AK ADEMIE für ärztliche Fortbildung AKADEMIE-INFO Ausgabe 7 / August 2006 Themen dieser Beilage Schwangerschaftsrelevante Infektionen Schwangerschaftsrelevante Infektionen Early onset Neugeborenensepsis durch Streptokokken Veranstaltungen der synlab Akademie Während der Schwangerschaft können Infektionen mit bestimmten Erregern die Embryo- und/oder Fetogenese stören. Das Ausmaß der Schädigung hängt von Erreger und Infektionszeitpunkt ab, und reicht von Aborten und Fehlgeburten bis zu zunächst asymptomatischen Neugeborenen, die erst später auffällig werden. In vielen Fällen verläuft die Infektion der Mutter dabei asymptomatisch und kann nur durch geeignete Laboruntersuchungen nachgewiesen werden. Durch die Mutterschaftsrichtlinien sind Screeninguntersuchungen auf Röteln, Lues, Hepatitis B, Infektionen mit Chlamydia trachomatis und HIV (bei Einwilligung der Patientin) vorgegeben. Darüber hinaus gibt es jedoch einige weitere wichtige Erreger, bei denen Screeninguntersuchungen kein Bestandteil der gesetzlichen Mutterschaftsvorsorge sind. Im vorliegenden Beitrag wird auf einige dieser Erkrankungen eingegangen. Serologische Stufendiagnostik Bei den meisten Erregern wird zunächst das spezifische IgG und IgM bestimmt. Wenn weder erregerspezifisches IgG noch IgM nachweisbar ist, hat die Schwangere noch keinen Kontakt mit dem Erreger gehabt; eine Primärinfektion ist somit möglich (mögliche Ausnahme: Infektion in der Inkubationsphase, Nachweis durch Verlaufskontrolle). Positives IgG bei negativem IgM spricht gegen eine Primärinfektion (mögliche Ausnahme: Bei einer frischen Infektion mit Parvovirus B19 kann das IgM manchmal nur schwach oder gar nicht nachweisbar sein.). Bei positivem IgG- und IgM-Nachweis muss nicht unbedingt eine frische Infektion vorliegen, es kann sich auch um persistierendes IgM oder eine unspezifische Reaktion handeln. Durch die Bestimmung der Avidität der IgG-Antikörper kann der Zeitpunkt der Primärinfektion weiter eingegrenzt werden. Hochavide Antikörper (d.h. hohe Bindungsstärke zwischen Antigen und Antikörper) entstehen im Laufe mehrerer Monate durch immer bessere Anpassung der gebildeten Antikörper während der Immunreifung. Der Nachweis von Antikörpern gegen bestimmte Antigene in speziellen Immunoblots (typisches Bandenmuster) spricht ebenfalls für eine zurückliegende Infektion. In den meisten Fällen kann der Infektionsstatus anhand einer einzelnen Serumprobe ermittelt werden. Bei unklaren Befunden und auch zur Dokumentation von frischen Infektionen sollte jedoch eine IgG- ➤ Infektionen während der Schwangerschaft verlaufen oft asymptomatisch und IgM-Verlaufskontrolle nach 2-3 Wochen durchgeführt werden. Bei einem signifikanten Titeranstieg liegt eine aktive Infektion vor. Da das Alter der Schwangerschaft für die Beurteilung des Übertragungsrisikos eine entscheidende Rolle spielt, sollte neben klinischen Angaben (Symptomatik, Vorbefunde) immer die Schwangerschaftswoche mitgeteilt werden. Toxoplasmose In Deutschland sind etwa ein Drittel der Frauen im gebärfähigen Alter seropositiv. Primärinfektionen können sich durch Lymphknotenschwellungen oder Fieber manifestieren; 50% verlaufen jedoch asymptomatisch. Das fetale Infektionsrisiko beträgt im 1. Trimenon 4-15%, die Folge ist meistens ein Abort oder seltener schwere Schäden des Neugeborenen (klassische Trias: Hydrocephalus, Retinochorioiditis, intracerebrale Verkalkungen mit postenzephalitischen Schäden). Im 2. Trimenon liegt das Übertragungsrisiko bei etwa 30% und die Neugeborenen weisen meist mittlere bis schwere Schäden auf. Bei einer Primärinfektion im 3. Trimenon werden etwa 70% der Feten infiziert; die Neugeborenen weisen meist nur leichte Schäden auf oder sind zunächst asymptomatisch, bekommen aber häufig Spätschäden (Augenmanifestationen, neurologische und kognitive Entwicklungsverzögerungen). bei rekurrierenden Infektionen (Reaktivierung oder Reinfektion) möglich. Die fetale Infektionsrate bei Primärinfektionen beträgt 30-40%, die Folge sind meist schwere Schäden der Neugeborenen (Hydrozephalus, zerebrale Verkalkungen, Chorioretinitis, Mikrozephalie, Hepatosplenomegalie) sowie Spätschäden (Hörschäden, Intelligenzdefekte). Bei rekurrierenden Infektionen infizieren sich ca. 1,2% der Feten, von denen ca. 1% meist leichtere Schäden aufweisen. Diagnostik: Serologisches Screening; falls negativ: weitere Kontrollen im Laufe der Schwangerschaft; falls positiv: weitere Untersuchungen zur Bestimmung des Infektionsstatus (s.o.) sowie Ultraschalldiagnostik. Bei einer Reaktivierung oder Reinfektion kann das CMV-IgM auch negativ sein; in diesem Falle muss der IgG-Titerverlauf beobachtet werden. Der Nachweis hochavider IgG-Antikörper schließt eine Primärinfektion aus, eine rekurrierende jedoch nicht. Prophylaxe für seronegative Schwangere: Meiden von engem Kontakt mit Kleinkindern. CMV wird im Urin und Speichel ausgeschieden; die Übertragung erfolgt bei längerem Körperkontakt durch Schmierinfektion. Ringelröteln Die Durchseuchungsrate mit Parvovirus B19 liegt bei Schwangeren bei 30-40%. Die Übertragung erfolgt meist durch Kleinkinder. Die fetale Infektionsrate bei Primärinfektion während der Schwangerschaft beträgt ca. 30%, mögliche Folgen sind Spontanaborte, Fehlgeburten oder Hydrops fetalis. Diagnostik: Bestimmung von Parvovirus B19-IgG am besten schon vor einer geplanten Schwangerschaft. Während der Schwangerschaft: Bestimmung von Parvovirus B19-IgG und -IgM. falls positiv: weitere Untersuchungen zur Bestimmung des Infektionsstatus (s.o.) sowie Ultraschalldiagnostik. Falls negativ: Weitere Kontrollen im Laufe der Schwangerschaft. Bei positivem IgG und negativem IgM und klinischem Verdacht auf frische Infektion wird ein DNA-Nachweis mittels PCR empfohlen. Eine engmaschige Ultraschallüberwachung sollte gewährleistet sein. Therapie: Bei nachgewiesener frischer Infektion nach den RKI-Richtlinien in Abhängigkeit von der Schwangerschaftswoche. Prophylaxe bei seronegativen Schwangeren: Soweit möglich Vermeidung von intensiven Kontakten zu Kleinkindern. Diagnostik: Serologisches Screening; falls negativ: Testwie- derholung alle 8-10 Wochen; Prophylaxe für seronegative Schwangere: Meiden roher oder halbroher Fleisch- und Wurstwaren, sorgfältiges Waschen von möglicherweise mit Katzenkot kontaminiertem Obst und Gemüse, ggf. besondere Hygiene beim Umgang mit dem Katzenklo. Cytomegalie Häufigste konnatale Infektion (ca. 1% aller Neugeborenen), häufigste virusbedingte Ursache von Hörschädigungen und mentaler Retardierung. In Deutschland sind etwa 45% der Frauen im gebärfähigen Alter seropositiv. Die Primärinfektion verläuft in 90% asymptomatisch oder mit uncharakteristischer Symptomatik. Intrauterine Infektionen sind bei Primärinfektionen, aber auch ■ Schwangerschaftsrelevante Infektionen Varizellen In Deutschland liegt die Seropositivrate vor Eintritt einer Schwangerschaft bei 95-98%. Bei einer Primärinfektion während der Schwangerschaft bestehen folgende Risiken: 1. Die Schwangere selbst hat ein erhöhtes Risiko an einer Pneumonie zu erkranken (Letalität unbehandelt 20-25%). 2. Fetales Varizellensyndrom: Bei Infektion bis zur 20. SSW schwere Fehlbildungen bei ca. 2% der Feten. 3. Neonatale Varizellen: Bei Erkrankung der Mutter innerhalb von 5 Tagen vor bis zu 2 Tagen nach der Geburt kann das Neugeborene schwere konnatale Varizellen entwickeln. Diagnostik: Bestimmung von VZV-IgG am besten schon vor einer geplanten Schwangerschaft. Bei Exposition einer ➤ AK ADEMIE für ärztliche Fortbildung Schwangeren mit unbekanntem Immunstatus: Bestimmung von VZV-IgG und –IgM möglichst innerhalb von 96 Stunden. Prophylaxe: Bei seronegativen Frauen vor einer möglichen Schwangerschaft: aktive Immunisierung. Bei seronegativen Schwangeren nach Exposition: Gabe von Hyperimmunglobulin innerhalb von 96 Stunden. Wann ist der ideale Zeitpunkt für das Screening? Der theoretisch bestmögliche Zeitpunkt für ein Eingangsscreening liegt wenige Wochen vor einer geplanten Schwangerschaft. In diesem Fall reicht auch die alleinige Bestimmung der jeweiligen IgG-Antikörper aus, was auch Kassenpatientinnen, die diese Untersuchungen als IGeL anfordern, zugute kommt. Ein positiver IgGBefund bedeutet, dass in der Schwangerschaft keine Primärinfektion mit dem entsprechenden Erreger mehr möglich ist. Bei einem negativen Befund können die beschriebenen Möglichkeiten der Prophylaxe eingesetzt werden. Spätere in der Schwangerschaft erhobene Befunde können zudem leichter interpretiert werden. Fazit Vor und in der Schwangerschaft durchgeführte infektionsserologische Untersuchungen können helfen, die Häufigkeit prä- oder perinatal erworbener Infektionen zu reduzieren und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Verhütung kindlicher Infektionen. Die genannten Untersuchungen sind nicht Bestandteil der Mutterschaftsrichtlinien und können als sinnvolle präventivmedizinische IGeL angeboten werden. ■ Kontakt Dr. med. Ulrike Hauser synlab Augsburg · MVZ für Labordiagnostik Telefon 0821/227800 E-Mail: [email protected] Early onset Neugeborenensepsis durch Streptokokken der Gruppe B AKADEMIE GBS-Screening als Prophylaxe ärztliche Fortbildung Gruppe B-Streptokokken (GBS), synonym als Streptococcus agalactiae bezeichnet, sind grampositive bekapselte Bakterien, die bei Erwachsenen urogenitale Infektionen, Wundinfektionen aber auch Bakteriämien/ Sepsis verursachen können. höher sein. Mit neurologischen Langzeitfolgen muss ebenfalls gerechnet werden. Die early-onset GBS-Infektion betrifft in über 80% der auftretenden Fälle reife Neugeborene. Die Übertragung B-Streptokokken auf das Neugeborene erfolgt über die ano/vaginale GBS-Besiedelung unter der Geburt. B-Streptokokken besiedeln vor allem den Genitaltrakt und das Rektum symptomloser erwachsener junger Frauen. Bei ca. 10-30 % aller Schwangeren lassen sich die Bakterien im genito-analen Abstrich nachweisen. Diese Besiedelung ist in den meisten Fällen transient vorhanden. Bei Neugeborenen sind sie weiterhin einer der häufigsten Ursachen für schwere Infektionen. Zur Vermeidung der early-onset Infektion hat sich die intrapartale Chemoprophylaxe als effizienteste Methode herausgestellt (Reduktion des Risikos um das ca. 30-fache). Dabei erfolgt eine Antibiotikagabe an die Mutter, z. B. mit Penicillin, unter der Geburt. Die systemische Antibiotikagabe zur Eradikation Gruppe B-Streptokokken (Streptococcus agalactiae) bei symptomlosen GBS-Trägern während der Schwangerschaft hat sich nicht bewährt, Die frühe Form (early-onset) der Infektion da die Rekolonisationsrate zum Zeitpunkt mit GBS, die in der Regel in den ersten 72 Stun­den nach der Ge- der Geburt wieder bei 30-70 % liegt und damit in den meisten Fälburt zu ersten Symptomen führt, äußert sich bei den Neugebore- len erfolglos ist. nen als Sepsis, Pneumonie und seltener als Meningitis, Osteomyelitis oder Arthritis. Der Verlauf kann dramatisch sein und rasch in Da Schnellteste zum Nachweis von GBS zum Zeitpunkt der Geeinen septischen Schock münden. Das Letalitätsrisiko liegt bei ca. burt entweder in ihrer Aussagekraft nur eingeschränkt verwertbar 4 - 6 %, kann jedoch bei sehr unreifen Frühgeborenen deutlich sind (Antigen-Schnellteste) und die aussagekräftige PCR nicht ➤ K ADEMIE he Fortbildung Early onset Neugeborenensepsis durch Streptokokken der Gruppe B ■ AK ADEMIE für ärztliche Fortbildung überall zur Verfügung steht, bleibt der kulturelle GBS-Nachweis der diagnostische Goldstandard. Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, die sich eng an den Empfehlungen der CDC (Centers for Disease Control and Prevention) aus dem Jahr 2002 orientieren, sollte bei allen Schwangeren mit GBSNachweis in der 35. bis 37. SSW intrapartal eine antibiotische Chemoprophylaxe durchgeführt werden. Diese Empfehlung gilt unabhängig von weiteren Risikofaktoren (Dauer zwischen Bla­ sensprung und Entbindung mehr als 18 Stunden, Fieber während der Geburt mit mehr als 38°C). Da der Intestinaltrakt als Reservoir für die vaginale Besiedelung durch GBS gilt, sollte die rektale GBS Besiedelung bakteriologisch miterfasst werden. Um nicht unnötige Kosten zu erzeugen, sollte ein vaginal-anorektaler Mischabstrich, zuerst vom Introitus vaginae und anschließend vom Rektum (ein Abstrichtupfer) gewonnen werden, unter Überwindung des Sphinkters. Bei zwei Abstrichtupfern können diese in einem Transportgefäß »gepoolt« werden. Mit einem PPV von 88% und einem NPV von 97% bietet das GBS-Screening eine ausgesprochen zuverlässige Vorhersagewahrscheinlichkeit für die early onset Infektion. Das GBS-Screening gehört nicht in das Vorsorgeprogramm der gesetzlichen Krankenkassen. Sie können es Ihren Patientinnen als IGeL anbieten. Der Preis für die Laborleistung beträgt 18,07 €; Ihre ärztliche Leistung ist hinzuzurechnen. Eine kostenlose Patienteninformation zum GBS-Screening für Ihre Praxis können Sie gebührenfrei anfordern unter 0 8000-79 65 22. ■ Kontakt Dr. med. Maik Stark synlab Heidelberg · MVZ für Labordiagnostik Telefon 0 62 21/7 93-0 E-Mail: [email protected] Quellen: CDC, Revised Guidelines, 2002 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 2004 Eine bekannte Penicillinallergie sollte auf dem Laborauftrag notiert werden, zusammen mit dem Vermerk, Clindamycin und Erythromycin zu testen. Eine Befundkopie sollte der Schwangeren für die Geburtsklinik mitgegeben werden. Wird bei einer Schwangeren, unabhängig vom Zeitpunkt innerhalb der Schwangerschaft, ein Nachweis von GBS im Urin erbracht (Harnwegsinfektion), ist das Screening entbehrlich, da aufgrund der hohen Erregerdichte generell eine intrapartale Antibiotikaprophylaxe empfohlen wird. Wenn bei vorhergehenden Schwangerschaften bereits ein Neugeborenes an einer schweren GBS-Infektion erkrankte, kann in der aktuellen Schwangerschaft auf einen GBS-Nachweis verzichtet werden, da ebenfalls eine Prophylaxe durchgeführt werden muss. ■ Early onset Neugeborenensepsis durch Streptokokken der Gruppe B Veranstaltungen der synlab Akademie 27.09.2006 Grundlagen der Urin-Eiweiß-Differenzierung synlab Nürnberg, MVZ für Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie, Veranstaltungsraum 27.09.2006 Praxis Neugründung - wie? Diakonissenkrankenhaus Augsburg, Vortragssaal 4.10.2006 IGeL: Erschließen notwendiger Einnahmequellen für die ärztliche Praxis synlab Nürnberg, MVZ für Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie, Veranstaltungsraum Nähere Informationen beim Akademie-Sekretariat unter 0911 /9714 -435 oder unter www.synlab.de/veranstaltungen. Anmeldung: [email protected] www.synlab.de Stand 08/2006 13.09.2006 ADHS - Neue therapeutische Optionen aus Naturheilverfahren Hyatt Hotel, Köln