77 SCHL AGLICHTER 2016 Gynäkologie und Geburtshilfe Zika – ein teratogenes, sexuell übertragbares Virus in Pandemie Prof. Dr. med. Daniel Surbek Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, Bern Das Zika-Virus gehört zu den Flavi-Viren, einer Gruppe von Viren, von denen auch das Dengue-Fieber, Gelbfieber oder die Früh-Sommer-Meningoenzephalitis ausgelöst werden. Das Virus Tragweite» («public health emergency of international concern [PHEIC]») erklärt, ähnlich wie im Jahre 2014 die Obschon das Zika-Virus (ZIKV) bereits im Jahre 1947 bei Ebola-Epidemie [3]. In der Folge wurden dank intensi- einem Affen in den Zikawäldern in Uganda entdeckt vierten Forschungsanstrengungen rasch Fortschritte und beschrieben wurde, galt es über Jahrzehnte nicht gemacht im Verständnis der Übertragungswege (inkl. mehr als eine wissenschaftliche Kuriosität [1]. Nachdem sexuelle Übertragung durch Sperma), der Pathophy- in einer südpazifischen Inselgruppe (französisch Poly- siologie der vertikalen Transmission und deren Folgen nesien) im Jahre 2007 eine kleinere Epidemie mit dem (Mikrozephalie, weitere ZNS-Anomalien und Organ- Zika-Virus ausgebrochen ist, ausgelöst durch Übertra- fehlbildungen, intrauterine Wachstumsretardierung) gung durch die Aedes-Mücken (Aedes aegypti [ägyp- sowie der Immunität. Aktuell sind bereits über 40 tische Tigermücke] und Aedes albopictus [asiatische potentielle ZIKV-Impfungen in Entwicklung, wobei Tigermücke]), schwappte eine Epidemie im späten 2014 einzelne bereits in klinischen Phase-1-Studien getestet auf tropische und subtropische Regionen von Amerika werden. Es kann damit gerechnet werden, dass in 2–3 (Mittel- und Südamerika, Karibik) über. Von dort aus Jahren eine wirksame Impfung (zumindest für Nicht- kam es zu einer raschen Ausbreitung, zur Pandemie. Schwangere) zur Verfügung steht. Welchen Verlauf die Die ZIKV-Infektion erlangte von da an grosses Inte- Pandemie allerdings in den nächsten Jahren nehmen resse, was sich in der explosionsartig steigenden Zahl wird, ist völlig offen [4]. wissenschaftlicher Publikationen äussert (rund 1400 Nichtsdestotrotz sind viele zentrale Fragen der Patho- Publikationen seit Mitte 2015). Bereits bei den ZIKV- physiologie der ZIKV-Infektion in der Schwangerschaft Fällen in Polynesien wurde der Zusammenhang mit völlig offen, insbesondere bezüglich Häufigkeit der dem Guillain-Barré-Syndrom beschrieben. Im Jahre vertikalen Übertragung, Schweregrad und Spektrum 2015 häuften sich alarmierende Meldungen über eine der klinischen Folgen der ZIKV-Infektion des Fötus, mögliche kausale Assoziation einer Häufung von ZIKV- langfristige Folgen u.a. Infektionen in Brasilien und einer Häufung kongenitaler Mikrozephalie von Neugeborenen. Im Verlauf erhärtete sich in der wissenschaftlichen Gemeinschaft der Vorkommen Verdacht dieses Zusammenhanges, und in experimen- ZIKV-Infektionen sind derzeit in über 60 Ländern tellen Modellen konnte der Zusammenhang nachvoll- nachgewiesen. In etwa der Hälfte dieser Länder sind zogen werden und gilt als gesichert [2]. Fälle mit kongenitaler Mikrozephalie und/oder Guillain-Barré-Syndrom im Zusammenhang mit dem ZIKV beschrieben worden. Eine aktive Übertragung lässt Pandemie und Folgen Daniel Surbek sich in Mittel- und Südamerika, Karibik, Kap Verde, Alarmiert durch das Ausmass und die Verbreitungsge- Neu-Kaledonien, Fidschi, Papua-Neuguinea und anderen schwindigkeit der ZIKV-Pandemie und deren möglichen nachweisen. Die Ausbreitung ändert sich aber zur Zeit Folgen (Teratogenität) hat die Weltgesundheitsorgani- rasch. Parallel zur Epidemie in Mittel- und Südamerika sation WHO am 1. Februar 2016 die ZIKV-Pandemie zu gibt es auch einzelne ZIKV-Infektionen in Südostasien einer «Gesundheitlichen Notlage von internationaler (Vietnam, Thailand, Indonesien und andere). SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(4):77–79 78 SCHL AGLICHTER 2016 Übertragungsweg Diagnostik Mückenstiche durch die Aedes-Mückenfamilie stellen Der direkte Virusnachweis kann mittels RT-PCR im den Hauptübertragungsweg des ZIKV dar. Einen wichti- Blut oder Urin durchgeführt werden. Eine Serologie gen Übertragungsweg stellt auch die vertikale mittels IgM- und IgG-Bestimmung ist ebenfalls mög- materno-fetale Übertragung in der Schwangerschaft lich; IgM werden rund eine Woche nach Symptombe- dar. Darüber hinaus gibt es gut dokumentierte Fälle ginn positiv. Hier sind allerdings Kreuzreaktionen mit durch sexuelle Übertragung, hauptsächlich von Mann anderen Flavi-Viren (Dengue und Gelbfieber) möglich. zu Frau, aber auch umgekehrt. Das Virus kann im Die Sensitivität und Spezifität der ZIKV-Diagnostik ist Sperma über Monate nach einer Infektion mittels PCR bisher allerdings unklar. Ein negatives Testergebnis nachgewiesen werden. Eine Übertragung mittels Blut- (Serologie und/oder RT/PCR) schliesst somit eine ZIKV- transfusion ist ebenfalls möglich. Auch eine Übertra- Infektion nicht mit Sicherheit aus und sollte u.U. im gung durch Affenbisse scheint möglich. Verlauf (nach 4 Wochen) wiederholt werden. Aufgrund dieser potentiellen Übertragungswege lassen sich verschiedene ZIKV-Expositionen definieren: – Aufenthalt in einem Gebiet mit aktiver ZIKV-Übertragung; – sexueller Kontakt mit einem Mann mit nachgewiesener ZIKV-Infektion; – sexueller Kontakt mit einem Mann, der sich in den letzten 6 Monaten in einem Gebieten mit aktiver ZIKV-Übertragung aufgehalten hat. Empfehlungen (nach [5]) Allen schwangeren Frauen und Frauen, die eine Schwangerschaft planen, soll von einer Reise in Zika-VirusEndemiegebiete mit aktiver Übertragung abgeraten werden. Ist eine Reise notwendig, ist vorgängig eine ausführliche Reiseberatung wichtig. Neben der Besprechung des Risikos sollte insbesondere der optimale Schutz vor Mückenstichen besprochen werden. Empfohlen werden Inkubationszeit, Krankheitsverlauf lange helle Shirts und Hosen, welche imprägniert sind, Moskitonetze und optimale Repellentien. Die Inkubationszeit ist noch nicht genau bekannt, aber Im Hinblick auf das Risiko für den Fötus empfiehlt sich liegt zwischen 3 und 11 Tagen. In den meisten Fällen bei ZIKV-Exposition in der Schwangerschaft eine Be- (bei ca. 80%) verläuft die Infektion mit dem ZIKV asym- treuung der Schwangeren an einem spezialisierten ptomatisch. In der Minderzahl der Fälle kommt es zu un- pränatalmedizinischen Zentrum. spezifischen, milden Krankheitssymptomen von einer In nachfolgenden Szenarien in Bezug auf Kinder- bis maximal zwei Wochen Dauer. Zu diesen gehören wunsch oder Schwangerschaft wird folgendes Vorge- Fieber, makulopapulöses Exanthem, Konjunktivitis, hen vorgeschlagen: Muskel- und Gelenkbeschwerden. Selten kommt es zum – Das Paar möchte schwanger werden, und die Frau Guillain-Barré-Syndrom, welches passagere Paresen hat sich in einem ZIKV-Endemiegebiet aufgehalten: beinhaltet. Mit dem Versuch, schwanger zu werden, sollte min- Bei schwangeren Frauen kann es durch eine ZIKV- destens 3 Menstruationszyklen (3 Monate) abgewar- Infektion mit vertikaler Transmission zum Frühabort, tet werden. Bei symptomatischer Erkrankung an zur Frühgeburt, intrauterinen Wachstumsretardie- ZIKA-Virus oder bei Aufenthalt des männlichen rung und typischerweise ausgeprägten fetalen Mikro- Partners in einem ZIKV-Endemiegebiet werden bis zephalie kommen. Weitere fetale Fehlbildungen und Anomalien des Gehirns (Ventrikulomegalie, Verkalkun- zu 6 Monate empfohlen. – Die Frau ist schwanger und hat sich vor oder wäh- gen) und anderer Organe sind ebenfalls beschrieben. rend der Schwangerschaft im Endemiegebiet aufge- Es ist bis heute noch unklar, wie oft es nach ZIKV-Infek- halten: Bei der Frau kann eine Laboruntersuchung tion einer schwangeren Frauen zur vertikalen Transmis- erwogen werden mit dem Wissen, dass ein nega- sion kommt, und in wie vielen Prozenten der intrauteri- tiver Test eine Infektion nicht ausschliessen kann nen Infektion es zu einer klinisch relevanten Schädigung (RT-PCR in Serum und Urin, Serologie IgM/IgG. des Fötus mit Langzeitfolgen kommt. Bei einer sympto- Wenn die IgM/IgG-Serologie und PCR innerhalb von matischen Infektion der Schwangeren scheint das Risiko 4 Wochen nach Rückkehr negativ waren: Wieder- einer vertikalen Transmission um 30% zu liegen. Von holung der Serologie und PCR im Serum/Plasma den betroffenen Föten zeigen rund 25% eine Mikroze- und im Urin nach 4 Wochen. phalie. Im Falle einer asymptomatischen Infektion Ultraschalluntersuchungen: Ab 16.–18. Schwanger- dürfte das Risiko der vertikalen Transmission deutlich schaftswoche alle 4 Wochen detaillierte US-Unter- kleiner sein, ist aber noch völlig unbekannt. suchung (fetales Wachstum inkl. Kopfwachstum, SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(4):77–79 79 SCHL AGLICHTER 2016 Dopplersonographie, Fruchtwassermenge, fötale In- tionen allerdings verlaufen asymptomatisch oder mit fektionszeichen wie Verkalkungen, Hydropszeichen, nur milden passageren Symptomen eines grippalen zerebrale Veränderungen. Infektes. Das bisherige Wissen über die Pathophysio- – Die Frau ist schwanger und ist an einer ZIKV-Infek- logie und den klinischen Verlauf der ZIKV-Infektion ist tion erkrankt: Ultraschalluntersuchungen alle 2–3 begrenzt. Allen schwangeren Frauen und Frauen, die Wochen, eine Amniozentese mit RT-PCR-Bestim- eine Schwangerschaft planen oder nicht ausschliessen mung vom ZIKV im Fruchtwasser sollte je nach Be- können, soll von einer Reise in ZIKV-Endemiegebiete fund und nach individueller Beratung angeboten mit aktiver Übertragung abgeraten werden. Falls sich werden. eine schwangere Frau im Endemiegebiet aufgehalten – Die Frau ist schwanger, ihr Partner hat sich im Ende- hat, sollte sie zum Ausschluss einer ZIKV-Infektion an miegebiet aufgehalten. Grundsätzlich sollte bis zu einem spezialisierten Zentrum betreut werden. Insbe- Ende der Schwangerschaft bei sexuellen Kontakten sondere sind wiederholte, spezialisierte Ultraschallun- ein Kondom verwendet werden. tersuchungen notwendig. Falls sich der Partner einer schwangeren Frau in einem Endemiegebiet aufgehalten hat, sollte bis zum Ende der Schwangerschaft bei sexu- Schlussfolgerungen ellem Kontakt ein Kondom verwendet werden. Die ZIKV-Pandemie hat sich innerhalb weniger Monate entwickelt und wurde von der WHO als gesundheit- Disclosure statement liche Notlage von internationaler Tragweite eingestuft. Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. Das ZIKV gehört zur Gattung der Flavi-Viren und die Übertragung erfolgt durch Aedes-Mücken oder durch sexuelle Übertragung. Es besteht ein erwiesener ZuKorrespondenz: sammenhang zwischen einer ZIKV-Infektion während Prof. Dr. med. Daniel Surbek der Schwangerschaft und dem Auftreten einer Mikro- Universitätsklinik für Frauenheilkunde zephalie und weiteren Anomalien beim Fötus und Inselspital beim Neugeborenen. Des Weiteren sind bei erwachse- Effingerstrasse 102 CH-3010 Bern daniel.surbek[at]insel.ch nen Infizierten neurologische Komplikationen im Sinne des Guillain-Barré-Syndroms beschrieben. Viele Infek- SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(4):77–79 Literatur 1 2 3 4 5 Editorial. The next steps on Zika. Nature. 2016;530:5. Rasmussen SA, et al. Zika virus and birth defects — reviewing the evidence for Causality. N Engl J Med. 2016;374:1981–7. Lessler J, et al. Assessing the global threat from Zika virus. Science. 2016;353:663. Maurice J. The Zika virus public health emergency: 6 months on. Lancet. 2016;388:449–50. Aebi-Popp, et al. Zikavirus und Schwangerschaft. Expertenbrief SGGG, Juni 2016, online auf www.sggg.ch