Der Mittlere Weg majjhimâ - patipadâ Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e. V. Gemeinnütziger Verein · Zentrum: Drostestraße 8 · 30161 Hannover Heftpreis 3,00 € 46. Jahrgang Mai - August 2014 Nr. 2 Programm und Einladung Buddhistischer Bund Hannover e.V. - Drostestraße 8 (Nähe Lister Meile) 01.06. Sonntag 10 - 16 h Ort: Pagode Vien Giac, Karlsruher Str. 6, 30519 Hannover Informationen: www.choeling.de ; Teilnehmergebühr: € 20 + Dana/Spende Anmeldung, insbes. zum Mittagessen (€€ 5): [email protected] Veranstaltungen von Mai - August 2014 09.05. Freitag 19 h Vipassana in der Tradition von S.N. Goenka Vortrag von Michael Harbecke, Meditationslehrer in Sri Lanka Was geschieht auf einem Vipassana-Meditationskurs dieser Tradition? Darstellung der Technik und grundlegenden Lehre von Satipatthana. 10.05. Samstag 10 h - 17:30 h Übungstag mit Michael Harbecke Meditation mit praktischen Anleitungen, Übungen und Reflektion. Teilnahme auf Spendenbasis - bitte rechtzeitig anmelden. 16.-18.05. Freitag bis Sonntag VESAKH-Feiertage im Buddhistischen Kloster, Pagode Vien Giac, Karlsruher Str. 6 Programm und Teilnahme unter Tel. 0511-879630 oder www.viengiac.de 17.05. Samstag 10 h -17 h Gemeinsam einen Tag im achtsamen Verweilen verbringen Meditative Übungen in Stille und Bewegung, geleitet von Hanna Woitzik Bei trockenem Wetter üben wir im Garten von Hanna - Tel. 0160 98903313 Bitte etwas zum gemeinsamen Mittagsimbiss mitbringen. Teilnahme auf Spendenbasis - bitte rechtzeitig anmelden. 25.05. Sonntag VESAKH-Feier im Haus der Stille (ab 10:30 Uhr) Zum Besuch der Feier in Roseburg wird eine Mitfahrgelegenheit vom BBH organisiert - Abfahrt 8:00 Uhr - bitte rechtzeitig anmelden. 25.05 Sonntag 15:00 h Tee-Nachmittag Buddhismus Buddhistische Orientierungshilfe - Gespräche und Videos Info-Tel. 0511- 471409 (Bernd Weber) 31.05. Samstag 17:00 h Buddhismus in der multikulturellen Gesellschaft: Wie lebt eine buddhistische Nonne? Vortrag von Dagmar Doko Waskönig, Zen-Meisterin und buddhistische Nonne in Hannover. Veranstalter und Ort: Haus der Weltreligionen im Erlebnispark Steinbergen bei Rinteln - Info: www.haus-der-weltreligionen.de - auf Spendenbasis. „Das Geistestraining in 8 Versen“ von Langri Thankpa Tagesseminar mit Oliver Petersen Veranstalter: Buddhistische Gemeinschaft Chöling e.V. 05. -09.06. Donnerstag bis Montag Zen-Sesshin zu Pfingsten im Friedenshof, Niedernstöcken, Hammersteinstr. 3 - Do 19 Uhr - Mo Mittag mit Zen-Meisterin Dagmar Doko Waskönig Anmeldung: Tel. 0511-864871 - Beitrag 190 € - 14.06. Samstag 10 - 17 h Gemeinsam einen Tag im achtsamen Verweilen verbringen Heute wird unsere Übungspraxis im Geiste der meditativen Bewegungsübungen aus dem Kum Nye, dem tibetischen Heilyoga und der Einsichtsmeditation von Johannes angeleitet - eine Erfahrung von Entspannung und Erkenntnis in Bewegung und Stille. Geeignet ist unser Übungstag für Neuinteressierte ebenso wie für schon erfahrene Meditierende. Bitte etwas zum gemeinsamen Mittagsimbiss mitbringen. Teilnahme auf Spendenbasis - bitte rechtzeitig anmelden 29.06. Sonntag Tee - Nachmittag Buddhismus wie am 25.05. um 15:00 Uhr 06.07. Sonntag 7:15 h NDR 4 - Info-Radio: Sendereihe Religionsgemeinschaften Beitrag der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg Thema: „Gebefreudigkeit und Großherzigkeit“- Vortrag von Dr. Alfred Weil 12.07. Samstag 10 - 17 h Gemeinsam einen Tag im achtsamen Verweilen verbringen Meditative Übungen in Stille und Bewegung, geleitet von Hanna Woitzik Bei trockenem Wetter üben wir im Garten von Hanna - Tel. 016098903313 Bitte etwas zum gemeinsamen Mittagsimbiss mitbringen. Teilnahme auf Spendenbasis - bitte rechtzeitig anmelden. 18.07. Freitag 19:30 h Lichtbildervortrag über buddhistische Pilgerstätten in Nordindien Mit eindrucksvollen Bildern zeigt uns Rajah Wirasekara die wichtigsten Pilgerstätten, die er im vergangenen Hebst 2013 besucht hat und erläutert die Bedeutung der einzelnen Orte. Fortsetzung folgt auf Seite 31 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 2 3 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 Inhalt Seite Programm Teil I 2 Impressum 4 Editorial 5 Axel Rodeck Von Geistwesen und nachtodlichen Zuständen 6 Agganyani Dukkha-Gefühl und universelle dukkha-Natur Fortsetzung aus DMW 1-2014 10 Axel Rodeck Wo die Aufgeklärtheit endet 19 Hans Wolfgang Schumann Siddhartha – sein Name und sein Abbild im modernen Mißbrauch Der Mit tlere Weg majjhimâ - patipadâ Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V. Drostestr. 8, 30161 Hannover Tel. + Fax 0511 / 3 94 17 56 E-Mail: [email protected] Internet: www.buddha-hannover.de www.facebook.com/BuddhistischerBundHannover Redaktionsteam: 21 Rother Baumert, Axel Rodeck, Michael Schmidt, Rajah Wirasekara Michael Schmidt Nachhaltiges Handeln23 Satz u. Gestaltung: Axel Rodeck Wo bleibt die liebende Güte? Druck: Lps-digital, Hannover 25 Ehrw. Lehrmeister Maha Bua Nanasampanno Ein liebender Partner - erstrebenswerter als himmlische Welten und nibbana? 26 Auch das noch... Programm Teil II 29 31 York-Victor Reith Auflage: 500 Spendenkonto: Buddhistischer Bund Hannover e.V. Postgirokonto: Postbank Hannover Kto.-Nr. 180 18303 BLZ: 250 100 30 IBAN: DE07 2501 0030 0018 0183 03 BIC: PBNKDEFF Abbildungen: Axel Rodeck, S. 1,14,23 York-V. Reith: 22, andere: Archiv „Der Mittlere Weg - majjhima patipada“ erscheint nach Bedarf und ist für Mitglieder kostenlos. Ein Anspruch auf Lieferung besteht nicht. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der Nachdruck ist nur mit Genehmigung gestattet. Ein Belegexemplar wird erbeten. Anreise zum BBH mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Das Buddhistische Zentrum in der Drostestr. 8 ist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen: mit den Linien 3, 7 und 9 ab Hbf (Tiefebene) bis zur ersten Haltestelle „Sedanstr./Lister Meile“, dann zu Fuß die Lister Meile hoch, rechts in die Drostestr. einbiegen; mit den Bus-Linien 121, 128, 134, 100, 200 bis Haltestelle „Lister Platz“, zu Fuß die Lister Meile hinunter. majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 4 Editorial Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos übernehmen wir keine Gewähr. Notwendige Kürzungen versu- chen wir vorher mit den AutorInnen zu besprechen. Texte und Bilder, wenn möglich, bitte auf CD zusenden oder per E-Mail: [email protected] Liebe Leserinnen und Leser! Ein nettes Wort ist manchmal wichtiger als alles andere, insbesondere ein Dankeswort für erhaltene Gaben. Es tut uns daher sehr leid, dass wir uns aus organisatorischen Gründen darauf beschränken mußten, den Spendern des vergangenen Jahres eine Spendenbescheinigung zuzusenden – ohne ein Anschreiben mit nettem „Dankeschön“. Wir wollen dieses hiermit und gleich zu Beginn unseres neuen Heftes DMW 2/2014 nachholen: Herzlichen Dank allen, die mit ihrem Scherflein zur Erhaltung unseres Vereins und unserer Zeitschrift beigetragen haben. Noch eine gewichtigere Formverletzung lag vor: Das Amtsgericht (Vereinsregister) beanstandete, dass wir bei Ladung unserer Mitglieder zur Mitgliederversammlung die satzungsgemäß vorgesehene Schriftform der Einladung als erfüllt durch Zusendung der Vereinszeitschrift ansahen. Das Amtsgericht anerkannte gleichwohl gnädig die Mitgliederversammlung vom 08.06.2013, ermahnte uns aber, entweder die Satzung zu ändern oder künftig per gesondertem Brief einzuladen. Letzteres werden wir wohl tun. Wie man sieht, müssen sich auch kleine Vereine mit den Erfordernissen einer manchmal etwas komplizierten Rechtsordnung auseinandersetzen. Dazu gehört immer wieder die Beachtung urheberrechtlicher Erfordernisse. Beispielsweise hätten wir gern den Beitrag in diesem Heft über „Metta“ (S.25) mit einem Bild aus dem SPIEGEL illustriert, wo das Verprügeln von Mönchen in einem buddhistischen Land gezeigt wurde – „Hiebe statt Liebe“ wäre eine treffende Bildunterschrift gewesen. Das Urheberrecht lag aber bei einer Presseagentur, zu der wir keinen Kontakt finden konnten. Also kein Bildabdruck. Und wenn wir schon bei organisationstechnischen Sorgen eines kleinen Vereins und seiner Vereinszeitung sind, wollen wir auch noch von einem nun schon häufiger aufgetretenen Problem berichten: Die wissenschaftlich korrekte Wiedergabe von uns angebotenen Texten. Autoren aus dem universitären Bereich wollen gern ihre Aufsätze mit diakritischen Zeichen und einer Menge von Fußnoten gedruckt sehen. Wenn wir die Texte dann auf unsere Seitenund Schriftgröße verkleinern, ergibt sich aber eine unlesbare Bleiwüste, die wir unseren Lesern nicht zumuten wollen. Mit Rücksicht auf ihre akademische Reputation müssen die Autoren Kompromisse ablehnen, womit leider so mancher wertvolle Beitrag – zumindest bei uns unveröffentlicht bleibt. Wir wünschen, dass vorstehende Ausführungen nicht, frei von jeglichen Spiritualitätselementen, Ihre Leselust bezüglich des vorliegenden Heftes DMW 2/2014 beeinträchtigt haben. Wir hoffen, ihnen wieder einen bunten Strauß unterschiedlicher Themen anzubieten, der auch zu kritischen Stellungnahmen herausfordern soll. Mit freundlichen Grüßen Ihre Redaktion A.R. 5 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 Von Geistwesen und nachtodlichen Zuständen von Axel Rodeck Die Weisheit des Buddha Der Buddha Gautama lehnte alle Spekulationen betreffend übernatürliche Geschehnisse ab. Keineswegs, so verkündete er seinen Mönchen (M 71), sei er allwissend, er besitze aber das „Dreifache Wissen“ von den Vorexistenzen, von der Karma-Gesetzlichkeit und von der Vernichtung der Leidensursachen. Nur diese Dinge wolle er lehren, nicht aber Zustände erörtern, die für die Erlösung vom Leiden nicht relevant seien. Der Buddha war Heilspragmatiker und der Buddhismus beschäftigt sich nicht mit Gott und der Welt, sondern mit den leidenden Wesen. Der Buddha war allerdings auch ein Kind seiner Zeit und seiner umgebenden Kultur. Er zog bekanntlich weder die Existenz der Gottheiten des Hindu-Pantheons noch die von Geistern, Gespenstern und anderen übernatürlichen Erscheinungen ausdrücklich in Zweifel, sondern betrachtete sie nur als belanglos für das Streben nach dem Nirvana. Freilich können wir den Ausführungen in den Texten entnehmen, dass auch zu Buddhas Lebzeiten wissbegierige Menschen Fragen nach den Dingen stellten, die nicht offen daliegen. Insofern dürfte sich bis heute nichts geändert haben und die Fragen nach dem Jenseits und was uns nach dem Tode erwartet sind heute wie früher aktuell. Denn der Mensch ist das einzige Wesen, das sich seiner Endlichkeit bewusst ist – und da muss man ja schon mal kritisch überlegen, wie es weitergeht. Es liegt natürlich nahe, aus dem umfangreichen Schatz an Lehrreden mittelbare Schlüsse zu ziehen, was der Erleuchtete zu den interessierenden Themen indirekt geäußert hat. Doch schnell müssen wir feststellen, dass diese Beweisführung ihre Schwachstellen hat: Die einen verweisen beispielsweise darauf, dass in den Texten von einem Geistwesen (Gandhabba) die Rede ist; von einem über Jenseitswelten plaudernden Kriegerfürsten wird gesprochen und von drei Welten (ti-loka), die erst alle zusammen die Realität ausmachen. Weit gefehlt, sagen die anderen. Mit Gandhabba sei kein Geistwesen gemeint, sondern das letzte Bewusstseinsmoment des Verstorbenen. Die Geschichte des Kriegerfürsten sei den Legenden zuzuordnen und die Vorstellung von drei Welten habe sich erst im 14. Jahrhundert in den Buddhismus eingeschlichen. Es bietet sich an, aus heutiger Sicht unser Thema zu erörtern. Das ist schließlich auch dafür von Bedeutung, wie wir uns im konreten Fall einem Verstorbenen gegenüber verhalten müssen. Nachtodkonzeptionen im alten Indien Wie oben schon gesagt war der Buddha geprägt von der ihn umgebenden Kultur. Gemäß den indischen Religionen ist der Tod nicht das Ende jeglichen Lebens, sondern ein Wechsel von einer Daseinsform in eine andere: Tod führt zu Wiedertod - aber nicht zum Ende des Lebens, weil sich dieses in immer neuen Existenzen fortsetzt. Da der Mensch majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 6 einerseits im Prozeß seines Al­terns die lineare Zeit, andererseits aber in den regenerativen Prozessen der Natur die zyklische Zeit erfuhr, entwickelten sich hieraus verschiedene Nachtodkonzeptionen, die sich vermischten. In der All-­Einheitsspekulation der älteren Upanishaden (ca. 800 v.Chr.) hatte sich der Seelenglaube entwickelt mit dem Axiom, dass dem menschlichen Körper ein unvergängliches, ewiges Selbst (atman) inne­wohnt, welches den Tod des Körpers überdauert. Erlösung, also Beendigung des ewigen Kreislaufs der Wiedergeburten, ist möglich durch die (auf meditativem Wege zu erlangende) Einsicht, dass diese Individualseele identisch ist mit der Universalseele (brahman). Die Seele steckt also im Körper und es tauchte der Gedanke auf, dass dieser Körper seinerseits in einem oder mehreren Körpern unterschiedlicher Festigkeit steckte. Solche Vorstellung einer „mehrkörperlichen“ Seele beruhte darauf, dass - aus westlicher Sicht ungewöhn­lich - nicht zwischen physischer und psychischer Welt unterschieden wird. Danach besitzt die Seele einen sichtbaren grobmateriellen Körper, der aus den groben Elementen besteht und nach dem Tod zerfällt, und einen unsichtbaren feinmateriellen Körper („Seelenhülle“). Dieser wandert nach dem Tod durch Zwischenreiche und nimmt bei Wiedergeburt wieder grobmaterielle Form an. Diese Körpervor­stellungen verbinden sich mit zyklischen Konzeptionen, insbesondere von der Seelenwanderung und vom Karma. Zwischenwesen im Theravada? Urbuddhismus und Theravada weichen von den alten Vorstellungen ab, leugnen die Existenz einer Seele (atman) und gehen von einer Unmittelbarkeit der Wiedergeburt ohne Zwischenzustände aus. Denn an die Stelle der Lehre der Bramahnen und Jainas, wonach eine unveränderliche Seelenmonade unter Zeitaufwand vom Ort des Todes zum Ort der neuen Geburt wandert, war im frühen Buddhismus die Ansicht getreten, dass sich an den letzten Moment des Sterbenden unmittelbar der erste Moment des im Mutterleib neu entstehenden Wesens anschließt. Im Todesmoment stellen alle Bestandteile der empirischen Person (Skt: Skandhas, Pali: khandas) ihre Funktion ein und dem Verstorbenen verbleibt keine Restvitalität, die noch beeinflusst werden könnte. Der singhalesische Mönch Gunaratna schreibt dazu in einem von der „Buddhist Publication Society“ in Kandy herausgegebenem Werk, es sei nicht so, dass zwischen Tod und (Wieder-)Geburt ein Zwischenzustand (antarabhava) eintrete. Tod und Wiedergeburt seien vielmehr Teile eines Vorgangs, ein Tod hier bedeute eine Geburt anderswo: „Tod und Geburt sind nur Türen von einem Leben zum anderen.“ Und Georg Grimm kennzeichnet die Aussage, dass Tod und Empfängnis die beiden Seiten eines Vorgangs sind, sehr anschaulich und drastisch mit den Worten: „Den Schauern der Wollust im Moment der Begattung steht die Qual des Todes des empfangenen Wesens in seiner bisherigen Gestalt gegenüber.“ Die Pali-Tradition kennt also die Lehre von Zwischenzuständen nicht, sondern hebt die Kontinuität des Lebens- und Bewusstseinsprozesses hervor. Der Übergang in die neue Existenz dauert nur so lange, „wie jemand braucht, um eine Last von den Schultern zu nehmen und auf den Boden zu legen“. Zum Zeitpunkt der Bestattung ist - jedenfalls nach ursprünglicher Lehre - der Vorgang der Wiedergeburt schon abgelaufen, so dass alles 7 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 Zelebrieren am Leichnam oder seiner Asche für den Verstorbenen nicht mehr sinnvoll sein kann. Allerdings vertrat der dem Geisterglauben verhaftete Volksbuddhismus schon immer die später im Mahayana und insbesondere im tibetischen Buddhismus weiterentwickelte Idee von nachtodlichen Zwischenwesen. Im Volksbuddhismus glaubte man, dem Verstorbenen noch Verdienste nachschicken zu können. Entwicklung im Buddhismus Es ist daher nachvollziehbar, dass die strenge theravadische Deutung des Wiedergeburtsvorgangs im indischen Umfeld mit seiner Fülle von Vorstellungen über Mehrkörperlichkeit der Seele und postmortale Zwischenreiche auf Widerspruch stieß. Auch bei den Buddhisten bestanden Tendenzen, ein „pratisandhi-vijnana“ anzunehmen, ein Bewusstsein, welches die Wiedervereinigung von psychischen Faktoren mit einem Körper herstellt, also eine Art wanderndes Seelenwesen schafft. Wie immer dem auch im Theravada sei: Jedenfalls schildert bereits im Übergangsfeld von Hinayana und Mahayana der „Abhidharmakosha“ (Schatzkammer des Abhidharma) des Vasubandhu detailliert die Einordnung der fünf Skandhas, aus denen die empirische Person besteht, zwischen zwei Bestimmungsorten, einem vergangenen und einem künftigen. Es schreibt einem „Zwischenwesen“ eine Reihe von besonderen Eigenschaften zu, etwa dass es nur für Geschöpfe gleicher spiritueller Beschaffenheit erkennbar ist und von materiellen Barrieren nicht behindert werden kann. Der Abhidharmakosha widmet sich schon all den Themen, die auch das Kernstück des Tibetischen Totenbuchs bilden. Auch in einigen Mahayanatexten wird später der Gedanke von einem Zwischenzustand und dem darin befindlichen Wesen erörtert. In seinem Buch „Grundlagen der tibetischen Mystik“ bezieht sich Lama Anagarika Govinda auf die alte Taittiriya-Upanishad und vertritt die „Lehre von den fünf Hüllen“: Die dichteste und äußerste dieser Hüllen ist der aus Nahrung gebildete physische Körper (annamaya-kosa). Die nächste ist die diesen materiellen Körper durchdringende atemgenährte feinstoffliche Hülle (prana-maya-kosa) und die nächstfeinere unser Gedankenkörper (mano-maya-kosha), der durch unser aktives Denken gebildet wird. Die 4. Hülle ist der unsere gesamten geistigen Fähigkeiten enthaltene Bewusstseinskörper (vijnana-mayakosha). Schließlich als letzte und feinste, alle vorhergehenden durchdringende Hülle der nur im Zustand der Erleuchtung oder in höchsten Meditationsstufen erlebbare Körper des universellen Bewusstseins (ananda-maya-kosa). Tibetischer Buddhismus a) In Tibet hatte sich im 11. Jahrhundert eine auf mahayanische Grundgedanken gestützte eigene Kultur gebildet. Die vorbuddhistische Bön-Zivilisation war geübt im Umgang mit der psychischen Kraft, die ein toter Mensch angeblich zurücklässt. Dazu kommt, daß die tibetische Kultur offenbar wie nur wenige andere Kulturen von Tod und Sterblichkeit geradezu fasziniert war. So unterlagen zur Zeit der kaiserlichen Dynastie (618 - 842 n.Chr.) deren verstorbene Mitglieder einem recht abenteuerlich wirkenden Bestattungsritus, der sich über mehrere Jahre erstreckte. Der Körper wurde mumifiziert, nachdem die Eingeweide herausgenommen, mit Goldstaub gepudert und in Gefäße abgefüllt worden waren. In ausgeklügelten Prozessionen wurden die Einzelteile dann mit majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 8 viel Pomp zur Grabstätte gebracht. Kein Wunder also, daß man die indischen Lehren von Zwischenzuständen, wie sie der indische Tantriker Naropa und sein Schüler Marpa nach Tibet gebracht hatten, gern aufgriff. Das tibetische Wort für Zwischenzustand ist „Bardo“ und der „Bardo Thödol“, bekannt geworden unter der nicht korrekten Bezeichnung „Tibetisches Totenbuch“, gliedert den Prozess des diesseitigen Lebens wie auch den des Sterbens und der Wiedergeburt in jeweils drei Phasen oder Zwischenzustände. Die letzteren drei Bardos umfassen einen bis zu 49 Tage dauernden Prozess und sind eng mit der mahayanischen Lehre von den drei Leibern (trikaya) verbunden: Der Bardo des Todesmoments (dharmakaya), in dem sich ein blendend weißes Licht manifestiert; der Bardo der höchsten Wirklichkeit (sambhogakaya), wo sich fünffarbige Lichterscheinungen in Form von Mandalas zeigen; der Bardo des Werdens (nirmanakaya) mit Lichtphänomenen von gedämpfter Helligkeit. b) Der Bardo Thödol (wörtlich: „Befreiung vom Zwischenzustand durch das Hören dieser Lehre“) schildert das Sterben als einen Prozess des Zusammenfalls der „Fünf Skandhas“, d.h. wenn der materielle Körper seine Funktionen aufgibt, fällt die Basis für Empfindungen, Wahrnehmungen und Geistesregungen weg und verlöschend werden sie Eindrücke des Bewusstseins. Dieser Rest subjektiven Seins ist die Summe des bisherigen Daseins und gleichzeitig der Keim für alles Künftige. Und dieser subjektive Rest sieht sich nach Eintritt des Todes zunächst einem blendend weißen Licht gegenüber. Kann er sich mit ihm vereinigen, ist die Erlösung erlangt. Gelingt dies nicht, wird das Licht abgestuft immer trüber und entsprechend werden es die Aussichten für die neue Existenz. So wie der Mensch in seinem Leben nicht in der Lage war, das Helle dem Düsteren vorzuziehen, folgt er auch in der Lähmung des Todes der Anziehung des Trüben, hinein in eine leidvolle Wiedergeburt. Bardo-Thödöl: Todesgott Yama wenn eine Wiedergeburt droht c) Der Bardo Thödol gibt nun im Wege nachtodlicher Suggestion praktische Empfehlungen. Der von Mönchen oder Angehörigen am Leichnam vorzulesende Text unterrichtet den Verstorbenen, wie die Visionen und Einsichten, die unmittelbar auf den Moment des Todes folgen, zu verstehen sind. Wer nicht gleich im Bardo des Todesmoments dank seiner Meditationserfahrung das weiße Licht als Zustand der Urweisheit erkennt und damit erlöst wird, verfällt für 3 - 4 Tage in einen unbewussten Zustand und es bildet sich ein Bewusstseinskörper als Subjekt der kommenden Erfahrungen. Ihm erscheinen nacheinander die fünf transzendenten Buddhas (die verschiedene Aspekte des erleuchteten Bewußtseins symbolisieren) nebst verschiedenen Lichtern, die er richtig zu interpretieren hat. Dabei muss ihm klargemacht werden, daß jede Erscheinung eine Widerspiegelung 9 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 seines eigenen Bewusstseins ist. Hat er diese Chance verpaßt, erheben sich nach sieben Tagen die rasenden Gottheiten vor seinem Geist, grauenhafte Figuren, aber ebenfalls nur Produkte seines eigenen Bewusstseins. Werden auch sie nicht richtig erkannt, wird es brenzlig für den Verstorbenen. Im Bardo des Werdens wird sein vom Körper befreites Bewusstsein 28 Tage lang herumgetrieben und schließlich droht eine Wiedergeburt unter ungünstigen Bedingungen. Freilich ist das Ergebnis einer noch so liebevollen Betreuung des Verstorbenen durch Mönche oder Angehörige ungewiss und es empfiehlt sich, schon zu Lebzeiten das Todesmoment durch meditative Übung zu simulieren, um auf diesen entscheidenden Augenblick vorbereitet zu sein. Auch ist warnend darauf hinzuweisen, dass nur bei großen Geistern tiefere Voraussetzungen für magische Riten vorhanden sind und es für die Masse beim bloß äußeren Hersagen von Formeln bleibt. „Denen, die weder die Fähigkeit des inneren Hörens noch die des inneren Sehens ausgebildet haben“, so mahnt Lama Anagarika Govinda, „kann das bloße Anhören des Bardo Thödol nichts nützen.“ Wie Govinda weiter ausführt, ist der Bardo Thödol in erster Linie ein Buch für die Lebenden und „nicht nur eine Anweisung zum Sterben oder gar eine Totenmesse, zu der spätere Zeiten das Werk degradierten.“ Dukkha - Teil 2 (Fortsetzung aus DMW 1-2014) Im dritten Quadranten reagieren wir allerdings auf unangenehmes Gefühl, nicht nur mit Begehren (taṇhā oder lobha), hier eher anders-haben-Wollen, sondern auch mit Aversion (dosa), die immer von unangenehmem geistigen Gefühl (domanassa vedanā) begleitet ist, was auch eine Form von „dukkha“ ist. Gehen wir weiter in die Zukunft, ob in diesem oder nächsten Leben. Im vierten Quadranten nennt der Buddha Verfall und Tod (jarā maraṇa), die ja beide in der Definition von dukkha (siehe oben) genannt werden. Aber dem nicht genug, die Formel lautet ja vollständig: Jāti paccayā jarāmaraṇa, soka parideva dukkha domanass‘ upāyāsā sambhavanti. Geburt bedingt Altern und Tod; Sorgen, Klagen, Schmerz, Kummer und Verzweiflung werden verursacht. Und am Ende der Aufzählung der 11 Bedingungszusammenhänge folgt traditionell noch der Satz: Evam etassa kevalassa dukkhakkhandhassa samudaya hoti. So ist die Entstehung der ganzen Masse des Leidens. Dukkha-Gefühl und universelle dukkha-Natur von Agganyani Im zweiten Quadranten ist natürlich dukkha-vedanā im Gefühl eingeschlossen. majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 10 Drei Arten von dukkha Wie im Dhammacakkappavattana-Sutta mit der letzten Definition der ersten Edlen Wahrheit angedeutet, ist dukkha aber noch viel umfassender. Es sind drei Arten von dukkha zu unterscheiden [siehe z.B. Dukkhatā-Sutta, S 45.165, und Vsm XVI]: 1. Dukkha-dukkha offensichtliches Leiden, Schmerz (körperlich wie geistig) 2. Vipārināma dukkha Leiden durch Veränderung Unzulänglichkeit, unbefriedigende Natur der Dinge aufgrund ihrer Veränderung und Unbeständigkeit 3. Saṅkhāra dukkha Leiden durch die Bedingtheit Bedingtes ist unzulänglich, unvollkommen, da es unbeständig ist und nicht kontrollierbar (man hat keine Macht über all die Bedingungen des bedingten Phänomens; es folgt seiner eigenen Gesetzmäßigkeit) Interessant hierzu ist auch der Sacca-Yamaka im 6. Buch des Abhidhamma, in dem Paare von Fragen bezüglich der Vier Edlen Wahrheiten behandelt werden, um ein exaktes Verständnis zu erreichen. Im „Führer durch den Abhidhamma-Piṭaka“ von Nyanatiloka, übersetzt von Julian 11 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 Braun, finden wir unter „Abgrenzung der Begriffe“: (a) Bezieht sich alles, was dukkha (hier: leidvolles Gefühl) genannt wird, auf die Wahrheit vom Leiden? - Ja. (b) Aber bezieht sich die Wahrheit vom Leiden immer auf dukkha (leidvolles Gefühl)? – Nein, z.B. abgesehen vom körperlichen und geistigen Leiden ist die restliche Wahrheit vom Leiden zwar Wahrheit vom Leiden, aber nicht dukkha. Körperliches und geistiges Leiden (leidvolles Gefühl) jedoch ist beides, sowohl Leiden als auch Wahrheit vom Leiden. Dukkha-Wahrheit, für gewöhnlich „Wahrheit vom Leiden“ genannt, bezieht sich nicht nur auf gegenwärtiges leidvolles Gefühl (welches ebenfalls dukkha genannt wird), sondern lehrt, dass aufgrund der Gesetzmäßigkeit der Unbeständigkeit und der Veränderung alle Phänomene des Daseins, sogar auf den höchsten Stadien der Seligkeit und Freude, unbefriedigend sind, und in sich selbst die Keime für Leid und Elend tragen. Die drei Daseinsmerkmale (tilakkhaṇa) bzw. die universellen Charakteristika (sāmañña-lakkhaṇa): Anicca, dukkha, anatta In den Dhammapada-Versen 277 - 279 werden die drei Merkmale des Daseins, bzw. die universellen Eigenschaften der bedingten Phänomene und aller erfahrbaren Dinge genannt: er an. Alle saṅkhāras sind dukkha – Das Pāḷi-Wort saṅkhāra erklärt sich wie folgt1: Saṅ = saṃ: Kharoti: saṅkharoti: aber was sind saṅkhāras hier? zusammen, gemeinschaftlich, gemeinsam harmonisch machen, gestalten, bedingen, vorbereiten zusammensetzen, -machen, -bedingen Saṅkhāra: 1. Zusammengesetztes, Gestaltetes, Bedingtes (auch: saṅkhata) (das, was bedingt ist; das was durch Bedingungen gemacht ist) 2. Zusammenfügendes, Gestaltendes, Formendes, Bedingendes (das, was aktiv bedingt; das, was Bedingtes macht) Je nach Kontext hat saṅkhāra verschiedene Bedeutungen: 1. Geistesformationen, wenn man von den fünf Gruppen (khandhas) spricht. Saṅkhārakkhandha = Gruppe/Aggregat der Geistesformationen. Geistesformationen sind 50 der 52 Geistesfaktoren (cetasikas), nämlich alle außer Gefühl (vedanā) und Wahrnehmung (saññā), denen eigene khandas gewidmet sind; d.h. Geistesformationen sind die Emotionen und Eigenschaften des Geistes, die den Geist prägen oder formen. 2. Karmaformationen in der Lehre vom Bedingten Entstehen (Paṭiccasamuppāda): „Avijjā paccayā saṅkhārā“ und „saṅkhārā paccayā viññāṇa“. In diesem Zusammenhang sind mit saṅkhāra Karmaformationen gemeint, auch als karmische Kräfte oder karmische Bildekräfte bezeichnet, die zu Werden und (Wieder-) Geburt führen. Saṅkhāra ist hier als identisch mit kamma bzw. cetanā (Absicht, Motivation) zu sehen. Dhp. 277 278 279 Sabbe saṅkhārā aniccā’ti yadā paññāya passati atha nibbindati dukkhe esa maggo visuddhiyā. Sabbe saṅkhārā dukkhā’ti yadā paññāya passati atha nibbindati dukkhe esa maggo visuddhiyā. Sabbe dhammā anattā’ti yadā paññāya passati atha nibbindati dukkhe esa maggo visuddhiyā. 3. Bedingte Phänomene in den Sätzen „Sabbe saṅkhārā aniccā“ und „Sabbe saṅkhārā dukkhā“, sowie wenn man in der Vipassanā-Meditation von saṅkhāra-Objekten spricht oder in der Einsichtsstufe saṅkhār’upekkhā ñāṇa. Hier sind mit saṅkhāra Dinge, bedingte Phänomene oder bedingte Wirklichkeiten gemeint, in anderen Worten nichts anderes als Geist und Materie (nāma-rūpa) bzw. die fünf Gruppen (khandhas). Alle bedingten Phänomene sind unbeständig. Wenn man das mit Weisheit sieht, dann wird man des Leidens überdrüssig. Dies ist der Weg zur Reinheit. Alle bedingten Phänomene sind Leiden. Wenn man das mit Weisheit sieht, dann wird man des Leidens überdrüssig. Dies ist der Weg zur Reinheit. Alle Dinge sind NichtSelbst (Nicht-Ich). Wenn man das mit Weisheit sieht, dann wird man des Leidens überdrüssig. Dies ist der Weg zur Reinheit. Es ist im Wesentlichen die letzte Bedeutung, die z.B. auch den folgenden Sätzen des Buddha, die in den Sutten überliefert sind, tieferen Sinn gibt: Die Deutsche Buddhistische Union (DBU) formuliert dazu in ihrem Bekenntnis: Alles Bedingte ist unbeständig. Alles Bedingte ist leidvoll. Alles ist ohne eigenständiges Selbst. Schauen wir uns den majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 Schlüsselsatz „Sabbe 12 saṅkhārā dukkhā“ genau- „Vayadhammā saṅkhārā appamādena sampādethā“ [die letzten Worte des Buddha, Mahāparinibbāna Sutta, D 16 ]: „Alle (zusammengesetzten) Dinge haben die Natur von Verfall und Auflösung – bemüht euch fleißig mit voller Achtsamkeit.“ „Aniccā vata saṅkhārā, uppādavaya dhammino, uppajjitvā nirujjhanti, tesaṃ vūpasamo sukho.“ [D 16, §221 – wird traditionell im Todesfall oder bei Bestattun gen rezitiert]: „Unbeständig sind ja die saṅkhāras, ihre Natur ist Entstehen und Vergehen, gebo ren verfallen sie; ihre Stillung ist wahres Glück.“ 1 Gute Referenz u.a. auf der englischen Website: https://www.en.wikipedia.org/wiki/ Saṅkhāra 13 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 In diesem Zitat finden sich auch wieder verschiedene Übersetzungen für saṅkhārā, wie: Formationen, Bedingungen, zusammengesetzte Dinge, bedingte Phänomene. Ich stimme hier mit z.B. Ajahn Chah2 überein, der mit „bedingte Phänomene“ übersetzt und dazu schreibt: „Das Wort saṅkhāra bezieht sich auf diesen Körper und Geist.“ Bezüglich dukkha heißt es analog: „Dukkha vata saṅkhārā, uppādavaya dhammino, uppajjitvā nirujjhanti tesam vūpasamo sukho.“ – „Unzulänglich sind die bedingten Phänomene, ihre Natur ist Entstehen und Vergehen; geboren verfallen sie; ihre Stillung ist wahres Glück.“ Hier wird deutlich, dass auf der einen Seite, nämlich der von Saṃsāra bzw. des Lebens überhaupt, die entstehenden und vergehenden saṅkhāras stehen, die alle als dukkha, Leiden, empfunden werden, die nicht befriedigen können - auf der anderen Seite, nämlich der von Nibbāna (exakter: khandha-Nibbāna oder anupādisesa Nibbāna, was meist als Pārinibbāna bezeichnet wird) deren endgültige Stillung und Befriedung, was echtes Glück (sukha) bedeutet. Solange wir leben, d.h. solange die fünf Daseinsgruppen (khandhas) oder anders ausgedrückt Geist und Körper (nāma-rūpa) existieren, ist dukkha vorhanden. Selbst für einen Erleuchteten, der geistiges Leiden restlos überwunden hat, gibt es noch körperliches Leiden, und in seiner Weisheit hat er verstanden, dass alles Geistige und Körperliche, alle saṅkhāras, letztlich unbefriedigend sind – ohne bei dieser Erkenntnis zu leiden, frustriert oder deprimiert zu sein. Durch dieses Wissen konnte er sich ja abwenden, sie und das Begehren nach ihnen endgültig loslassen und die Befreiung (Nibbāna) erlangen. Wie man zu dieser Weisheit oder Erkenntnis kommt, ohne an der allgegenwärtigen Natur von dukkha zu leiden, beschreiben die Einsichtsstufen (Vipassanā-ñāṇas). Die Erkenntnis von dukkha in den Einsichtsstufen (Vipassanā-ñāṇas) Dhp. 277 278 279 nāmarūpa pariccheda ñāṇa analytisches Wissen von Geist und Materie vorbereitendes Wissen paccaya prigaha ñāṇa Erkenntnis der Bedingungen (von Geist und Materie) sammasana ñāṇa Erkenntnis durch gründliches Verstehen (der 3 Daseinsmerkmale) anicca, dukkha, anatta auf einfacher Ebene Importiert aus China: neue Bodhisattva-Figur in der hannoverschen Pagode Vien Giac 2 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 14 Ajahn Chah, „Unser wirkliches Heim“ 15 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 udayabbaya ñāṇa Erkenntnis des Entstehens und Vergehens anicca bhaṅga ñāṇa Erkenntnis der Auflösung höchster Grad des Sehens von anicca bhaya ñāṇa Erkenntnis des Furcht-erregenden, des Schreckens ādīnava ñāṇa Erkenntnis der Gefahr nibbidā ñāṇa Erkenntnis der Unerfreulich-keit, der Ernüchterung und Abwendung muñcitu-kamyatā ñāṇa Erkenntnis des Erlösungswunsches paṭisaṅkhā ñāṇa Erkenntnis durch reflektierende Betrachtung saṅkhār’upekkhā ñāṇa dukkha Erkenntnis des Gleichmuts hinsichtlich der saṅkhāras (Daseinsformationen, Phänomene, Geist und Materie) Egal wie man die Satipaṭṭhāna-Praxis übt, welches Meditationsobjekt man hat, bei erfolgreicher Vipassanā-Meditation wird man diese Erkenntnisse durchlaufen. Kāyānupassanā körperliche oder allgemein materielle Objekte (rūpa) Vedanānupassanā Gefühl (z.B. dukkha), d.h. ein geistiges Objekt (nāma) Cittānupassanā Bewusstsein oder der Geist als Ganzes ist Objekt (nāma) Dhammānupassanā Phänomene (dhammas) nach verschiedenen Gesichtspunkten sind Objekte: Hindernisse, Anhaftungsgruppen, innere und äußere Sinnesgrundlagen, Erleuchtungsfaktoren, Vier Edle Wahrheiten – meist sind es Geistesfaktoren (cetasikas), aber auch rūpa. Die Objekte, die sich hierfür eignen und die man betrachten muss, sind nur letztendliche Wirklichkeiten (paramattha dhammas), nur diese sind direkt erfahrbar und haben die drei Merkmale anicca, dukkha, anatta. Dies sind alle saṅkhāra-Objekte, d.h. alle nāma und rūpa. Konzepte (paññatti) gehören nicht dazu. majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 16 Konzepte (paññatti) Konzepte oder konventionelle Wirklichkeiten (wie z.B. „Tisch“, „Auto“, „Tante Emma“, usw.) sind zwar auch vergänglich und veränderbar, besitzen aber nicht die Natur von anicca (Definition: „Vorher nicht existierend, entsteht etwas; entstanden, vergeht es sofort wieder für immer.“), sondern können durch ihre scheinbare Konstanz sogar als Samatha-Objekt verwendet werden. Manch ein Konzept, wie das Konzept „Mensch“ oder „Tier“ kann leiden, nicht aber das Konzept „Tisch“ oder andere unbelebte Dinge. Dabei geht es darum, ob ein Ding bzw. Wesen Bewusstsein hat. Hat es das, so ist automatisch auch der begleitende, universelle Geistesfaktor Gefühl vorhanden und dukkha vedanā ist möglich. Das allein macht aber nicht „dukkha“ aus. Der Tisch, dieses Ding, das Konzept kann natürlich nicht „leiden“. Aber wenn wir den Tisch mit geschärfter Konzentration, geschulter Achtsamkeit und Klarblick (Vipassanā) wahrnehmen, werden wir intuitiv erkennen, dass diese kompakt wirkende Einheit „Tisch“ aus vielen einzelnen rūpas besteht. Diese kommen in materiellen Gruppen (rūpa-kalāpas) vor, die aus jeweils acht untrennbaren materiellen oder physikalischen Eigenschaften (rūpas) bestehen: Erd-, Wasser-, Feuer-, Luft-Element (bzw. Härte, Kohäsion, Temperatur, Bewegung), Farbe, Geruch, Geschmack und Nährstoff. Diese rūpa-kalāpas entstehen und vergehen ständig sofort wieder. Die rūpas im Tisch sind also unbeständig (anicca), unvollkommen (dukkha; hier: vipārināma-dukkha und saṅkhāradukkha) und ohne Selbst (anatta). Ein Konzept wie z.B. der Tisch, ist geist-gemacht und angelernt und existiert nur, wenn ihn jemand, ein Beobachter, als solches wahrnimmt. Die einzelnen materiellen Bestandteile (rūpas) des Tisches jedoch existieren, entstehen und vergehen unabhängig vom Beobachter und dessen Geist. Rūpas können aufgrund von 4 Ursachen entstehen: 1. Kamma 2. Bewusstsein (citta) 3. Temperatur (utu) 4. Nahrung (āhāra) Nach Theravāda-Ansicht existieren rūpas auf jeden Fall auch außerhalb von uns und in unbelebter Materie, wo sie aufgrund von Temperatur, Klima, Wetter (utu) entstehen, unabhängig von jeglichem Geist oder Beobachter. Der „normale“ Mensch beobachtet jedoch immer nur Konzepte, mit denen er sich identifiziert, an die er anhaftet und deshalb leidet. Die (moderne) Naturwissenschaft beobachtet und misst im besten Fall rūpas, und natürlich handelt es sich dabei oft um geistgezeugte Materie (cittaja rūpa), so dass die Abhängigkeit vom Beobachter (bzw. dessen Bewusstsein) mit ins Spiel kommt. In vielen Sutten insbesondere des Saṃyutta-Nikāya wird immer wieder klar ausgesagt, dass auch rūpa die Natur von dukkha hat. So auch in der zweiten Lehrrede des Buddha, die er an seine fünf Asketengefährten hielt: 17 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 Auszug aus dem Anattalakkhaṇa-Sutta [S 22.59]: „Ist rūpa beständig oder unbeständig? „ - „Unbeständig.“ - „Ist aber das, was unbeständig ist, Freud‘ (sukha) oder Leid (dukkha)?“ - „Leid.“ - „Ist es dann angebracht das Unbeständige, Leidvolle, Veränderliche anzusehen als: ‚Dies ist mein das bin ich, das ist mein Selbst‘?“ - „Natürlich nicht.“ Von den meisten Übersetzern wird rūpa hier als Körper, Körperlichkeit oder Körperliches übersetzt. Aber spätestens im Abschnitt danach wird klar, dass jegliche Art von rūpa, Materie, damit gemeint ist, nicht nur die unseres Körpers: „Was es auch an rūpa gibt, vergangen, zukünftig oder gegenwärtig, innerlich oder äußerlich, grob oder subtil, gemein oder vorzüglich, fern oder nah - alles rūpa verstehe man mit voller Weisheit der Wirklichkeit gemäß: ‚Dies ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst!‘“ Und selbst wenn wir hier rūpa nur auf das Materielle unseres Körpers beziehen wollen, sollten wir verstehen, dass es auch in unserem Körper Materie gibt, die nicht vom Geist oder altem Kamma gezeugt ist, sondern „unbelebt“ ist und nur aufgrund von Hitze oder Kälte, Nahrung oder Gift entstanden ist. Ähnlich und noch detaillierten erklärt der Buddha seinem Sohn Rāhula die drei Merkmale für alle saṅkhāras in 10 Gruppen: Auszug aus dem Rāhula-Saṃyutta, Rūpa- und Khandha-Sutta [S 18. 2 + 10]: „(...) so sage ich doch nicht, dass das Durchdringen der vier edlen Wahrheiten mit Leiden und Trübsal verbunden sei. Vielmehr sage ich, dass das Durchdringen der vier edlen Wahrheiten mit Glück und Frohsinn verbunden ist.“ Die Betrachtung von Leiden (dukkhānupassanā) ist eine der drei Hauptmethoden der Einsichtsmeditation ganz allgemein oder auch eine der 18 Arten des „Hohen Hellblicks“ (mahā-vipassanā). Die Aufmerksamkeit wird auf beliebige saṅkhāra-Objekte gerichtet und bei allen wird das Merkmal dukkha gesehen, erfahren und durchschaut. Wohin immer man schaut, was immer man erfährt, was immer man sich wünscht – alles hat letztlich die Natur von dukkha und wird nicht mehr wünschenswert. Nibbāna präsentiert sich dann als Erstes durch seinen wunschlosen Aspekt und die Praxis führt zu Erlösung durch Wunschlosigkeit (appaṇihitā-vimokkha) mit Konzentration als Zugang zur Befreiung. Solange wir die saṅkhāra-Objekte kompakt und als Konzepte (paññatti) sehen, erkennen wir nicht wirklich ihre Natur von anicca, dukkha und anatta. Erkennen wir nicht ihre dukkhaNatur, so wird Begehren (taṇhā), Haben- und Sein-Wollen (bzw. auch nicht oder anders haben oder sein Wollen, d.h. auch Aversion) entstehen – und Leiden (hier: unangenehmes Gefühl, dukkha vedanā bzw. domanassa vedanā) folgt. Durchdringen und durchschauen wir die Objekte jedoch bis auf ihre letztendlichen Qualitäten (paramattha), so erkennen wir ihre unbefriedigende, unzulängliche Natur und können loslassen von Wünschen und Begehren. Der weise, erkennende Geist wendet sich desillusioniert und „ent-täuscht“ von den saṅkhāras ab, verliert sein Interesse an ihnen, die ja doch nur dukkha sind, und wird reif für Nibbāna. Von allen letztendlichen, erfahrbaren Wirklichkeiten hat nur Nibbāna allein nicht die dukkhaNatur. Es ist wunschlose Glückseligkeit, Stillstand, Frieden. „Was meinst du wohl, Rāhula: „Sind die Formen - die Töne - die Düfte - die Säfte - die Berührungen - die Geistobjekte unvergänglich oder vergänglich?“ - „Vergänglich, o Herr.“ - „Was aber vergänglich ist, ist das leidig oder freudig?“ - „Leidig, o Herr.“ - „Was nun vergänglich, leidig, wandelbar ist, ist es recht, dieses so anzusehen: ‚Dies ist mein, das bin ich, das ist mein Selbst‘?“ - „Gewiss nicht, o Herr. „ (...) „Ist Körperlichkeit - Gefühl - Wahrnehmung - sind die Gestaltungen - ist Bewusstsein unvergänglich oder vergänglich?“ - „Vergänglich, o Herr. „ - „Was aber vergänglich ist, ist das leidig oder freudig?“ - „Leidig, o Herr.“ - „Was nun vergänglich, leidig, wandelbar ist, ist es recht, dieses so anzusehen: ‚Dies ist mein, das bin ich, das ist mein Selbst‘?“ - „Gewiss nicht, o Herr.“ Die Betrachtung von dukkha (dukkhānupassanā) Im Satipaṭṭhāna-Sutta wird in der Rubrik Dhammānupassanā (Betrachtung der dhammas) auch die Schulung der Achtsamkeit bezüglich der Vier Edlen Wahrheiten erwähnt. Es gilt z.B. bei der ersten Edlen Wahrheit eifrig, wissensklar und achtsam (ātāpi, sampajāno, satima) das zu kontemplieren, was Leiden ist. Das heißt, dukkha ist selbst das Objekt. Während man dukkha betrachtet und erkennt, muss man nicht leiden. Im Gegenteil, das majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 Durchdringen von Leiden geht mit Glücksgefühl einher. So sagt der Buddha im SattisataSutta, der Lehrrede über die 100 Speere [S 56.35]: 18 Wo die Aufgeklärtheit endet von Axel Rodeck Glauben Sie an den Teufel oder fürchten Sie sich gar vor ihm? Ein aufgeklärter Zeitgenosse wird das verneinen und darauf hinweisen, dass der Gehörnte und Geschwänzte von mißmutigen Christenführern dem griechischen Hirtengott Pan nachgebildet wurde, der in Bocksgestalt ein ausschweifendes, christlichen Moralvorstellungen widersprechendes Treiben pflegte. Ein armer Teufel. Doch tritt schnell eine Verunsicherung ein, wenn die Nagelprobe gemacht wird. Besagte Zeitgenossen werden in einem Experiment gebeten, doch handschriftlich in einem eigenhändig zu unterschreibenden Schriftstück die Erklärung abzugeben, dass sie ihre Seele unwiderruflich und verbindlich dem Teufel übereignen. Die Verweigererquote ist sicherlich hoch und 19 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 bei den anderen Probanden lässt sich mehr oder weniger deutlich Angstschweiß nachweisen. Wie es ein kluger Mensch einmal sagte: Ich glaube nicht an Geister, aber ich fürchte mich vor ihnen. In unserem Alltagsleben sind derartige irrationale Ängste häufiger als erwartet. Auch erklärte Atheisten zeigen eine Scheu, den Namen des von ihnen ja bestrittenen Gottes zu lästern. Den tadellos gereinigten Anzug, den ein Mörder bei seinen (Un-)Taten trug, wird ein Normalmensch nur unter extremen Bedingungen wissentlich anziehen. Entsprechendes gilt für den Kauf eines zu Mordzwecken zweckentfremdeten Fahrzeugs. Und wer bei der folkloristischen Veranstaltung im karibischen Urlaubshotel das Gefühl hat, der Voodoo-Priester habe seinen Namen gemurmelt, wird besorgt die Höhe der von ihm gegebenen Trinkgelder hinterfragen. Ob Teufel oder Mörderhose – irgendetwas scheint doch mit diesen Objekten verbunden zu sein, was uns innerlich bewegt. Irgend ein magisches Gefühl scheint hier aus ältesten Zeiten noch zu wirken. Wir fühlen uns hinterrücks beobachtet, obwohl wir wissen, dass der vermeintliche Beobachter zwar die von uns ausgehenden Lichtteile wahrnehmen, sie aber nicht umgekehrt uns zuschicken könnte. Doch magisches Denken und Fühlen kennt offenbar keine Trennung von Zeit und Raum und Menschen und Dinge sind womöglich mystisch miteinander verbunden. Der amerikanische Psychoanalytiker Otto Kernberg glaubt an eine magische Übertragung von emotionalen Affekten als „grundlegende menschliche Fähigkeit“ und möchte dies als Zugang zur Seele seiner Patienten benutzen. Vielleicht haben die Dinge alle eine Eigenschaft, etwas wesenhaftes, das als „Essenz“ zu bezeichnen Pan: Vorbild für den gehörnten Teufel? wäre. Ein gutes Beispiel geben die Anhänger der Homöopathie, die die heilkräftigen Substanzen so lange aus dem Wasser herausschütteln, bis nur noch ihre Essenz vorhanden und wirksam sein soll. Ein weiteres Beispiel könnte die „Entweihung“ von Kultgegenständen sein, wenn sie etwa profanen Zwecken dienen oder ins Museum wandern sollen. Und schließlich sei noch auf Aristoteles hingewiesen. Dieser hatte jedem Stoff über das materielle hinaus eine „Qualität“ zugesprochen, also einen dem Geistigen zuzuordnenden Prozess. Zur Ursache des Stoffes gehört auch sein Zweck (causa finalis), also ein zukünftiges Geschehen. Warten wir es ab, wie die moderne Quantenphysik dem Geistigen zuzurechnende Aspekte mit der Materie (causa materialis) verknüpfen wird. majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 20 Siddhartha – sein Name und sein Abbild im modernen Mißbrauch von Hans Wolfgang Schumann Ich habe Hesses „Siddhartha“ vor 50 Jahren gelesen und fand das Buch so ärgerlich, dass ich es Jahrzehnte lang nicht mehr zur Hand genommen habe. Kürzlich, als es mir zwischen anderen Büchern wieder begegnete, hat mein Unmut sich erneuert, denn hier fährt ein Schiff unter gestohlenem Segel. Ist es nicht dreist von einem Autor, den Namen eines großen Religionsstifters zu okkupieren für ein Werk, das in gestelzt-feierlichem Stil – entlehnt bei dem Pali-Übersetzer Karl Eugen Neumann (gest. 1915) – eine erfundene pseudo-indische Geschichte erzählt und dabei die Religionen vermischt? Und der Suhrkamp-Verlag verstärkt noch die Irreführung, indem er für die Taschenbuchausgabe Nr. 182 eine Buddhaskulptur des 12. Jahrhunderts als Titelbild wählt. Freilich kann ein wachsamer Leser an dem Untertitel „Eine indische Dichtung“ erkennen, dass der Haupttitel keine Buddha-Biographie verspricht. Auf Seite 7 der Taschenbuchausgabe wird Siddhartha der „Sohn eines Brahmanen“ genannt – während jeder leidlich Kundige weiß, dass der echte Siddhartha ein Kriegeradliger (kshatriya) war. Sein früher Spielgefährte hieß nicht, wie im Buch, Govinda, sondern Nanda, und war Siddharthas Halbbruder aus der Doppelehe des Raja Shuddhodana mit Siddharthas Tante und Ziehmutter Mahaprajapati. Wieviele Exemplare des Hesseschen Buches mögen seit seinem Ersterscheinen 1922 verkauft worden sein, weil der Käufer unter dem Titel die Lebensbeschreibung des historischen Buddha vermutete? Im Falle des Buddha Gautama (Pali: Gotama) war der Vorname „Siddhartha“ treffend gewählt. Sein Vater Shuddhodana war der Raja, der Gouverneur des Stammes der Shakya, der dem König (Maharaja) des Reiches Koshala unterstand und hoffte, dass dereinst ein Sohn sein Raja-Amt übernehmen würde. Lange hatte er vergeblich auf einen männlichen Nachkommen gewartet. Als dann endlich ein Knabe gebohren wurde, nannte er ihn „Der, durch den der Wunsch (nach einem Stammhalter) erfüllt wurde“ (siddha-artha), kurz: „Der Wunscherfüller“. Man kann sich Shuddhodanas Betrübnis vorstellen, als der Stammhalter mit 29 Jahren sofort nach der Geburt seines Sohnes Raghula (Pali: Rahula) Haus und Familie verließ, um sich auf der Suche nach Erkenntnis einem hauslosen Wanderleben zuzuwenden. Offenbar hatte Shuddhodana dem Flehen seines Sohnes um Freiheit zugestimmt unter der Bedingung, dass er einen männlichen Nachkommen hinterlasse. Durch Raghulas Geburt war diese Voraussetzung erfüllt. Wie kam es zu dem grandiosen Erfolg des Hesseschen Buches, das in 39 Sprachen übersetzt und weltweit in einer Auflage in Millionenhöhe verkauft wurde? – In der Ausgabe des Textes mit beigegebenem Kommentar (Suhrkamp Basisbibliothek 2, 8. Auflage 2012) werden Antworten auf diese Frage versucht, aus denen aber auch die Ratlosigkeit mancher Rezensenten deutlich wird. Die nächstliegende Erklärung ergibt sich aus der historischen Situation Europas zu jener Zeit. Durch den Weltkrieg 1914-1918 und die durch ihn verursachte Not waren die herkömmlichen Maßstäbe der Moral aufgeweicht und neue Richtlinien für die Nachkriegszeit 21 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 wurden gesucht, unter anderem aus den Religionen Asiens, insbesondere Indiens. Der angemaßte Name der Titelgestalt – in Deutschland bekannt durch die Werke der Indologen Pischel (gest. 1908), Oldenburg (1920), R.O.Franke (1928), Seidenstücker (1932), Beck (1937), Winternitz (1937), Geiger (1943) und Walleser (1954) – tat ein übriges, Hesses Buch zu propagieren, allerdings, indem er als Buchtitel die irrige Hoffnung weckte, vom historischen Buddha Siddhartha Gautama zu handeln. Einen zweiten Fehlgebrauch erfährt das Andenken des Buddha Gautama seit etwa drei Jahrzehnten in Europa und den USA. Durch die Vortragstätigkeit des 14. Dalai Lama sind Buddhaskulpturen und –köpfe aus Bronze oder Stein häufig geworden und auch in Schaufenstern von Geschäften ein vertrauter Anblick. In den Auslagen von Juwelieren sind sie behängt mit Perlen, Goldketten und Ohrringen. Den Juwelieren sind zwar die großen Ohren des Dargestellten aufgefallen, aber sie kennen nicht deren Symbolik. In Wahrheit sind die Ohren lang und die Ohrläppchen tief herabhängend, weil Siddhartha als junger Mann schweren Ohrschmuck getragen hat; beim Gang in die Hauslosigkeit legte er ihn ab. Die langen Ohren sind das Sinnbild von Siddharthas Entsagung: Sie verweisen auf den Verzicht des glitzernden Schnickschnacks, den der Juwelier seinen Kunden besitzenswert machen möchte. Der Buddha als Schnäppchen Nachhaltiges Handeln von Michael Schmidt Der Buddha als „Vereinsmaskottchen“ und als Gartenzwerg majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 22 Ökologie, Umweltschutz, Nachhaltigkeit usw. sind Begriffe, die uns heute fast täglich begegnen. Auch die Religionen haben die „Wahrung der Schöpfung“ inzwischen entdeckt. Wie steht’s damit im Buddhismus. Der Buddha hat den Ethikregeln (Sila) und der Achtsamkeit (Satipatthāna) einen besonderen Stellenwert innerhalb seiner Lehre eingeräumt. Daraus ergibt sich auch ein angemessener Umgang mit den Menschen und der Natur. Nach Aussagen des Buddha ist alles mit Allem verbunden. Viele Umweltsünden werden aus Hass, Gier und Verblendung begangen. Sind diese drei Gifte überwunden ergibt sich ein umweltfreundliches Verhalten fast wie von selbst. 23 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 Schon in den frühen Schriften (Pali-Kanon) wurde dies erkannt und thematisiert. Als Beispiel hier ein Ausschnitt aus dem Vinaya Pitaka (Culla Vagga11,3): Die Geschichte erzählt eine Begebenheit kurz nach dem ersten Konzil (um 480 v.u.Z). Zur gleichen Zeit aber streifte König Udeno mit seinen Gespielinnen in dem Lustgarten umher. Da erfuhren die Gespielinnen: „Unser verehrter Lehrer Ānando sitzt nicht weit vom Lustgarten unter einem Baum!“ Sie sprachen zu König Udeno: „Majestät, es heißt, da sitzt unser verehrter Lehrer Ānando nicht weit vom Lustgarten unter einem Baum, wir möchten den verehrten Ānando gern besuchen.“ – „Gut, dann besucht den Asketen Ānando.“ Da begaben sich die Gespielinnen des Königs Udeno zum ehrwürdigen Ānando, grüßten den ehrwürdigen Ānando ehrerbietig und setzten sich seitwärts. Die seitwärts sitzenden Gespielinnen des Königs Udeno unterwies und ermunterte, begeisterte und beglückte der ehrwürdige Ānando mit einer Lehrdarlegung. Hoch glücklich, vom ehrwürdigen Ānando mit einer Lehrdarlegung unterwiesen und ermuntert, begeistert und beglückt worden zu sein, spendeten die Gespielinnen des Königs Udeno dem ehrwürdigen Ānando fünfhundert Untergewänder. Dann, beseligt und erhoben von den Worten des ehrwürdigen Ānando, erhoben sich die Gespielinnen des Königs Udeno von ihren Sitzen, umwandelten den ehrwürdigen Ānando nach rechts und kehrten zu König Udeno zurück. König Udeno sah sie kommen und fragte sie: „Nun, habt ihr den Asketen Ānando getroffen?“ – „Wir haben ihn getroffen, Majestät.“ – „Habt ihr ihm auch etwas gespendet?“ – „Wir haben dem ehrwürdigen Ānando fünfhundert Untergewänder gespen­det.“ König Udeno beanstandete das, kritisierte es, war verärgert: „Wie kann dieser Asket Ānando 500 Untergewänder annehmen! Will er denn einen Kleiderhandel betreiben oder will er sie im Laden zum Verkauf feilhalten?“ König Udeno begab sich zum ehrwürdigen Ānando, wechselte höfliche, freundliche Begrüßungsworte mit ihm und setzte sich seitwärts. Seitwärts sitzend sprach König Udeno zum ehrwürdigen Ānando: „Herr Ānando, sind meine Gespielinnen zu dir gekommen?“ – „Ja, deine Gespielinnen sind zu mir gekommen, großer König:“ – „Aber haben sie denn dem Herrn Ānando etwas geschenkt?“ – „Ja, großer König, sie haben mir etwas geschenkt. Fünfhundert Untergewänder haben sie mir geschenkt, großer König.“ – „Aber was willst du denn mit so vielen Gewändern anfangen, Herr Ānando?“ – „Die will ich unter den Mönchen verteilen, deren Gewänder abgewetzt sind, großer König:“ „Aber was willst du mit den abgewetzten Gewändern machen, Herr Ānando?“ – „Die will ich zu Umhängen umarbeiten lassen.“ – „Und was willst du mit den alten Umhängen machen?“ – „Daraus will ich Matratzenauflagen machen lassen.“ – „Aber was willst du mit den alten Matratzenauflagen machen lassen?“ – „Kissenbezüge, großer König“ – „Und aus den alten Kissenbezügen“ – „Bodenbeläge, großer König,“ - „aus den alten Bodenbelägen?“ – „Fußabtreter, großer König.“ – „Und aus den alten Fußabtretern, Herr Ānando?“ – „Putzlappen, großer König.“ – „Und was machst du mit den alten Putzlappen? Herr Ānando?“ – „Die lasse ich zu Fasern zerfasern, mit Lehm verkneten und Fußböden damit bestreichen, großer König.“ Da sagte sich König Udeno: „Diese Asketen, die Sakyersöhne, verwerten alles gründlich und lassen nichts umkommen!“ Und er spendete dem ehrwürdigen Ānando weitere 500 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 24 gewobene Gewänder. Das war das erste Mal, daß der ehrwürdige Ānando eine Kleiderspende von 1000 Gewändern erhielt. Aus: „Der Buddha und sein Orden“ von Fritz Schäfer und Raimund Beyerlein, Verlag Beyerlein & Schulte Wo bleibt die liebende Güte? von Axel Rodeck 1. Die Übung liebender Güte („Metta“-Übung) ist ein buddhistisches, insbesondere im Theravada geübtes Verfahren und wird auch in unserem BBH gern betrieben. Natürlich haben wir uns auch im „Mittleren Weg“ diesem Thema gewidmet (zuletzt Heft 3/2012) und lediglich mit Rücksicht auf eventuelle Neulinge wollen wir einleitend die maßgeblichen Gesichtspunkte noch einmal kurz skizzieren: Während Meditationstechniken normalerweise nach innen gewandt sind, gibt es eine nach außen in die Gesellschaft, ja in die gesamte Welt strahlende Meditationsweise. Sie wird als „Göttliche Verweilungen“ (brahmavihara) bezeichnet und bezieht sich auf vier positive Geisteszustände, die der Meditierende in sich entwickeln und in alle Himmelsrichtungen ausstrahlen soll. Diese Geisteszustände sind die „Liebende Güte“ (metta), das „Mitgefühl“ (karuna), die „Mitfreude“ (mudita) und letztlich der Gleichmut (upekkha). Auf die „liebende Güte“ (metta) wollen wir hier unser Augenmerk richten. Der Meditierende richtet zunächst ein Denken voller Güte auf sich selber, dann auf geliebte Menschen, folgend auf neutral eingestufte Mitmenschen und schließlich auf unangenehme, gar gehaßte Zeitgenossen. Im volkstümlichen „Metta-Sutta“ wird geraten, der Heilssucher solle „gleich einer Mutter, die den eignen Sohn, den einzigen, beschützt mit ihrem Leben“ gegenüber allen Wesen positive Gefühle entwickeln. Mit diesem Denken werden nacheinander die vier Himmelsrichtungen und der Raum nach oben und unten durchstrahlt. 2. Höchste Bewunderung verdienen in buddhistischen Kreisen sicherlich die Freunde, denen die positive Lenkung ihrer Gefühle gelingt. Es ist wohl wie bei der christlichen Nächsten- und Feindesliebe, wo man auch nur selten auf Könner trifft. Offenbar hat uns die Evolution so ausgerichtet, dass wir uns bei Leid in unserer unmittelbaren Umgebung sehr, bei Völkermorden in Afrika jedoch nur wenig aufregen. Jedenfalls kann wohl ernüchtert festgestellt werden, dass allen Übungen zum Trotz das karitative Element im Buddhismus nur eingeschränkt anzutreffen ist. Im Klartext: Auch Buddhisten befleißigen sich nur in bescheidenem Umfang der tatkräftigen Liebe. Das kann jeder nachempfinden, der sich schon einmal vergeblich Hilfe erhofft hatte. Immerhin musste auch schon der Buddha seine Mönche mahnen, einander im Krankheitsfall beizustehen. Wir wollen uns daher nicht scheuen, folgend die Klage eines jahrzehntelang buddhistisch sehr engagierten älteren Dhammafreundes (mit dessen Zustimmung) 25 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 wiederzugeben. Dieser führte aus: 3. „Ich hatte ein großes Problem, das mich seit Jahren und Jahrzehnten beschäftigt, ob der Buddhismus eine soziale und sozialethische Religion ist. Ich erlebte diese Frage auch persönlich ernsthaft in meiner engeren Umgebung, als ich feststellen musste, dass Leute, die stundenlange, ja abende- und nächtelange Meditationen betrieben, wenig Solidarität und Mitmenschlichkeit im Hier und Heute zeigen. Zwei Beispiele: Ich lebe allein und habe keine Familie. Als ich zwei Wochen im Krankenhaus lag, hat mich keiner meiner „Glaubensgenossen“ besucht. Ich habe auch keinen Wagen, der mich zum Arzt brachte, obwohl mehrere ein Auto besitzen und nichtberufstätige Rentner sind. Ich habe Schwierigkeiten wegen meiner Beine, in öffentliche Verkehrsmittel (Bus) ein- und auszusteigen. Ich stellte fest, dass selbst „miese“ christliche Sekten mehr Sinn für sozialethisches Verhalten aufbrachten als die „Herren“ und „Damen“ Buddhisten.“ Ein liebender Partner - erstrebenswerter als himmlische Welten und nibbana? Auszug aus der Biographie des Ehrwürdigen Lehrmeisters Mann Buridatto Thera vom Ehrw. Lehrmeister Maha Bua Nanasampanno Fragesteller: „Was sollten ein Ehemann und eine Ehefrau, die in diesem Leben glücklich zusammengelebt haben und sich wün­schen, auch im nächsten Leben zusammen zu bleiben, tun, um sicherzugehen, dass sie in der Zukunft wieder zusammen gebo­ren werden? Ist es genug, dass beide von ihnen denselben Wunsch hegen, sich auch in zukünftigen Leben wiederzusehen?“ Der Ehrwürdige Lehrmeister Mann: „Dieser Wunsch erzeugt lediglich die Aussicht, sein beabsichtigtes Ziel zu erreichen, aber wird dieser Wunsch nicht von konkreten Handlungen begleitet, wird er nicht die erwünschten Ergebnisse erzielen. Nimm das Beispiel von einem, der sich wünscht, reich zu sein. Ist er zu faul, um sich in Bewegung zu setzen und sich seinen Reichtum zu verdienen, dann kann er unmöglich reich werden. Sollte es auch nur eine kleine Chance von Erfolg geben, dann muss eine Ab­sicht auch durch vereinte Anstrengung, dieses Ziel zu erreichen, unterstützt werden. Dasselbe gilt auch für einen Ehemann und eine Ehefrau, die sich wünschen, ihre liebevolle Beziehung zu erhalten und glücklich in jedem nachfolgenden Leben zusammen­ leben zu können. Wünschen sie, nicht voneinander getrennt zu werden, dann müssen sich ihre Ansichten entsprechen und sie müssen einander treu bleiben. Sie dürfen einander nicht aus­ nützen, da dies ihr gegenseitiges Vertrauen zerstört und sie in Unzufriedenheit stürzt. Sie müssen ihre Tugenden pflegen, sich rechtens verhalten und einander vertrauen. Vermögen sie es, ein gegenseitiges Verständnis ihrer Partnerschaft zu etablieren und ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, die ihren Wunsch für die Zukunft begünstigen, dann können majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 26 sie auch erwarten, dass sich dieser erfüllt, da es wohl in ihrer Macht liegt, dies zu bewerk­ stelligen. Ist es jedoch der Fall, dass entweder der Ehemann gut und die Ehefrau schlecht ist, oder die Ehefrau gut ist und der Ehe­mann schlecht, oder wenn einer von beiden nur das tut, was ihm gefällt, dann werden, wieviel Hunderte von Entschlüssen sie auch gemeinsam fassen mögen, diese alle im Sand verlaufen, da ihre eigenen Handlungen diesen Wunsch untergraben. Nun zu dir. Ist dieser Wunsch, mit deiner Frau zusammen­zubleiben, wirklich der Wunsch, den du über alles andere stellst?“ Fragesteller: „Ich wünsche mir nichts anderes, als dass sich dieser Wunsch erfüllt. Reichtum und all seine Fallen, Stellung, Titel, königlicher Status, himmlische Glückseligkeit oder spiritu­elle Verwirklichung - keines von diesen würde mir irgendetwas ohne meine Frau, die meine einzige wirkliche Liebe ist, bedeu­ten. Dies ist ein grundlegendes Verlangen eines jeden Menschen und darum müssen wir uns auch zuerst einen liebenden Partner wünschen, danach können andere Wünsche ihrer Zeit gemäß an­gegangen werden. Deshalb musste ich dich danach auch als er­stes fragen, obwohl ich verlegen war und fürchtete, dass du mich ausschelten würdest. Das ist die Realität der Welt, in der wir le­ben, obwohl Menschen sich oft scheuen, darüber zu sprechen.“ Der Ehrwürdige Lehrmeister Mann lachte: „Wenn das der Fall ist, dann musst du, wohin du auch gehst, deine Frau immer mitneh­men, nicht wahr?“ Fragesteller: „Ich schäme mich zu sagen, dass es wirklich die Sorgen um meine Frau sind, die mich die ganze Zeit davon ab­gehalten haben, als Mönch zu ordinieren. Es beunruhigt mich, dass sie schrecklich einsam sein würde ohne jemanden, der ihr Rat gibt und sie beruhigt. Meine Kinder betteln sie nur um Geld an, um sich Dinge zu kaufen, und fallen ihr nur ständig zur Last. Deshalb kann ich nicht sehen, wie sie ihr irgendeine Sicherheit oder Seelenruhe bieten könnten und kann nicht aufhören, mir Sorgen um sie zu machen. Da gibt es noch etwas anderes, was ich nicht verstehe. Das Dhamma lehrt uns, dass die himmlischen Gefilde von beiden, weiblichen und männlichen devas, ganz ähnlich unserer Welt, bevölkert sind. Die Wesen dort leben ein freudiges, glückseliges Leben und erfreuen sich einer Vielfalt von Vergnügungen. Das lässt diesen Ort als sehr anziehend zum Leben erscheinen. Aber in den brahmischen Gefilden scheint es so, anders als hier auf der Erde oder in den himmlischen Gefilden, dass kein Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Wesen besteht. Kann man sich da nicht etwas einsam vorkommen? Ich meine, es gibt dort niemanden, der einen aufmuntert und erheitert, wenn man in schlechte Laune verfällt. Und nibbana ist ja noch schlimmer, da gibt es überhaupt keine Beziehung mehr zu irgendetwas. Man ist in jeder Hinsicht vollkommen auf sich selbst gestellt. Man bedarf keinen oder ist von etwas abhängig, das einen unterstützen oder mit einem in irgendeiner Weise in Kontakt treten könnte. Man ist dort wirklich vollkommen unabhängig. Wie kann dann so jemand stolz auf irgendetwas sein? Man würde doch annehmen, dass jemand, der diesen auserwählten Status von nibbana verwirklicht hat, von den anderen Wesen dort verehrt und gepriesen wird. Zum Mindesten in der Welt kommt einer erfolgreichen Person, die vermögend ist und sozialen Rang genießt, Lob und Verehrung von seinen Mitbürgern zu. 27 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 Diejenigen, die ins nibbana eingehen, finden dort nur Stille vor - es ist keine Rede von Ehrung und Bewunderung durch seinesgleichen. Das lässt mich wundern. Da möchte ich schon wissen, wie vollkommene Stille wirklich so ein Ort voller Glückseligkeit sein kann. Bitte verzeihe mir, solche verrückten und unkonventionellen Fragen zu stellen, aber solan­ge ich darüber nichts von jemandem, der wahrhaftig darüber Bescheid weiß, herausfinden kann, wird dieses Dilemma mich ohne Ende beunruhigen.“ Der Ehrwürdige Lehrmeister Mann erwiderte: „Die himmli­schen Gefilde, die brahmischen Ebenen und nibbana sind nicht für Skeptiker wie dich, sondern sie sind für diejenigen reserviert, die ihren eigenen inneren Wert erkennen können. Diese Menschen erkennen den Wert der himmlischen Gefilde, der brahmischen Ebenen und von nibbana und verstehen, dass sich der Wert ei­ner jeden höheren Ebene entsprechend den tugendhaften Eigen­schaften derjenigen, die diese verwirklicht haben, erhöht. Jemand wie du kann nicht einmal davon träumen, solche Daseinsebenen zu verwirklichen. Selbst wenn du dir wünschen würdest, dorthin zu gelangen, wärest du dazu nicht in der Lage, solange deine Frau um dich ist. Und würde sie sterben, könntest du nicht aufhören, nach ihr zu verlangen. Deshalb wäre es dir auch nicht möglich, dich lange genug nach einer himmlischen Existenz zu sehnen, um einen Weg zu finden, dies in die Tat umzusetzen. So wie du em­pfindest, können sich selbst die erhabenen brahmischen Ebenen und nibbana nicht mit deiner Frau messen, da diese Ebenen nicht so gut für dich sorgen könnten, wie sie es kann. Darum zweifelst du und willst nicht gehen und hast Angst, dass du diejenige ver­lierst, die sich wirklich um all deine Belange kümmert.“ Der Ehrwürdige Lehrmeister Mann und sein Fragesteller lach­ten beide ganz herzlich und danach fuhr ersterer fort: „Die Arten von Glück, die in Abhängigkeit von den Bedingungen ent­stehen, denen die Menschen hier auf dieser Welt begegnen, sind je nach persönlichen Vorlieben sehr unterschiedlich. Obgleich alle Sinnesorgane zusammen in demselben physischen Körper be­stehen, dienen sie doch verschiedenen Arten von Sinnes­empfindungen. Zum Beispiel das Auge zieht es vor, Formen wahrzunehmen, das Ohr nimmt lieber Laute wahr, die Nase zieht Gerüche vor, die Zunge liebt Geschmack, den Körper zieht Be­rührung an und der Geist liebt es, Geistesobjekte wahrzunehmen - jedes seinem eigenen Naturell entsprechend. Man kann nicht von ihnen erwarten, dass sie alle dieselbe Vorliebe zeigen. An einem guten Mahl teilzunehmen, ist eine Form von Vergnügen und glücklich verheiratet zusammenzuleben, ist wieder eine andere Art von Vergnügen. Aber bitte vergiss nicht, dass Streit auf Grund von häuslichen Unstimmigkeiten eine Form von Leid ist. Es hat in der Welt noch nie an Vergnügen gemangelt, denn sie sind ein unverzichtbarer Teil des Lebens, und alle Lebewesen fühlen sich dazu angetrieben, diesen nachzugehen. Es gibt Formen von Glück, die man hier auf der Erde lebend erfahren kann. Es gibt andere Formen von Glück, die in den himmlischen Gefilden er­fahren werden können und wiederum andere auf den brahmischen Ebenen. Und schließlich gibt es die Glückseligkeit von nibbana, die von denjenigen erfahren werden kann, die die lästigen kile­sas in ihren Herzen vollkommen vernichtet haben. Diese Art der Glückseligkeit ist etwas total Verschiedenes von dem weltlichen Glück derjenigen, die noch kilesas besitzen. Wenn das Glück, das du aus dem Zusammensein mit deiner Frau ziehst, alles ist, was du brauchst, warum dann noch Sicht­bares ansehen und Hörbarem zuhören? Warum dann noch majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 28 es­sen und schlafen? Warum sich dann noch bemühen, durch Spenden und das Einhalten von Geboten Tugend oder Medita­tion zu entwickeln? Alles was du brauchst, ist mit deiner Frau zusammenzuleben und es dem Glück zu ermöglichen, dich von allen Seiten zu durchdringen. Du könntest dir eine Menge Ärger damit ersparen. Aber kannst du das auch wirklich bewerkstelli­ gen?“ Fragesteller: „Natürlich nicht, Ehrwürdiger. Wie könnte ich das bloß bewerkstelligen? Was ist mit all den Zeiten, in denen wir uns streiten? Wie könnte ich all mein Glück nur auf sie alleine grün­den? Dies würde mein Leben nur noch komplizierter machen.“ Der Ehrwürdige Lehrmeister Mann sagte, dass dieser Mensch einen ziemlich unerschrockenen und geradlinigen Charakter be­saß und dass er für einen Laien ein sehr großes Interesse an sitt­licher Tugend hatte. Er war dem Ehrwürdigen Lehrmeister Mann tief ergeben und dieser bemühte sich auch, ihm spezielle Aufmerk­samkeit zu widmen. Dieser Mann pflegte den Ehrwürdigen Lehr­meister Mann dann zu besuchen, wenn keine anderen Besucher da waren, um fast beiläufig eine Unterhaltung anzufangen. Nor­malerweise würden andere Menschen sich nicht trauen, dem Ehrwürdigen Lehrmeister Mann solche Art von Fragen zu stel­len. Er liebte seine Frau und Kinder außerordentlich und seine liebevolle Hingabe zu dem Ehrwürdigen Lehrmeister Mann mach­te ihn zu einem häufigen Besucher des Klosters. Kam er und der Ehrwürdige Lehrmeister Mann empfing gerade Besucher, dann pflegte er nur einfach seinen Respekt zu zollen, um danach weg­zugehen und den Mönchen auf eine Art zu helfen wie jemand, der sich in dem Kloster wie zu Hause fühlt. Wenn gerade keine anderen Besucher da waren, nutzte er die Gelegenheit, um sol­che Fragen zu stellen, die ihm auf dem Herzen lagen und der Ehrwürdige Lehrmeister Mann war fast jedes Mal so gütig, auf ihn einzugehen. Entnommen dem Buch „Ein Leben innerer Werte – ein umfassender Leitfaden zur buddhistischen Praxis“ vom Ehrwürdigen Lehrmeister Acariya Maha Bua Nanasampanno, übersetzt aus dem Thailändischen von Thanissaro Bhikkhu und übersetzt aus dem Englischen von Martin Bhikkhu. Auch das noch... Nachrichten aus den Religionen und ihrem Umfeld Muslimische Schülerin muss mitschwimmen Muslimische Mädchen dürfen dem Schwimmunterricht in Schulen nicht ohne Weiteres aus religiö­sen Gründen fernbleiben. Die Teilnahme in einem Burkini - einem Ganzkörper­badeanzug - sei ihnen zuzumuten, ent­schied das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch. Es wies damit die Klage einer 13 Jahre alten Gymnasiastin aus Frankfurt ab. Sie hatte eine Befreiung vom gemeinsamen Schwimmunterricht für Jungen und Mädchen erwirken wol­len und sich auf die Religionsfreiheit be­rufen. Die Bundesverwaltungsrichter urteil­ten, eine Unterrichtsbefreiung aus reli­giösen Gründen sei nur in Ausnahmefäl­len möglich. Bei der muslimischen Schü­lerin kollidiere ihre grundgesetzlich ge­ schützte Religionsfreiheit mit dem verfassungsrechtlich 29 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 verankerten Er­ziehungsauftrag des Staates. In solchen Konflikten müsse grundsätzlich abge­ wogen werden, und es müsse auch nach Kompromissen gesucht werden. Der Burkini sei eine Möglichkeit. (HAZ 12.09.2013) Baum fällt auf Tempelanlage Ein 30 Meter hoher Baum ist nach heftigem Regen im Weltkulturerbe-Bezirk Angkor in Kambodscha umgestürzt und hat einen Tempel aus dem 12. Jahrhundert beschädigt. „Der Schaden ist nicht ernst, die Grundmauern des Tempels sind nicht berührt“, sagte Regierungssprecher Ek Tha am Sonntag. Die Schäden würden untersucht. Betroffen ist der Preah-Khan-Tempel, der mitten im Dschungel liegt. Er wurde 1191 von König Jayavarman gebaut und gehört zu den bedeutendsten Tempeln des Areals. Die Region bei Siem Reap war einst Mittelpunkt des Khmer-Reiches mit mehr als 1000 Tempeln. Im 15. Jahrhundert zogen die Khmer weiter nach Süden. Viele Tempel wurden anschließend wieder vom Urwald überwuchert. Heute ist die Region mit Angkor Wat, der größten Tempelanlage der Welt, eine Touristenattraktion mit mehr als zwei Millionen Besuchern im Jahr. (HAZ 7.10.2013) Volksbegehren gegen Kirche Die Bürgerinitiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ will den Wiederaufbau der im Kriege zerstörten und in der DDR abgerissenen Kirche mit einem Bürgerbegehren verhindern. Die Unterschriftensammlung soll vor den Kommunalwahlen am 25. Mai starten, sagte Simon Wohlfahrt von der Bürgerinitiative am Freitag in Potsdam. Die juristische Beratung habe der Verein „Mehr Demokratie“ in Berlin übernommen. Statt Spenden für eine 100 Millionen teure „Luxuskirche“ mit umstrittener Vergangenheit zu sammeln, sollte die evangelische Kirche Menschen aufrufen, für dringend benötigte soziale Projekte zu spenden. (HAZ 15.02.14) Warnung an junge Islamisten Hamburgs Schulsenator hat wegen islamistisch-extremistischer Umtriebe von Jugendlichen an rund fünf der 400 Schulen der Hansestadt mit Folgen gedroht. „Wenn Schülerinnen und Schüler sich dort nicht benehmen, dann werden sie auch der Schule verwiesen“, sagte er am Freitag. Laut Behörde hatten Jugendliche in Hamburg-Billstedt Mitschüler wegen deren angeblich nicht islamkonformer Kleidung beschimpft oder Mädchen diskriminiert. Zudem hatten sie sich auf dem Schulhof zu lautstarkem Gebet versammelt. (HAZ 22.02.14) staltungen besetzt. r während der Veran nu gel Re r de in ist Das Zentrum 17:00 - 18.30 Uhr ! eit jeden Freitag von hz rec Sp : em rd ße Au majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 30 Programm und Einladung - Fortsetzung 19.-20.07. Sa 18:00 h So 17:00 h Entspannte Weite - Die Grüne Tara Einführungswochenende mit Lily Besily Veranstalter: Buddhistische Gemeinschaft Chöling e.V.Ort: Pagode Vien Giac, Karlsruher Str. 6, 30519 Hannover - Informationen: www.choeling.de; Teilnehmergebühr: € 8 (1. Tag), € 20 (2. Tag) Anmeldung: [email protected] 27.07. Sonntag Tee - Nachmittag Buddhismus wie am 25.05. um 15:00 Uhr 06.08. Mittwoch 08-18:00 h Hiroshima-Gedenktag am Mahnmal Aegidienkirche in Hannover mit stündlichen Meditationen verschiedener Religionen 08.-10.08. Freitag bis Sonntag Ullambana-Fest Veranstalter und Ort: Kloster Vien Giac, Karlsruher Str.6, 30519 Hannover Informationen zum Programm über Tel.. 0511-879630 und Homepage: www.viengiac.de 09.08. Samstag 10 - 17 h Gemeinsam einen Tag im achtsamen Verweilen verbringen Meditative Übungen in Stille und Bewegung, geleitet von Johannes Dombrowski - wie am 14.06. Bitte etwas zum gemeinsamen Mittagsimbiss mitbringen. Teilnahme auf Spendenbasis - bitte rechtzeitig anmelden. 31.08. Sonntag Tee - Nachmittag Buddhismus wie am 25.05. um 15:00 h Soweit nichts anders angegeben finden alle Veranstaltungen im Buddhistischen Zentrum, Drostestr. 8, 30161 Hannover statt. Zur Kostendeckung wird um einen Spendenbeitrag gebeten. Gäste sind willkommen. Außerdem wird dort auf andere Veranstaltungen hingewiesen, die unser Interesse verdienen. Haftungsausschluss: Der Verein übernimmt keine Haftung für eventuell auftretende psychische und/oder physische Schädigungen, die bei der Teilnahme an den Veranstaltungen auftreten können. 31 majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 Regelmäßige BBH-Veranstaltungstermine in der Drostestr. 8 Gesprächskreis Buddha-Lehre jeden Dienstag 19.15 - ca. 22.00 Uhr Offener Kreis, auch für Interessierte ohne Vorkenntnisse Meditation (19.25 - 20.00 Uhr), anschließend, ab 20.00 Uhr: Lesung buddhistischerTexte; Gespräche und Diskussion zur buddhistischen Praxis; Buddhismus in der Gegenwart; Meditation und Yoga jeden Donnerstag 19.45 - ca. 22.00 Uhr. Hatha-Yoga; Asanas, Atmung, entspannte Sammlung, Stille und Haltung des Yoga und der Meditation. Bitte entsprechende Kleidung und Übungsdecke mitbringen. (Einführung nach telefon. Absprache: Sabine Reinsberg - 0511 - 400 86 36) Vipassana Meditation jeden Donnerstag 18.00 - 19:30 Uhr. Sitzen in Stille, Atembetrachtung, Gehmeditation, Erfahrungsaustausch. Anfängerlinnen sind willkommen, eine Einführung ist möglich. In diesem Fall bitte vorher anmelden unter: 0511 - 348 07 76 (Franz). www.vipassana-hannover.jimdo.com Tibetisch - Buddhistischer Gesprächskreis jeden letzten Samstag im Monat, um 15.00 Uhr Video und Gespräche über die Lehre des Buddha, mit Bernd Weber (Karma Gelek Samten) Zen Dôjô Shôbôgendô Spirituelle Leitung: Zen-Meisterin Dagmar Dôkô Waskönig, Info: www.shobogendo.de Zazen: Montag: 20.00 Uhr Mittwoch:20.00 Uhr - Jeden 1. Mittwoch im Monat, 19.00 Uhr: Einführung für Neue Freitag: 19.00 Uhr (unregelmäßig, nach Absprache) Tee - Nachmittag Buddhismus jeden letzten Sonntag im Monat, um 15.00 Uhr Einführungs-Gespräch und -Videos, besonders geeignet auch für Jugendliche Anfragen / Info Tel. 0511 - 47 14 09 (Bernd Weber) Ansprechpartner/lnnen: Axel Rodeck Tel. 0511 - 67 37 48 Rother Baumert Tel. 0511 - 40 66 88 Email: [email protected] Michael Schmidt Tel. 05722 - 8 17 25 Email: [email protected] Rajah Wirasekara Tel. 05722 - 8 11 52 Email: [email protected] Dagmar Doko Waskönig (Zen) Tel. 0511 - 86 48 71 Email: [email protected] Bernd Weber Hanna Woitzik Tel. 0511 - 47 14 09 Email: [email protected] Tel. 0511 - 84 86 46 37 Email: [email protected] Internet: www.buddha-hannover.de www.facebook.com/BuddhistischerBundHannover majjhimâ - patipadâ 2 - 2014 32