Kapitel 3 Landau`sche Theorie der Fermiflüssigkeit

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Kapitel 3
Landau’sche Theorie der
Fermiflüssigkeit
Die Landau’sche Theorie der Fermiflüssigkeit wurde 1956 von Laudau entwickelt, um die
Eigenschaften von 3 He zu erklären. Ihre Bedeutung geht aber weit über diesen Spezialfall hinaus: grundsätzlich kann sie zur Beschreibung aller fermionischen Systeme verwendet
werden. Die Landau’sche Theorie der Fermiflüssigkeit gilt heute als eine der bedeutendsten
Theorien der Festkörperphysik und ist derzeit das Standardmodell“ der Metalle. Sie erklärt,
”
warum sich ein System aus stark wechselwirkenden Teilchen annähernd wie ein System freier
Teilchen verhalten kann und gibt an, wie man die Änderungen, die die Wechselwirkungen
hervorrufen, quantifizieren kann.
3.1
Das Konzept der Quasiteilchen
Dass einfache Metalle sehr gut mit der Sommerfeld-Theorie freier Elektronen beschrieben
werden können (vgl. Abschnitt 2.1, spezifische Wärme von Au und Paulisuszeptibilität von
Na) ist eigentlich überaus erstaunlich, denn die Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Elektronen ist trotz Abschirmung keineswegs vernachlässigbar klein. Sie ist in Metallen von der
gleichen Größenordnung wie die kinetische Energie der Elektronen. Warum kann eine Theorie, die die Coulomb-Wechselwirkung gänzlich außer Acht lässt, dann so gut funktionieren?
Die Antwort liegt in Landau’s Konzept der Quasiteilchen.
Tatsächlich haben wir mit den Beziehungen freier Elektronen nämlich nicht die freien
Elektronen selbst beschrieben, sondern den Elektronen ähnliche (Landau’sche) Quasiteilchen. Obwohl sich der Grundzustand des wechselwirkenden Systems erheblich von dem des
nichtwechselwirkenden Systems unterscheiden kann, haben die elementaren Anregungen des
wechselwirkenden Systems (die Quasiteilchen) praktisch die gleichen Eigenschaften wie die
ursprünglichen Elektronen: sie haben die gleiche Ladung, den gleichen Spin und den gleichen
maximalen Impuls pF . Nur ihre effektive Masse m∗ und damit auch ihre Energie p2 /(2m∗ )
kann sich erheblich von der freier Elektronen unterscheiden. Zudem ist die Gesamtenergie
mehrerer Quasiteilchen annähernd gleich der Summe ihrer Einzelenergien. Man kann damit
komplizierte angeregte Zustände einfach als Summe von vielen Quasiteilchen beschreiben.
31
32
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
Abbildung 3.1: Grundzustand des freien Fermigases im ~k-Raum mit einer Teilchen-LochAnregung [Schofield, Contemporary Physics 40 (1999) 95].
Zur Einführung der Quasiteilchen bedient man sich des Konzepts der adiabatischen
”
Kontinuität“. Wir gehen in einem Gedankenexperiment von einem Metall aus, in dem wir
die Wechselwirkung zwischen den Quasiteilchen über einen Regler variieren können: bei 0
verschwindet die Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Elektronen und wir haben ein freies Fermigas, bei 1 erreicht die Wechselwirkung ihre volle Größe. Wir gehen vom Zustand
in Abb. 3.1 aus, also vom Grundzustand mit einem angeregten Zustand bei Reglerstellung
0. Nun regeln wir die Wechselwirkung ganz langsam hoch. Dabei fangen die Elektronen innerhalb der Fermifläche an, miteinander und mit dem Elektron außerhalb der Fermifläche
zu wechselwirken. Wenn der Regler nur langsam genug bewegt wird, gehen wegen der adiabatischen Kontinuität die Eigenzustände des nichtwechselwirkenden Systems kontinuiertlich in Eigenzustände des wechselwirkenden Systems über. Die Quantenzahlen der freien
Elektronen können also von den Quasiteilchen übernommen werden, obwohl sich ihre Wellenfunktionen und Energien verändern. Man spricht von einer Eins-zu-eins-Korrespondenz
zwischen Quasiteilchen und freien Elektronen. Zur Konstruktion der Landau’schen Theorie
der Fermiflüssigkeit ist es allerdings nötig, dass der Regler in einer Zeit von 0 auf 1 gedreht
wird, die kleiner ist als die Streuzeit der Quasiteilchen. Da die Streuzeit (bei T = 0) nahe
der Fermifläche divergiert, kann hier der Regler immer so langsam wie für die adiabatische
Kontinuität nötig gedreht werden. Weiter von der Fermifläche entfernt (oder bei höheren
Temperaturen) ist dies allerdings nicht mehr der Fall. Hier zerfallen die Quasiteilchen bereits bevor die Wechselwirkung vollständig eingeschaltet wurde. Bei endlicher Temperatur
wächst die Streurate mit T 2 an. Das Quasiteilchen-Konzept ist also nur bei tiefen Temperaturen und für niederenergetische Anregungen gültig.
Im Folgenden machen wir die Energie- und Temperaturabhängigkeit der Streurate plausibel. Das Quasiteilchen in Abb. 3.1 habe eine Energie ǫ1 , die größer als die Fermienergie ǫF
ist (vgl. Abb. 3.2 (A)). Es kann nur an einem Teilchen einer Energie ǫ2 < ǫF streuen, da
ausschließlich elektronische Niveaus mit Energien kleiner ǫF besetzt sind (vgl. Abb. 3.2 (B)).
Das Pauliprinzip fordert nun, dass diese beiden Teilchen nur in unbesetzte Niveaus gestreut
werden können, dass also ǫ3 > ǫF und ǫ4 > ǫF . Damit dies energetisch möglich ist, muss
3.2. SPEZIFISCHE WÄRME UND PAULISUSZEPTIBILITÄT
33
Abbildung 3.2: (A) Ausgangszustand, bestehend aus einem Quasiteilchen mit der Energie
ǫ1 oberhalb der Fermienergie ǫF . (B) Endzustand nach einem Wechselwirkungsprozess, bei
dem ein Teilchen von unterhalb nach oberhalb der Fermienergie gestreut wird und das ursprüngliche Quasiteilchen seine Energie ändert[Condensed Matter Physics, Michael P. Marder].
|ǫ2 − ǫF | ≤ ǫ1 − ǫF gelten, muss also ǫ2 näher am Ferminiveau liegen als ǫ1 (oder höchstens
gleichweit davon entfernt sein). Da die Energie erhalten sein muss (ǫ1 + ǫ2 = ǫ3 + ǫ4 ), gilt
weiters, dass ǫ3 − ǫF < ǫ1 − ǫF und ǫ4 − ǫF < ǫ1 − ǫF . Für den Streuprozess kommen also
nur Zustände innerhalb einer Schale mit einer Dicke der Größenordnung ǫ1 − ǫF um die
Fermifläche in Frage. In der Sprache der Streutheorie kann man sagen, dass der Phasenraum, der für den Streuprozess verfügbar ist, mit dem Abstand von Quasiteilchen 1 zum
Ferminiveau abnimmt. Am Ferminiveau selbst, also für ǫ1 = ǫF , gibt es keinen Phasenraum
für den Streuprozess und die Lebensdauer des Quasiteilchens ist (bei T = 0) unendlich. Die
Streurate 1/τ ist proportional zum Quadrat von ǫ1 − ǫF
1
∼ (ǫ1 − ǫF )2 ,
(3.1)
τ
da sowohl die Energie ǫ2 als auch die Energie ǫ3 innerhalb der erlaubten Schale gewählt werden muss. Für ǫ4 ergibt sich die Energie auf Grund der Energieerhaltung dann automatisch.
Betrachtet man zusätzlich zur gefüllten Fermikugel nicht ein einzelnes Quasiteilchen,
sondern eine thermische Gleichgewichtsverteilung von Quasiteilchen bei einer von null verschiedenen Temperatur, so sind nun teilweise gefüllte Niveaus innerhalb einer Schale der
Dicke kB T um ǫF verfügbar. Damit ergibt sich selbst für ǫ1 = ǫF die endliche Streurate
1
∼ (kB T )2 .
(3.2)
τ
3.2
Spezifische Wärme und Paulisuszeptibilität
Das Beibehalten der durch das Pauliprinzip festgelegten Quantenzahlen und damit der wohldefinierten Fermifläche im wechselwirkenden Fall ist die Ursache für die gleiche Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme (CV = ∂U/∂T |V , U: innere Energie, V : Volumen)
und der Paulisuszeptibilität (χM = ∂M/∂H, M: Magnetisierung, H: Magnetfeld) in Fermigas und Fermiflüssigkeit. Beide Eigenschaften folgen nämlich allein aus der Existenz einer
wohldefinierten Fermifläche. Eine Skizze der Landau’schen Ableitung dieser Beziehungen für
die Fermiflüssigkeit wird im folgenden Abschnitt gegeben.
34
3.2.1
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
Statistische Thermodynamik der Quasiteilchen
Energie-Funktional
Landau schlug eine phänomenologische Beschreibung für einen Quantenzustand, der von
vielen Quasiteilchen besetzt ist, vor. f~k sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zustand mit dem
Wellenvektor ~k besetzt ist. Im Grundzustand (bei T = 0 K) haben alle f~k für ~k-Vektoren
innerhalb der Fermifläche den Wert 1 (besetzte Zustände), alle außerhalb der Fermifläche
den Wert 0 (unbesetzte Zustände). Dies wird durch eine Sprungfunktion der Form
f~k0 ≡ Θ εF − ε~k
(3.3)
mit Θ(x) = 1 für x ≤ 0 und Θ(x) = 0 für x > 0 ausgedrückt. Es sei nun δf~k die Differenz
zwischen der aktuellen Besetzungswahrscheinlichkeit des Zustandes ~k und seiner Besetzungswahrscheinlichkeit im Grundzustand; im Grundzustand sind alle δf~k = 0. Wir nehmen nun
an, dass die Energie eines Quantenzustandes nach δf~k (der Spin-Zustand σ wird dabei vorerst
in der Notation von δf~k nicht mitgeführt) entwickelt werden kann:
ε [δf ] = ε0 +
X
ε~0k δf~k +
1 X
δf~k u~k~k′ δf~k′ + ...
2
(3.4)
~k~k ′ σσ′
~kσ
ε0 ist der Energie-Nullpunkt, ε~0k die Energie der nichtwechselwirkenden Teilchen (für ein
Metall ist dies die Energie der zu ~k gehörenden Bloch-Wellenfunktion, für ein freies Elektron
ist es die Energie (~~k)2 /(2m) zur ensprechenden ebenen Welle mit dem Wellenvektor ~k). Die
Funktion u~k~k′ beschreibt die Wechselwirkung zwischen zwei Teilchen mit den Wellenvektoren
~k und ~k ′ . Die Form des Wechselwirkungspotentials u~~ ′ bestimmt die Physik, die mit diesem
kk
Ansatz beschrieben wird. Vermittelt u~k~k′ eine abstoßende Wechselwirkung, so kann man
damit z.B. die Coulombkorrelation der Elektronen beschreiben. In unserer Ableitung machen
wir vorerst keine Einschränkung für u~k~k′ , sodass die Ergebnisse im Rahmen der nötigen
Näherungen sehr allgemeine Aussagen zulassen. Es sollte noch bemerkt werden, dass die
Theorie der Fermiflüssigkeit nicht geeignet ist, um z.B. Supraleitung zu beschreiben. Der
Grund liegt darin, dass bei der Bildung der Cooper-Paare Bosonen erzeugt werden, was die
geforderte Eins-zu-eins-Korrespondenz zwischen den freien Teilchen und den Quasiteilchen
bricht und dass die Quasiteilchen nur innerhalb ihrer Zerfallszeit existieren, während die
Cooperpaare stabil sind.
Wie sehen nun die δf~k für einen angeregten Zustand aus?
T = 0 K + 1 Quasiteilchen
Die Energie, die nötig ist, um ein Quasiteilchen im Zustand (~k, σ) oberhalb der Fermifläche
hinzuzufügen, ergibt sich aus Glg. (3.4) zu
ε~k = ε~0k +
X
~k ′ σ′
u~k~k′ δf~k′
.
(3.5)
3.2. SPEZIFISCHE WÄRME UND PAULISUSZEPTIBILITÄT
35
Dabei wurde berücksichtigt, dass der Zustand (~k, σ) sicher, also mit Wahrscheinlichkeit 1
(δf~k = 1) besetzt ist. Der Faktor 1/2 im Wechselwirkungsterm von Glg. (3.4) entfällt, da
über die zwei möglichen Spin-Richtungen σ summiert wurde.
Niedrige Temperaturen
Bei T > 0 tritt an die Stelle der Fermienergie das chemische Potenzial µ, das der Energie des
höchsten besetzten Zustandes entspricht. Die Besetzungswahrscheinlichkeiten können über
die Zustandssumme berechnet werden. In einem Metall werden mit zunehmender Temperatur Quasiteilchen erzeugt. Wir haben es also mit einem offenen System – einem System
mit Teilchenaustausch mit dem Wärmebad – zu tun und müssen daher die großkanonische Zustandssumme
verwenden. Für nichtwechselwirkende Elektronen ist sie gegeben durch
P
Zgr = Zust. exp [−β(ε − µ)N], wobei N die Gesamtteilchenzahl ist und β = 1/(kB T ). Die
großkanonische Zustandssumme für die Quasiteilchen ist gegeben durch





X
X
X
1
.
(3.6)
δn~k u~k~k′ δn~k′ 
exp −β 
Zgr =
ε~0k − µ δn~k +


2
δn~k ...δn~k
1
N
~k~k ′ σσ′
~kσ
Die ganzen Zahlen δn~k sind die Besetzungszahlen für Fermionen und haben die Werte 0 und
1 für Zustände außerhalb der Fermikugel und −1 und 0 für Zustände innerhalb. Sie unterscheiden sich daher von den Besetzungswahrscheinlichkeiten δf~k , welche die thermischen
Mittelwerte der δn~k sind. δn~k = 1 beschreibt ein Quasielektron (Quasiteilchen ausserhalb
der Fermifläche), δn~k = −1 ein Quasiloch (Quasiteilchen innerhalb der Fermifläche). Man
steht nun vor dem Problem, dass man die Summation im Wechselwirkungsterm nicht analytisch durchführen kann. Bei tiefen Temperaturen jedoch, wo die δf~k entsprechend klein
sind, lässt sich eine Lösung im Rahmen der Mean-field -Näherung finden. Man ersetzt im
Wechselwirkungsterm von Glg. (3.6) die δn~k durch den a priori exakten Ausdruck
δn~k = δf~k + δn~k − δf~k
,
(3.7)
multipliziert aus und berücksichtigt nur jene Terme, die linear in (δn~k − δf~k ) sind. Der
physikalische Sinn liegt darin, dass man eine Größe, hier δn~k , durch ihren thermischen Mit
telwert, hier δf~k , und die – hoffentlich kleinen – Abweichungen von diesem δn~k − δf~k ,
die Fluktuationen, ersetzt (mehr zum Thema Mean-field-Näherung in Abschnitt 4.2.2). Die
großkanonische Zustandssumme wird damit zu






X
X
X
X
1
0


exp −β
δf~ u~~ ′ δf~ ′ (3.8)
Zgr =
u~k~k′ δf~k′ δn~k + β
ε~k − µ +

2 ′ ′ k kk k 
δn~k =0,1...
~kσ
~k~k σσ
~k ′ σ′
1
X Y
Y
1
=
exp β δf~k u~k~k′ δf~k′
exp −β ε~k − µ δn~k
(3.9)
2
δn~k ... ~kσ
~k~k ′ σσ′
1
Y
Y
1
=
exp β δf~k u~k~k′ δf~k′
1 + exp −β ε~k − µ h~k
.
(3.10)
2
′
′
~k~k σσ
~kσ
36
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
P
P
Glg. (3.8) hat die Form
i exp(Ai + B) und kann
P
Q demnach in exp(B) i exp(Ai ) umgeformt
werden. Mit B = j Bj gilt weiter exp(B) = j exp(Bj ). Mit einer analogen Umformung
von A und Verwendung von Glg. (3.5) folgt Glg. (3.9). In Glg. (3.10) haben wir die Summation über die Besetzungszahlen δn~k teilweise durchgeführt und die neue Größe h~k eingeführt,
welche nur die Werte −1 und +1 annehmen kann. Schließlich bestimmen wir unter Verwendung von Glg. (3.9) noch den Erwartungswert der Besetzungszahl δn~k im Zustand ~k, der
natürlich gerade die Besetzungswahrscheinlichkeit δf~k des Quasiteilchen-Zustandes ~k ist:


Y
X
1
1 Y
 δn~
exp β δf~k u~k~k′ δf~k′ 
exp −β ε~k′ − µ δn~k′
. (3.11)
δf~k =
k
Zgr ′ ′
2
′ ′
δn =0,1...
~k~k σσ
~
k1
~k σ
P
P
(Der Erwartungswert E ist definiert als E = ( i pi Ai )/ i pi , wobei der Wert Ai mit
Wahrscheinlichkeit pi auftritt.) Nach Einsetzen des Ausdrucks für die Zustandssumme
Glg. (3.9) können die meisten Terme in Glg. (3.11) gekürzt werden, insbesondere fällt
Wechselwirkungsterm völlig heraus, sodaß man für die Besetzungswahrscheinlichkeiten
Quasiteilchenzustände wieder die Fermiverteilung erhält.
δf~k =
exp βh~k
h~k
1
− f~k0
=
exp β ε~k − µ + 1
ε~k − µ + 1
.
der
aus
der
der
(3.12)
Dennoch muß man berücksichtigen, dass die Quasiteilchen-Energien ε~k über Glg. (3.5) die
Wechselwirkung enthalten. In diesem Punkt unterscheidet sich diese Fermiverteilung von
jener für das freie Fermigas. Gleichung (3.12) ist somit eine implizite und auch entsprechend
komplizierte Beziehung für die Quasiteilchen-Besetzungswahrscheinlichkeiten.
3.2.2
Spezifische Wärme der Quasiteilchen
Für nichtwechselwirkende Teilchen (freies Elektronengas) ist die (elektronische) spezifische
Wärme bei konstantem Volumen cV proportional zur Zustandsdichte an der Fermienergie
(vgl. Abschnitt 2.1 mit N(εF ) = 3N/(2εF ))
π2 2
cV = kB T N (εF )
3
.
(3.13)
Dabei ist zu beachten, dass N (εF ) die Zustandsdichte an der Fermienergie für das Gas
freier Elektronen ist. Im realen Festkörper wird diese Zustandsdichte durch die periodische
Anordnung der Atome im Kristall modifiziert. Für einfache Metalle wie die Alkalimetalle,
aber auch für Metalle mit nahezu sphärischer Fermifläche wie Kupfer oder Aluminium liefert
Glg. (3.13) eine durchaus vernünftige Beschreibung der elektronischen spezifischen Wärme
(vgl. Abschnitt 2.1). Wir wollen nun die spezifische Wärme der Quasiteilchen berechnen und
gehen dabei vom Ausdruck für die Energie Glg. (3.4) aus
∂ε [δf ] (3.14)
CV =
∂T V
37
3.2. SPEZIFISCHE WÄRME UND PAULISUSZEPTIBILITÄT
=
=

∂ 
∂T
X
~kσ
X
ε~k
~kσ

X
1
δf~ u~~ ′ δf~ ′ 
ε~0k δf~k +
2 ′ ′ k kk k
∂δf~k
∂T
(3.15)
~k~k σσ
.
(3.16)
Wir verwenden Glg. (3.12) und erhalten



h~ exp βh~k ε~k − µ
h~k ∂µ 
h~k X
∂δf~k′
∂δf~k
h~k
= k
ε
+
−
µ
−
u
2
~k
~~ ′
2
∂T
kB T ′ ′ kk ∂T
kB T ∂T 
exp βh~ ε~ − µ + 1  kB T
k
k
,
~k σ
(3.17)
wobei bei der Bildung der Temperaturableitung nicht nur die explizite T -Abhängigkeit über
β, sondern auch die impliziten T -Abhängigkeiten von ε~k und µ zu berücksichtigen sind. Bei
tiefen Temperaturen ist der erste Term in der geschwungenen Klammer wesentlich größer als
die anderen beiden, die wir daher vernachlässigen. Schreibt man die Summe in Glg. (3.16)
in ein Integral über ~k um, so erhält man damit
Z
2
exp
β
ε
1
~k − µ
CV = V
d~kN~k
ε~ − µ (3.18)
2 .
kB T 2 k
exp β ε~k − µ + 1
Da der Integrand in Glg. (3.18) eine gerade Funktion in ε~k −
µ
ist, fallen
die h~k heraus.
R
Zur Auswertung des Integrals erweitern wir es noch mit 1 = dεδ ε − ε~k (vgl. Abschnitt
A.3) und erhalten
Z
exp (β (ε − µ))
1
2
.
(3.19)
(ε
−
µ)
CV = V
dεN (ε)
kB T 2
[exp (β (ε − µ)) + 1]2
Das Integral ist nun der Form nach identisch mit dem Ausdruck, den man für das Gas freier
Elektronen erhält. Die Zustandsdichte N (ε) ist jedoch jene der Quasiteilchen-Zustände, da
die Energien ε~k , von denen wir ausgegangen sind, die Wechselwirkung enthalten. Das Integral
enthält die Ableitung der Fermifunktion f = 1/[exp (β (ε − µ)) + 1] nach dem chemischen
Potential
∂f
1
exp (β (ε − µ))
=
,
(3.20)
∂µ
kB T [exp (β (ε − µ)) + 1]2
die nur in einem Bereich der Größenordnung kB T um µ von Null verschieden ist. Daher lässt
sich das Integral über die Sommerfeld-Entwicklung berechnen, für deren ersten Term
Z
(ε − µ)2 ∂f
π2
′
H (µ) dε
= [kB T ]2 H ′ (µ)
(3.21)
2
∂µ
6
gilt. Durch einen Vergleich der linken Seite von Glg. (3.21) mit Glg. (3.19) kann H ′ (µ) als
2N(µ)/T identifiziert werden, wodurch sich für die spezifische Wärme pro Volumen cV =
CV /V die bekannte Beziehung
π2 2
T N (εF )
(3.22)
cV = k B
3
38
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
ergibt. Die unbekannte Funktion N(ε) wurde also im Bereich kB T um µ als konstant angenommen: N(ε) = N(µ).
Formal sieht in dieser Näherung (nur erster Term der Sommerfeld-Entwicklung) die spezifische Wärme für die Quasiteilchen also aus wie die der nichtwechselwirkende Elektronen.
Der Effekt der Wechselwirkung steckt zur Gänze in der Zustandsdichte. Diese ist andererseits
gegeben durch
N (εF ) =
=
=
=
Z h i
d~k δ εF − ε~k
Z
2
~kδ εF − ε~
d
k
8π 3
Z
2
4πk 2 dkδ εF − ε~k
3
8π
Z
dk
1
2
k dε
δ (εF − ε)
π2
dε~k
,
wobei der Wert des Integrals an der Stelle ε = εF zu bestimmen ist. Mit ε~k = ~2 k 2 /(2m∗ )
erhält man
m∗ kF
(3.23)
N (εF ) = 2 2 ,
π ~
wobei m∗ die effektive Masse der Quasiteilchen ist. Die spezifische Wärme kann demnach
verwendet werden, um die effektive Masse zu bestimmen. Diese Beschreibung ist konsistent
mit den Ergebnissen aus der Theorie der Bandstrukturen; flache (nicht-disperse) Bänder
liefern hohe Zustandsdichten: Teilchen, die sich entlang flacher Bänder bewegen, zeigen eine
große effektive Masse.
3.2.3
Effektive Masse
Die effektive Masse m∗ der Quasiteilchen ist definiert über
∂ε~k
~kF
vF ≡ |kF ≡ ∗
m
∂~~k
.
(3.24)
Aufgrund der Wechselwirkung u~k~k′ unterscheidet sie sich von der Masse nichtwechselwirkender Teilchen (bare particle mass). Auf Englisch verwendet man statt effective mass oft auch
den Ausdruck dressed particle. Dieser ist einleuchtender, da das Teilchen über seine Wechselwirkung mit den anderen Teilchen bei seiner Bewegung benachbarte Teilchen – einfach
ausgedrückt – mitzieht und daher von einem Schwarm anderer Teilchen begleitet – bekleidet
(dressed) – wird. Die Bewegung von Teilchen ist auch die Grundlage der folgenden Herleitung der Beziehung zwischen m∗ und u~k~k′ : Der gesamte Teilchenfluss der Fermiflüssigkeit
wird auf zwei verschiedene Arten berechnet und die sich ergebenden Ausdrücke werden dann
miteinander verglichen.
39
3.2. SPEZIFISCHE WÄRME UND PAULISUSZEPTIBILITÄT
Erste Berechnung des Teilchenflusses
Hier wird ausgenutzt, dass die Quasiteilchenzustände Eigenfunktionen des Impulses (~p = ~~k)
der nichtwechselwirkenden Teilchen sind.
J~N =
X
hΨ|
α
=
X ~k~
~kσ
m
P̂α
|Ψi
m
f~k =
(3.25)
X ~k~
~kσ
m
δf~k
.
(3.26)
Im letzten Schritt wurde verwendet, dass f~k = f~k0 + δf~k und dass f~k0 sphärisch symmetrisch
ist und die Summe über alle ~k somit verschwindet. Eine eventuelle Massenrenormalisierung
auf Grund von Wechselwirkungen mit den Phononen wurde hier außer Acht gelassen.
Zweite Berechnung des Teilchenflusses
Die zweite Berechnung ist aufwändiger und wird hier nicht explizit durchgeführt (vgl. Marder, S. 467). Der Teilchenfluss wird berechnet, indem zunächst für ein Ensemble von Quasiteilchen der Impuls um ~d~k erhöht wird und dann die Änderung der mittleren Energie
pro dieser Impulsänderung berechnet wird. Es zeigt sich, dass sich der Teilchenfluss der
Fermiflüssigkeit so als Summe über alle Teilchengeschwindigkeiten multipliziert mit der Fermiverteilungsfunktion ergibt:
J~N =
X
v~k f~k =
~kσ
X ∂ε~
k
f~k
~
∂~k
.
(3.27)
~kσ
Setzt man nun ε~k gemäss Glg. (3.5) ein, so erhält man
J~N =
X ∂ε~0
X
∂
k
f~k +
f~k
u~k~k′ δf~k′
~
∂~k
∂~~k
~
~~ ′ ′
kσ
k k σσ
X X ∂ε~0
∂
k
δf~k + f~k0
δf~k +
u~k~k′ δf~k′
=
∂~~k
∂~~k
~kσ
.
(3.28)
~k~k ′ σσ′
Was nun folgt ist ein wenig aufwändig: man wandelt die Doppelsumme in entsprechende
Integrale um und integriert dann partiell nach ∂~k . Nach der Rückumwandlung in Summen
fallen die meisten Terme weg und man erhält
X ∂ε~
X ∂f~0
k
k
δf~k −
u~k~k′ δf~k′
~
~
∂~
k
∂~
k
~kσ
~k~k ′ σσ′
X
X
=
v~k δf~k +
u~k~k′ v~k′ δ ε~0k′ − εF δf~k
J~N =
~kσ
~k~k ′ σσ′
.
(3.29)
40
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
Der zweite Term in Glg. (3.29) kann als gegengerichteter Fluß des Mediums (der anderen
Teilchen) um das bewegte Teilchen interpretiert werden. Dieser reduziert die Flussgeschwindigkeit, sodass sich, bei gegebener Kraft, das Teilchen so verhält, als hätte es eine schwerere
Masse. Betrachten wir nun den Fall, dass nur ein einziges Quasiteilchen vorliegt, dass δf~k
also nur für einen Wellenvektor ~k von Null verschieden ist und vergleichen Glg. (3.26) mit
Glg. (3.29):
X
~~k
u~k~k′ v~k′ δ ε~0k′ − εF
= v~k +
m
′ ′
~k σ
=
~~k ′
~~k X
0
+
δ
ε
−
ε
u
′
~
~
F
′
~
k
k
k
m∗
m∗
′ ′
(3.30)
~k σ
Nun wird auf beiden Seiten das innere Produkt mit ~k gebildet. Unter der Annahme einer
sphärischen Fermifläche müssen ~k und ~k ′ einen Absolutwert von etwa ~kF haben, da die
Fermiflüssigkeitstheorie ja nur in der Nähe der Fermifläche gilt.
X
~k · ~k ′
m∗
u~k~k′
=1+
δ ε~0k′ − εF
~k 2
m
F
′ ′
.
(3.31)
~k σ
Wandelt man nun die Summe in ein Integral um, so erhält man (siehe Anhang A.3)
Z
~k · ~k ′
m∗
0
′
= 1+V
dk N~k′ dΩδ ε~k′ − εF u~k~k′
(3.32)
~k 2
m
F
Z
N(εF )
= 1+V
dΩ
u~k~k′ cos θ
(3.33)
4π
Z
1 +1
d (cos θ) u~k~k′ cos θ .
(3.34)
= 1 + V N(εF )
2 −1
In Glg. (3.32) haben wir die Zustandsdichte N~k gemäß Glg. (A.55) eingeführt. In Glg. (3.33)
wird N~k durch die energieunabhängige Zustandsdichte N(εF ) ersetzt. Die Winkelintegration
dΩ läuft über die Fermifläche, cos θ ist der Cosinus des Winkels zwischen ~k und ~k ′ . Die
effektive Masse m∗ ist demnach durch die Wechselwirkungen erhöht, wobei das Integral in
Glg. (3.34) eine gewichtete Mittelung über die Wechselwirkungen u~k~k′ an der Fermifläche
darstellt.
3.2.4
Fermiflüssigkeitsparameter
Die Eigenschaften von u~k~k′ an der Fermifläche liefern die wichtigsten Beiträge zur Wechselwirkung. Es hat sich eingebürgert, diese Beiträge in Form der sog. Landau-Parameter zu
schreiben. Man beginnt damit, dass man unter Berücksichtigung des Spins eine symmetrische
und eine antisymmetrische Linearkombination definiert
u~k↑~k′ ↑ = u~k↓~k′ ↓ = u~sk~k′ + u~ak~k′
u~k↑~k′ ↓ = u~k↓~k′ ↑ = u~sk~k′ − u~ak~k′
,
(3.35)
(3.36)
41
3.2. SPEZIFISCHE WÄRME UND PAULISUSZEPTIBILITÄT
wobei s für symmetrisch und a für antisymmetrisch steht. Da der Wechselwirkungsterm u~k~k′
im Allgemeinen von Winkel zwischen ~k und ~k ′ abhängt, entwickelt man die u~sk~k′ und u~ak~k′ nach
Legendre-Polynomen von Grad l
u~sk~k′
=
u~ak~k′ =
∞
X
l=0
∞
X
usl Pl (cos θ)
,
(3.37)
ual Pl (cos θ)
.
(3.38)
l=0
Durch Invertierung dieser Beziehungen können die usl und ual berechnet werden:
Z
u~k↑~k′ ↑ + u~k↑~k′ ↓
2l + 1 +1
s
d (cos θ) Pl (cos θ)
,
ul =
2
2
−1
Z
u~k↑~k′ ↑ − u~k↑~k′ ↓
2l + 1 +1
a
ul =
d (cos θ) Pl (cos θ)
.
2
2
−1
(3.39)
(3.40)
Die usl und ual haben beide die Dimension einer Energiedichte. Um dimensionslose Fermiflüssigkeitsparameter Fls und Fla zu erhalten, multipliziert man die usl und ual mit der
Zustandsdichte an der Fermienergie und dem Volumen
Fls ≡ V N(εF )usl
,
Fla ≡ V N(εF )ual
.
(3.41)
Mit Hilfe dieser Parameter läßt sich nun unser Ausdruck für die effektive Masse in sehr
kompakter Form schreiben. Da P1 (cos θ) = cos θ ist, lautet das Integral in Glg. (3.34)
Z
1 +1
V N(εF )
d (cos θ) u~k~k′ cos θ
2 −1
Z
u~k↑~k′ ↑ + u~k↑~k′ ↓
1
3 +1
=
V N(εF )
d (cos θ) P1 (cos θ)
3
2 −1
2
1 s
=
F .
(3.42)
3 1
Die effektive Masse Glg. (3.34) wird damit zu
1
m∗
= 1 + F1s
m
3
.
(3.43)
Wir können nun diesen Ausdruck benützen, um die spezifische Wärme Glg. (3.22) folgendermaßen darzustellen
cV
π 2 2 m∗ kF
k T
3 B π 2 ~2 1 s
π 2 2 mkF
k T
1 + F1
=
3 B π 2 ~2
3
2
π 2
1 s
0
=
k T N (εF ) 1 + F1
3 B
3
=
,
(3.44)
42
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
wobei N 0 (εF ) die Zustandsdichte des nichtwechselwirkenden Elektronengases ist. Man erkennt sehr einfach, wie die spezifische Wärme der nichtwechselwirkenden Teilchen durch den
Wechselwirkungs-Term vergrößert wird.
In ganz ähnlicher Weise wollen wir auch den Wechselwirkungsterm u~k~k′σσ′ ein wenig näher
betrachten. In tranlationsinvarianten Systemen (diese haben eine wohldefinierte Fermifläche)
lassen sich gewisse allgemeinere Aussagen machen. Da die Theorie der Fermiflüssigkeiten nur
für Anregungen in der Nähe der Fermifläche gültig ist, sind die beteiligten ~k-Zustände dem
Betrag nach immer etwa gleich ~kF . Die ~k-Abhängigkeit ist daher nur durch den Winkel θ
zwischen ~k und ~k ′ gegeben (Glg. 3.31). Ohne festgelegte Quantisierungsachse, z.B. durch
eine L̂Ŝ -Kopplung, muss der Wechselwirkungs-Term symmetrisch bezüglich der Spins σ
und σ ′ sein und sollte daher in niedrigster Ordnung nur vom Produkt σσ ′ abhängen. Diese
Überlegungen erlauben es, die Wechselwirkung in folgender Form zu parametrisieren und
gleich wieder nach Legendre-Polynomen zu entwickeln
u~k~k′ σσ′ = uθσσ′
≡ φθ + 4σσ ′ ϕθ
∞
X
(φθ + 4σσ ′ ϕθ ) Pl (cos θ)
=
.
(3.45)
l=0
Durch Vergleich mit Glg. (3.39) und (3.40) erkennt man sofort den Zusammenhang mit den
Fermiflüssigkeitsparametern
Z
2l + 1 +1
usl
φθ
{ a} =
d (cos θ) Pl (cos θ) { } .
(3.46)
ul
2
ϕθ
−1
3.2.5
Magnetische Suszeptibilität
Als nächstes Beispiel wollen wir die magnetische Suszeptibilität χM
∂M
.
(3.47)
∂H
betrachten, also die Magnetisierung M des Quasiteilchen-Systems als Antwort auf ein kleines
äußeres Feld H. Im Unterschied zum Problem der spezifischen Wärme oder der effektiven
Masse müssen wir nun jedoch die Spins berücksichtigen. Die Wechselwirkung eines Fermions
mit einem äußeren magnetischen Feld H ist gegeben durch −σγH , wobei γ = e~/me das
gyromagnetische Verhältnis ist und der Spin die Werte σ = ± 21 annehmen kann. Durch das
magnetische Feld werden somit die Energien der Teilchen mit σ = + 12 abgesenkt, jene der
Teilchen mit σ = − 12 entsprechend angehoben. Da im thermodynamischen Gleichgewicht das
chemische Potential für Teilchen beider Spinrichtungen gleich sein muss, führt dies dazu, dass
die Besetzungszahl für Teilchen mit σ = + 12 grösser sein muss als für jene mit σ = − 12 . Die
Differenz der Besetzungszahlen ergibt dann das durch das Feld hervorgerufene magnetische
Moment M. Um nun das magnetische Moment M zu bestimmen, müssen wir berechnen, wie
sich die Spin-abhängige Dichte ρ (σ) im Feld H ändert. Da die Anzahl der Teilchen konstant
ist, können wir schreiben
ρ (σ) = ρ0 + σ∆ρ .
(3.48)
χM =
43
3.2. SPEZIFISCHE WÄRME UND PAULISUSZEPTIBILITÄT
Aus dieser Beziehung lässt sich leicht das magnetische Moment M bestimmen
1
M=
2
X
(ρ0 + σ∆ρ) =
σ=− 12
γ
∆ρ .
2
(3.49)
Die Änderung der Dichte ∆ρ kann man dann aus der Gleichgewichtsbedingung für das
chemische Potential bestimmen, da ja gelten muss
µ (σ) = µ (−σ)
.
(3.50)
Das chemische Potential für jeden Spin ist nun identisch mit der Quasiteilchen-Energie an
der jeweiligen Fermifläche
µ (σ) = ε~kF ,σ (σ) ,
(3.51)
wobei die Energie sowohl direkt als auch über ~kF von σ abhängt. Die Quasiteilchen-Energie
im Feld ist daher
X
u~k~k′ σσ′ δf~k′σ′ .
ε~k,σ = ε~0k,σ − σγH +
(3.52)
~k ′ σ′
Für eine kleines äußeres Feld kann man das chemische Potential um µ0 bei H = 0 entwickeln
µ (σ) ≈ µ0 − σγH +
X ∂µ (σ)
σ ′ ∆ρ .
′)
∂ρ
(σ
′
(3.53)
σ
Das Problem besteht nun darin, die Ableitung des chemischen Potentials nach der Dichte
zu bestimmen. Wir benutzen dazu Glg. (3.51) und setzen die Ableitung des chemischen
Potentials mit der Ableitung der Quasiteilchen-Energie gleich
Z h i
δf
∂µ (σ)
∂kF σ′ ∂ε0σ
′ σ′
~
k
.
(3.54)
d~k u~k~k′σσ′
=
δσ,σ′ +
∂ρ (σ ′ )
∂ρ (σ ′ ) ∂kσ
∂kF σ′
Mit unseren Erfahrungen können wir nun diesen Ausdruck auswerten, wobei man die Bezieδf
∂ε0σ
= ~2 kF /m∗ und ∂k~k′ σ′′ = δ (k ′ − kF ) verwendet
hungen ρ = kF3 / (3π 2 ) , ∂k
σ
Fσ
∂µ (σ)
~2 k F
2π 2 ~2 kF
s
′ a
= 2
δσ,σ′ +
(F + 4σσ F0 )
∂ρ (σ ′ )
kF σ′ m∗
2m∗ 0
.
(3.55)
In Glg. (3.55) treten nur die Fermiflüssigkeitsparameter für l = 0 auf. Dies ist darauf
zurückzuführen, dass durch das äußere Feld die Fermikugel isotrop verkleinert oder vergrößert wird (je nach Spinrichtung). Setzt man nun Glg. (3.55) in Glg. (3.53) ein und berechnet damit die Gleichgewichtsbedingung aus Glg. (3.50), so erhält man
γH =
2π 2 ~2
(1 + F0a ) ∆ρ .
∗
kF m
(3.56)
44
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
Mit Glg. (3.49) ersetzt man ∆ρ durch M
M=
γ 2 HkF m∗
4π 2 ~2 (1 + F0a )
,
(3.57)
woraus sich die magnetische Suszeptibilität ergibt
χM =
∂M
γ 2 kF m∗
= 2 2
∂H
4π ~ (1 + F0a )
.
(3.58)
Führt man nun wieder die Zustandsichte an der Fermienergie Glg. (3.23) ein und ersetzt
für Spin- 12 -Teilchen das gyromagnetische Verhältnis γ durch das Bohr’sche Magneton gemäß
γ = 2µB , so erhält man den bekannten Ausdruck
χM = 2µ2B N (εF )
= χP auli
1
1 + F0a
1
1 + F0a
.
(3.59)
(3.60)
Man erhält ein ähnliches Ergebnis wir für die spezifische Wärme in Glg. (3.44). Die Suszeptibilität des nichtwechselwirkenden Systems wird durch die Wechselwirkung modifiziert.
Generell findet man, dass die Suszeptibilität des wechselwirkenden Systems erhöht wird; F0a
ist im allgemeinen negativ. Man kann dieses Ergebnis direkt mit der austauschverstärkten
Stoner-Suszeptibilität vergleichen. Der Fermiflüssigkeitsparameter F0a tritt dort in der Form
−IS N (εF ) auf und führt zu einer Erhöhung der Paulisuszeptibilität (siehe Skriptum FKPI). Der Stoner-Parameter IS beschreibt im Rahmen einer Hartree-Fock-Näherung die Austauschwechselwirkung zwischen Teilchen mit gleichem Spin. Auch in unserem Resultat in
Glg. (3.60) erkennt man die Spinabhängigkeit der Wechselwirkung, in die mit F0a der antisymmetrische Anteil von u~k~k′ σσ′ eingeht.
3.3
Transporteigenschaften
Bei normalen Metallen ist der elektrische Widerstand bei tiefen Temperaturen durch die
Streueung der Leitungselektronen an den Gitterschwingungen (Phononen) bestimmt, was
zu einer Temperaturabhängigkeit proportional zu T 5 führt. Zusätzlich zur Streuung der Ladungsträger an Phononen existiert aber stets auch eine Streuung der Elektronen aneinander,
welche sich in einem T 2 -Term niederschlägt. Für normale Metalle ist dieser Term jedoch i.A.
vernachlässigbar klein. Falls die Wechselwirkung zwischen den Elektronen hingegen wichtig
wird, was z.B. bei Schweren-Fermionen-Systemen der Fall ist, so dominiert dieser Term das
Tieftemperaturverhalten des elektrischen Widerstandes. Wie kommt es nun zu dieser T 2 Abhängigkeit? Im Abschnitt 3.1 haben wir die Stabilität der Quasiteilchen untersucht und
festgestellt, dass ihre Zerfallsrate proportional T 2 ist. Der Widerstand eines Metalles ist nun
ebenfalls proportional zur Zerfallsrate der Ladungsträger, die den Strom tragen. Somit liefert diese einfache Abschätzung der Zerfallsrate (reziproke Lebensdauer) der Quasiteilchen
45
3.3. TRANSPORTEIGENSCHAFTEN
ein Plausibilitätsargument für das Tieftemperaturverhalten des elektrischen Widerstandes
in metallischen Leitern.
Die exakte Ableitung dieses Terms ist sehr aufwändig, man kann aber aus der Temperaturabhängigkeit der effektiven Masse ebenfalls zu diesem Ergebnis kommen. Der elektrische
Widerstand für das freie Elektronengas ist durch das Drude-Modell beschrieben
Rel =
m
ne2 τ
,
(3.61)
wobei m die Masse der Ladungsträger, n die Dichte der Ladungsträger und τ die mittlere
Stoßzeit ist. Es ist leicht einzusehen, dass für Quasiteilchen m einfach durch die effektive
Masse m∗ zu ersetzten ist. Die effektive Masse kann man auch schreiben als
m∗ =
3 π 2 ~2 1
2 kF kB εF
.
(3.62)
Da wir uns wieder auf Anregungen nahe an der Fermifläche beschränken, können wir εF
durch das chemische Potential µ ausdrücken. Bei endlicher Temperatur verändert sich das
chemische Potential durch die Temperaturabhängigkeit der Fermi-Dirac-Verteilung und wird
zu (Glg. (A.42))
2 !
π2 T
,
(3.63)
µ (T ) = µ (0) 1 −
12 TF
wobei die Fermitemperatur kB TF = εF ist. Der Ausdruck in Glg. (3.63) kommt aus
der Sommerfeld-Theorie für das Elektronengas, welche sich in die Fermiflüssigkeitstheorie
überführen lässt, wenn man wieder m durch die effektive Masse m∗ ersetzt. Setzt man nun
Glg. (3.63) in Glg. (3.62) ein, so erhält man
2 !
1
π2 T
1
,
(3.64)
= ∗ 1−
m∗ (T )
m
12 TF
oder für niedrige Temperaturen
m∗ (T ) ≃ m∗
π2
1+
12
T
TF
2 !
.
Der elektrische Widerstand im Drude Modell wird daher zu
2 !
π2 T
m∗
Rel = 2
1+
,
ne τ
12 TF
(3.65)
(3.66)
was die beobachtete T 2 -Abhängigkeit liefert. Für normale Metalle ist TF von der
Größenordnung 104 Kelvin, sodass der quadratische Term meistens nicht ins Gewicht fällt.
Für Schwere-Fermionen-Systeme kann TF jedoch um 2-3 Größenordnungen kleiner werden,
sodass der T 2 -Term wichtig wird.
46
3.4
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
Kollektive Anregungen
Die Anregungen, die wir bisher besprochen haben, waren sog. Einteilchen-Anregungen. Sowohl für die spezifische Wärme als auch für die magnetische Suszeptibilität haben wir Prozesse betrachtet, bei denen ein Elektron in einen unbesetzten Zustand oberhalb der Fermifläche
gestreut wurde. Eine solche Anregungen kann auch im Fermigas auftreten. Durch die Wechselwirkung zwischen den Elektronen, zu deren Behandlung wir die Fermiflüssigkeitstheorie
eingeführt haben, gibt es aber auch Anregungen, an denen das gesamte Elektronen-System
beteiligt ist. Solche kollektive Anregungen existieren im freien Fermigas nicht. Ein Beispiel
für eine kollektive Anregung sind die Ozillationen, zu denen wechselwirkende Elektronen
angeregt werden können, wenn z.B. ein Elektron auf eine Metalloberfläche geschossen wird.
Das Plasma“ schwingt, analog zu einer akustischen Anregung, mit seiner Resonanzfre”
quenz. Diese kollektive Schwingung kann als neues Quasiteilchen, als Plasmon, interpretiert
werden. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Anregungen eines geordneten Spinsystems, die
als Magnonen (Spinwellen) bezeichnet werden. Wir werden diese in Kapitel 4.2.2 genauer
untersuchen.
3.5
Eigenschaften der wechselwirkenden Elektronen
Bisher haben wir uns vor allem für die Eigenschaften der Quasiteilchen der Landau’schen
Fermiflüssigkeit interessiert. Da sie die gleichen Quantenzahlen wie die ursprünglichen freien
Elektronen haben, haben sie auch dieselbe Verteilungsfunktion (Abb. 3.3, linkes Teilbild).
Was kann man aber über die Eigenschaften der wechselwirkenden Elektronen selbst sagen?
Man kann zeigen, dass in der Verteilungsfunktion der wechselwirkenden Elektronen, die nicht
exakt bestimmt werden kann, eine Diskontinuität der Höhe z am Ferminiveau bestehen
bleibt (Abb. 3.3, rechtes Teilbild). z wird als Quasiteilchen-Gewicht bezeichnet und oft als
Ordnungsparameter der Fermiflüssigkeit betrachtet.
Ein wichtiges theoretisches Hilfsmittel zur Beschreibung der wechselwirkenden Elektronen ist die Spektralfunktion A(k, ε). Sie gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Elektron
Probability
Probability
z
εF
Energy
εF
Energy
Abbildung 3.3: Wahrscheinlichkeit, dass ein Zustand gegebener Energie bei T = 0 besetzt
ist. Links: Für freie Elektronen in einem Fermigas oder Landau’sche Quasiteilchen in einer
Fermiflüssigkeit; Rechts: Für wechselwirkende Elektronen in einer Fermiflüssigkeit [Schofield,
Contemporary Physics 40 (1999) 95].
3.5. EIGENSCHAFTEN DER WECHSELWIRKENDEN ELEKTRONEN
47
, ε)
A(k,ω
A(k,,ωε)
ω
∼ 2ε2
ε
−hpF (k−k F )/m * ω
ε
−hpF (k−k F )/m ω
Abbildung 3.4: Die Spektralfunktion A(k, ε) gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Elektron mit Wellenzahl k eine gewisse Energie ε (relativ zur Fermienergie) hat. Links: Für
freie Elektronen in einem Fermigas; Rechts: Für wechselwirkende Elektronen in einer Fermiflüssigkeit. Die Energie ε erhält man mit Hilfe einer Taylorentwicklung um kF und Linearisierung: ε = ~2 /(2m)[k 2 − kF2 ] = ~2 /(2m)[kF2 + 2kF (k − kF )/1! + 2(k − kF )2 /2! + ... − kF2 ] ≈
~2 kF (k − kF )/m = ~pF (k − kF )/m [Schofield, Contemporary Physics 40 (1999) 95].
mit Wellenzahl k die Energie ε hat. In einem nichtwechselwirkenden System sind die Elektronen Eigenzustände des Systems und die Spektralfunktion ist eine Deltafunktion δ(ε − εk )
(Abb. 3.4, linkes Teilbild). Im wechselwirkenden System kann ein bestimmtes Elektron an
vielen Eigenzuständen des Systems teinehmen und daher hat die Spektralfunktion eine gewisse Energieverteilung (Abb. 3.4, rechtes Teilbild). Die Breite der Verteilung, die proportional
zu (k − kF )2 ist, ist ein Maß für die Lebensdauer. Die Fläche unter der Kurve ist z. Am
Ferminiveau ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Elektron die neue Energie p2F /(2m∗ ) hat,
also z.
Es ist möglich, die phänomenologische Theorie der Landau’schen Fermiflüssigkeit mikroskopisch zu begründen. Dazu wird von einem allgemeinen mikroskopischen Hamiltonoperator
wechselwirkender Elektronensysteme der Form
H = H0 + H1
Ne
Ne
X
X
p~2i
V (~ri )
+
mit H0 =
2m
i=1
i=1
X
und H1 =
u(~ri − ~rj )
(3.67)
(3.68)
(3.69)
i<j
ausgegangen. V (~r) ist das äußere Potential, u(~r − ~r′ ) die Coulomb-Abstoßung. Mit
aufwändigen Methoden der Vielteilchentheorie kann gezeigt werden, dass die wesentlichen
Aussagen der Landau’schen Theorie zumindest für normale“ dreidimensionale Systeme gel”
ten. Im Fall des Auftretens von Supraleitung oder magnetischer Ordnung aber auch in eindimensionalen Systemes gelten die Aussagen hingegen mit Sicherheit nicht.
48
KAPITEL 3. LANDAU’SCHE THEORIE DER FERMIFLÜSSIGKEIT
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