnung früher gelernt wurde - in der Regel bei gleichzeitig vorhandener auditiver und visueller Wahrnehmung - und im aktuellen Fall erinnert wird. Der Blindenlehrer Wilhelm Voss wählte für die Beschreibung konkreter Assoziationen seiner Schüler den Begriff Dingwahrnehmung, wenn das Erscheinen von Visualisierungen von Alltagsgegenständen als Folge auditiver Stimulierung berichtet wurde [34]. Barbare Flückiger klassifiziert dies als Semantik erster Ordnung [16]. Bei Klingeltönen von tragbaren Telefonen sind zur Abgrenzung von künstlichen Geräuschen neuerdings die Bezeichnungen true sound oder real sound gebräuchlich. Beim Geräuschdesign im Fahrzeug liegt eine konkrete Assoziation immer dann vor, wenn auf bereits gewohnte Geräusche zurückgegriffen wird und z. B. das bekannte Geräusch des Blinkerrelais heute elektronisch generiert und per Lautsprecher abgestrahlt wird. Symbol und Metapher Inter-modale Verknüpfungen können auch unter Bezug auf den symbolische Gehalt von Wahrnehmungsereignissen gebildet werden. So können z. B. verschiedene au3 ditive und visuelle Alarmsignale einander zugeordnet werden, auch wenn diese bisher nicht zusammen wahrgenommen wurden. Symbolik ist auch die Grundlage der Verbalisierung von Geräuschvorgängen, die umgangssprachlich, aber auch in psycho-physikalischen Versuchen bedeutsam ist (semantisches Differential). Im Gegensatz zum assoziativen Erkennen eines Geräusches bzw. einer Geräuschquelle setzt das Erfassen eines symbolische Gehaltes die Kenntnis seiner Bedeutung voraus (Semantik höherer Ordnung [16]). Dies kann im Design nur ausgenutzt werden, wenn die Kenntnis der Symbolik beim Kunden eindeutig und fest verankert ist. Da allgemein verstandene Symbolik stetigem Wechsel unterworfen ist, birgt dies bei der Produktdefinition auch Gefahren. Der Einsatz des aus Passagierflugzeugen bekannten, glockenartigen Signals bei einem Fahrer-Informationssystem wäre z. B. ein Rückgriff auf bekannte Geräuschsymbolik. Bewusste Verknüpfung Es besteht natürlich die Möglichkeit, inter-modale Verbindungen durch Anwendung bewusst konstruierter Konzepte herzustellen, insbesondere auf Basis mathematischphysikalischer Zusammenhänge. So wurde oft versucht, physikalische Eigenschaften von sichtbarem Licht und hörbarem Schall miteinander in Beziehung zu setzen. In der audio-visuellen Kunst geschieht dies häufig durch Anwendung komplexer Algorithmen. Verschiedene Beispiele wurden in [18] diskutiert, eine ausführliche Darstellung der historischen Entwicklung zum Farbe-Ton-Problem gibt Jörg Jewanski [20]. Die Anwendung formaler Konzepte bei der Gestaltung führt jedoch in der Regel nicht zu Ergebnissen, die der Wahrnehmung unmittelbar zugänglich sind. Es wurde zu Recht vorgeschlagen, die bewusste Zuordnung verschiedener Sinnesbereiche im Rahmen gestalterischer Prozesse als Synästhetik zu bezeichnen und so von unwillkürlichen Verknüpfungen der (genuinen) Synästhesie abzugrenzen [15]. Bei der Beurteilung der Verknüpfungen verschiedener Ebenen im Hinblick auf die Bildung in sich geschlossener Wahrnehmungsobjekte sind die im folgenden diskutierten Gesetzmäßigkeiten der Parallelverarbeitung und Integration zu berücksichtigen. Bild 3: Beispiel für Integration / Gruppierung visueller Information: Die beiden ovalen Formen werden aufgrund der Analogie der Form als zusammengehörig, jedoch als von der Linienstruktur abgegrenzt wahrgenommen. Die einzelne, gerundete Form links unten kann jedoch erst zugeordnet werden, wenn sie als fliegender Vogel identifiziert wurde (konkrete Assoziation) 4 Parallelverarbeitung Für ein eingehendes Verständnis der Verknüpfung verschiedener Sinnesattribute ist insbesondere die Berücksichtigung der Parallelverar- beitung wesentlich. Parallelverarbeitung kann als beherrschendes Prinzip der Signalverarbeitung im Wahrnehmungssystem angesehen werden (siehe zum Beispiel bei Christoph von Camphausen [11]). Dies gilt offenbar auf dem niedrigsten, neuronalen Niveau ebenso wie für die Bereiche der kognitiven und emotionalen Verarbeitung, wie von Antonio Damasio beschrieben [13]. Für das hier diskutierte Modell der inter-modalen Verknüpfung bedeutet dies, dass Verknüpfungen auf mehreren Ebenen zeitgleich erfolgen können. Die Ergebnisse der Verknüpfung sind zunächst voneinander unabhängig. Dies entspricht auch der täglichen Erfahrung, bei der z. B. ein musikalisches Motiv eine Assoziation (z.B. „Dorffest“) auslösen kann, dabei ein zum Klang korrelierter Helligkeitswert zugeordnet wird und es gleichzeitig möglich ist, die musikalische Struktur analytisch zu betrachten. Inter-modale Integration Nachdem deutlich wurde, dass unterschiedliche Strategien der inter-modalen Zuordnung möglich sind, stellt sich die Frage, wie die Ergebnisse der Zuordnung im Wahrnehmungssystem verbunden werden, so dass eine Gestaltwahrnehmung entsteht, die alle Modalitäten (Sinne) berücksichtigt. Im Rahmen der dazu notwendigen Integrationsprozesse muss die dem Wahrnehmungssystem zugängliche Gesamt-Information so organisiert werden, dass die von einem realen Objekt ausgehenden Reize in gruppierter Form einer wahrgenommenen Gestalt zugeordnet werden können. Dies Bild 4: Die drei Dimensionen multi-sensorieller Integration. Genuine Synästhesie, intermodale Analogie und häufig auch bewusste Verknüpfung beziehen sich auf einzelne Eigenschaften, die beispielhaft aufgeführt sind, während die Verknüpfungen auf der Symbolebene und über konkrete Assoziation auf identifizierte Objekte als Gesamtheit wahrgenommener Eigenschaften Bezug nehmen. 5 geschieht durch Trennung von Reizen verschiedener Objekte (segregation) und durch Zusammenführung der Reize, die einem Objekt zugeordnet sind (integration, grouping). Im visuellen Bereich müssen zum Beispiel Form, Farbe, Größe, Lage im Raum und Bewegung verknüpft werden (Bild 4). Wichtige Eigenschaften auditiver Objekte sind dagegen Lautheit, Grundfrequenz, Klangeigenschaften sowie ebenfalls Lokalisation und Bewegung. Nach Albert S. Bregman [10] ist die zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgende simultane Integration zu unterscheiden von der Bildung zeitlicher Strukturen durch sequentielle Integration. Bei der Wahrnehmung von Musik spielt simultane Integration eine wichtige Rolle bei der Zusammenfassung harmonischer Spektren zu einem als einheitliche Gestalt empfundenen Gesamtklang. Analog bewirkt sequentielle Integration die Zuordnung aufeinander folgender Töne zu einer Melodie. Werden nicht mehr isolierte Modalitäten betrachtet, sondern wird die Informationsverarbeitung aller Sinne mit der Möglichkeit inter-modaler Koppelungen mit einbezogen, so umfasst die simultane Integration nun auch die momentane Verbindung verschiedener Modalitäten. Dies beinhaltet sowohl die Möglichkeit, die in einzelnen Sinneskanälen durch Integration gewonnene Gestalten zu multimodalen Gesamtgestalten zu verknüpfen, als auch die direkte Verbindung einzelner Objekteigenschaften verschiedener Sinne. Im ersten Fall wird zum Beispiel ein spezifisches Klangobjekt (Klingeln) einem visuellen Einzelobjekt (Fahrrad) zugeordnet. Ein Beispiel für den zweiten Fall ist die Zuordnung einer visuell wahrgenommenen Bewegung zu damit korrelierten Geräuscheigenschaften, z.B. eines Antriebsmotors. Bei Berücksichtigung des vorgestellten Ebenenmodells in einem Gesamtschema der Integration (Bild 4) kommt zur simultanen und sequentiellen Integration eine dritte Bild 5: Die Komplexität der Bedien- Dimension hinzu: die Integration der Verelemente verlangt sorgfältige knüpfungsebenen. Abstimmung visueller, taktiler und Der Integrationsprozess kann eine Verauditiver Eigenschaften im Hinblick schmelzung der Verknüpfungsergebnisse auf die geforderte Gruppierung zu beinhalten. Der McGurk-Effekt zeigt, dass eindeutigen Wahrnehmungsobjekten auch bei widersprüchlicher Information verschiedener Sinnesbereiche ein Kompromiss gebildet werden kann: eine akustisch wiedergegebene Silbe wird als klanglich modifiziert wahrgenommen, wenn die im Versuch gleichzeitig präsentierte Lippenbewegung nicht genau dazu passt [24]. Eine Theorie der inter-modalen Integration besagt, dass das Gehirn im Falle widersprüchlicher oder von einander abweichender Informationen verschiedener Sinneskanäle bestrebt ist, ein Gesamtergebnis zu finden, bei dem die Abweichungen möglichst klein sind. Dies ist jedoch nur in den Fällen an6 zunehmen, in denen die Sinneseindrücke zu einem Gesamtergebnis verschmolzen werden. Neben der verschmelzenden Integration werden jedoch weitere Prozesse zur Behandlung widersprüchlicher Eingangsdaten der Modalitäten beobachtet: Bei der inhibitorische Integration bestimmen Ergebnisse der Verarbeitung eines Sinnesbereiches die Eigenschaften des Wahrnehmungsereignisses, während die dem widersprechende Information anderer Bereiche unberücksichtigt bleibt. Der Bauchrednereffekt (Ventriloquismus) verdeutlicht, dass die Lokalisation einer Schallquelle oft stärker von visuellen Signalen bestimmt wird, die zeitlich mit den wahrgenommenen Schallereignissen korrelieren, als von akustischen Parametern. Da das Sehen eine größere Lokalisationsschärfe bietet als das Hören, ist dies für die Identifikation von Schallquellen auch sinnvoll. Im Ventriloquismus-Effekt wurde ein Indiz für die prinzipielle Dominanz des Visuellen vor dem Auditiven gesehen. Wahrnehmungsversuche zeigen aber, dass im Fall undeutlicher visueller Signale wiederum die auditive Richtungs-Information bevorzugt wird (David Alais & David Burr [2]). Bei undeutlicher Sicht ist auch ein Zwischenzustand möglich, bei dem es zur Verschmelzung der widersprüchlichen Informationen kommt: In diesem Fall wird der Mittelwert beider Richtungs-Informationen gebildet. Ist die Position der Schallquelle mit der Lage des visuellen Ereignisses identisch, so ist die Genauigkeit der Richtungs-Information in der Regel besser als bei Auswertung nur einer Modalität. Der Ventriloquismus-Effekt ist somit ein Beispiel für die Optimierung der Objektwahrnehmung durch Auswahl der Information höchster Genauigkeit. Es ist auch möglich, dass widersprüchliche Sinnesinformationen ins Bewusstsein dringen, ohne dass ein integratorischer Ausgleich erfolgt. So zeigen bildliche Darstellungen synästhetischer Wahrnehmung, z. B. bei Georg Anschütz [3], häufig Aspekte mehrerer Ebenen, z. B. ein Nebeneinander von Formen genuiner Synästhesie mit Aspekten intermodaler Analogie und mit konkret assoziativen Elementen. Traditioneller Ansatz (one-to-one relation): Reiz Objekt Attribut Objekt Attribut bi-directional primäres sekundäres sensorisches sensorisches Feld Feld Neuere Erkenntnisse (one-to-many relation): Objekt Attribut P Reiz Objekt Attribut P P P uni-directional Wahrscheinlichkeitsabhängig Objekt Attribut Objekt Attribut Objekt Attribut Bild 6: one-to-one und one-to-many-relation. Im Fall auditiv-visueller Verknüpfung bezieht sich das primäre sensorische Feld auf auditive, das sekundäre dagegen auf visuelle Wahrnehmung 7 Prinzipielle Eigenschaften von Analogiebeziehungen Aus der Analyse von Wahrnehmungsphänomenen ergibt sich, dass bei der inter-modalen Verknüpfung über Analogien folgende Gesetzmäßigkeiten bedeutsam sind: - Eins-zu-Viele-Verknüpfung (one-to-many relation): die Aktivierung eines Sinnesbereiches im primären sensorischen Feld bewirkt die Aktivierung weiterer, sekundärer Bereiche. So können mehrere sekundäre Attribute einem primären zugeordnet sein. Die Verknüpfung ist jedoch nicht fest, sondern wird von Fall zu Fall mehr oder weniger wirksam. Bild 6 verdeutlicht den Unterschied zu Eins-zu-Eins-Verknüpfungen (one-to-one relation), wie sie als feste Verbindung bei der Beschreibung technischer, kausaler Systeme anwendbar sind. - Die Verknüpfungen sind in der Regel in einer Richtung wirksam (uni-directional), können im Gegensatz zur genuinen Synästhesie jedoch auch bi-directional erscheinen. - Die Verknüpfungen zeigen häufig eine Unsymmetrie. Die Art der Verknüpfung hängt dann von der Richtung der Änderung ab (zu größeren oder kleineren Werten des jeweiligen Attributes). So wurde in Wahrnehmungsversuchen die Zunahme der Tonhöhe bevorzugt mit einer Objektbewegung vom Hörer weg verknüpft, während die Abnahme der Frequenz einer Bewegung nach links entsprach (Eitan & Granot [14]). - Inter-modale Verknüpfungen zeigen relative Zuordnungen bei gleichzeitiger Abhängigkeit vom Kontext. Damit ist eine quantitative Zuordnung über Verhältnisskalen möglich. Eine absolute Referenz existiert jedoch nicht. - Die Art der Analogiebeziehung kann über Objektidentifikationen (konkrete Assoziation) und Symbolik mitbestimmt sein. So können z.B. beschleunigte Ton-Repetitionen mit gleichzeitiger Abnahme der Tonfrequenz über die Assoziation eines bergab springenden Balls („a ball bouncing downhill“) mit der Abnahme räumlicher Höhe verknüpft werden [14]. - Über Analogiebeziehungen können auch konkrete Assoziationen geschaffen werden. So geschieht die Verknüpfung von auditivem und visuellem Blinkersignal über das zeitlich analoge Verhalten (Synchronie). Motorgeräusch wird dann mit robustem Antriebsverhalten assoziiert, wenn es sich analog zur Fahrzeugbewegung verhält. Aus der Möglichkeit der Schaffung neuer assoziativer Verbindungen durch Anwendung von Analogiebeziehungen resultiert deren große Bedeutung für das multi-sensorielle Design: es ist damit nicht erforderlich, auf assoziative Verknüpfungen Bezug zu nehmen, die im Kunden bereits vorgeprägt sind. Diese Eigenschaft wird daher auch im Werbespot ausgenützt, wie weiter unten ausgeführt ist. Die Idee der Verwendung formaler Analogien zur Schaffung assoziativer Zuordnung im Film ist jedoch nicht neu. Der Filmemacher und Filmtheoretiker Hans Richter weist bereits 1928 auf die Bedeutung von Ideenassoziationen im künstlerischen Film hin. Diese können durch Analogiebeziehungen geschaffen bzw. unterstützt werden: Die Ideenassoziation „ist um so zwingender, je mehr durch die Beziehung der Formen auf die Beziehungen des Inhalts hingewiesen ist“ [27]. Der Begriff Analogie soll hier auf Ereignisse beschränkt bleiben, die auch wahrnehmbar sind. Die Bezeichnungen weißes Rauschen und rosa Rauschen basieren dagegen auf einer physikalischen Analogie der spektralen Verteilung von Schall- und Lichtwellen, die physikalisch begründet, jedoch nicht unmittelbar wahrnehmbar ist (physikalisch-mathematische Verknüpfung). 8 Zeitliche Analogie Die zeitliche Verknüpfung von Wahrnehmungs-Ereignissen verschiedener Sinnesbereiche geschieht oft nach dem Prinzip des gemeinsamen Schicksals. Dabei wird im Wahrnehmungssystem die Korrelation der zeitlichen Änderung einzelner Eigenschaften wahrgenommener Objekte ausgewertet. Ganz elementare Zusammenhänge, wie etwa die Gleichzeitigkeit (Synchronie) von Reizen genügen oft, um multisensorielle Verbindungen herzustellen. So kann ein akustisches Blinkersignal in seinen Geräuschqualitäten beliebig gewählt werden, ohne auf bisher gewohntes (z. B. Relaisgeräusch) assoziativen Bezug zu nehmen. Solange ein zeitsynchrones Verhalten zum optischen Signal vorliegt, wird die Verbindung zwangsläufig hergestellt. Bei der Zuordnung auditiver und visueller Signale im Rahmen der multi-sensoriellen Integration ist entscheidend, ob die Wahrnehmungsereignisse als gleichzeitig empfunden werden oder einen zeitlichen Versatz aufweisen. Die für die Synchronie maßgeblichen Schwellenwerte der Verzögerung wurden von Kohlrausch & van de Par (zit. in [21]) experimentell untersucht. Hierzu wurden einfache Stimuluspaare in Form von Audio- und Videosignalen mit verschiedenen Verzögerungen hinsichtlich synchroner oder asynchroner Wahrnehmung beurteilt. Die Ergebnisse zeigen hinsichtlich der Zeitachse eine charakteristische Asymmetrie: die Unterscheidbarkeitsschwelle für asynchrone Signale liegt mit verzögertem Videosignal bei -30ms, mit verzögertem Audiosignal dagegen bei +90ms. Eine mögliche Erklärung für die Asymmetrie liegt darin, dass bei der Wahrnehmung natürlicher Vorgänge aufgrund der verschiedenen Ausbreitungsgeschwindigkeit der Schall einer Quelle stets gegenüber dem Licht verzögert das Ohr erreicht – ein Quellenabstand von 10m bewirkt bereits eine Verzögerung von 30ms. Die Schwellenwerte sind abhängig von der Art der verwendeten Signale, z.B. ergeben sich deutlich höhere Werte bei der Untersuchung von Sprachstimuli. Das Ergebnis von Versuchen zur Synchronie kann nach Kohlrausch [21] auch folgendermaßen aufgefasst werden: - es existiert ein großer Bereich von ca. 150ms, in dem Verzögerungen zwischen auditiven und visuellen Reizen nicht wahrgenommen werden - es besteht eine charakteristische Asymmetrie, die zu einer Verschiebung des Bereiches synchroner Wahrnehmung führt - die Asymmetrie kann auch als symmetrisches Phänomen um einen Punkt subjektiver Gleichzeitigkeit aufgefasst werden, der bei ca. 40ms Verzögerung des AudioSignals liegt. Das Wahrnehmungssystem tendiert prinzipiell dazu, auditive und visuelle Signale zu verknüpfen, die den Beobachter gleichzeitig erreichen. Dies gilt auch dann, wenn die Quellen der Signale offenbar nicht zusammen vorkommen können (Arnold et al. [4]). Aufgrund konkret assoziativer Verknüpfungen über die Objektidentifikation ist es allerdings auch möglich, Signale einer Quelle zuzuordnen, obwohl diese als deutlich asynchron empfunden werden, wie dies aufgrund großer Laufzeitunterschiede der Fall sein kann. Dies geschieht jedoch nicht auf Grundlage inter-modaler Analogie und setzt daher voraus, dass die Verknüpfung der Wahrnehmungsobjekte verschiedener Modalitäten durch Lernprozesse verankert ist. Synchron empfundene Reize werden dagegen auch verknüpft, wenn die Quelle unbekannt ist oder es sich um künstliche Signale handelt. 9 Aus der Fähigkeit, auch asynchrone Signale einander zuzuordnen, ergeben sich prinzipiell Unterschiede zwischen der gerade wahrnehmbaren Verzögerung und der Akzeptanzschwelle [22]. Für Fahrer-Informationssysteme im Automobil (Infotainment, z.B. Navigationssystem) ist gefordert, möglichst viele Informationen ausschließlich auditiv zu übermitteln, um den Blick des Fahrers nicht von der Verkehrssituation abzulenken. Es ist allerdings bekannt, dass die visuelle Analyse der Lippenbewegung beim Sprechen die Sprachverständlichkeit deutlich erhöhen kann, insbesondere dort, wo das Umgebungsgeräusch das Hören erschwert. Systeme zur softwaregesteuerten Sprachausgabe ermöglichen oft nur eine begrenzte Verständlichkeit, da die fest programmierte Aussprache und eine vereinfachte Ausprägung der Satzmelodie die Natürlichkeit der Sprache beeinträchtigen. Es ist daher sinnvoll, Sprachausgabesysteme zusätzlich mit visuellen Simulationen der Lippenbewegung und Mimik von Sprechern auszurüsten (s. strukturierte Sitzung der Tagung DAGA 2005: „audio-visuelle Spracherkennung und -synthese [12]). Zur Interpretation von Ausdruck und emotionalem Gehalt verbaler Kommunikation tragen Hören und Sehen gleichermaßen bei – entsprechend der im Alltag gewohnten Interaktion von Sprache, Mimik und Gestik. So ist zum Beispiel der Ausdruck der Freude sowohl im auditiven als auch im visuellen Signal codiert und kann beiden Modalitäten entnommen werden (Aubergé & Cathiard [5]). Beide Sinnesbereiche unterstützen sich jedoch gegenseitig – auch bei klarer visueller Information unterstützt insbesondere der Sprachrhythmus (Prosodie) die Interpretation. So wird selbst die Unterscheidung spontaner Freude vom simulierten Ausdruck des mechanischen Lächelns möglich. Die Qualitätsbeurteilung wird durch inter-modale Koppelungen beeinflusst. Beerends & de Caluwe (zit. von Kohlrausch [22]) untersuchten den Einfluss der angebotenen Bildqualität von Werbevideos auf die wahrgenommene Audioqualität. Bei hoher Bildqualität wir auch das Audiosignal als hochwertiger beurteilt – und vice versa, verglichen mit der Darbietung des Audio-Signals ohne Bild. Die dargebotene Audioqualität hat jedoch viel geringeren Einfluss auf die wahrgenommene Bildqualität. Andere Studien mit Sprachstimuli zeigen allerdings eine deutliche Beeinflussung in beiden Richtungen (Symmetrie). Es kann also gefolgert werden, dass die Audio-Qualität bei rein auditiver Fahrer-Information von besonderer Bedeutung für die Verständlichkeit ist. Dies gilt besonders für die Beurteilung synthetischer Spracherzeugung. Wo möglich, sollte Sprachausgabe mit visueller, mimischer Information unterstützt werden (z. B. bei Systemen für Mitfahrende). Exkurs 1: Synchronie im auditiven Bereich Zum Vergleich soll hier kurz auf die Problematik der Gruppierung verschiedener Signale im auditiven Bereich eingegangen werden, die für die Bildung eindeutiger, auditiver Wahrnehmungsobjekte besonders wichtig ist: Die Echoschwelle bestimmt die Verzögerung, bei der eine Schall-Reflektion als vom Direktschall getrennt wahrgenommen wird. Wenn die Pegel für Direktschall und Echo gleich sind, liegt der Schwellenwert für Impulse bei 20ms, für Sprache bei 30ms. Die 10 Echoschwelle wird jedoch von weiteren Parametern, wie der Impulsdauer und der Schalleinfallsrichtung beeinflusst (Blauert, fig. 3.12, 3.14, 3.15 [9]). Unterhalb der Echoschwelle, d.h. bei kürzerer Zeitverzögerung zwischen Direktschall und Echo, verschmelzen beide Wahrnehmungsereignisse zu einem Geräuschobjekt. In diesem Fall beeinflusst das Echo lediglich die Klangfarbe. Für die Richtungswahrnehmung gilt dann das Gesetz der ersten Wellenfront: die Lokalisation wird ausschließlich durch die Schalleinfallsrichtung des Direktschalls bestimmt. Einschwingzeiten akustischer Musikinstrumente liegen im Bereich 20-200 ms; bei weichem Einsatz tiefer Streichinstrumente können annähernd 500 ms erreicht werden. Beim Synchronspiel mehrerer Musiker werden maximal 50 ms Zeitversatz zwischen dem Einsatz der einzelnen Instrumente toleriert (Meyer [25]). Beim Geräuschdesign ist drauf zu achten, dass die gesamte Schallabstrahlung eines funktionellen Vorgangs oder eines Signalgebers auch als ein in sich geschlossenes Geräuschobjekt wahrgenommen wird. In der Praxis ist die Ausführung einer physikalische Funktion jedoch häufig mit verschiedenen Teilprozessen verbunden. Selbst ein einfacher Schalter kann daher verschiedene Geräusche zeitversetzt abstrahlen. p Pa Zeit SPL / dB(A) f Hz Zeit SPL dB(A Zeit Bild 7: Zeitverhalten eines Schalters für die elektrische Parkbremse. Die Schallereignisse sind mit Pfeilen gekennzeichnet. links: Schalldruck mitte: Spektrum des Schalldruckpegel (SPL) rechts: Schalldruckpegel (SPL) Bild 7 zeigt das Geräuschverhalten (Klicken) eines Tippschalters für eine elektrisch betätigte Parkbremse. Anhand des Messergebnisses sind deutlich 3 Phasen mit jeweils verschiedenem Frequenzverhalten unterscheidbar. Durch konstruktive Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die Zeitverzögerung zwischen den einzelnen Ereignissen so kurz ist, dass es zur subjektiven Verschmelzung der Schallanteile kommt. In diesem Fall ist nur ein Geräuschobjekt wahrnehmbar, die spektralen Eigenschaften der Schallanteile verschmelzen zu einem Gesamtklang. 11 Für ein Design, das als robust wahrgenommen wird, gilt offenbar allgemein, dass einer zu anderen Prozessen deutlich abgegrenzten Funktion in sich geschlossene Wahrnehmungsobjekte zuzuordnen sind. In dem genannten Beispiel ist die Funktion des Schalters ausschließlich: Einschalten/Ausschalten – entsprechend der Bremsenfunktion: Betätigen/Lösen. Dem müssen visuell, taktil und auditiv eindeutige Wahrnehmungsobjekte entsprechen – anderenfalls entsteht die Anmutung verminderter Qualität. Zum Beispiel. können dem Schalterklicken weitere Geräuschereignisse folgen, der Schalter „klappert“. Oder ein Teil der Schalterwippe bewegt sich fühlbar und sichtbar asynchron zur Kippbewegung, er führt ein unrobustes „Eigenleben“. Dieses Beispiel verdeutlicht auch das mögliche Nebeneinander verschmelzender und inhibitorischer Integrationsprozesse: ersteres betrifft den Klang, letzteres die Lokalisation. Analogie des Rhythmus Eine Übertragung der zeitlichen Analogie einzelner Wahrnehmungsereignisse auf Gruppen von Signalen führt zu einer Analogie des Rhythmus. Dabei ist sowohl der Rhythmus einer Abfolge visueller Signale (z.B. in Film und Tanz) mit dem musikalischen Rhythmus korrelierbar, als auch eine statische visuelle Struktur, z.B. ein Muster mit sich wiederholenden Merkmalen. Intersensorielle Attribute Es existiert eine Anzahl von Eigenschaften, mit denen Wahrnehmungsereignisse jedes Sinnesbereiches charakterisiert werden können. Nach Werner [35] sind dies Intensität, Helligkeit, Volumen, Dichte und Rauigkeit. Diese Attribute können durch Skalierung mit Ratio-Skalen einander zugeordnet werden (cross-modality-matching, nach Stanley Smith Stevens [32]). Auch darauf wurde bereits ausführlicher in [18] eingegangen. Ein Beispiel für die notwendige Harmonisierung der Skalen ist die Abstimmung der visuell wahrgenommenen Stellung eines Drehschalters für die Fahrzeugbelüftung mit der Intensität und Qualität des Lüftergeräusches. Die Änderung der Lautheit wird im Idealfall optimalen Designs als genau proportional zum Winkel des Drehschalters wahrgenommen. Mögliche Änderungen der Klangfarbe müssen ebenfalls proportional erfolgen. Werden bezifferte Stufen verwendet, so ist die Abstufung der Geräuscheigenschaften genau an die Zahlenskala anzupassen, die üblicherweise eine Ratioskala ist. Für die visuelle Anmutung von Drehschaltern ist es selbstverständlich, gleiche Abstände auf der Zahlenskala mit gleichen Drehwinkeln zu korrelieren. Weitere Anwendungen der inter-modalen Skalierung sind zum Beispiel die Schaffung eines akustischen Signals der Einparkhilfe, das sich genau proportional zum Abstand des Fahrzeugs zu Hindernissen verhält, sowie die Fahrerinformation über die Funktion der EPB über ein proportionales visuelles Signal, das zusätzlich zum hörbaren Geräusch erscheint. 12 Klang und Farbe Spätestens seit den Experimenten Louis-Bertrand Castels in der Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Zuordnung von Klang und Farbe Gegenstand zahlreicher Studien und künstlerischer Versuche [20]. Es zeigt sich jedoch, dass es keine „nahe liegende“ Lösung gibt, die sich allein am Farbton orientiert und von einer Mehrheit von Personen akzeptiert wird. Versuchspersonen neigen jedoch eher dazu, Farben anhand der Farbhelligkeit zu ordnen. Für die Farbcodierung akustischer Messdaten eignen sich daher insbesondere Farbskalen mit kontinuierlich zunehmender Hellig15 60 40 10 L /d B f/k H z 20 5 0 0 0 10 t / s 20 0 5 f / kHz 10 15 -2 0 Bild 8: Verknüpfung des Visuellen mit dem Auditiven über die Helligkeits-Analogie. Richard Wagner: Gralsmotiv im Vorspiel zur Oper Lohengrin. Die Helligkeit des Grals - als visuelles Objekt auf der Opernbühne bzw. in der Vorstellung des Hörers - wird durch große Tonhöhe und Helligkeit der Klangfarbe beim Flageolettspiel der Violinen ausgedrückt. Links: Spektrum über der Zeit; Rechts: gemitteltes Spektrum, Schallpegel [dB] über Frequenz [Hz] keit. Typische Farben weisen eine charakteristische Helligkeit auf, die z.B. bei Blau gering, bei Gelb und Weiß dagegen groß ist. Eine geeignete Farbskala führt von Schwarz zu Weiß über Blau, Rot, Orange und Gelb. Dies wird in [18] anhand des Campbell-Diagramms eines Motorgeräusches näher diskutiert. Bild 8 gibt ein Beispiel für die Anwendung der Helligkeitsanalogie im Musiktheater. Klang und Form Nach möglichen systematische Zusammenhänge zwischen Klangqualitäten und visueller Form wurde ebenfalls gesucht. Auch hier bieten sich nahe liegende Lösungen an, die für die Gestaltung audio-visueller Kunst eingesetzt wurden (Bild 9). Interessant ist auch die Korrelation von Form und Oberflächenstruktur, die für Fahrzeug-Interieurs von Bedeutung ist, da die für die Bedienung wichtigen Elemente (Lenkrad, Schaltknüppel, Blinkerhebel, Lüftungsregler und viele andere) auch taktil wahrgenommen werden. Auf die zahlreichen Ansätze dazu soll an anderer Stelle näher eingegangen werden. 13 Bild 9: Analogie von Klangfarbe und Form/Oberfläche (timbre Ù shape-surface) von Objekten als Grundformen einer multimedialen Komposition: Adriano Abbado: „Dynamics“ [1] Analogie im Notensystem Im tradierten Notensystem des europäischen Kulturkreises entspricht die Tonhöhe der räumlichen Höhe der Notation (y-Achse), während die Zeit einer Bewegung von links nach rechts entlang der x-Achse entspricht (Bild 10). Die Transformation der Zeit entspricht so der Schreibrichtung von links nach rechts. Versuche, auditive Wahrnehmungsereignisse visuell umzusetzen, basieren oft auf dieser Analogie (Notations-Synästhesie). Bei der Darstellung akustischer Messergebnisse hat sich eine entsprechende Darstellung durchgesetzt, wobei als dritte Dimension die spektrale Bild 10: Analogie von Tonhöhe und Zeit im Notensystem und in der modernen Geräuschanalyse. Richard Wagner: Vorspiel zu "Parsifal", Takt 11-13. oben: spektrale Darstellung [Hz] über der Zeit [s] als Ergebnis eines Hörmodells unten: Partiturauschnitt für 1. Violinen (geteilt) und 1. Flöte 14 Amplitude farbig oder in Graustufen skaliert ist, wie ebenfalls in Bild 10 dargestellt. Die Entwicklung des Notensystems zeigt einen Übergang von der ursprünglichen Darstellung musikalischer Bewegung hin zu einer Darstellung statischer Tonhöhen und -dauern [18]. Analogie von auditivem und visuellem Raum Da es dem menschlichen Wahrnehmungssystem nicht möglich ist, eine Vielzahl von Signalen gleichzeitig mit gleicher Aufmerksamkeit zu verfolgen und kognitiv auszuwerten, muss der Designprozess eine strikte Auswahl und Hierarchisierung von Signalen leisten. Dies gilt sowohl für auditive und visuelle Signale, wie auch für Reize anderer Sinnesbereiche. Es muss zwischen Bedeutung tragenden Signalen, die Aufmerksamkeit verlangen, unterschieden werden und solchen, die die Aufmerksamkeit des Fahrers nicht beanspruchen dürfen. Geräusche mit schwachem Bedeutungsgehalt müssen zu einem gleichmäßigen Hintergrund verschmelzen, von dem sich wichtige Signale klar abheben. Durch geeignete Wahl der Geräuschqualitäten ist dies möglich. Zum Beispiel weist ein Hintergrundgeräusch im Idealfall geringe Lautheit bei großer spektraler Bandbreite auf und beinhaltet keine abrupten, unvorhersehbaren Schwankungen. Bei konstanter Fahrgeschwindigkeit sollten Motor-, Wind- und Reifengeräusch keine Aufmerksamkeit beanspruchen. Ein Signal, das die Aufmerksamkeit erregt, ist dagegen typisch schmalbandig und weist eine spezifische Tonalität auf. Außerdem sollte es in der Lautheit angehoben sein und durch unerwartetes Einsetzen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dies entspricht den aus der visuellen Wahrnehmung bekannten Beziehungen zwischen Figur und Hintergrund. Die Figur kann durch gezieltes Absetzen der visuellen Eigenschaften hervorgehoben, oder durch Angleichung an den Hintergrund „versteckt“ werden. Neben den oben genannten Signalparametern kann auch das räumliche Hören zur Verdeutlichung der Figur beitragen. Hintergrundgeräusche sollten mit breiter Räumlichkeit wahrgenommen werden, während Signale eine dezidierte Richtung aufweisen. In letzter Zeit werden auch in der Messtechnik zunehmend Verfahren eingesetzt, die Geräusche nicht absolut bewerten, sondern als relative approach in Bezug zum Hintergrund analysieren (Sottek & Genuit [31]). Murray Schafer [28] hat auf eine entsprechende Abstufung von Geräuschen in der akustischen Umwelt hingewiesen. Auch dort treten Bedeutung tragende Signale (sound-marks, Orientierungslaute) vor der Geräuschkulisse des Hintergrunds in Erscheinung. Das akustische Umfeld ähnelt einer Landschaft und wird daher in Analogie zur land-scape als sound-scape bezeichnet. Die Möglichkeiten der Beurteilung von sound-scapes anhand inter-modaler Zusammenhänge werden in [17] diskutiert. Es ist daher sinnvoll, die Möglichkeiten räumlicher Analogie zur Schaffung eines multi-sensoriellen Designs konsequent auszuschöpfen. Visuelle und auditive Signale sollen auch räumlich einander zugeordnet sein. Die technischen Möglichkeiten der Stereo- und surround-Technik erlauben es, Schall aus der Richtung wahrnehmbar zu machen, in der ein optisches Signal sichtbar wird, selbst wenn sich dort keine Schallquelle befindet. Bewegungsanalogie Analogie zur Bewegung ist gerade für das Fahrzeugdesign besonders interessant, um die dynamischen Eigenschaften optimal zur Geltung zu bringen. Bei der Gestal15 tung der visuellen Anmutung ist man daher bestrebt, ein eindrucksvolles kinetisches Design zu realisieren (siehe [18], Bild 12). Genauso wichtig ist die Repräsentation von Bewegungsparametern durch die auditiven Merkmale. Dies gilt für das Geräusch des Gesamtfahrzeugs ebenso wie für alle Komponenten, bei denen dem Fahrer die korrekte Funktion über ein bewegungskorreliertes Geräusch vermittelt wird. Die mechanische Parkbremse (Handbremse) stellt ein gutes Beispiel der festen Verbindung verschiedener Sinnesbereiche zur Übermittlung der Information über die korrekte Funktion eines Bedienelements Bild 11: Visuelle Bewegungsanalogie dar. Beim Anziehen des Hebels übt das zum Geräusch einer mechanischen Brems-System eine zunehmende Kaffeemühle: Der Gesamtverlauf ent- Gegenkraft aus, die von den spricht der Kurbelbewegung; das im- Muskelrezeptoren im Arm registriert wird pulsartige Knacken der Kaffeebohnen (Propriozeption) und ein direktes Korrelat ist durch explosionsartige Strukturen zur zunehmenden Andruck-Kraft der wiedergegeben. Nach einem Bild von Bremsbeläge – und damit zur Bremskraft Heinrich Hein, 1927 [3] liefert. Gleichzeitig wird die Information über die Stellung des Bremshebels propriozeptiv und bei Bedarf auch visuell übermittelt. Beim Anziehen des Hebels bewegt sich die Sperr-Klinke über die Zähne der Raste, die ein unbeabsichtigtes Lösen der Handbremse nach Ende des Betätigungsvorgangs verhindert. Dies ist mit hörbarem Klicken und spürbaren Impulsen verbunden. Die Information der korrekten Funktion wird also über vier Sinnesbereiche vermittelt, die alle präsent sein müssen, um die geforderte hohe Zuverlässigkeit wahrnehmbar zu gestalten. Ersetzt man das Bild 12: Bewegungskurve eines Musikalischen Themas nach Truslit [33]. Ludwig van Beethoven: Bagatelle Op. 33 Nr. 5: Thema 16 mechanische System durch ein elektrisch gesteuertes System (EPB), so wird lediglich ein Schalter zum Starten des elektrischen Betätigungsvorgangs verwendet. Das Betätigungsgeräusch muss dann so gestaltet werden, dass es die Funktion rein auditiv reflektiert. Insbesondere soll das Geräusch eine Bewegung im Bremssystem zum Ausdruck bringt, die einer zuverlässigen Funktion entspricht und das Feststellen bzw. Lösen klar unterscheidbar macht. Die Analogie zu Bewegungsvorgängen ist daher von besonderem Interesse für das Design von Betätigungsgeräuschen. Bei der Wahrnehmung von Musik spielen Analogien der Bewegung im Tonraum mit der Bewegung von Objekten im Raum eine große Rolle. Im Tanz und beim Dirigieren manifestiert sich die allgemein verbreitete Fähigkeit zu dieser Art von Verknüpfung. In der Motivbildung der Opernmusik spielen Analogien zur schauspielerischen Gestik eine wichtige Rolle. Von Gustav Becking wurde versucht, den musikalischen Rhythmus ähnlich dem Dirigat durch charakteristische Mitbewegungen des Körpers zu umschreiben und daraus stilistische und für den Komponisten typische Merkmale abzuleiten [6]. Der Sprachwissenschaftler Eduard Sievers hat den Einbezug von Körperbewegungen im Rahmen der von ihm entwickelten Schallanalyse zur Optimierung der Textdeklamation und als Interpretationshilfe vorgeschlagen [30]. Unter Schallanalyse verstand er jedoch keine physikalische Analyse, sondern die Ermittlung der für einen gegebenen Text optimalen Satzmelodie über Bewegungsvorstellungen auf Grundlage von Wortklang und Betonung. Alexander Truslit nutzte Bewegungsanalogien zur musikalischen Analyse und Unterstützung der Interpretation und leitete daraus Grundgesetze ab, mit denen er Bewegung als entscheidende Grundlage - und Musical Parameter Musical Feature Related Motion Features Dynamics Crescendo approaching speeding higher energy running Diminuendo moving away descending lower energy falling or sliding ascent ascending moving away speeding supporting force higher energy running, walking descent descending moving to the left supporting force lower energy falling or sliding Pitch Direction symmetry assymetry Tabelle 1: Versuchsergebnisse von Eitan & Granot zur Korrelation der musikalischen Parameter Dynamik und Richtung der Tonhöhenänderung mit Bewegungsvorstellungen [14] 17 sogar als Ursprung - der Musik hervorhob (Bild 12 und [33]). Nach Truslit kann jede musikalische Phrase einer von 4 grundlegenden Bewegungsformen zugeordnet werden, die Art und Qualität der musikalischen Ausführung bestimmen. Die Zuordnung zu bestimmten Bewegungsformen wird jedoch nicht von allen Personen gleich empfunden. Dennoch stoßen die vorgeschlagenen Grundformen auch heute noch auf großes Interesse [26] und werden auf ihre Eignung als Grundlage computergestützter Musik-Analysen und -Synthesen untersucht. Eine Auseinandersetzung mit der Verknüpfung von Musik und Bewegung findet sich auch in den abstrakten Musikfilmen Oskar Fischingers. Die von Zohar Eitan & Roni Granot [14] vorgelegten Versuchsergebnisse belegen, dass es nicht nur eine Möglichkeit der Analogiebildung zwischen spezifischen Eigenschaften gibt. Es existieren jedoch wenige Arten der Verknüpfung, die als bevorzugte Lösungen angegeben werden. Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse der Versuche. Die bevorzugten Lösungen sind fett hervorgehoben. Hier zeigen sich sowohl symmetrische, als auch asymmetrische Zuordnungen: Dem Anstieg der Tonhöhe entspricht eine ansteigende Bewegung, während - dazu symmetrisch - dem Sinken der Tonhöhe die Bewegung abwärts entspricht. Andere Versuchspersonen ordnen dem gleichen musikalischen Parameter eine Bewegung weg vom Subjekt bzw. – asymmetrisch - eine Bewegung nach links zu. Die Ergebnisse belegen, dass es nahe liegende Verknüpfungen gibt, die von Versuchspersonen bevorzugt genannt werden. Es existieren jedoch verschiedene Möglichkeiten der Zuordnung (one-to-many relation). Drehzahl und Geräusch Für die Wahrnehmung eines robusten Verhaltens des Fahrzeug-Antriebsstrangs wie auch aller Stellmotoren ist die exakte Analogie des Antriebsgeräusches zur beobachteten oder erwarteten Funktion unverzichtbar. Die Funktion manifestiert sich zum Beispiel als Bewegungswahrnehmung, die visuell, durch Muskelsensoren (Propriozeption), Körpersensoren (Interozeption) oder durch Berührungskräfte (taktil) erfolgen kann. Die konstante Tonhöhe des Motorenklangs, der als Ergebnis der Wahrnehmung der Motor-Ordnungen eine konstante Drehzahl signalisiert, entspricht konstanter Fahrgeschwindigkeit. Die aufgrund fehlender Beschleunigung (visuell und interozeptiv) als konstant wahrgenommene Fahrzeugbewegung wird so mit der auditiv übermittelten Assoziation gleichmäßiger Funktion des Antriebs verknüpft – die Koppelungen verstärkt den Eindruck von Zuverlässigkeit und Fahrsicherheit. Wie wichtig diese Verknüpfung ist, wird deutlich, wenn die beteiligten Sinnesbereiche zu einander widersprüchliche Informationen liefern: Ist z. B. die Geschwindigkeitswahrnehmung gleichmäßig bei starker Schwankung der Drehzahl, so führt dies ebenso unmittelbar zu einem Gefühl der Unsicherheit, wie der Fall schwankender Fahrtgeschwindigkeit bei gleichmäßigem Motorgeräusch. Aus funktionalen Gründen wird konstantes Geräusch aufgrund konstanter Drehzahl mit konstanter Geschwindigkeit in Verbindung gebracht. Das motorgetriebene Schließen eines Fahrzeug-Fensters ist daher im Idealfall mit konstanter Tonhöhe verbunden. Die Analogie von Tonhöhe und Bewegungsgeschwindigkeit entstammt hier der Gewohnheit im Umgang mit elektro-mechanischen Antrieben. Wäre man im Beispiel des elektrischen Fensterhebers frei in der akustischen Gestaltung, so würde sich eher die Analogie von Tonhöhe und Weg, also eine zunehmende Tonhöhe mit zunehmender Höhe des Fensters anbieten. 18 Die Proportionalität von Drehzahl und Geschwindigkeit besteht natürlich nicht beim Hochlauf und Abschalten des Antriebs. Zur Definition von Anforderungen – z.B. an den Gleichlauf – ist es daher notwendig, den Gesamtvorgang in drei Abschnitte aufzuteilen: Hochlauf, Betätigungsphase und Abschaltvorgang. Diesen Phasen entspricht eine Dreiteilung des Geräusches in Einschwingvorgang (on-set transient), stationäre Phase (body) und Ausschwingvorgang (decay phase). Schafer hat mit Recht angeregt, dieses Konzept auf die Beurteilung aller Geräuschvorgänge anzuwenden [28]. Beim Anlaufvorgang eines Motors müssen naturgemäß alle Drehzahlen bis zur Betriebsdrehzahl durchlaufen werden. Die Funktion, mit der die Drehzahl ansteigt, bestimmt damit auch die akustische Rückmeldung über die Art und Qualität der Funktion. Erfolgt der Anstieg zu langsam, wird das System möglicherweise als träge (schwach) aufgefasst - es erscheint unterdimensioniert. Erfolgt der Anstieg dagegen zu schnell, so verändert sich das Schallspektrum vom Drehklang weg, hin zu einem Impulsgeräusch (z. B. als Einschalt-Klick), das sich als separates Geräuschobjekt störend auswirken kann. Im Einzelfall kann ein solcher Einschaltimpuls als Signal erwünscht sein, er darf jedoch nicht zuviel Aufmerksamkeit beanspruchen oder sogar zum Erschrecken des Fahrers führen. Als Richtwert hat sich bewährt, dass der Spitzenpegel des Einschaltvorgangs den des Betriebsgeräusches (eingeschwungener Zustand) nicht übersteigen darf. Die spezielle Charakteristik des Anund Abschaltens muss möglichst genau mit der Erwartungshaltung des Fahrers korrelieren und mit dem, was durch andere Sinne vermittelt wird. Für das multi-sensorielle Design wird deutlich, dass eine Ausdehnung des Dreiphasen-Konzepts auf den visuellen und propriozeptiven Sinnes-Bereich notwendig ist. Emotionale Analogie Bei der Zuordnung von Sinneseindrücken spielt die emotionale Analogie eine besondere Rolle, die es erlaubt, Wahrnehmungen verschiedener Modalitäten als zusammengehörig zu empfinden, ohne dass ein klarer Zusammenhang einzelner Eigenschaften bewusst ermittelt werden kann. Dies ist als eine intuitive Zusammenfassung komplexer Wahrnehmungen zu verstehen, wobei der Erfahrungshintergrund ebenso bedeutsam ist wie die Körperwahrnehmung des Individuums. Daraus ergibt sich eine gefühlte Gesamteinschätzung der vorliegenden Wahrnehmungs-Situation, die Entscheidungen ermöglicht, ohne eine genaue, verstandesmäßige Analyse der dem zugrunde liegenden Reize vorauszusetzen. Auf diese Weise kommen auch Kaufentscheidungen zustande, die zu einem für den Kunden positiven Gesamtergebnis führen. Für den Hersteller ergibt sich dagegen das Problem, dass die Grundlage der Entscheidung – eben die Vielzahl der vom Produkt ausgehenden Reize und deren Eigenschaften – weitgehend im Dunkeln liegt und im Rahmen der Entscheidungssituation kaum ermittelt werden kann. Gerade aus diesem Grund ist es jedoch unumgänglich, emotionale Gesamtbewertungen genau zu beschreiben und deren EinflussFaktoren analytisch zu erfassen. Damasio [13] unterscheidet die Empfindung als Wahrnehmung von Emotionen vom Gefühl selbst, dass auch unbewusst die mentale Aktivität beeinflusst. So unterscheidet er drei Empfindungsarten: - Empfindungen von grundlegenden Universalgefühlen wie Glück, Traurigkeit, Wut, Furcht und Ekel, die im Individuum offenbar fest verankert sind - Empfindungen von differenzierten Universalgefühlen, die sich mit zunehmender Erfahrung als leichte Abwandlungen der Universalgefühle bilden. Im Lauf des Lebens 19 modifizieren und differenzieren sich die Gefühlswahrnehmungen: „feine Schattierungen des kognitiven Zustands verbinden sich mit differenzierten Spielarten des emotionalen Körperzustands“. - Hintergrundempfindungen als Empfindungen von Körperzuständen: „das Empfinden des Seins“. Es ist deutlich, dass sich die Gefühlssituation des Individuums mit zunehmender Erfahrung und in Abhängigkeit vom Körperzustand und Kognition wandelt. Daher existiert kein fester Satz von Empfindungen, der zwischen den Individuen vergleichbar wäre. Trotzdem lenkt das Empfinden die Entscheidung von Individuen oft in vorhersehbare Richtungen, zumindest gilt dies statistisch unter Berücksichtigung einer größeren Population. Bislang ist man im Ingenieurwesen vor Versuchen von Beschreibungen und Vergleichen von Emotionen, ähnlich zu Methoden der Psychophysik, zurückgeschreckt. Es ist jedoch durchaus denkbar, dass Gefühlen Attribute zugeordnet werden können, wie etwa Intensität, zeitliche Schwankungsstärke und andere. So ist es vielleicht in Zukunft auch möglich, zu erklären, warum Form und Farbe eines Fahrzeuges als zum Geräusch passend empfunden werden oder nicht. Eine Möglichkeit der systematischen Vorhersage ist für die Abschätzung der Marktfähigkeit von Produkten von unschätzbarem Wert. Exkurs 2: Einsatz von Analogiebeziehungen zur Schaffung assoziativer Verbindungen Analogien können dazu verwendet werden, das mit einem Produkt assoziierte Image zu modifizieren und so neue Kundengruppen zu erschließen. Daher finden sie auch in der Werbung zunehmend Anwendung. Fest verankerte Assoziationen können zwar durch Fixierung der Marktposition eines Produktes für stabile Kundengruppen sorgen, erschweren jedoch die Anpassung an neue Gegebenheiten ebenso wie die Expansion. Diese Probleme können nur durch Verankerung modifizierter Assoziati- Bild 13: Etablierung der assoziativen Verbindung von Automobil und Natur mit Hilfe der Analogie von Fahrzeugform und Formen in der Natur 20 onsfelder umgangen werden. Die Sinnfälligkeit neuer assoziativer Bezüge kann durch systematische Verwendung von Analogien plausibel dargestellt werden (Bild 13). Weitere Beispiele aus der Fernseh- und Zeitschriftenwerbung sollen dies verdeutlichen: In diesen Fällen geht es darum, Bier vom Image des „Männergetränks“ zu befreien und dem Produkt eine erotische Komponente zu verleihen. Auch wenn Bier inzwischen von Frauen ebenso selbstverständlich konsumiert wird wie von Männern, gehören zum Produktimage nach wie vor Assoziationen trinkender Männer bei Stammtischrunden, Kegelabenden oder Fußballübertragungen. Eine erotische Komponente ist dem kaum abzugewinnen, verglichen etwa mit dem Image von Sekt und Champagner. Durch Herausarbeiten von Analogiebeziehungen im Werbespot kann die Verbindung von Biergenuss und Erotik jedoch große Plausibilität erlangen. Bit-SUN: Hier wird konsequent auf Bewegungsanalogie zurückgegriffen. Im Rahmen einer Spielhandlung führt das Hantieren von Männern mit Bierflaschen zu entsprechenden Bewegungen von Frauenkörpern: Das Schieben der Flasche über die Theke bewegt auch die Frau zum Gast, das Ansetzen und Kippen der Flasche am Mund entspricht dem Körperkontakt und den Bewegungen eines tanzenden Paares, das Lösen des Flaschenetiketts entspricht der Entkleidung. Schöfferhofer Weizen: Die entscheidende Analogie wird über die Eigenschaft des Prickelns hergestellt, die eine Verbindung zwischen Weizenbier und Champagner ebenso schafft wie zwischen Getränk und erotischem Gefühl. Verstärkt wird die Analogie noch durch den Hinweis auf das Trinken aus dem Bauchnabel der Frau (selbstverständlich einer Französin), eine klassische erotische Anspielung, die ursprünglich nur mit Champagner, oder bestenfalls mit Sekt verknüpft ist. Der Genuss des Weizenbiers verspricht darüber hinaus Nachhaltigkeit in Analogie zu erotischen Gefühlen, denn es „prickelt länger als man trinkt“. Auf vergleichbare Weise versucht man in einem Werbespot für Warsteiner Pilsener, zum Slogan „Für die goldenen Momente !“ simultan das - im Seitenlicht - goldgelb leuchtende Getränk und dessen goldumrandetes Etikett in Szene zu setzen und so eine Verbindung zwischen Farbaspekten des Produkts und symbolischem Gehalt zu schaffen. Schlussfolgerungen für das Geräuschdesign Die Beispiele sollen verdeutlichen, dass es mit Hilfe von Analogiebeziehungen gelingt, auch stark fixierte assoziative Felder von Produkten grundlegend zu verändern. Ebenso ist es so möglich, Geräusch, visuelle Erscheinung und Attribute weiterer Sinnesbereiche so zu verknüpfen, dass das Ergebnis vom Kunden als sinnfällige Einheit akzeptiert wird. Ein sportliches Fahrzeugkonzept muss dann nicht mehr auf gewohnte Assoziationen, wie auf das Geräuschverhalten klassischer Rennfahrzeuge Bezug nehmen, die akustische Gestaltung kann vielmehr durch Analogien zu Attributen anderer Sinnesbereiche wie auch zu Erwartungen an die Funktion Plausibilität erlangen. Werden Analogien bewusst und systematisch angewandt, so ist größere gestalterische Freiheit ebenso erreicht wie verbesserte Akzeptanz. Die Marktfähigkeit des Produkts kann zudem mit größerer Sicherheit vorhergesagt und optimiert werden. 21 Literatur [1] Abbado, Adriano: Perceptual Correspondences of Abstract Animation and Synthetic Sound. M.S. Thesis MIT, 1988 [2] Alais, David & Burr, David: The ventriloquist effect results from near-optimal bimodal integration. Current Biology, Vol. 14, 2004. pp. 257-262 [3] Anschütz, Georg (Hrsg.): Farbe-Ton-Forschungen. Bd.1. Leipzig: Akademische Verlagsgesellschaft, 1927 [4] Arnold, DH.; Johnston, A. & Nishida, S.: Timing sight and sound. Vision Research, 2005, pp. 1275-84 [5] Aubergé, Véronique & Cathiard, Marie: Can we hear the prosody of smile? Speech Communication 40, 2003. pp. 87-97 [6] Becking, Gustav: Der musikalische Rhythmus als Erkenntnisquelle. Augsburg: Benno Filser, 1928 (unveränderte Neuauflage 1958) [7] Behne, Klaus-Ernst: Am Rande der Musik: Synästhesien, Bilder, Farben,...In: Musikpsychologie. Bd. 8. Wilhelmshaven: Noetzel, 1992, S. 94-120 [8] Behne, Klaus-Ernst: Zur Differenzierung von Synästhesien und intermodalen Analogien. http://www.uni-koeln.de/phil-fak/muwi/publ/fs_fricke/behne.html [9] Blauert, Jens: Spatial hearing. The psychophysics of human sound localization. Revised edition. Cambridge, Mass.: The MIT press, 1997 [10] Bregman, Albert S.: Auditory scene analysis. The perceptual organization of sound. A Bradford Book. Cambridge, Massachusetts: The MIT Press, 21999 [11] Campenhausen, Christoph von: Die Sinne des Menschen. Einführung in die Psychophysik der Wahrnehmung. Stuttgart, New York: Thieme, 21993 [12] DAGA 2005: Tagungsband. Oldenburg: Deutsche Gesellschaft für Akustik DEGA, 2005 [13] Damasio, Antonio R.: Descartes' Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. München: Paul List Verlag, 1995 [14] Eitan, Zohar & Granot, Roni Y.: Musical parameters and images of motion. In: R. Parncutt, A. Kessler & F. Zimmer (Hrsg.): Proceedings of the Conference on Interdisciplinary Musicology (CIM04), Graz/Austria, 15-18 April, 2004 [15] Filk, Christian; Lommel, Michael & Sandbothe, Mike (Hrsg.): Media Synaesthetics. Konturen einer physiologischen Medienästhetik. Köln: Herbert von Halem Verlag, 2004 [16] Flückiger, Barbara: Sound Design. Die virtuelle Klangwelt des Films. Züricher 22 Filmstudien 6. Marburg, Schüren. 12001, 22002 [17] Haverkamp, Michael: Audio-Visual Coupling and Perception of Sound-Scapes. Joint congress CFA/DAGA '04, Strasbourg, France, 22.-25.3.2004. Oldenburg: Deutsche Gesellschaft für Akustik DEGA, 2004, S. 365-366 [18] Haverkamp, Michael: Synästhetische Wahrnehmung und Geräuschdesign. Grundlagen : Verknüpfung auditiver und visueller Attribute, in: Klaus Becker (Hg.): Subjektive Fahreindrücke sichtbar machen II. Haus der Technik Fachbuch 12. Renningen-Malmsheim: expert-Verlag, 2002, 114-142 [19] Haverkamp, Michael: Audio-visuelle Verknüpfungen im Wahrnehmungssystem und die Eingrenzung synästhetischer Phänomene. in: Sidler, Natalia & Jewanski, Jörg: Farbe – Licht – Musik. Synästhesie & Farblichtmusik. Peter Lang Verlag, Bern/Frankfurt, 2006 [20] Jewanski, Jörg: Ist C = Rot? Eine Kultur- und Wissenschaftsgeschichte zum Problem der wechselseitigen Beziehung zwischen Ton und Farbe. Berliner Musikstudien, Bd. 17. Sinzig: Studio Verlag Schewe, 1999 [21] Kohlrausch, Armin: Experimente zur Wahrnehmbarkeit von Asynchronie in audio-visuellen Stimuli. 26. Deutsche Jahrestagung der Gesellschaft für Akustik, DAGA 2000. Oldenburg: Deutsche Gesellschaft für Akustik DEGA, 2000 [22] Kohlrausch, Armin: Audio-visuelle Interaktion. Plenarvortrag: 28. Deutsche Jahrestagung der Gesellschaft für Akustik, DAGA’02, Bochum. Oldenburg: Deutsche Gesellschaft für Akustik DEGA, 2002 [23] Luckner, Peter (Hrsg.): Multisensuelles Design. Eine Anthologie. Ergebnisse und fachwissenschaftlicher Kontext des Modellversuchs im Hochschulbereich an der Burg Giebichenstein - Hochschule für Kunst und Design Halle. Halle an der Saale: 2002 [24] McGurk, H. and MacDonald, J.: Hearing lips and seeing voices, Nature 264, 1976, S. 746-748 [25] Meyer, Jürgen: Akustik und musikalische Aufführungspraxis. Frankfurt: Bochinsky, 1972 [26] Repp, Bruno H.: Music as Motion: a synopsis of Alexander Truslit's (1938) Gestaltung und Bewegung in der Musik. Psychology of Music, 21, p.48-72 [27] Richter, Hans: Filmgegner von heute – Filmfreunde von morgen. Berlin, Hermann Reckendorf, 1929 [28] Schafer, Murray: The tuning of the world. Toronto: McCelland and Steward, 1977 Deutscher Titel: Klang und Krach. Eine Kulturgeschichte des Hörens. Frankfurt a. M.: Athenäum Verlag, 1988 [29] Schulte-Fortkamp, Brigitte & Hohmann, Beat: Wenn Soundscapes die Belästi23 gung durch Schall beeinflussen. Oldenburg: Deutsche Gesellschaft für Akustik DEGA, 2002, S. 66-67 [30] Sievers, Eduard: Ziele und Wege der Schallanalyse. Zwei Vorträge. Sonderdruck aus der Festschrift für Wilhelm Streitberg: Stand und Aufgaben der Sprachwissenschaft. Heidelberg: Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung, 1924 [31] Sottek, Roland & Genuit, Klaus: Models of signal processing in human hearing. International Journal of Electronics and Communication, 59, 2005, p. 157 – 165 [32] Stevens, S. S.: Matching functions between loudness and ten other continua. Perception & Psychophysics l, 1966, p. 5-8, [33] Truslit, Alexander: Gestaltung und Bewegung in der Musik. Ein tönendes Buch vom musikalischen Vortrag und seinem bewegungserlebten Gestalten und Hören. Berlin-Lichterfelde: Christian Friedrich Vieweg, 1938 [34] Voss, Wilhelm: Das Farbenhören bei Erblindeten. Untersuchungen über Wesen und Art der Photismen bei blinden Synoptikern unter besonderer Berücksichtigung des Formproblems. Hamburg: Psychologisch-Ästhetische Forschungsgesellschaft, 1930 [35] Werner, Heinz: Intermodale Qualitäten. In: Handbuch der Psychologie. Bd. 1, 1. Halbband: Wahrnehmung und Bewusstsein. Göttingen: Verlag für Psychologie Hogrefe, 1966, S. 278-303 24