Schilddrüse Moderne Chirurgie Rainer P. Wirsching Klinik für Chirurgie Caritas-Krankenhaus St. Josef Regensburg Lehrkrankenhaus der Universität Regensburg Schilddrüse Funktion: produziert Hormone T3 und T4 - Förderung von Wachstum und geistiger Entwicklung Steigerung Energieverbrauch (Stoffwechsel steigt) Körper wird empfindlicher für Kreislaufhormone (Adrenalin) Durchblutung und HMV steigt Anatomie: Struma (Kropf) • sichtbare / meßbare Vergrößerung der Schilddrüse, unabhängig von Unter-, Überoder Normalfunktion • häufigste Erkrankung der endokrinen (Hormon-) Drüsen • häufigste Ursache (90%): Jodmangel • in Deutschland haben über 30% der Erwachsenen eine SchildrüsenVergrößerung oder Schilddrüsen-Knoten !! Einteilung Struma nach Ausprägung: diffusa, nodosa (Knoten), multinodosa nach Lage: normal, verlagert (Brustbein, -korb) nach Größe: Grad 1a (nur tastbar), 1b, 2, 3 (stark vergrößert) nach Funktion (Stoffwechselwerte): euthyreot, hypothyreot, hyperthyreot nach Dignität blande (gutartig), maligne (bösartig) Struma Grad „4“ Grad 2 permagna normale Schilddrüse: 18 - 25 ml Entstehung der Jodmangelstruma • jodarmes Schilddrüsengewebe setzt Wachstumsfaktoren frei (EGF etc.), die auf die Schilddrüsenzellen wirken und zu einer Zellvermehrung führen • TSH fördert zusätzlich das Wachstum • jahrelanger Jodmangel macht zusätzlich Veränderungen, die zu Knoten führen Beschwerdebild • geringe Vergrößerung macht selten Beschwerden • bei Größenzunahme Druck-, Engegefühl, Kloß, Missempfindungen, Luftnot Schluckbeschwerden, Schluckstörungen (durch Verdrängung von Luftröhre und Speiseröhre!) • bei Überfunktion (Hyperthyreose): Schwitzen, Herzrasen, Schwächegefühl, Hitzegefühl, Durchfall, Gewichtsverlust Untersuchungen • Abtasten (Palpation) • Schilddrüsenhormone T3, T4, TSH, ev. TRAK, TAK, MAK • Ultraschall (Knoten, Volumenmessung) • Schilddrüsenszintigrafie • ggf. Zyotologie (nach Punktion) • Röntgen Luftröhre, ggf. CT (abweichende Strumalage) • HNO (Stimmband, n. recurrens) konservative Behandlung • medikamentös bei Struma diffusa oder nodosa ohne Autonomie und ohne Karzinomverdacht mit Jodid (100 – 200 yg) und L-Thyroxin (TSH im unteren Normbereich) • Radiojodtherapie nur bei Behandlung der Basedow-Krankheit und bei Karzinom nach Operation, nur selten bei normaler gutartiger Struma operative Behandlung • absolut notwendig: bei Verdacht auf Karzinom, bei mechanischer Beeinträchtigung (Luftröhre, Speiseröhre, Gefäße) • relativ notwendig: bei Wachstumstendenz, bei kalten Knoten (in ca. 2 – 9% bösartig !), verlagertem Schilddrüsengewebe (Thorax) Schilddrüsenchirurgie • Kropfoperation häufig (4.Stelle OP-Statistik) • Anfängeroperation ??? nein !!! • häufigste gerichtliche Begutachtung („Kunstfehler“) Schilddrüsenchirurgie aktuelle moderne Entwicklungen bezüglich: Operationstaktik und -Technik Neuromonitoring minimal - invasive Schilddrüsenchirurgie Operationstaktik • subtotale Resektion (Teilentfernung) • Hemithyreoidektomie (einseitig total) • Hemithyreoidektomie mit subtotaler Resektion Gegenseite • totale Thyreoidektomie • Knotenentfernung (Enukleation) Operationstechnik Operationstechnik Kapseldissektion aktuelle Schilddrüsenchirurgie moderne Operationstaktik bedeutet: • bevorzugt radikale Resektion zumindest einer Seite • bei Rückfall (Rezidiv) oder Karzinomentwicklung ist keine erneute Operation auf voroperierter Seite mehr erforderlich ! • damit wird das sonst hohe Komplikationsrisiko bei Re-Operation für Stimmbandnerv etc. vermieden gutartige Schilddrüsenerkrankungen Operationstaktik und Komplikationsrisiko Vorteil subtotale Resektion: (Teilentfernung) bei erst-OP sehr geringes Risiko Nachteil ev. zweit - OP nötig ! (Rezidiv, Karzinom) dann hohes Risiko Hemithyreoidektomie: (eine Seite total) bei ev. zweit - OP kein Risiko bei erst - OP besteht mäßiges Risiko Hemithyreoidektomie erfordert aber Erfahrung !! bösartige Schilddrüsenerkrankungen • • • • follikuläres Karzinom papilläres Karzinom medulläres Karzinom anaplastisches Karzinom 30 – 40 % 50 – 60 % ~ 5% ~ 10 % Operationsmethode bei Karzinom: - totale beidseitige Schilddrüsenentfernung (Thyreoidektomie) - Halslymphknotenentfernung ur bei papillärem Mikrokarzinom (< 1cm) als Zufallsbefund ist eine schon durchgeführte subtotale Resektion (Teilentfernung) der betroffenen Seite ausreichend !! Schilddrüsenkarzinom: totale Thyreoidektomie + Lymphknotenentfernung Schilddrüsenchirurgie wann welche Operation ? Hemithyreoidektomie: - Mikrokarzinom (< 1 cm) - diss. Autonomie - kalter Knoten , Rezidive - Schildrüse ohne normales Restgewebe Thyreoidektomie: - ggf. Mikrokarzinom (< 1 cm) - Karzinom (> 1cm) - M. Basedow - Schilddrüse ohne normales Restgewebe subtotale Resektion: - uni- multifokale Autonomie - Struma diffusa Schilddrüsenchirurgie besondere Komplikationen Schädigung des Stimmbandnervs (Recurrensparese) postoperative Unterfunktion der Nebenschilddrüsen (Hypoparathyreoidismus) Risiko für diese Komplikationen ist bei einem Zweiteingriff wesentlich höher !! Schilddrüsenchirurgie Komplikations - Häufigkeit: Erstoperation Rezidiv-OP 0.5-7% 0.5-2% 5-25% 2-10% passager dauerhaft 0.9-25% 0.2-2% 1.5-40% 0.5-20% Stimmstörung ohne Recurrensparese 1-10% 1-10% Recurrensparese einseitig doppelseitig Hypokalzämie Schilddrüsenchirurgie Komplikationen und -Dauer passager Recurrensparese Hypoparathyreoidismus permanent 3.3 % 0.7 % > 10 % 1.1 – 1.9 % --------------------------------------------------------------------------------------Infektionen 1,8 % *Am J Surg 2002; 183:673-678 Intraoperative neuromonitoring of surgery for benign goiter *Eur Surg 2003; 35:240-245 Intraoperative neuromonitoring in thyroid surgery – results of the German prospective multicentre study Schilddrüsenchirurgie Recurrensparese Höchstes Risiko: totale Lappenresektion Immunthyreopathie benigne Rezidivstruma Struma maligna Struma maligna bei Rezidivsituation anatomische Variante (0.5-7%) (0.5-7%) (5-25%) (0.5-7%) (-25%) (?) Neuromonitoring was bringt intraoperatives Neuromonitoring ? • Identifikation des Nervus recurrens • Funktionsüberwachung • Vermeidung einer doppelseitigen Recurrensparese Neuromonitoring des Stimmbandnerven zwei Verfahren der Ableitung: Tubuselektroden Nadelelektroden intraoperatives Neuromonitoring Konsequenz erhaltenes Signal bedeutet Unversehrtheit des n. recurrens - bestimmt Operationstaktik der zweiten Seite (ja / nein) - bei Rezidivstrumen: einzeitige-beidseitige OP möglich ________________________________________________ trotz erhaltenem Signal Recurrensparese möglich (1%) ! Intraoperatives Neuromonitoring was passiert wenn: Signalverlust intraoperativ (Operationstaktik der zweiten Seite) Verzicht auf OP der zweiten Seite ___________________________________________ persistierende Recurrensparese passagere Recurrensparese 12% > 12% minimalinvasive endoskopische Schilddrüsenchirurgie ??? • Operation möglich • nur bei kleineren Strumen, nicht bei Karzinom und Karzinom-Verdacht • zeitaufwendig und teuer • kosmetischer Effekt fraglich (mehrere / viele kleinere Schnitte nötig!) minimalinvasive Schilddrüsenchirurgie ??? minimalinvasive Schilddrüsenchirurgie Indikation Resektate bis 3 cm Hemithyreoidektomie: <25 ml Volumen (?) sonographisch unauffälliges Restgewebe Einseitigkeit Kontraindikationen: Thyreoiditis, Rezidive, V. a. Karzinom, Beidseitigkeit „minimal invas ive“ S childdrüs enchirurg ie: MIC = Minimal Access Länge Hautschnitt = Resektatdurchmesser Länge Hautschnitt größer als Resektatdurchmesser nur - nötig bei kleinen Knoten (bis 3 cm), die ungünstig gelegen sind (zentral oder basal) - unerfahrener Operateur - bequemer Operateur „Kosmetik“ früher „Kropfband“ Kosmetik heute über kleine Schnitte sind auch größere Strumen entfernbar Kosmetik heute 2 Wochen nach totaler Schilddrüsenentfernung vielenD ank!