Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen

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Arzneiverordnung
in der Praxis
THERAPIEEMPFEHLUNGEN DER ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT
ARZNEIMITTELKOMMISSION
DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT
3. AUFLAGE 2001
Evidenz in der Medizin
Die Wirksamkeit eines Arzneimittels bzw. einer therapeutischen Maßnahme kann nur dann als nachgewiesen
gelten, wenn hierzu Belege, d. h. eine ausreichende
»Evidenz«, aus validen klinischen Prüfungen vorliegen.
In der Wertigkeit haben Nachweise zum Erreichen
bedeutender therapeutischer Ziele wie Reduktion von
Morbidität und Letalität Vorrang vor Nachweisen der
Beeinflussung von Surrogatparametern wie z. B.
Senkung von LDL-Cholesterin oder Blutdruck. Der
Wirksamkeitsnachweis sollte wichtigste Grundlage für
eine therapeutische Entscheidung sein.
Die Therapieempfehlungen versuchen daher, insbesondere mit den »Kategorien zur Evidenz« trans-
parent zu machen, für welchen Wirkstoff und für
welche Indikation eine Wirksamkeit belegt ist.
Ergebnisse biometrischer Untersuchungen können
aber nur eine Grundlage der ärztlichen Therapieentscheidung sein, bei der eine Vielzahl individueller
Gegebenheiten des einzelnen Patienten berücksichtigt
werden muss. Hinzu kommt, dass es nicht für alle
therapeutischen Maßnahmen Belege zur Wirksamkeit
gibt bzw. geben kann. Auch für diese Situation finden
sich in den Therapieempfehlungen Hinweise. Letztlich
ist der Arzt hier gefordert, auf der Basis bislang vorliegender Kenntnisse und Erfahrungen das für den
Patienten Richtige zu tun.
Kategorien zur Evidenz
Aussage (z. B. zur Wirksamkeit) wird gestützt durch mehrere adäquate, valide klinische
Studien (z. B. randomisierte klinische Studie) bzw. durch eine oder mehrere valide
Metaanalysen oder systematische Reviews. Positive Aussage gut belegt.
Aussage (z. B. zur Wirksamkeit) wird gestützt durch zumindest eine adäquate, valide
klinische Studie (z. B. randomisierte klinische Studie). Positive Aussage belegt.
Negative Aussage (z. B. zur Wirksamkeit) wird gestützt durch eine oder mehrere adäquate,
valide klinische Studien (z. B. randomisierte klinische Studie), durch eine oder mehrere
Metaanalysen bzw. systematische Reviews. Negative Aussage gut belegt.
Es liegen keine sicheren Studienergebnisse vor, die eine günstige oder schädigende
Wirkung belegen. Dies kann begründet sein durch das Fehlen adäquater Studien,
aber auch durch das Vorliegen mehrerer, aber widersprüchlicher Studienergebnisse.
I N H A LT
Empfehlungen zur Therapie chronischer
Kopf- und Gesichtsschmerzen
Inhaltlich abgestimmt mit der Deutschen Gesellschaft zum Studium des
Schmerzes (DGSS) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG)
AVP-Sonderheft Therapieempfehlungen, 3. Auflage, Oktober 2001
VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
GRUNDLAGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Vorbemerkungen zur Pathologie und Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . 6
Definition und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
THERAPIE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Spannungskopfschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Indikationsstellung zur Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Therapieziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Nichtmedikamentöse Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Migräne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Indikationsstellung zur Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Therapieziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Nichtmedikamentöse Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Kopfschmerzen durch Substanz-(Medikamenten-)einwirkung . . . . . 18
LITERATUR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
ANHANG I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Empfehlungen zur besseren Versorgung
der Patienten mit chronischen Kopfschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
ANHANG II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Kurzgefasster Leitlinien-Report zur Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
VORWORT
4
Medizinische Leitlinien sollen dabei helfen, dass der Arzt auch hinsichtlich
seiner pharmakotherapeutischen Kenntnisse »auf der Höhe seiner Zeit« ist
und bleibt. Daher strebt die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft für ihre Therapieempfehlungen eine kurzfristige, in der Regel zweijährliche Aktualisierung an. Seit dem Erscheinen der 2. Auflage dieser Therapieempfehlungen im Jahre 1999 wurden mehrere klinische Studien publiziert
und neue Migränetherapeutika zugelassen, die eine Überarbeitung für die
hier vorliegende 3. Auflage erforderlich machten. Die Arzneimittelkommission
stützt sich hierbei in wesentlichen Teilen auch auf die Empfehlungen der
Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), die ihrerseits zur
Bewertung der Wirksamkeit die Evidenz-Klassifikation (»Kategorien zur
Evidenz«) der Arzneimittelkommission übernommen hat.
Bedeutung und Notwendigkeit dieser Therapieempfehlungen zeigen sich auch
darin, dass Kopfschmerzen zu den häufigsten, aus Patientensicht gravierenden
Hauptanliegen gehören, die zu einem Arztbesuch, vor allem bei Allgemeinmedizinern, führen (1). Allein der durch Migräne bedingte Arbeitsausfall
belastet die deutsche Volkswirtschaft jährlich mit schätzungsweise
4,75 Milliarden DM (2). In einem jüngeren amerikanischen Editorial werden
darüber hinaus therapeutische Defizite zwischen Evidenz und medizinischer
Praxis angemahnt (3). Daher wird in den hier vorliegenden Therapieempfehlungen nach Nr. 14 der Arzneimittel-Richtlinien versucht, mit den
»Kategorien zur Evidenz« Transparenz zu schaffen, für welche Therapeutika
die Wirksamkeit auch auf der Basis klinischer Studien hinreichend gesichert
ist. In den Empfehlungen erfolgt bewusst eine Beschränkung auf die
beiden häufigsten primären Formen der Kopfschmerzen, die Kopfschmerzen
vom Spannungstyp und die Migräne, sowie Substanz- (Medikamenten-)
induzierte Kopfschmerzen.
Diese Therapieempfehlungen repräsentieren den Konsens der jeweiligen
Fachmitglieder, der allgemeinmedizinischen Kommissionsmitglieder und des
Vorstandes der Arzneimittelkommission.
Die Arzneimittelkommission verbindet mit der vorliegenden Publikation den
Wunsch und die Hoffnung, dass diese aktualisierten Empfehlungen in der
Ärzteschaft und insbesondere unter den hausärztlich tätigen Kollegen weite
Verbreitung und Akzeptanz finden und damit zu einer Verbesserung der
Behandlung chronischer Kopfschmerzen in Deutschland beitragen.
Prof. Dr. med. R. Lasek
Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen (Vorsitzender)
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
1
Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland: Die
EVaS-Studie, Wissenschaftliche Reihe Bd. 39.1, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 1989.
2
Pressemitteilung der DMKG, Kopfschmerz-News 4/99.
3
Matchar DB, McCrory DC, Gray RN: Toward Evidence-Based Management of Migraine.
JAMA 2000; 284: 2640-2641.
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
GRUNDLAGEN
Epidemiologie
Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten Schmerzsyndromen. Die am häufigsten anzutreffenden chronischen
Kopfschmerzen sind Spannungskopfschmerzen (Prävalenz des episodischen
Spannungskopfschmerzes 35 %, des
chronischen Spannungskopfschmerzes
2-3 %) und Migräne (Prävalenz bei
Frauen 12-15 %, bei Männern 7-8 %)1, 2.
Die höchste Inzidenz der Migräneattacken tritt zwischen dem 35. und 45.
Lebensjahr auf. In dieser Lebensphase
sind Frauen dreimal häufiger betroffen
als Männer. Migräneattacken sind bei
Frauen auch meist länger und intensiver.
Im natürlichen Verlauf nehmen Häufigkeit und Schwere von Migräneattacken
nach dem 45. Lebensjahr langsam ab.
Während der Schwangerschaft kommt
es in ca. 60-80 % der Fälle ab Ende des
dritten Monats zu einer Abnahme der
Migränefrequenz.
Deutlich seltener sind der ClusterKopfschmerz (1 : 1.000), der zervikogene Kopfschmerz, der atypische Gesichtsschmerz und die Trigeminusneuralgie.
Nach jüngeren Schätzungen leiden in
Deutschland mehr als 100.000
Menschen unter einem schmerzmittelbedingten Dauerkopfschmerz3. Diese
Patienten können eine Vielzahl medizinischer Komplikationen aufweisen. Neben
den Dauerkopfschmerzen durch regelmäßige Einnahme von spezifischen
Medikamenten zur Akuttherapie der
Migräne und Analgetika können
Nierenschäden (Analgetika-Nephropathie), Magenulzera, Gefäßkomplikationen und maligne Tumoren des
Urogenitaltraktes entstehen.
Tabelle 1: Klassifikation der Kopfschmerzen (KS) nach der International Headache Society 4 mit ausgewählten
Hinweisen auf die Internationale Klassifikation der Krankheiten der WHO [ICD-10] 5
Primäre Kopfschmerzen
Migräne [G 43.9]
• ohne Aura [G 43.0]
• mit Aura [G 43.1]
Spannungskopfschmerz [G 44.29]
• episodisch
• chronisch
Cluster-Kopfschmerz [G 44.09] und chronische paroxysmale Hemikranie
Verschiedenartige Kopfschmerzen ohne strukturelle Läsion [G 44.80] (z. B. externe Kompressions-KS, kälte- oder
anstrengungsinduzierte KS)
Sekundäre Kopfschmerzen
Kopfschmerz nach Schädel-Hirn-Trauma [G 44.88]
Kopfschmerz bei Gefäßerkrankungen [G 44.81] (z. B. zerebrale Ischämien, intrakranielle Blutungen, Thrombosen
und Hämatome, Dissektionen, arterielle Hypertonie)
Kopfschmerz bei nichtvaskulären, intrakraniellen Erkrankungen [G 44.82] (z. B. durch Veränderungen des intrakraniellen Druckes bei Lumbalpunktion, intrakraniellen Infektionen und Tumoren oder Liquorabflussstörungen)
Kopfschmerzen durch Substanzeinwirkung [G 44.4] oder Entzug [G 44.83]
• KS bei akuter Substanzaufnahme (Nitrite/Nitrate, Natriumglutamat, Kohlenmonoxid, Alkohol)
• KS bei chronischer Substanzeinnahme (Analgetika, Ergotamin)
• KS bei Entzug nach chronischer Substanzeinnahme (Ergotamin, Coffein, Opioide)
• KS bei Substanzeinnahme mit unbekanntem Mechanismus (orale Kontrazeptiva, Estrogene)
Kopfschmerzen durch nichtkranielle Infektionen [G 44.88]
Kopfschmerzen bei Stoffwechselstörungen [G 44.88] (z. B. Hypoxie, Hyperkapnie, Dialyse, Hyperthyreose)
Kopf- oder Gesichtsschmerzen bei kraniellen oder extrakraniellen Erkrankungen des Schädels sowie im Bereich
von Hals (z. B. HWS-bedingt), Augen (z. B. Glaukom, Refraktionsanomalie), Ohren (z. B. Otitis), Nase und
Nasennebenhöhlen (z. B. Sinusitis), Zähnen, Mund oder anderen Gesichts- oder Kopfstrukturen [G 44.84]
Kopf- und Gesichtsneuralgien, Affektionen von Nervenstämmen und Deafferentierungsschmerzen
(z. B. Trigeminus- oder Glossopharyngeusneuralgie, Thalamusschmerz) [G 44.88]
Nichtklassifizierbarer Kopfschmerz [R 51]
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
5
GRUNDLAGEN
Vorbemerkungen zur
Pathologie und
Pathophysiologie
6
Dem Spannungskopfschmerz liegt
wahrscheinlich eine Funktionsstörung
der zentralen Schmerzverarbeitung im
Hirnstamm zugrunde. Bei der Migräne
handelt es sich um eine überwiegend
genetisch determinierte passagere
Funktionsstörung des Gehirns, die
während der Aura zu einer Hemmung
neuronaler Aktivität des Cortex mit konsekutiver Oligämie führt.
Es ist anzunehmen, dass es sich bei
der Migräne wie bei anderen intermittierenden neurologischen Erkrankungen
wahrscheinlich um eine sog. lonenkanalkrankheit handelt. Bei diesen
Krankheiten kommt es zu vorübergehenden Funktionsstörungen von lonenkanälen, die dann zu reversiblen neurologischen Ausfällen führen.
Während der Kopfschmerzphase
kommt es zu einer leichten Vasodilatation, vorwiegend im Bereich von
Meningealarterien und zu einer aseptischen perivaskulären Entzündung der
Arteriolen von Pia und Dura, die durch
den Nervus trigeminus und den Nervus
facialis begleitende parasympathische
Fasern vermittelt werden. Zusätzlich
sind autonome Zentren des Gehirns
betroffen. Der medikamenteninduzierte Kopfschmerz entsteht durch
regelmäßige Einnahme von Analgetika
und/oder Migränemitteln. Pathophysiologisch kommt es wahrscheinlich
dadurch zu einer Schwellenerniedrigung
in den Schmerzleitungssystemen des
Hirnstammes und/oder zu einer Hochregulierung von an der Schmerzentstehung beteiligten Rezeptoren im
Hirnstamm.
Definition und
Klassifikation
Nach der aktuellen, international
gebräuchlichen Nomenklatur der
Internationalen Kopfschmerzgesellschaft
(IHS, Headache Classification Committee
of the International Headache Society4,
Tabelle 1) werden im Wesentlichen zwei
große Gruppen unterschieden: die
sogenannten primären Kopfschmerzformen, bei denen der Schmerz das
Hauptsymptom und nicht Ausdruck
einer strukturellen Erkrankung ist, und
die symptomatischen oder sekundären
Formen, die Folgeerscheinung einer
Strukturläsion des Gehirns bzw. seiner
Hüllen oder Folge einer metabolischen
Störung sind und einer kausalen
Behandlung bedürfen. Damit gewinnt
die in Tabelle 1 dargestellte Klassifikation
auch differentialdiagnostische Bedeutung.
Diagnostik
Allgemeines
Richtungweisend und in der Regel ausreichend für die Diagnostik chronischer
oder chronisch-rezidivierender Kopfschmerzen sind die anamnestischen
Angaben des Patienten und die
körperlichen Untersuchungsbefunde.
Ursachen sekundärer Kopfschmerzen
(s. a. Tabelle 1) müssen vor Beginn einer
Therapie durch Anamnese, unterstützt
durch Aufzeichnungen des Patienten in
seinem Kopfschmerztagebuch, und klinische Untersuchungen ausgeschlossen
werden (Tabelle 2). Bei Verdacht auf
sekundäre Kopfschmerzen ist stufenweise eine weitere fachspezifische
Abklärung vorzunehmen, die über
zusätzliche apparative Diagnostik, wie
Tabelle 2: Klinische Hinweise auf Grunderkrankungen6:
Änderung der bisherigen Kopfschmerzsymptomatik
Auftreten fokal-neurologischer Symptome
Persönlichkeitsveränderungen
Epileptische Anfälle oder Synkopen
Fieber und Nackensteifigkeit
Heftiger, bisher nicht bekannter Kopfschmerz
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
z. B. kraniale Computertomographie,
EEG, Sonographie, Kernspintomographie, evozierte Potentiale oder weiterführende laborchemische Untersuchungen (Rheuma- und Immunserologie,
Hormondiagnostik,
toxikologisches
Drug-Screening), entscheiden sollte. Die
Indikation zur Durchführung einer
Kernspintomographie besteht, wenn
eine Sinusvenenthrombose, eine Dissektion, eine Vaskulitis, ein Angiom, eine
mitochondriale Enzephalopathie oder
ein Tumor als Ursache von Kopfschmerzen vermutet werden.
Die Diagnostik muss aufgrund der klinischen Symptomatik begründbar sein,
und ihre Befunde müssen fachspezifisch
bewertet werden. Ein Vorschlag zu
einem diagnostischen Algorithmus ist
Abbildung 1 zu entnehmen.
In Tabelle 3 ist die Differentialdiagnose wichtiger Kopfschmerzformen
zusammengefasst.
Diagnostische und differentialdiagnostische Hinweise zu
einigen primären und sekundären Kopfschmerzformen
A. Primäre Kopfschmerzen
Spannungskopfschmerz
Beim Spannungskopfschmerz (ehem.:
»vasomotorischer Kopfschmerz«) fehlt
der anfallsartige Charakter mit
beschwerdefreien Intervallen. Es besteht
ein dumpf-drückender, holokranieller
Kopfschmerz (Abbildung 2) von geringerer Intensität, der seltener von leichten vegetativen Erscheinungen begleitet
wird. Unbehandelt dauert der Spannungskopfschmerz Stunden bis Tage.
Die Klassifikation der International
Headache Society (Tabelle 1) unterscheidet zwischen einem episodischen
(< 180 Tage/Jahr) und einem chronischen
Spannungskopfschmerz (> 180 Tage/Jahr).
Beim Großteil der Patienten mit chronischem Spannungskopfschmerz besteht
aber ein täglicher Kopfschmerz. Ein
Patient kann sowohl unter Spannungskopfschmerzen als auch unter Migräne
leiden. Differentialdiagnostisch sollte
immer an einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz gedacht werden.
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
GRUNDLAGEN
Migräne
Bei der Migräne kommt es in etwa 60 %
der Fälle zu halbseitigen (Abbildung 2),
sonst zu holokraniellen, pochenden, stechenden, pulsierenden oder hämmernden Kopfschmerzen, die häufig in den
frühen Morgenstunden beginnen und
sich durch körperliche Aktivität verstärken. Typische Begleiterscheinungen sind
Übelkeit (fast immer), Erbrechen (4050 %), Lichtscheu (60 %), Lärmempfindlichkeit (50 %), Geruchsemp-
findlichkeit (10 %) und allgemeines
Krankheitsgefühl. Bei etwa 10-20 % der
Betroffenen geht dem Kopfschmerz eine
Auraphase mit neurologischen Reizoder Ausfallserscheinungen meist des
visuellen Systems (Lichtblitzen) voraus
(Abbildung 2). Die einzelnen Attacken
dauern 4-72 Stunden. Triggerfaktoren
der Migräne sind biologische Faktoren
oder Umwelteinflüsse, die bei entsprechender innerer Reaktionsbereitschaft
eine Migräneattacke auslösen können
(aber nicht müssen), und sind nicht zu
verwechseln mit den Ursachen einer
Migräne. Hormonschwankungen bei
Frauen sind wesentliche Triggerfaktoren.
Dies erklärt die Häufung von Migräneattacken zwei Tage vor und während
der Periode – für andere Tage und den
Zeitpunkt der Ovulation fand sich in
einer Untersuchung kein erhöhtes
Auftreten von Kopfschmerzen7. Die
Schmerzintensität und die Dauer der
menstruationsassoziierten Kopfschmerz-
Tabelle 3: Differentialdiagnose wichtiger Kopfschmerzformen6
Kriterien
Spannungs-
Migräne*
kopfschmerz*
Häufigkeit
Dauer
gelegentlich
wechselnd
bis täglich
1–6/Monat
Stunden bis
4–72 Stunden
Medikamentenindu-
Zervikogener
zierter Kopfschmerz*
Kopfschmerz*
konstant
Attacken nicht obligat,
typischerweise täglich
konstant
ganzer Tag
Lokalisation**
holozephal
anfangs Stunden,
später konstant
einseitig,
überwiegend
streng einseitig
beidseitig
beidseitig
okzipital, mit Ausstrahlung nach frontal
Intensität
leicht bis
schwer
mittel
Charakter
Begleitsymptome
mittel bis
mittel bis schwer
schwer
dumpf,
pochend,
pulsierend,
konstant, oft mit
drückend
hämmernd,
bohrend,
überlagernden
pulsierend
dumpf
Attacken
keine oder
Übelkeit, Brech-
leichte Übelkeit,
Schonhaltung von
nur minimal
reiz, Erbrechen,
leichte Phono- und
Nacken und Kopf,
Phono- und
Photophobie
Einnehmen einer be-
ausgeprägt
Photophobie
stimmten Schlafposition, gelegentlich
Schluckbeschwerden
oder Kloßgefühl im
Hals
Verhalten während
–
der Schmerzen
Ruhebedürfnis,
–
–
regelmäßige Einnahme
obligat mechanisch
Aufsuchen
abgedunkelter Räume
Provokation/
Stress und Wetter-
Alkohol, Stress,
Auslöser
wechsel initial,
Hormon-
von Schmerz- und
(Kopfdrehung etc.),
später keine
schwankungen,
Migränemitteln
z. T. Husten, Pressen,
Triggerfaktoren
Wochenende
(siehe diagnostische und
Wasserlassen, Druck
differentialdiagnostische
auf C2 homolateral
Hinweise (Seite 9))
* Kombination nicht selten
** s.a. Abbildung 2
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
7
GRUNDLAGEN
Abbildung 1: Synopsis zur Diagnostik und Therapie chronischer Kopfschmerzen (KS)
Basisdiagnostik
(Anamnese, klinische + neurologische Untersuchung, Kopfschmerztagebuch)
primärer
Kopfschmerz
SchmerzmittelAbusus
Migräne
Spannungskopfschmerz
Entzug
medikamentöse
Akuttherapie und evtl.
Prophylaxe,
Verhaltenstherapie
Medikation,
Verhaltenstherapie,
Psychotherapie
Prophylaxe, Akuttherapie
fachspezifische
Therapie
bei Symptomwandel erneute Diagnostik
symptomatischer
Kopfschmerz
nach spätestens 12 Monaten Therapieresistenz:
neurologische Überprüfung der Diagnose
8
ja
symptomatisch?
nein
Zuweisung an interdisziplinär arbeitende Institution
(Kopfschmerzambulanz oder Schmerzambulanz)
multimodale Rehabilitation
ereignisse unterschied sich dabei nicht
von den Migräneattacken oder Episoden
von Spannungskopfschmerz außerhalb
dieser Zeit7. Bei Ersteinnahme von
Hormonpräparaten
entweder
zur
Empfängnisverhütung oder nach den
Wechseljahren zur Behandlung von Beschwerden im Rahmen der Menopause
oder zur Osteoporoseprophylaxe kann
es zu einer Erstmanifestation der
Migräne oder zu einer Verschlechterung
einer vorbestehenden Migräne kommen. Im Verhaltensbereich sind Ände-
rungen des Schlaf-Wachrhythmus mögliche Triggerfaktoren, was zum Teil
erklären könnte, warum die Migräne am
Wochenende häufiger auftritt als unter
der Woche. Umweltfaktoren wie
Flackerlicht, Lärm, Aufenthalt in großer
Höhe, in Kälte und verqualmten
Räumen
können
möglicherweise
Migräneattacken auslösen. Psychologische Faktoren sind Erwartungsangst,
Stress und Entlastungsreaktionen nach
Stress. Substanzen, die Migräneattacken
auslösen können, sind Alkohol, insbe-
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
sondere in Form von Rotwein, und sehr
selten Nahrungsmittel, wie z. B. bestimmte Käsesorten. Auch Schwankungen des Coffein-Spiegels bei regelmäßigem Coffein-Genuss können zu
Migräneattacken führen. Am häufigsten
genannt, aber therapeutisch ohne
Bedeutung sind Wettereinflüsse8.
Cluster-Kopfschmerz
Der Cluster-Kopfschmerz (Erythroprosopalgie, Bing-Horton-Syndrom), der
fast ausschließlich bei Männern auftritt
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
GRUNDLAGEN
und mit täglichen heftigsten, unilateralen
(Abbildung 2), paroxysmalen Schmerzattacken von 30-180 Minuten Dauer im
Bereich der Orbitalregion und der Stirn
sowie mit Lakrimation, Rhinorrhoe,
Gesichtsrötung, Ptosis und Miosis einhergeht, ist selten. Die Therapie sollte in
enger Kooperation mit dem Neurologen
oder Schmerztherapeuten erfolgen9. Bei
akuten Cluster-Attacken ist bei 30-40 %
der Patienten die Inhalation von
100%igem Sauerstoff mit 7-9 l/min
wirksam.
B. Sekundäre Kopfschmerzen
Kopfschmerzen durch Substanz(Medikamenten-)einwirkung
Bei übermäßiger Einnahme von Kopfschmerzmedikamenten kann sich aus
einer Migräne oder einem episodischen
Spannungskopfschmerz ein sekundärer
medikamenteninduzierter Dauerkopfschmerz entwickeln. Diese Diagnose ist
durch Nachlassen der Dauerkopfschmerzen nach erfolgreichem Entzug
zu sichern.
Kopfschmerz
vom
Spannungstyp
ähneln, können vegetative Störungen
und Missempfindungen, unsystematischer Schwindel und leichte neuropsychologische Defizite (Konzentrationsminderung) bestehen10. Es besteht
keine Korrelation zwischen Schwere der
Verletzung und Dauer bzw. Intensität
der Schmerzen. Röntgenologisch festgestellte Haltungsanomalien der HWS korrelieren nicht mit dem Ausmaß der
Beschwerden.
Myoarthropathie
Leitsymptome der Myoarthropathie des
Kiefergelenks (myofaziales Schmerzsyndrom,
Costen-Syndrom)
sind
schmerzhaft verspannte direkte und
indirekte Kaumuskulatur und/oder
schmerzhafte Kiefergelenke. Aufgrund
von Projektionsphänomenen werden
die Schmerzen in den verschiedensten
Bereichen von Kopf und Hals empfun-
den. Es wird zwischen den primären und
sekundären Formen unterschieden,
denen verschiedene Ursachen zugrunde
liegen. Die Diagnostik hat fachspezifisch
zu erfolgen. Sie bezieht je nach
Notwendigkeit weitere Funktionsanalysen sowie röntgenologische Untersuchungen mit ein11, 12.
Zervikogener Kopfschmerz
Sehr viel seltener als üblicherweise diagnostiziert ist der zervikogene Kopfschmerz. Hier handelt es sich um einen
halbseitigen, in der Regel täglich auftretenden Schmerz im Bereich des Kopfes
und des Nackens, der reproduzierbar
durch bestimmte Kopfhaltungen oder
Bewegungen provoziert wird13, 14, 15.
Abbildung 2: Lokalisation der Schmerzen bei verschiedenen Kopf- und
Gesichtsschmerzen
9
An Ergotamin-, Triptan- und/oder
Analgetikakopfschmerz muss gedacht
werden bei:
mehr als 20 Kopfschmerztagen im
Monat,
täglichem Kopfschmerz von mehr als
10 Stunden,
Einnahme von Kopfschmerzmitteln
an mehr als 15 Tagen pro Monat,
regelmäßiger Einnahme von
Analgetika und/oder Ergotamin,
Dihydroergotamin oder Triptanen,
Einnahme in Kombination mit
Codein, anderen Opioiden, Coffein,
Antihistaminika,
Zunahme der Stärke und Frequenz
der Kopfschmerzen bei Entzug,
fehlendem Zusammenhang zwischen
ursprünglichen Kopfschmerzen (z. B.
Spannungskopfschmerzen, Migräne)
und derzeitigem Kopfschmerzsyndrom.
Posttraumatische Kopfschmerzen
Posttraumatische Kopfschmerzen können nach Schädelhirntraumen und/oder
nach Beschleunigungsverletzungen der
Halswirbelsäule auftreten. Neben den
Kopf- und Nackenschmerzen, die dem
a) Migräne ohne Aura
b) Migräne mit Aura und Wahrnehmung von Fortifikationen
c) Spannungskopfschmerz
d) Cluster-Kopfschmerz
e) Trigeminusneuralgien in V2
f) atypischer Gesichtsschmerz
(aus: Klinik der Gegenwart, München: Urban und Schwarzenberg 1992)
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
THERAPIE
10
In den folgenden Ausführungen zur
Therapie
erfolgt
bewusst
eine
Beschränkung auf einige wichtige und
besonders häufige Formen chronischer
Kopfschmerzen: Kopfschmerzen vom
Spannungstyp, Migräne und Kopfschmerzen durch Substanz-(Medikamenten-)einwirkung. Bei Patienten
mit chronischem Spannungskopfschmerz, bei medikamenteninduziertem
Kopfschmerz und bei einem Teil der
komplizierten Migräneverläufe sollte auf
die Arzt-Patienten-Beziehung ein besonderes Augenmerk gerichtet werden.
Hier kommt dem primär betreuenden
Arzt eine wichtige Rolle zu. Medikamentöse und nichtmedikamentöse
Prophylaxe und Therapie müssen beim
Hausarzt koordiniert werden. Problempatienten sollten jedoch einem Kollegen
mit entsprechender schmerztherapeutischer Erfahrung vorgestellt und ggf.
einer multidisziplinären Behandlung
zugeführt werden.
Die vorliegenden Therapieempfehlungen zum Spannungskopfschmerz6
und zur Migräne16 wurden unter wesentlicher Einbeziehung der Empfehlungen
der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) erarbeitet.
Spannungskopfschmerz
Indikationsstellung zur
Therapie
Die Indikation zur medikamentösen
Intervention bei akutem Spannungskopfschmerz ergibt sich aus der subjektiven Schmerzintensität.
Eine Indikation zur medikamentösen
Langzeitprophylaxe des chronischen
Spannungskopfschmerzes besteht bei
täglichen oder mindestens jeden zweiten Tag auftretenden Spannungskopfschmerzen über einen Zeitraum von
mehr als 3 Monaten, wenn nichtmedikamentöse Maßnahmen keinen ausreichenden Erfolg zeigen.
Therapieziel
Das therapeutische Ziel besteht im
Erreichen einer weitgehenden Kopfschmerzfreiheit.
pie (Ausdauersportarten), Entspannungstechniken, Biofeedback und psychotherapeutische Maßnahmen.
Akupunktur, Akupressur und transkutane Nervenstimulation (TENS) werden
häufig eingesetzt. Der Nutzen ist durch
prospektive Untersuchungen nicht bewiesen (Tabelle 6). Dies gilt auch für Chirotherapie, Massagen und manuelle Therapie.
Pharmakotherapie
Zur Behandlung des akuten oder chronischen Spannungskopfschmerzes werden unterschiedliche Wirkstoffgruppen
eingesetzt. Die oft unzureichende
Datenlage anhand klinischer Studien in
dieser Indikation steht im Gegensatz zur
Bedeutung dieser Wirkstoffe in der
therapeutischen Praxis.
Akuter Spannungskopfschmerz
Die Wirksamkeit von Analgetika wie
Paracetamol17 und
Nichtmedikamentöse Therapie
Neben der Information des Patienten
über auslösende Faktoren und Lebensführung stehen im Vordergrund der
Behandlungsempfehlungen Sportthera-
nichtsteroidalen Antiphlogistika17 (z. B. für Acetylsalicylsäure,
Ibuprofen, Naproxen und Ketoprofen)
ist für den akuten Spannungskopfschmerz belegt.
Tabelle 4: Wirkstoffe und Dosierungen zur Behandlung des akuten oder chronischen Spannungskopfschmerzes
(unerwünschte Wirkungen und Arzneimittelinteraktionen siehe Tabelle 5)
Wirkstoff/-gruppen
Einzeldosierung
[mg]
maximale Tagesdosierung
[mg]
Analgetika (Anilin-Derivate)
Paracetamol
500 – 1.000
4.000
Nichtsteroidale Antiphlogistika/Analgetika
Acetylsalicylsäure
Ibuprofen
Naproxen
500 – 1.000
400 – 600
500 – 1.000
3.000
2.400
1.000
Antidepressiva
1. Wahl
Amitriptylin
Amitriptylinoxid
25 – 75 zur Nacht
30 – 90 zur Nacht
150
90
falls nach 6-8 Wochen ohne Erfolg 2. Wahl
Doxepin
Imipramin
25 – 150 zur Nacht
25 – 50 zur Nacht
150
100
Akuter Spannungskopfschmerz
Chronischer Spannungskopfschmerz
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
THERAPIE
Triptane zeigen beim Spannungskopfschmerz keine therapeutische Wirkung18, 19, 20.
Die medikamentöse Behandlung des
akuten Spannungskopfschmerzes sollte,
sofern erforderlich, mit Monopräparaten, die Analgetika oder nichtsteroidale
Antiphlogistika enthalten, erfolgen (s. a.
Tabellen 4 und 5). In einer kleinen
placebokontrollierten Studie war die
lokale Applikation von Pfefferminzöl im
Bereich der Schläfen bei leichten
Spannungskopfschmerzen, die in der
Regel keine ärztliche Konsultation erfordern, ähnlich gut wirksam wie 1000 mg
Paracetamol21, 22.
Chronischer Spannungskopfschmerz23, 24
Für die Wirksamkeit von Amitriptylin
(Amitriptylin,
Amitriptylinoxid)
findet sich anhand klinischer Studien
die im Vergleich zu anderen trizyklischen Antidepressiva beste Datenlage25, 26, 27. Sie sind daher als Mittel der
ersten Wahl anzusehen (Tabelle 4).
Tritt nach 6-8 Wochen keine
Besserung ein, ist ein Versuch
mit Clomipramin28, Mianserin28,
Maprotilin29 oder Doxepin30 zu erwägen.
Ein Behandlungserfolg ist mit Antidepressiva erst nach 4-6 Wochen, selten
früher, zu erwarten. Der Patient sollte
darüber aufgeklärt werden, dass der
Einsatz von »Antidepressiva« hier zur
Anhebung der Schmerzschwelle und
nicht zur antidepressiven Therapie
erfolgt.
Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI), wie
z. B. Fluoxetin, Paroxetin, Citalopram,
sind beim chronischen Spannungskopfschmerz unwirksam31, 32, 33.
Die Homöopathie zeigt keine
über einen Placeboeffekt hinausgehende Wirksamkeit34.
Analgetika sollten beim chronischen
Spannungskopfschmerz nicht regelmäßig gegeben werden. Die Kombination von nichtmedikamentöser und
medikamentöser Therapie ist einer
jeweiligen Monotherapie überlegen. Die
Therapieerfolge sind insgesamt deutlich
geringer als bei der Migräne.
Beim gleichzeitigen Vorliegen von
Migräne und Spannungskopfschmerzen
wird in der Regel die medikamentöse
Intervallbehandlung entsprechend den
Richtlinien zur Migränebehandlung mit
der Prophylaxe des Spannungskopfschmerzes kombiniert.
Migräne
Indikationsstellung zur
Therapie
Migräneprophylaxe
Ziele der Prophylaxe sind Reduktion von
Häufigkeit, Schwere und Dauer der Anfälle mit Einsparung des Verbrauchs an
Schmerz- und Migränemitteln. Eine optimale Migräneprophylaxe erreicht eine
Reduktion von Anfallshäufigkeit, -intensität und -dauer von mindestens 50 %.
Nichtmedikamentöse Therapie
In der medikamentösen Migränebehandlung ist zwischen der Akuttherapie
des Migräneanfalls und der Prophylaxe
der Migräne zu unterscheiden.
Akuttherapie des Migräneanfalls
Die Intensität der Kopfschmerzen erfordert eine medikamentöse Therapie.
Migräneprophylaxe
Bei einer monatlichen Anfallsfrequenz
von mehr als 3 Attacken oder Versagen
einer adäquaten Anfallsbehandlung sollte eine medikamentöse Prophylaxe
durchgeführt werden. Weitere Indikationen sind Migräneattacken, die
regelmäßig Arbeitsunfähigkeit bewirken, subjektiv unerträgliche Migräneattacken, häufig komplizierte Migräneattacken (neurologische Ausfälle über
mehrere Stunden) und nach einer
Schmerzmittelentzugstherapie. Eine
erfolgreiche Migräneprophylaxe sollte
mindestens sechs Monate durchgeführt
und die Indikation spätestens nach zwölf
Monaten durch Absetzen des Medikaments überprüft werden.
Therapieziel
Akuttherapie des Migräneanfalls
Ziel der Akuttherapie ist die Kupierung
des Anfalls oder eine signifikante
Linderung von Kopfschmerz und vegetativer Begleitsymptomatik. Als Erfolgskriterien für eine erfolgreiche Behand-
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
lung eines Migräneanfalls werden eine
Besserung der Kopfschmerzen von
schwer oder mittelschwer auf leicht
oder kopfschmerzfrei innerhalb zwei
Stunden nach Applikation des entsprechenden Präparates35 und eine reproduzierbare Wirkung bei 2 von 3 Migräneattacken angesehen.
Akuttherapie des Migräneanfalls
Reizabschirmung (dunkler, ruhiger
Raum), ausreichend Schlaf und ggf.
Eisbeutel können hilfreiche Maßnahmen
sein. Für keine dieser Maßnahmen gibt
es kontrollierte Studien.
Migräneprophylaxe
Wichtig ist, Patienten über Symptome,
Pathophysiologie und mögliche Auslösefaktoren der Kopfschmerzen aufzuklären.
Ebenso wichtig ist eine strukturierte
Beratung bzgl. Therapie und Prophylaxe.
Am besten wirksam in der Prophylaxe ist
die Kombination einer medikamentösen
mit
einer
nichtmedikamentösen
Therapie. Unter den nichtmedikamentösen Therapieverfahren können die
Sporttherapie (Ausdauersportarten) und
die progressive Muskelrelaxation nach
Jacobsen (kann erlernt werden bei
Verhaltenstherapeuten,
Volkshochschulen, Krankenkassen) als belegt angesehen und eingesetzt werden.
Die Datenlage zur Akupunktur
erscheint aufgrund der oft schlechten
Qualität der Studien nicht geeignet, um
diese Methode als hinreichend belegt
anzusehen36, 37, 38, 39. Eine Metaanalyse
fand nur 10 Studien mit insgesamt etwa
300 Patienten, die bei einem Erfolgskriterium einer Besserung um > 33 %
eine Wirkung der Akupunktur nahe
legt40. Dabei muss berücksichtigt werden, dass das Erfolgskriterium bei
Studien zur pharmakologischen Therapie > 50 % beträgt. Wird dieses
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
11
THERAPIE
Tabelle 5: Wichtige unerwünschte Wirkungen (UAW), Arzneimittelinteraktionen (IA) und Kontraindikationen (KI)
von Kopfschmerztherapeutika und -prophylaktika, (pk: pharmakokinetische IA, pd: pharmakodynamische IA,
A: absolute KI, R: relative KI) Teil I
Wirkstoff/-gruppen
Wichtige UAW, IA und KI
Analgetika (Anilin-Derivate)
UAW: Allerg. Reaktionen, tox. Hepatitis (Dos. > 100 mg/kg/Tag), bes.
bei vorgeschädigter Leber (Alkohol).
IA:
Erhöhung der Hepatotoxizität durch Alkoholmissbrauch (pd),
Colestyramin und Kohle vermindern die Resorption (pk), Wirkungsverstärkung von oralen Antikoagulanzien möglich (pk) INR-Kontrolle.
KI:
Leberschäden; Niereninsuffizienz: Dosisreduktion
Paracetamol
Nichtsteroidale Antiphlogistika/Analgetika
Acetylsalicylsäure (ASS)
Lysinacetylsalicylat
Ibuprofen
Naproxen
12
Serotonin-(5-HT-)Agonisten
Mutterkornalkaloide u. Derivate
Ergotamin
Dihydroergotamin
Selektive Serotonin-(5-HT 1B/1D-)Agonisten
(Triptane)
Sumatriptan
Naratriptan
Zolmitriptan
Rizatriptan
Almotriptan
Dopamin-Antagonisten
Domperidon
Metoclopramid
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
UAW: Übelkeit, Erbrechen, Magen-Darm-Ulzera, allerg. Reaktionen bis
Bronchospasmus und anaphyl. Schock, Transaminasenanstieg,
Kreatininanstieg, Nierenversagen, insbes. bei vorgeschädigter
Niere, Störungen der Blutgerinnung, bes. bei ASS.
IA:
Risiko eines Nierenversagens durch ACE-Hemmer erhöht (pd).
Wirkung und Toxizität von oralen Antikoagulanzien, Methotrexat
und Lithium verstärkt (pk), erhöhtes Blutungsrisiko bei gemeinsamer Gabe von ASS und Heparin oder oralen Antikoagulanzien
(pd). ASS verstärkt Toxizität von Valproinsäure (pk).
KI:
Ulkus, Asthma, Blutungsneigung, Schwangerschaft;
Ibuprofen und Naproxen: Blutungsneigung geringer;
ASS bei Migräne: A: Ulkus, Blutungsneigung,
R: Asthma bronchiale
Naproxen bei Migräne: A: Ulkus, Blutungsneigung,
R: Asthma bronchiale
UAW: Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Angina pectoris, periphere
Durchblutungsstörungen, bei Abusus bis zum Ergotismus mit Gangrän.
IA:
Betarezeptorenblocker, Dopamin, Makrolidantibiotika erhöhen die
Gefahr der Vasokonstriktion bzw. eines Gangräns (pd).
KI:
Koronare Herzerkrankung, arterielle Verschlusskrankheit der Beine,
Hypertonie, M. Raynaud, Schwangerschaft, Kinder unter 12
Jahren, Patienten mit multiplen vaskulären Risikofaktoren
Dihydroergotamin bei Migräne: A: Schwangerschaft, Hypertonie,
koronare Herzerkrankung, arterielle Verschlusskrankheit
UAW: Übelkeit, Erbrechen, Parästhesien, Vasospasmen bis zu Angina
pectoris, Arrhythmie und Myokardinfarkt, epileptische Anfälle bei
bestehender Epilepsie.
IA:
Verstärkung der Wirkungen durch MAO-Hemmer, SSRI (Fluoxetin,
Fluvoxamin, Paroxetin), Clomipramin und Lithium, wechselseitige Verstärkung der Vasokonstriktion mit Ergotamin/
Dihydroergotamin.
Rizatriptan: Dosis max. 5 mg bei Einnahme von Propranolol
KI:
Hypertonie, koronare Herzerkrankung, Angina pectoris,
Myokardinfarkt in der Vorgeschichte, M. Raynaud, arterielle
Verschlusskrankheit der Beine, TIA oder Schlaganfall,
Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder, Alter > 65 Jahre, schwere Leberoder Niereninsuffizienz, multiple vaskuläre Risikofaktoren
UAW: Extrapyramidale Störungen, Schlundkrämpfe, okulogyre Krise
(insbes. bei Kindern unter Metoclopramid, nur in Einzelfällen
unter Domperidon): Behandlung mit Biperiden i. v.
IA:
Anticholinergika können die motilitätsfördernde Wirkung
beeinträchtigen (pd), Förderung extrapyramidalmotorischer UAW
durch Neuroleptika (pd).
KI:
KI und Anwendungsbeschränkung bei Kindern s. Fachinformation,
Hyperkinesien, Epilepsie, Schwangerschaft, Prolaktinom
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
THERAPIE
Tabelle 5: Wichtige unerwünschte Wirkungen (UAW), Arzneimittelinteraktionen (IA) und Kontraindikationen (KI)
von Kopfschmerztherapeutika und -prophylaktika, (pk: pharmakokinetische IA, pd: pharmakodynamische IA,
A: absolute KI, R: relative KI) Teil II
Wirkstoff/-gruppen
Wichtige UAW, IA und KI
Betarezeptorenblocker
UAW: Bradykardie, Verzögerung der AV-Überleitung, Hypotension,
Bronchokonstriktion, »kalte Extremitäten« durch Vasokonstriktion.
IA:
Cimetidin und Chinidin erhöhen die Wirkung lipophiler Betarezeptorenblocker (pk). Nichtsteroidale Antiphlogistika (pd), Phenobarbital und Rifampicin (pk) vermindern die Wirkung von Betarezeptorenblockern. Betarezeptorenblocker verlängern (und maskieren)
Antidiabetika-bedingte Hypoglykämien (pd),
vermindern die Wirkung von adrenergen Antiasthmatika (pd), verzögern die kardiale Erregungsleitung bei Gabe von Substanzen
mit ähnlicher Wirkung (Herzglykoside, Verapamil, Diltiazem, pd),
verstärken das Clonidin-Absetzsyndrom (pd).
KI:
A: AV-Block, Bradykardie, Herzinsuffizienz, Sick-Sinus-Syndrom,
Asthma bronchiale
R: Diabetes mellitus, orthostatische Dysregulation, Depression
beta1-selektiv
Metoprolol
nichtselektiv
Propranolol
Calciumantagonisten
Flunarizin
Serotonin-(5-HT-)Antagonisten
Lisurid
UAW: Müdigkeit, Gewichtszunahme, Depression, extrapyramidalmotorische Störungen (Parkinsonismus), Galaktorrhoe.
IA:
Wirkung von Sedativa/Hypnotika kann verstärkt werden.
KI:
A: fokale Dystonie, Schwangerschaft, Stillzeit, Depression
R: M. Parkinson in der Familie
UAW: Übelkeit, Erbrechen, psychotische Symptome, »kalte Extremitäten«
IA:
Neuroleptika führen zur wechselseitigen Wirkungsabschwächung,
Levodopa-Gabe kann psychotische Reaktionen provozieren.
KI:
A: Leberfunktionsstörungen, Schwangerschaft (Neuralrohrdefekte),
Alkoholmissbrauch
Methysergid
UAW: Übelkeit, Erbrechen, psychische Symptome, arterielle Spasmen
(Angina abdominalis, Angina pectoris, Myokardinfarkt); nach längerer Anwendung (3–6 Monate) retroperitoneale, pleuropulmonale oder Endokardfibrosen.
IA:
Siehe Mutterkornalkaloide.
KI:
KHK, pAVK, schwere Hypertonie, Nierenfunktionsstörungen, Kollagenerkrankungen, Herzklappenfehler, Leberfunktionsstörungen
Pizotifen
UAW: Sedierung, Gewichtszunahme (Appetitzunahme), anticholinerge
Wirkungen (Mundtrockenheit, Tachykardie; cave bei Glaukom und
Prostatahypertrophie).
IA:
Wirkung von Sedativa/Hypnotika kann verstärkt werden.
KI:
A: Glaukom, Prostatahypertrophie
R: koronare Herzerkrankung
Weitere Wirkstoffe zur Migräneprophylaxe
Valproinsäure
UAW: Thrombozytopenie, Alopezie, Stevens-Johnson-Syndrom,
Gewichtszunahme, Tremor, Sedierung, Ataxie, Hepatotoxizität
IA:
Wirkungs- und Toxizitätsverstärkung von Acetylsalicylsäure,
Carbamazepin, Phenytoin (pk) und Sedativa/Hypnotika (pd)
KI:
A: Leberfunktionsstörungen, Schwangerschaft (Neuralrohrdefekte), Alkoholmissbrauch
Cyclandelat
UAW: Übelkeit, Parästhesien (Prickeln und Kribbeln)
KI:
Akuter Schlaganfall, Glaukom
Magnesium
UAW: Müdigkeit, Diarrhoe
IA:
Wechselseitige Beeinträchtigung der Resorption mit Eisen,
Tetracyclinen und Natriumfluorid
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
13
THERAPIE
Tabelle 5: Wichtige unerwünschte Wirkungen (UAW), Arzneimittelinteraktionen (IA) und Kontraindikationen (KI)
von Kopfschmerztherapeutika und -prophylaktika, (pk: pharmakokinetische IA, pd: pharmakodynamische IA,
A: absolute KI, R: relative KI) Teil III
Wirkstoff/-gruppen
Wichtige UAW, IA und KI
Antidepressiva
UAW: Sedierung, anticholinerge Wirkung (Mundtrockenheit,
Akkomodationsstörungen, Tachyarrhythmie, cave bei Glaukom
und Prostatahypertrophie), orthostatische Dysregulation, Senkung
der Krampfschwelle.
IA:
Wirkungsverstärkung von direkten Sympathomimetika, MAOHemmern, Verstärkung der anticholinergen Wirkung von Atropin,
Antihistaminika, Neuroleptika, Parkinsontherapeutika und der
sedierenden Wirkung von Alkohol und anderen sedativ-hypnotischen Wirkstoffen. Abschwächung der Wirkung von Clonidin.
KI:
A: unbehandeltes Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie mit
Restharn, Pylorusstenose, paralyt. Ileus,
R: Prostatahypertrophie ohne Restharn, schwere Leber- oder
Nierenschäden, Blutbildungsstörungen, erhöhte Krampfbereitschaft, Reizleitungsstörungen
Amitriptylin
Amitriptylinoxid
Doxepin
Imipramin
Kriterium angelegt, ist die Akupunktur
unwirksam. Eine jüngeres systematisches Review zur Wirksamkeit der
Akupunktur bei chronischen Schmerzzuständen konstatierte einen signifikanten
Zusammenhang zwischen niedrigem
14
methodischen Standard und positivem
Ergebnis der klinischen Studien zur
Akupunktur41. Die Evidenz zur Wirksamkeit der Akupunktur im Vergleich zu
Nichtbehandlung, Placebogabe, ScheinAkupunktur oder Standardbehandlung
Tabelle 6: Verfahren zur Behandlung von Kopfschmerzen ohne Wirkung
oder ohne hinreichenden Wirksamkeitsnachweis16
Akupunktur/Akupressur
Aufbissschienen
autogenes Training
chiropraktische Therapie
Entfernung von Amalgamfüllungen
Frischzell-Therapie
Fußreflexmassage
Hysterektomie
klassische Psychoanalyse
lokale Injektionen in den Nacken oder die Kopfhaut
Magnetströme
Manualtherapie
Neuraltherapie
Ozontherapie
physikalische Therapie
Psychophonie
Reizströme
Sanierung vermeindlicher Pilzinfektionen des Darmes
Tonsillektomie
transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)
Zahnextraktion
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
wird als unzureichend angesehen41.
Auch der HTA-(Health Technology
Assessment-)Bericht
des
Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen kommt zu dieser Schlussfolgerung. Die beschlossenen »Modellversuche« der GKV-Kassen, die eine
Akupunkturanwendung auch bei chronischen Kopfschmerzen beinhalten,
werden nach den Anforderungen an die
»Kategorien zur Evidenz« (s. S. 1) und
an der Berücksichtigung der dazu vom
Bundesausschuss beschlossenen Vorgaben42 zu beurteilen sein43.
Für die physikalische Therapie und
die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) gibt es keinen
Wirkungsnachweis im Rahmen prospektiver Studien44, 45.
Auch viele andere zumeist nichtmedikamentöse Ansätze sind ohne Wirkung
oder hinreichenden Wirksamkeitsnachweis (Tabelle 6).
Pharmakotherapie
Akuttherapie des Migräneanfalls
Zur Anfallskupierung wird eine frühzeitige medikamentöse Intervention
empfohlen, wie sie in Tabelle 7 schematisch dargestellt ist. Die Einnahme der
Medikamente sollte erst erfolgen, wenn
es sich nach der Erfahrung des Patienten
eindeutig um eine Migräneattacke handelt.
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
THERAPIE
Dopaminantagonisten,
Analgetika/Nichtsteroidale
Antiphlogistika
Die Wirksamkeit von Dopaminantagonisten wie
Metoclopramid und
Domperidon bei Migräneanfällen ist gut belegt. Sie dienen nicht nur der Beseitigung von
Übelkeit und Erbrechen, sondern fördern auch die Resorption der
Analgetika, indem sie die anfallsbedingte Beeinträchtigung der gastrointestinalen Motilität antagonisieren46,
47, 48, 49
.
Um
extrapyramidalmotorische
Nebenwirkungen zu vermeiden, sollten sie bei Kindern und Jugendlichen
möglichst nicht eingesetzt werden.
Bei dringlicher Indikation sollte Domperidon bevorzugt werden. Es wird
empfohlen, Dopaminantagonisten vor
der oralen Applikation des Analgetikums/Antiphlogistikums zu geben.
Die Wirksamkeit von
Acetylsalicylsäure,
Paracetamol und
Ibuprofen ist bei leichten und
mittelschweren Migräneanfällen
gut belegt50, 51, 52, 53, 54. Sie sind daher
Therapeutika der ersten Wahl.
Für die Kupierung schwerer
Migräneanfälle eignet sich die
intravenöse Gabe von Lysinacetylsalicylat 55, 56, 57.
Lysinierte ASS in Kombination mit
Metoclopramid ist fast genauso wirksam
wie Sumatriptan49. Paracetamol wird
besser nach rektaler als nach oraler Gabe
resorbiert (rektale Gabe bei initialer
Übelkeit und Erbrechen). Nichtsteroidale Antirheumatika wie Naproxen,
Diclofenac und Tolfenaminsäure* sind
ebenfalls wirksam58, 59, 60, 61, 62, der Wirksamkeitseintritt ist allerdings etwas langsamer.
* In Deutschland nicht im Handel.
Ergotalkaloide
Ergotamin und Dihydroergotamin sind bei Migräneanfällen
nachweislich wirksam63, 64, 65.
Es gibt nur sehr wenige prospektive
Studien zum Einsatz der Mutterkornalkaloide bei der Migräne. Die
Behandlung mit Ergotamintartrat sollte
sehr langen Migräneattacken oder solchen mit multiplen »recurrences« vorbehalten bleiben. Patienten, die ihre
Migräneattacken erfolgreich mit einem
Mutterkornalkaloid behandeln, können
diese Akuttherapie beibehalten.
Dihydroergotamin ist wegen seiner
schlechten Resorption bevorzugt parenteral einzusetzen (Tabelle 7).
Übelkeit, Erbrechen, Kopf- und
Muskelschmerzen sowie allgemeine
Abgeschlagenheit können auch Zeichen
einer Ergotalkaloid-Überdosierung sein
(Tabelle 5). Differentialdiagnostische
Probleme bereitet auch ein Dauerkopfschmerz durch zu häufige Einnahme von Ergotaminpräparaten. Zu
weiteren Nebenwirkungen (Ergotismus)
s. auch Tabelle 5. Eine Maximaldosis von
3 mg Ergotamintartrat p. o. pro Attacke
bzw. eine Dosis von 6 mg/Woche (bei
zweimaliger Anwendung und mindestens 48 Stunden Pause zwischen den
Attacken) sollte keinesfalls überschritten
werden! Sumatriptan und andere
Triptane sollten in einem Zeitraum von
24 Stunden nach Gabe von Ergotamin-/
Dihydroergotamin-haltigen
Arzneimitteln nicht verabreicht werden.
Entsprechend sollte ein Zeitraum von
mindestens 12 Stunden nach Gabe von
Sumatriptan abgewartet werden, bevor
die genannten Substanzen eingesetzt
werden66.
Triptane
Unter dem Trivialterminus »Triptane«
werden die selektiven Serotonin-(5HT1B/1D-)Agonisten wie Almotriptan,
Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan
und Zolmitriptan zusammengefasst.
Die Wirksamkeit der Triptane ist
in vielen klinischen Studien
nachgewiesen67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79.
Im Mittel kann bei > 70 % der
Patienten nach 2 Stunden eine deutliche Besserung der Kopfschmerzen
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
erreicht werden. Etwa 30 % der
Patienten sind bei oraler Applikation
nach 2 Stunden kopfschmerzfrei
(50 % bei der s. c. Gabe von
Sumatriptan). Die Konsistenz der
Wirkung beträgt 70 % (wirksam bei 2
von 3 Migräneattacken).
Triptane wirken im Gegensatz zu
Ergotamintartrat zu jedem Zeitpunkt
innerhalb der Attacke, d. h. sie müssen
nicht notwendigerweise unmittelbar zu
Beginn der Attacke genommen werden.
Sie wirken anders als Mutterkornalkaloide auch auf die typischen Begleiterscheinungen der Migräne, nämlich
Übelkeit und Erbrechen, und reduzieren
signifikant die Einnahme von Schmerzmitteln. Der effektiven Wirkung stehen
jedoch hohe Kosten gegenüber.
Bei Sumatriptan-Gabe ist nach subkutaner Gabe aufgrund der kurzen
Wirkungsdauer bei der Hälfte der
Patienten mit einem Wiederauftreten der
Kopfschmerzen (»headache recurrence«)
zu rechnen. Bei oraler Gabe von
Triptanen beträgt die Häufigkeit wiederkehrender Kopfschmerzen 30-40 %. Die
erneute Gabe eines Triptans ist dann wieder wirksam80. Dieses Problem ist bei den
Triptanen ausgeprägter als bei Ergotamintartrat oder bei Acetylsalicylsäure.
Für Sumatriptan besteht die längste
Erfahrung sowie die größte Variationsbreite in der Applikationsart und Dosis.
Die initiale Dosis sollte 50 mg betragen.
Naratriptan ist weniger wirksam, hat
aber auch weniger Nebenwirkungen als
Sumatriptan. Es eignet sich daher für
Patienten, die nach Sumatriptan unter
ausgeprägten Nebenwirkungen (z. B.
thorakales Engegefühl) leiden. Zolmitriptan ist bei einem Teil der Patienten
wirksam, die nicht auf Sumatriptan
ansprechen. Patienten, die eine Migräneprophylaxe mit Propranolol erhalten,
dürfen nur mit 5 mg Rizatriptan behandelt werden. Almotriptan erscheint hinsichtlich seiner Wirksamkeit dem
Sumatriptan vergleichbar. Für jedes
Triptan gilt, dass eine erneute
Verabreichung bei derselben Attacke
sinnlos ist, wenn die Erstgabe wirkungslos war. Vor Behandlungsbeginn
mit Triptanen sind Kontraindikationen
(s. a. Tabelle 5), insbesondere koronare
Herzerkrankung und eine nicht kontrol-
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
15
THERAPIE
lierte arterielle Hypertonie in der
Vorgeschichte, auszuschließen. Sie sollten nicht in der Aura und nur vorsichtig
bei Migräne mit neurologischen
Ausfällen eingesetzt werden.
Unerwünschte Wirkungen
Sumatriptan kann wie Ergotamin
zu medikamenteninduzierten Kopfschmerzen führen81, 82. Dies gilt auch für
Zolmitriptan und Naratriptan83. Für
Rizatriptan gibt es diesbezüglich noch
keine publizierten Daten. Triptane sollten an nicht mehr als 10 Tagen im
Monat eingesetzt werden. Lebensbedrohliche Nebenwirkungen (Myokardinfarkt,
schwere
Herzrhythmusstörungen, Schlaganfall) wurden bei der
Applikation von Sumatriptan in einer
Häufigkeit von 1:1.000.000 beobachtet84. Bei fast allen Patienten lagen entweder eindeutige Kontraindikationen
vor (z. B. vorbestehende koronare Herzkrankheit) oder die Diagnose Migräne
war falsch. Für die anderen Triptane gibt
es noch keine publizierten Daten. Da
das Potential, koronare Arterien zu kontrahieren, für alle Triptane gleich ist, ist
für die anderen Triptane mit einer
ähnlichen Inzidenz lebensbedrohlicher
Nebenwirkungen zu rechnen (orale
Applikationsformen haben aber ein
geringeres Risiko als die subkutane
Gabe).
Metamizol
Mit Metamizol können Wirkungen beim Migräneanfall
erzielt werden. Für Metamizol liegen
jedoch weder Belege aus geeigneten
klinischen Prüfungen noch die Zulassung für diese Indikation vor.
Das Agranulozytose-Risiko von Metamizol unterliegt z. Zt. einer erneuten
Bewertung durch das Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte im
Rahmen eines Stufenplanverfahrens
nach Stufe I. Zu rasche Injektion kann
zum Schock führen.
Tabelle 7: Therapie des Migräneanfalls 89
16
Leichte Migräneattacke
Domperidon 20 mg p. o. oder Metoclopramid 10-20 mg p. o. oder rektal,
gefolgt von:
Acetylsalicylsäure 500–1.000 mg p. o. (Brause- oder Kautablette)
oder
Paracetamol 500–1.000 mg p. o. oder rektal (bessere Resorption)
oder
Ibuprofen 400–600 mg oder Naproxen 500–1000 mg p. o.
Schwere Migräneattacke
Metoclopramid 20 mg p. o. oder rektal,
gefolgt von:
Ergotamintartrat 1–2 mg p. o. oder rektal (bessere Resorption)
(ggf. nach 60 Min. wiederholen – max. 4 mg/Attacke und max. 6 mg/Woche)
alternativ:
Sumatriptan 25–100 mg p. o. oder 10–20 mg Nasenspray oder 25 mg
Supp.; bei frühem Erbrechen und Durchfall 6 mg s. c. (Autoinjektor);
max. 200 mg p. o. oder 40 mg Nasenspray oder 50 mg Supp. oder
12 mg s. c. pro Attacke
Zolmitriptan 2,5 mg als Tablette oder Schmelztablette,
Naratriptan 2,5 mg als Tablette,
Rizatriptan 10 mg als Tablette oder Schmelztablette,
Almotriptan 12,5 mg als Tablette
Behandlung beim Arzt:
Metoclopramid 10 mg i. m. oder i. v.
sowie
Lysinacetylsalicylat 500–1.000 mg i. v.
oder
Dihydroergotamin(mesilat) 1–2 mg s. c. oder i. m.
oder
Sumatriptan 6 mg s. c.
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
Opioide
Es existieren mehrere klinische Studien
zum Einsatz verschiedener Opioide
(Codein, Pethidin, Methadon, Butorphanol) in unterschiedlichen Darreichungsformen (oral, intranasal, i.m.) zur
Behandlung der Migräne85, 86, 87, 88. Die
Aussagefähigkeit dieser Untersuchungen
wird durch zahlreiche methodische
Probleme (z. B. Studiendauer, Opioidgabe häufig in Kombination mit anderen
Wirkstoffen wie Paracetamol oder verschiedenen H1-Rezeptorantagonisten)
eingeschränkt. Trotz dieser Unzulänglichkeiten legen die Ergebnisse eine
gewisse Wirksamkeit der Opioide auch
beim Migäneanfall nahe. Opioide sollten
jedoch allenfalls in Ausnahmefällen bei
schwerer Migräne kurzfristig gegeben
werden, wenn auch nach schmerztherapeutischem Konsil alle anderen therapeutischen Optionen ausgeschöpft oder
kontraindiziert sind85, 86, 87. Hierbei ist
neben dem Nebenwirkungs- und Abhängigkeitspotenzial zu beachten, dass
diese Wirkstoffe nicht explizit zur Behandlung der Migräne zugelassen sind.
Behandlung der Migräneattacke im
ärztlichen Notdienst
Patienten, die ihren Hausarzt oder den
Dienst habenden Arzt rufen bzw. die
Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen, haben häufig bereits erfolglos
eine orale Medikation versucht. In diesen Fällen erfolgt die Behandlung parenteral89 (Tabelle 7).
Schwere Attacken werden primär
durch die intravenöse Gabe von 10 mg
Metoclopramid gefolgt von 500 oder
1000 mg lysinierter Acetylsalicylsäure
behandelt57. Diese Therapie ist fast
genau so wirksam wie die subkutane
Gabe von 6 mg Sumatriptan und sicherer. Als Alternative kommen Dihydroergotamin 1-2 mg subkutan oder intramuskulär90 bzw. Sumatriptan 6 mg subkutan in Frage. Sumatriptan darf nicht
gegeben werden, wenn zuvor bereits
ein Mutterkornalkaloid zur Anwendung
kam. Metamizol (500-1000 mg i. v.)
wird häufig gegeben, wobei prospektive
klinische Studien für diese Indikation
nicht vorliegen. Zu rasche Injektion
kann zum Schock führen.
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
THERAPIE
Behandlung der Migräneattacke bei
Schwangeren und Kindern
In der Schwangerschaft sind fast alle
Medikamente zur Akuttherapie außer
Paracetamol und Acetylsalicylsäure (ASS)
kontraindiziert91, 92, 93. ASS ist nur im 4.-6.
Schwangerschaftsmonat angezeigt.
Für Kinder kommen Paracetamol als
Zäpfchen oder ASS zur Anwendung. Bei
Kindern mit Migräne besteht keine
Gefahr eines Reye-Syndroms. Als Alternative kommt Ibuprofen (10 mg/kg KG)
in Betracht. Triptane sind derzeit bei
Kindern nicht zugelassen. Sie sind bei
Jugendlichen angesichts der kurzen
Attackendauer und des hohen Placeboeffektes meist nicht wirksam. Wenn überhaupt, kommt bei Kindern Sumatriptan
als Nasenspray (10-20 mg) zum Einsatz94.
Migräneprophylaxe
Es müssen mindestens 6–12 Wochen
vergehen, bis der Erfolg einer medikamentösen Prophylaxe beurteilt werden
kann. Hierzu ist der Gebrauch eines
Kopfschmerztagebuchs (Häufigkeit,
Dauer und Schwere der Attacken, eingenommene Medikamente) nützlich. Die
medikamentöse Therapie sollte durch
nichtmedikamentöse Verfahren (s. o.)
der Verhaltenstherapie und durch Ausdauersport ergänzt werden. Das
medikamentöse Repertoire und die
Dosierungsempfehlungen sind den
Tabellen 8a und 8b zu entnehmen. Der
Einsatz des Migräneprophylaktikums
sollte sich am Beleg der Wirksamkeit
und an den zu erwartenden Nebenwirkungen (Tabelle 5) orientieren. Die
Dosierung sollte einschleichend und bei
Betarezeptorenblockern und Valproinsäure auch ausschleichend erfolgen.
Die Wirksamkeit bei der Prophylaxe
von Migräneanfällen ist für die einzelnen
Wirkstoffe/Wirkstoffgruppen in unterschiedlichem Maße belegt und sollte bei
der Wirkstoffauswahl Berücksichtigung
finden. Die beste Datenlage existiert
hier für Betarezeptorenblocker und
Flunarizin.
Die Wirksamkeit der Betarezeptorenblocker Metoprolol
und Propranolol95, 96, 97, 98, 99 sowie von
Flunarizin98, 100, 101, 102 ist in mehreren kli-
nische Studien zur Migräneprophylaxe gut belegt. Sie sind daher
Mittel der ersten Wahl zur Prävention
von Migräneanfällen.
Der Wirkungsmechanismus der Betarezeptorenblocker bei der Migräneprophylaxe ist nicht bekannt. Auffällig
ist, dass alle wirksamen Betarezeptorenblocker keine intrinsische sympathikomimetische Aktivität haben. Bisoprolol* ist
wahrscheinlich ebenfalls wirksam,
wurde aber nur in wenigen Studien
untersucht103, 104. Flunarizin darf bei Patienten mit Morbus Parkinson bzw. extrapyramidalmotorischen Störungen oder
Depressionen in der Vorgeschichte nicht
gegeben werden (Kontraindikation).
Bei
mangelndem
Ansprechen,
Kontraindikationen oder Unverträglichkeit einer Behandlung mit Betarezeptorenblockern oder Flunarizin kann ein
Behandlungsversuch mit den in Tabelle
8b zusammengefassten Wirkstoffen
unternommen werden.
Für andere Wirkstoffe, wie z. B.
Dihydroergotamin,
Lisurid,
Pizotifen, aber auch für Acetylsalicylsäure, liegen keine aussagekräftigen Untersuchungen oder – wie
z. B. für Magnesium* 111, 112 und
Cyclandelat16, 113, 114 – widersprüchliche
Ergebnisse zur prophylaktischen
Wirksamkeit bei Migräne vor.
Auch die Wirksamkeit von
Naproxen109, 110 wird durch einzelne Studien gestützt.
Die Gabe von Valproinsäure sollte
aufgrund zahlreicher unerwünschter
Wirkungen (Tabelle 5) und erforderlicher Kontrolluntersuchungen in enger
Kooperation mit dem Neurologen erfolgen. Valproinsäure hat in Deutschland
keine Zulassung für die Migräneprophylaxe.
Bei der längerfristigen prophylaktischen Gabe von nichtsteroidalen
Antiphlogistika oder Acetylsalicylsäure
ist insbesondere auf gastrointestinale
Nebenwirkungen (Tabelle 5) und Kontraindikationen zu achten. Bei der zyklusgebundenen Migräne kann eine
Prophylaxe mit 2 x 500 mg Naproxen
vier Tage vor bis drei Tage nach der
Periode versucht werden. Als Alternative
für die Kurzzeitprophylaxe kommen
Estrogenpflaster (100 mg) in der Phase
mit Hormonabfall zum Einsatz, obwohl
Belege hierzu bislang nicht vorliegen.
Bei Dihydroergotamin ist bei längerer Einnahme insbesondere auf die
Entwicklung eines Medikamentenkopfschmerzes oder Ergotismus zu achten.
Die Gabe sollte nach einem Vierteljahr
für mindestens einen Monat unterbro-
* Nicht zur Behandlung der Migräne zugelassen.
* Nicht zur Behandlung der Migräne zugelassen.
Für einige dieser Wirkstoffe, z. B. für
Valproinsäure105, 106, 107, 108,
ist die Wirksamkeit bei der Migräneprophylaxe weitgehend gesichert,
wenn auch nicht so viele Studien zum
Beleg vorliegen wie z. B. für Betarezeptorenblocker oder Flunarizin.
Tabelle 8 a: Medikamentöse Migräneprophylaxe mit gesicherter Wirkung
(Medikamente der 1. Wahl)89
Betarezeptorenblocker
Metoprolol (selektiver Blocker) initial 50 mg, innerhalb von 4 Wochen bis
3 x 50 mg bei Frauen und 2 x 100 mg oder 1 x 200 mg retard bei
Männern zu steigern*
oder
Propranolol (nichtselektiver Blocker) initial 40 mg,
innerhalb von 4 Wochen bis auf 80–160 mg zu steigern
Flunarizin
5 mg bei Frauen und 10 mg bei Männern zur Nacht*
* Die geschlechtsspezifischen Dosierungsangaben resultieren aus ärztlicher Erfahrung zu einer unterschiedlichen Verträglichkeit
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
17
THERAPIE
18
chen werden. Pizotifen wird wegen der
deutlich häufigeren Nebenwirkungen
(Müdigkeit, Gewichtszunahme) weniger
gut toleriert als Betarezeptorenblocker
oder Flunarizin. Methysergid ist ein
wirksames Migräneprophylaktikum115. Es
sollte aber wegen seiner Nebenwirkungen Spezialisten und der Behandlung des Cluster-Kopfschmerzes vorbehalten sein. Es darf wegen der Gefahr
einer Retroperitonealfibrose oder von
Lungenfibrosen nicht länger als drei bis
fünf Monate gegeben werden.
Amitriptylin und Amitriptylinoxid
sind trizyklische Antidepressiva. Allein
gegeben sind sie bei der Migräne wenig
wirksam. Sie sollten aber zur Prophylaxe
gegeben
werden,
wenn
eine
Kombination mit einem Spannungskopfschmerz (s. o.) vorliegt oder wenn,
wie häufig bei chronischen Schmerzen,
eine zusätzliche Depression besteht (s.
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur Depression)116.
Während der Schwangerschaft sind
nur Betarezeptorenblocker zur Prophylaxe zugelassen. Die anderen Migräneprophylaktika außer Magnesium sind
kontraindiziert.
Weitere Mittel zur Migränetherapie
und –prophylaxe
Phytopharmaka
Hinweise auf mögliche prophylaktische Wirkungen von Tanacetum parthenium (Feverfew) bei
Migräne117, 118 konnten in einem systematischen Review der Cochrane Collaboration nicht hinreichend bestätigt
werden119, 120. Für Pestwurz (Petasitidis)
werden ebenfalls Wirkungen geltend
gemacht, allerdings ohne ausreichend
wissenschaftlich begründete Evidenz.
Homöopathika
Die Homöopathie zeigt keine
über einen Placeboeffekt hinausgehende Wirksamkeit bei der
Migräne34, 121, 122.
Aus verschiedenen Gründen sind weiterhin folgende Wirkstoffe/Wirkstoffgruppen bei der Behandlung der
Migräne unwirksam:
Bromocriptin, die Antiepileptika
Carbamazepin, Diphenylhydantoin und
Primidon, Diuretika, Clonidin, Estrogene
und Gestagene, Lithium, Neuroleptika
und die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)16.
Tabelle 8 b: Arzneistoffe zur Migräneprophylaxe mit im Vergleich zu Betarezeptorenblockern oder Flunarizin deutlich geringerem Belegtheitsgrad 89.
Wirkstoff/-gruppen
Tagesdosis (mg)
Valproinsäure
2 x 300
Cyclandelat
3–4 x 400
Serotoninantagonisten:
Dihydroergotamin
1,5–6
Lisurid
3 x 0,025
Pizotifen
1–3
Acetylsalicylsäure bzw. nichtsteroidale Antiphlogistika
Acetylsalicylsäure
300
Naproxen
2 x 500
Fraglich wirksam:
Magnesium
2 x 300
bei prämenstrueller Migräne:
Naproxen
2 x 250-500 3–4 Tage prämenstruell
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
Kopfschmerzen durch
Substanz-(Medikamenten-)
Einwirkung
Nach Aufklärung des Patienten über
den Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und den eingenommenen
Präparaten sollte dieser zu einem baldigen Entzug bei einem Spezialisten oder
in einer dafür spezialisierten Einrichtung
motiviert werden. Ein Medikamentenentzug wird in aller Regel in neurologischen oder schmerztherapeutischen
Einrichtungen durchgeführt.
Ambulanter Entzug ist möglich bei:
hoher Eigenmotivation des Patienten,
Einnahme analgetischer Mischpräparate ohne Codein,
geringer Begleitdepression,
kurzfristigem Verlauf (< 5 Jahre).
Beim ambulanten Entzug werden
Schmerz- oder Migränemittel abrupt
abgesetzt. Gegen Übelkeit und
Erbrechen wird eine antiemetische
Bedarfsmedikation mit Metoclopramid
oder Domperidon gegeben. Der
Entzugskopfschmerz kann mit Acetylsalicylsäure oder Naproxen (wenn nicht
zuvor eingenommen) behandelt werden. Nach dem Entzug erfolgt bei
ursprünglicher Migräne eine Prophylaxe
entsprechend obiger Standards. Lag
ursprünglich ein Spannungskopfschmerz vor, erfolgt die medikamentöse
Prophylaxe mit Amitriptylin oder
Amitriptylinoxid.
Stationärer Entzug ist erforderlich bei:
Abhängigkeit von Mischpräparaten
mit suchtförderndem Potential, z. B.
zentral wirksame Analgetika (Opioide),
langjährigem Verlauf (> 5 Jahre),
mehrfach erfolglosem ambulanten
oder eigenständigen Entzug,
hohem primären Krankheitsgewinn
bzw. ausgeprägter psychopathologischer Beteiligung.
Einzelheiten bezüglich der stationären Entzugsbehandlung können den
Therapieempfehlungen der Deutschen
Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft
entnommen werden123.
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Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
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Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
21
ANHANG I
Empfehlungen zur
besseren Versorgung von
Patienten mit chronischen
Kopfschmerzen
Arbeitsgruppe »Schmerztherapie« des
Ärztlichen Sachverständigenbeirates für
die Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung des Bundesministeriums
für Gesundheit
Im Vergleich zu den Behandlungsempfehlungen in anderen Bereichen der
Medizin besteht bezüglich der Therapiestandards der Deutschen Migräne- und
Kopfschmerzgesellschaft Konsens. Trotzdem ist die Betreuungssituation der
Patienten mit primären Kopfschmerzformen sowie derjenigen mit medikamenteninduzierten
Kopfschmerzen
unverändert defizitär. Dies gilt insbesondere für den ambulanten Bereich, in
dem die primäre Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen erfolgt.
22
Häufige Fehlerquellen sind:
fehlerhafte Diagnosestellung (Verwechseln der Migräne mit einem
Spannungskopfschmerz oder einem
zervikogenen Kopfschmerz),
individuell nicht zutreffende pathophysiologische Vorstellungen
(degenerative Veränderungen der
Halswirbelsäule, Einfluss des
Blutdrucks, Einfluss psychischer
Faktoren, Amalgamfüllungen),
unklare Indikation medikamentöser
Maßnahmen,
unkritische Anwendung einer
Vielzahl unwirksamer nichtmedikamentöser Verfahren,
unreflektiertes Verschreibungsverhalten über definierte und
kontrollierbare Zeiträume hinaus,
fehlende Rückmeldung des
Patienten über sein Einnahmeverhalten auch mit rezeptfreien
Schmerzmitteln,
zu spätes Erkennen chronifizierender
Faktoren.
Hilfreich für die Praxis sind dementsprechend:
Überprüfung der Diagnose nach den
vorhandenen Standards, ggf. fachspezifische »zweite Meinung« nach
dem Versagen herkömmlicher
Therapien,
Kontrolle und Evaluation der therapeutischen Maßnahmen und des
klinischen Verlaufs anhand eines
Kopfschmerzkalenders,
Aufklärung des Patienten über mögliche Auslösesituationen und deren
Prophylaxe,
Abklärung eines realistischen
Therapiezieles mit dem Patienten
(z. B. Heilung ist nicht möglich),
Ausschöpfen bewährter nichtmedikamentöser Maßnahmen,
Berücksichtigung von
Chronifizierungsfaktoren,
bei Therapieversagen nach bekannten Standards frühzeitige Zuweisung
an eine Kopfschmerzambulanz oder
eine interdisziplinär arbeitende
schmerztherapeutische Institution
zur weiteren differenzialdiagnostischen Abklärung und ggf. Einleitung
einer multifaktoriellen Therapie,
bei Verdacht auf einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz frühzeitige Planung ambulanter oder
ggf. stationärer Entzugsbehandlung
unter Berücksichtigung komplizierender psychosomatischer Faktoren.
Im Weiteren könnten »Ärztliche
Qualitätszirkel« als Instrument zur
Behebung des bestehenden Fortbildungs- und Betreuungsdefizites eingesetzt werden.
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
ANHANG II
Kurzgefasster LeitlinienReport zur Methodik
Weitergehende Ausführungen s. (1).
Die Erarbeitung der Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der
deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) erfolgt unter
wesentlicher Berücksichtigung der »Beurteilungskriterien für Leitlinien in der
medizinischen Versorgung – Beschlüsse
der Vorstände von Bundesärztekammer
und Kassenärztlicher Bundesvereinigung, Juni 1997« (2).
diges und verantwortliches ärztliches
Handeln im Individualfall weder einschränken noch ersetzen kann.
3. Adressaten
Die Empfehlungen/Leitlinien wurden,
entsprechend dem Geltungsbereich der
Arzneimittel-Richtlinien, vorrangig für
niedergelassene, hauptsächlich im allgemeinmedizinischen/hausärztlichen Bereich
tätige Ärzte konzipiert, können aber in
gleicher Weise auch dem in der Klinik
tätigen Arzt hilfreich sein.
1. Gründe
4. Autoren/Herausgeber
Formaler Anlass und Grundlage für die
Erarbeitung der Therapieempfehlungen
der Arzneimittelkommission sind die
Arzneimittel-Richtlinien, in deren Nr. 14
es heißt: »Es wird empfohlen, insbesondere die von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft erstellten
und in ›Arzneiverordnung in der Praxis‹
veröffentlichten Therapieempfehlungen
in der jeweils aktuellen Fassung zu berücksichtigen.« Inhaltlich entspricht es
zugleich der Grund- und Gründungsintention der Arzneimittelkommission, gesichertes Wissen der Pharmakotherapie
in die tägliche Verordnungspraxis zu
überführen, um bestehenden therapeutischen Defiziten zu begegnen.
Die Therapieempfehlungen/Leitlinien
werden herausgegeben von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Die bereits 1911 zur Förderung
einer rationalen Arzneimitteltherapie
gegründete Kommission ist heute ein
wissenschaftlicher Fachausschuss der
Bundesärztekammer und rekrutiert sich
aus Mitgliedern der verschiedensten
medizinischen Fachgebiete. Dies ist
wesentliche Grundlage für die interdisziplinäre Erstellung der Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission, in deren Arbeitsgruppen neben
den Vertretern der das Thema betreffenden Disziplinen immer auch Allgemeinmediziner, Pharmakologen und/oder
klinische Pharmakologen und ggf. Biometriker einbezogen sind. Mitglieder der
Arzneimittelkommission der deutschen
Ärzteschaft unterzeichnen eine Erklärung
zur Unabhängigkeit von Interessenbindungen.
2. Ziele der Empfehlungen/
Leitlinien
Ziel der Empfehlungen/Leitlinien ist es,
soweit möglich, Transparenz zu schaffen,
welche therapeutischen »Endpunkte«
(Senkung von Letalität, Morbidität, symptomatische Besserung, Beeinflussung
von Surrogatparametern) mit den einzelnen Maßnahmen der Pharmakotherapie nach Aussage klinischer Studien zu
erreichen sind. Diese Transparenz ist
Voraussetzung für eine rationale und
wirtschaftliche Arzneitherapie und dient
dem grundlegenden Ziel aller Medizin,
nämlich der Sicherung und Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung der Patienten. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
ist sich dabei bewusst, dass derartige
Empfehlungen/Leitlinien niemals allen
Einzelfällen in der medizinischen Praxis
gerecht werden können. Sie sind als
eine solide Plattform der therapeutischen
Vernunft zu verstehen, die aber selbststän-
5. Träger/Finanzierung
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft wird finanziert von
Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung.
6. Themenauswahl
Um eine willkürliche Themenwahl zu
vermeiden, stützt sich die Arzneimittelkommission grundlegend auf die EVaSStudie (3), die Auskunft darüber gibt, mit
welchen 20 Hauptanliegen oder Hauptdiagnosen Patienten den allgemeinmedizinisch tätigen Arzt aufsuchen. Weitere
Gesichtspunkte zur Erstellung von Therapieempfehlungen sind vermutete therapeutische Defizite (z. B. Tumorschmerzbehandlung), Gebiete mit größeren the-
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
rapeutischen Unsicherheiten bei gleichzeitig hoher Prävalenz (z. B. Behandlung
von Rückenschmerzen oder funktionellen
Magen-Darm-Störungen) und Gebiete,
für die nachgewiesen wurde, dass durch
konsequente Behandlung eine Reduktion von Morbidität und/oder Letalität
zu erreichen ist (z. B. Therapie von Fettstoffwechselstörungen und der arteriellen Hypertonie). Der Beschluss zur Erarbeitung einer Therapieempfehlung wird
vom Vorstand der Arzneimittelkommission gefasst.
7. Erstellung und
Konsensusprozess
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission werden von den entsprechenden Fach- und allgemeinmedizinischen Mitgliedern nach einem festgelegten Procedere erarbeitet (Abbildung 1).
Themenauswahl, Aufstellung der Arbeitsgruppe und Literaturaufarbeitung
erfolgen wie unter 4., 6. und 8. skizziert.
Ein vom federführenden Autor erstelltes
Erstmanuskript wird innerhalb der
Arbeitsgruppe konsentiert und danach
einem Panel vorwiegend allgemeinmedizinisch-hausärztlich arbeitender Kollegen zur Kritik insbesondere hinsichtlich
der Praxistauglichkeit vorgelegt. Dies ist
ein Prozess, der einen persönlichen,
schriftlichen, z. T. auch anonymisierten
Meinungsabgleich und in der Folge
zahl- und umfangreiche Textmodifikationen beinhaltet. Auf dem seit mehreren Jahren hierfür institutionalisierten
»Therapie-Symposium« der Arzneimittelkommission wird das noch vorläufige
Papier der Öffentlichkeit zur Diskussion
gestellt und nachfolgend nationalen
oder internationalen wissenschaftlichen
Fachgesellschaften zur Begutachtung
und Abstimmung übergeben. Letztlich
muss die Therapieempfehlung vom Vorstand der Kommission im Konsens als
publikationsreif verabschiedet werden.
8. Identifizierung und
Interpretation der Evidenz
Am Anfang aller Überlegungen zur Evidenzermittlung für eine Therapieempfehlung steht die klinische Fragestellung,
für welche therapeutisch relevanten
Aussagen die Darstellung des Belegtheitsgrades anhand der Literatur wünschenswert bzw. erforderlich erscheint. Es folgt
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
23
ANHANG II
eine Literaturrecherche, die abhängig
vom Gegenstand einen extensiven oder
auch nur ergänzenden Charakter z. B.
dann trägt, wenn, wie bei den Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission üblich, ausgewiesene Spezialisten
bereits über einen hinreichenden Fundus
verfügen. Die Recherchen werden mit
Datenbanken, wie z. B. Medline,
Cochrane Library, Drugdex, durchgeführt, enthalten aber auch Suchen in
den Internetangeboten z. B. der AHCPR,
der Canadian Medical Association, des
Scottish Intercollegiate Guidelines Network, des New Zealand Guidelines
Project sowie in den Internetseiten der
nationalen und internationalen wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Gegenstand der Suche sind in der Regel publizierte randomisierte kontrollierte Studien,
Metaanalysen, systematische Reviews,
ggf. auch als Bestandteil bereits existierender Leitlinien. Die Rechercheergebnisse werden nach Ein- und Ausschlusskriterien selektiert, die sich von der speziellen Fragestellung ableiten. Die
Bewertung der Studien hat allgemein-
gültigen biometrischen Anforderungen,
wie z. B. Eignung der Hauptzielkriterien
für die Aussage, hinreichende Fallzahl,
Repräsentativität der Studienpopulation,
relevante Dosierungen, Signifikanz des
Ergebnisses, Rechnung zu tragen, muss
aber erforderlichenfalls auch den Besonderheiten der Arzneimittelprüfung bei
bestimmten Erkrankungen gerecht werden (s. z. B. Empfehlungen der CPMPGuidelines für die Demenz). Systematische Fehler sind prinzipiell auf der Ebene
der Informationsselektion und -bewertung möglich. Es wird versucht, ihr Auftreten durch Sorgfalt bei der Recherche
und interpersonellen Abgleich bei der
Bewertung zu minimieren. Der Belegtheitsgrad wird anhand von vier Stufen
kategorisiert (s. Seite 2: Kategorien zur
Evidenz). Die Aussagen zur Evidenz
müssen prioritär in die entsprechenden
therapeutischen Überlegungen einbezogen werden, sind aber nur ein – wenn
auch sehr bedeutsames – Instrument im
Konzert der therapeutischen Entscheidung (s. a. Punkt 2. und Seite 2
»Evidenz in der Medizin«). Die Limitie-
rung evidenzbasierter Klassifizierungen
zeigt sich in Situationen, in denen keine
oder nur unzureichende klinische
Studien vorhanden sind, z. T. weil der
Durchführung, wie beispielsweise bei
der Tumorschmerztherapie, verständliche ethische Bedenken entgegenstehen.
9. Pharmakoökonomische
Aspekte
Die Arzneimittelkommission erkennt die
Bedeutung von Kostenaspekten im Sinne
einer wirtschaftlichen Arzneimittelverordnung. Bei unumstrittener Priorität
der Qualitätssicherung wird sich die Arzneimittelkommission daher auch Fragen
der Wirtschaftlichkeit nicht verschließen,
sofern sie sich mit den Prinzipien einer
rationalen Pharmakotherapie zum Wohle
der Patienten in Einklang bringen lassen.
In den Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission sind Einsparpotentiale implizit, denn auf lange Sicht ist
eine rationale Pharmakotherapie zumeist
auch eine rationelle Therapie. Hinsichtlich der Implementierung von KostenNutzen-Analysen muss jedoch betont
24
Abbildung 1: Vorgehen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) bei der Erstellung von
Therapieempfehlungen
Öffentliche Präsentation und Diskussion
auf Therapie-Symposien der AkdÄ
Diskussion und Konsensusfindung
in der Arbeitsgruppe
Literaturaufarbeitung
und Erstellung
eines ersten Manuskripts
Abstimmung mit
Hausärztepanel
Erstellung einer
Arbeitgruppe
Abstimmung mit
wissenschaftlichen
Fachgesellschaften
Themenselektion
Vorstand der AkdÄ
Freigabe zur Publikation
TitelNameXXX ~ XXXAuflage.JahrXXXX
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
ANHANG II
werden, dass es für die meisten therapeutischen Interventionen bislang nur
eine unzureichende Datenlage gibt, die
eine sichere Abschätzung ökonomischer
Konsequenzen kaum gestattet (4).
Zudem ist auf die Gefahr hinzuweisen,
dass »mit Kosten-Nutzen-Analysen …
soziale und moralische Entscheidungen
pseudorational verdeckt« werden, »die
eigentlich normativer Natur und daher
nur politisch zu lösen sind« (5).
10. Gestaltung
Ein sorgfältig erarbeiteter Inhalt verlangt
eine adäquate Form. Obwohl keine gesicherten Erkenntnisse über den Einfluss
der Gestaltung auf die Wirkung von Leitlinien vorliegen, geht die Arzneimittelkommission davon aus, dass eine übersichtliche druckgraphische Gestaltung,
eine für alle Therapieempfehlungen gleiche Gliederung und eine konzise, aber
dennoch klare Diktion die Attraktivität
des Informationsangebots erhöhen und
damit auch die Bereitschaft fördern, sich
mit dem Thema auseinanderzusetzen.
11. Aktualisierung
Eine zweijährliche Überarbeitung und
Herausgabe der Empfehlungen wird angestrebt.
12. Abstimmungsprozess
mit wissenschaftlichen
Fachgesellschaften
Die hier vorliegenden Therapieempfehlungen wurden inhaltlich abgestimmt
abgestimmt mit der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes
(DGSS) und der Deutschen Migräne- und
Kopfschmerzgesellschaft (DMKG).
13. Implementierung und
Verbreitung
Auf der Grundlage der ausführlichen
Evidenz-gestützten Therapieempfehlung werden eine Kurzfassung (Hand-
lungsleitlinie) »für den Praxisschreibtisch« und eine Patienteninformation
erstellt. Auf Anfrage können auch
Inhalte der Therapieempfehlungen (z. B.
Abbildungen und Tabellen) als
Overheadfolien
für
Fortund
Weiterbildung bezogen werden. Es ist
zentrales Anliegen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, die
wissenschaftlich fundierten Therapieempfehlungen einem möglichst großen
Ärztekreis als Leitfaden für die eigene
therapeutische Praxis zugänglich zu
machen. Diese Intention wird unterstützt durch den bereits zitierten
Hinweis in Nr. 14 der ArzneimittelRichtlinien des Bundesausschusses der
Ärzte und Krankenkassen. Ärzte, die die
Therapieempfehlungen der AkdÄ nicht
kostenfrei über ihre kassenärztlichen
Vereinigungen zugestellt bekommen,
können die Therapieempfehlungen
gegen eine Gebühr erhalten (s. letzte
Umschlagseite).
Die Therapieempfehlungen sind im
Internet unter www.akdae.de frei zugänglich. Die für Arzneimittelfragen zuständigen Mitarbeiter in den KVen werden
als Multiplikatoren einer rationalen Arzneimitteltherapie regelmäßig über die
erscheinenden Therapieempfehlungen
informiert. Die Arzneimittelkommission
hat weiter in einer Information an alle
Lehrstuhlinhaber für Pharmakologie und
Klinische Pharmakologie angeregt, die
Therapieempfehlungen in der Lehre zu
nutzen, um so bereits Studenten eine
evidenzbasierte Sicht der Pharmakotherapie nahezubringen.
1.
Lasek R, Müller-Oerlinghausen B: Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der
deutschen Ärzteschaft – Ein Instrument zur
Qualitätssicherung in der Arzneimitteltherapie. Z
Ärztl Fortbild Qualitätssich 1997; 91 (4): 375383.
2.
Bundesärztekammer
und
Kassenärztliche
Bundesvereinigung: Beurteilungskriterien für
Leitlinien in der medizinischen Versorgung –
Beschlüsse der Vorstände von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung, Juni 1997. Dt Ärztebl 1997; 94: A-21542155.
3.
Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung
in der Bundesrepublik Deutschland: Die EvaSStudie. Eine Erhebung über die ambulante medizinische Versorgung in der Bundesrepublik
Deutschland. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag 1989.
4.
Scottish Intercollegiate Guidelines Network:
SIGN Guidelines – An introduction to SIGN
methodology for the development of evidencebased clinical guidelines, SIGN Publication
Number 39, 1999.
5.
Arnold M: Solidarität 2000 – Die medizinische
Versorgung und ihre Finanzierung nach der
Jahrtausendwende. Stuttgart: F. Enke 1993.
14. Evaluation
Die Evaluierung von Therapieempfehlungen hinsichtlich ihres Einflusses auf
Arzneiverordnung, Kosten und Beeinflussung verschiedener therapeutischer
Ziele wird zunächst im Rahmen von
Einzelprojekten angestrebt.
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
25
IMPRESSUM
26
Herausgeber
Arzneimittelkommission der
deutschen Ärzteschaft
Redaktion
Arzneimittelkommission der deutschen
Ärzteschaft vertreten durch den Vorstand;
Prof. Dr. med. D. Höffler (v.i.S.d.P.),
Prof. Dr. med. R. Lasek,
J. D. Tiaden, Arzt und Apotheker
Anschrift der Redaktion
Geschäftsstelle der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Postfach 41 01 25
50861 Köln
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Telefax: 02 21 / 40 04 -539
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ISSN 0939-2017
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Chronische Kopf- und Gesichtsschmerzen ~ 3. Auflage 2001
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Da wir jedoch für die Richtigkeit
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die Dosierungsempfehlungen der
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